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Lehrbuch des Estnischen und Finnischen

Dies ist das erste und bisher einzige Lehrbuch, in dem Estnisch und Finnisch, die einerseits sich sehr nahe stehen und andererseits sich trotzdem in verschiedenen Bereichen deutlich voneinander unterscheiden, zusammen vermittelt werden.

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<strong>Lehrbuch</strong> <strong>des</strong> <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Der Autor 1<br />

Vorwort 2<br />

Die Buchstaben 13<br />

Die Vokalharmonie 26<br />

Der Stufenwechsel 28<br />

Die Kasus (Fälle) 36<br />

- Der Nominativ (Werfall) 36<br />

- Der Genitiv (Wesfall) 37<br />

- Der Akkusativ (Wenfall) 43<br />

- Der Partitiv (Teilungsfall) 44<br />

- Der Inessiv (Wo-Fall I) 50<br />

- Der Illativ (Wohin-Fall I) 53<br />

- Der Elativ (Woher-Fall I, Woraus-Fall, Wovon-Fall I) 55<br />

- Der A<strong>des</strong>siv (Wo-Fall II, Dabei-Fall) 58<br />

- Der Allativ (Wohin-Fall II, Dativ = Wemfall) 62<br />

- Der Ablativ (Woher-Fall II, Wovon-Fall II) 64<br />

- Der Essiv (Als-Fall) 67<br />

- Der Translativ (Umwandlungs-Fall) 70<br />

- Der Abessiv (Abwesenheits-Fall) 74<br />

- Der Komitativ (Begleitungs-Fall) 76<br />

- Der Terminativ (Begrenzungs-Fall) 79<br />

- Der Instruktiv (Welche Art-Fall) 80<br />

- Der Prolativ 82<br />

Zusammenfassung der Kasus 84<br />

Die Demonstrativpronomina (Die hinweisenden Fürwörter) 89<br />

Die Adjektive (Eigenschaftswörter) 95<br />

Die Steigerung der Adjektive 103<br />

- Der Komparativ (Erste Steigerungsstufe) 103<br />

- Der Superlativ (Zweite Steigerungsstufe) 109<br />

Das Adverb (Umstandswort) 116<br />

- Die Steigerung <strong>des</strong> Adverbs 120<br />

Die Personalpronomina (Die persönlichen Fürwörter) 123<br />

Die Possessivpronomina (Die besitzanzeigenden Fürwörter) 130<br />

Die Demonstrativpronomina (Wiederholung) 139


Die Relativpronomina 141<br />

Spezialwörter 144<br />

Die Verben (Tätigkeitswörter) 152<br />

Sein <strong>und</strong> Haben in allen Zeiten 155<br />

Die Verneinung von Sein <strong>und</strong> Haben 165<br />

Die häufigsten Verben in allen Zeiten 174<br />

- Präsens 178<br />

- Imperfekt 185<br />

- Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv Präsens 191<br />

- Die zusammengesetzten Zeiten 198<br />

Die Verneinung der Verben in allen Zeiten 201<br />

Wörter <strong>und</strong> Ausdrücke der Verneinung 202<br />

Die Modalverben 207<br />

Fragen <strong>und</strong> Antworten 212<br />

Der Imperativ (Die Befehlsformen) 219<br />

Die Präpositionen <strong>und</strong> Postpositionen 225<br />

Das Impersonal (Passiv) in allen Zeiten 233<br />

Der estnische Modus obliquus in allen Zeiten 245<br />

Das estnische Ger<strong>und</strong>ium 246<br />

Der finnische Potentialis 248<br />

Partizipial-Konstruktionen 252<br />

Die Infinitive I bis V 259<br />

Weitere grammatikalische Feinheiten 267<br />

Die Ableitungssuffixe 274<br />

Die Zahlen 288<br />

- Die Kardinalzahlen (Gr<strong>und</strong>zahlen) 288<br />

- Die Ordinalzahlen (Ordnungszahlen) 296<br />

- Die Bruchzahlen 301<br />

- Die Uhrzeit 302<br />

Die Wochentage 304<br />

Die Monatsnamen 305<br />

Die Jahreszeiten 311<br />

Zeitausdrücke 312<br />

Länder, Regionen, Nationalitäten <strong>und</strong> Sprachen 317<br />

Die estnische Umgangssprache 351<br />

Die finnische Umgangssprache 357<br />

Wörterliste Deutsch - Estnisch - Finnisch 375<br />

Ergänzende Informationen 385<br />

Samisch <strong>und</strong> Ungarisch 413<br />

Quellenangaben 483


Der Autor<br />

Ich wurde 1953 in Zürich geboren. Mein Vater war ein Schweizer <strong>und</strong><br />

meine Mutter eine Finnin - mein Vorname, der genau Hans bedeutet, weist<br />

darauf hin -, aber ich bin nach ihrer frühen Scheidung abseits von ihnen<br />

an verschiedenen Orten der Kantone Zürich <strong>und</strong> Appenzell<br />

aufgewachsen. Den Familiennamen Stump habe ich von einem<br />

nordbadischen Urgrossvater, der irgendwann zwischen den Jahren 1870<br />

<strong>und</strong> 1885 in die Schweiz eingewandert <strong>und</strong> in Zürich hängen geblieben<br />

ist.<br />

Meine besondere Begabung für Sprachen hat sich in den Schuljahren<br />

noch nicht gezeigt, sondern erst viel später, aber dann umso stärker. So<br />

spreche ich heute acht romanische <strong>und</strong> sieben germanische Sprachen<br />

ziemlich gut, <strong>und</strong> zudem habe ich sehr gute Gr<strong>und</strong>kenntnisse der<br />

slawischen, baltischen, finno-ugrischen <strong>und</strong> keltischen Sprachen. Als<br />

Zugabe kommen auch noch Latein, Alt- <strong>und</strong> Neugriechisch <strong>und</strong> Albanisch.<br />

1


Vorwort<br />

<strong>Lehrbuch</strong> <strong>des</strong> <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> - warum dieser Titel? Und wenn<br />

schon beide Sprachen zusammen erwähnt werden, wird doch wenigstens<br />

erwartet, dass Finnisch vor Estnisch steht, weil es von fast sechsmal mehr<br />

Menschen gesprochen wird als Estnisch <strong>und</strong> zudem viel bekannter ist.<br />

Das zeigt sich auch daran, dass es für das Finnische schon seit<br />

Jahrzehnten gute Lehrbücher, Kassetten <strong>und</strong> andere mögliche Lehrmittel<br />

gibt, dagegen für das Estnische auch nach dem Zurückgewinnen der<br />

Unabhängigkeit im Jahr 1991 noch bis heute kaum solche Lehrmittel, die<br />

diesen Namen verdienen - abgesehen von zwei erfreulichen Ausnahmen,<br />

die ich ganz unten noch erwähnen werde.<br />

Es hat nicht nur einen alphabetischen Gr<strong>und</strong>, warum ich das Estnische in<br />

diesem Buch mit den vielen unumgänglichen Grammatiktabellen <strong>und</strong><br />

Beispielsätzen immer vor dem <strong>Finnischen</strong> aufführe. Erstens lernt sich<br />

diese Sprache viel leichter <strong>und</strong> zweitens bietet es aus der Sicht eines<br />

Deutschsprachigen, wie ich es ebenfalls bin, auch <strong>des</strong>halb den viel<br />

besseren Einstieg, weil der jahrh<strong>und</strong>ertelange Einfluss <strong>des</strong> Deutschen<br />

<strong>und</strong> Schwedischen nicht nur im Wortschatz, sondern teilweise auch in der<br />

Grammatik deutlich zu sehen ist. Während Finnland trotz der mehr als 600<br />

Jahre dauernden Besetzung durch die Schweden bis zum Jahr 1809, als<br />

es an das Russische Zarenreich abgetreten werden musste, im<br />

sprachlichen Bereich etwas abseits geblieben ist, obwohl die zweite<br />

Lan<strong>des</strong>sprache Schwedisch selber durch das Deutsche stark beeinflusst<br />

wurde, war Estland für sprachliche Veränderungen viel offener. Erstens<br />

lag es geographisch viel näher <strong>und</strong> zweitens wurde es vor der Herrschaft<br />

der Russen, die schon in der Zeit <strong>des</strong> Zaren Peter dem Grossen begann<br />

- genauer seit dem Jahr 1710 -, nicht nur von Schweden, sondern auch<br />

von Deutschen selber lange regiert, genauer von den Hansestädten, von<br />

denen die bekanntesten noch heute Hamburg, Lübeck <strong>und</strong> Rostock sind.<br />

Die ein halbes Jahrh<strong>und</strong>ert lang dauernde Besetzung durch die Sowjets,<br />

die im Jahr 1940 aus Gründen begann, auf die ich hier nicht näher<br />

eingehen will, weil sie genügend bekannt sind <strong>und</strong> weil die W<strong>und</strong>en aus<br />

dieser Zeit bis heute immer noch nachwirken, hat sich auch in sprachlicher<br />

Hinsicht darin ausgedrückt, dass das Estnische in dieser ganzen Zeit im<br />

Westen praktisch eine unbekannte Sprache geblieben ist. Man wusste<br />

zwar, dass es mit dem <strong>Finnischen</strong> eng verwandt ist <strong>und</strong> weit draussen<br />

2


auch noch mit dem Ungarischen gemeinsame Züge teilt, aber mehr blieb<br />

unbekannt. Wer nicht so wie ich noch Kontakte mit Exil-Esten hatte, die<br />

sich zum Beispiel in Zürich mehrmals im Jahr zu einem Gottesdienst in<br />

der Lutherischen Kirche trafen, konnte also nur darüber rätseln, wie diese<br />

Sprache klang. Erst im Jahr 1980, als im Rahmen der Olympischen<br />

Sommerspiele von Moskau die Segelwettbewerbe vor der Küste der<br />

estnischen Hauptstadt Tallinn durchgeführt wurden, erlebte das Estnische<br />

dank <strong>des</strong> Bürgermeisters dieser Stadt gleichsam seine internationale<br />

Feuertaufe. Er liess es sich nicht nehmen, nicht nur auf Russisch, sondern<br />

auch auf Estnisch ein längeres Interview zu geben, <strong>und</strong> meine Mutter, die<br />

es im Gegensatz zu mir gehört hatte, sagte mir nachher, dass sie praktisch<br />

alles verstanden hatte.<br />

Was die oben erwähnten Gottesdienste mit Exil-Esten betrifft, erinnere ich<br />

mich noch gut daran, wie eindrücklich es war, die überwiegend älteren<br />

Leute am Ende der Gottesdienste beim Abspielen der in Estland<br />

verbotenen alten Nationalhymne, die heute wieder die gleiche ist, weinen<br />

zu sehen. Wer konnte schon wissen, dass die Gulag-Sowjetunion, die ich<br />

bewusst so nenne <strong>und</strong> die damals noch so allmächtig <strong>und</strong><br />

unzerstörbar schien, nur zwanzig Jahre später nicht mehr existieren<br />

würde? Leider ist anzunehmen, dass die meisten, die ich in der Kirche<br />

sah, die Befreiung ihres Lan<strong>des</strong> nicht mehr miterleben konnten, jedenfalls<br />

nicht in diesem irdischen Leben.<br />

Auch in einem anderen Bereich erlebte ich auf eine besondere Weise, wie<br />

sehr sich die Besetzung Estlands durch die Sowjets auf den Kontakt zu<br />

Finnland auswirkte. Als ich mit elf Jahren wieder einmal in Helsinki war,<br />

wo ich in meinen ersten paar Lebensjahren mehrere Monate verbracht<br />

hatte, sah ich im Fernsehen einen besonderen Spielfilm, der anders war<br />

als die anderen, die ich dort sah, weil es keine Untertitel zu lesen gab.<br />

Noch heute werden in Finnland <strong>und</strong> im Rest von Nordeuropa die meisten<br />

Spielfilme in der Originalsprache ausgestrahlt, einerseits weil die kleineren<br />

Völker weniger gute Synchronsprecher zur Verfügung haben als etwa die<br />

Deutschen, Franzosen oder Italiener, <strong>und</strong> andererseits weil es für gut<br />

gehalten wird, dass vor allem das Englische auch auf diese Weise besser<br />

gelernt werden kann. So erlebte ich als meinen sprachlichen Höhepunkt<br />

bei einem weiteren Besuch viele Jahre später, dass ein walisischer<br />

Spielfilm in der Originalsprache gezeigt <strong>und</strong> dieser mit finnischen<br />

Untertiteln versehen wurde, von denen ich immerhin mehr als neunzig<br />

Prozent schnell genug lesen <strong>und</strong> verstehen konnte. Wieder zurück zu<br />

3


diesem Film, der ohne Untertitel lief: Als ich fragte, woher dieser Film sei,<br />

bekam ich in einer Mischung aus Deutsch <strong>und</strong> Finnisch diese<br />

bemerkenswerten Worte zu hören: „Das sind unsere estnischen Brüder<br />

<strong>und</strong> Schwestern auf der anderen Seite <strong>des</strong> Meeres. Wir dürfen nicht zu<br />

ihnen <strong>und</strong> sie dürfen nicht zu uns.“ Diese Antwort beeindruckte mich so<br />

tief, dass ich sie seitdem nie mehr vergessen habe.<br />

Tatsächlich verlief der frühere Eiserne Vorgang nicht nur durch<br />

Mitteleuropa, den Balkan <strong>und</strong> die Ostsee sowie zwischen Norwegen <strong>und</strong><br />

der Gulag-Sowjetunion ganz im Norden, wo ich einmal während einer<br />

Lappland-Reise direkt neben der schwer bewachten Grenze in einem Zelt<br />

übernachtete, sondern auch durch den <strong>Finnischen</strong> Meerbusen. Wer in<br />

Helsinki <strong>und</strong> in den anderen Küstenstädten eine entsprechende Antenne<br />

hatte, konnte tatsächlich estnisches Fernsehen schauen <strong>und</strong><br />

Radioprogramme von Tallinn aus hören, da die Strecke zwischen diesen<br />

beiden Städten weniger als h<strong>und</strong>ert Kilometer beträgt. Umgekehrt war das<br />

zwar ebenfalls möglich, aber viel schwerer, weil die sowjetischen<br />

Störsender alles versuchten, um möglichst viel Einfluss durch „schädliche“<br />

westliche Programme vom nördlichen Nachbarland aus zu verhindern.<br />

Gerade auch dies trug mit dazu bei, dass die estnische Nationalhymne,<br />

welche die gleiche Melodie hat wie die finnische <strong>und</strong> im Bereich der Gulag-<br />

Sowjetunion unter Androhung von Gefängnis bis hin zu einem sibirischen<br />

Lager - vor allem unter Stalin - im Bewusstsein der Esten lebendig blieb,<br />

weil es auch in Finnland der Brauch war, dass am Schluss einer Fernsehoder<br />

Radiosendung immer die Nationalhymne erklang, <strong>und</strong> so ist es noch<br />

heute.<br />

Es gibt noch einen weiteren Gr<strong>und</strong>, warum ich mich nicht nur mit Finnland,<br />

sondern auch mit Estland immer besonders verb<strong>und</strong>en fühlte: Das liegt<br />

am deutschen Schriftsteller Edzard Schaper, den ich noch heute als<br />

meinen eigentlichen Lieblingsschriftsteller bezeichne. Er wurde im Jahr<br />

1908 zwar in der Provinz Posen geboren, das damals noch zum<br />

Deutschen Kaiserreich gehörte - also in den „goldenen“ 43 Jahren<br />

zwischen 1871 <strong>und</strong> 1914 aus deutscher Sicht -, wanderte aber schon als<br />

junger Mann nach Estland aus. Dort machte er sich nicht nur als Autor<br />

mehrerer Romane einen Namen, sondern auch als Übersetzer von<br />

estnischen <strong>und</strong> finnischen Schriftstellern, so auch von Frans Eemil<br />

