Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 1126 — Fast erschöpft lehnte sich Bianca jetzt an den Divan und wartete ruhig, bis sie Adrian’s Schritte vernahm. Vor diesem Tone schauderte sie zusammen, ob vor Wonne oder Entsetzen würde schwer zu entscheiden gewesen sein, denn ihr Blick blieb kalt, ihre Miene ruhig. Sie ergriff abermals einen der Armleuchter, und indem sie das Zimmer verließ, sprach sie flüsternd zu sich selbst: »Nun, Gott der Rache, sende mir Deine schrecklichen Engel, daß ich ihn züchtigen mag, wie er es verdient hat!« Und mit dem süßesten, verführerischsten Lächeln verschämter Liebe trat sie in Adrian’s Zimmer. – Der Herr am Stein war sehr zufrieden mit seiner jungen schönen Haushälterin. Bianca war fleißig, sorgsam, accurat und die Aufmerksamkeit selbst. Besser war Adrian nie bedient worden, delicater hatte er nie gespeist. Und was ihm besonders gefiel, war, daß Bianca selbst die Stelle eines Dieners versah und ihm eigenhändig die Speisen reichte. Dabei erschien sie täglich in geschmackvoller Kleidung, immer einfach und immer reizend. Zwar bat Adrian das schöne Mädchen, es möge die Aufwartung seinen Bedienten überlassen und Theil nehmen an seinem Mahle; wie dringend er aber auch bat, Bianca ließ sich nicht dazu bewegen. Sie wisse gar wohl, was ihr zukomme, behauptete sie mit dem

— 1127 — allerschelmischsten Blick ihrer leidenschaftlichen Augen, und wenn der gnädige Herr nur zufrieden sei mit ihren Leistungen, so würde sie mit dem größten Vergnügen als Dienerin ihm während der Mahlzeit Gesellschaft leisten. – Von diesem Entschlusse war Bianca nicht abzubringen, so große Mühe sich Adrian auch gab. Sie legte ihm vor, wenn er es wünschte, sie setzte sich auch auf Verlangen neben ihn und unterhielt ihn munter plaudernd mit allerliebsten Geschichten. Dabei benahm sie sich so unbefangen, wie ein unschuldiges Kind von funfzehn Jahren. Sie streifte mit ihren warmen bloßen, runden Schultern beim Darreichen einer Schüssel Adrian’s Wangen, daß der sinnlich erregte Mann von der elektrischen Berührung des schönen Mädchens zitterte, oder sie beugte sich mit zur Seite geneigtem Kopf zu ihm herab, mit Mund und Augen zugleich eine Frage an ihn richtend, wobei der arme Mann nothwendig seine Blicke auf den weißen klopfenden Busen der schlauen Verführerin richten mußte, der die zarten Bande, die ihn gefesselt hielten, zu sprengen drohte. Schon beim ersten Besuche Bianca’s war Adrian in das Netz dieses unendlich verführerischen Geschöpfes gerathen, wie wir wissen. Das heitere, verschämte, naive Mädchen hatte ihn so gefesselt, daß er bei sich beschloß, ihr nach Beendigung des Processes seine Hand zu reichen. Daß Bianca einen solchen ihr gemachten Antrag ausschlagen könne, daran dachte er nicht. Er

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Fast erschöpft lehnte sich Bianca jetzt an den Divan<br />

und wartete ruhig, bis sie Adrian’s Schritte vernahm.<br />

Vor diesem Tone schauderte sie zusammen, ob<br />

vor Wonne <strong>oder</strong> Entsetzen würde schwer zu entscheiden<br />

gewesen sein, denn ihr Blick blieb kalt, ihre Miene<br />

ruhig.<br />

Sie ergriff abermals einen der Armleuchter, und indem<br />

sie das Zimmer verließ, sprach sie flüsternd zu<br />

sich selbst:<br />

»Nun, Gott der Rache, sende mir Deine schrecklichen<br />

Engel, daß ich ihn züchtigen mag, wie er es verdient<br />

hat!«<br />

Und mit dem süßesten, verführerischsten Lächeln<br />

verschämter Liebe trat sie in Adrian’s Zimmer. –<br />

Der Herr am Stein war sehr zufrieden mit seiner jungen<br />

schönen Haushälterin. Bianca war fleißig, sorgsam,<br />

accurat und die Aufmerksamkeit selbst. Besser<br />

war Adrian nie bedient worden, delicater hatte er nie<br />

gespeist. Und was ihm besonders gefiel, war, daß Bianca<br />

selbst die Stelle eines <strong>Die</strong>ners versah und ihm eigenhändig<br />

die Speisen reichte. Dabei erschien sie täglich<br />

in geschmackvoller Kleidung, immer einfach und immer<br />

reizend.<br />

Zwar bat Adrian das schöne Mädchen, es möge die<br />

Aufwartung seinen Bedienten überlassen und Theil<br />

nehmen an seinem Mahle; wie dringend er aber auch<br />

bat, Bianca ließ sich nicht dazu bewegen. Sie wisse<br />

gar wohl, was ihr zukomme, behauptete sie mit dem

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