Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 1082 — glaube gar, Ihr beweist mir noch in Eurer unergründlichen Weisheit, daß wir der blinkerblanken Gnade Gottes die Aufdeckung all’ der erbaulichen Schurkereien zu verdanken haben, über die sich gegenwärtig die hohen Gerichtshöfe des Königreichs die Köpfe zerbrechen!« »Wir sind Würmer des Staubes ohne die Gnade,« docirte Schlenker, »und so ein Mensch aus dem Gnadenstande verstoßen wird, so bleibt er verloren hier und dort, und all’ sein Trachten ist nichtig, all’ sein Reden vergleichbar dem Klingklang einer tönenden Schelle, die Niemand verstehen kann!« »Habt Ihr das in der Kirche gelernt, daß Gott erbarm?« fragte der Maulwurffänger, seine Arbeit wieder vornehmend. »Mir ist das Verständniß gekommen im Tempel des Herrn und in der Kammer der Trübsal, wenn meine Seele im Gebete rang.« »Ihr scheint mir allzu lange gerungen zu haben, Schlenker! Die gute Seele ist dabei aus den Gelenken geschnappt und kann sich nun nicht mehr zurecht finden in Euerm Kopfe.« »So man uns verachtet, so gewinnen wir an Heiligung und wachsen in der Gnade des Herrn!« versetzte Schlenker, schlug die Beine über einander, setzte sich eine große Brille vorn auf die Nasenspitze und nahm die Bibel vor, in der er sehr eifrig zu blättern begann.

— 1083 — Der Maulwurffänger mußte lächeln. Sich zu Sloboda wendend, der mit großer Ausdauer aus frisch geglühtem Draht Fangdrähte bog und die nöthigen Bindfäden daran knüpfte, sagte er: »Um die Rechtgläubigkeit ist’s doch eine schöne Sache, Jan! Die hilft Dir über Berge hinweg, und reichten sie hinauf bis an den Mond; die trägt Dich unvermerkt über Millionen Meilen breite Abgründe! Kurz, die gleicht nahezu der Allmacht selbst! Sei rechtgläubig, und Du hörst nicht, wenn Dich Jemand einen Schalk schimpft! Gutwillig, nicht murrend und nicht mucksend, läßt Du Dich lästern, schlagen, hänseln, Alles, weil Du fest überzeugt bist, daß jedem Auserwählten solche Fatalitäten zustoßen müssen. Weiß Gott, ich möchte schon manchmal ein Rechtgläubiger sein!« Schlenker nahm die Brille wieder ab, legte sie in die Bibel und schlug das Buch zu. In etwas predigendem Tone, nur weniger salbungsvoll, sprach er: »Gott will nicht, daß der Sündige untergehe, sondern daß er lebe und sich bekehre! – Das, seht Ihr,« fuhr er fort, mit seiner plumpen, ungewaschenen Hand auf die Bibel schlagend, »das steht da drin, und weil meine alten Augen just jetzunder darauf gefallen sind, will ich Eure wegwerfenden Reden nicht gehört haben, sondern thun, als hättet Ihr nicht gesprochen. Das steht einem alten Manne wohl an, der sich zu jenen Geduldigen zählt, von denen der Herr sagt: Nehmet Euer Kreuz

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glaube gar, Ihr beweist mir noch in Eurer unergründlichen<br />

Weisheit, daß wir der blinkerblanken Gnade Gottes<br />

die Aufdeckung all’ der erbaulichen Schurkereien<br />

zu verdanken haben, über die sich gegenwärtig die<br />

hohen Gerichtshöfe <strong>des</strong> Königreichs die Köpfe zerbrechen!«<br />

»Wir sind Würmer <strong>des</strong> Staubes ohne die Gnade,« docirte<br />

Schlenker, »und so ein Mensch aus dem Gnadenstande<br />

verstoßen wird, so bleibt er verloren hier und<br />

dort, und all’ sein Trachten ist nichtig, all’ sein Reden<br />

vergleichbar dem Klingklang einer tönenden Schelle,<br />

die Niemand verstehen kann!«<br />

»Habt Ihr das in der Kirche gelernt, daß Gott erbarm?«<br />

fragte der Maulwurffänger, seine Arbeit wieder<br />

vornehmend.<br />

»Mir ist das Verständniß gekommen im Tempel <strong>des</strong><br />

Herrn und in der Kammer der Trübsal, wenn meine<br />

Seele im Gebete rang.«<br />

»Ihr scheint mir allzu lange gerungen zu haben,<br />

Schlenker! <strong>Die</strong> gute Seele ist dabei aus den Gelenken<br />

geschnappt und kann sich nun nicht mehr zurecht finden<br />

in Euerm Kopfe.«<br />

»So man uns verachtet, so gewinnen wir an Heiligung<br />

und wachsen in der Gnade <strong>des</strong> Herrn!« versetzte<br />

Schlenker, schlug die Beine über einander, setzte sich<br />

eine große Brille vorn auf die Nasenspitze und nahm<br />

die Bibel vor, in der er sehr eifrig zu blättern begann.

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