Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 1132 — Um ihren Zweck zu erreichen, hatte sich Bianca mehr wie je mit allem Liebreiz geschmückt und keine der vielen kleinen Toilettenkünste verschmäht, die liebenden Männern so gefährlich werden. Als sie nun die Rückkunft des Grafen hörte und die Klingel desselben vernahm, begab sie sich, wie wir wissen, nach seinem Zimmer. Adrian hatte, ermüdet von der beschwerlichen nächtlichen Fahrt durch den morastigen Wald, bereits sein Hauskleid angelegt und es sich in dem behaglichen Zimmer bequem gemacht. Auf Bianca’s Befehl war der runde Tisch schon gedeckt und mit Allem versehen, was zu einem reichlichen Abendimbiß erforderlich war. Sie selbst hatte nur für Bereitung des Thees Sorge zu tragen, und den Grafen, wie er es seit Kurzem gewohnt war, in ihrer anmuthigen und graziösen Weise zu bedienen. Heiter lächelnd trat die Sirene Adrian entgegen, grüßte ihn mit zierlicher Verbeugung, wußte aber auch sogleich ihren so eben noch überaus muntern Zügen einen Ausdruck der Bestürzung und Sorge zu verleihen, welcher den Grafen vollkommen täuschte. »Mein Gott!« rief sie mit geheucheltem Schrecken aus, ihr Arbeitskörbchen neben die singende Theemaschine setzend und lebhaft auf den Gebieter zuschreitend. »Wie blaß, wie angegriffen sehen Sie aus, Herr am Stein! Gewiß, Ihnen ist nicht wohl! Sie müssen sich

— 1133 — bei dem unfreundlichen Wetter in der wüsten ungastlichen Haide erkältet haben! Ihre Stirn ist wahrhaftig ganz kalt und doch fühle ich das heftige Klopfen ihrer Pulse! Wie geht es Ihnen, armer Mann?« Und Bianca legte sanft schmeichelnd ihre weiche warme Hand auf die Stirn des Grafen, der unter dieser magnetischen Berührung in süßen Schauern erbebte. »Sehe ich denn wirklich so angegriffen aus, gutes Kind?« erwiederte er lächelnd. »Nun, wenn dies der Fall ist, so mag die Ursache davon wohl anderswo zu suchen sein, als in meiner heutigen, allerdings angreifenden Waldreise. Wäre ich aber auch zum Tode krank, von solchen Engelslippen bedauert, von so theilnehmendem Auge angeblickt, würde ich alsbald genesen! Theure Bianca, eine Berührung Ihrer Hand hat tausendmal mehr Wunderkraft, als alle Arzneien der Welt! Wissen Sie, schönes Kind, daß Sie heut’ entzückend sind?« »Gefalle ich Ihnen?« fragte die Verführerin zurück, indem sie die vergoldete Tasse des Grafen mit der aromatischen Flüssigkeit füllte und dabei einen halb verschleierten Blick auf ihn warf. »Meine Gespielinnen behaupteten immer, weiß kleide mich nicht vortheilhaft. Es soll mir einen zu farblosen Teint geben.« »Offenbarer Neid gefallsüchtiger Mädchen! Ich finde, daß keine Farbe besser zu dem glänzenden Schwarz

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bei dem unfreundlichen Wetter in der wüsten ungastlichen<br />

Haide erkältet haben! Ihre Stirn ist wahrhaftig<br />

ganz kalt und doch fühle ich das heftige Klopfen ihrer<br />

Pulse! Wie geht es Ihnen, armer Mann?«<br />

Und Bianca legte sanft schmeichelnd ihre weiche<br />

warme Hand auf die Stirn <strong>des</strong> Grafen, der unter dieser<br />

magnetischen Berührung in süßen Schauern erbebte.<br />

»Sehe ich denn wirklich so angegriffen aus, gutes<br />

Kind?« erwiederte er lächelnd. »Nun, wenn dies der<br />

Fall ist, so mag die Ursache davon wohl anderswo zu<br />

suchen sein, als in meiner heutigen, allerdings angreifenden<br />

Waldreise. Wäre ich aber auch zum Tode krank,<br />

von solchen Engelslippen bedauert, von so theilnehmendem<br />

Auge angeblickt, würde ich alsbald genesen!<br />

Theure Bianca, eine Berührung Ihrer Hand hat tausendmal<br />

mehr Wunderkraft, als alle Arzneien der Welt!<br />

Wissen Sie, schönes Kind, daß Sie heut’ entzückend<br />

sind?«<br />

»Gefalle ich Ihnen?« fragte die Verführerin zurück,<br />

indem sie die vergoldete Tasse <strong>des</strong> Grafen mit der aromatischen<br />

Flüssigkeit füllte und dabei einen halb verschleierten<br />

Blick auf ihn warf. »Meine Gespielinnen behaupteten<br />

immer, weiß kleide mich nicht vortheilhaft.<br />

Es soll mir einen zu farblosen Teint geben.«<br />

»Offenbarer Neid gefallsüchtiger Mädchen! Ich finde,<br />

daß keine Farbe besser zu dem glänzenden Schwarz

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