Sillanpää, der im Jahr 1939 den Nobelpreis für Literatur bekam <strong>und</strong> bis<br />

heute der einzige Finne geblieben ist, der damit ausgezeichnet wurde. Wie<br />

abenteuerlich Schapers Leben war, zeigte sich auch darin, dass er sowohl<br />

4


von Hitler als auch von Stalin höchstpersönlich zum Tod verurteilt wurde -<br />

also wurde ihm eine „Ehre“ zuteil, die niemand anders erreicht hat -, <strong>und</strong><br />

dass er in den beiden finnisch-sowjetischen Kriegen von 1939 bis 1944<br />

auch in der finnischen Armee als Offizier mitkämpfte, allerdings nicht ganz<br />

vorn an der Front, sondern weiter hinten mit „logistischen“ Arbeiten, was<br />

auch immer darunter verstanden werden konnte. Er lebte noch ein paar<br />

Jahrzehnte länger als die beiden Diktatoren, die ihn zum Tod verurteilt<br />

hatten, aber als er im Jahr 1984 verschied, war er schon fast vergessen,<br />

weil auch er zu denen gehörte, die in den Fünfzigerjahren <strong>und</strong> zu Beginn<br />

der Sechzigerjahre zwar noch viel gelesen, aber dann buchstäblich<br />

weggespült wurden, als eine neue Schriftstellergeneration von<br />

„progressiven“ Schreibern, zu deren bekanntesten Heinrich Böll <strong>und</strong><br />

Günter Grass gehörten, die Szene immer mehr beherrschte.<br />

Wieder zurück zum <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong>, um die es hauptsächlich<br />

in diesem Buch geht: Immer wenn von besonders schweren Sprachen in<br />

Europa die Rede ist, stehen das Finnische <strong>und</strong> Ungarische, die viel<br />

bekannter sind als das Estnische, nicht ganz zu Unrecht an vorderster<br />

Stelle. Am meisten fällt mir auf, dass immer wieder die vielen Kasus<br />

beziehungsweise Fälle erwähnt werden, obwohl diese im Vergleich zu<br />

anderen Teilen der Grammatik dieser drei Sprachen nicht so schwer zu<br />

meistern sind, weil die Endungen zu fast h<strong>und</strong>ert Prozent regelmässig<br />

sind. Dabei geht wohl auch aus Unwissenheit vergessen, was im<br />

<strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> als Einziges wirklich schwer ist, weil es dafür<br />

keine festen Regeln gibt <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb je<strong>des</strong> Haupt- <strong>und</strong> Eigenschaftswort<br />

<strong>und</strong> zudem auch die erste Person Einzahl je<strong>des</strong> Verbs (ich gehe, ich<br />

mache usw.) doppelt gelernt werden müssen: Der sogenannte<br />

Stufenwechsel, also eine Veränderung in der Mitte eines Wortes, wenn es<br />

in allen Kasus ausser dem Nominativ, der eigentlichen Gr<strong>und</strong>form,<br />

gebraucht wird. Das Ungarische kennt zwar keinen Stufenwechsel, weist<br />

dafür jedoch andere Schwierigkeiten auf, die es zum Verstehen noch viel<br />

schwerer machen als die beiden nordischen Kusinen-Sprachen, wenn es<br />

schnell gesprochen wird. Während ich den Stufenwechsel etwas weiter<br />

unten bald vorstellen werde, habe ich gegen das Ende dieses Buches<br />

auch noch ein Kapitel geschrieben, in dem ich auf das Ungarische näher<br />

eingehe <strong>und</strong> dabei vor allem die entscheidenden grammatikalischen<br />

Unterschiede herausstellen werde. Dazu kommt auch noch ein<br />

Spezialkapitel über das Samische, wie die einst Lappisch genannte<br />

Sprache heute mehr genannt wird. Dieses steht zwar unübersehbar dem<br />

<strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> nahe, weist aber nur wenige Kasus auf, doch<br />

5


auf der anderen Seite ist es phonetisch viel komplizierter.<br />

Bevor ich das Estnische <strong>und</strong> Finnische systematisch <strong>und</strong> sachte vorstelle,<br />

muss ich betonen, dass ich selber wegen meiner Herkunft zwar einen<br />

kleinen Vorteil habe, aber eigentlich nur mit Deutsch richtig aufgewachsen<br />

bin. Meine erste Fremdsprache war erst im Jahr 1967 mit bereits 13 (!)<br />

Jahren im Gymnasium das Latein <strong>und</strong> meine zweite ein Jahr später<br />

Französisch. Heute ist das völlig unvorstellbar, aber so lief damals noch<br />

unser Schulsystem. Englisch hatte noch nicht die heutige Bedeutung,<br />

<strong>des</strong>halb begann ich es erst ein halbes Jahr später als Französisch als<br />

dritte Fremdsprache zu lernen. Die vierte war Italienisch genau zwei Jahre<br />

nach dem Latein <strong>und</strong> die fünfte im Herbst 1971 im Rahmen eines<br />

Freiwilligenkurses auch noch Russisch. Das sind die fünf einzigen<br />

Fremdsprachen, die ich im Rahmen einer Schule teilweise gelernt habe,<br />

<strong>und</strong> den ganzen Rest habe ich mir selbst angeeignet.<br />

Was das Estnische <strong>und</strong> Finnische betrifft, lernte ich das letztere eigentlich<br />

erst mit 27 (!) Jahren richtig, das heisst nicht nur bruchstückhaft, sondern<br />

systematisch von Anfang an - <strong>und</strong> gleichzeitig mit Ungarisch. Dagegen<br />

sind für das Estnische zumin<strong>des</strong>t im Westen erst ab dem Jahr 1991<br />

Lehrmittel erschienen. Zuvor gab es nur innerhalb der ehemaligen Gulag-<br />

Sowjetunion Lehrbücher, aber nur auf Russisch <strong>und</strong> vollgespickt mit<br />

politischer Propaganda. Es war also nicht einmal in den ehemaligen<br />

sozialistischen „Bruderstaaten“ möglich, Estnisch richtig zu lernen, <strong>und</strong><br />

das Gleiche gilt auch für die beiden baltischen Sprachen Lettisch <strong>und</strong><br />

Litauisch, die entgegen der Meinung vieler Leute mit dem <strong>Estnischen</strong><br />

hinten <strong>und</strong> vorn nicht verwandt sind. Bei meinen nächsten Besuchen nach<br />

meinen ersten Lernmonaten w<strong>und</strong>erten sich meine finnischen<br />

Verwandten darüber, dass ich jetzt viel besser Finnisch sprach, nachdem<br />

jene, die kein Englisch konnten - <strong>und</strong> das waren die meisten -, sich mit mir<br />

nur mangelhaft hatten verständigen können.<br />

Mit diesem kurzen Ausflug in mein eigenes Leben möchte ich dies<br />

klarstellen: Was ich selber geschafft habe, können alle anderen ebenfalls,<br />

die sich die Mühe nehmen, sich in dieses Buch zu vertiefen. Ich spreche<br />

Estnisch <strong>und</strong> Finnisch zwar nicht fliessend, aber ich kann den grössten<br />

Teil verstehen <strong>und</strong> einfache Alltagsgespräche führen. Es ist tatsächlich<br />

möglich, halbwegs gut Estnisch <strong>und</strong> Finnisch zu sprechen - mit den jungen<br />

Leuten zwar kaum, weil diese natürlich jede Gelegenheit benützen, um<br />

Englisch zu sprechen, aber sehr wohl mit der mittleren <strong>und</strong> älteren<br />

6


Generation, die noch heute nur wenig bis gar kein Englisch können, weil<br />

sie in den estnischen Schulen noch Russisch als erste Fremdsprache<br />

lernen mussten. Tatsächlich ist diese Sprache noch heute in Estland<br />

verbreitet, vor allem im Nordosten mit der Stadt Narwa als eigentlichem<br />

Russenzentrum direkt neben der Grenze zu Russland. Dagegen wird<br />

Deutsch nur noch von wenigen ganz alten Leuten verstanden, woran auch<br />

die immer noch nicht vergessenen deutschen Ortsnamen nichts ändern:<br />

Reval für Tallinn <strong>und</strong> das noch geläufigere Dorpat für Tartu, die schon seit<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten bekannte Universitätsstadt im Südosten <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>.<br />

Bevor wir ins ganze Grammatikgestrüpp einsteigen, führe ich gleichsam<br />

als Aufmunterung zuerst die vier Vorteile auf, die das Estnische <strong>und</strong><br />

Finnische gegenüber vielen anderen <strong>und</strong> vor allem europäischen<br />

Sprachen aufweisen:<br />

1. Beide Sprachen werden mit dem lateinischen Alphabet geschrieben.<br />

Das zu wissen ist auch <strong>des</strong>halb wichtig, weil das Estnische sowie das<br />

Lettische <strong>und</strong> Litauische die einzigen Sprachen sind, die in der Epoche<br />

der Gulag-Sowjetunion das lateinische Alphabet verwendeten oder<br />

genauer verwenden durften. Das Gleiche galt in Bezug auf das Alphabet<br />

auch für das Armenische <strong>und</strong> Georgische, die nicht durch das kyrillische<br />

Alphabet ersetzt wurden. Alle anderen Sprachen mussten so geschrieben<br />

werden, also auch die mit dem <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> nahe<br />

verwandten Schwestersprachen Karelisch, Ischorisch <strong>und</strong> Wepsisch, von<br />

denen die beiden letzteren zwischen dem Pejpus-See <strong>und</strong> dem Onegasee<br />

heute nur noch von wenigen gesprochen werden. Dagegen durfte das<br />

Livische, das an der lettischen Küste gesprochen wurde <strong>und</strong> seit dem Jahr<br />

2013, als der letzte alte Fischer gestorben war, der es noch als<br />

Muttersprache geredet hatte, offiziell als ausgestorben gilt, bis zum<br />

Schluss ebenfalls mit dem lateinischen Alphabet geschrieben werden.<br />

Gerade auch die mangelhafte Förderung durch den Sowjetstaat, der im<br />

Westen fälschlicherweise immer im Ruf stand, alles Mögliche an<br />

Schutzmassnahmen für die Minderheitensprachen zu tun, hat<br />

entscheidend zum Aussterben dieser Sprache beigetragen. Ein Beweis<br />

dafür sind die oben erwähnten Ischoren <strong>und</strong> Wepsen, denen es noch bis<br />

heute, also auch nach dem offiziellen Ende der Gulag-Sowjetunion,<br />

ähnlich ergeht, <strong>und</strong> die Karelier oder genauer Ost-Karelier - als West-<br />

Karelier galten immer die Finnen westlich <strong>des</strong> Ladogasees - konnten ihre<br />

Sprache nur dank der grossen Zahl von mehr als 100‘000 Sprechern<br />

retten. Entgegen anders lautender Meldungen ist das Volk der Liven, das<br />

7


heute noch aus etwa 2‘000 Köpfen besteht, noch nicht ausgestorben, aber<br />

sie sprechen heute nur noch Lettisch <strong>und</strong> lernen Livisch auf freiwilliger<br />

Basis wenigstens noch als sogenannte Zweitsprache.<br />

Bemerkenswert ist, dass die einst viel gesungene „Nationalhymne“ der<br />

Liven, die nie einen eigenen Staat hatten, die gleiche Melodie hat wie die<br />

der Esten <strong>und</strong> Finnen, <strong>und</strong> zudem ist die Textaussage in allen drei<br />

Sprachen mehr oder weniger die gleiche. Allerdings stehen diese drei<br />

finno-ugrischen Völker damit nicht allein da, weil auch die Waliser, Kornen<br />

<strong>und</strong> Bretonen - also drei keltische Völker - für ihre Nationalhymnen schon<br />

seit vielen Jahrzehnten die gleiche Melodie <strong>und</strong> weitgehend auch die<br />

gleiche Textaussage verwenden, <strong>und</strong> die Griechen <strong>und</strong> griechischen<br />

Zyprioten haben nicht nur die gleiche Melodie, sondern auch noch den<br />

genau gleichen Text. Das Gleiche betrifft auch die britische Königshymne,<br />

deren Melodie aufgr<strong>und</strong> von Hinweisen, die aber nie klar belegt werden<br />

konnten, von einem im lothringischen Metz stationierten Schweizer<br />

Offizier stammt, <strong>und</strong> von einem durchreisenden Handelsreisenden aus<br />

England gestohlen <strong>und</strong> auf die Insel gebracht wurde. Deshalb wurde diese<br />

Melodie in der Schweiz folgerichtig bis zum Jahr 1961 als Nationalhymne<br />

gespielt <strong>und</strong> gesungen, <strong>und</strong> obwohl die neue Melodie von Alberich<br />

Zwyssig <strong>und</strong> der fromme Text von Leonhard Widmer sich trotz aller<br />

Widerstände durchgesetzt haben <strong>und</strong> heute im grössten Teil der<br />

Bevölkerung gut verwurzelt sind, trauern immer noch viele Schweizer<br />

trotz <strong>des</strong> kriegerischen Textes der alten Hymne nach. Neben dem<br />

britischen Königreich benützt auch noch das Fürstentum Liechtenstein<br />

diese Melodie <strong>und</strong> zudem ist es in Norwegen auch die sogenannte<br />

Königsmelodie, die inoffizielle zweite Nationalhymne, so wie auch<br />

Dänemark, Schweden <strong>und</strong> das ferne Thailand neben der offiziellen<br />

Nationalhymne auch noch solche Hymnen kennen.<br />

Wie sehr das Reich der ehemaligen Gulag-Sowjetunion nach dem Jahr<br />

1991 umgestülpt wurde, hat sich auch im Bereich der Sprachen gezeigt:<br />

Sowohl das Moldawische, das auch noch Moldauisch genannt wird <strong>und</strong><br />

mit dem Rumänischen praktisch identisch ist, als auch das<br />

Aserbaidschanische, das sich vom Türkischen nur geringfügig<br />

unterscheidet, werden seither wieder oder genauer neu mit dem<br />

lateinischen Alphabet geschrieben.<br />

2. Je<strong>des</strong> einzelne Wort wird so ausgesprochen, wie es geschrieben wird.<br />

Was sonst bei vielen anderen Sprachen ein Hindernis ist, wenn jemand<br />

8


sich für die eine oder andere interessiert, aber von der komplizierten<br />

Aussprache abgeschreckt wird, trifft hier nicht zu. Dabei ist keine<br />

Vollkommenheit nötig, weil man auch nach meiner eigenen Erfahrung<br />

schon beim Aussprechen <strong>des</strong> ersten Wortes ohnehin als eine<br />

fremdsprachige Person erkannt wird, aber die Freude <strong>und</strong> vor allem das<br />

