Lehrbuch des Estnischen und Finnischen

von Hitler als auch von Stalin höchstpersönlich zum Tod verurteilt wurde -
also wurde ihm eine „Ehre“ zuteil, die niemand anders erreicht hat -, und
dass er in den beiden finnisch-sowjetischen Kriegen von 1939 bis 1944
auch in der finnischen Armee als Offizier mitkämpfte, allerdings nicht ganz
vorn an der Front, sondern weiter hinten mit „logistischen“ Arbeiten, was
auch immer darunter verstanden werden konnte. Er lebte noch ein paar
Jahrzehnte länger als die beiden Diktatoren, die ihn zum Tod verurteilt
hatten, aber als er im Jahr 1984 verschied, war er schon fast vergessen,
weil auch er zu denen gehörte, die in den Fünfzigerjahren und zu Beginn
der Sechzigerjahre zwar noch viel gelesen, aber dann buchstäblich
weggespült wurden, als eine neue Schriftstellergeneration von
„progressiven“ Schreibern, zu deren bekanntesten Heinrich Böll und
Günter Grass gehörten, die Szene immer mehr beherrschte.
Wieder zurück zum Estnischen und Finnischen, um die es hauptsächlich
in diesem Buch geht: Immer wenn von besonders schweren Sprachen in
Europa die Rede ist, stehen das Finnische und Ungarische, die viel
bekannter sind als das Estnische, nicht ganz zu Unrecht an vorderster
Stelle. Am meisten fällt mir auf, dass immer wieder die vielen Kasus
beziehungsweise Fälle erwähnt werden, obwohl diese im Vergleich zu
anderen Teilen der Grammatik dieser drei Sprachen nicht so schwer zu
meistern sind, weil die Endungen zu fast hundert Prozent regelmässig
sind. Dabei geht wohl auch aus Unwissenheit vergessen, was im
Estnischen und Finnischen als Einziges wirklich schwer ist, weil es dafür
keine festen Regeln gibt und deshalb jedes Haupt- und Eigenschaftswort
und zudem auch die erste Person Einzahl jedes Verbs (ich gehe, ich
mache usw.) doppelt gelernt werden müssen: Der sogenannte
Stufenwechsel, also eine Veränderung in der Mitte eines Wortes, wenn es
in allen Kasus ausser dem Nominativ, der eigentlichen Grundform,
gebraucht wird. Das Ungarische kennt zwar keinen Stufenwechsel, weist
dafür jedoch andere Schwierigkeiten auf, die es zum Verstehen noch viel
schwerer machen als die beiden nordischen Kusinen-Sprachen, wenn es
schnell gesprochen wird. Während ich den Stufenwechsel etwas weiter
unten bald vorstellen werde, habe ich gegen das Ende dieses Buches
auch noch ein Kapitel geschrieben, in dem ich auf das Ungarische näher
eingehe und dabei vor allem die entscheidenden grammatikalischen
Unterschiede herausstellen werde. Dazu kommt auch noch ein
Spezialkapitel über das Samische, wie die einst Lappisch genannte
Sprache heute mehr genannt wird. Dieses steht zwar unübersehbar dem
Estnischen und Finnischen nahe, weist aber nur wenige Kasus auf, doch
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