Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 1282 — wir verstellten uns nur, um Ihnen höheren Lohn abzupressen. Wir hatten gegen Sie keine Waffen, denn wir waren arm, hingen von Ihnen ab, standen in Ihren Schuldbüchern, waren mit einem Wort Ihre leibund seeleneigenen Knechte, Ihre weißen Sclaven! – Wir fühlten diese Sclaverei um so tiefer, je bestimmter wir uns sagen mußten, daß Rettung, d.h. Fristung unseres jammervollen Daseins nur im Fortbestehen dieses entwürdigenden, unser Volk, unser Jahrhundert, unsere Religion schändenden Verhältnisses zu suchen sei! – Herr am Stein, wir riefen es uns hundertmal zu in schlaflosen Nächten, daß man das Wort ›Freiheit‹ zum Schalksnarren gemacht, daß man ihm die Knechtspeitsche in die Hand gegeben habe, und uns armes, gedrücktes, wehr- und rechtloses Volk unbarmherzig damit geißele! – Dies Gefühl demüthigte uns bald, bald ergrimmte es uns, und wenn wir murrten gegen Ihr Regiment, so war Sinn in diesem Murren! Die getretene Menschennatur setzte sich nur zur Wehr, zur Nothwehr! Aber der Schwache hat immer Unrecht, so lange dem Gesetz die höhere Sittlichkeit gebricht, vermöge welcher es auch über Gewaltige Strafen verhängt, wo sie es verdient haben. Das Gesetz ist zur Zeit der Gewalt zinsbar und straft nie ein Verbrechen, das blos an der Humanität verübt wird. Sie konnten also ungestraft sündigen und werden es vielleicht späterhin noch oft, weil Sie wissen, daß Sie es dürfen. Zuvor aber will ich Sie für die an schuldlosen Menschen

— 1283 — begangenen Verbrechen in meiner Weise strafen und zwar brüderlich, und darin allein soll meine Rache bestehen.« Martell kreuzte seine Arme über der Brust und sah mit zornfunkelndem stolzen Blick herab auf den zaghaften Bruder. »Fahren Sie fort,« sagte Adrian kaum hörbar. »Der Aufenthalt in diesem Saale greift mich an. Ich bin noch hinfällig von meiner letzten Krankheit her.« Martell lächelte. »Schon jetzt?« erwiederte er. »Nun das höre ich gern. Es liegt in diesem Bekenntniß eine Bestätigung meiner Behauptung, die meiner Strafe nur größeren Nachdruck geben wird. – Glauben Sie denn, Herr am Stein, wir Spinner, die wir doch Menschen, hinfällige, Krankheiten und anderen Zufällen gleich Ihnen unterworfene Menschen sind, glauben Sie denn, daß unsere Nerven anders empfinden, als die Ihrigen? Meinen Sie, unsere Lungen würden nicht auch von dieser dunstigen, unreinen, fettigen, von Wollstaub erfüllten Luft angegriffen? – Denken Sie etwa, ein immerwährender Aufenthalt in diesen Räumen gewöhne den Körper daran? Und trösten Sie sich denn etwa mit der Vermuthung, eine Stunde Aufenthalt hier sei qualvoller, als deren zehn bis zwölf? – Sollte dies, wie ich fürchten muß, der Fall sein, so will ich Ihnen diesen Glauben für alle Zukunft benehmen . . . Sie werden mit mir allein eine ganze Arbeitsfrist in diesem Saale zubringen!«

— 1283 —<br />

begangenen Verbrechen in meiner Weise strafen und<br />

zwar brüderlich, und darin allein soll meine Rache bestehen.«<br />

Martell kreuzte seine Arme über der Brust und sah<br />

mit zornfunkelndem stolzen Blick herab auf den zaghaften<br />

Bruder.<br />

»Fahren Sie fort,« sagte Adrian kaum hörbar. »Der<br />

Aufenthalt in diesem Saale greift mich an. Ich bin noch<br />

hinfällig von meiner letzten Krankheit her.«<br />

Martell lächelte. »Schon jetzt?« erwiederte er. »Nun<br />

das höre ich gern. Es liegt in diesem Bekenntniß eine<br />

Bestätigung meiner Behauptung, die meiner Strafe nur<br />

größeren Nachdruck geben wird. – Glauben Sie denn,<br />

Herr am Stein, wir Spinner, die wir doch Menschen,<br />

hinfällige, Krankheiten und anderen Zufällen gleich Ihnen<br />

unterworfene Menschen sind, glauben Sie denn,<br />

daß unsere Nerven anders empfinden, als die Ihrigen?<br />

Meinen Sie, unsere Lungen würden nicht auch von dieser<br />

dunstigen, unreinen, fettigen, von Wollstaub erfüllten<br />

Luft angegriffen? – Denken Sie etwa, ein immerwährender<br />

Aufenthalt in diesen Räumen gewöhne den<br />

Körper daran? Und trösten Sie sich denn etwa mit der<br />

Vermuthung, eine Stunde Aufenthalt hier sei qualvoller,<br />

als deren zehn bis zwölf? – Sollte dies, wie ich<br />

fürchten muß, der Fall sein, so will ich Ihnen diesen<br />

Glauben für alle Zukunft benehmen . . . Sie werden<br />

mit mir allein eine ganze Arbeitsfrist in diesem Saale<br />

zubringen!«

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