193_StadtBILD_August_2019
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Vorwort<br />
Wie schnell doch die Zeit vergehen kann. 20<br />
Jahre <strong>StadtBILD</strong> und wir würden uns freuen<br />
mit Ihnen, liebe Leser und natürlich mit unseren<br />
Inserenten im Stadthallengarten vom<br />
9.-11. <strong>August</strong> <strong>2019</strong> gemeinsam zu feiern.<br />
Der Weg war lang und auch mühevoll. Nach<br />
der Wende schossen viele kleine Verlage<br />
wie Pilze aus dem Boden. Die in der DDR<br />
oft vernachlässigte Regionalgeschichte war<br />
ein besonders beliebtes Thema vieler neuer<br />
Schriftenreihen. Doch so schnell, wie viele<br />
entstanden, so schnell verschwanden sie<br />
wieder aus der Öffentlichkeit.<br />
Das StadtBild-Magazin hingegen fand von<br />
Anfang an eine interessierte Leserschaft, die<br />
dem Magazin Jahr für Jahr die Treue hielten<br />
und halten.<br />
20 Jahre lang, Monat für Monat, arbeiteten<br />
viele Autoren ehrenamtlich an der Geschichte<br />
und den Geschichten sowohl aus dem<br />
alten Görlitz, als auch an der neueren Geschichte<br />
der Neißestadt und bemühten sich<br />
immer wieder aufs Neue die Beiträge mit interessanten<br />
und oft noch unveröffentlichten<br />
Bildern zu beleben.<br />
Alle Namen der Autoren hier aufzuzählen,<br />
würde wohl den Rahmen eines kleinen Vorwortes<br />
sprengen. Stellvertretend für viele<br />
Autoren sollen nur die Namen von Siegfried<br />
Hoche (Ratsarchivar), Uwe Kahl (Christian-<br />
Weise-Bibliothek) Dr. Berndard Wolf, Dr. Jürgen<br />
Wenske, Wolfgang Stiller, Klaus-Dieter<br />
Hübel, Michael Gürlach, Isolde Gatzke, Rotraud<br />
Schöne, Karin Röhr, Andreas Riedel,<br />
Andreas Neumann-Nochten, Wolfhard Besser<br />
und Ludwig Scheller genannt werden.<br />
Der Autor, der uns die 20 Jahre immer treu<br />
begleitete, viele Artikel schrieb, noch mehr<br />
religierte, ja der 20 Jahre lang das Herz des<br />
StadtBild-Magazins war, ist unser verdienstvoller<br />
Dr. Ernst Kretzschmar. Ihm gebührt<br />
unser besonderer Dank!<br />
In der vorliegenden Jubiläumsausgabe werden<br />
Sie erstmals auf 80 Seiten über bedeutende<br />
und auch weniger bekannte Geschehnisse<br />
informiert. Wir hoffen, dass Sie uns<br />
auch die nächsten Jahre die Treue halten<br />
und unser <strong>StadtBILD</strong> eifrig weiter empfehlen.<br />
Besonders freuen wir uns auch über<br />
ihre zahlreichen Leserbriefe mit oft wertvollen<br />
Ergänzungen. So wie von Heinert Lehmann,<br />
auf dessen Anregung wir gern in den<br />
kommenden Ausgaben einen Bogen ziehen<br />
wollen über die ersten Elektro-LKW´s bis<br />
hin zu Siemens Power Generations mit dem<br />
Standort Görlitz.<br />
In diesem Sinne heben wir, verdienterweise,<br />
einmal das Glas auf die nächsten Jahre und<br />
vielleicht kosten auch Sie im Stadthallengarten<br />
unser eigens gebrautest <strong>StadtBILD</strong>-Jubiläumsbier,<br />
nach einem Familienrezept und<br />
geniessen ein sonniges <strong>August</strong>wochenende<br />
im idyllischen Stadthallengarten.<br />
Herzlichst Ihr Andreas Ch. de Morales Roque<br />
anzeige<br />
Einleitung<br />
3
Zwanzig Jahre <strong>StadtBILD</strong> –<br />
Jahre <strong>StadtBILD</strong><br />
Es ist kaum zu glauben,<br />
aber trotzdem wahr: das<br />
<strong>StadtBILD</strong> wird zwanzig<br />
Jahre alt.<br />
Die Vorbereitungen für die<br />
neue Publikation begannen<br />
im Sommer 1999.<br />
Im Februar des Jahres 2000<br />
war es dann soweit: die<br />
erste Ausgabe der neuen<br />
Schriftenreihe „<strong>StadtBILD</strong> –<br />
Journal für Görlitz und Umgebung“<br />
erschien. Das Heft<br />
im handlichen A5-Format<br />
und einem Umfang von 28<br />
Seiten wurde vom Görlitzer<br />
Werbedienst gestaltet, als<br />
Herausgeber zeichnete sich<br />
Thomas Oertel verantwortlich.<br />
Im Vorwort schrieb Michael<br />
Vogel, damals oberster<br />
Denkmalschützer in der<br />
Stadt Görlitz: „Wir haben die<br />
Hoffnung, daß es dem Journal<br />
‚<strong>StadtBILD</strong>‘ gelingt, viele<br />
anzeige<br />
4<br />
Jubiläum
eine Erfolgsgeschichte<br />
Bürger und Gäste unserer<br />
Stadt für die Denkmalpflege<br />
und den Denkmalschutz<br />
zu sensibilisieren. […] Der<br />
Wirtschaftsfaktor der Denkmalpflege<br />
und des Denkmalschutzes<br />
ist besonders<br />
in so strukturschwachen Regionen<br />
wie der Oberlausitz<br />
nicht unerheblich.“ Zu den<br />
Themen des ersten Stadt-<br />
BILD-Heftes gehörten der<br />
Kaisertrutz und sein Name,<br />
der Nikolaifriedhof, der<br />
Postplatz, das Fortbildungszentrum<br />
für Handwerk und<br />
Denkmalpflege, die Bierfehde<br />
zwischen Görlitz und Zittau,<br />
eine Gebäudesanierung<br />
am Brautwiesenplatz und<br />
manches andere mehr.<br />
Die bunte Mischung der<br />
Themen und die populäre<br />
Darstellungsweise scheinen<br />
den Lesern gefallen zu haben,<br />
denn das <strong>StadtBILD</strong><br />
anzeige<br />
Jubiläum<br />
5
Zwanzig Jahre <strong>StadtBILD</strong> –<br />
Jahre <strong>StadtBILD</strong><br />
fand Fortsetzungen. Das<br />
war durchaus nicht selbstverständlich,<br />
denn gerade<br />
in den ersten Jahren nach<br />
der Wende waren auch in<br />
unserer Region viele neue<br />
Zeitschriften und Schriftenreihen<br />
heimatkundlicher<br />
Art aus dem Erdboden geschossen.<br />
Manche davon<br />
erlebten nicht einmal eine<br />
zweite Ausgabe, andere keinen<br />
zweiten Jahrgang. Nur<br />
wenige Reihen gibt es heute<br />
noch auf dem regionalen<br />
Zeitschriftenmarkt.<br />
Seinerzeit erschien das<br />
<strong>StadtBILD</strong> noch in unregelmäßiger<br />
Folge. Zu der<br />
monatlichen Erscheinungsweise<br />
wurde erst später<br />
übergegangen.<br />
In den ersten Jahren wurden<br />
die besten Artikel der<br />
Einzelhefte in Jahresbüchern<br />
zusammengefasst und neu<br />
herausgegeben. Für Görlitz<br />
anzeige<br />
6<br />
Jubiläum
eine Erfolgsgeschichte<br />
erscheinen drei Bände für<br />
die Ausgaben 1-12 (2003),<br />
13-18 (2004) und 19-24<br />
(2005).<br />
Da das <strong>StadtBILD</strong> für Görlitz<br />
erfolgreich angelaufen war,<br />
wurde im April 2000 eine<br />
weitere Reihe ins Leben<br />
gerufen, das „<strong>StadtBILD</strong> –<br />
Journal für Zittau und Umgebung“.<br />
Das Vorwort dazu<br />
schrieb seinerzeit kein geringerer<br />
als der ehemalige Oybiner<br />
Pfarrer, spätere Zittauer<br />
Landrat und sächsische<br />
Innenminister Heinz Eggert.<br />
Er schrieb: „Es ist in der Welt<br />
wenig bekannt. Im südöstlichsten<br />
Zipfel Sachsens am<br />
Dreiländereck zu Tschechien<br />
und Polen inmitten einer abwechslungsreichen<br />
Mittelgebirgslandschaft<br />
liegt die<br />
750 Jahre alte Stadt Zittau.<br />
[…] Wer hierher kommt,<br />
wird auch begreifen warum<br />
anzeige<br />
Jubiläum<br />
7
Zwanzig Jahre <strong>StadtBILD</strong> –<br />
Jahre <strong>StadtBILD</strong><br />
die wechselhafte Geschichte<br />
dieser Region und ihre<br />
Schönheit auch nach dem<br />
Strukturwandel nach der<br />
Wende, Hoffnungsvolles in<br />
sich birgt. Die Menschen,<br />
die hier leben, leben von<br />
der Geschichte, von der<br />
Schönheit dieser Landschaft<br />
und von der Hoffnung auf<br />
Veränderung. Das alles ist<br />
in der Welt wenig bekannt.<br />
Vielleicht macht dieses Heft<br />
Einiges bekannter.“ Zu den<br />
Themen des ersten Zittau-<br />
Heftes gehörten die einstige<br />
Stadtmauer, die Johanniskirche,<br />
das Weinau-Restaurant,<br />
die Burg- und Klosteranlage<br />
auf dem Oybin, das Salzhaus,<br />
das Dornspachhaus<br />
und das alte Gymnasium in<br />
Zittau.<br />
Zum „Tag der Sachsen“ in<br />
Zittau im September 2001<br />
erschien sogar eine Sonderausgabe<br />
des <strong>StadtBILD</strong><br />
anzeige<br />
8<br />
Jubiläum
eine Erfolgsgeschichte<br />
unter dem Titel „Zittau –<br />
Historisch und lebendig im<br />
Dreiländereck“. Auf 52 Seiten<br />
wurde ein bunter Bilderbogen<br />
Zittauer Geschichte<br />
und Sehenswürdigkeiten<br />
geboten. Es dürfte die einzige<br />
Sonderausgabe des<br />
<strong>StadtBILD</strong> bis heute geblieben<br />
sein.<br />
In einem „<strong>StadtBILD</strong> Jahresbuch<br />
Zittau“ wurden schließlich<br />
die besten Beiträge aus<br />
den Heften 1-8 im April<br />
2004 zusammengestellt und<br />
erneut veröffentlicht.<br />
Und da bekanntlich aller guten<br />
Dinge immer drei sind,<br />
startete im Juni 2003 eine<br />
dritte Schriftenreihe: „Stadt-<br />
BILD – Journal für Bautzen<br />
und Umgebung“. Im Vorwort<br />
hieß es dazu: „beginnend<br />
mit dieser Ausgabe<br />
möchte die Stadtbild-Redaktion<br />
die geschichtlichen und<br />
anzeige<br />
Jubiläum<br />
9
Zwanzig Jahre <strong>StadtBILD</strong> –<br />
Jahre <strong>StadtBILD</strong><br />
historischen Traditionen dieser nunmehr<br />
1000jährigen Stadt den Lesern näher<br />
bringen. […] Die Sehenswürdigkeiten,<br />
die wunderschöne Landschaft, die<br />
historischen Gebäude, die Vielzahl an<br />
Türmen, die Kirchen, das Rathaus und<br />
die gut erhaltenen und sanierten Barockhäuser<br />
werden im Mittelpunkt der<br />
<strong>StadtBILD</strong>-Beiträge stehen.“ Der Reichenturm,<br />
Dr. Gregorius Mättig, die erste<br />
Ortenburg, ein Aufstand der Zünfte,<br />
Brauurbar und Braugerechtigkeit, sowie<br />
die Wasserversorgung im alten Bautzen<br />
waren die Themen des ersten Bautzen-<br />
Heftes.<br />
Doch auch beim <strong>StadtBILD</strong> wuchsen<br />
nicht alle Bäume in den Himmel oder<br />
wie man heute sagt, der Markt bereinigt<br />
manches Angebot. Auf die Dauer<br />
waren die drei Schriftenreihen Görlitz,<br />
Zittau und Bautzen nicht zu halten. Es<br />
war sowohl schwierig geworden immer<br />
genügend interessante und informative<br />
Beiträge für die verschiedenen Hefte zu<br />
bekommen, als auch jeweils genügend<br />
zahlende Werbekunden.<br />
So wurden das <strong>StadtBILD</strong> Bautzen nach<br />
nur zwei Ausgaben und die Zittauer Reihe<br />
nach 13 Heften eingestellt bzw. mit<br />
dem Görlitzer Original zusammengelegt.<br />
Heute heißt die Schriftenreihe „Stadt-<br />
BILD – Görlitz – Oberlausitz – Niederschlesien“.<br />
Inhaltlicher Schwerpunktthema<br />
ist natürlich die Stadt Görlitz mit<br />
ihrer reichen Geschichte und ihren zahllosen<br />
Sehenswürdigkeiten, schließlich<br />
wird das <strong>StadtBILD</strong> auch dort herausgegeben.<br />
Aber die Reihe ist auch immer<br />
