Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 146 — seinen langen Stock und stieg die enge Schlucht wieder hinab. Ehe er jedoch diese verließ, raffte er aus einem tiefen Felsenspalt, der ihm als Magazin diente, noch ein Bündel etwa zwei Ellen langer und einen Zoll dicker Buchen-, Birken-und Eichenstäbe auf, nahm es unterm linken Arm und ging darauf mit großen Schritten, die Knie stets etwas gebogen, den Stab regelmäßig weit vorsetzend und bei jedem nächsten Schritt weifenartig damit nach rechts ausbiegend, dem gemißhandelten Wenden entgegen. Dieser ächte Bauerngang, der ohne zu ermüden schnell vorwärts bringt, sah bei dem untersetzten Manne sehr komisch aus und verursachte durch das immerwährende Schaukeln und Aneinanderschlagen der Drähte auf Brust und Rücken ein eigenthümlich klirrendes Rascheln. Betäubt von dem unerwarteten Schlage und von Ehrhold, dem jungen Clemens und noch einigen andern Wenden und Wendinnen umringt, bemerkte Sloboda nicht die Ankunft eines Fremden. Erst als ihn der Mann mit den Drähten sanft auf die Achsel schlug, kehrte sich Sloboda um und reichte, da ein gutmüthiges Auge ihn grüßte, dem Manne die Hand. »Man hat Euch da behandelt, wie einen Hund, wackerer Freund,« sagte der Mann mit einer Stimme, die vor gerechter Entrüstung grollend zitterte. »Schade, daß ich nicht bei der Hand war, sonst, bei meiner armen Seele, hätte ich dem hochmüthigen Burschen

— 147 — ein Rad um den Kopf geschlagen. Ihr müßt klagen, Mann!« Der Wende seufzte und schüttelte in stummer Verzweiflung sein braunlockiges Haupt. »Ihr wollt nicht?« fuhr der mit den Drähten fort. »Warum nicht? Meint Ihr, der Herr behalte Recht, weil er reich ist? Solche Gedanken dürft Ihr gar nicht in Euch aufkommen lassen, mein Lieber! Es ist wahr, der Arme richtet bei unserer Art, die Processe zu führen, und sie auf Kind und Kindeskind zu vererben, hier zu Lande selten etwas aus, aber, Freund, es ist nicht klug, dergleichen Bedenken merken zu lassen! Ich sage Euch, soll das Volk den Vornehmen gegenüber dereinst und, gebe Gott, bald eine bessere Stellung einnehmen, die es verdient, die es fordern darf, so müssen wir jedes erlaubte Mittel ergreifen und vor Allem uns von diesen hochmüthigen Narren gar nichts mehr gefallen lassen! – Glaubt mir, Freund, ich kenne die Herren, denn ich komme viel mit ihnen zusammen, ich kenne auch den wilden Blauhut. Sie geben klein zu, wenn man ihnen recht derb mit hartem Schuh auf die Zehen tritt. Muth und Ausdauer machen sie ängstlich und furchtsam. Und was wollt Ihr denn, guter Freund? Seid Ihr denn nicht im vollkommensten Recht? Mädchenraub ist, Gott sei Dank, in christlichen Landen vor jedweder Obrigkeit ein Verbrechen. Darum nur geklagt, Freund! Der Blauhut muß mir durchaus an den Pranger!« »Er ist mein Herr!« sagte dumpf der Wende.

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ein Rad um den Kopf geschlagen. Ihr müßt klagen,<br />

Mann!«<br />

Der Wende seufzte und schüttelte in stummer Verzweiflung<br />

sein braunlockiges Haupt.<br />

»Ihr wollt nicht?« fuhr der mit den Drähten fort.<br />

»Warum nicht? Meint Ihr, der Herr behalte Recht, weil<br />

er reich ist? Solche Gedanken dürft Ihr gar nicht in<br />

Euch aufkommen lassen, mein Lieber! Es ist wahr, der<br />

Arme richtet bei unserer Art, die Processe zu führen,<br />

und sie auf Kind und Kin<strong>des</strong>kind zu vererben, hier<br />

zu Lande selten etwas aus, aber, Freund, es ist nicht<br />

klug, dergleichen Bedenken merken zu lassen! Ich sage<br />

Euch, soll das Volk den Vornehmen gegenüber dereinst<br />

und, gebe Gott, bald eine bessere Stellung einnehmen,<br />

die es verdient, die es fordern darf, so müssen wir je<strong>des</strong><br />

erlaubte Mittel ergreifen und vor Allem uns von diesen<br />

hochmüthigen Narren gar nichts mehr gefallen lassen!<br />

– Glaubt mir, Freund, ich kenne die Herren, denn<br />

ich komme viel mit ihnen zusammen, ich kenne auch<br />

den wilden Blauhut. Sie geben klein zu, wenn man ihnen<br />

recht derb mit hartem Schuh auf die Zehen tritt.<br />

Muth und Ausdauer machen sie ängstlich und furchtsam.<br />

Und was wollt Ihr denn, guter Freund? Seid Ihr<br />

denn nicht im vollkommensten Recht? Mädchenraub<br />

ist, Gott sei Dank, in christlichen Landen vor jedweder<br />

Obrigkeit ein Verbrechen. Darum nur geklagt, Freund!<br />

Der Blauhut muß mir durchaus an den Pranger!«<br />

»Er ist mein Herr!« sagte dumpf der Wende.

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