Erstaunen darüber, dass jemand auch nur ein wenig Estnisch oder<br />

Finnisch spricht, überwiegen eindeutig.<br />

3. In beiden Sprachen wird fast je<strong>des</strong> Wort auf der ersten Silbe betont. Die<br />

einzige Ausnahme unter den einheimischen, also nicht importierten<br />

Fremdwörtern ist das estnische „aitäh“, das „Danke“ bedeutet, aber viel<br />

weniger gesagt wird als das leichter auszusprechende „tänan“, das „ich<br />

danke“ bedeutet. Bei Fremdwörtern werden vor allem im <strong>Estnischen</strong><br />

meistens die Silben so betont, wie sie auch in den Originalsprachen<br />

klingen: Etüüd, situatsioon, sümfoonia. Allerdings gibt es bei Wörtern, die<br />

min<strong>des</strong>tens drei Silben haben, auch noch eine sogenannte<br />

Zwischenbetonung, die erst nach langer Übung angeeignet werden kann,<br />

aber wichtig ist, dass man auch so verstanden <strong>und</strong> vor allem die erste<br />

Silbe betont wird.<br />

Das bekannteste Beispiel für eine solche Zwischenbetonung, das in allen<br />

Finnisch-Lehrbüchern gebracht wird, ist das Wort „tervetuloa!“ für<br />

„willkommen!“. Ganz genau wird es „térvettúloa!“ gesagt, aber nie so<br />

geschrieben. Dass in beiden Sprachen zwischen den zwei Teilen eines<br />

Wortes ein Doppelkonsonant steht, der im <strong>Estnischen</strong> nicht <strong>und</strong> im<br />

<strong>Finnischen</strong> auch nur manchmal geschrieben wird, werden wir weiter unten<br />

noch sehen.<br />

4. Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Sprachen wird<br />

im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> - <strong>und</strong> dazu auch im Samischen <strong>und</strong><br />

Ungarischen sowie dem weit entfernt verwandten Türkischen <strong>und</strong><br />

Mongolischen - nicht zwischen einem männlichen, weiblichen <strong>und</strong><br />

sächlichen Geschlecht unterschieden. Das erspart also bei der Bildung<br />

der Substantive (Hauptwörter) <strong>und</strong> der Adjektive (Eigenschaftswörter) viel<br />

Denkarbeit, die jemand, der Russisch oder Deutsch lernen will, noch auf<br />

sich nehmen muss, aber auch die beiden baltischen Sprachen Lettisch<br />

<strong>und</strong> Litauisch, die viel leichter sind als Estnisch <strong>und</strong> Finnisch - vor allem<br />

das erstere -, unterscheiden noch zwischen einem männlichen <strong>und</strong><br />

weiblichen Geschlecht.<br />

Zum Schluss dieses Vorworts ist auch dies zu erwähnen: Obwohl es<br />

9


immer heisst, dass Estnisch <strong>und</strong> Finnisch einander so nahe stehen, dass<br />

eine gegenseitige Verständigung ohne weiteres möglich ist, <strong>und</strong> auch der<br />

estnische Pfarrer, der eigentlich in New York wohnte, aber für die oben<br />

erwähnten Gottesdienste mit den Exil-Esten immer extra nach Zürich<br />

reiste, mir das so sagte, trifft das nur in einem beschränktem Mass zu. So<br />

haben vor allem die Esten Mühe, das Finnische in all seinen Einzelheiten<br />

richtig zu verstehen, <strong>und</strong> wer den Spezialwortschatz, den ich für dieses<br />

Buch ganz unten zusammengestellt habe, intensiv durchliest, kann sich<br />

gut vorstellen, warum das so ist. Dazu kommen noch zum Teil krasse<br />

grammatikalische Unterschiede, weil das Finnische im Gegensatz zum<br />

<strong>Estnischen</strong> noch bis in unsere Zeit alte Zöpfe bewahrt hat, welche die<br />

Schwestersprache schon vor langer Zeit über Bord geworfen hat.<br />

Wie gross die Unterschiede sind, hat sich auch vor wenigen Jahren<br />

gezeigt, als der damals amtierende estnische Staatspräsident mit einer<br />

finnischen Journalistin ein Gespräch führte. Als sie ihn fragte, ob er gut<br />

genug Finnisch verstehe, verneinte er das, so dass das Interview dann auf<br />

Englisch geführt wurde. Allerdings war er nicht in Estland selber<br />

aufgewachsen, wo das Finnische den Leuten ebenfalls viel in den Ohren<br />

klingt, sondern als Sohn von Exil-Esten in Schweden. Dort ist Finnisch -<br />

aber nicht Estnisch - zwar als eine inoffizielle Amtssprache anerkannt <strong>und</strong><br />

kann auch in den Bahnhöfen <strong>und</strong> Hotels in den Mittelungen ans Publikum<br />

gelesen werden, aber zu hören ist diese Sprache nur selten, obwohl<br />

schon seit Jahrzehnten mehrere Zehntausend Finnen dort leben,<br />

allerdings auch viele schwedischsprachige. Das habe ich selber mehrmals<br />

erlebt, wenn ich mit dem Schiff von Finnland nach Schweden reiste: Auf<br />

dem Schiff selber war noch viel Finnisch zu hören, aber sobald alle im<br />

Hafen von Stockholm angekommen <strong>und</strong> ausgestiegen waren, tauchte<br />

diese Sprache buchstäblich ab.<br />

Die gleiche Beziehung zwischen dem <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> zeigt<br />

sich auch zwischen dem Lettischen <strong>und</strong> Litauischen. Auch diese beiden<br />

baltischen Sprachen stehen im Ruf, dass die Sprecher sich gegenseitig<br />

zu fast h<strong>und</strong>ert Prozent verstehen, aber auch das stimmt nicht, weil etwa<br />

zwei Drittel <strong>des</strong> Wortschatzes nicht übereinstimmen. Was beim<br />

<strong>Estnischen</strong> der Fall ist, trifft auch auf das Lettische zu: Die Letten haben<br />

insgesamt viel mehr Mühe, das viel archaischere Litauische zu verstehen,<br />

als es umgekehrt ist. Dagegen ist die Grammatik in beiden Sprachen zu<br />

mehr als neunzig Prozent identisch, was sie also zu noch engeren<br />

Nachbarn macht als die benachbarten slawischen Sprachen sogar<br />

10


innerhalb der nördlichen, westlichen <strong>und</strong> südlichen Sprachenfamilie. Wir<br />

kennen das auch im deutschen Sprachraum, was das Niederländische<br />

<strong>und</strong> das Afrikaans betrifft: Vieles kommt uns bekannt vor, aber richtig<br />

verstehen kann jemand diese Sprachen erst, wenn sie richtig gelernt<br />

worden sind, was ich bei meinen ersten Besuchen im niederländischen<br />

Sprachraum auch so erlebt habe.<br />

Allerdings gibt es nicht einmal im skandinavischen Sprachraum eine<br />

solche Einheit, wie sie ausserhalb immer so gesehen wird. So hat mir<br />

einmal eine Schwedin gesagt, sie habe Mühe, Dänisch richtig zu<br />

verstehen, obwohl sie vom Lan<strong>des</strong>teil Schonen ganz unten im Süden<br />

stammte, wo ein Dialekt gesprochen wird, der vor allem in seiner<br />

Aussprache mit dem Dänischen einiges gemeinsam hat, <strong>und</strong> auch in<br />

einem sprachwissenschaftlichen Artikel fand ich bestätigt, was sie mir<br />

gesagt hatte. Dagegen gibt es zwischen den Schweden <strong>und</strong> Norwegern,<br />

die immer noch Dutzende von Dialekten sprechen, die sich zum Teil<br />

grenzüberschreitend überschneiden, gerade <strong>des</strong>halb keine besonderen<br />

Verständigungsprobleme, während sie das Färöische <strong>und</strong> Isländische nur<br />

noch stückweise verstehen. Ich habe einmal sogar gelesen, dass auch<br />

diese beiden Inselvölker sich nicht zu h<strong>und</strong>ert Prozent verständigen<br />

können, wobei vor allem die Bewohner der Färöer-Inseln Mühe haben, die<br />

Isländer richtig zu verstehen. Da geht es ihnen gleich wie den<br />

Niederländern, Letten <strong>und</strong> Esten in ihren eigenen Sprachbereichen: Die<br />

grössere Sprache innerhalb einer Gruppe, die meistens auch noch die<br />

archaischere ist, lässt sich schwerer erlernen <strong>und</strong> verstehen als die<br />

kleinere - in diesem Fall also Isländisch, Deutsch, Litauisch <strong>und</strong> Finnisch.<br />

Im slawischen <strong>und</strong> romanischen Sprachraum trifft interessanterweise das<br />

genaue Gegenteil zu: Ausgerechnet das Russische, das vor allem im<br />

Westen im Ruf steht, besonders schwer zu sein, gehört im Vergleich zu<br />

allen anderen Mitgliedern dieser Sprachenfamilie zu den leichtesten, <strong>und</strong><br />

im romanischen Sprachraum ist nicht nur nach meiner Meinung das<br />

Spanische - also auch hier die meistgesprochene Sprache innerhalb<br />

dieser Familie - aus verschiedenen Gründen am leichtesten zu lernen.<br />

Das Englische, das noch heute neben dem Deutschen, Jiddischen,<br />

Niederländischen, Friesischen <strong>und</strong> dem Afrikaans als eine<br />

westgermanische Sprache gilt, kann gerade wegen seiner<br />

jahrh<strong>und</strong>ertelangen starken Beeinflussung durch das Französische nicht<br />

mehr als ein Gradmesser dienen, <strong>und</strong> zudem sind Niederländisch <strong>und</strong><br />

Afrikaans insgesamt viel leichter anzueignen.<br />

11


Während es schon seit vielen Jahrzehnten bekannt ist, dass Finnland auf<br />

Finnisch Suomi heisst <strong>und</strong> die Finnen selber sich als Suomalaiset<br />

bezeichnen, sind die lan<strong>des</strong>eigenen estnischen Namen nicht nur wegen<br />

<strong>des</strong> Eisernen Vorhangs immer ein kleines Geheimnis geblieben. Die Esten<br />

selber nannten sich ursprünglich „maarahvas“, was locker übersetzt „Volk<br />

der Erde“ <strong>und</strong> „Volk unseres Lan<strong>des</strong>“ bedeutet. Die heute weltweit<br />

verwendeten Namen stammen vom heute noch bekannten römischen<br />

Geschichtsschreiber Tacitus, der in seinem etwa im Jahr 100 n. Chr.<br />

erschienenen Werk „De Germania“ (Über Germanien), das wir in der<br />

Schule ebenfalls lasen, von den Fenni <strong>und</strong> einem „gens aestiorum“, also<br />

einem Volk der Esten schrieb, wobei er glaubte, diese seien ebenfalls<br />

Germanen.<br />

12


Die Buchstaben<br />

Wie sehr sich die beiden Sprachen zum Teil unterscheiden, zeigt sich<br />

bereits bei den Buchstaben, weil das Estnische ursprünglich mehr aufwies<br />

- nämlich deren 23 -, während das Finnische früher nur 21 kannte. Dafür<br />

sind im <strong>Finnischen</strong> im Verlauf <strong>des</strong> letzten Jahrh<strong>und</strong>erts zum Schreiben<br />

<strong>und</strong> Aussprechen von Fremdwörtern nicht weniger als 8 eingebaut<br />

worden, während das Estnische nur vier solche aufweist. Insgesamt<br />

werden heute im <strong>Estnischen</strong> also 27 <strong>und</strong> im <strong>Finnischen</strong> sogar 29<br />

Buchstaben verwendet, damit übertreffen sie knapp das Deutsche.<br />

Die ursprünglich 23 rein estnischen <strong>und</strong> 21 rein finnischen Buchstaben<br />

sind diese:<br />

E: a, b, d, e, g, h, i, j, k, l, m, n, o, p, r, s, t, u, v, ä, ö, õ, ü<br />

F: a, d, e, g, h, i, j, k, l, m, n, o, p, r, s, t, u, v, y, ä, ö<br />

Von anderen Sprachen stammen diese:<br />

E: f, qv, sh, zh (die beiden letzteren werden auch mit s <strong>und</strong> z geschrieben,<br />

aber mit einem slawischen Kennzeichen darüber)<br />

F: b, c, f, q, w, x, z, a (wie im Schwedischen)<br />

Die kurzen Vokale (Selbstlaute)<br />

a wie im Deutschen E: alati (immer)<br />

F: sana (Wort)<br />

e wie im Deutschen E: elama (leben)<br />

F: se (das)<br />

i wie im Deutschen E: iga (jeder)<br />

F: ihminen (Mensch)<br />

j * wie im Deutschen<br />

E: jah (ja), ja (<strong>und</strong>)<br />

F: ja (<strong>und</strong>)<br />

13


o wie im Deutschen E: onu (Onkel)<br />

F: onni (Glück)<br />

u wie im Deutschen E: uks (Tür)<br />

F: tuli (Feuer)<br />

y wie „ü“ im Deutschen, yksi (eins)<br />

kommt nur im <strong>Finnischen</strong> vor<br />

ä wie im Deutschen E: äri (Laden)<br />

F: käsi (Hand)<br />

ö wie „ö“ im Deutschen E: köha (Husten)<br />

F: hölmö (blöd)<br />

õ kommt nur im õnn (Glück) **<br />

<strong>Estnischen</strong> vor<br />

sõber (Fre<strong>und</strong>)<br />

ü wie „ü“ im Deutschen, E: üks (eins)<br />

kommt im <strong>Finnischen</strong><br />

üleval (oben)<br />

nur in Fremdwörtern vor F: Zürichissä (in Zürich)<br />

a wie „o“ im Deutschen,<br />

stammt vom Schwedischen,<br />

kommt nur im <strong>Finnischen</strong> <strong>und</strong><br />

nur in Fremdwörtern vor (mit einem ° darüber)<br />

* Der Buchstabe „j“ gilt sowohl in der estnischen als auch in der finnischen<br />

Grammatik zwar als ein Konsonant, aber ich führe ihn hier auf der Liste<br />

der Vokale auf, weil er im Deutschen eben als ein Vokal gilt <strong>und</strong> unsere<br />

mitteleuropäischen Augen sich <strong>des</strong>halb an ihn als solchen gewöhnt<br />

haben.<br />

** Das estnische „õ“, das wie ein Laut zwischen „ö“ <strong>und</strong> „i“ ausgesprochen<br />

wird <strong>und</strong> der einzige schwierige in dieser Sprache ist, kommt sehr häufig<br />

vor <strong>und</strong> ersetzt gewissermassen das „ö“, das allein stehend nur selten<br />

vorkommt. Da die Fremdsprachigen mit diesem Laut am meisten Mühe<br />

14


haben, sprechen sie ihn dementsprechend wie ein „ö“ aus - übrigens auch<br />

ich selber -, aber sie werden auch so immer verstanden. Zudem wurde<br />

dieser Vokal noch zu Beginn <strong>des</strong> letzten Jahrh<strong>und</strong>erts ohnehin als „ö“<br />

geschrieben, was auch bei den frühsten Aufnahmen der Nationalhymne<br />

mit den Anfangsworten „Mu isamaa, mu önn ja rööm…“ (Mein Vaterland,<br />

mein Glück <strong>und</strong> meine Freude…) gesehen werden kann.<br />

Die fünf Vokale nach dem finnischen „y“ kommen hier <strong>des</strong>halb zuletzt, weil<br />

sie auch in den estnischen <strong>und</strong> finnischen Wörterbüchern so aufgeführt<br />

werden.<br />

Die langen Vokale<br />

aa langes „a“ E: aasta (Jahr)<br />

F: saada (bekommen)<br />

ee langes „e“ E: Eesti (Estland)<br />

F: Veera (Wera)<br />

ii langes „i“ E: pliiats (Bleistift)<br />

F: kiitos (Danke)<br />

oo langes „o“ E: hoone (Gebäude)<br />

F: taloon (nach Hause)<br />

uu langes „u“ E: uus (neu)<br />

F: uusi (neu)<br />

yy wie langes „ü“, ystävyys (Fre<strong>und</strong>schaft)<br />

kommt nur im<br />

<strong>Finnischen</strong> vor<br />

ää langes „ä“ E: käärid (Schere)<br />

F: täällä (hier)<br />

öö langes „ö“ E: sööma (essen)<br />

F: Töölö (Stadtbezirk von Helsinki)<br />

õõ kommt nur im rõõm (Freude)<br />

<strong>Estnischen</strong> vor 15


üü langes „ü“, müür (Mauer)<br />

kommt nur im<br />

<strong>Estnischen</strong> vor<br />

Die richtige Aussprache beim Wechsel zwischen kurzen <strong>und</strong> langen<br />