offen für Berichte aus allen anderen<br />
Regionen der Oberlausitz und schließt<br />
auch die Nachbargebiete Niederschlesien,<br />
Sachsen und Böhmen mit ein.<br />
Nun wird das <strong>StadtBILD</strong> also zwanzig<br />
Jahre alt und die 200. Ausgabe ist schon<br />
in Sicht. Das dürfte ziemlich einzigartig<br />
auch dem regionalen Zeitschriftenmarkt<br />
und auch darüber hinaus sein. Dahinter<br />
stecken nicht nur viele Hefte und noch<br />
vielmehr Beiträge und Bilder, sondern<br />
auch sehr viel Arbeit und Mühe.<br />
anzeige<br />
10<br />
Jubiläum
Zwanzig Jahre <strong>StadtBILD</strong> –<br />
Jahre <strong>StadtBILD</strong><br />
Das muss anerkannt und<br />
gewürdigt werden. Sicher<br />
wird manchmal die Einfachheit<br />
der Beiträge kritisiert,<br />
sie richten sich aber auch<br />
nicht an ein Fachpublikum,<br />
sondern an den interessierten<br />
Normalbürger.<br />
Auch ist jedermann herzlich<br />
zur Mitarbeit am <strong>StadtBILD</strong><br />
eingeladen, entsprechende<br />
Beiträge sind der Redaktion<br />
immer willkommen.<br />
Schließlich soll auch noch<br />
gesagt werden, dass der<br />
gelegentlich kritisierte relativ<br />
große Werbeanteil in<br />
den <strong>StadtBILD</strong>-Heften letztlich<br />
für deren Finanzierung<br />
sorgt.<br />
Der Verkaufspreis von 1<br />
Euro ist ja wohl eher symbolisch<br />
zu nennen und ein<br />
großer Teil der Auflage wird<br />
auch kostenlos verteilt.<br />
anzeige<br />
12<br />
Jubiläum
eine Erfolgsgeschichte<br />
Die ersten Hefte des Stadt-<br />
BILD sind längst vergriffen<br />
und zu gesuchten Sammlerstücken<br />
geworden.<br />
Es dürfte nur wenige Bibliotheken<br />
und Privatsammler<br />
geben, die eine komplette<br />
Sammlung der gesamten<br />
Hefte aller drei Reihen besitzen.<br />
So bleibt eigentlich nur noch<br />
übrig dem <strong>StadtBILD</strong>, der<br />
Redaktion und dem Verlag<br />
der Schriftenreihe nochmals<br />
herzlich zum 20. Jubiläum zu<br />
gratulieren! Weiter so und<br />
auf die nächsten 20 Jahre!<br />
Uwe Kahl,<br />
Christian-Weise-Bibliothek Zittau,<br />
Wissenschaftlicher und Heimatgeschichtlicher<br />
Altbestand<br />
Bild: Mit der Ausgabe 40 wurde<br />
das Layout und auf monatliche<br />
Erscheinung umgestellt.<br />
anzeige<br />
Jubiläum<br />
13
Die Schlesischen Musikfestspiele –<br />
Stadthalle Görlitz<br />
Im Juli 1876 nahmen am 1. Schlesischen<br />
Musikfest in Hirschberg im Riesengebirge<br />
zehn schlesische Städte mit zwölf Vereinen,<br />
481 Sängern und 106 Musikern teil.<br />
Gegründet und finanziert wurde das Fest<br />
von Bolko von Hochberg, einem schlesischen<br />
Grafen aus dem Haus Fürstenstein<br />
und Pleß. Er schrieb Singspiele, eine<br />
Oper, widmete sich aber auch Lied- und<br />
Chorkompositionen. Das 3. Schlesische<br />
Musikfest fand 1878 erstmals in Görlitz<br />
statt. Es folgten das vierte (1880),<br />
sechste (1883) und achte (1886) in der<br />
Neißestadt. Seit dem 10. Musikfest 1889<br />
fanden alle Feste zuerst im Zweijahresspäter<br />
im Dreijahresabstand in Görlitz<br />
statt.<br />
Anfangs wurden die Feste wie zahlreiche<br />
weitere öffentliche Veranstaltungen<br />
in einer ehemaligen Ausstellungshalle<br />
des Gartenbauvereins aus dem Jahre<br />
1863 begangen. Der provisorische Holzbau<br />
wurde 1872 vom Wilhelmsplatz an<br />
das Neißeufer nahe dem Exerzierplatz in<br />
etwa dem heutigen Standort der Stadthalle<br />
umgesetzt und im Jahr 1878 für bis<br />
zu 2000 Gäste und Künstler ausgebaut.<br />
Dieses Bauwerk schien jedoch dem<br />
Schlesischen Musikfest nicht angemessen<br />
zu sein, so dass um 1900 ein repräsentativer<br />
Neubau geplant wurde, der<br />
auch der steigenden Geltung der Stadt<br />
gerecht wurde.<br />
Eine frühere Realisierung einer Konzerthalle<br />
in der Stadt war auf Grund der<br />
fehlenden finanziellen Mittel nicht möglich.<br />
Der städtische Haushalt und der<br />
des zusammengeschlossenen Komitees<br />
für Musik- und Ruhmeshalle war um die<br />
Jahrhundertwende bereits schwer durch<br />
den Bau der Oberlausitzer Gedenkhalle<br />
(Ruhmeshalle) belastet.<br />
Im Jahr 1900 berief die Stadtverordnetenversammlung<br />
eine Kommission mit<br />
Mitgliedern aus Magistrat, Stadtverordnetenversammlung<br />
und Bürgerschaft,<br />
die das Projekt Konzerthalle begleiten<br />
sollten.<br />
Im Januar des Folgejahres bestimmte die<br />
Kommission den Bauplatz in der Nähe<br />
der alten Festhalle und legte fest, dass<br />
der Haupteingang sich auf der Südseite<br />
an der Reichenberger Brücke auf Straßenniveau<br />
befinden solle.<br />
anzeige<br />
14<br />
Geschichte
in der Stadthalle<br />
Görlitz<br />
Grundsteinlegung der Stadthalle am 20. Juni 1906<br />
Über eine Lotterie konnten 300.000 Mark<br />
der veranschlagten 810.000 Mark eingenommen<br />
werden.<br />
Einen sehr großen Anteil an den Spenden<br />
hatte der Initiator der Festspiele Graf<br />
Bolko von Hochberg. Schließlich votierte<br />
auch die Stadtverordnetenversammlung<br />
für den Neubau einer Konzerthalle. Für<br />
den Bau konnte der renommierte Theaterbaumeister<br />
Bernhard Sehring gewonnen<br />
werden.<br />
Nach den 16. Musikfestspielen fand am<br />
20. Juni 1906 die Grundsteinlegung für<br />
die Stadthalle statt.<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
15
Die Schlesischen Musikfestspiele –<br />
Stadthalle Görlitz<br />
Festkonzert zur Eröffnung der Stadthalle am 27. Oktober 1910<br />
Der Neubau entstand in einem zur damaligen<br />
Zeit prosperierenden Stadtviertel.<br />
Mit direktem Blickkontakt entstanden in<br />
der Umgebung 1894 die Reichenberger<br />
Schule, 1898 die Baugewerk- und Maschinenbauschule<br />
und 1902 die Ruhmeshalle.<br />
Wenig später folgten 1913/1914<br />
die Gebäude der Rothenburger Versicherung<br />
und 1926 das Elektrizitätswerk.<br />
Die Arbeiten am Rohbau waren zu Beginn<br />
des Jahres 1908 bereits weitgehend<br />
abgeschlossen. Die geplante Eröffnung<br />
rückte jedoch mit dem Einsturz der Hallendecke<br />
am 9. Mai 1908, wahrscheinlich<br />
anzeige<br />
16<br />
Geschichte
in der Stadthalle<br />
Görlitz<br />
Stadthalle nach dem Einsturz am 9. Mai 1908<br />
infolge fehlerhafter statischer Berechnungen<br />
der Stahldeckenkonstruktion, in<br />
weite Ferne.<br />
Sie riss große Teile der Hallenwände mit.<br />
Das Unglück kostete fünf Menschen das<br />
Leben, elf wurden verletzt. Nach dem<br />
erfolgreich abgeschlossenen Wiederaufbau<br />
konnte das Bauwerk am 27. Oktober<br />
1910 festlich durch das Philharmonische<br />
Orchester Berlin unter Leitung von Generalmusikdirektor<br />
Karl Muck eingeweiht<br />
werden. Die Gesamtkosten für den Bau<br />
beliefen sich schließlich auf 1,14 Millionen<br />
Mark.<br />
anzeige<br />
Geschichte 17
Die Schlesischen Musikfestspiele in der Stadthalle<br />
Stadthalle Görlitz<br />
Großer Saal der Stadthalle mit Orgel<br />
Das Haus war für mindestens 2000 Besucher<br />
und ein bis zu 1000-köpfiges Ensemble<br />
auf der Bühne konzipiert.<br />
In den Jahren <strong>193</strong>6 und <strong>193</strong>7 fanden<br />
umfangreiche Renovierungen im Gebäude<br />
statt, dabei wurden auch zahlreiche<br />
Schmuckelemente in den Sälen entfernt.<br />
Das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte<br />
die Stadthalle trotz Sprengung der<br />
nahegelegenen Reichenberger Brücke<br />
weitgehend unbeschadet.<br />
Bereits zwölf Tage nach<br />
dem Kriegsende luden<br />
der Oberbürgermeister<br />
Alfred Fehler und<br />
der sowjetische Stadtkommandant<br />
Oberst<br />
Pawel Iljitsch Nesterow<br />
die Kinder der Stadt zu<br />
einem Kinderfest im<br />
Stadthallengarten ein.<br />
Daran erinnert bis heute<br />
eine Gedenktafel.<br />
Als Ersatzveranstaltung<br />
für das Schlesische<br />
Musikfest wurde nach<br />
dem Krieg die Görlitzer<br />
Musikwoche etabliert. Die Musikwoche<br />
wurde jedoch bereits 1957 wieder eingestellt.<br />
Am 31. Dezember 2004 wurde der Betrieb<br />
der Stadthalle auf Grund der wirtschaftlichen<br />
Situation und bautechnischen<br />
Mängeln am Bauwerk eingestellt.<br />
Seit 2004 engagiert sich der Förderverein<br />
Stadthalle e.V. für eine Sanierung<br />
und anschließende Wiedereröffnung der<br />
Stadthalle.<br />
anzeige<br />
18<br />
Geschichte
- Anzeige -<br />
Stadthallengarten Open Air <strong>2019</strong><br />
StadthaGörlitz Open Air<br />
Bereits zum 5. Mal findet auch in diesem<br />
Jahr das Stadthallengarten Görlitz Open<br />
Air im idyllischen Stadthallengarten vom<br />
9. bis 11. <strong>August</strong> statt.<br />
Nach dem sensationellen Auftritt von Never<br />
walk alone beim Festival de la Musique<br />
auf dem Marienplatz ist es eine<br />
Freude sie am 9. <strong>August</strong> zu einem kompletten<br />
Konzert in Görlitz begrüßen zu<br />
dürfen. Der einzigartige German-Irish-<br />
Folk-Rock riss im wahrsten Sinne des<br />
Wortes das Publikum<br />
richtig mit. Es wurde<br />
getanzt, abgerockt und<br />
auch mal geschunkelt<br />
zu einer völlig anderen<br />
Variante von „An der<br />
Nordseeküste...“<br />
Sie können sich auf nahezu<br />
alles gefasst machen<br />
außer schlechter<br />
Laune, denn der Spaß<br />
den die sieben „Musenküsse“<br />
auf der Bühne<br />
haben wird direkt ins<br />
Publikum katapultiert.<br />
Nach den „Toten Ärzten“<br />
im vergangenen Jahr kommen also<br />
nun die Schottenröcke!<br />
Für den Samstag verspricht Chris Harp<br />
eine legendäre Rock- und Bluesnacht.<br />
Von der derben Gangart des Bluesrock<br />
geprägt ist das Programm der „Walter<br />
Mitty“ Bluesband.Hinter dem etwas kryptisch<br />
anmutenden Namen, des noch als<br />
Geheimtipp geltenden Powertrios ,verbergen<br />
sich gestandene Musiker. Ebenso<br />
wie Peter (Pedda) Schmidt, der Be-<br />
anzeige<br />
20<br />
Ausblick
Stadthallengarten Görlitz Open Air <strong>2019</strong><br />
- Anzeige -<br />
gleitband von Weltstars wie Jethro Tull,<br />
Procol Harum oder ZZ Top war. Das Duo<br />
komplettiert Chris Harp, der mit verschiedensten<br />
Blues-und Rockprojekten<br />
unterwegs ist. Bisher größter Höhepunkt<br />
seines Schaffens war es mit John Lee<br />
Hooker Jr. gemeinsam auf der Bühne zu<br />
stehen.<br />
Am Sonntag findet zum Ausklang bei<br />
freiem Eintritt ein Stadthallengartenfest<br />
unter dem Motto „Gemeinsam statt einsam“.<br />
Der ideenfluß e.V. wird mit Kaffee<br />
und selbst gebackenem Kuchen aufwarten,<br />
