Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 104 — kaum achtjähriger Kinder, die zum Auszupfen der Wollenflocken aus den Rädern und Haken der Spinnmaschinen, so wie zum Auflesen verstreuter Wollbüschel unter den arbeitenden Maschinen verwendet wurden. Alle diese Kinder sahen krank und blaß aus, gingen in elenden, zerrissenen und geflickten Kleidern einher und hatten meistentheils aufgedunsene Gesichter, starke Leiber und krumme Beine, eine Folge der ungesunden Luft und des alltäglichen eilfstündigen Hockens unter den stählernen Rechen und Zangen, Walzen und Rädern, die ihre zarten Glieder mit den furchtbarsten Verstümmelungen bedrohten. Einen heitern Anblick dagegen bot der blaue See dar, der jetzt in hellem Sonnenschein wie eine Fläche geschliffenen Stahles unbeweglich dalag und mit hundert und mehr Kähnen bedeckt war, in denen die in den nahen Haidehütten wohnenden Arbeiter sich selbst zur Insel herüberruderten, auf dessen Granitgestein die glänzende Zwangsanstalt lag, die ihnen ein spärliches Brod gab und jetzt mit ihren hohen weißen Wänden und vielen hundert Fenstern wie ein Feenschloß schimmerte. Die schon bereit stehende Mittagstafel hinderte den Grafen, die Fremden sogleich mit weiteren Fragen zu bestürmen. Vornehm höflich lud er sie ein, sein Mahl mit ihm zu theilen, das keineswegs lucullisch genannt werden konnte; denn Adrian war ein eben so großer Anhänger der Sparsamkeit, als sein Vater ein Freund
— 105 — der Verschwendung gewesen war. Selbst der Wein fehlte anfangs und ward erst auf einen Wink Adrian’s aufgesetzt. Von dieser außergewöhnlichen Frugalität abgesehen, zeigte sich der Graf durchaus als angenehmer Wirth, als gebildeter, unterhaltender Weltmann und als ein mit feiner Sitte wohl vertrauter Aristokrat. Erst nach Beendigung der Tafel bemerkte der lauernde Blick des schlauen Maulwurffängers, daß es Adrian schwer falle, nicht sogleich eine Erklärung von ihnen zu verlangen, und weil ihm selbst daran gelegen war, diesen auch ihm peinlichen Besuch möglichst abzukürzen, fragte er in seiner trockenen Weise: ob er die Geschichte seines alten Freundes jetzt anhören wolle? Adrian beeilte sich, seine Bereitwilligkeit auszudrücken, worauf Heinrich um Erlaubniß hat, statt der ihm angebotenen Cigarre seine Pfeife rauchen zu dürfen, was Adrian natürlich auch gestatten mußte. Wir bitten jetzt unsere Leser, sich zugleich mit uns aus dem neunzehnten in das achtzehnte Jahrhundert zurückzuversetzen, wo sich die wechselvollen Begebenheiten, die wir jetzt erzählen müssen, zutrugen. Auch sei es uns gestattet, die Mittheilungen des Wenden und des Maulwurffängers nicht von diesen selbst erzählen zu lassen, sondern sie als eine eigene, in sich abgeschlossene Geschichte, aus welcher alle spätern Ereignisse hundertästig entsprossen, in einem, wir
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zeigte sich der Graf durchaus als angenehmer<br />
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als ein mit feiner Sitte wohl vertrauter Aristokrat.<br />
Erst nach Beendigung der Tafel bemerkte der lauernde<br />
Blick <strong>des</strong> schlauen Maulwurffängers, daß es Adrian<br />
schwer falle, nicht sogleich eine Erklärung von ihnen<br />
zu verlangen, und weil ihm selbst daran gelegen<br />
war, diesen auch ihm peinlichen Besuch möglichst abzukürzen,<br />
fragte er in seiner trockenen Weise: ob er die<br />
Geschichte seines alten Freun<strong>des</strong> jetzt anhören wolle?<br />
Adrian beeilte sich, seine Bereitwilligkeit auszudrücken,<br />
worauf Heinrich um Erlaubniß hat, statt der<br />
ihm angebotenen Cigarre seine Pfeife rauchen zu dürfen,<br />
was Adrian natürlich auch gestatten mußte.<br />
Wir bitten jetzt unsere Leser, sich zugleich mit uns<br />
aus dem neunzehnten in das achtzehnte Jahrhundert<br />
zurückzuversetzen, wo sich die wechselvollen Begebenheiten,<br />
die wir jetzt erzählen müssen, zutrugen.<br />
Auch sei es uns gestattet, die Mittheilungen <strong>des</strong> Wenden<br />
und <strong>des</strong> Maulwurffängers nicht von diesen selbst<br />
erzählen zu lassen, sondern sie als eine eigene, in<br />
sich abgeschlossene Geschichte, aus welcher alle spätern<br />
Ereignisse hundertästig entsprossen, in einem, wir