Vokalen ist <strong>des</strong>halb wichtig, weil es sonst Missverständnisse geben kann:<br />

Estnisch: sada = h<strong>und</strong>ert<br />

saada = schick!<br />

Finnisch: tuli = Feuer<br />

tuuli = Wind<br />

Die Diphthonge (Doppellaute)<br />

ae „a“ <strong>und</strong> „e“ getrennt, aeg (Zeit)<br />

manchmal auch „ai“; laev (Schiff)<br />

kommt nur im<br />

<strong>Estnischen</strong> vor<br />

äe „ä“ <strong>und</strong> „e“ getrennt, päev (Tag)<br />

manchmal auch „äi“;<br />

kommt nur im<br />

<strong>Estnischen</strong> vor<br />

ai wie im Deutschen E: ainult (nur)<br />

aitama (helfen)<br />

F: aina (immer)<br />

vaimo (Ehefrau)<br />

äi „ä“ <strong>und</strong> „i“ getrennt E: äike (Gewitter)<br />

F: päivä (Tag)<br />

ao „a“ <strong>und</strong> „o“ getrennt, jaoksle (für)<br />

kommt nur im<br />

kao (Genitiv von „kadu“ = Verlust)<br />

<strong>Estnischen</strong> vor 16


äo kommt nur im näo (Genitiv von „nägu“ = Gesicht)<br />

<strong>Estnischen</strong> vor<br />

au wie „au“ im Deutschen E: laud (Tisch)<br />

F: kaunis (schön)<br />

äy wie „äü“, kommt nur im täysi (voll)<br />

<strong>Finnischen</strong> vor<br />

Väyrynen (Eigenname)<br />

ea „e“ <strong>und</strong> „a“ getrennt E: hea (gut)<br />

peale (nach)<br />

F: laskea (rechnen)<br />

ruskea (braun)<br />

eä kommt nur im häpeä (Scham)<br />

<strong>Finnischen</strong> vor<br />

lähteä (abfahren)<br />

ei wie „way“ im Englischen E: preili (Fräulein)<br />

F: neiti (Fräulein)<br />

eu „e“ <strong>und</strong> „u“ getrennt, E: Euroopa<br />

nicht wie das deutsche F: Eurooppa<br />

„öi“ auszusprechen<br />

ey „e“ <strong>und</strong> „ü“ getrennt, tärkeys (Wichtigkeit)<br />

kommt nur im<br />

<strong>Finnischen</strong> vor<br />

ia „i“ <strong>und</strong> „a“ getrennt, asia (Angelegenheit)<br />

kommt nur im<br />

iankaikkinen (ewig)<br />

<strong>Finnischen</strong> vor<br />

ie „i“ <strong>und</strong> „e“ getrennt E: abielu (Ehe)<br />

F: pieni (klein)<br />

io „i“ <strong>und</strong> „o“ getrennt, Kuopio (Stadt in Mittelfinnland)<br />

kommt nur im <strong>Finnischen</strong> vor<br />

17


jou alle drei Vokale getrennt, joulu (Weihnachten)<br />

kommt nur im <strong>Finnischen</strong> vor<br />

jõu wie bei „jou“, kommt nur im jõulud (Weihnachten)<br />

<strong>Estnischen</strong> vor<br />

jy „i“ <strong>und</strong> „ü“ getrennt, kommt Jyväskylä (Stadt in Mittelfinnland)<br />

nur im <strong>Finnischen</strong> vor<br />

oa „o“ <strong>und</strong> „a“ getrennt E: toa (Genitiv von „tuba“ = Zimmer)<br />

F: ainoa (einzig)<br />

kertoa (erzählen)<br />

oe „o“ <strong>und</strong> „e“ getrennt E: koer (H<strong>und</strong>)<br />

poeg (Sohn)<br />

F: Joensuu (Stadt in Ostfinnland)<br />

õe kommt nur im nõel (Nadel)<br />

<strong>Estnischen</strong> vor<br />

õed-vennad (Geschwister)<br />

õi kommt nur im kõik (alles)<br />

<strong>Estnischen</strong> vor<br />

sõiduplaani (Fahrplan)<br />

õu kommt nur im lõuna (Mittag)<br />

<strong>Estnischen</strong> vor<br />

nõu (Rat)<br />

oi wie „oi“ E: poiss (Junge)<br />

F: poika (Sohn)<br />

koira (H<strong>und</strong>)<br />

ou „o“ <strong>und</strong> „u“ getrennt, noutaa (abholen)<br />

kommt nur im<br />

Oulu (Stadt in Nordfinnland)<br />

<strong>Finnischen</strong> vor<br />

öy kommt nur im höyry (Dampf)<br />

<strong>Finnischen</strong> vor<br />

pöytä (Tisch)<br />

18


ui „u“ <strong>und</strong> „i“ getrennt E: kui (wie)<br />

F: kuin (wie)<br />

uo „u“ <strong>und</strong> „o“ getrennt F: tuolla (dort)<br />

vuori (Berg)<br />

yä „ü“ <strong>und</strong> „ä“ getrennt, kääntyä (abbiegen)<br />

kommt nur im<br />

täytyä (müssen)<br />

<strong>Finnischen</strong> vor<br />

yö „ü“ <strong>und</strong> „ö“ getrennt, pyörittää (drehen)<br />

kommt nur im<br />

yöllä (in der Nacht)<br />

<strong>Finnischen</strong> vor<br />

yi „ü“ <strong>und</strong> „i“ getrennt, erityisesti (besonders)<br />

kommt nur im <strong>Finnischen</strong> vor<br />

Weitere noch vorhandene Varianten (eo, iu, ja, je, jo, ju) werden hier nicht<br />

aufgeführt, weil sie genau gleich wie im Deutschen ausgesprochen<br />

werden.<br />

Die Konsonanten (Mitlaute)<br />

b wie deutsches „b“, E: bensiin (Benzin)<br />

kommt im <strong>Finnischen</strong> büroo (Büro)<br />

nur in Fremdwörtern vor leib (Brot)<br />

F: bensiini (Benzin)<br />

betoni (Beton)<br />

briketti (Brikett)<br />

c kommt nur in camping<br />

Fremdwörtern <strong>und</strong> im champion<br />

<strong>Estnischen</strong> zudem<br />

Mallorca (E+F)<br />

19


nur in Ländernamen vor Menorca (E+F)<br />

d wie deutsches „d“, E: daatum<br />

kommt am Wortanfang dialekt<br />

nur in Fremdwörtern vor kaudu (durch)<br />

midagi (etwas)<br />

F: dosentti (Dozent)<br />

draama<br />

f wie deutsches „f“, E: film<br />

kommt nur in<br />

flirtima (flirten)<br />

Fremdwörtern vor<br />

formular<br />

F: filmi<br />

flirtata (flirten)<br />

fysiikka (Physik)<br />

g wie deutsches „g“, E: gaas (Gas)<br />

kommt am Wortanfang gramm<br />

nur in Fremdwörtern vor kõrge (hoch)<br />

F: galleria<br />

gramma<br />

grilli (Grill)<br />

h wie deutsches „h“, in E: härra (Herr)<br />

beiden Sprachen einer der hea (gut)<br />

häufigsten Konsonanten hoone (Gebäude)<br />

F: herra (Herr)<br />

hyvä (gut)<br />

k wie deutsches „g“, im E: kala (Fisch<br />

<strong>Estnischen</strong> am Wortanfang kõrge (hoch)<br />

auch wie „gg“<br />

kõrv (Ohr)<br />

20


F: kala (Fisch)<br />

korkea (hoch)<br />

korva (Ohr)<br />

l wie deutsches „l“ E: laev (Schiff)<br />

linn (Stadt)<br />

F: laiva (Schiff)<br />

lintu (Vogel)<br />

m wie deutsches „m“ E: maa (Land)<br />

mina (ich)<br />

läheme (wir gehen)<br />

oleme (wir sind)<br />

F: maa (Land)<br />

minä (ich)<br />

n wie deutsches „n“ E: naine (Frau)<br />

nuga (Messer)<br />

F: nainen (Frau)<br />

nenä (Nase)<br />

p wie deutsches „b“, E: päev (Tag)<br />

im <strong>Estnischen</strong> in Verbindung preili (Fräulein)<br />

mit einem anderen<br />

F: päivä (Tag)<br />

Konsonanten wie „pp“<br />

pieni (klein)<br />

q kommt theoretisch nur E: kvaliteet (Qualität)<br />

in Fremdwörtern vor, wird kvantiteet (Quantität)<br />

aber fast immer mit „kv“ F: kvartetti (Quartett)<br />

umschrieben<br />

kvitteni (Quitte)<br />

r wie deutsches „r“; gerollt E: raha (Geld)<br />

wie in Bayern, Österreich rikas (reich)<br />

21


<strong>und</strong> in der Schweiz<br />

F: raha (Geld)<br />

rikas (reich)<br />

s wie deutsches „s“ E: sadam (Hafen)<br />

süda (Herz)<br />

F: saha (Säge)<br />

sydä (Herz)<br />

t - Estnisch: am Wortanfang E: tädi (Tante)<br />

wie deutsches „d“; im<br />

tee (Weg)<br />

Wortinneren wie deutsches teater (Theater)<br />

„t“, aber stets unbehaucht töötama (arbeiten)<br />

- Finnisch: sowohl am F: talo (Haus)<br />

Wortanfang als auch im täti (Tante)<br />

Wortinneren wie deutsches „d“ täällä (hier)<br />

v wie deutsches „w“<br />

E: vana (alt)<br />

vesi (Wasser)<br />

F: vanha (alt)<br />

vesi (Wasser)<br />

w kommt wie „q“ theoretisch E: Malaawi<br />

nur im <strong>Finnischen</strong> <strong>und</strong> F: Malawi<br />

zudem im <strong>Estnischen</strong> nur in<br />

Eigennamen vor, wird aber<br />

auch mit „v“ umschrieben<br />

x kommt nur im <strong>Finnischen</strong> <strong>und</strong> marxilainen (Marxist)<br />

nur in Fremdwörtern vor marxilaisuus (Marxismus)<br />

(E: marksist, marksism)<br />

z gleich wie „q“, „w“ <strong>und</strong> „x“, E: zhurnalist<br />

aber im <strong>Estnischen</strong> kann es zoo (Zoo)<br />

22


manchmal vorkommen, F: sikari (Zigarre)<br />

während es im <strong>Finnischen</strong> sirkus (Zirkus)<br />

mit „s“ umschrieben wird; bei Ibiza (E+F)<br />

Eigennamen auch im <strong>Finnischen</strong><br />

Die Doppelkonsonanten<br />

kk wie deutsches „kk“, aber E: kokkulepe (Verabredung)<br />

stets unbehaucht; kommt kokku lepima (verabreden)<br />

nur im Wortinneren vor F: kaikki (alles)<br />

rakkaus (Liebe)<br />

ks wie deutsches „ks“ E: üks (eins)<br />

F: yksi (eins)<br />

ll wie deutsches „ll“, kommt E: küll (ja, klar doch)<br />

nie am Wortanfang vor<br />

lill (Blume)<br />

F: kyllä (ja)<br />

illalla (am Abend)<br />

tulli (Zoll)<br />

mb wie deutsches „mb“, meie hamba (meines Zahns)<br />

kommt nur im<br />

meie hambas (in meinem Z.)<br />

<strong>Estnischen</strong> vor<br />

mm wie deutsches „mm“ E: hammas (Zahn)<br />

kümme (zehn)<br />

F: hammas (Zahn)<br />

kymmenen (zehn)<br />

tulemme (wir kommen)<br />

mp wie deutsches „mb“, kommt hampassa (im Zahn)<br />

23


nur im <strong>Finnischen</strong> vor<br />

hampassani (in meinem Z.)<br />

ng wie deutsches „ng“, aber mit E: kangad (Stoffe)<br />

mehr Betonung auf dem „g“ F: kengässä (im Schuh)<br />

nn wie deutsches „nn“ E: linn (Stadt)<br />

rannal (am Strand)<br />

F: rannalla (am Strand)<br />

pinnata (schwänzen)<br />

nt wie deutsches „nd“, antaa (geben)<br />

kommt nur im<br />

lintu (Vogel)<br />

<strong>Finnischen</strong> vor<br />

pp wie deutsches „p“, E: seppa (Schmied - im Partitiv)<br />

aber stets unbehaucht F: loppu (Ende)<br />

Seppo (Eigenname)<br />

rr wie deutsches „rr“, E: härra (Herr)<br />

stark gerollt<br />

murre (Dialekt)<br />

F: herra (Herr)<br />

Herra (Herrgott)<br />

murre (Dialekt)<br />

ss wie deutsches „ss“ E: Tallinnasse (nach Tallinn)<br />

minusse (zu mir)<br />

F: talossa (im Haus)<br />

minussa (in mir)<br />

tt wie deutsches „t“, E: mõtte (<strong>des</strong> Gedankens)<br />

aber stets unbehaucht F: tulette (ihr kommt)<br />

rahatta (ohne Geld)<br />

Alle anderen im Deutschen möglichen Varianten (bb, bk, cc, dd, ff, gg, tw,<br />

24


vv, ww, zz usw., die Auswahl ist hier fast unendlich) kommen in beiden<br />

Sprachen nicht einmal in Fremdwörtern vor.<br />

Auch bei den Konsonanten <strong>und</strong> Doppelkonsonanten muss vor allem im<br />

<strong>Finnischen</strong> auf eine genaue Unterscheidung der Aussprache geachtet<br />

werden:<br />

kylä = Dorf<br />

kyllä = ja<br />

tuli = Feuer<br />

tulli = Zoll<br />

Ich habe alle Vokale, Doppellaute, Konsonanten <strong>und</strong> Doppelkonsonanten<br />

bewusst so intensiv behandelt, damit die zum Teil deutlichen Unterschiede<br />

zwischen dem <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong>, die sich auch in diesem<br />

Bereich zeigen, deutlich gesehen werden können.<br />

Zwei Merkmale sind einzuprägen:<br />

- Das estnische „ü“ <strong>und</strong> das finnische „y“ sind in der Aussprache identisch.<br />

- Doppelkonsonanten, die nur im <strong>Finnischen</strong>, aber nicht auch im<br />

<strong>Estnischen</strong> so geschrieben werden, spricht man trotzdem oft als solche<br />

aus, vor allem das estnische „t“, aber manchmal auch noch „m“:<br />

schreiben = kirjoitama (E)<br />

kirjoittaa (F)<br />

wir sind = oleme (E)<br />

olemme (F)<br />

Da es auch noch heute trotz der allgemeinen Umgangssprachen, die sich<br />

in beiden Ländern vor allem bei der jüngsten Generation immer mehr<br />

durchgesetzt haben, aber schon vor einem halben Jahrh<strong>und</strong>ert teilweise<br />

so gesprochen wurden - weiter unten gehe ich in zwei Spezialkapiteln<br />

noch näher darauf ein -, immer noch erstaunlich viele Dialekte gibt, kann<br />

es also auch im <strong>Estnischen</strong> manchmal vorkommen, dass zum Beispiel das<br />

oben angegebene „oleme“ wie „olemme“ ausgesprochen wird.<br />

Erst jetzt, da ich jeden einzelnen Buchstaben genau vorgestellt habe,<br />

können wir zu dem übergehen, was das eigentliche Herz <strong>des</strong> <strong>Estnischen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> ausmacht - zuerst zur sogenannten Vokalharmonie <strong>und</strong><br />

