Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 106 — wünschen, unterhaltenden und ergreifenden Tone vorzutragen. Aschermittwoch fiel im Jahre 179* Ende Februar, da Ostern erst Mitte April gefeiert ward. In einem jener regelmäßig gebauten wendischen Dörfer der Lausitz, die gleichsam die Grenze bilden zwischen den großen Ortschaften des Gefildes oder freien Landes und den zerstreut liegenden Wohnungen der Haidebauern, war von einer der vielen Spinngesellschaften, die sich nach altem Herkommen regelmäßig in allen sowohl wendischen wie deutschen Ortschaften des genannten Landstrichs bilden, eine recht fröhliche Feier des letzten Spinnabends, der jederzeit am Aschermittwochstage gehalten wird, beschlossen worden. Man nennt diese lustige Feier noch heutiges Tages »das Erstechen der Spinte«, eine Bezeichnung, die wir alsbald erklären werden. Die Spinngesellschaft war alle Tage den ganzen Winter hindurch auf Ehrhold’s Hofe zusammengekommen, hatte ihre volle Mädchenzahl, nämlich zwölf, ohne Unterbrechung gehabt, und manchen Spaß der Burschen, die wöchentlich ein Mal um die Erlaubniß eines Besuches baten, mit angesehen. Jetzt zum Aschermittwochsabende hatten die jungen Burschen abermals ihren Besuch anmelden lassen und es war mit Bestimmtheit auf muntere Scherze und ausgelassene Tollheiten zu rechnen. Die Mädchen freuten sich über alle Maßen
— 107 — darauf, um so mehr, da manche der fleißigen Spinnerinnen fast ihren ganzen Flachsertrag des vorigen Jahres zu feinem Garn versponnen hatte, woraus, wenn sie vom Glück begünstigt werden sollte, binnen ein oder zwei Jahren das Linnen zu ihrer Ausstattung gewebt werden konnte. Ehrhold hatte einen jüngern Stiefbruder, Jan Sloboda, der einige Stunden weiter im ersten Gürtel der Haide ein kleines Gärtchen mit Sorgfalt bewirthschaftete. Letzterer überließ für die Dauer des Winters dem Bruder seine Tochter Rosa, damit sie ihm spinnen und der Wirthschaft vorstehen helfe. So jung Rosa oder Haideröschen, wie die jungen Burschen sie nannten, noch war, so viele Bewerber fand sie unter den schlanken, gesunden und heitern Bauerssöhnen, ja es war so ziemlich für gewiß anzunehmen, daß Röschen im künftigen Herbst Braut sein werde. Ohne Gesang vergeht keine Spinte unter den Wenden. Das Schnurren der Rädchen, das Tanzen der Spillen, die bejahrte Frauen vorziehen, das Schrillen und Zirpen der Heimchen im Heerd des Ofens und in dem tief in die Wand gemauerten Kamin, wo das Kienfeuer sprüht und prasselt, laden wie von selbst dazu ein, und da Gesang und Gespräch die reinliche Arbeit nicht stören oder unterbrechen, so dauern beide so lange, als die Gesellschaft beisammen bleibt. Späte Wanderer, die in der strengen Jahreszeit ein wendisches Dorf betreten, werden angenehm überrascht von den lieblichen,
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Ehrhold hatte einen jüngern Stiefbruder, Jan Sloboda,<br />
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Letzterer überließ für die Dauer <strong>des</strong> Winters dem Bruder<br />
seine Tochter Rosa, damit sie ihm spinnen und der<br />
Wirthschaft vorstehen helfe. So jung Rosa <strong>oder</strong> Haideröschen,<br />
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