die Sparkasse versorgt die Gäste mit<br />
Zuckerwatte und der „Schlesische Kaufmann“<br />
wird den allseits beliebten Gutscheinkalender<br />
„Gastliches Görlitz 2020“<br />
anpreisen.<br />
Gleichzeitig feiern wir gern mit Ihnen<br />
unser Jubiläum „20 Jahre <strong>StadtBILD</strong>“ an<br />
diesem Wochenende und präsentieren<br />
Ihnen das „1. <strong>StadtBILD</strong>-Jubiläumsbier“,<br />
gebraut nach einem Familienrezept.<br />
Weitere Informationen und Karten unter:<br />
www.incaming.de<br />
Ausblick 21
- Anzeige -<br />
160 Jahre Kreditgenossenschaft in Görlitz –<br />
Jahre Volksbank<br />
Friedrich Wilhelm Raiffeisen | Farbkollage<br />
„Was einer allein nicht schafft, das schaffen<br />
viele“, erklärte der Sozialreformer<br />
und Politiker Friedrich Wilhelm Raiffeisen<br />
(1818-1888) Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
das genossenschaftliche Prinzip.<br />
Raiffeisen stammte selbst aus einfachen<br />
Verhältnissen und setzte sich das Ziel,<br />
über Kredit- und Darlehenskassen der<br />
Mittelschicht – Bauern, Handwerkern<br />
und Kleinunternehmern – Zugang zu<br />
Krediten zu ermöglichen. Mit der Gründung<br />
des Flammersfelder Hilfsvereins zur<br />
Unterstützung unbemittelter Landwirte<br />
(1848), des Heddesdorfer Darlehnskassenvereins<br />
(1864) und der Rheinischen<br />
Landwirtschaftlichen Genossenschafts-<br />
anzeige<br />
22<br />
Jubiläum
Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien eG<br />
160 Jahre Volksbank<br />
- Anzeige -<br />
bank (1872) schuf der Sozialreformer<br />
Raiffeisen Modelle zur Unterstützung<br />
unbemittelter Landwirte und für landwirtschaftliche<br />
Einkaufsgenossenschaften<br />
zum günstigen Einkauf von Produktionsgütern<br />
wie beispielsweise Saatgut<br />
und Düngemittel. Sowohl der „Grüne<br />
Kredit“, der vorsah, Saatgut und Dünger<br />
mit der späteren Ernte zu bezahlen, als<br />
auch die gemeinsame Erntevermarktung<br />
und die örtlich verwalteten Spar- und<br />
Darlehenskassen wurden in vielen Dörfern<br />
Deutschlands entsprechend seinen<br />
Vorschlägen eingeführt. Mindestens<br />
sieben Bauern waren erforderlich, um<br />
dörfliche Genossenschaften zum Einkauf<br />
oder Vertrieb zu gründen. Um wirkungsvoll<br />
verhandeln zu können und dadurch<br />
preisgünstig Saatgut und Dünger einzukaufen,<br />
sah die Genossenschaftssatzung<br />
zunächst eine unbeschränkte Haftung<br />
mit dem gesamten Vermögen der Mitglieder<br />
vor. Nach der ersten Erfolgsphase<br />
wurden die Garantien auf die Vermögen<br />
der Vorstandsmitglieder und nach Ansparung<br />
von Genossenschaftsvermögen<br />
auf dieses gemeinsame Vermögen beschränkt.<br />
Der Leitspruch: „Einer für alle,<br />
alle für einen“ wurde für die landwirtschaftlichen<br />
Genossenschaften die Basis<br />
des Handels, ebenso wie der Name des<br />
Erfinders „Raiffeisen“ Namensbestandteil<br />
und Marke wurde.<br />
Die Idee trug rasch Früchte. Im 19. Jahrhundert<br />
entstanden in Deutschland zahlreiche<br />
Kreditgenossenschaften. In Görlitz<br />
wurde am 27. April 1859 der Vorschuss-<br />
Verein Görlitz gegründet. Aus dem Vorschuss-Verein<br />
wurde die Vereinsbank<br />
Görlitz bis 1919 und danach erfolgte eine<br />
weitere Umfirmierung zur Gewerbe- und<br />
Landschaftsbank Görlitz bis dann daraus<br />
ab <strong>193</strong>8 die Volksbank Görlitz wurde. Zu<br />
DDR-Zeiten wurde der Name Genossenschaftsbank<br />
für Handwerk und Gewerbe<br />
eingeführt. Die erneute Umbenennung in<br />
Volksbank Görlitz erfolgte dann am 31.<br />
Mai 1990.<br />
Am 13. <strong>August</strong> 1991 kam es zur Verschmelzung<br />
mit der Raiffeisenbank Görlitz<br />
zur Volks- und Raiffeisenbank Görlitz<br />
und letztlich mit der Verschmelzung mit<br />
der Raiffeisenbank-Volksbank Niesky-<br />
Weißwasser im Juni 2005 zur heutigen<br />
anzeige<br />
Jubiläum<br />
23
- Anzeige -<br />
160 Jahre Kreditgenossenschaft in Görlitz –<br />
Jahre Volksbank<br />
Platz vor dem Victoria-Hotel noch ohne Kunstbrunnen, Fotografie um 1880<br />
VOLKSBANK RAIFFEISENBANK NIEDER-<br />
SCHLESIEN eG.<br />
Nach der politischen Wende hatte die damalige<br />
Volksbank Görlitz ihren Sitz im Gebäude<br />
Postplatz 19.<br />
Der Kaufmann Eduard Schultze, der 1844<br />
Obermarkt 5 ein Geschäft für Leinen- und<br />
Baumwollwaren eröffnet hatte und zu einem<br />
ansehnlichen Vermögen gekommen<br />
war, erwarb 1863 das gesamte Gelände<br />
des alten Frauenspitals und ließ die Baulichkeiten<br />
abreißen.<br />
Von 1864-1867 entstand dort zwischen<br />
dem Gericht und der Frauenkirche unter<br />
anzeige<br />
24<br />
Jubiläum
Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien eG<br />
160 Jahre Volksbank<br />
- Anzeige -<br />
Straßenbahnendhaltestelle auf dem Postplatz um 1910<br />
Baumeister Pfeiffer ein prächtiger Neubau<br />
von bisher in Görlitz ungewohnter Breite<br />
und Höhe. Man habe sich, so wurde erzählt,<br />
an ein Pariser Vorbild gehalten.<br />
Die Baukosten wurden auf etwa 100.000<br />
Taler geschätzt. 1868 war das Haus bezugsfertig.<br />
In den Mittelteil zog das vornehme Victoria-Hotel<br />
ein, das dort bis nach 1900 auch<br />
prominente Gäste empfing, unter ihnen<br />
den Görlitzer Ehrenbürger Generalfeldmarschall<br />
Helmuth von Moltke, der 1885<br />
die Görlitzer Gewerbe- und Industrie-Ausstellung<br />
besuchte.<br />
anzeige<br />
Jubiläum<br />
25
- Anzeige -<br />
160 Jahre Kreditgenossenschaft in Görlitz –<br />
Jahre Volksbank<br />
Marienplatz mit Bankgebäude und Demiani-Denkmal, um 1900<br />
Im Erdgeschoß links siedelte sich ein gemütliches<br />
Wiener Café an. 1882 zog sich<br />
Eduard Schultze ins Privatleben zurück.<br />
Das Geschäft übergab er an seine Söhne<br />
Gustav und Alfred. Aber erst 1888 wurde<br />
das Unternehmen vom Obermarkt in das<br />
große Haus am Postplatz verlegt.<br />
Dort blieb es noch etwa 60 Jahre. 1912<br />
gab es einen Ergänzungsbau. In die Leitung<br />
der Firma teilten sich Alfred Schultze<br />
und die Prokuristen Richard Geschwinde,<br />
Max Mauermann und Karl Schwirten. Ab<br />
1919 führten die drei Prokuristen gemeinsam<br />
mit Kaufmann Gustav Bahr das<br />
anzeige<br />
26<br />
Jubiläum
Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien eG<br />
160 Jahre Volksbank<br />
- Anzeige -<br />
Markt auf der Elisabethstraße um 1902<br />
Unternehmen; nach dem Tod von Geschwinde<br />
<strong>193</strong>0 trat <strong>193</strong>1 Max Schmidt<br />
als Mitinhaber ein. Das Textilkaufhaus<br />
Eduard Schultze blieb jahrzehntelang ein<br />
Qualitätsbegriff bei den Görlitzern, und<br />
ältere wie jüngere Leute bezeichnen gelegentlich<br />
noch heute das Haus nach dem<br />
Firmengründer.<br />
Im Jahr 1995 erfolgte dann der Umzug<br />
des inzwischen zur Volks-und Raiffeisenbank<br />
Görlitz firmierten Geldinstitutes in<br />
die Elisabethstraße 42/43, die bis heute<br />
Sitz der Volks-und Raiffeisenbank Niederschlesien<br />
eG ist.<br />
anzeige<br />
Jubiläum<br />
27
- Anzeige -<br />
160 Jahre Kreditgenossenschaft in Görlitz<br />
Jahre Volksbank<br />
Blick vom Marienplatz in die Elisabethstraße , um 1905<br />
Als eine der markantesten Straßen in der<br />
Görlitzer Altstadt kann man sicher die<br />
Elisabethstraße nennen. Schon allein die<br />
mächtigen Bäume rechts und links ihres<br />
Verlaufs geben ihr ein unverwechselbares<br />
Aussehen. Im Volksmund auch gern „Elisabethplatz“<br />
genannt, bleibt sie doch eine<br />
Straße - und zwar eine mit interessanter<br />
Vergangenheit. Ihren Namen verdankt sie<br />
Elisabeth Luise (1801-1873), der Gemahlin<br />
von König Friedrich Wilhelm IV. Noch<br />
in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts<br />
befand sich hier eine doppelte<br />
Stadtmauer mit Bastionen.<br />
anzeige<br />
28<br />
Jubiläum
- Anzeige -<br />
160 Jahre Kreditgenossenschaft in Görlitz –<br />
Jahre Volksbank<br />
Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien eG, Fotografie <strong>2019</strong><br />
Als unübersehbarer Zeuge steht noch<br />
heute der runde und massig wirkende um<br />
1250 erbaute „Frauenturm“.<br />
Im Volksmund heißt dieser Turm meistens<br />
der „Dicke Turm“ wegen seiner über<br />
5m starken Mauern. Durch den Dicken<br />
Turm begrenzt, erstreckte sich früher in<br />
Richtung Nonnenstraße das 1370 erbaute<br />
Schloss, das zu bestimmten Zeiten von<br />
Herzog Hans von Görlitz, einem Sohn Kaisers<br />
Karl IV. bewohnt wurde. 1474 riss<br />
man das herrschaftliche Gebäude ab und<br />
bebaute das Terrain mit Bürgerhäusern.<br />
Als zu Zeiten Demianis die Stadtmauern<br />
fielen, fasste man 1843 den Beschluss,<br />
das Areal zur Promenade auszubauen.<br />
anzeige<br />
30<br />
Jubiläum
Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien eG<br />
160 Jahre Volksbank<br />
- Anzeige -<br />
Durch verschiedene Maßnahmen sollte<br />
Platz gewonnen werden, um Bäume zu<br />
pflanzen, damit ein Boulevard entstehen<br />
konnte. Die Ausführung verschob sich<br />
aber durch den verzögerten Abbruch der<br />
Stadtmauern. Zwischen 1853 und 1855<br />
nahm die Elisabethstraße dann annähernd<br />
die heutige, den Görlitzern vertraute Form<br />
an. Fort an stellt die Straße ein für die<br />
Stadt wichtiges wirtschaftliches Zentrum<br />
dar. Seit 1864 ist sie zudem zum städtischen<br />
Marktplatz für den Wochenmarkt<br />
geworden. Damals wie heute lockt er die<br />
Menschen zum Kauf und bringt so Leben<br />
in die Elisabethstraße.<br />
Einen würdigen Abschluss fand die Elisabethstraße<br />
im Osten durch den Bau der<br />
Reichsbank, dem heutigen Sitz der Volksbank<br />
Raiffeisenbank Niederschlesien eG.<br />
Jung geblieben ist die Volksbank Raiffeisenbank<br />
in all der Zeit – sonst wäre sie<br />
nicht seit mehr als eineinhalb Jahrhunderten<br />
ein Erfolgsmodell. Jeder aktive Kunde<br />
kann Miteigentümer werden. Durch ihr<br />
Mitspracherecht bestimmen die Mitglieder<br />
direkt mit über die Geschicke ihrer Genossenschaftsbank.<br />
Dieses Prinzip hat sich bewährt und stellt<br />
ein Bekenntnis zu Demokratie und Fairness<br />
dar.<br />
Seit 2016 gehört die genossenschaftliche<br />
Idee sogar zum „Immateriellen Kulturerbe<br />
der Menschheit“. In mehr als 100 Ländern<br />
gibt es Genossenschaften mit zusammen<br />
mehr als 800 Millionen Mitgliedern. In<br />
Deutschland gehören etwa 22 Millionen<br />
Menschen einer Genossenschaft an.<br />