25


dann zum oben erwähnten Stufenwechsel. Ohne Kenntnisse darüber, wie<br />

vor allem der letztere funktioniert, ist es nicht möglich, tiefer in diese<br />

beiden Sprachen einzusteigen, weil nicht nur die Kasus, sondern auch<br />

viele Verbformen davon abgeleitet werden.<br />

Die Vokalharmonie<br />

Auch hier zeigt sich sofort, wie sehr sich die beiden Sprachen trotz ihres<br />

Geschwister-Daseins in ein paar Bereichen halt doch deutlich<br />

unterscheiden. Während das Estnische keine Vokalharmonie kennt, ist<br />

diese im <strong>Finnischen</strong> immer noch eines der Hauptmerkmale, das es von<br />

den sogenannten agglutinierenden Sprachen, bei denen am Wortende<br />

alles Mögliche angehängt werden kann, unter den bekanntesten<br />

Sprachen mit dem Ungarischen, Türkischen <strong>und</strong> Mongolischen teilt.<br />

Gerade <strong>des</strong>halb wurde einst angenommen, dass all diese Sprachen sich<br />

aus einer gemeinsamen Ursprache entwickelt haben, <strong>und</strong><br />

zusammengefasst als finno-ugrisch-uralisch-altaische Sprachen<br />

zusammengefasst, aber heute werden das Türkische mit all seinen<br />

Verwandten - Aserbaidschanisch, Baschkirisch, Kasachisch, Kirgisisch,<br />

Tatarisch, Turkmenisch, Uigurisch, Usbekisch usw. - <strong>und</strong> das<br />

Mongolische nicht mehr so klassifiziert, sondern als eigenständige<br />

Tochtersprachen von anderen „Müttern“ betrachtet.<br />

Die Vokalharmonie bedingt im <strong>Finnischen</strong>, aber wie gerade erwähnt nicht<br />

im <strong>Estnischen</strong>, dass bei mehrsilbigen Wörtern auf den einen Vokal nur<br />

einer folgen kann, welcher der gleichen „Familie“ angehört. Dabei wird<br />

zwischen einer dunklen oder tiefen beziehungsweise einer hellen oder<br />

hohen Vokalharmonie unterschieden.<br />

Zur dunklen gehören diese Vokale: a, o, u<br />

Zur hellen gehören diese Vokale: ä, e, i, ö, y<br />

Ein paar Beispiele:<br />

talo (Haus) - talossa (im Haus)<br />

tori (Markt) - torilla (auf dem Markt)<br />

tuli (Feuer) - tulissa (im Feuer)<br />

26


lehti (Blatt) - leh<strong>des</strong>sä (im Blatt)<br />

me (wir) - meillä (bei uns)<br />

lähteä (gehen) - lähtenyt (gegangen)<br />

leikkiä (spielen) - leikkivät (sie spielen)<br />

Wenn zwei Substantive (Hauptwörter) zusammengesetzt werden, richtet<br />

sich die Vokalharmonie nur im zweiten Wort nach dem vordersten Vokal<br />

aus:<br />

sanomalehti (Zeitung) - sanomaleh<strong>des</strong>sä (in der Zeitung)<br />

Da das Estnische wie oben erwähnt keine Vokalharmonie hat, kann es zu<br />

Missverständnissen kommen, wenn nicht ganz genau hingehört wird:<br />

E: tänan - ich danke<br />

F: tänään - heute (E: täna)<br />

Die Vokalharmonie ist jedoch im Vergleich zum Stufenwechsel, den ich<br />

gleich im nächsten Kapitel vorstelle, nicht schwer anzueignen. Mit der Zeit<br />

ergibt sich die korrekte Anwendung von selbst, wenn diese Sprache<br />

regelmässig gesprochen <strong>und</strong> auch gelesen wird. Deshalb gehe ich hier<br />

nicht näher darauf ein, zudem kommt sie bei der Behandlung der Kasus<br />

(Fälle) sowieso nochmals deutlich zum Vorschein.<br />

27


Der Stufenwechsel<br />

Jetzt kommt er also, der schon lange angekündigte <strong>und</strong> versprochene<br />

Stufenwechsel, den ich als die „Crème de la crème“ der estnischen <strong>und</strong><br />

finnischen Grammatik bezeichne. Obwohl er auf den ersten Blick<br />

abschrecken mag, gibt es ähnlich wie bei der Vokalharmonie sogar hier<br />

zum Teil grammatikalische Gesetze, so dass es bis zu einem gewissen<br />

Grad ebenfalls vorhersehbar ist, welche Art von Stufenwechsel, der immer<br />

innerhalb eines Wortes am Ende <strong>des</strong> sogenannten Wortstammes erfolgt,<br />

wann <strong>und</strong> wo genau vorkommt.<br />

Als Erstes dies: Den Stufenwechsel gibt es nicht nur bei den Substantiven,<br />

sondern auch bei den Verben <strong>und</strong> Zahlwörtern, aber dafür nicht bei den<br />

Adjektiven <strong>und</strong> Adverbien, was immerhin ein kleiner Trost sein mag. Da<br />

dieser bei fast allen Wörtern dieser drei Kategorien vorkommt, muss bei<br />

den Substantiven <strong>und</strong> bei den Zahlwörtern nicht nur der Nominativ,<br />

sondern auch der Genitiv <strong>und</strong> oft auch der Partitiv, den ich bald ebenfalls<br />

vorstelle, immer mitgelernt werden, weil von diesen beiden <strong>und</strong> vor allem<br />

vom erstgenannten ausgehend auch alle anderen Kasus gebildet werden.<br />

Das Gleiche gilt bei den Verben für die Formen der ersten <strong>und</strong> dritten<br />

Person Einzahl, die immer zusammen mit den Infinitiven (Gr<strong>und</strong>formen)<br />

gelernt werden müssen. Ohne Kenntnisse darüber, auf welche Weise<br />

genau der Stufenwechsel erfolgt, ist es völlig unmöglich, in diese beiden<br />

Sprachen richtig einzusteigen.<br />

Die Fachwelt unterscheidet zwischen einem quantitativen <strong>und</strong> einem<br />

qualitativen Stufenwechsel sowie zwischen der starken <strong>und</strong> schwachen<br />

Stufe. Zur starken Stufe gehören fast alle, aber eben nicht ganz alle<br />

Substantive <strong>und</strong> Zahlwörter im Nominativ (Werfall), während zur<br />

schwachen fast alle, aber eben auch hier nicht alle Wörter gezählt werden,<br />

die sich durch den Stufenwechsel ergeben, also nicht nur im Genitiv <strong>und</strong><br />

Partitiv, sondern teilweise auch im Nominativ. Da die Kenntnis darüber,<br />

wie der Stufenwechsel abläuft, min<strong>des</strong>tens so wichtig ist wie das Wort<br />

selber, werden in allen estnischen <strong>und</strong> finnischen Lehrbüchern, die bis<br />

heute erschienen sind, meistens auch die Genitiv- <strong>und</strong> Partitivformen<br />

aufgeführt.<br />

1. Der quantitative Stufenwechsel wird in den Grammatikbüchern beider<br />

Sprachen <strong>des</strong>halb zuerst behandelt, weil er formal als etwas einfacher gilt,<br />

obwohl das nach meiner Meinung nicht immer zutrifft.<br />

28


Im <strong>Estnischen</strong> sieht es in der Reihenfolge Nominativ - Genitiv - Partitiv so<br />

aus:<br />

Fehler: viga - vea - vigad<br />

Gedanke: mõte - mõtte - mõtted<br />

Junge: poiss - poisi - poissi<br />

Loch: auk - augu - auku<br />

Schmied: sep - sepa - seppa<br />

Ware: kaup - kauba - kaupa<br />

Da man im <strong>Estnischen</strong> oft vom Partitiv ausgeht, aus dem der Genitiv<br />

gebildet wird, gelten diese Veränderungen:<br />

tt - t, ss - s, k - g, pp - p, p - b<br />

Im <strong>Finnischen</strong> sieht es so aus:<br />

Blume: kukka - kukan - kukkaa<br />

Dach: katto - katon - kattoa<br />

Fähigkeit: kyky - kyvyn - kykyä (Vokalharmonie!)<br />

Fehler: vika - vian - vikaa<br />

Genehmigung: lupa - luvan - lupaa<br />

Junge: poika - pojan - poikaa<br />

Kleid: puku - puvun - pukua<br />

Schmutz: lika - lian - likaa<br />

Strasse: katu - kadun - katua<br />

Zettel: lappu - lapun - lappua<br />

Logischerweise gibt es auch im <strong>Finnischen</strong> genauso wie im Deutschen<br />

kein Mehrzahlwort für „Schmutz“.<br />

Dass der Stufenwechsel im <strong>Finnischen</strong> rein formal etwas leichter ist als im<br />

<strong>Estnischen</strong>, zeigt sich schon hier daran, dass zumin<strong>des</strong>t in der Einzahl<br />

immer vom Nominativ ausgegangen wird <strong>und</strong> der Partitiv sich meistens<br />

29


nach diesem richtet <strong>und</strong> nicht nach dem Genitiv, hier also nach dem<br />

Schema:<br />

kk - k, k - v, pp - p, t- d, tt - t; k - „k“ verschwindet im Genitiv<br />

Der gleiche Stufenwechsel gilt auch für die Mehrzahlformen, bei diesen<br />

Wörtern sehen sie im <strong>Estnischen</strong> so aus:<br />

Fehler: vigad - vead - vigade<br />

Gedanken: mõted - mõttede - mõttid<br />

Jungen: poissed - poisad - poissid<br />

Löcher: aukid - augude - aukudid<br />

Schmiede: sepid - sepad - seppad<br />

Waren: kaupid - kaubad - kaupad<br />

Im <strong>Finnischen</strong> lauten die Mehrzahlformen so:<br />

Blumen: kukat - kukkien - kukkia<br />

Dächer: katot - kattojen - kattoja<br />

Fehler: viat - vikojen - vikoja<br />

Fähigkeiten: kykyt - kyvyjen - kykyjä<br />

Genehmigungen: lupat - luvojen - luvoja<br />

Jungen: pojat - poikjen - poikja<br />

Kleider: kadut - katujen - katuja<br />

Strassen: kadut - katujen - katuja<br />

Zettel: laput - lappujen - lappuja<br />

Schon hier können ein paar Merkmale erkannt werden, die aber nicht<br />

immer gelten:<br />

Im <strong>Estnischen</strong> enthält der Genitiv sowohl in der Einzahl als auch in der<br />

Mehrzahl ein „a“, während der Partitiv meistens auf einem „-ed“, einem „-<br />

ad“ oder auf einem „id“ endet. Dagegen kennt das Finnische in der Einzahl<br />

<strong>des</strong> Genitivs keinen Doppelkonsonanten, aber oft einen solchen in der<br />

30


Mehrzahl, der viele Male auf einem „-ien“, einem „-jen“, einem „-ojen“ oder<br />

einem „-ujen“ endet. Zudem endet der Partitiv in der Einzahl oft auf einem<br />

„-ia“, einem „-iä“, einem „-oa“, einem „-öä“ oder auf den Doppelvokalen „-<br />

aa“ <strong>und</strong> „-ää“, während die Mehrzahlformen sich meistens nach denen im<br />

Genitiv richten, also auf „-oja“ oder „-uja“ lauten. Dieses kleine<br />

Gr<strong>und</strong>wissen schon an dieser Stelle ist beim Lesen von Texten sicher<br />

nützlich.<br />

2. Der qualitative Stufenwechsel, wie ihn die Fachwelt bezeichnet, sieht<br />

im <strong>Estnischen</strong> so aus:<br />

Brot: leib - leiva - leiba (b - v- b)<br />

Gold: kuld - kulla - kulda (ld - ll - ld)<br />

Mal: kord - korra - korda (rd - rr - rd)<br />

Strand: rand - ranna - rannad (nd - nn - nd)<br />

Zahn: hammas - hamba - hambad (mm - mb - mb)<br />

Zimmer: tuba - toa - tubad (völlig unregelmässig)<br />

Zum qualitativen Stufenwechsel gehören auch die meisten Verben:<br />

glauben - ich glaube: uskuma - usun<br />

sehen - ich sehe: nägema - näen<br />

Im <strong>Finnischen</strong> sieht der qualitative Stufenwechsel so aus:<br />

Brot: leipä - leivän - leipää (p - v - p)<br />

Gold: kulta - kullan - kultaa (lt - ll - lt)<br />

Mal: kerta - kerran - kertaa (rt - rr - rt)<br />

Strand: ranta - rannan - rantaa (nt - nn - nt)<br />

Zahn: hammas - hampan - hampaa (mm - mp - mp)<br />

Zimmer: huone - huonen - huonea (kein Stufenwechsel!)<br />

31


Und bei den gleichen Verben wie oben im <strong>Estnischen</strong>:<br />

glauben - ich glaube: uskoa - usun<br />

sehen - ich sehe: nähdä - näen<br />

Auch in der Mehrzahl gelten insgesamt die gleichen Regeln wie beim<br />

quantitativen Stufenwechsel, zuerst im <strong>Estnischen</strong>:<br />

Brote: leibad - leibade - leibadid<br />

Male: kordad - korrade - kordade<br />

Strände: randade - rannade - rannadid<br />

Zähne: hammased - hambade - hambadid<br />

Zimmer: tubad - toade - tubadid<br />

Jetzt im <strong>Finnischen</strong>:<br />

Brote: leipät - leivien - leivejä<br />

Male: kertat - kertojen - kertoja<br />

Strände: rannat - rannojen - rannoja<br />

Zähne: hammat - hammojen - hammoja<br />

Zimmer: huoneet - huonejen - huoneja<br />

Genauso wie im Deutschen gibt es auch in diesen beiden Sprachen kein<br />

Mehrzahlwort für „Gold“.<br />

Auch bei den Eigennamen kommt der Stufenwechsel vor, im <strong>Finnischen</strong><br />

noch mehr als im <strong>Estnischen</strong>; die Namen direkt unter dem Querstrich<br />

rechts sind weiblich:<br />

Harri - Harrin - Harria<br />

Heikki - Heikin - Heikkiä<br />

Pertti - Pertin - Perttiä<br />

Seppo - Sepon - Seppoa<br />

Henri - Henrin - Henriä -----------------------<br />

32


Ilkka - Ilkan - Ilkkaa<br />

Martti - Martin - Marttia<br />

Matti - Matin - Mattia<br />

Pirkko - Pirkon - Pirkkoa<br />

Sinikka - Sinikan - Sinikkaa<br />

Sirkka - Sirkan - Sirkkaa<br />

Ilkka ist im <strong>Finnischen</strong> also kein Frauenname wie im Deutschen <strong>und</strong> in den<br />

skandinavischen Sprachen, wo er allerdings „Ilka“ lautet - also mit nur<br />

einem „k“ -, sondern ein Männername, der nicht einmal so selten<br />

vorkommt. Zudem wurde in Seinäjoki bei Vaasa mehr als h<strong>und</strong>ert Jahre<br />

