Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 1218 — »Sie nennen ihre Nächte einsam?« sagte sie, aus dem zürnenden Tone plötzlich in einen scherzenden übergehend. »Sie sind sehr ungerecht, Herr Graf. Ich war immer bei Ihnen, oft Stundenlang. – An Ihrem Lager knieend bannte ich Ihre Seele in den Zirkel meiner Macht. Der scharfe Blick meines liebeheuchelnden Auges zauberte sie in die wilde Jagd schreckhafter Träume, und die seelenfolternde Gewalt, die Ihre blinde Leidenschaft mir über Sie gegeben hatte, hob Gestalten und Bilder vor Ihr Auge, die alle Qualen der Hölle über Sie verhingen! Gewiß, Herr Graf, ich war Ihnen eine treue Haushälterin!« schloß sie lächelnd, indem sie abermals einen ihrer zärtlichen, zur Liebe reizenden Blicke auf den Unglücklichen warf. Adrian klammerte sich mit beiden Händen an ihre Kleider. »Furie!« rief er, »göttliche Furie! Peinige mich im Leben und im Tode, nur ein Mal schließe mich in Deine Arme!« Lange blickte Bianca auf den zu ihren Füßen sich krümmenden Grafen. Dann schlug sie die Augen zum Himmel auf und sagte: »Schwester Therese, wenn es Dir vergönnt ist, aus dem Jenseits herabzublicken auf diese verbrecherische Welt, dann öffne Dein Auge und sieh, wie ich Deinen Verführer gezüchtigt habe! Ich bin mit mir zufrieden.« In diesem Augenblicke pochte es.

— 1219 — »Man kommt!« sagte Bianca. »Bitte, Herr Graf, reichen Sie mir die Hand, damit ich Ihnen aus dieser unwürdigen Stellung aufhelfe.« Seufzend erhob sich Adrian. Das Pochen an der Thür wiederholte sich. »Sie erlauben, Herr Graf?« sagte die schöne Furie und hüpfte graziös zur Thür, die sie öffnete und einige Worte mit dem Bedienten wechselte. Inzwischen war die Sonne untergegangen. Nur blutiges Abendroth überflammte noch Himmel, Haide und See, und warf einen duftigen Widerschein in’s Zimmer. Adrian stand wie in einer dunkeln Feuerwolke. Bianca trat wieder zu ihm. »Ein Mann wünscht mit Ihnen zu sprechen, gnädigster Herr,« sagte sie mit dem sanftesten und bescheidensten Tone von der Welt, indem sie die Falten ihrer kleinen Atlasschürze, welche Adrian’s Festhalten in diese gedrückt hatte, mit der Hand sorgfältig ausglättete. »Befehlen Sie, daß ich ihn vorlassen soll?« »Ich bin nicht in der Stimmung –« »Um Fremde zu empfangen, wollen Sie sagen? Zu Ihrer Beruhigung, gnädiger Herr, kann ich Ihnen melden, daß es ein sehr naher Bekannter und noch dazu ein ganz schlichter Mann ist.« Adrian sah die boshaft Lächelnde mißtrauisch an. »Sein Name?« »Ihr Bedienter meinte, eigentlich solle er den Mann als Graf Martell melden, indeß –«

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»Sie nennen ihre Nächte einsam?« sagte sie, aus dem<br />

zürnenden Tone plötzlich in einen scherzenden übergehend.<br />

»Sie sind sehr ungerecht, Herr Graf. Ich war<br />

immer bei Ihnen, oft Stundenlang. – An Ihrem Lager<br />

knieend bannte ich Ihre Seele in den Zirkel meiner<br />

Macht. Der scharfe Blick meines liebeheuchelnden Auges<br />

zauberte sie in die wilde Jagd schreckhafter Träume,<br />

und die seelenfolternde Gewalt, die Ihre blinde<br />

<strong>Leiden</strong>schaft mir über Sie gegeben hatte, hob Gestalten<br />

und Bilder vor Ihr Auge, die alle Qualen der Hölle<br />

über Sie verhingen! Gewiß, Herr Graf, ich war Ihnen<br />

eine treue Haushälterin!« schloß sie lächelnd, indem<br />

sie abermals einen ihrer zärtlichen, zur Liebe reizenden<br />

Blicke auf den Unglücklichen warf. Adrian klammerte<br />

sich mit beiden Händen an ihre Kleider.<br />

»Furie!« rief er, »göttliche Furie! Peinige mich im Leben<br />

und im Tode, nur ein Mal schließe mich in Deine<br />

Arme!«<br />

Lange blickte Bianca auf den zu ihren Füßen sich<br />

krümmenden Grafen. Dann schlug sie die Augen zum<br />

Himmel auf und sagte:<br />

»Schwester Therese, wenn es Dir vergönnt ist, aus<br />

dem Jenseits herabzublicken auf diese verbrecherische<br />

Welt, dann öffne Dein Auge und sieh, wie ich Deinen<br />

Verführer gezüchtigt habe! Ich bin mit mir zufrieden.«<br />

In diesem Augenblicke pochte es.

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