Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 1134 — Ihrer Haare paßt, als dieses durchsichtige silberweiße Gewebe! Und welche Einfachheit! Welcher Geschmack! Man sollte glauben, Sie hätten Jahre lang die Kunst der Toilette auf der Bühne studirt, so meisterhaft finde ich Ihren Anzug den Regeln des guten Geschmackes angepaßt!« »Da machen Sie mir ein sehr zweideutiges Compliment, gnädigster Herr,« versetzte Bianca schelmisch. »Wir armen Mädchen halten uns immer für geborene Genies, was Geschmack anbelangt, und da uns die Natur so stiefmütterlich ausgestattet hat den Männern gegenüber, so sind wir ja schon gezwungen, unsern Geschmack zu bilden, um mittelst einiger Bänder, Spitzen und Haarwickel die Mängel vergessen zu machen, die uns in so abhängiger Stellung erhalten.« »Ich kann Ihnen die Versicherung geben, schöne Muthwillige, daß wir Männer nicht so scharfsichtig sind, die gerügten Mängel bei Ihrem Geschlecht zu entdecken! Wir finden im Gegentheil nur Vollkommenheiten, von denen wir gefesselt, entzückt, zur Leidenschaft hingerissen werden!« Bianca nippte mit großer Zierlichkeit ihren Thee, wobei sie nicht unterließ, häufig zu Adrian aufzublicken und ihre schönen Zähne aus dem feuchten Purpur ihrer vollen Lippen hervorglänzen zu lassen. Jetzt schob sie ihren Sessel um einen Schritt näher an den
— 1135 — Lehnstuhl Adrian’s, und indem sie ihren bloßen vollen Arm auf die purpursammetne Lehne desselben legte und ihre zarten Finger mit dem Rosabande spielen ließ, das ihre Taille umschlang, sagte sie naiv: »Wie muß nur das sein, gnädiger Herr, wenn man von Leidenschaft hingerissen wird?« Ihre schwarzen Augen ruhten bei dieser verführerischen Frage mit so innigem warmen Ausdruck auf Adrian, daß diesem fast die Sinne vergingen. Er suchte sich indeß zu mäßigen und fragte das verführerische Mädchen seinerseits: »Hat Ihnen denn noch kein Mann eine Neigung abgewinnen können?« »Ich bin allen hübschen und artigen Männern immer gut gewesen, wie Brüdern, aber Liebe oder gar Leidenschaft habe ich nie für einen empfinden können. Es muß das bei mir ein Fehler des Herzens sein, da ich lebensgern einmal wissen möchte, wie man empfindet, wenn man liebt!« »Wahrhaftig, Bianca?« »Ganz im Ernst, Herr am Stein! Ein Mädchen, das so allein, so ganz einsam in der Welt dasteht, wie ich, hat wahrhaftig kein beneidenswerthes Loos gezogen! Man täuscht, man betrügt uns und macht uns zuletzt unglücklich!« Ein paar Thränen stürzten in Bianca’s Augen. Sie zupfte zerstreut an ihrem Kleide und wußte dadurch geschickt ihren wunderhübschen Fuß zu enthüllen,
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Genies, was Geschmack anbelangt, und da uns die<br />
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gegenüber, so sind wir ja schon gezwungen, unsern Geschmack<br />
zu bilden, um mittelst einiger Bänder, Spitzen<br />
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Muthwillige, daß wir Männer nicht so scharfsichtig<br />
sind, die gerügten Mängel bei Ihrem Geschlecht zu<br />
entdecken! Wir finden im Gegentheil nur Vollkommenheiten,<br />
von denen wir gefesselt, entzückt, zur <strong>Leiden</strong>schaft<br />
hingerissen werden!«<br />
Bianca nippte mit großer Zierlichkeit ihren Thee,<br />
wobei sie nicht unterließ, häufig zu Adrian aufzublicken<br />
und ihre schönen Zähne aus dem feuchten Purpur<br />
ihrer vollen Lippen hervorglänzen zu lassen. Jetzt<br />
schob sie ihren Sessel um einen Schritt näher an den