lang eine kleine Zeitung mit diesem Namen gedruckt, die erst vor kurzem<br />

mit einer anderen kleinen Zeitung namens „Pohjalainen“ (Nordländer) zu<br />

„Ilkka-Pohjalainen“ fusioniert hat.<br />

Zur Abr<strong>und</strong>ung <strong>des</strong> Gesamtbil<strong>des</strong> führe ich auch noch den Stufenwechsel<br />

von Eigennamen auf, die im Wortinneren keinen Doppelkonsonanten<br />

haben, <strong>und</strong> zwar je zehn für beide Geschlechter:<br />

Eemil - Eemilin - Eemiliä<br />

Eero - Eeron - Eeroa<br />

Eino - Einon - Einoa<br />

Ilmari - Ilmarin - Ilmaria<br />

Juha - Juhan - Juhaa<br />

Juhani - Juhanin - Juhania<br />

Juho - Juhon - Juhoa<br />

Oiva - Oivan - Oivaa<br />

Olavi - Olavin - Olavia<br />

Risto - Riston - Ristoa<br />

Tapio - Tapion - Tapioa<br />

Tero - Teron - Teroa<br />

Arja - Arjan - Arjaa<br />

Ida - Idan - Idaa<br />

Kanerva - Kanervan - Kanervaa<br />

Leena - Leenan - Leenaa<br />

Leila - Leilan - Leilaa<br />

Marja - Marjan - Marjaa<br />

Salme - Salmen - Salmea<br />

Tiina - Tiinan - Tiinaa<br />

Tuula - Tuulan - Tuulaa<br />

Ulla - Ullan - Ullaa<br />

Ursula - Ursulan - Ursulaa<br />

Valpuri - Valpurin - Valpuria<br />

All diese Vornamen sind kein Zufall. Es trifft sich gut, wenn jemand wie ich<br />

auch nordische Wurzen hat, weil fast alle oben Aufgezählten Leute waren<br />

33


<strong>und</strong> sind, die ich kannte oder noch heute kenne; dabei waren <strong>und</strong> sind die<br />

meisten Verwandte.<br />

Bemerkenswert sind die vielen Doppelvokale im Partitiv. Gerade <strong>des</strong>halb,<br />

weil im <strong>Finnischen</strong> viele männliche Vornamen auf einem „a“ <strong>und</strong> viele<br />

weibliche auf einem „o“ enden - also genau umgekehrt zu den Vornamen,<br />

die in Süd- <strong>und</strong> Mitteleuropa geläufig sind -, werde ich schon seit<br />

Jahrzehnten für eine Frau gehalten. Das zeigte sich auch darin, dass ich<br />

immer wieder Briefe unter „Frau Juha Stump“ bekam. Wer allerdings<br />

etwas im Spitzensport bewandert war, wusste gut genug, dass Juha ein<br />

männlicher Vorname ist, weil es immer wieder einem solchen gelungen<br />

ist, international bekannt zu werden, so auch dem Leichtathleten Juha<br />

Väätäinen, der im Jahr 1971 in Helsinki, also im eigenen Land, Doppel-<br />

Europameister über 5‘000 <strong>und</strong> 10‘000 Meter wurde.<br />

Obwohl es im <strong>Estnischen</strong> im Wortinneren nur wenige Doppelkonsonanten<br />

gibt, kommt der Stufenwechsel vor allem bei den männlichen Eigennamen<br />

natürlich auch hier vor, allerdings weniger krass als im <strong>Finnischen</strong>:<br />

Isaak - Isaaki - Isaakit<br />

Karl - Karli - Karlit<br />

Rein - Reini - Reinut<br />

Liisa - Liisa - Liisat<br />

Rebeka - Rebeka - Rebekat<br />

Ritva - Ritva - Ritvat<br />

Hier zeigt es sich deutlich, dass die eigentlichen Markenzeichen <strong>des</strong><br />

estnischen Genitivs bei den männlichen Eigennamen der Vokal „i“ <strong>und</strong> bei<br />

den weiblichen der Vokal „a“ sind, während der Partitiv in beiden<br />

Geschlechtern eigentlich immer auf dem Konsonanten „t“ endet.<br />

Neben „Reinut“ enden auch bei den Nicht-Eigennamen viele Genitiv-<br />

Endungen auf „-u“ - so zum Beispiel das häufig vorkommende „raamatu“,<br />

der Genitiv von „raamat“, das „Buch“ bedeutet -, ohne dass es dafür<br />

bestimmte Regeln gibt; es muss einfach alles brav auswendig gelernt<br />

werden.<br />

Das ist insgesamt zwar nur ein kurzer Abschnitt <strong>des</strong> ganzen komplizierten<br />

Themas Stufenwechsel, aber im Kern ist das Wichtigste hier erklärt. Auch<br />

nach meiner eigenen Erfahrung ist es wenig nützlich, Dutzende von Seiten<br />

mit allen möglichen Beispielen zu füllen. Das Wichtigste ist, dass ein<br />

Gr<strong>und</strong>wissen vorhanden ist, aber um wirklich tief in die Geheimnisse <strong>des</strong><br />

Stufenwechsels einsteigen zu können, hilft am meisten das Lesen von<br />

34


Texten, aber nach dem Schema „je kürzer, <strong>des</strong>to besser“. Natürlich nützen<br />

auch Zeitungen <strong>und</strong> Zeitschriften, aber die beste Hilfe bieten in beiden<br />

Sprachen halt immer noch die biblischen Psalmen, nicht nur weil der Inhalt<br />

so besonders ist, sondern auch wegen der schlichten Tatsache, dass<br />

diese übersichtlicher sind als die meisten Texte. Zudem kommen oft die<br />

gleichen Wörter in verschiedenen Kasus im gleichen Psalm vor, so dass<br />

man auch die Art <strong>des</strong> Stufenwechsels wie auf dem Tablett serviert<br />

bekommt. Wer findet, die biblische Sprache sei für die heutige Zeit ein<br />

wenig rückständig - das ist noch fre<strong>und</strong>lich ausgedrückt -, hat im heutigen<br />

Internet-Zeitalter erst recht die Möglichkeit, moderne Texte zu lesen. Im<br />

Vergleich zu früheren Generationen ist es heute also viel leichter, sich<br />

auch in so exklusive Sprachen zu vertiefen, wie es das Estnische <strong>und</strong><br />

Finnische tatsächlich sind.<br />

35


Die Kasus (Fälle)<br />

Erst jetzt, da die Vokalhamonie <strong>und</strong> der Stufenwechsel ausdrücklich<br />

erklärt sind, ist es möglich, die mehr als zehn Kasus (Fälle) genauer<br />

anzuschauen, weil es ohne Kennnisse dieser beiden Spezialbereiche<br />

völlig unmöglich ist, weiter in die Geheimnisse dieser beiden Sprachen<br />

einzudringen.<br />

1. Der Nominativ (Werfall)<br />

Das ist die Gr<strong>und</strong>form, von der aus in jeder einzelnen Sprache die<br />

weiteren Kasus abgeleitet werden. Die acht Wörter, die ich in diesem<br />

<strong>Lehrbuch</strong> beim Vorstellen der verschiedenen Kasus verwende, sind je<br />

zwei estnische <strong>und</strong> finnische, die das Gleiche bedeuten. Sie sind nicht nur<br />

<strong>des</strong>halb gut geeignet, weil sie zu den häufigsten Wörtern gehören,<br />

sondern weil sie auch die oben vorgestellten Kapitel Vokalharmonie <strong>und</strong><br />

Stufenwechsel enthalten:<br />

D: Brief, Buch, Haus, Stadt;<br />

Briefe, Bücher, Häuser, Städte<br />

E: kiri, raamat, maja, linn;<br />

kirjad, raamatud, majad, linnad<br />

F: kirje, kirja, talo, kaupunki;<br />

kirjeet, kirjat, talot, kaupungiit (Stufenwechsel!)<br />

Schon bei diesen wenigen Wörtern kann gesehen werden, warum die<br />

Esten <strong>und</strong> Finnen sich eben nicht zu h<strong>und</strong>ert Prozent verstehen, wenn<br />

schon solche viel verwendeten Wörter völlig verschieden sind. Übrigens<br />

ist das estnische „raamat“ im <strong>Finnischen</strong> ein „raamattu“ <strong>und</strong> bedeutet dort<br />

eine Bibel, während diese im ersteren eine „piibel“ ist. Auch hier zeigt sich<br />

der jahrh<strong>und</strong>ertelange deutsche <strong>und</strong> schwedische Einfluss, aber es lässt<br />

auch erkennen, warum in früheren Zeiten die Bibel als das Buch der<br />

Bücher bezeichnet worden ist.<br />

36


So ist auch die Geschichte überliefert, dass der berühmte Schriftsteller<br />

Walter Scott auf dem Sterbebett seinen Sohn bat, ihm das Buch zu geben<br />

<strong>und</strong> auf seine beiden zusammengelegten Hände zu legen. Als der Sohn<br />

fragte, welches Buch er meinte, antwortete sein Vater: „Es gibt nur ein<br />

Buch, das so bezeichnet werden kann, nämlich die Bibel.“<br />

2. Der Genitiv (Wesfall)<br />

Was der Genitiv ist, kennen wir vom Deutschen <strong>und</strong> vielen anderen<br />

Sprachen. Im Gegensatz zu den romanischen Sprachen wie Französisch<br />

oder Italienisch <strong>und</strong> auch zu den germanischen <strong>und</strong> slawischen Sprachen<br />

in dichterischer Form steht der Genitiv im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong><br />

immer vor dem Substantiv, auf das er sich bezieht. Da von der Einzahlform<br />

<strong>des</strong> Genitivs nicht nur die Mehrzahlform, sondern auch alle anderen Kasus<br />

gebildet werden, muss diese immer zusammen mit dem Nominativ<br />

mitgelernt werden:<br />

D: <strong>des</strong> Briefes, <strong>des</strong> Buches, <strong>des</strong> Hauses, der Stadt;<br />

der Briefe, der Bücher, der Häuser, der Städte<br />

E: kirja, raamatu, maja, linna;<br />

kirjade, raamatude, majade, linnade<br />

F: kirjeen, kirjan, talon, kaupungin (Stufenwechsel!);<br />

kirjeenien, kirjojen, talojen, kaupungien (Stufenwechsel!)<br />

Ein paar Beispiele:<br />

D: Die Bibel ist das Buch der Bücher. Isaaks Ehefrau war Rebekka.<br />

E: Piibel on raamatute raamat. Isaaki abikaasa oli Rebeka.<br />

F: Raamattu on kirjojen kirja. Isaakin vaimo oli Rebekka.<br />

Im Gegensatz zum Deutschen wird im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> vor<br />

allem zwischen einer Frau <strong>und</strong> einer Ehefrau deutlich unterschieden:<br />

37


D: Mann, Männer - Ehemann, Ehemänner<br />

E: mees, meesed - abikaasa, abikaasade<br />

F: mies, miehet - aviomies, aviomiehet<br />

D: Frau, Frauen - Ehefrau, Ehefrauen<br />

E: naine, naised - abikaasa, abikaasade<br />

F: nainen, naiset - vaimo, vaimot; aviovaimo, aviovaimot<br />

rouva, rouvat<br />

Allerdings werden im <strong>Estnischen</strong> sehr oft auch nur „mees“ <strong>und</strong> „naine“<br />

sowie im <strong>Finnischen</strong> „mies“ <strong>und</strong> „nainen“ verwendet, während „rouva“ in<br />

einem solchen Fall wie das heute als veraltet geltende „Weib“ klingen<br />

würde. Abikaasa ist im <strong>Estnischen</strong> für beide Geschlechter möglich.<br />

Im <strong>Estnischen</strong> gibt es bei der Anrede einer Frau noch das Wort „proua“,<br />

während ein Fräulein im <strong>Estnischen</strong> „preili“ <strong>und</strong> im <strong>Finnischen</strong> „neiti“<br />

bedeutet. Vorsicht ist bei einem Herrn geboten, weil das estnische „Härra“,<br />

das dem finnischen „Herra“ entspricht, zwar bei Menschen verwendet<br />

werden kann, aber bei Gott <strong>und</strong> Jesus Christus durch „Isand“ ersetzt<br />

werden muss (Aussprache „Issand“, also mit zwei „s“), während es im<br />

<strong>Finnischen</strong> das gleiche Wort bleibt.<br />

Der Vollständigkeit halber führe ich hier für diese Wörter auch noch die<br />

übrigen Formen <strong>des</strong> Nominativs <strong>und</strong> Genitivs auf:<br />

D: Mann, Frau, Ehefrau, Fräulein, Herr, Gott, Herrgott<br />

E: mees, naine, abikaasa, preili, härra, Jumal, Isand<br />

F: mies, nainen, rouva, vaimo, neiti, herra, Jumala, Herra<br />

D: Männer, Frauen, Ehefrauen, Fräuleins, Herren, Götter<br />

E: meesed, naised, abikaasade, preilid, härrased, jumalad<br />

F: miehet, naiset, rouvat, vaimot, neitit, herrat, jumalat<br />

38


Im Genitiv lauten all diese Wörter so:<br />

E: meese, naise, abikaasa, preili, härra, Jumala, Isanda;<br />

meesede, naisede, abikaasade, preilide, härrade, jumalade,<br />

Issande<br />

F: miehen, naisen, rouvan, vaimon, neitin, herran, Jumalan, Herran;<br />

miehien, naisien, rouvajen, vaimojen, neitjen, herrajen, jumalojen<br />

Rein formal ist der Genitiv im <strong>Estnischen</strong> etwas schwieriger zu bilden als<br />

im <strong>Finnischen</strong>, weil er in vielen Wörtern sowohl in der Einzahl als auch in<br />

der Mehrzahl mit dem Nominativ identisch ist <strong>und</strong> es keine festen Regeln<br />

dafür gibt, wann sie identisch sind <strong>und</strong> wann nicht - es ist ganz einfach so.<br />

Dagegen endet im <strong>Finnischen</strong> je<strong>des</strong> einzelne Genitiv-Wort ohne<br />

Ausnahme auf einem „n“.<br />

Auch im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> gilt die Regel, dass für Gott immer ein<br />

Grossbuchstabe geschrieben wird, während immer ein Kleinbuchstabe<br />

verwendet werden muss, wenn von Göttern die Rede ist:<br />

D: Gott ist der Herr der Welt. Das sind die Götter der Welt.<br />

E: Jumal on maailma Isand. Need on maailma jumalad.<br />

F: Jumala on maailman Herra. Nämät ovat maailman jumalat.<br />

Bei festen Begriffen wird immer ein Grossbuchstabe verwendet:<br />

D: Jesus Christus ist Gottes Sohn <strong>und</strong> der Retter der Welt.<br />

E: Jeesus Kristus on Jumala Poeg ja maailma Päästja.<br />

F: Jeesus Kristus on Jumalan Poika ja maailman Pelastaja.<br />

D: Die Republik Estland <strong>und</strong> die Republik Finnland.<br />

E: Eesti Vabariik ja Soomemaa Vabariik.<br />

F: Viron Tasavalta ja Suomen Tasavalta.<br />

39


Das gilt aber nicht, wenn zum Beispiel nur von einer Stadt die Rede ist,<br />

sogar wenn es sich um eine Hauptstadt handelt:<br />

D: Tallinn <strong>und</strong> Helsinki sind die Hauptstädte von Estland <strong>und</strong> Finnland.<br />

