Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 1294 — alle Mauern durchdringender Schmerzensschrei entschlüpfte ihm – seine Hände erfaßten die blitzende, schwingende Welle, und zerrissen, eine blutige Guirlande, hing der Unglückliche an dem dampfenden Eisenschaft! Die Maschine stand – auch in den übrigen Sälen, wo man den Schrei gehört hatte, wurden die Maschinen gehemmt. Die Zuschauer an der Thür stürzten athemlos herein – da vernahm man von unten herauf einen zweiten, dem ersten ähnlichen Schrei, und Alles ward still. Martell aber neigte sein Haupt und sagte düster: »Gott hat ihn gerichtet!« Auf der Fabrikuhr schlug die Glocke die zweite Morgenstunde. 68. DIE VERSÖHNUNG. Dieser unerwartete, unbeabsichtigte Ausgang des von Martell ersonnenen Duells machte auf einmal allem Streit und Hader ein Ende. Das Erscheinen seiner Freunde, die er fern geglaubt hatte von dem Orte, wo er auf edle Weise seinen grausamen Bruder bestrafen wollte, war ihm jetzt, obwohl unerwartet, doch sehr lieb. Sie konnten, als Zeugen des Ausgangs, im Nothfalle eidlich erhärten, daß Martell vollkommen schuldlos sei am Tode seines Halbbruders, daß diesen nur die innere Seelenangst, die von wilder Leidenschaft und Sinnenlust erhitzte Phantasie in den Tod gejagt habe.

— 1295 — – Martell’s Absicht bei dem von ihm ersonnenen Duell war eine durchaus ehrenwerthe gewesen. Sein Herz sagte ihm, daß Adrian Strafe, sogar harte, empfindliche Strafe für sein gewissenloses Handeln verdient habe, sein unverdorbenes natürliches Gefühl verlangte eine solche, und so erdachte er denn diese eigenthümliche Art der Bestrafung. Er bezweckte damit eine große moralische Wirkung auf den Grafen; er wollte ihm durch die That beweisen, daß es kein Vergnügen sei, ein ganzes Leben hindurch ohne die geringste Aussicht auf Verbesserung seiner Lage, täglich so lange Stunden in verdorbener Luft zu arbeiten und bei der geringsten Nachlässigkeit Gesundheit und Leben auf’s Spiel zu setzen! Er wollte ihm praktisch darthun, daß ein solches Leben die vom Schicksal dazu Verurtheilten verschlechtern bösartig, zu ungesetzlichen, aber leicht erklärbaren Schritten geneigt machen und bei günstiger Gelegenheit sie zu Grausamkeiten verleiten müsse! Nur in dieser Absicht zwang er den Bruder, mit ihm eine Arbeitsfrist zu spinnen, fest überzeugt, daß er den verweichlichten Mann dadurch vollständig bekehren und für alle Zukunft ihn in einen milden Herrn gegen seine Arbeiter verwandeln werde. – Adrian war eines schmerzlosen, schnellen Todes gestorben. Als die Maschinen standen und Martell seine Freunde in größter Bestürzung auf sich zueilen sah, wiederholte er die Worte: »Gott hat ihn gerichtet!«

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alle Mauern durchdringender Schmerzensschrei entschlüpfte<br />

ihm – seine Hände erfaßten die blitzende,<br />

schwingende Welle, und zerrissen, eine blutige Guirlande,<br />

hing der Unglückliche an dem dampfenden Eisenschaft!<br />

<strong>Die</strong> Maschine stand – auch in den übrigen Sälen, wo<br />

man den Schrei gehört hatte, wurden die Maschinen<br />

gehemmt. <strong>Die</strong> Zuschauer an der Thür stürzten athemlos<br />

herein – da vernahm man von unten herauf einen<br />

zweiten, dem ersten ähnlichen Schrei, und Alles ward<br />

still.<br />

Martell aber neigte sein Haupt und sagte düster:<br />

»Gott hat ihn gerichtet!«<br />

Auf der Fabrikuhr schlug die Glocke die zweite Morgenstunde.<br />

68. DIE VERSÖHNUNG.<br />

<strong>Die</strong>ser unerwartete, unbeabsichtigte Ausgang <strong>des</strong><br />

von Martell ersonnenen Duells machte auf einmal allem<br />

Streit und Hader ein Ende. Das Erscheinen seiner<br />

Freunde, die er fern geglaubt hatte von dem Orte, wo<br />

er auf edle Weise seinen grausamen Bruder bestrafen<br />

wollte, war ihm jetzt, obwohl unerwartet, doch sehr<br />

lieb. Sie konnten, als Zeugen <strong>des</strong> Ausgangs, im Nothfalle<br />

eidlich erhärten, daß Martell vollkommen schuldlos<br />

sei am Tode seines Halbbruders, daß diesen nur die<br />

innere Seelenangst, die von wilder <strong>Leiden</strong>schaft und<br />

Sinnenlust erhitzte Phantasie in den Tod gejagt habe.

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