Dafür gibt es gute Gründe: Genossenschaften<br />
stabilisieren regionale Wirtschaftskreisläufe,<br />
sorgen für lokale Beschäftigung<br />
und tragen als bedeutender<br />
Wirtschaftsfaktor auch zur Bewältigung<br />
gesellschaftlicher Aufgaben bei.<br />
Die Bank geht mit der Zeit, hinsichtlich<br />
der sich wandelnden Kundenansprüche.<br />
Niemals an Aktualität verloren haben<br />
dabei die genossenschaftlichen Werte:<br />
Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung,<br />
die auch heute noch die<br />
drei Eckpfeiler der Volksbank Raiffeisenbank<br />
Niederschlesien eG sind, ihrer Genossenschaftsbank.<br />
Andreas Ch. de Morales Roque<br />
anzeige<br />
Jubiläum 31
Johann Hinrich Wichern –<br />
Hinrich Wichern<br />
Wichernhaus <strong>2019</strong><br />
Fällt in Görlitz der Name Wichern, so<br />
denkt man unwillkürlich an das Görlitzer<br />
Wichernhaus. Das große Gebäude mit<br />
dem beeindruckenden Saal, sowie dem<br />
etwas versetzt angeordneten Pflegeheim<br />
sind Stadtbild prägende Gebäude in der<br />
Johannes Wüstenstraße.<br />
Das zurückgesetzte Gebäude wurde 1830<br />
als Evangelisches Vereinshaus errichtet.<br />
Der große Saalanbau entstand 1857<br />
und wurde 1911 nochmals umgebaut als<br />
Tanz- und Konzerthaus der Sozietätsgesellschaft.<br />
Ab 1874 wurde das Gebäude<br />
als Kirche der Apostolischen Gemeinde<br />
anzeige<br />
32<br />
Geschichte
Anwalt der Armen | Reformer der Kirche<br />
Johann Hinrich Wichern<br />
eine Zeit lang genutzt. Heute<br />
befinden sich im Saalgebäude<br />
2 Säle, sowie ein großer Küchenbetrieb,<br />
der mittags eine<br />
reiche Auswahl an preiswerten<br />
Speisemenüs für die Görlitzer<br />
und abends öfters vielfältige<br />
Veranstaltungen im Großen<br />
Saal anbietet.<br />
Immer wieder wird gern die<br />
Frage gestellt, warum heißen<br />
die Gebäude Wichernhaus?<br />
Wer war eigentlich der Namensgeber?<br />
Johann Hinrich Wichern war<br />
ein bedeutender evangelischer<br />
Theologe und Reformer, der<br />
sowohl das berühmte Rauhe<br />
Haus in Hamburg, als auch die<br />
Innere Mission gegründet hat.<br />
Viele Kirchenlieder stammen<br />
aus seiner Feder und in der<br />
Weihnachtszeit leuchtete früher<br />
in jedem Haus ein Adventskranz,<br />
der auch von ihm entworfen<br />
wurde. Johann Hinrich Wichern (21.4.1808-7.4.1881)<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
33
Johann Hinrich Wichern –<br />
Hinrich Wichern<br />
Johann Hinrich Wichern wurde am 21.<br />
April 1808 als ältester Sohn von acht<br />
Geschwistern in einfachen bürgerlichen<br />
Verhältnissen geboren. Sein Vater, Johann<br />
Hinrich Wichern, qualifizierte sich<br />
vom einfachen Fuhrmann, durch fleißige<br />
Weiterbildung zum vereidigten Übersetzer<br />
und Notar.<br />
Johann Hinrich Wichern besuchte eine Privatschule,<br />
in der nach der Pädagogik Pestalozzis<br />
unterrichtet wurde. 1818 wechselte<br />
er auf das Johanneum, ein bereits<br />
lange bestehendes Gymnasium, das im<br />
16. Jahrhundert von Johannes Bugenhagen,<br />
dem Mitstreiter Martin Luthers und<br />
Reformator Norddeutschlands, gegründet<br />
worden war. Vom Vater erbte er die Liebe<br />
zur Musik und lernte Klavier spielen, von<br />
der Mutter erbte er das praktische Denken<br />
und die Fähigkeit zum zielgerichteten<br />
energischen Handeln. Im Alter von 15 Jahren<br />
mußte sich Johann Hinrich bereits um<br />
die Familie kümmern, da sein Vater bereits<br />
1823 verstarb. Dadurch war Johann<br />
Hinrich gezwungen zum Lebensunterhalt<br />
der großen Familie beizutragen, indem<br />
er Nachhilfeunterricht gab. Aus diesen<br />
Gründen mußte er vorzeitig die Schule<br />
verlassen und holte das Abitur später am<br />
Akademischen Gymnasium (Abendschule)<br />
nach. Diese schweren Erlebnisse bewogen<br />
ihm nach dem Tod des geliebten<br />
Vaters ein Tagebuch zu führen. Hier lernte<br />
er den Sohn des bekannten Liederdichters<br />
Matthias Claudius, Johannes Claudius,<br />
kennen, was ihn zum Dichten etlicher<br />
Kirchenlieder anregte. Johann Hinrich erhielt<br />
ein Stipendium und konnte dadurch<br />
Theologie in Göttingen und Berlin studieren.<br />
Während seines Studiums lernte er<br />
viele interessante Menschen kennen, die<br />
sein späteres Handeln und seine Theologie<br />
maßgeblich beeinflussten. Besonders<br />
zu erwähnen sind hier die Reformtheologen<br />
Schleiermacher und Neander, sowie<br />
der Arzt Nikolaus Heinrich Julius.<br />
Johann Hinrich Wichern schloß 1832 sein<br />
Studium mit einem theologischen Examen<br />
ab und bekam eine Stelle als Oberlehrer<br />
in der Sonntagsschule der Hamburger<br />
Gemeinde St. Georg. Im aufstrebenden<br />
Hamburg der damaligen Zeit war das<br />
Viertel St. Georg ein armes Viertel der Arbeiter<br />
und einfachen Leute.<br />
anzeige<br />
34<br />
Geschichte
Anwalt der Armen | Reformer der Kirche<br />
Johann Hinrich Wichern<br />
Hier lernte er als Mitglied eines<br />
Besuchervereins, der die<br />
Familien der Sonntagsschüler<br />
zu Hause besuchten, das<br />
Elend und die Verwahrlosung<br />
breiter Schichten in dem Viertel<br />
kennen. Deshalb gründete<br />
er im Hamburger Vorort Horn<br />
nach einem Jahr eine Anstalt<br />
„zur Rettung verwahrloster und<br />
schwer erziehbarer Kinder“.<br />
Bei dieser Tätigkeit lernte Wichern<br />
1833 seine spätere Frau<br />
Amanda Böhme, eine Nachkommin<br />
des bekannten Görlitzer<br />
Mystikers und Theosophen<br />
Jakob Böhme, kennen, die seinem<br />
Aufruf folgte und als Lehrerin<br />
in der Sonntagsschule der<br />
St. Georgs Gemeinde Hamburg<br />
begann.<br />
Der damals 25-Jährige Johann<br />
Hinrich verliebte sich „auf den<br />
ersten Blick“ in die hübsche 22<br />
jährige Amanda. 1835 heiraten<br />
beide und Amanda zog zu ihm. Elendsviertel in Hamburg St. Georg um 1893<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
35
Johann Hinrich Wichern –<br />
Hinrich Wichern<br />
Amanda und Johann Hinrich Wichern<br />
Doch dort führte Johann Hinrichs Mutter<br />
mit strenger Hand den Haushalt, was<br />
sofort zu ernsthaften Differenzen führte,<br />
denn Amanda lag die Hausarbeit überhaupt<br />
nicht. Deshalb übertrug „Heini“, wie<br />
Amanda liebevoll Wichern bezeichnete,<br />
ihr die Buchführung und Geldgeschäfte<br />
in der neu gegründeten<br />
Anstalt. Dies war in der<br />
damaligen Zeit, als Frauen<br />
noch keinen Beruf<br />
hatten und eigentlich nur<br />
das „Heimchen am Herd“<br />
zu sein hatten, geradezu<br />
revolutionär.<br />
Dennoch lebte Amanda<br />
weiter voll in der Gedankenwelt<br />
ihres Vorfahren<br />
Jakob Böhme, dessen<br />
Aussage ihr Wahlspruch<br />
war: „Du lebst in Gott<br />
und Gott ist in dir. Und<br />
so du heilig lebst, so bist<br />
du selber Gott, und wo<br />
du nur hinsiehst, da ist<br />
Gott.“<br />
Die Gründungsversammlung des späteren<br />
„Rauhen Hauses“ fand im Saal der Börsenhalle<br />
am 12. September 1833 statt.<br />
Der Hamburger Syndikus Karl Sieveking,<br />
ein Verwandter Amalie Sievekings, hatte<br />
ihm eine Kate, „Ruges Haus“ mitsamt<br />
Grundstück überlassen.<br />
anzeige<br />
36<br />
Geschichte
Anwalt der Armen | Reformer der Kirche<br />
Johann Hinrich Wichern<br />
Das alte “Rauhe Haus” um 1834<br />
Der Volksmund machte aus „Ruges Haus“<br />
das „Rauhe Haus“. Am 31. Oktober zog<br />
Wichern mit seiner Mutter und seiner<br />
Schwester in das „Rauhe Haus“ ein. Bis<br />
zum 12. November waren 6.500 Mark gesammelt<br />
worden. Bereits zum Jahresende<br />
1833 hatte Wichern zwölf Jungen in die<br />
Hausgemeinschaft aufgenommen. Die<br />
Zahl der Jungen wuchs, so dass neue Gebäude<br />
errichtet werden mussten. Gemeinsam<br />
mit seinem Mentor, dem Pöseldorfer<br />
Schulleiter Johann Ludwig Emanuel Pluns,<br />
gab er den „Bergedorfer Boten“, als Informationszeitschrift<br />
für die Hamburger und<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
37
Johann Hinrich Wichern –<br />
Hinrich Wichern<br />
Knabenarbeitssaal im “Rauhen Haus”<br />
Freunde des „Rauhen Hauses“ heraus.<br />
Ab 1835 wurden auch Mädchen aufgenommen.<br />
Begegnungen mit christlichen<br />
Erweckungsbewegungen, zumeist konservativen<br />
protestantischen Strömungen,<br />
die sich gegen einen aufklärerischen Rationalismus<br />
wendeten, prägten ihn Zeit seines<br />
Lebens. Aber auch die Unfähigkeit der<br />
Kirche und des Staates, auf die Armut und<br />
die katastrophalen Zustände in Deutschland<br />
angemessen zu reagieren, können<br />
seine Unternehmungen erklären. Er wollte<br />
eben nicht disziplinieren und korrigieren,<br />
sondern Lebensraum für Kinder schaffen,<br />
anzeige<br />
38<br />
Geschichte
Anwalt der Armen | Reformer der Kirche<br />
Johann Hinrich Wichern<br />
Mädchenarbeitssaal um 1835<br />
in dem sie zu guten Bürgern und Christen<br />
heranwachsen können.<br />
Die Arbeit mit den Kindern im Rauhen<br />
Haus war es auch, die Wichern 1839 dazu<br />
brachte, etwas zu erfinden, das es heute<br />
in aller Welt gibt - den Adventskranz.<br />
Geboren wurde er aus einer „Notsituation“:<br />
Die Kinder fragten in der Adventszeit<br />
ständig nach, wann endlich Weihnachten<br />
sei. Schließlich nahm Wichern ein großes<br />
Wagenrad mit anfangs 20 kleinen roten<br />
und vier großen weißen Kerzen, das im<br />
Jahr 1839 durch Johann Friedrich Wichern<br />
erstmals aufgestellt wurde.<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
39
Johann Hinrich Wichern –<br />
Hinrich Wichern<br />
Das “Rauhe Haus” mit Teich | Ansichtskarte 1908<br />
An jedem Abend vom 1. Advent bis zum<br />
Heiligen Abend wird eine Kerze angezündet.<br />
Die großen Kerzen sind für die Adventssonntage,<br />
die kleinen für die Werktage.<br />
Die Zahl der kleinen Kerzen bis zum Heiligen<br />
Abend ist jedes Jahr unterschiedlich.<br />
Sie variieren zwischen 18 und 24, weil<br />
der 1. Advent jedes Jahr an einem unterschiedlichen<br />
Datum beginnt.<br />
Mit der Professionalisierung des Dienstes<br />
am Nächsten legte Wichern den Grundstein<br />
für das Diakoniewesen und eine moderne<br />
Sozialpädagogik.<br />
anzeige<br />
40<br />
Geschichte
Anwalt der Armen | Reformer der Kirche<br />
Johann Hinrich Wichern<br />
Das “Rauhe Haus” in Hamburg | Ansichtskarte 1912<br />
Die im Rauhen Haus ausgebildeten Gehilfen<br />
oder „Brüder“ arbeiteten bald in ganz<br />
Deutschland und verbreiteten so auch Wicherns<br />
Ideen. Eine Fachhochschule lehrt<br />
bis heute die Grundideen Wicherns von<br />