E: Tallinn ja Helsinki on Eestimaa ja Soomemaa pealinnad.<br />

F: Tallinn ja Helsinki ovat Viron ja Suomen pääkaupungiit.<br />

„Viro“ heisst im <strong>Finnischen</strong> tatsächlich Estland, dementsprechend ist ein<br />

„virolainen“ ein Este <strong>und</strong> die „virolaiset“ sind die Esten. Allerdings gibt es<br />

auch noch die Wörter „Eesti“ <strong>und</strong> „eestiläinen“, die aber nicht so oft<br />

verwendet werden wie die beiden anderen.<br />

Auch hier sind entscheidende Unterschiede zwischen den beiden<br />

Sprachen zu erkennen, wobei das Estnische erneut etwas schwieriger ist:<br />

Während im <strong>Finnischen</strong> alle Genitivformen auf einem „-n“ enden, können<br />

sie im <strong>Estnischen</strong> auf allen Vokalen enden, also gleich in fünf Varianten:<br />

a, e, i, o, u<br />

Nominativ Genitiv Nom. Pl. Gen. Pl.<br />

Bruder vend venna vennad vennade<br />

Brot leiba leiva leivad leivade<br />

Antwort vastus vastuse vastused vastuse<br />

Hotel hotell hotelli hotellid hotellide<br />

Arzt arts artsi artsid artside<br />

Verlust kadu kao kaod kaode<br />

Buch raamat raamatu raamatid raamatude<br />

Loch auku augu augud augude<br />

Immerhin kann eingeprägt werden, dass vom Genitiv Einzahl wie oben<br />

erwähnt nicht nur die Mehrzahl, sondern auch alle anderen Kasus gebildet<br />

werden. Dagegen kann im <strong>Finnischen</strong> die Mehrzahl immer an den<br />

Endungen erkannt werden, die aber in allen acht möglichen Varianten<br />

auftritt:<br />

40


-at, -ät, -et, it, -ot, -öt, -ut, -yt<br />

Nominativ Genitiv Nom. Pl. Gen. Pl.<br />

Krieg sota sodan sodat sodajen<br />

Auge silmä silmän silmät silmien<br />

Boot vene venen venet venejen<br />

Fräulein neiti neitin neidit neitjen<br />

Wurm mato maton matot matojen<br />

Mädchen tyttö tytön tyttöt tyttöjen<br />

Zettel lappu lapun lapput lappujen<br />

Herbst syksy syksyn syksyt syksyjen<br />

Auch hier finden verschiedene Stufenwechsel statt (tyttö - tytön, lappu -<br />

lapun), zudem verändert sich das „t“ manchmal in ein „d“ (sota - sodan).<br />

Trotzdem sind die finnischen Formen insgesamt leichter einzuprägen, vor<br />

allem die im Genitiv der Mehrzahl, die immer auf „-jen“ enden.<br />

Dass das Estnische im Bereich <strong>des</strong> Genitivs etwas schwieriger ist als das<br />

Finnische, zeigt sich auch darin, dass hier der Genitiv Einzahl mit dem<br />

Nominativ Einzahl vor allem bei Fremdwörtern identisch ist:<br />

auto - auto<br />

raadio - raadio<br />

Dagegen gibt es bei den Städtenamen keine bestimmte Regel:<br />

Tallinn - Tallinna<br />

Tartu - Tartu<br />

Mainz - Mainzi<br />

Der Genitiv wird auch dann verwendet, wenn ein Besitz angezeigt wird:<br />

D: Dieses Haus gehört mir. Das Buch gehört der Stadt.<br />

41


E: See maja on minu. Raamat on linna.<br />

F: Tämä talo on minun. Kirja on kaupungin.<br />

D: Dieser Junge gehört nicht dir, sondern mir! (sagt ein eifersüchtiges<br />

Mädchen zum anderen).<br />

E: See poiss ei ole sinu, aga minu!<br />

F: Tämä poika ei ole sinun, mutta minun!<br />

Wenn der Besitzer ein Personalpronomen ist, wird in solchen Sätzen vor<br />

allem im <strong>Estnischen</strong> meistens auch noch das Wort „oma“ hinzugefügt, das<br />

„eigen“ bedeutet:<br />

E: See maja on minu oma.<br />

See poiss ei ole sinu oma, aga minu oma!<br />

F: Tämä talo on minun oma.<br />

Tämä poika ei ole sinun oma, mutta minun oma!<br />

42


3. Der Akkusativ (Wenfall)<br />

Dieser Kasus kommt heute nur noch im <strong>Finnischen</strong> vor, während er im<br />

<strong>Estnischen</strong> mit dem Partitiv, den ich gleich weiter unten vorstellen werde,<br />

schon vor langer Zeit verschmolzen ist. Die Bildung ist leicht, weil die<br />

Einzahlformen mit dem Genitiv Einzahl <strong>und</strong> die Mehrzahlformen mit dem<br />

Nominativ Mehrzahl identisch sind:<br />

D: Haus = talo <strong>des</strong> Hauses = talon die Häuser = talot<br />

D: Ich sehe das Haus. Ich sehe die Häuser.<br />

F: Minä näen talon. Minä näen talot.<br />

D: Brot = leipä <strong>des</strong> Brotes = leivän die Brote = leivät<br />

D: Ich will das Brot (<strong>und</strong> zwar den ganzen Laib).<br />

F: Haluan leivän.<br />

D: Ich will die Brote. Wen siehst du? Ich sehe dich.<br />

F: Haluan leivät. Kenet sinä näet? Minä näen sinut.<br />

Da das Finnische jedoch äusserst nuancenreich ist - sogar noch mehr als<br />

das Estnische, das solche Feinheiten nicht mehr aufweist -, kommt der<br />

Akkusativ in den Alltagsgesprächen viel weniger vor als der Partitiv, der<br />

gleich unten drankommt <strong>und</strong> sozusagen sein Zwilling ist. Im schriftlichen<br />

Gebrauch <strong>und</strong> besonders in Zeitungen <strong>und</strong> Zeitschriften kann er aber noch<br />

oft gesehen werden. Als Faustregel gilt, dass der Akkusativ vor allem bei<br />

Sachen, also nicht belebten Dingen, verwendet wird.<br />

43


4. Der Partitiv (Teilungsfall)<br />

Das ist in beiden Sprachen <strong>und</strong> besonders im <strong>Finnischen</strong> DER Fall, um<br />

den sich die ganze Welt der Fälle dreht, <strong>und</strong> er gilt mit gutem Recht als<br />

der schwierigste, weil mit ihm viele Funktionen verb<strong>und</strong>en sind. Allerdings<br />

kann auch dieser gemeistert werden, wenn die bestimmten Regeln, die<br />

ich gleich eine nach der anderen behandeln werde, immer gut beachtet<br />

werden. Als Kernstück gilt, dass jede einzelne Partitivform zusammen mit<br />

jener <strong>des</strong> Genitivs beherrscht werden muss, wenn jemand auch nur in<br />

Ansätzen ein Gespräch führen will. Deshalb stehen in vielen<br />

Wörterbüchern neben dem Nominativ Einzahl gleich auch noch jene im<br />

Genitiv <strong>und</strong> Partitiv, <strong>und</strong> ich verfüge sogar noch über ein <strong>Lehrbuch</strong>, in dem<br />

auch noch der Genitiv <strong>und</strong> Partitiv in der Mehrzahlform stehen. Ganz<br />

unten werde ich noch auf die Lehrmittel hinweisen, die ich zum Verfassen<br />

dieses Buches mitbenützt habe.<br />

Grob eingeteilt gibt es sieben Gruppen, in denen der Partitiv zum Zug<br />

kommt.<br />

a) Wenn von einer Teilmenge die Rede ist:<br />

Nominativ Partitiv Nominativ Partitiv<br />

D: das Brot Brot die Milch Milch<br />

E: leib leiba piim piima<br />

F: leipä leipää maito maitoa<br />

Das ergibt diese Sätze:<br />

D: Ich möchte Brot. Ich möchte Milch.<br />

E: Mina tahan leiba. Mina tahan piima.<br />

F: Minä haluan leipää. Minä haluan maitoa.<br />

Das Wort „piimä“ gibt es im <strong>Finnischen</strong> auch, nur ist es dort eine köstlich<br />

schmeckende Sauermilch, die im Partitiv also „piimää“ heisst. Sauermilch<br />

wiederum heisst im <strong>Estnischen</strong> „hapupiim“.<br />

44


Bevor ich weiterfahre, sei dies klargestellt: In beiden Sprachen gibt es für<br />

„ich“ je eine verkürzte Form (ma, mä), die in den Alltagsgesprächen häufig<br />

vorkommt, aber nicht immer. So sind also auch die langen Varianten<br />

(mina, minä usw.) zu hören, was mit ein Gr<strong>und</strong> dafür ist, warum ich in<br />

diesem <strong>Lehrbuch</strong> in allen Beispielsätzen immer diese verwende, <strong>und</strong> das<br />

gilt auch für die anderen Personen:<br />

du = sina (E), sinä (F)<br />

wir = meie, me (E); me (F)<br />

ihr = teie, te (E); te (F)<br />

er/sie = tema, ta (E); hän (F)<br />

es = tema, ta (E); se (F)<br />

sie (Pl.) = nemad, nad (E); he (F)<br />

Auch hier sind wieder klare Unterschiede zu erkennen, die sich im<br />

<strong>Finnischen</strong> darin zeigen, dass das Wort, das auf einem Vokal endet, einen<br />

zusätzlichen gleichen Vokal bekommt (piimää) oder auf einem „a“ endet<br />

(maitoa). Dagegen enden beide Wörter im <strong>Estnischen</strong> auf einem „a“, das<br />

einfach an den letzten Konsonanten angehängt wird. Oft wird der<br />

estnische Partitiv auf diese Weise gebildet, aber eben nicht immer. Auch<br />

hier empfiehlt sich dieses einfache Rezept, um sich alles richtig<br />

einzuprägen: Möglichst viel lesen <strong>und</strong> möglichst einfache Texte. Da der<br />

Partitiv einer der häufigsten Fälle ist, können alle schon noch früh genug<br />

in die Geheimnisse dieses besonderen Kasus eindringen.<br />

Weiter kommt der Partitiv vor:<br />

b) Immer nach Zahlen, wenn der Kasus wie in anderen Sprachen der<br />

Nominativ ist:<br />

zwei Brote E: kaks leiba drei Zimmer E: kolm tubad<br />

F: kaksi leipää F: kolme huonetta<br />

Diese Partitiv-Regel gilt jedoch nicht, wenn das Zahlwort selber in einen<br />

anderen Fall als den Nominativ eingeb<strong>und</strong>en ist, wobei das bezügliche<br />

Wort immer in der Einzahl <strong>und</strong> zudem im Genitiv steht:<br />

D: Ich möchte zwei Brote. Wir möchten drei Zimmer.<br />

E: Mina tahan kahe leiba. Meie tahame kolme tubad.<br />

F: Minä haluan kahden leipää. Me haluamme kolmen huonetta.<br />

45


Auf die Deklination der Zahlen gehe ich erst weiter unten in einem eigenen<br />

Kapitel näher ein.<br />

Weiter kommt der Partitiv vor:<br />

c) Bei einer Aussage in der Mehrzahl, wobei dann das betreffende Wort in<br />

der Einzahl steht, die zumin<strong>des</strong>t hier im <strong>Estnischen</strong> mit dem Nominativ<br />

Mehrzahl identisch ist:<br />

D: Wir sind Esten <strong>und</strong> Finnen.<br />

E: Me oleme eestlased ja soomlased.<br />

F: Me olemme virolaisia ja suomalaisia.<br />

D: Sie sind gute Männer <strong>und</strong> Frauen.<br />

E: Nemad on head mehed ja naised.<br />

F: He ovat hyviä miehiä ja rouvaa.<br />

Allerdings ist diese Regel im <strong>Estnischen</strong> nicht so scharf wie im <strong>Finnischen</strong>,<br />

es kann also durchaus auch ein Nominativ durchrutschen.<br />

Wenn ein Satz mit einem bestimmten Substantiv selber beginnt, steht aber<br />

der Nominativ, ansonsten im <strong>Finnischen</strong> wieder der Partitiv Einzahl:<br />

D: Die Esten <strong>und</strong> Finnen sind hier. aber: Esten <strong>und</strong> Finnen sind hier.<br />

E: Eestlased ja soomlased on siin. gleich wie nebenan<br />

F: Virolaiset ja suomalaiset ovat täällä. Virolaisia ja suomalaisia…<br />

d) Wenn Gefühle im Spiel sind:<br />

D: Ich sehe dich. (nüchterne Aussage) Ich liebe dich. (Gefühl)<br />

E: Mina näen sind. Mina armastan sind.<br />

F: Minä näen sinut. (Akkusativ) Minä rakastan sinua. (Partitiv)<br />

46


Da im <strong>Estnischen</strong> der Akkusativ wie oben erwähnt mit dem Partitiv<br />

identisch ist, steht beide Male „sind“, aber im <strong>Finnischen</strong> wird noch<br />

unterschieden. Als Faustregel kann eingeprägt werden, dass in einem<br />

Zweifelsfall der Partitiv an Stelle <strong>des</strong> Akkusativs immer korrekt ist, wenn<br />

Personen <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en die Personalpronomina (ich, du, er, sie,<br />

wir, ihr, sie) verwendet werden:<br />

Ich sehe die Frau. (nüchtern)<br />

Ich sehe die Frau. (Gefühl)<br />

Minä näen rouvan.<br />

Minä näen rouvaa.<br />

e) Bei Verben wie „helfen“:<br />

D: Ich helfe dir.<br />

E: Mina aitan sind. (Infinitiv = aitama)<br />

F: Minä autan sinua. (Infinitiv = auttaa)<br />

Der Dativ, der im deutschen Denken hier logisch wäre, ist also falsch.<br />

f) Es wird vor allem im <strong>Finnischen</strong> sogar zwischen einem andauernden<br />

<strong>und</strong> nur vorübergehenden Zustand unterschieden:<br />

D: Sie ist (ständig) krank. Sie ist (jetzt) krank.<br />

E: Tema on (alati) haige. Tema on (nüüd) haige/haiged.<br />

F: Hän on (aina) sairas. Hän on (nyt) sairaa.<br />

Allerdings ist es vor allem im <strong>Estnischen</strong> nicht besonders tragisch, wenn<br />

manchmal auch ein Nominativ durchrutscht (<strong>des</strong>halb haige/haiged).<br />

Das gilt in beiden Sprachen auch für das Objekt einer Handlung in der<br />

Gegenwart, wobei dann im <strong>Estnischen</strong> an Stelle <strong>des</strong> Akkusativs, der ja mit<br />

dem Partitiv identisch ist, der Genitiv steht:<br />

D: Ich lese ein/das Buch. Ich lese gerade ein/das Buch.<br />

(<strong>und</strong> zwar fertig)<br />

47<br />

(<strong>und</strong> es ist nicht sicher, ob ich es<br />

fertig lesen werde)


E: Mina loen raamatu. (Genitiv) Mina loen raamatut. (Partitiv)<br />

F: Minä luen kirjan. (Akkusativ) Minä luen kirjaa. (Partitiv)<br />

Durch diese Zusatzfunktion ist der Genitiv im <strong>Estnischen</strong> formal<br />

umfangreicher <strong>und</strong> damit auch wichtiger als im <strong>Finnischen</strong>.<br />

g) In allen Sätzen, die eine Verneinung enthalten:<br />

D: Du bist gut. Du bist nicht gut.<br />

E: Sina oled hea. Sina ei ole head. (sa pole hea *)<br />

F: Sinä olet hyvä. Sinä et ole hyvää.<br />

* Das gehört zur allgemeinen estnischen Umgangssprache, die beim Verb<br />

„sein“ auch bei einer Verneinung meistens nur den Nominativ verwendet.<br />

Weiter unten widme ich ihr noch ein eigenes Kapitel.<br />

D: Wir sehen das Haus. Wir sehen das Haus nicht.<br />

E: Meie näeme majat. Meie ei näe majat.<br />

F: Me näemme talon. Me emme näe taloa.<br />

Während im <strong>Estnischen</strong> die Verneinung bei allen Personen „ei“ lautet, gibt<br />

es im <strong>Finnischen</strong> dafür eine Spezialdeklination, auf die ich weiter unten<br />

noch näher eingehen werde. Als kleinen Vorgeschmack führe ich hier alle<br />

sechs Varianten auf:<br />

en, et, ei, emme, ette, eivät<br />

Allerdings gibt es im <strong>Finnischen</strong> beim Partitiv zwei bemerkenswerte<br />

Ausnahmen: Bei den Wörtern „nälkä“ (Hunger) <strong>und</strong> „jano“ (Durst). Auch<br />

bei einer Verneinung bleiben sie unverändert, weil solche Ausdrücke zu<br />

den sogenannten festen Redewendungen gehören:<br />

Ich habe Hunger.<br />

Minulla on nälkä.<br />

48<br />

Ich habe Durst.<br />

Minulla on jano.


