Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 1274 — Jetzt stand der Graf auf, öffnete das Fenster und sah starr hinaus auf den glitzernden See, über welchen unter leise rauschenden Ruderschlägen die dunkeln Nachen herüberglitten nach der Felseninsel. Obwohl der Mond sehr hell schien, konnte er doch Niemand erkennen, denn es flirrte ihm vor den Augen, so regte ihn die Erwartung auf. Endlich landeten die Nachen, die Arbeiter stiegen an’s Land und schlugen unter verworrenem Gespräch truppweise den Weg nach der Fabrik ein. Adrian hörte ein dreimaliges Händeklatschen. »Er kommt,« sagte er und sein bleiches aschfarbenes Gesicht wurde noch bleicher und fahler. Dann beantwortete er das Zeichen auf die nämliche Weise. Langsam schritt Martell, als bereits sämmtliche Arbeiter verschwunden waren, gegen Adrian’s Villa vor. Seine hohe Gestalt war im vollen klaren Mondlicht deutlich zu erkennen. In größerer Entfernung unweit der Scheuer, wo sich der Weg aufwärts nach dem Felsen zog, glaubte der Graf noch zwei andre Gestalten zu bemerken, doch konnte er nicht bestimmt sagen, ob er sich nicht vielleicht getäuscht habe. Ihre Schatten verschwanden ebenfalls auf dem Sandwege zu den Fabrikgebäuden. Adrian beugte sich jetzt weit aus dem Fenster, winkte Martell, der unfern des Hauses stehen blieb, schloß das Fenster, löschte die Lichter aus und verließ sein Zimmer. Vor Biancas Thür blieb er einige Augenblicke

— 1275 — stehen und horchte. Es war still darin; seufzend, eine gute Nacht mit sehnsüchtiger Lippe lispelnd, schritt der Graf die Treppe hinunter, schloß die Hausthüre auf und sah sich dem finstern Halbbruder gegenüber. – Zwischen Beiden ward kein Wort gewechselt. Sie begrüßten sich nur mit Blicken, in denen Jeder die Gedanken des Andern zu lesen suchte. Martell war eben so bleich, wie Adrian, Hände und Arme zitterten ihm merklich. Neben einander fortschreitend schlugen sie den Weg nach der Fabrik ein. Sie gingen sehr langsam, um den Arbeitern nicht zu begegnen, die sich im Hofe versammelten und daselbst so lange warteten, bis die Fabrikglocke das Ende der Arbeitszeit verkündigte. Mit dem Schlage zwölf standen sie unter dem ehemaligen Burgthore, über dessen gothischer Wölbung das verwitterte Wappen der Boberstein mit seinen Emblemen und seiner colossalen Grafenkrone, wie sich unsere Leser erinnern werden, noch sichtbar war. »Zur Seite!« sagte Martell, das erste Wort, welches die feindlichen Brüder mit einander wechselten, und deutete nach einer tiefen Mauerblende, die wohl in früherer Zeit als Wachthaus benutzt worden sein mochte. Diese Blende lag im Schatten und war geräumig genug, um zwei bis drei Personen fassen und verbergen zu können. Die Brüder traten in die Vertiefung und ließen hier, den Blicken Aller entzogen, die Schaar der abgelösten Arbeiter schweigend an sich vorüberwandeln.

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Jetzt stand der Graf auf, öffnete das Fenster und<br />

sah starr hinaus auf den glitzernden See, über welchen<br />

unter leise rauschenden Ruderschlägen die dunkeln<br />

Nachen herüberglitten nach der Felseninsel. Obwohl<br />

der Mond sehr hell schien, konnte er doch Niemand<br />

erkennen, denn es flirrte ihm vor den Augen, so<br />

regte ihn die Erwartung auf.<br />

Endlich landeten die Nachen, die Arbeiter stiegen<br />

an’s Land und schlugen unter verworrenem Gespräch<br />

truppweise den Weg nach der Fabrik ein. Adrian hörte<br />

ein dreimaliges Händeklatschen.<br />

»Er kommt,« sagte er und sein bleiches aschfarbenes<br />

Gesicht wurde noch bleicher und fahler. Dann beantwortete<br />

er das Zeichen auf die nämliche Weise. Langsam<br />

schritt Martell, als bereits sämmtliche Arbeiter verschwunden<br />

waren, gegen Adrian’s Villa vor. Seine hohe<br />

Gestalt war im vollen klaren Mondlicht deutlich zu erkennen.<br />

In größerer Entfernung unweit der Scheuer,<br />

wo sich der Weg aufwärts nach dem Felsen zog, glaubte<br />

der Graf noch zwei andre Gestalten zu bemerken,<br />

doch konnte er nicht bestimmt sagen, ob er sich nicht<br />

vielleicht getäuscht habe. Ihre Schatten verschwanden<br />

ebenfalls auf dem Sandwege zu den Fabrikgebäuden.<br />

Adrian beugte sich jetzt weit aus dem Fenster, winkte<br />

Martell, der unfern <strong>des</strong> Hauses stehen blieb, schloß<br />

das Fenster, löschte die Lichter aus und verließ sein<br />

Zimmer. Vor Biancas Thür blieb er einige Augenblicke

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