Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 1270 — Wie gewöhnlich versah auch Bianca an diesem Abend bei Tisch das Amt einer Dienerin mit der ihr eigenen Anmuth und Grazie. Adrian suchte sich möglichst zu beherrschen, um nicht den schrecklichen Hohn der grausamen Schönen zu reizen und sich durch eigene Schuld brennende Schmerzen zu bereiten, allein ganz vermochte er seinem Vorsatze nicht treu zu bleiben, und so suchte denn sein Blick mehr als einmal mit flehender Sehnsucht das diabolisch lächelnde Auge seiner entzückenden Peinigerin. Von dieser unseligen Leidenschaft abgesehen, war Adrian seit Mittag ein fast heiterer und glücklicher Mensch geworden. Der Tod Klütken-Hannes’ entriß ihn plötzlich aller Sorge. Der gefürchtete Bruder war von Mörderhand gefallen, ohne daß er eine Ahnung davon gehabt hatte; mit dem Ermordeten war das Geheimniß begraben, das ihm (dem Grafen) noch schwere Stunden und ein trübes Schicksal hätte bereiten können. Niemand konnte jetzt gegen ihn klagen, ihn als Mörder denunciren; denn die etwaigen Aussagen Blutrüssels, von dem er von jeher nichts hatte wissen wollen, konnten ihn selbst in keiner Weise compromittiren. Bianca blieb bis nach zehn Uhr bei Adrian, dann verabschiedete sie der Graf, indem er um die Vergünstigung bat, sie küssen zu dürfen. »Weßhalb?« fragte die Schöne. »Sie wissen, daß ich Sie hasse, Ihnen alles nur mögliche Böses wünsche, daß ich, so lange es mir vergönnt ist, als Furie um Ihr

— 1271 — Lager wandeln werde. Wie also können Sie mich küssen wollen?« »Um Sie zu versöhnen, armes, verblendetes Kind! Es ist dies ja meine Pflicht. Oder sehen Sie nicht ein, daß ich das Unrecht, welches ich Ihrer Schwester zugefügt habe (hier bemühte sich Adrian schwermüthig zu seufzen) an Ihnen wider gut machen muß? Ich bin nicht so schlecht, als Sie und mit Ihnen so viele meiner Feinde glauben! Die Verhältnisse allein sind es, die meinem Charakter eine Richtung gegeben haben, welche der allzustrenge Sittenrichter als eine bösartige bezeichnen kann. Sie sehen, ich bin offen, Bianca! Ich gestehe freimüthig meine Schwächen und Untugenden, ja, ich bereue sie aufrichtig. Und dennoch stoßen Sie die Hand des Reuigen von sich, kehren dem, der sich bessern will und nur einer liebevollen Leitung dazu bedarf, verächtlich den Rücken? – O das ist nicht liebreich, Bianca! Das widerstreitet dem christlichen Sittengesetz, in dem wir doch Beide erzogen worden sind, so oft wir auch später dagegen gefehlt haben mögen! – Also . . . Vergebung, Bianca, Vergebung um der Liebe willen, die ja Alles heilt, Alles söhnt, Alles bindet! Vergieb mir und Du erfüllst das Gebot Christi!« Adrian erhob flehend seine Hände zu Bianca, die stolz lächelnd vor ihm stand. »Bemühen Sie sich nicht weiter, Herr Graf, mich durch geübte Heuchelei und wohl einstudirte Verstellung meinem Vorsatz abwendig machen zu wollen,«

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Lager wandeln werde. Wie also können Sie mich küssen<br />

wollen?«<br />

»Um Sie zu versöhnen, armes, verblendetes Kind! Es<br />

ist dies ja meine Pflicht. Oder sehen Sie nicht ein, daß<br />

ich das Unrecht, welches ich Ihrer Schwester zugefügt<br />

habe (hier bemühte sich Adrian schwermüthig zu seufzen)<br />

an Ihnen wider gut machen muß? Ich bin nicht so<br />

schlecht, als Sie und mit Ihnen so viele meiner Feinde<br />

glauben! <strong>Die</strong> Verhältnisse allein sind es, die meinem<br />

Charakter eine Richtung gegeben haben, welche der<br />

allzustrenge Sittenrichter als eine bösartige bezeichnen<br />

kann. Sie sehen, ich bin offen, Bianca! Ich gestehe<br />

freimüthig meine Schwächen und Untugenden, ja,<br />

ich bereue sie aufrichtig. Und dennoch stoßen Sie die<br />

Hand <strong>des</strong> Reuigen von sich, kehren dem, der sich bessern<br />

will und nur einer liebevollen Leitung dazu bedarf,<br />

verächtlich den Rücken? – O das ist nicht liebreich,<br />

Bianca! Das widerstreitet dem christlichen Sittengesetz,<br />

in dem wir doch Beide erzogen worden sind,<br />

so oft wir auch später dagegen gefehlt haben mögen!<br />

– Also . . . Vergebung, Bianca, Vergebung um der Liebe<br />

willen, die ja Alles heilt, Alles söhnt, Alles bindet!<br />

Vergieb mir und Du erfüllst das Gebot Christi!«<br />

Adrian erhob flehend seine Hände zu Bianca, die<br />

stolz lächelnd vor ihm stand.<br />

»Bemühen Sie sich nicht weiter, Herr Graf, mich<br />

durch geübte Heuchelei und wohl einstudirte Verstellung<br />

meinem Vorsatz abwendig machen zu wollen,«

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