Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 1238 — menschenfreundlich die Stricke, womit den Unglücklichen die Hände auf den Rücken gebunden waren. So konnten denn die beiden Verbrecher nach Belieben in ihrem gemeinsamen Kerker umhergehen, sich nach Herzenslust unterhalten und treiben, was ihnen gefiel. Täglich drei Mal brachte ein Bedienter des Grafen den Gefangenen Speise und Trank in Fülle und weit besser zubereitet, als sie es erwarten durften. Selbst auf ihre schlechten Gewohnheiten nahm Vollbrecht Rücksicht, indem er den Elenden täglich eine halbe Kanne Branntwein verabreichen ließ. Anfangs beobachteten Beide ein finsteres Stillschweigen. Jeder schien über die mißliche Lage nachzudenken, in welche sie rohe Gewinnsucht und unüberlegtes Handeln gebracht hatte. Keiner sprach mit dem Andern. Wie grimmige Bestien gingen sie mürrisch, bisweilen wüthende Blicke sich zuwerfend, an einander vorüber. Dies Schweigen dauerte den ganzen ersten Tag ihrer Gefangenschaft. Am nächsten Morgen aber fühlte sich Blutrüssel doch gar zu sehr gelangweilt und so hielt er es für klüger, seinen Unglücksgenossen anzureden. Sich mit halbem Körper von seiner Matratze erhebend ließ er unter häßlichem Rollen seiner vorspringenden, immer entzündeten Augen die Blicke durch die dämmrige Helle des Gewölbes schweifen, heftete sie dann fest auf Herta’s unglücklichen Sohn und sagte mit mürrischem Humor:

— 1239 — »Guten Morgen, Hans. Wie hast Du auf Deiner Stammburg geschlafen?« Klütken-Hannes antwortete nicht. Er wendete dem Sprecher den Rücken zu und seufzte. »Hm,« fuhr der Mörder fort, »der hat noch Lust zu träumen von den Herrlichkeiten, die seiner warten.« »Daß Du ersticktest!« murmelte Elwirens Vater. »Bruder, sei kein Narr,« erwiederte Blutrüssel, »laß uns lieber vernünftig mit einander reden. Wir sitzen Beide in einer verdammt ärgerlichen Patsche, aber der Teufel müßte über Nacht all’ seinen Witz verloren haben, wenn wir nicht mit heiler Haut davon kämen. Laß uns einig sein und wir sind geborgen!« »Hätte ich Dich nie gesehen, nie auf Dein Wort gehört! Du hast mich verführt, mich unglücklich gemacht hier und ewiglich!« »Bleib mir vom Leibe mit solchen Redensarten, alter Junge! – Unglücklich gemacht – was will das sagen! – Und hier und ewiglich! Da ist kein Menschenverstand drin!« »Ich . . . ein Brudermörder! . . . O Fluch, Fluch, tausendmal Fluch über Dich seelenverderbendes Scheusal!« »Recht so, Hans, tobe Dich aus! Das klärt die Seele auf und stärkt den Körper. – Sobald Du Dich satt geschimpft hast, wollen wir zusammen reden wie Brüder. – Ich weiß, daß Du mir ruhig zuhören wirst, denn

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»Guten Morgen, Hans. Wie hast Du auf Deiner<br />

Stammburg geschlafen?«<br />

Klütken-Hannes antwortete nicht. Er wendete dem<br />

Sprecher den Rücken zu und seufzte.<br />

»Hm,« fuhr der Mörder fort, »der hat noch Lust zu<br />

träumen von den Herrlichkeiten, die seiner warten.«<br />

»Daß Du ersticktest!« murmelte Elwirens Vater.<br />

»Bruder, sei kein Narr,« erwiederte Blutrüssel, »laß<br />

uns lieber vernünftig mit einander reden. Wir sitzen<br />

Beide in einer verdammt ärgerlichen Patsche, aber der<br />

Teufel müßte über Nacht all’ seinen Witz verloren haben,<br />

wenn wir nicht mit heiler Haut davon kämen. Laß<br />

uns einig sein und wir sind geborgen!«<br />

»Hätte ich Dich nie gesehen, nie auf Dein Wort gehört!<br />

Du hast mich verführt, mich unglücklich gemacht<br />

hier und ewiglich!«<br />

»Bleib mir vom Leibe mit solchen Redensarten, alter<br />

Junge! – Unglücklich gemacht – was will das sagen! –<br />

Und hier und ewiglich! Da ist kein Menschenverstand<br />

drin!«<br />

»Ich . . . ein Brudermörder! . . . O Fluch, Fluch, tausendmal<br />

Fluch über Dich seelenverderben<strong>des</strong> Scheusal!«<br />

»Recht so, Hans, tobe Dich aus! Das klärt die Seele<br />

auf und stärkt den Körper. – Sobald Du Dich satt<br />

geschimpft hast, wollen wir zusammen reden wie Brüder.<br />

– Ich weiß, daß Du mir ruhig zuhören wirst, denn

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