Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 1192 — Die Glocke schlug die zwölfte Stunde, dann läutete es. Die Thüren aller Säle, die Adrian auf einmal übersehen konnte, thaten sich auf, und in langem Zuge erschienen die Spinner. Es waren aber keine Menschen von Fleisch und Bein, sondern graue durchsichtige Schatten mit kummervollen Mienen, tief eingefallenen, entsetzlich leuchtenden Augen, die sie alle unverwandt auf den erschrockenen Gebieter richteten. Jeder trat an seinen Ort und das ganze Heer dieser murmelnden Schatten begann zu spinnen. Kaum bewegten sich die Maschinen, als Adrian einen namenlosen Schmerz empfand. Er sah, wie seine Haare sich bäumten, wie die Finger der gespenstischen Spinner darnach griffen und sie an die Spindeln hefteten. Dabei hörte er das Höhnen und Lachen von tausend Stimmen, die sich freuten über seine Qualen. Die verhungerten Kinder krochen hervor unter den rasselnden Walzen, umringten ihn und führten einen phantastischen Tanz auf, während er von den zahllosen Spindeln emporgehoben wurde und nach allen Seiten hin durch die Spinnsäle schwebte. Ihm war, als fühle er sich unter unsäglichen Qualen immer kleiner werden, zum Zwerg einschrumpfen und endlich fast ganz verschwinden. Was von ihm übrig blieb, war nicht größer als ein gewöhnlicher Ball, deren sich die Kinder bei ihren Spielen bedienen. Diesen Ball, in dem Adrian sich fühlte und wußte und sah, ergriff zuerst der finstere Martell und schleuderte ihn Maja Simson zu,

— 1193 — die ihn in großen Bogen weiter warf. Ein Wesen, das er kannte, obwohl es mit den Arbeitern in keiner Verbindung stand, fing ihn auf, legte ihn behutsam auf die Erde und stampfte dann mit beiden Füßen darauf, daß er jeden Tritt schmerzhaft fühlte und unter den erbarmungslosen Stößen laut seufzte und stöhnte. Ein Fußtritt schnellte ihn wieder zurück in Martell’s Hände, der das vorige Spiel von Neuem begann. Wohl zwölf Mal mußte Adrian sein fühlendes Selbst in so schrecklicher Weise durch einen endlosen Raum fliegen sehen. Da fing ihn zuletzt Bianca auf, liebkoste ihn und legte ihn in ihren Schooß! Adrian war wieder er selbst. Er kniete vor der spröden Schönen und flehte um ihre Liebe. Die Grausame lächelte kalt und schüttelte ihre glänzenden Locken, indem sie mit dem Zeigefinger der rechten Hand seitwärts deutete und Adrian zwang diesem Fingerzeige zu folgen. Da sah er in ein dunkles, feuchtes Gewölbe. Einander gegenüber saßen zwei scheußliche Gestalten, die bald sich bald ihn verfluchten. Zwischen ihnen kniete eine greise Frau in schwarzen Gewändern. Er erkannte in ihr Herta, seine Tante. Sie betete und rief um Gnade für ihren Sohn, über den eine strafende Stimme laut das Todesurtheil aussprach, so laut, daß Adrian jedes Wort deutlich verstehen und an dem Tone die Stimme seines Bruders Aurel erkennen konnte. Obwohl der Träumende diesen Sohn weder sah noch

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die ihn in großen Bogen weiter warf. Ein Wesen, das<br />

er kannte, obwohl es mit den Arbeitern in keiner Verbindung<br />

stand, fing ihn auf, legte ihn behutsam auf die<br />

Erde und stampfte dann mit beiden Füßen darauf, daß<br />

er jeden Tritt schmerzhaft fühlte und unter den erbarmungslosen<br />

Stößen laut seufzte und stöhnte. Ein Fußtritt<br />

schnellte ihn wieder zurück in Martell’s Hände,<br />

der das vorige Spiel von Neuem begann. Wohl zwölf<br />

Mal mußte Adrian sein fühlen<strong>des</strong> Selbst in so schrecklicher<br />

Weise durch einen endlosen Raum fliegen sehen.<br />

Da fing ihn zuletzt Bianca auf, liebkoste ihn und legte<br />

ihn in ihren Schooß! Adrian war wieder er selbst.<br />

Er kniete vor der spröden Schönen und flehte um ihre<br />

Liebe. <strong>Die</strong> Grausame lächelte kalt und schüttelte ihre<br />

glänzenden Locken, indem sie mit dem Zeigefinger<br />

der rechten Hand seitwärts deutete und Adrian zwang<br />

diesem Fingerzeige zu folgen.<br />

Da sah er in ein dunkles, feuchtes Gewölbe. Einander<br />

gegenüber saßen zwei scheußliche Gestalten, die<br />

bald sich bald ihn verfluchten. Zwischen ihnen kniete<br />

eine greise Frau in schwarzen Gewändern. Er erkannte<br />

in ihr Herta, seine Tante. Sie betete und rief<br />

um Gnade für ihren Sohn, über den eine strafende<br />

Stimme laut das To<strong>des</strong>urtheil aussprach, so laut, daß<br />

Adrian je<strong>des</strong> Wort deutlich verstehen und an dem Tone<br />

die Stimme seines Bruders Aurel erkennen konnte.<br />

Obwohl der Träumende diesen Sohn weder sah noch

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