einer soliden Ausbildung für professionelle<br />
Helfer.<br />
Doch Wicherns Ideen gingen bald über<br />
den begrenzten Bereich der Jugendhilfe<br />
hinaus. Er wollte die Kirche insgesamt reformieren.<br />
Auf dem ersten evangelischen<br />
Kirchentag in Wittenberg im Revolutionsjahr<br />
1848 hielt er eine über fünfstündige<br />
Stegreifrede, in der er die Notwendigkeit<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
41
Johann Hinrich Wichern –<br />
Hinrich Wichern<br />
einer Inneren Mission für die Kirche begründete.<br />
Grund waren auch die von ihm<br />
wahrgenommenen Auswirkungen der<br />
wirtschaftlichen und sozialen Folgen gesellschaftlicher<br />
Umwandlungsprozesse,<br />
- Industrialisierung und Verstädterung,<br />
die weiten Teilen der Bevölkerung vor<br />
allem Armut und Verelendung brachten.<br />
1849 wurde auf seine Initiative hin der<br />
„Centralausschuss für die Innere Mission<br />
der deutschen Evangelischen Kirche“<br />
gegründet. Dieser „Centralausschuss“ ist<br />
der direkte Vorläufer des heutigen Diakonischen<br />
Werkes. Begünstigt wurden diese<br />
Reformen durch das damals ausgeprägte<br />
Vereinswesen, das Wichern zur Umsetzung<br />
seiner Ideen nutzte.<br />
Der „Centralausschuss“ bündelte die vielen<br />
Ideen und Initiativen, die von ihm und<br />
anderen angestoßen worden waren, und<br />
bot eine kommunikative Plattform. Die<br />
Kirche beargwöhnte anfangs teilweise<br />
diese Aktivitäten, nutzte sie aber am Ende<br />
und entwickelte sie bis heute weiter.<br />
Der preußische König wurde auf Wicherns<br />
Tätigkeiten im „Rauhen Haus“und in der<br />
„Inneren Mission“ aufmerksam und nahm<br />
1849 mit Wichern Kontakt auf, als sich<br />
Wichern in einer Denkschrift verstärkt für<br />
die kirchliche Mitwirkung im Strafvollzug<br />
einsetzte.<br />
1857 wurde Wichern Vortragender Rat<br />
für das Strafanstalts- und Armenwesen<br />
in Preußen. Der König wollte mit ihm die<br />
Gefängnisreformen durchsetzen, die ihm<br />
sein Parlament immer wieder verweigerte.<br />
Wichern sorgte dafür, dass das vom<br />
König favorisierte sogenannte Pennsylvania-System<br />
in Preußen konsequent eingeführt<br />
wurde. Dieses System wurde unter<br />
anderem im damaligen Modellgefängnis<br />
Pentonville in England praktiziert und geht<br />
auf Ideen der Quäker in Amerika zurück.<br />
Der König war bei einem Besuch von<br />
Pentonville so begeistert, dass er dieses<br />
System auch in Preußen einführen wollte.<br />
Im Berliner Zellengefängnis Lehrter<br />
Straße (später JVA Moabit) nahmen diese<br />
Reformen Gestalt an. Bei diesem neuen<br />
Gefängnistyp handelte es sich um sternförmige<br />
Bauten, die eine fast vollständige<br />
Kontrolle der Gefangenen ermöglichten.<br />
Die Gefangenen waren in Einzelzellen<br />
untergebracht und hatten keinen Kontakt<br />
anzeige<br />
42<br />
Geschichte
Anwalt der Armen | Reformer der Kirche<br />
Johann Hinrich Wichern<br />
miteinander. Sie<br />
lebten isoliert in<br />
den Zellen, abgeschottet<br />
- sogar<br />
im Gottesdienst,<br />
wo sie in Betstühlen<br />
saßen, die nur<br />
den Blick nach<br />
vorn auf die Kanzel<br />
erlaubten.<br />
Wichern scheiterte<br />
im Preußischen<br />
Parlament<br />
mit seiner Reform<br />
Das “Rauhe Haus” - Grüne Tanne | Ansichtskarte 1907<br />
des Strafvollzuges<br />
am Widerstand der Liberalen. Zum einen,<br />
weil diese ihn letztlich nicht als einen der<br />
ihren akzeptierten und mit seinen Ideen,<br />
aber vor allem mit seinen Gehaltsforderungen<br />
und seinen mit dem König ausgehandelten<br />
Vertragsbedingungen nicht einverstanden<br />
waren. So hatte er sich unter<br />
anderem vertraglich zusichern lassen, die<br />
eine Hälfte des Jahres im Rauhen Haus<br />
und die andere Hälfte in Berlin verbringen<br />
zu können. Zum anderen scheiterte er,<br />
weil Teile des preußischen Landtages das<br />
System der Einzelhaft ablehnten sowie<br />
das zu „religiöse“ und unmenschliche Regime<br />
der als Wärter eingesetzten Brüder<br />
des Rauhen Hauses kritisierten.<br />
Wichern politische Einstellung war konservativ<br />
und wurde durch die revolutionären<br />
Ereignisse des Jahres 1848 auch nicht<br />
beeinflusst, die er als gottlos beschrieb. Er<br />
wandte sich gegen die neuen Bewegungen<br />
und Strömungen, wie Kommunismus<br />
und Sozialdemokratie.<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
43
Johann Hinrich Wichern –<br />
Hinrich Wichern<br />
Sein Engagement für den preußischen<br />
König lag auch darin begründet, dass er<br />
dessen Ansichten von einem christlichen<br />
Staat, geprägt von einer christlichen Obrigkeit,<br />
teilte. So revolutionär Wicherns<br />
Sozialreformen innerhalb der Kirche und<br />
auch für die Gesellschaft waren, so konservativ<br />
und rückwärtsgewandt waren<br />
sein Staats- und Herrschaftsverständnis.<br />
Die Ideen der Erweckungsbewegung<br />
hatten einen wichtigen Einfluss auf sein<br />
Denken und ließen ihn zwar die Armut<br />
und Verelendung sehen, daraus aber sehr<br />
eigene Schlüsse ziehen. Für ihn waren<br />
die Einflüsse des, seiner Meinung nach,<br />
gottlosen Systems des Kommunismus<br />
und der Sozialdemokratie für diese Massenverelendung<br />
mitverantwortlich. Er sah<br />
diese Verelendungen nicht als Folge der<br />
gesellschaftlichen Umwälzungen seiner<br />
Zeit an, sondern als Mangel an Glaube,<br />
zu dem eben auch die Revolution und die<br />
Arbeiterbewegung beitrugen.<br />
Seine Arbeit in der Jugendfürsorge wirkt<br />
allerdings bis heute nach und hat das<br />
Wohlfahrtssystem über die Kirche hinaus<br />
nachhaltig reformiert.<br />
Trotz seiner Engagements in Berlin hat<br />
sich Wichern weiter um die Belange des<br />
„Rauhen Hauses“ in Hamburg gekümmert.<br />
1872 kehrte er nach Hamburg zurück und<br />
übergab krankheitsbedingt am 1. April<br />
1873 die Leitung des „Rauhen Hauses“<br />
an seinen Sohn Johannes. 1874 wurde<br />
Johann Hinrich Wichern aus dem Staatsdienst<br />
entlassen. Es folgte eine langjährige<br />
Leidenszeit mit körperlicher Schwäche,<br />
Schmerzen und Schlaflosigkeit. Nach<br />
mehreren Schlaganfällen verstarb Johann<br />
Hinrich Wichern als mürrischer Mann am<br />
7. April 1881 in Hamburg.<br />
Er wurde unter großer Anteilnahme der<br />
Hamburger auf dem Hammer Friedhof<br />
beigesetzt. Sein Sohn Johannes leitete<br />
das „Rauhe Haus“ mit tatkräftiger Unterstützung<br />
von Wicherns Witwe Amanda<br />
weiter. Am 7. Mai 1888 verstarb Amanda<br />
Wichern im Kreis ihrer sieben Kinder. Ihre<br />
letzten Worte sollen „Heinz, jetzt komme<br />
ich!“ gewesen sein.<br />
Johann Hinrich Wichern lebt weiter im<br />
Vermächtnis der Evangelischen Kirchen,<br />
denen er eine größere Anzahl christlicher<br />
Lieder vermacht hat. Es gibt heute über<br />
anzeige<br />
44<br />
Geschichte
Anwalt der Armen | Reformer der Kirche<br />
Johann Hinrich Wichern<br />
Geburtsname von Amanda Wichern war Boehme<br />
130 Wichernhäuser in Deutchland.<br />
Aber in Görlitz hat er leibhaftig eine<br />
flammende Rede zur sozialen Reformation<br />
Schlesiens gehalten.<br />
Denken wir aber nur an „Die Liebe<br />
wohnt auf Erden“. „Dreieiniger<br />
Gott, wir rufen“ oder die Hoffnung<br />
auf die Auferstehung mit „Wenn<br />
einst erscheint des Menschen<br />
Sohn“.<br />
Wenn es auch noch etwas hin ist,<br />
bis zur schönen Weihnachtszeit,<br />
so kommt doch fast jeden, bei Erwähnung<br />
des Weihnachtsfestes ein<br />
Lied in den Sinn, welches auch von<br />
Johann Hinrich Wichern stammt<br />
und sich zu einem regelrechten internationalen<br />
Evergreen entwickelt<br />
hat, nämlich „Oh du fröhliche, oh<br />
du selige gnadenbringende Weihnachtszeit“,<br />
welches in der Urform<br />
Wicherns noch hieß „O du selige,<br />
o du fröhliche …“ Aber Johann<br />
Hinrich Wichern wird diese kleine<br />
Änderung sicher nicht übelnehmen<br />
und vielleicht darüber schmunzeln.<br />
Bertram Oertel<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
45
Meyer Optik Görlitz (1896 - heute) –<br />
Optik Görlitz<br />
Produktionsgebäude Görlitz, Fichtestraße, erbaut 1923<br />
Meyer-Optik blickt auf eine bewegte Geschichte<br />
zurück. Mit Gründung im Jahre<br />
1896 konnte das Görlitzer Unternehmen<br />
bereits sehr früh mit innovativen, hochwertigen<br />
Objektiven aufwarten und dies<br />
selbst im geteilten Deutschland viele<br />
Jahre fortsetzen. In den nun mehr als<br />
120 Jahren Unternehmenshistorie konnte<br />
Meyer-Optik viele Fotografen für seine<br />
Produkte begeistern und eine weltweit<br />
große Fangemeinde für sich gewinnen.<br />
Die einzigartige Bildsprache, die die<br />
Objektive aus dem Hause Meyer-Optik<br />
bieten, ermöglicht es Fotografen sich in<br />
Zeiten von Smartphone-Fotos und Pixelschlachten<br />
großer Hersteller, von der<br />
anzeige<br />
46<br />
Geschichte
Tradition trifft Innovation<br />
Meyer Optik Görlitz<br />
Masse abzusetzen. In der langen Historie<br />
haben diverse äußere Umstände<br />
den Weg der Objektivhersteller aus Görlitz<br />
geprägt und meist nicht erleichtert.<br />
Dennoch ist der Ansatz heute wie damals<br />
identisch – qualitativ hochwertige,<br />
innovative und dennoch erschwingliche<br />
Objektive, in Deutschland zu fertigen.<br />
Die frühen Jahre<br />
Im Jahre 1896 gründete der Optiker<br />
Hugo Meyer, zusammen mit dem Kaufmann<br />
Heinrich Schätze, die „Optisch-<br />
Mechanische Industrie-Anstalt Hugo<br />
Meyer & Co.“ in Görlitz.<br />
In den ersten 20 Jahren konnte sich<br />
Meyer-Optik sehr schnell einen Namen<br />
als Objektivhersteller machen. Erfolgreiche<br />
Entwicklungen wie der Aristostigmat,<br />
ein 6-linsiger Anastigmat, der<br />
Weitwinkel-Aristostigmat und erste Projektionsobjektive,<br />
erhöhten schnell den<br />
Bekanntheitsgrad von Meyer-Optik. So<br />
expandierte man weiter durch die Übernahme<br />
der „Optischen Anstalt Schulze<br />
und Billerbeck“ - Hersteller der seinerzeit<br />
bekannten Euryplan-Objektive.<br />
Jugendbild von Hugo Meyer (1863-1905)<br />
Zwischen 1920 und 1942 wurden wichtige<br />
Grundsteine für weiteres Wachstum<br />
gelegt. Hervorzuheben ist hier die<br />
Zusammenarbeit mit Dr. Paul Rudolph,<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
47
Meyer Optik Görlitz (1896 - heute) –<br />
Optik Görlitz<br />
Belegschaftsfoto, um <strong>193</strong>8<br />
der zuvor an einigen der wichtigsten<br />
