Lehrbuch des Estnischen und Finnischen

Als kleine Schlussbilanz dies: Obwohl vor allem beim Wortschatz die
Verwandtschaft zum Finnischen teilweise gut gesehen werden kann, ist
eine Verständigung zwischen den Finnen und Samen allein mit ihren
beiden Sprachen unmöglich. Da ergeht es den ersteren gleich wie den
Dänen, Schweden und Norwegern, die vom Färöischen und erst recht
vom Isländischen auch nur den einen oder anderen Fetzen verstehen,
aber eben nicht alles. Allerdings wachsen heute alle Samen mindestens
zweisprachig auf, das heisst auch mit der Amtssprache des Landes, in
dem sie leben: Finnisch, Russisch, Norwegisch und Schwedisch. Da
ergeht es ihnen also gleich wie heute den Rätoromanen in der Schweiz,
den Sorben in der Lausitz und im Spreewald oder den Friesen in
Deutschland und in den Niederlanden. Nicht wenige Samen wachsen
sogar noch mit einer dritten Sprache auf, neben Samisch und Finnisch
auch noch mit Schwedisch oder Norwegisch; dabei werden zwischen
Schweden und Norwegen noch heute verschiedene Mischdialekte
gesprochen, die in einer Zeit entstanden sind, als es die heutigen
Landesgrenzen noch nicht gab.
Zum Schluss ist noch anzufügen, dass innerhalb des Siedlungsgebiets der
Samen noch zwei weitere Sprachen in Gebrauch sind, die mit dem
Finnischen enger verwandt sind als das Samische, aber heute ebenso als
eigenständige Sprachen gelten wie viele andere Kleinsprachen: In Nord-
Norwegen das Kvenische, das etwas mehr als 10‘000 sprechen, und in
Nord-Schweden das Tornedal-Finnische, das von den Einheimischen
auch als „Meänkieli“ (unsere Sprache) bezeichnet wird und nördlich der
Kleinstadt Haparanda und der etwas grösseren finnischen Stadt Tornio
auf der anderen Seite des Tornio-Flusses nach verschiedenen Angaben
immer noch zwischen 30‘000 und 70‘000 sprechen. Haparanda und
Tornio sind auf die gleiche Weise wie die oben erwähnte estnisch-lettische
Grenzstadt Valga oder Valka als Zwillingsstädte verbunden, aber sie
stellen im Gegensatz zu diesen auf beiden Seiten etwa gleich viele
Einwohner.
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