Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 1110 — giebt es redliche Menschen, die arme brave Lente nicht verkommen lassen in unverschuldetem Unglück! – Guten Abend, Leberecht! Willkommen, Eduard!« Und der treuherzige Mann reichte sowohl Vater wie Sohn seine harte ehrliche Hand. Die blinde Marie erkannte den alten Freund an der Stimme. Gewaltsam hielt sie die Thränen zurück, stammelte einen guten Abend und streckte ihm ihre weiße abgemagerte Hand entgegen. »Sapperment, bin ich denn gar so durchsichtig geworden?« lachte der Maulwurffänger. »Du greifst ja frisch weg in den blauen Dunst hinein, der mich gar angenehm in die Nase sticht! Hier, alte Mutter, hier ist der gutmüthige Narr, der sein Lebelang für andere Leute seine eigene Haut zu Markte trug!« »Gott erhalte Dich noch lange gesund, Heinrich!« erwiederte Marie, mit beiden Händen die Rechte des alten Freundes ergreifend. »Gott schenke Dir noch viele viele frohe Tage und behüte das Licht Deiner Augen!« »Das wolle er in Gnaden thun, der gute alte Gott, sonst möcht’ es mir übel ergehen auf meine alten Tage! Ich habe weder Kind noch Kegel, und die Hand, die mich pflegen wird, soll noch geboren werden.« »Wir setzten uns dann neben einander, Heinrich, auf den grünen Plan vor dem Gemeindehause, und wenn wir die warme Sonne auf dem Gesichte fühlten, bildeten wir uns ein, wir könnten auch noch die von ihr beschienene Landschaft sehen.«
— 1111 — »Aber Marie! Wie magst Du so reden!« »Die Mutter ist blind,« sagte Eduard kalt. »In der Stunde, wo das Licht ihrer Augen erlosch, ging unser Häuschen in Flammen auf und ich verbrannte mich zum Krüppel! Auf dieser Welt kann ich keinen Faden mehr drehen, keinen Schützen mehr schnellen! Ich muß eben betteln gehen, wenn mitleidige Seelen sich meiner nicht erbarmen.« Der Maulwurffänger erblaßte bei dieser Nachricht, seine stets sichere Hand zitterte. Er mußte sich auf seinen Wanderstab stützen, um nicht zusammezubrechen. Inzwischen ergiff Leberecht eines der Talglichter und näherte sich Marien, die noch die Hand des alten Freundes umklammert hielt und ihre lichtblauen Augen, über deren Sternen graue Nebelwolken lagen, fest auf ihn richtete. Bei diesem Anblick schossen auch dem Maulwurffänger die Thränen unaufhaltsam in die Augen und laut schluchzend warf er sich nieder auf die Knie und drückte sein Gesicht in die linnene Kleidung der Jugendfreundin. »Wie war dies möglich, Marie?« sagte er nach einer Pause. »Wie bist Du um Deine Augen gekommen, armer Engel?« »Durch die Arbeit!« seufzte die Blinde. »Das Weben bei Nacht vertrugen meine Augen nicht, und weil sie mich so sehr schmerzten und das Licht nicht mehr ertragen konnten, löschte sie der liebe Gott lieber ganz aus. Seit ich blind bin, habe ich keine Schmerzen mehr.
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mehr drehen, keinen Schützen mehr schnellen! Ich<br />
muß eben betteln gehen, wenn mitleidige Seelen sich<br />
meiner nicht erbarmen.«<br />
Der Maulwurffänger erblaßte bei dieser Nachricht,<br />
seine stets sichere Hand zitterte. Er mußte sich auf<br />
seinen Wanderstab stützen, um nicht zusammezubrechen.<br />
Inzwischen ergiff Leberecht eines der Talglichter<br />
und näherte sich Marien, die noch die Hand <strong>des</strong> alten<br />
Freun<strong>des</strong> umklammert hielt und ihre lichtblauen<br />
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dem Maulwurffänger die Thränen unaufhaltsam in die<br />
Augen und laut schluchzend warf er sich nieder auf die<br />
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»Wie war dies möglich, Marie?« sagte er nach einer<br />
Pause. »Wie bist Du um Deine Augen gekommen, armer<br />
Engel?«<br />
»Durch die Arbeit!« seufzte die Blinde. »Das Weben<br />
bei Nacht vertrugen meine Augen nicht, und weil sie<br />
mich so sehr schmerzten und das Licht nicht mehr ertragen<br />
konnten, löschte sie der liebe Gott lieber ganz<br />
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