Objektiv-Entwicklungen (Protar, Planar,<br />
Tessar) von Carl Zeiss Jena beteiligt war.<br />
Zusammen mit Dr. Rudolph entwickelte<br />
man die berühmten Plasmat-Objektive<br />
und konnte mit dem Kino Plasmaten<br />
das damals lichtstärkste Objektiv der<br />
Welt realisieren. Ein weiterer wichtiger<br />
Schritt war die Lieferung der Objektive<br />
als Erstausrüster für Kamerahersteller -<br />
wie z.B. für die Exakta der Firma Ihagee.<br />
In den <strong>193</strong>0er Jahren verfügte Meyer-<br />
Optik bereits über ein breites Sortiment<br />
an hochwertigen Wechselobjektiven. Im<br />
Vergleich zum damaligen Marktbegleiter<br />
Carl Zeiss Jena, wurden die Objektive<br />
anzeige<br />
48<br />
Geschichte
Tradition trifft Innovation<br />
Meyer Optik Görlitz<br />
meist etwas günstiger angeboten.<br />
Glas schneiden<br />
Nachkriegszeit bis zur Wiedervereinigung<br />
Deutschlands<br />
In der Nachkriegszeit fertigte Meyer-<br />
Optik unter dem Namen „VEB Feinoptisches<br />
Werk Görlitz“ das Helioplan (als<br />
Nachfolger des Doppel-Anastigmaten).<br />
Ab dem Jahre 1952 wurde die Antireflexbeschichtung<br />
mit Magnesiumfluorid<br />
eingeführt. Zu dieser Zeit wurden hauptsächlich<br />
die bekannten Trioplan-Triplets,<br />
die lichtstarken Primoplan-Objektive<br />
und Langbrennweiten Telemegor hergestellt.<br />
Viele Objektive von Meyer-Optik<br />
wurden regelmäßig mit dem höchsten<br />
Qualitätsprädikaten für DDR-Produkte<br />
ausgezeichnet.<br />
In den folgenden Jahren wurden weitere<br />
Patente angemeldet. So unter anderem<br />
für eine Blenden-Schnelleinstellung für<br />
fotografische Objektive, ein 5-linsiges<br />
Teleobjektiv und ein korrigiertes Objektiv<br />
bestehend aus vier Kunststofflinsen.<br />
Durch die Eingliederung der Meyer-Optik<br />
in das Kombinat VEB Pentacon, war der<br />
Aufdruck Meyer-Optik auf den Objektiven<br />
nach 1971 Geschichte. Mitte der<br />
1980er Jahre übernahm das Kombinat<br />
VEB Carl Zeiss Jena das VEB Pentacon<br />
und somit ebenfalls Meyer-Optik. Durch<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
49
Meyer Optik Görlitz (1896 - heute) –<br />
Optik Görlitz<br />
Carl Zeiss Jena, eingestellt. Darüber hinaus<br />
konnten viele, zur Produktion hochwertiger<br />
Zoom-Objektive notwendige,<br />
Maschinen bis 1989 weder aus anderen<br />
sozialistischen Staaten, noch aus dem<br />
westlichen Ausland, beschafft werden.<br />
Zentrieren<br />
diese Zentralisierung verlor Meyer-Optik<br />
zunehmend an technischer Kompetenz<br />
und es wurden einige Produkte, zu<br />
Gunsten konkurrierender Modelle von<br />
Die Zeit nach der Wende<br />
Nach der Wiedervereinigung wurde<br />
Meyer-Optik aus dem Kombinat Carl<br />
Zeiss Jena herausgelöst und als „Feinoptisches<br />
Werk Görlitz GmbH“ neugestartet.<br />
Man stellte nun erneut Objektive<br />
mit dem Aufdruck Meyer-Optik her.<br />
Dieses Wiederaufleben war leider nur<br />
von kurzer Dauer, da das Unternehmen<br />
kurzfristig nicht konkurrenzfähig werden<br />
konnte und so bereits 1991 von der<br />
damaligen Treuhand wieder eingestellt<br />
wurde.<br />
Unter Führung der Koblenzer net SE<br />
hatte die Marke Meyer-Optik-Görlitz im<br />
Jahre 2014 einen erneuten Markteintritt.<br />
Nach einem durchaus erfolgreichen<br />
Start und einer positiv anmutenden Entwicklung,<br />
fiel die Marke im Jahre 2018<br />
der Insolvenz der net SE, die im Grunde<br />
anzeige<br />
50<br />
Geschichte
Tradition trifft Innovation<br />
Meyer Optik Görlitz<br />
Ausstellungsvitrine 1942<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
51
Meyer Optik Görlitz (1896 - heute) –<br />
Optik Görlitz<br />
eine reine Vertriebs- & Marketinggesellschaft<br />
mit diversen Marken und Tochtergesellschaften<br />
war, zum Opfer. Bis dahin<br />
wurden die bekannten Objektivserien<br />
Trioplan, Primoplan, Lydith, sowie weitere<br />
Produktreihen veröffentlicht.<br />
Die Wiederbelebung der Marke<br />
Ende 2018 erwarb OPC Optics, mit Sitz<br />
in Bad Kreuznach, die Markenrechte an<br />
Meyer-Optik und deren Objektiv-Konstruktionen.<br />
Der Spezialist für asphärische<br />
und sphärische Glaslinsen erschloss für<br />
sich, mit der Übernahme von Meyer-Optik,<br />
den Endverbrauchermarkt.<br />
Zunächst wurden die im Zuge der Markenübernahme<br />
ebenfalls übernommenen<br />
Warenbestände abverkauft, um<br />
gleichzeitig an überarbeiteten Versionen<br />
zu arbeiten. Mit Hilfe des eigenen, technologischen,<br />
Knowhows und Synergien<br />
im Bereich der Objektivfertigung, wurden<br />
vorhandene Produkte optimiert,<br />
Produktionsabläufe professionalisiert<br />
und weitere Produkte entwickelt. Diese<br />
überarbeiteten Versionen, zum Beispiel<br />
des Trioplan oder Primoplan, sollen<br />
nach und nach ab September <strong>2019</strong><br />
erhältlich sein. Für die weltweit vielen<br />
Meyer-Optik-Fans bedeutet diese Entwicklung<br />
eine Fortsetzung der beliebten<br />
Objektivserien – wie z.B. Trioplan und<br />
Primoplan. Neben Weiterentwicklungen<br />
der bekannten Meyer-Objektive, wird<br />
ebenfalls an vollständig neuentwickelten<br />
Objektiven gearbeitet.<br />
OPC Optics sieht sich der Meyer-Optik-<br />
Tradition verpflichtet, hochqualitative<br />
Produkte anzubieten, die in Deutschland<br />
hergestellt und zu einem fairen<br />
Preis angeboten werden. Hochwertige<br />
Materialien, innovatives Produktdesign,<br />
modernste Technik, Licht- und Charakterstärke<br />
waren damals wie heute<br />
die Basis für den Erfolg der Produkte.<br />
Durch die eigene Linsenfertigung in Bad<br />
Kreuznach und Beschaffung der übrigen<br />
Komponenten von Deutschen Partnerunternehmen,<br />
wird eine bestmögliche<br />
Qualität sichergestellt und lässt Meyer-<br />
Optik in eine positive Zukunft blicken.<br />
OPC Optical Precision<br />
Components Europe GmbH<br />
anzeige<br />
52<br />
Geschichte
Über die Anfänge der Elektromobilität –<br />
Anfang Juli erreichten die Redaktion<br />
folgende Zeilen unseres Lesers Heinert<br />
Lehmann aus Görlitz: „Mit großem Interesse<br />
las ich Ihren Bericht in der letzten<br />
<strong>StadtBILD</strong>-Ausgabe über die Geschichte<br />
der Landskronbrauerei.<br />
Auf Seite 11 staunte ich über das Bild<br />
der Bierverladung, sah ich doch dort einen<br />
Elektro-LKW der Fa. Bergmann. Ich<br />
kenne diese Fahrzeuge von der Deutschen<br />
Post, die in Görlitz bis Ende der<br />
1960er an der Bahnhofspost stationiert<br />
waren.<br />
Dass solche Fahrzeuge auch früher als<br />
LKWs bei der Brauerei fuhren, wusste<br />
ich bis dato allerdings nicht.<br />
anzeige<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
54<br />
<br />
Geschichte
Leserbrief<br />
Elektromobilität<br />
Der Fakt ist insofern interessant, dass<br />
man heute wieder über die Einführung<br />
von E-Fahrzeugen im Kurzstreckenverkehr<br />
diskutiert.“<br />
Schon 1899 testete die Reichspost Elektrowagen,<br />
und bereits ab 1920 fuhren<br />
sie nach und nach in allen deutschen<br />
Städten. In Görlitz wurden die Pferdegespanne<br />
<strong>193</strong>1 in Rente geschickt, auch<br />
hier wurden die Pakete jetzt mit den<br />
modernen elektrischen Automobilen der<br />
Berliner Firma Bergmann zugestellt.<br />
Sigmund Bergmann gründete 1891 in<br />
Berlin-Moabit die Sigmund Bergmann &<br />
Co. OHG, wo er zunächst wie zuvor in<br />
New York Artikel für elektrische Beleuchtung,<br />
Telefonanlagen u. a. herstellte.<br />
Bereits 1893 wurde das Unternehmen<br />
in eine Aktiengesellschaft umgewandelt,<br />
die Bergmann Electricitäts-Werke<br />
Aktien-Gesellschaft. Nachdem einige<br />
von Bergmanns Patenten Ende der<br />
1890er Jahre erloschen waren, erweiterte<br />
er seine Produktionspalette und<br />
stellte auch Dynamos, Elektromotoren<br />
und elektrische Steuereinrichtungen<br />
her. Als sich Sigmund Bergmann 1906<br />
entschied, ein günstiges 76.000 m² großes<br />
Gelände in der Nachbarschaft des<br />
Ortes Wilhelmsruh zu erwerben, folgte<br />
er damit einer Entwicklung, die in der<br />
Berliner Industrie seit einiger Zeit zu<br />
beobachten war. Das Stammwerk der<br />
Bergmann Elektrizitätswerke AG an der<br />
Seestraße in Berlin-Wedding war zu klein<br />
geworden und eine räumliche Erweiterung<br />
nicht mehr möglich. Also blieb nur<br />
die Randwanderung als Ausweg. So hatten<br />
es Borsig, Siemens & Halske bzw.<br />
Siemens-Schuckert und die AEG bereits<br />
gemacht. 1907 fand die erste Bebauung<br />
auf dem Gelände westlich des seit 1893<br />
neu entstandenen Ortes Wilhelmsruh<br />
statt. Der Standort bot ideale Bedingungen.<br />
Die Nähe zu den Gleisanlagen und<br />
den Bahnhöfen der Berliner Nordbahn<br />
und der Heidekrautbahn (heute: Bahnhof<br />
Berlin-Wilhelmsruh) garantierte die<br />
Abwicklung des Waren- und Personenverkehrs.<br />
Die in den 1920er Jahren entstandene<br />
Straßenbahnverbindung von<br />
Reinickendorf nach Wilhelmsruh tat ein<br />
Übriges, die Mitarbeiter schnell an ihre<br />
Arbeitsplätze zu befördern.<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
55
Über die Anfänge der Elektromobilität –<br />
Bergmann-Paketzustell-Wagen mit Elektromotor, gebaut zwischen 1922 und 1927, Leistung 20 PS,<br />
Geschwindigkeit 20 km/h, Nutzlast 2,5 t, im Museum für Kommunikation in Nürnberg<br />
In den 1890er Jahren hatten sich schon<br />
im Gebiet um die Reinickendorfer Flottenstraße<br />
Unternehmen angesiedelt,<br />
was die Gegend für weitere Industrieansiedlungen<br />
interessant machte.<br />
1908 konnte die Produktion im neuen<br />
Metallwerk aufgenommen werden. Man<br />
begann mit der Herstellung von Anlagen<br />
für den Bau und die Ausrüstung elektrischer<br />
Straßen- und Überlandbahnen<br />
sowie elektrischer Lokomotiven. 1909<br />
wurde das Kabelwerk eröffnet und die<br />
anzeige<br />
56<br />
Geschichte
Leserbrief<br />
Elektromobilität<br />
Fabrikation von Dampfturbinen nach<br />
Wilhelmsruh verlagert. Zur selben Zeit<br />
begann auch die Fabrikation von Fahrzeugen<br />
mit Benzin-Motor. 1910 gab es<br />
schon 18 Teilbetriebe auf dem Werksgelände.<br />
Ab 1911 produzierte das Unternehmen<br />
auch Elektrolastkraftwagen.<br />
1912 wurde Sigmund Bergmann von der<br />
Technischen Hochschule Darmstadt die<br />
Ehrendoktorwürde (Dr.-Ing. E. h.) verliehen<br />
und in der Begründung als „weitblickender<br />
Techniker und erfolgreicher Organisator“<br />
gerühmt. Ab 1913 verstärkte<br />
