Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 1060 — Maulwurffängers ungemeine Freude und näherte einander die hier versammelten Menschen in immer größerer Vertraulichkeit. Elwire hatte sich, seit sie wußte, wie nahe sie Herta verwandt war, mit wahrer Kindesliebe an die stets sanft und mild bleibende Großmutter angeschlossen. Das schöne Mädchen erblühte im steten Verkehr mit dem gebildeten Geiste Hertas zu reizender Jungfräulichkeit. Mit überraschender Schnelligkeit entwickelten sich ihre vortrefflichen Anlagen, so daß Aurel selbst eben so sehr darüber erstaunt als entzückt war. Erlaubten es dem Kapitän seine Geschäfte, deren er jetzt sehr viele zu besorgen hatte, so brachte er jede freie Stunde bei der schönen Cousine zu. Er fühlte, daß sie ihm nicht gleichgiltig sei, und glaubte hoffen zu dürfen, auch seinerseits keinen unangenehmen Eindruck auf Elwire gemacht zu haben. Zu ungestörter, herzlicher Aussprache blieb dem Vielbeschäftigten jetzt freilich keine Zeit. Auch wollte er kein bindendes Verhältniß knüpfen, bevor der so verworrene Proceß, in dem er ja selbst um sein bisheriges großes Vermögen kommen konnte, entschieden sei. Weit unbehaglicher, innerlich unzufrieden und von mancherlei Stürmen bewegt fühlte sich Bianca. Herausgerissen aus dem betäubenden Strudel des Hamburger Lebens lastete die friedliche Stille und Einsamkeit des Zeiselhofes drückend auf ihr. Zu wenig an ernste Beschäftigung gewöhnt und körperlicher Arbeit entfremdet, tauchten im einsamen Zimmer die

— 1061 — Schreckgestalten der Vergangenheit aus dem finstern Abgrunde ihres Innern vor ihr auf. Das Gewissen mit seinen tausend kleinen Qualen erwachte und peinigte sie Tag und Nacht. Sie kam sich verworfen vor in diesem Kreise schuldloser Menschen, die ein furchtbares Geschick wohl tief hatte beugen, nicht aber einen wirklichen Makel ihren Seelen hatte anhaften können, und die Verachtung vor ihr selbst steigerte sich mit dem Bewußtsein, daß sie mit Vorbedacht gefehlt habe! Dieß ließ sie eine baldige Veränderung wünschen, und sie war eben im Begriff, Aurel um die Erlaubniß zu bitten, ihr irgend ein passendes Unterkommen in einer größeren Stadt zu verschaffen, als ein Brief von Adalbert eintraf und den Gedanken Biancas eine andere Richtung gab. In seinem vornehm kühlen und freundlich zarten Tone schrieb der stolze Bruder an Aurel, daß er gehört habe, es lebten unter seinem Schutze zwei sehr hübsche gebildete junge Damen, die alle Eigenschaften besäßen, das Hauswesen eines wohlhabenden Mannes in Ordnung zu erhalten. Vorausgesetzt, daß er geneigt sei, eine oder die andere dieser jungen Damen einem Dritten zu überlassen, wage er es, im Namen ihres Bruders Adrian anzufragen, ob sich vielleicht eine von den Schönen entschließen könne, ihm sein verwaistes und einer umsichtigen Lenkerin bedürftiges Hauswesen zu

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Maulwurffängers ungemeine Freude und näherte einander<br />

die hier versammelten Menschen in immer größerer<br />

Vertraulichkeit. Elwire hatte sich, seit sie wußte,<br />

wie nahe sie Herta verwandt war, mit wahrer Kin<strong>des</strong>liebe<br />

an die stets sanft und mild bleibende Großmutter<br />

angeschlossen. Das schöne Mädchen erblühte im steten<br />

Verkehr mit dem gebildeten Geiste Hertas zu reizender<br />

Jungfräulichkeit. Mit überraschender Schnelligkeit<br />

entwickelten sich ihre vortrefflichen Anlagen, so<br />

daß Aurel selbst eben so sehr darüber erstaunt als entzückt<br />

war. Erlaubten es dem Kapitän seine Geschäfte,<br />

deren er jetzt sehr viele zu besorgen hatte, so brachte<br />

er jede freie Stunde bei der schönen Cousine zu. Er<br />

fühlte, daß sie ihm nicht gleichgiltig sei, und glaubte<br />

hoffen zu dürfen, auch seinerseits keinen unangenehmen<br />

Eindruck auf Elwire gemacht zu haben. Zu ungestörter,<br />

herzlicher Aussprache blieb dem Vielbeschäftigten<br />

jetzt freilich keine Zeit. Auch wollte er kein binden<strong>des</strong><br />

Verhältniß knüpfen, bevor der so verworrene<br />

Proceß, in dem er ja selbst um sein bisheriges großes<br />

Vermögen kommen konnte, entschieden sei.<br />

Weit unbehaglicher, innerlich unzufrieden und von<br />

mancherlei Stürmen bewegt fühlte sich Bianca. Herausgerissen<br />

aus dem betäubenden Strudel <strong>des</strong> Hamburger<br />

Lebens lastete die friedliche Stille und Einsamkeit<br />

<strong>des</strong> Zeiselhofes drückend auf ihr. Zu wenig<br />

an ernste Beschäftigung gewöhnt und körperlicher Arbeit<br />

entfremdet, tauchten im einsamen Zimmer die

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