Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 1242 — Klütken-Hannes, im tiefsten Innersten erschüttert durch die furchtbaren Aufschlüsse über seine Abstammung und sein Verhältniß zu der Familie der Grafen Boberstein, bereute jetzt wirklich sein unseliges Leben, seinen sträflichen Leichtsinn, seine habgierige Verblendung! Ihm graute vor sich selbst, wenn er seine jüngste Vergangenheit überblickte; denn wohin er sein zitterndes Auge wandte, überall begegnete er einer rohen Gewaltthat oder einem heimlichen Frevel! Verkäufer seines eigenen Kindes – wüster Säufer – frecher Gotteslästerer – gewissenloser Heuchler – und endlich gedungener Mörder! – Alle Sünden und Laster der weiten Welt fühlte er bei dieser Rundschau auf sich lasten, ja Satan selbst schien ihm nicht entsetzlicher, nicht fluchund verabscheuungswürdiger zu sein, als er, der verachtete Trödler, der Sohn einer frommen, rechtschaffenen, liebenswürdigen Mutter aus altem Geschlecht. »Und sie lebt noch!« rief er wie wahnsinnig. »Sie muß leben, um den grauenvollen Untergang ihres heißbeweinten Sohnes zu sehen! – O daß ein Blitz mich tödtete und meinen Leib in Asche verwandelte, damit die Winde jedes Stäubchen von mir spurlos in alle Lüfte zerstreuten!« Drei Tage lang wiederholten sich diese Klagen des bedauernswerthen Mannes. In dieser ganzen Zeit vermied er jede Gemeinschaft mit seinem verbrecherischen Genossen, obwohl er gezwungen war, stets um ihn zu sein. Blutrüssel ward dadurch sehr erbittert,
— 1243 — doch ließ er sich nichts merken, da er sehr richtig voraussah, daß Klütken-Hannes neuen Verkehr mit ihm anknüpfen werde, sobald er die ersten tobenden Stürme der Verzweiflung überstanden haben würde. Der abgefeimte Bösewicht hatte sich nicht getäuscht. Schon am Abend des dritten Tages gab Herta’s Sohn auf seine Fragen zusammenhängendere Antworten, was der ergraute Sünder für ein günstiges Zeichen hielt. Er hatte neue Pläne entworfen und wollte diese nunmehr seinem Genossen mittheilen, doch verschob er dies bis auf den künftigen Tag, um recht sicher zu gehen. Klütken-Hannes war am nächsten Morgen, demselben, wo Herta in Begleitung ihrer geliebten Verwandten nach Boberstein abreiste, um den verlorenen Sohn nochmals zu sehen, niedergeschlagen und schweigsam. Dennoch trank er unaufgefordert von dem Branntwein, den sie zum Frühstück erhalten hatten. Blutrüssel merkte, daß sein Vertrauter und ehemaliger Freund lebhafter ward, und glaubte diesen Moment benutzen zu müssen. So freundlich lachend, als es ihm bei seiner abschreckenden Gesichtsbildung möglich war, sagte er: »Wenn wir klug sind und uns Einer auf den Andern verlassen, so können wir in ein paar Tagen wieder unsere eigenen Herren sein.«
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Klütken-Hannes, im tiefsten Innersten erschüttert<br />
durch die furchtbaren Aufschlüsse über seine Abstammung<br />
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Boberstein, bereute jetzt wirklich sein unseliges Leben,<br />
seinen sträflichen Leichtsinn, seine habgierige Verblendung!<br />
Ihm graute vor sich selbst, wenn er seine jüngste<br />
Vergangenheit überblickte; denn wohin er sein zittern<strong>des</strong><br />
Auge wandte, überall begegnete er einer rohen Gewaltthat<br />
<strong>oder</strong> einem heimlichen Frevel! Verkäufer seines<br />
eigenen Kin<strong>des</strong> – wüster Säufer – frecher Gotteslästerer<br />
– gewissenloser Heuchler – und endlich gedungener<br />
Mörder! – Alle Sünden und Laster der weiten<br />
Welt fühlte er bei dieser Rundschau auf sich lasten, ja<br />
Satan selbst schien ihm nicht entsetzlicher, nicht fluchund<br />
verabscheuungswürdiger zu sein, als er, der verachtete<br />
Trödler, der Sohn einer frommen, rechtschaffenen,<br />
liebenswürdigen Mutter aus altem Geschlecht.<br />
»Und sie lebt noch!« rief er wie wahnsinnig. »Sie<br />
muß leben, um den grauenvollen Untergang ihres<br />
heißbeweinten Sohnes zu sehen! – O daß ein Blitz<br />
mich tödtete und meinen Leib in Asche verwandelte,<br />
damit die Winde je<strong>des</strong> Stäubchen von mir spurlos in<br />
alle Lüfte zerstreuten!«<br />
Drei Tage lang wiederholten sich diese Klagen <strong>des</strong><br />
bedauernswerthen Mannes. In dieser ganzen Zeit vermied<br />
er jede Gemeinschaft mit seinem verbrecherischen<br />
Genossen, obwohl er gezwungen war, stets um<br />
ihn zu sein. Blutrüssel ward dadurch sehr erbittert,