die Bergmann AG ihr Engagement in der<br />
Automobilproduktion. Von der Tochterfirma<br />
Bergmann-Metallurgique wurden<br />
sowohl PKW als auch LKW in belgischer<br />
Lizenz gebaut.<br />
Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges<br />
wurden große Teile der Bergmann-Werke<br />
auf Rüstungsproduktion umgestellt.<br />
Danach wurden auch elektrische Automobile<br />
(Typ Protos) hergestellt. Bis Ende<br />
der 1920er Jahre war die Auftragslage<br />
positiv. 1927 starb Sigmund Bergmann<br />
76-jährig. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise<br />
von 1929 mussten die Betriebe<br />
an der Weddinger Seestraße an Osram<br />
verkauft werden und <strong>193</strong>2 wurde die<br />
Einstellung der Lokomotivproduktion<br />
beschlossen.<br />
Ab <strong>193</strong>2 konzentrierte sich die Produktion<br />
auf die Metallwerke, das Kabelwerk,<br />
die Isolierrohr-, Stahl-, Maschinen- und<br />
Autofabrik in Wilhelmsruh. <strong>193</strong>3 waren<br />
nur noch 900 Mitarbeiter bei Bergmann<br />
beschäftigt. <strong>193</strong>3/<strong>193</strong>4 wurden Teile<br />
des Werkes allmählich für die Rüstungsproduktion<br />
umgestellt. Das noch heute<br />
bestehende Verwaltungsgebäude in der<br />
Kurzen Straße wurde <strong>193</strong>7 seiner Bestimmung<br />
übergeben. Beginnend mit<br />
dem Jahr 1940 wurden ausländische<br />
Zwangsarbeiter in den Bergmann-Werken<br />
eingesetzt.<br />
In der Septemberausgabe widmen wir<br />
einen Beitrag zur Entwicklung der Firma<br />
Bergmann nach dem zweiten Weltkrieg<br />
zu Firma Bergmann-Borsig und nach der<br />
politischen Wende zu Siemens Power<br />
Generation mit dem Standort Görlitz. An<br />
dieser Stelle sei unserem Leser nochmals<br />
gedankt über diesen interessanten<br />
Hinweis.<br />
Die Redaktion<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
57
Die Görlitzer Badestuben<br />
Schätze des Ratsarchivs<br />
Blick von der Neißebrücke auf die Neißebadestube und Vierradenmühle um 1860<br />
Bäder spielten für die Hygiene, Gesundheitspflege<br />
und das Wohlbefinden<br />
der Bürger in der Stadtgeschichte eine<br />
bedeutende Rolle. Wir können davon<br />
ausgehen, dass bereits bei der Stadtentstehung<br />
öffentliche Badestuben entstanden.<br />
So findet die „Neißebadestube“<br />
auf der Uferstraße 1(2), südlich der<br />
Altstadtbrücke vor den Stadtmauern<br />
gelegen, bereits im ältesten Stadtbuch<br />
anzeige<br />
58<br />
Geschichte
Die Görlitzer Badestuben –<br />
Schätze des Ratsarchivs<br />
aus dem Jahre 1305 eine erste urkundliche<br />
Erwähnung. Die Fleischerbadestube<br />
lag an der Ecke Plattnergasse, Langenstraße.<br />
Sie musste jedoch wegen<br />
Wassermangels bereits im Jahre 1493<br />
aufgegeben werden. Als Ersatz entstand<br />
in der Fischmarktgasse 4 ab 1491<br />
die „Neue Badestube“. Ein Brunnen und<br />
die hölzerne Röhrenleitung sorgten für<br />
ausreichend Wasser. Den Juden war der<br />
Besuch der christlichen Badestuben verboten.<br />
So schufen sie sich eine eigenes<br />
Bad, welches ebenfalls in den frühesten<br />
schriftlichen Quellen um 1305 erwähnt<br />
wird. Die Judenbadestube lag im Bereich<br />
der heutigen Jüdengasse 11. Die<br />
drohenden Judenverfolgungen führte<br />
wahrscheinlich dazu, dass im Jahre<br />
1347 Schyban und Martin die Badestube<br />
dem Bürgermeister übergaben. Immerhin<br />
bis 1849 lebte in diesem Hause<br />
ein Bader oder Chirurg. Schon im frühen<br />
Mittelalter beförderte die Kirche die Einrichtung<br />
von Badehäusern besonders in<br />
den Klöstern. Schließlich galt die Taufe<br />
als Symbol seelischer Reinigung. Im<br />
Jahre 775 u.Z. ordnete Papst Hadrian<br />
an, dass die Pfarrer jeden Donnerstag<br />
in Prozessionsordnung, Psalmen singend<br />
baden gehen sollten. Die Görlitzer<br />
Ratsrechnung des Jahres 1456 (22. Februar)<br />
belegt die Stiftung von 3 Schock<br />
Groschen „vor eyn zelbadh (Seelbad)“.<br />
Dadurch wurde es armen Leuten ermöglicht<br />
ein Badehaus aufzusuchen.<br />
In den engen Häusern des mittelalterlichen<br />
Görlitz, unter wenn auch vergleichsweise<br />
guten so doch nach unseren<br />
heutigen Begriffen unzureichenden<br />
hygienischen Bedingungen, spielten die<br />
öffentlichen Badehäuser eine wichtige<br />
Rolle bei der Verhinderung von Epidemien<br />
und anderen Krankheiten.<br />
Krankheiten wie Epilepsie, Gicht, Fieber<br />
aber auch Lepra sollten durch Bäder<br />
geheilt werden. Die Handwerkergesellen<br />
erhielten wöchentlich „Badegeld“<br />
und nutzten den sogenannten „blauen<br />
Montag“ zum Besuch eines Badehauses.<br />
Nur die wenigsten Bürger verfügten<br />
über eigene Bademöglichkeiten in<br />
ihren Häusern. Die Bader, in eigenen<br />
Innungen organisiert, sorgten nicht<br />
allein für das Badevergnügen sondern<br />
anzeige<br />
60<br />
Geschichte
Schätze des Ratsarchivs<br />
des Ratsarchivs<br />
Altstadtbrücke mit Peterskirche<br />
hatten, wie die Handwerkerordnungen<br />
der Jahre 1603 und 1612 bezeugen,<br />
wichtige Funktionen im damaligen Gesundheitswesen<br />
inne.<br />
Da die akademisch gebildeten Mediziner<br />
nur innere Kuren verschrieben, gehörte<br />
zu den Tätigkeiten der Bader auch die<br />
Wundversorgung, das Richten von Knochenbrüchen<br />
und der damals übliche<br />
Aderlass (Schröpfen).<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
61
Die Görlitzer Badestuben<br />
Schätze des Ratsarchivs<br />
Natürlich ließ man sich von Ihnen auch<br />
die Haare schneiden oder einen Zahn<br />
ziehen. Zahlreiche zum Teil recht frivole<br />
mittelalterliche Darstellungen zeugen<br />
vom oft freizügigen und lustvollen Miteinander<br />
der Geschlechter in den Badehäusern.<br />
Frauen und Männer genossen<br />
bei opulenten kulinarischen Köstlichkeiten<br />
und Musik gemeinsam das Körper<br />
und Seele gleichermaßen entspannende<br />
Bad. Im Übrigen sollte es auch Fruchtbarkeit<br />
verleihen, was bei der überlieferten<br />
erotisierenden Atmosphäre nicht<br />
verwundern sollte. So heißt es in einem<br />
deftigen Spruch jener Zeit: „Für unfruchtbare<br />
Frauen ist das Bad das Beste. Was das<br />
Bad nicht tut, tun die Gäste.“<br />
Die sittlich lose Treiben in den Badehäusern<br />
gaben denn auch der Obrigkeit<br />
immer wieder Anlaß einzuschreiten. So<br />
verbot man im 15. Jahrhundert in der<br />
Stadtwillkür, im Badehaus „barschenkicht“<br />
und nur mit Badekappe bekleidet<br />
zu tanzen. Zumal mancher Bader durch<br />
mehr oder weniger verdeckte Prostitution<br />
die Einnahmen seines Hauses<br />
verbesserte. Überhaupt war der en Ruf<br />
oft dubios. Der Sorauer Bader Lorenz<br />
Rösler, der die Neißebadestube im Jahre<br />
1587 für 600 Mark erworben hatte,<br />
wurde im Folgejahr wegen des Anschlagens<br />
„mancherley schmählicher Reime,<br />
und dergleichen anderer grober Zoten“<br />
der Stadt verwiesen. Mit dem massenhaften<br />
Auftreten der Syphylis, aber<br />
auch den sehr strengen Maßstäben an<br />
Sitte und Moral, welche besonders die<br />
reformierten Kirchen anlegten ist ein<br />
gewisser Niedergang der Badehauskultur<br />
verbunden. Die Geschlechter sollten<br />
von nun an getrennt baden, Ärzte<br />
und Mönche äußerten sich ablehnend<br />
hinsichtlich der Notwendigkeit ein Badehaus<br />
zu besuchen. Die Zeitgenossen<br />
des Barock, so prächtig sie auch daherschritten,<br />
waren nur unter Einsatz zahlreicher<br />
Duftwässerchen zu ertragen.<br />
Der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. rühmte<br />
sich damit, dass er noch nie ein Bad genommen<br />
hätte. Erst am Ende des 18.<br />
Jahrhunderts änderte sich die Verhältnisse<br />
auch in Görlitz.<br />
Siegfried Hoche<br />
Ratsarchivar<br />
anzeige<br />
62<br />
Geschichte
Die alte Görlitzer Stadtbefestigung (Teil II) –<br />
Das Nicolaitor - Seitenansicht<br />
Als Görlitz 1250 an die askanischen<br />
Markgrafen Otto III.<br />
und Johann I. von Brandenburg<br />
gelangt war und sich die<br />
Einwohnerzahl sehr vermehrt<br />
hatte, nahm der erstere eine<br />
Erweiterung der Stadtumgrenzung<br />
vor. Er ließ die alten<br />
eichenen und steinernen<br />
Befestigungen, welche beim<br />
Brüdertor die Altstadt vom<br />
Kloster trennten, und ebenso<br />
die Mauern vom Hundsloch<br />
und hinter der Büttner- und<br />
Plattnergasse abbrechen.<br />
Die neuen Stadtmauern mit<br />
Türmen ließ er unweit des<br />
Nicolaitores hin aufwärts –<br />
längs des Hälterbergs (jetzt<br />
in etwa Hugo-Keller-Straße)<br />
und des Grünen Grabens –<br />
bis an das neuangelegte Reichenbacher<br />
Tor und den Zippel<br />
ziehen. Die neuen Mauern<br />
wurden mit den früheren,<br />
sich zum Neißetor senkenden<br />
verbunden.<br />
anzeige<br />
64<br />
Geschichte
Mauern und Wehrbauten<br />
Stadtbefestigung<br />
Das Nicolaitor - Frontansicht<br />
Otto ließ überall breite und tiefe<br />
Gräben ausheben, setzte mitten<br />
in den Graben eine Mauer<br />
und dergleichen – jedoch höhere<br />
und stärkere – näher der<br />
Stadt, an beide Mauern aber<br />
Basteien, Rondelle oder Türme.<br />
Die Stadt teilte sich jetzt in<br />
die untere oder alte und in die<br />
obere auch Neustadt genannt<br />
(daher auch die heutigen Namen<br />
„Untermarkt“ und „Obermarkt“).<br />
Letztere umfaßte den<br />
Neumarkt, später Obermarkt,<br />
das Kloster, die Klostergasse,<br />
Nonnengasse, Steingasse,<br />
Breitegasse, die Langengasse<br />
mit dem Wurst- und Verrätergässel<br />
(erst seit 1527 so<br />
benannt) das Fleischergässel,<br />
den Jüdenring und den Viehmarkt.<br />
Nunmehr hatte die<br />
Stadt vier Tore: das Neiß-,<br />
Nicolai-, Reichenbacher-, und<br />
das Schloß- oder Steintor, später<br />
dann Frauentor genannt.<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
65
Die alte Görlitzer Stadtbefestigung (Teil II) –<br />
Bild<br />
Das Neißtor - Frontansicht<br />
Das Neißtor, bereits 1327 so benannt,<br />
weil es direkt an der Neiße lag, bestand<br />
aus zwei gemauerten, steinernen Toren.<br />
Das eine, gegen die Stadt zu, schloß<br />
sich an die Stadtmauer und den Turm<br />
an, das andere war hart am Fluß, darüber<br />
befand sich ein Gebäude.<br />
Im Jahr 1420 waren wegen der Hussiten<br />
vor diesem Tor sowie vor allen übrigen,<br />
große Ketten angebracht.<br />
Beim großen Stadtbrand im Jahr 1525<br />
ging die Toranlage in Flammen auf.<br />
1841 blieb ein großer Wollwagen im<br />
Tor stecken, weshalb das Dach des<br />
