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Das Stützpunktsystem im paralympischen Leistungssport

Im Jahr 2009 wurde in Deutschland an damals drei Standorten ein Stützpunktsystem zur Förderung des Para Sports etabliert. Im Jahr 2019 ist das System auf 17 Stützpunkte an 14 Standorten angewachsen. Ziel der an der Universität Paderborn im Arbeitsbereich Inklusion im Sport durchgeführten Interviewstudie war es, das Stützpunktsystem unter Berücksichtigung der Sichtweisen und Erfahrungen sowohl von Kaderathletinnen und -athleten aus dem Para Sport als auch von Angehörigen des Stützpunktpersonals zu untersuchen. In die abschließenden Handlungsempfehlungen fließt die Perspektive von verantwortlichen Personen sowohl aus dem paralympischen als auch aus dem olympischen Sport ein. Damit werden wichtige Ansatzpunkte zur verbesserten Kooperation zwischen paralympischem und olympischem Sport herausgearbeitet.

Im Jahr 2009 wurde in Deutschland an damals drei Standorten ein Stützpunktsystem zur Förderung des Para Sports etabliert. Im Jahr 2019 ist das System auf 17 Stützpunkte an 14 Standorten angewachsen. Ziel der an der Universität Paderborn im Arbeitsbereich Inklusion im Sport durchgeführten Interviewstudie war es, das Stützpunktsystem unter Berücksichtigung der Sichtweisen und Erfahrungen sowohl von Kaderathletinnen und -athleten aus dem Para Sport als auch von Angehörigen des Stützpunktpersonals zu untersuchen. In die abschließenden Handlungsempfehlungen fließt die Perspektive von verantwortlichen Personen sowohl aus dem paralympischen als auch aus dem olympischen Sport ein. Damit werden wichtige Ansatzpunkte zur verbesserten Kooperation zwischen paralympischem und olympischem Sport herausgearbeitet.

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122 Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse<br />

Mehrere Befragte favorisieren die OSP-<br />

Anbindung als opt<strong>im</strong>ales Modell der paralymarbeit<br />

mit dem nicht-behinderten<br />

Sport […], weil man sich ja auch als<br />

Sportler über andere Komponenten<br />

dieser Sportart, die sich nicht unterscheiden,<br />

eben austauschen kann.<br />

Also ich könnte mich mit einer Angie<br />

Kerber darüber unterhalten, was sie<br />

denn als Ritual macht, wenn sie nervös<br />

ist, oder was sie als Ritual macht,<br />

um ihren Puls herunterzukriegen,<br />

oder wie sie sich anspornt, dass sie<br />

einem bescheuerten Fehler nicht so<br />

lange nachtrauert. <strong>Das</strong> sind ja auch<br />

alles Trainingskomponenten, die wir<br />

ja auch trainieren müssen und die die<br />

auch trainieren, und da könnte der<br />

Austausch halt eben stattfinden. Von<br />

daher würde ich das nicht komplett<br />

von der Hand weisen, aber um tatsächlich<br />

auf dem Platz zu stehen wird<br />

es relativ schwierig be<strong>im</strong> Hochleistungssport.“<br />

(ATOS8_Rollstuhltennis)<br />

Einig sind sich die Befragten darin, dass es<br />

für die Verantwortlichen aus dem Nichtbehindertensport<br />

selbstverständlich sein sollte, zum<br />

Beispiel bei der Vergabe von Hallen- und Platzzeiten<br />

stets die spezifischen Bedarfe des Para<br />

Sports mitzudenken. Im folgenden Zitat klingt<br />

an, dass der aktuelle Status quo offenbar zuweilen<br />

eher als ein Modell der Integration (<strong>im</strong> Sinne<br />

einer Anpassung an das bestehende System) als<br />

der Inklusion (<strong>im</strong> Sinne der Neuaufstellung des<br />

<strong>Stützpunktsystem</strong>s samt Anpassung an die Bedarfe<br />

aller Zielgruppen) wahrgenommen wird:<br />

„Mir fällt es da <strong>im</strong>mer so relativ<br />

schwierig, wie soll ich sagen, da <strong>im</strong>mer<br />

so von Inklusion und von oben<br />

herab [nach dem Motto:] ‚Wir müssen<br />

jetzt die Behindertensportler in<br />

diese bestehenden Systeme irgendwie<br />

zwanghaft probieren zu integrieren.‘,<br />

weil das ist halt wirklich so dieser Gedanke.<br />

Anstatt dass man dann halt<br />

einfach sagt, wir schauen uns die Anforderungen<br />

an solche Stützpunkte<br />

an, wir schauen uns die Wünsche von<br />

den Sportlern an und wir schauen<br />

auf der anderen Seite, was so dieser<br />

Status quo gerade ist, was die Standorte<br />

oder Stützpunkte überhaupt alles<br />

bieten und ob das dann möglich<br />

ist und in welchem Rahmen, anstatt<br />

dass dann so probiert wird, etwas zu<br />

integrieren.“ (ATOS3_Rollstuhltennis)<br />

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass das Modell<br />

der größtmöglichen Vernetzung von PTS<br />

und OSP durchaus ein Erfolgsmodell sein kann,<br />

aber nicht automatisch überall ist, das heißt, die<br />

Erfahrungen innerhalb der Stichprobe sind sehr<br />

divers und kaum zu verallgemeinern:<br />

„Ich bin wirklich für die Eingliederung<br />

in den OSP, so wie es ist. Allerdings<br />

weiß ich auch, dass das nicht<br />

überall so leicht ist. Also ich selbst<br />

habe es nicht erlebt, weil hier bei uns<br />

in [Stützpunktstandort] sind wir super<br />

integriert. Wir haben keine Nachteile<br />

den olympischen Dingen gegenüber.<br />

Wir können alles nutzen. Wir<br />

sind akzeptiert.“ (AT7_Leichtathletik)<br />

Vor allem der oben thematisierte Aspekt,<br />

dass auch der olympische Sport vom direkten<br />

Austausch mit dem Para Sport vor Ort profitieren<br />

könne, scheint, so die Erfahrung mehrerer<br />

Befragter, nicht bei allen OSP-Verantwortlichen<br />

eine Rolle zu spielen. Dadurch kann sich bei<br />

den Para-Athletinnen und Athleten das Gefühl<br />

verfestigen, gewissermaßen eher geduldet als<br />

akzeptiert zu sein. Der anvisierte Austausch zwischen<br />

dem <strong>paralympischen</strong> und olympischen<br />

Sport findet jedenfalls offensichtlich nicht allerorts<br />

statt:<br />

„Meine Erfahrung ist, dass die Vernetzung<br />

bzw. Anbindung mit dem olympischen<br />

Sport nicht funktioniert. Und<br />

deswegen sehe ich darin <strong>im</strong> Moment<br />

keinen Vorteil, weil das meines Erachtens<br />

einfach nicht von beiden Seiten<br />

gleichermaßen oder nicht in vollem<br />

Umfang so anerkannt und genutzt<br />

wird.“ (AT5_Rollstuhlbasketball)<br />

Analyse des <strong>Stützpunktsystem</strong>s zur Förderung des paralympi schen Spitzen- und Nachwuchs leistungssports in Deutschland

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