Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 1022 — umgerannt, deren Augen so schlimm geworden waren, daß sie kein Licht mehr vertragen konnte, ohne vor Schmerz laut aufzuschreien, und die nun mit festverbundenem Kopf tappend in der kleinen engen Stube umherschlich. »Weißt Du’s, Maria, und Du, Eduard, was in der Haide passirt ist?« Eduard hielt die Lade an und legte das kreuzförmige Schnellholz, woran das Weberschiffchen mittelst Bindfaden befestigt ist, auf die Werfte. »Ich bin nicht hinterm Stuhle vorgekommen, Vater, und an’s Fenster hat auch kein Nachbar gepocht – woher soll ich ’was Neues erfahren haben?« »Was giebt’s denn?« fragte Marie, auf der Ofenbank Platz nehmend und den schmerzenden Kopf in beide Hände nehmend. »Paul Sloboda hat seine Schwester gefunden!« sagte Leberecht. »Die ganze Haide ist lebendig geworden von dem Aufruf, denn es hat in den Blättern gestanden! Die Advocaten, heißt’s, sollen vor dem blauäugigen Jungen die Mützen ziehen bis an die Erde, denn es ist ausgemacht, daß er nun Graf wird und die Schwester Gräfin, und daß sie allesammt, der alte Jan nicht ausgenommen, in prächtigen Palästen wohnen werden.« »Wenn’s nur Grund hat, Vater!« warf Eduard ein. »Der Lügenkrämer laufen heut’ zu Tage gar zu viele herum, und nachher hat’s wieder Menschen, die sich eine Lust draus machen, ehrliche Leute anzuführen.«

— 1023 — »Warum wird’s nicht!« erwiederte etwas ärgerlich Leberecht. »Der erste Bote hat die Nachricht von Pink- Heinrich selber, und der weiß, was er red’t, sonst macht er lieber die Zähne nicht auseinander. Wir aber, Marie, Eduard, wir wollen Gott danken, daß es dahin gekommen ist, denn nun gehen wir gewiß und wahrhaftig besseren Zeiten entgegen!« »Wer’s erlebt!« seufzte Marie, den schmerzenden Kopf immer in leise schwingender Bewegung haltend. »Nur nicht verzagt!« ermahnte Leberecht die Kranke. »Es ist mit der Noth wie mit Zahnschmerzen. Auf einmal, wenn’s recht entsetzlich gezogen und gestochen hat, hört’s von selber auf und man fühlt sich wie neu belebt. So wird’s uns gehen, gebt acht! Das Elend hat sein Thun aus, wie wir sagen, und kein Unglück kann uns mehr ’was anhaben. Schon die bloße Nachricht hat mich neu gestärkt und frisch belebt, und da Morgen Pauli Bekehrung ist und unser katholischer Herr da nicht dreschen läßt, will ich mich flugs aufmachen und ein paar Stunden weit laufen, um genauere Kundschaft einzuziehen.« »O Jesus Christus!« wimmerte Marie. »Was hast Du, Mutter?« fragte Leberecht und setzte sich neben sie, behutsam seinen Arm um die vor Schmerz Zitternde legend. »Mir ist’s, als sollten mir die Augen aus dem Kopfe springen! Nimm mir das Tuch ab – es brennt mich wie glühende Kohlen.«

— 1023 —<br />

»Warum wird’s nicht!« erwiederte etwas ärgerlich<br />

Leberecht. »Der erste Bote hat die Nachricht von Pink-<br />

Heinrich selber, und der weiß, was er red’t, sonst macht<br />

er lieber die Zähne nicht auseinander. Wir aber, Marie,<br />

Eduard, wir wollen Gott danken, daß es dahin gekommen<br />

ist, denn nun gehen wir gewiß und wahrhaftig<br />

besseren Zeiten entgegen!«<br />

»Wer’s erlebt!« seufzte Marie, den schmerzenden<br />

Kopf immer in leise schwingender Bewegung haltend.<br />

»Nur nicht verzagt!« ermahnte Leberecht die Kranke.<br />

»Es ist mit der Noth wie mit Zahnschmerzen. Auf einmal,<br />

wenn’s recht entsetzlich gezogen und gestochen<br />

hat, hört’s von selber auf und man fühlt sich wie neu<br />

belebt. So wird’s uns gehen, gebt acht! Das Elend hat<br />

sein Thun aus, wie wir sagen, und kein Unglück kann<br />

uns mehr ’was anhaben. Schon die bloße Nachricht<br />

hat mich neu gestärkt und frisch belebt, und da Morgen<br />

Pauli Bekehrung ist und unser katholischer Herr da<br />

nicht dreschen läßt, will ich mich flugs aufmachen und<br />

ein paar Stunden weit laufen, um genauere Kundschaft<br />

einzuziehen.«<br />

»O Jesus Christus!« wimmerte Marie.<br />

»Was hast Du, Mutter?« fragte Leberecht und setzte<br />

sich neben sie, behutsam seinen Arm um die vor<br />

Schmerz Zitternde legend.<br />

»Mir ist’s, als sollten mir die Augen aus dem Kopfe<br />

springen! Nimm mir das Tuch ab – es brennt mich wie<br />

glühende Kohlen.«

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