anzeige<br />
66<br />
Geschichte
Mauern und Wehrbauten<br />
Stadtbefestigung<br />
Das Neißtor - Seitenansicht<br />
letzteren abgerissen wurde (Gerüchten<br />
zufolge handelte es sich wohl um eine<br />
Inszenierung des Rates). Später ist das<br />
Tor zur Verbreiterung der Straße ganz<br />
abgebrochen worden.<br />
Durch das Neißetor und die Brücke führte<br />
der Weg nach Osten zu nach Schlesien<br />
und Polen, nach Westen zu in die<br />
Lausitz und nach Böhmen.<br />
(Fortsetzung folgt<br />
Quellenverzeichnis am<br />
Ende der Serie)<br />
Klaus-Dieter Hübel<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
67
- Anzeige -<br />
Eine Reise die Geheime Welt von Turisede<br />
Kulturinsel Einsiedel<br />
Einfach mal die Seele baumeln lassen.<br />
Sind wir nicht alle auf der Suche nach<br />
dem Glück? In der Erinnerung ist es oft<br />
die Kindheit, die uns als unbeschwert<br />
und glücklich gilt. Doch der Weg zurück<br />
dorthin ist uns verwehrt. Wirklich? Es<br />
gibt einen Ort, der wie ein Portal in jene<br />
sehnsuchtsvolle Zeit ist: Die Geheime<br />
Welt von Turisede.<br />
Die Turiseder lebten vor tausend Jahren<br />
in den Neißeauen als das glücklichste<br />
Volk unter der Sonne.<br />
Sie hatten sich ihre kindlichen Herzen<br />
bewahrt, lösten ihre Streitfälle mit Spielen<br />
und wählten sich Kinder als Könige.<br />
In der Geheimen Welt von Turisede wird<br />
ihr Erbe erforscht und bewahrt. Eine Reise<br />
dorthin ist wie ein kleines Abenteuer<br />
zwischendurch.<br />
anzeige<br />
68<br />
Freizeit
- Anzeige -<br />
Eine Reise die Geheime Welt von Turisede<br />
Kulturinsel Einsiedel<br />
Das schwimmende “Neißecafé”<br />
Schon am Westportal, dem originalgetreu<br />
wiedererrichteten Eingangstor Turisedes,<br />
erhalten Besucher ihre persönliche<br />
Glückszahl, mit deren Hilfe sie in die<br />
Welt des legendären Volkes eintauchen.<br />
Den Abenteurern begegnen geheimnisvolle<br />
Wesen wie die Turehser, die hier als<br />
Vorfahren von Reh und Hase gelten. In<br />
den Bäumen wachsen skurrile Häuser, in<br />
denen es sich wunderbar übernachten<br />
lässt. Überhaupt sind alle Bauten hier so<br />
errichtet, als hätten die mythischen Vorfahren<br />
selbst die Axt geschwungen. Eine<br />
vergessene Welt wird zu neuem Leben<br />
erweckt.<br />
Viele Familien sind dabei, wenn im Frühjahr<br />
nach dem Ritual der Neißeauen an<br />
über hundert mystischen Orakelplätzen<br />
anzeige<br />
70<br />
Freizeit
- Anzeige -<br />
Eine Reise die Geheime Welt von Turisede<br />
Kulturinsel Einsiedel<br />
Baumhausidylle in der Kulturinsel<br />
Blumenzwiebeln in die Erde gesetzt werden.<br />
Wie sich die Pflänzchen im Laufe<br />
des Jahres in bunten Blüten erfüllen,<br />
erfüllen sich auch die Wünsche der Familien.<br />
Im Herbst treffen sich alle wieder, um<br />
gemeinsam Sorgenkobolde zu bauen.<br />
Auch jenseits der Neiße ist manch’ Geheimnis<br />
zu entdecken.<br />
Hier steht das Sommerhaus des ersten<br />
Turisedeforschers Graf Welldone. Auf<br />
seinen Spuren können besonders Mutige<br />
versuchen, den mystischen Schatz<br />
der legendären Auenbewohner zu entdecken.<br />
Und dann müssen wir noch vom<br />
Krönum erzählen, der grandiosen Dinnershow,<br />
die fast täglich Legenden aus<br />
der Frühzeit des Neißevolkes zeigt.<br />
anzeige<br />
72<br />
Freizeit
Kulturinsel Einsiedel<br />
Einsiedel<br />
- Anzeige -<br />
Theater zum Essen - Das Krönum<br />
Der Zaubertrunk wird Sie auf eine mystische<br />
Zeitreise in die spektakuläre Krönungshalle<br />
Turisedes schicken.<br />
Unversehens sitzen Sie am Tisch einer<br />
feierfreudigen turisedischen Gilde. Großes<br />
steht dieses Jahr bevor, denn die<br />
Gilden Turisedes wollen zum ersten Mal<br />
einen König krönen.<br />
Zu dumm, das niemand im Lande weiß,<br />
wie so eine Krönung eigentlich abläuft.<br />
Da trifft es sich, das unverhofft die Amazonenprinzessin<br />
Silea und ihr Flaschengeist<br />
Alexa auftauchen. Die beiden<br />
wissen nämlich ganz genau, wie man<br />
richtig krönt.<br />
Warum Babadoro am Anfang misstrauisch<br />
ist, für wen sich Bergamo entscheidet,<br />
als er eine Königin wählen soll und<br />
anzeige<br />
Freizeit<br />
73
- Anzeige -<br />
Eine Reise die Geheime Welt von Turisede<br />
Kulturinsel Einsiedel<br />
Krönum Gelage<br />
warum plötzlich das Schicksal des turisedischen<br />
Volkes auf dem Spiel steht,<br />
all das erzählt die Geschichte „Der Fluch<br />
der Amazone - Thron ohne Krone“ ganz<br />
neu - nach uralten Überlieferungen des<br />
turisedischen Volkes.<br />
Was die Turiseder beim Tabularasum,<br />
dem geheimnisvollsten ihrer Feste, trieben,<br />
ist nicht bekannt.<br />
War es ein mystisches Fest? War es ein<br />
rätselhafter Ritus, an dem nur Eingeweihte<br />
teilnehmen durften? Klar, es gab<br />
köstliche Speisen im Überfluss und ganz<br />
bestimmt ging es laut und fröhlich dabei<br />
zu. Doch was genau passierte, dass<br />
weiß niemand.<br />
Noch nicht. Neugierige Forscher, feierlustige<br />
Familien und Erlebnishungrige<br />
anzeige<br />
74<br />
Freizeit
Kulturinsel Einsiedel<br />
Einsiedel<br />
- Anzeige -<br />
Akrobatik in der Krönungshalle<br />
aller Art können diese Wissenslücke ab<br />
sofort im Krönum schließen und zu einer<br />
Zeitreise in die glücklichste Ära der Neißeauen<br />
aufbrechen.<br />
Aber Vorsicht: Gekitzelte Gaumen, strapazierte<br />
Zwerchfelle und erhöhter Blutdruck<br />
sind nicht völlig auszuschließen!<br />
Also vielleicht wäre das der richtige Typ<br />
für die diesjährige Weihnachtsfeier.<br />
Termine finden Sie unter<br />
www.kroenum.de.<br />
Impressum:<br />
Herausgeber (V.i.S.d.P.):<br />
incaming media GmbH<br />
Geschäftsführer:<br />
Andreas Ch. de Morales Roque<br />
Carl-von-Ossietzky Str. 45<br />
02826 Görlitz<br />
Ruf: (03581) 87 87 87<br />
Fax: (03581) 40 13 41<br />
info@stadtbild-verlag.de<br />
www.stadtbild-verlag.de<br />
Geschäftszeiten:<br />
Mo. - Fr. von 9.00 bis 17.00 Uhr<br />
Druck:<br />
Graphische Werkstätten Zittau GmbH<br />
Verantw. Redakteur:<br />
Andreas Ch. de Morales Roque<br />
(Mitglied im Deutschen<br />
Fachjournalistenverband)<br />
Redaktion:<br />
Dr. Ernst Kretzschmar<br />
Dipl. - Ing. Eberhard Oertel<br />
Dr. Ingrid Oertel<br />
Bertram Oertel<br />
Anzeigen verantw.:<br />
Dipl. - Ing. Eberhard Oertel<br />
Mobil: 0174 - 31 93 525<br />
Teile der Auflage werden auch<br />
kostenlos verteilt, um eine größere<br />
Verbreitungsdichte zu gewährleisten.<br />
Für eingesandte Texte & Fotos<br />
übernimmt der Herausgeber keine<br />
Haftung. Artikel, die namentlich<br />
gekennzeichnet sind, spiegeln<br />
nicht die Auffassung des Herausgebers<br />
wider. Anzeigen und redaktionelle<br />
Texte können nur nach<br />
schriftlicher Genehmigung des Herausgebers<br />
verwendet werden.<br />
Anzeigenschluss für die September-Ausgabe:<br />
15. <strong>August</strong> <strong>2019</strong><br />
Redaktionsschluss: 20. <strong>August</strong> <strong>2019</strong><br />
anzeige<br />
Freizeit 75
Als das Fräulein vom Amt in Görlitz seinen Job verlor –<br />
Leserbrief<br />
Im Jahre <strong>193</strong>8 standen der Bevölkerung<br />
in der damals noch ungeteilten Stadt<br />
Görlitz insgesamt 41 Fernsprechstellen,<br />
davon 13 öffentliche und 28 Münzenfernsprecher<br />
zur Verfügung. In den<br />
Nachkriegsjahren besaßen im deutschen<br />
Teil der Stadt nur wenige Görlitzer Einwohner<br />
einen eigenen Telefonanschluss.<br />
Dieser war vor allem öffentlichen Einrichtungen<br />
und Firmen vorbehalten.<br />
Die Wartezeiten für einen solchen betrugen<br />
selbst bei beruflicher Dringlichkeit<br />
mehrere Jahre. Da häufig auch zwei<br />
Anschlüsse miteinander gekoppelt wurden,<br />
war diese gemeinsame Leitung oft<br />
besetzt.<br />
Nicht immer konnte man für Notfälle<br />
bzw. dringliche Mitteilungen mit einem<br />
verständnisvollen nachbarschaftlichen<br />
Entgegenkommen eines Telefonbesitzers<br />
rechnen. Eine Durchwahl ins Ausland<br />
bedurfte grundsätzlich der amtlichen<br />
Vermittlung, was durchaus Stunden<br />
dauern konnte. Nur zu verständlich war<br />
es daher, dass man sich in die Warteschlange<br />
im Postamt einreihen und viel<br />
Zeit einplanen musste.<br />
Besonders vor Feiertagen wie Weihnachten,<br />
Ostern oder Geburtstagen von<br />
Verwandten und Freunden galt es, sich<br />
in Geduld zu üben. Bei dringlichen Angelegenheiten<br />
konnte man an einem<br />
Extraschalter Telegramme aufgeben. Im<br />
Umkehrschluss wurden dem Empfänger<br />
Telegramme unmittelbar bis vor die<br />
Wohnungstür zugestellt. Auf dem Wege<br />
erfolgte mitunter nicht nur die Übermittlung<br />
freudiger Nachrichten wie Glückwünsche,<br />
Einladungen, sondern auch<br />
von Todesnachrichten.<br />
Als es im Zuge der gesellschaftspolitischen<br />
Veränderungen zum Zusammenschluss<br />
beider deutschen Staaten kam,<br />
ergaben sich, einer technischen Revolution<br />
gleich, tiefgreifende Möglichkeiten<br />
auf dem Gebiet der Telekommunikation.<br />
Jedermann an jedem Ort, zu jeder Tages-<br />
und Nachtzeit erreichbar zu sein,<br />
hatte mitunter auch hohen Preis.<br />
Das Handy, oft als Statussymbol missbraucht,<br />
mündete alsbald in Abhängigkeit.<br />
Kleingedruckte Vertragstexte trieben<br />
in die Schuldenfalle, verbunden mit<br />
bösem Erwachen.<br />
anzeige<br />
76<br />
Geschichte
Vom Telefon zum Smartphone<br />
Leserbrief<br />
Fernsprechvermittlungsstelle (Das Fräulein vom Amt wird zum neuen Berufsbild)<br />
Als „gefühlter Weltbürger“ kennt man<br />
sich ja schließlich aus beim „Chatten,<br />
Daddeln, Simsen, Zappen, Mailen, Beamen<br />
und Chillen“.<br />
Das Selbstwertgefühl wird besonders<br />
dann gestärkt, wenn man sich in der<br />
Öffentlichkeit durch Publikum in Straßenbahn,<br />
Eisenbahn oder im Wartezimmer<br />
des Arztes bewundert fühlt.<br />
anzeige<br />
Geschichte<br />
77
Als das Fräulein vom Amt in Görlitz seinen Job verlor<br />
Leserbrief<br />
Wer denkt da bei Mobiltelefon,<br />
Smartphone und Computer<br />
noch an die gelbe Telefonzelle.<br />
Manchmal trifft man sie<br />
umgewidmet noch als nostalgische<br />
Bücher-Börse,<br />
Büro, Kaffee-Shop, Kleider-<br />
Börse u.a. an.<br />
Das „Fräulein vom Amt“<br />
aber gibt es nicht mehr. Seit<br />
langem genießt es seinen<br />
wohlverdienten Ruhestand.<br />
Dr. Bernhard Wolf<br />
Nachwuchs am Smartphone<br />
anzeige<br />
78<br />
Geschichte