Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 1226 — Seelenangst hineinhetzen, bis sie zum Schatten hinschwände und unter Seufzen und Schauern eingebildeter Schrecknisse verschied! Das wäre Abrechnung, wie ich sie will, das wäre Rache, wie sie ein Mann nehmen darf und soll, der so gelitten hat, wie ich! – Nun ich hoffe, wir verstehen uns endlich.« »Diese Bekenntnisse machen Ihnen als Mensch und Bruder viel Ehre. Ich danke Ihnen dafür.« »Werden Sie mir Genugthuung geben, Herr am Stein?« »Muß ich nicht?« versetzte Adrian. »Das Gericht, gegen dessen Weisheit ich nicht die geringsten Zweifel hege, hat Sie einstimmig zum Cavalier erhoben. Sie sind mein leiblicher Halbbruder, sagt man . . . Ich habe Sie beleidigt, behaupten Sie . . . Enfin, ich bin Ihnen Genugthuung schuldig.« Adrian lachte und begann im Zimmer, das jetzt ganz dunkel geworden war, auf und nieder zu gehen. Martell, etwas verblüfft durch die leichtfertige, beinahe cordiale Art und Weise, wie sein Halbbruder den von ihm gemachten Antrag hinnahm, schwieg eine Weile. »Befehlen Sie Licht, Herr Martell?« fragte der Graf, der jetzt seine ganze Sicherheit, seinen geübten gesellschaftlichen Ton ungeachtet der Aufregung, die in ihm tobte, äußerlich doch wieder gewonnen hatte. »Mich dünkt, es wäre schicklicher. Feinde müssen einander

— 1227 — Aug’ in Auge blicken können, wenn sie es ehrlich meinen.« Und Adrian zog mehrmals die Klingelschnur, daß die Glocke laut durch das stille Haus dröhnte. Als der Bediente Licht gebracht hatte, blieb Adrian vor seinem Halbbruder stehen. »Beliebt es, Herr Martell, so können wir unsere Angelegenheit vollends beendigen,« sagte er. »Sie haben zu bestimmen, in welcher Weise das, was Sie Genugthuung nennen, stattfinden soll. Lassen Sie hören.« »Sie werden sich mit mir schlagen.« »Ich muß bemerken, mein Herr,« versetzte Adrian sehr höflich, »daß dies abermals zu den unnöthigen Äußerungen gehört, auf denen ich Sie schon einige Male ertappt habe. Man schlägt sich immer, wenn man Genugthuung fordert! Es handelt sich jetzt um Ort, Zeit und Waffen.« Martell schwieg eine lange Weile, dann richtete er sein schwarzes Auge durchbohrend auf den Halbbruder und erwiederte: »Obgleich mein Haus sehr schnell bestellt sein wird, da ich zur Zeit nichts besitze, habe ich dennoch mancherlei Anordnungen zu treffen, die mich aufhalten können. Deßhalb wünsche ich, daß unser Zusammentreffen morgen um Mitternacht stattfinde.« »Um Mitternacht? Wir werden dann auf gut Glück wie Blinde mit einander kämpfen! Fürchten Sie etwa

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Seelenangst hineinhetzen, bis sie zum Schatten hinschwände<br />

und unter Seufzen und Schauern eingebildeter<br />

Schrecknisse verschied! Das wäre Abrechnung,<br />

wie ich sie will, das wäre Rache, wie sie ein Mann nehmen<br />

darf und soll, der so gelitten hat, wie ich! – Nun<br />

ich hoffe, wir verstehen uns endlich.«<br />

»<strong>Die</strong>se Bekenntnisse machen Ihnen als Mensch und<br />

Bruder viel Ehre. Ich danke Ihnen dafür.«<br />

»Werden Sie mir Genugthuung geben, Herr am<br />

Stein?«<br />

»Muß ich nicht?« versetzte Adrian. »Das Gericht, gegen<br />

<strong>des</strong>sen Weisheit ich nicht die geringsten Zweifel<br />

hege, hat Sie einstimmig zum Cavalier erhoben. Sie<br />

sind mein leiblicher Halbbruder, sagt man . . . Ich habe<br />

Sie beleidigt, behaupten Sie . . . Enfin, ich bin Ihnen<br />

Genugthuung schuldig.«<br />

Adrian lachte und begann im Zimmer, das jetzt ganz<br />

dunkel geworden war, auf und nieder zu gehen.<br />

Martell, etwas verblüfft durch die leichtfertige, beinahe<br />

cordiale Art und Weise, wie sein Halbbruder den<br />

von ihm gemachten Antrag hinnahm, schwieg eine<br />

Weile.<br />

»Befehlen Sie Licht, Herr Martell?« fragte der Graf,<br />

der jetzt seine ganze Sicherheit, seinen geübten gesellschaftlichen<br />

Ton ungeachtet der Aufregung, die in ihm<br />

tobte, äußerlich doch wieder gewonnen hatte. »Mich<br />

dünkt, es wäre schicklicher. Feinde müssen einander

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