Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 128 — und ließ wohlgemuth sein scharfes Auge über die malerische Gegend gleiten, die fern und nah dem Schauenden entgegentritt. Von der Frühlingssonne hell beschienen lagen die hügeligen Niederungen der Lausitz zu seinen Füßen bis an den dunklen Saum der Haide. Die Landeskrone mit ihrem gespaltenen Gipfel und dem weißen Thurme ragte hoch aus der Ebene, zu ihrer Linken im breiten Thal der Neisse glänzten die Thürme und alterthümlichen Giebel von Görlitz, und darüber in blauer Ferne schloß die schimmernde Kette der schneebedeckten Sudeten das reizende Landschaftsbild. Nachdem der Mann mit den Drähten sich geraume Zeit an der prächtigen Aussicht gelabt und während dem seine Pfeife vollends ausgeraucht hatte, streckte er sich auf ein Mooslager hin, das etwa auf der Mitte der Plattform in einer unbedeutenden Vertiefung bereitet war. Diese Vertiefung hatte die Form einer liegenden Menschengestalt von riesiger Größe und schien künstlich in das harte Gestein gemeißelt zu sein. Hier verbarg er einen Theil seiner Drähte unter das Moos, legte dann seinen Quersack darauf, drückte die Mütze über die Augen und überließ sich sorglos einem festen Schlafe. Nach ungefähr einer Stunde, während der unser Bekannter in der stillen sonnenwarmen Luft ganz ruhig geschlummert hatte, ward er durch näherkommendes Jubeln, Lachen, Schreien und die quäkenden Töne

— 129 — mehrerer Dudelsäcke, in die sich schrillend das Gepfeif der wendischen Flöte oder Tarackawa mischte, aufgeweckt. Hastig schob er die Mütze zurück, fuhr sich mit der breiten schwieligen Hand über die Augen und richtete sich so weit auf, daß er seinen rechten Ellbogen unterstemmen und den Kopf in die hohle Hand stützen konnte. Ein langer und breiter Menschenschwarm, umhüpft von Kindern mit blühenden Weidenzweigen und angeführt von einer Schaar Dorfmusiker, die sich möglichst anstrengten, ihren Instrumenten unharmonische Töne zu entlocken, zog von Königshain den Berg herauf. Unmittelbar hinter der Musikbande gingen Knaben und Mädchen paarweise geordnet, die allesammt lange strohumwundene Stöcke trugen, an denen bunte Bänder flatterten. An diese schloß sich ein junger Bursche an, der auf seinen kräftigen Armen eine große Strohpuppe hielt, die er zu Aller Ergetzen sorgsam, gleich einer Kindermutter, wiegte. Jung und Alt sang in regelmäßigen Absätzen laut lachend: »Eia Popeia« und sprang und lärmte dann wieder nach Herzenslust. Über diesen wunderlichen Aufzug brach der Mann auf dem Todtensteine in ein fröhliches Lachen aus, ohne jedoch Miene zu machen, sich den Tumult genauer und in der Nähe betrachten zu wollen. Vielmehr behielt er seine bequeme, lauschende Stellung ruhig bei und heftete nur mit größerer Aufmerksamkeit seine schlauen Augen auf den immer mehr anwachsenden Menschenschwarm.

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mehrerer Dudelsäcke, in die sich schrillend das Gepfeif<br />

der wendischen Flöte <strong>oder</strong> Tarackawa mischte, aufgeweckt.<br />

Hastig schob er die Mütze zurück, fuhr sich mit<br />

der breiten schwieligen Hand über die Augen und richtete<br />

sich so weit auf, daß er seinen rechten Ellbogen<br />

unterstemmen und den Kopf in die hohle Hand stützen<br />

konnte. Ein langer und breiter Menschenschwarm, umhüpft<br />

von Kindern mit blühenden Weidenzweigen und<br />

angeführt von einer Schaar Dorfmusiker, die sich möglichst<br />

anstrengten, ihren Instrumenten unharmonische<br />

Töne zu entlocken, zog von Königshain den Berg herauf.<br />

Unmittelbar hinter der Musikbande gingen Knaben<br />

und Mädchen paarweise geordnet, die allesammt<br />

lange strohumwundene Stöcke trugen, an denen bunte<br />

Bänder flatterten. An diese schloß sich ein junger<br />

Bursche an, der auf seinen kräftigen Armen eine große<br />

Strohpuppe hielt, die er zu Aller Ergetzen sorgsam,<br />

gleich einer Kindermutter, wiegte. Jung und Alt sang<br />

in regelmäßigen Absätzen laut lachend: »Eia Popeia«<br />

und sprang und lärmte dann wieder nach Herzenslust.<br />

Über diesen wunderlichen Aufzug brach der Mann<br />

auf dem Todtensteine in ein fröhliches Lachen aus, ohne<br />

jedoch Miene zu machen, sich den Tumult genauer<br />

und in der Nähe betrachten zu wollen. Vielmehr behielt<br />

er seine bequeme, lauschende Stellung ruhig bei<br />

und heftete nur mit größerer Aufmerksamkeit seine<br />

schlauen Augen auf den immer mehr anwachsenden<br />

Menschenschwarm.

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