Ich habe keinen Hunger.<br />

Minulla ei ole nälkä.<br />

(also nicht „nälkää“)<br />

Ich habe keinen Durst.<br />

Minulla ei ole jano.<br />

(also nicht „janoa“)<br />

Zum Schluss dieses Kapitels ist noch dies klarzustellen: Da ich das<br />

Estnische wegen meiner eigenen Herkunft weniger gut kenne als das<br />

Finnische, ist es möglich, dass bei den Partitiv-Endungen der Einzahl im<br />

weiteren Verlauf dieses Buches der eine oder andere falsche Konsonant<br />

durchrutscht. Es ist eine ständige Gratwanderung zwischen einem „d“ <strong>und</strong><br />

einem „t“, aber die Aussprache ist wenigstens fast identisch. Ich schreibe<br />

hier vom Partitiv der Einzahl, weil die Mehrzahl sowohl im <strong>Estnischen</strong> als<br />

auch im <strong>Finnischen</strong> deutlich seltener vorkommt als die Einzahl.<br />

------------------------------------------------<br />

Die bisher vorgestellten vier Fälle sind - abgesehen vom Partitiv - die<br />

gleichen, die auch in fast allen anderen bekannten europäischen<br />

Sprachen die sogenannten Gr<strong>und</strong>fälle sind. Es gibt auch noch andere<br />

Bezeichnungen, aber „Gr<strong>und</strong>fall“ ist für mich die klarste. Von jetzt an<br />

betreten wir ein neues Gelände, <strong>und</strong> zwar ein noch viel grösseres,<br />

längeres <strong>und</strong> breiteres, als die einen oder anderen das vom Latein oder<br />

vom Russischen her kennen. Die nächsten sechs Fälle, die hier vorgestellt<br />

werden, sind genauso wichtig wie die bisher vorgestellten <strong>und</strong> kommen<br />

nicht nur in der Schriftsprache, sondern auch in den mündlichen<br />

Gesprächen genauso oft vor. Dabei wird zwischen zwei Gruppen von je<br />

drei Fällen unterschieden, von denen die einen als die inneren Lokalkasus<br />

<strong>und</strong> die anderen als die äusseren Lokalkasus bezeichnet werden. Warum<br />

das so ist, wird schnell deutlich, wenn jeder einzelne Fall näher<br />

angeschaut wird.<br />

Zuerst kommen die inneren Lokalkasus, die sowohl in den estnischen als<br />

auch in den finnischen Grammatikbüchern immer direkt nach den<br />

sogenannten Gr<strong>und</strong>fällen folgen.<br />

49


5. Der Inessiv (Wo-Fall I)<br />

Dieser Fall wird immer dann verwendet, wenn auf diese Fragen<br />

geantwortet wird: Wo? Worin? In wem? Wann? Tatsächlich werden in<br />

diesem Fall auch Zeiten angegeben, aber auch noch in anderen.<br />

Die Endungen sind in beiden Sprachen diese:<br />

Estnisch: -s, -as, -es, -is<br />

Finnisch: -ssa, -ssä<br />

D: Haus Im Haus. In diesem Haus. In diesen Häusern.<br />

E: Maja Majas. Selles majas. Nen<strong>des</strong> maja<strong>des</strong>.<br />

F: Talo Talossa. Tässä talossa. Näissä taloissa.<br />

D: Museum Im Museum. In den Museen.<br />

E: Muuseum Muuseumis. Muuseumi<strong>des</strong>.<br />

F: Museo. Museossa. Museoissa.<br />

Das Kennzeichen für den finnischen Nominativ Mehrzahl, von dem aus<br />

alle weiteren Fälle gebildet werden, ist der dazwischengeschobene Vokal<br />

„i“, wie wir weiter unten noch sehen werden.<br />

D: Sie wohnt in Estland, in der Hauptstadt Tallinn, <strong>und</strong> ich wohne in<br />

Finnland, in der Hauptstadt Helsinki.<br />

E: Tema elab Eestimaas, pealinnas Tallinnas, ja mina elan Soomemaas,<br />

pealinnas Helsingis.<br />

F: Hän asuu Virossa, pääkaupungissa Tallinissa, ja minä asun Suomessa,<br />

pääkaupungissa Helsingissä.<br />

50


Bei einer solchen Aussage müssen also beide Ortsnamen im Inessiv<br />

stehen. Auch hier ist bei „pääkaupungissa“ <strong>und</strong> „Helsingissä“ ein<br />

Stufenwechsel zu erkennen.<br />

Zu den estnischen Wörtern „Eestimaa“ <strong>und</strong> „Soomemaa“ gibt es noch dies<br />

anzumerken: Während das letztere immer so verwendet wird, kommt beim<br />

ersteren auch noch „Eesti“ oft zum Zug, vor allem bei Musik- <strong>und</strong><br />

Sportveranstaltungen, wenn es besonders patriotisch zu- <strong>und</strong> hergeht.<br />

Der Unterschied kann am besten bei einem Vergleich mit der Schweiz<br />

erkannt werden, das vor allem in alten Liedern auch als Schweizerland<br />

bezeichnet wird. Meine bevorzugte Variante ist die mit dem Anhängsel<br />

„maa“, das in beiden Sprachen „Land“ bedeutet, weil „Eesti“ dadurch, dass<br />

es auch die Genitivform ist, manchmal auch zu Missverständnissen führen<br />

kann. Ganz unten, wo ich alle bekannten Ländernamen aufführe, wird<br />

noch zu sehen sein, dass dieses „maa“ im <strong>Estnischen</strong> noch an viele<br />

Ländernamen angehängt wird, während das Finnische eigene<br />

Bezeichnungen ohne „maa“ verwendet.<br />

D: In dir habe ich alles. Du bist immer in meinem Herzen.<br />

E: Sinus minul on kõik. Sina oled alati minu südas.<br />

F: Sinussa minulla on kaikki. Sinä olet aina (minun) sydässäni. *<br />

D: Herz Im Herzen. In den Herzen. Du bist in unseren Herzen.<br />

E: Süda Südas. Süda<strong>des</strong>. Sina oled meie süda<strong>des</strong>.<br />

F: Sydä Sydässä. Sydäissä. Sinä olet sydäissämme.<br />

* Es fällt auf, dass die beiden Sprachen sich auch bei den<br />

Possessivpronomina, also bei den besitzanzeigenden Fürwörtern,<br />

deutlich voneinander unterscheiden, aber auch das werde ich erst weiter<br />

unten näher behandeln.<br />

D: In diesem Hotel ist das Essen nicht gut.<br />

E: Selles hotellis söök ei ole head.<br />

F: Tässä hotellissa ruoka ei ole hyvää.<br />

51


Auch für „dieser“ usw. gibt es eigene Deklinationen, wie wir weiter unten<br />

noch sehen werden.<br />

D: Wir kommen im Dezember.<br />

E: Meie tuleme detsembris/joulukuus.<br />

F: Me tulemme joulukuussa.<br />

Während im heutigen <strong>Estnischen</strong> die international bekannten lateinischen<br />

Monatsnamen verwendet werden <strong>und</strong> jene, die zum Teil mit den<br />

finnischen identisch sind, nur noch in alten Schriften oder in der<br />

dichterischen Sprache vorkommen, gibt es im <strong>Finnischen</strong> immer noch die<br />

alten, die von Vorgängen in der Natur oder wie im Fall <strong>des</strong> Dezembers<br />

von den Weihnachten abgeleitet werden. So bedeutet dieses „joulu“ <strong>und</strong><br />

zusammen mit „kuu“ (Monat) ergibt sich der Weihnachtsmonat.<br />

Auch solche Ausdrücke kommen im Inessiv vor:<br />

D: Ich schwimme gerade, ich bin beim Schwimmen.<br />

E: Mina olen ujumas.<br />

F: Minä olen uimassa.<br />

(uimassa = Umgangsssprache - in der Schriftsprache heisst es „uidassa“,<br />

weil der Infinitiv offiziell „uida“ lautet)<br />

D: Wir sitzen gerade <strong>und</strong> essen.<br />

E: Meie istumame söömas.<br />

F: Me istumme syömässä.<br />

(in der Schriftsprache heisst es „syödässä“, weil der Infinitiv „syödä“ lautet)<br />

D: Er steht <strong>und</strong> wartet auf den Bus.<br />

E: Tema seisab ootamas bussit. (Infinitiv: ootama)<br />

F: Hän seisoo odottamassa bussia. (Infinitiv: odottaa)<br />

52


6. Der Illativ (Wohin-Fall I)<br />

Dieser Fall wird immer dann verwendet, wenn auf diese Frage geantwortet<br />

wird: Wohin? Wo hinein? In wen? In welches?<br />

Die Endungen sind in beiden Sprachen diese:<br />

Estnisch: - sse, -esse, -isse<br />

Finnisch: - n, -iin, -seen (Einzahl)<br />

-n, -hin, - siin (Mehrzahl)<br />

Auch an dieser Anzahl von Endungen zeigt es sich, um wie viel<br />

schwieriger das Finnische manchmal ist, <strong>und</strong> gerade dieser Kasus gehört<br />

rein formal zu den schwierigsten:<br />

D: Ich gehe zu diesem Haus. Wir gehen zu diesen Häusern.<br />

E: Mina lähen sellesse majasse. Me läheme nen<strong>des</strong>se maja<strong>des</strong>se.<br />

F: Minä menen tähän taloon. Me menemme näihin taloihiin.<br />

D: Sie geht nach Estland, nach der Hauptstadt Tallinn, <strong>und</strong> ich gehe nach<br />

Finnland, nach der Hauptstadt Helsinki.<br />

E: Tema läheb Eestisse, pealinnasse Tallinnasse, ja mina lähen<br />

Soomemaasse, pealinnasse Helsingisse.<br />

F: Hän menee Viroon, pääkaupungiin Tallinniin, ja minä menen Suomeen,<br />

pääkaupungiin Helsinkiin.<br />

D: Ich gehe zu dir hinein, in dein Herz.<br />

E: Mina lähen sinusse, sinu südasse.<br />

F: Minä menen sinään, sinun sydääsi.<br />

(Verschmelzung von „sydään“ mit der Possessiv-Endung „-si“)<br />

53


Es fällt auf, dass im <strong>Finnischen</strong> ein Wort, das auf einem Vokal endet, zu<br />

einem mit Doppelvokal <strong>und</strong> der Endung „-n“ verändert wird. Dabei kommt<br />

es natürlich auch in diesem Kasus zu Stufenwechseln.<br />

Haus: Ich gehe ins Haus hinein.<br />

Talo: Minä menen taloon.<br />

Stadt: Ich gehe in die Stadt hinein.<br />

Kaupunki: Minä menen kaupungiin.<br />

Es gibt im <strong>Estnischen</strong> auch Ausnahmen:<br />

Ich gehe ins Hotel.<br />

Wir gehen in die Stadt.<br />

Mina lähen hotelli.<br />

Meie läheme linna.<br />

(also nicht „hotellisse“ <strong>und</strong> „linnasse“)<br />

Dagegen im <strong>Finnischen</strong>: Minä menen hotelliin, menemme kaupungiin.<br />

Was im Inessiv möglich ist, kann auch im Illativ vorkommen:<br />

D: Wir gehen schwimmen. Das Kind lernte lesen.<br />

E: Meie läheme ujuma. * Laps õppis lugema. *<br />

F: Me menemme uimaan. Lapsi oppi lukemaan.<br />

(Schriftsprache = uidaan) (Infinitiv = lukea)<br />

* Im <strong>Estnischen</strong> sind der Infinitiv <strong>und</strong> die entsprechende Illativform<br />

identisch, weiter unten gehe ich noch näher darauf ein.<br />

Wenn jemand sich verlobt oder verheiratet, kommt im <strong>Finnischen</strong> für alle<br />

Personen der Illativ zum Zug:<br />

wir verloben uns = menemme kihloihin (meistens ohne „me“ bei „mennä“)<br />

wir heiraten<br />

= menemme naimisiin<br />

Der entsprechende Zivilstand steht aber im Inessiv:<br />

wir sind verlobt = me olemme kihloissa<br />

wir sind verheiratet = me olemme naimisissa<br />

54


7. Der Elativ (Woher-Fall I, Woraus-Fall, Wovon-Fall I)<br />

Dieser Fall wird immer dann verwendet, wenn auf diese Fragen<br />

geantwortet wird: Woher? Woraus? Aus wem? Wovon?<br />

Die Endungen sind in beiden Sprachen diese:<br />

Estnisch: -st, -ast, -est, -ist<br />

Finnisch: -sta, - stä<br />

D: Ich komme aus diesem Haus. Wir kommen aus diesen Häusern.<br />

E: Mina tulen sellest majast. Meie tuleme nen<strong>des</strong>t maja<strong>des</strong>t.<br />

F: Minä tulen tästä talosta. Me tulemme näistä taloista.<br />

Auch hier ist im <strong>Finnischen</strong> wieder das „ i“, der dazwischengeschobene<br />

Vokal als Kennzeichen der Mehrzahl, zu erkennen.<br />

D: Sie kommt aus Estland, der Hauptstadt Tallinn, <strong>und</strong> ich komme aus<br />

Finnland, der Hauptstadt Helsinki.<br />

E:Ta tuleb Eestimaast, pealinnast Tallinnast, ja mina tulen Soomemaast,<br />

pealinnast Helsingist.<br />

F: Hän tulee Virosta, pääkaupungista Tallinnista, ja minä tulen Suomesta,<br />

pääkaupungista Helsingistä.<br />

Es ist auch wieder zu erkennen, dass beide Ortsnamen im Elativ stehen<br />

müssen.<br />

D: Von dir (bzw. aus dir) kommt alles.<br />

E: Sinust tuleb kõik.<br />

F: Sinusta tulee kaikki.<br />

55


Der Elativ wird auch verwendet, wenn für etwas gedankt, von jemandem<br />

oder etwas gesprochen oder ausgedrückt wird, woraus etwas beschaffen<br />

ist:<br />

D: Danke für alles! Danke für den Kaffee!<br />

E: Aitäh kõigest! Aitäh kohvist!<br />

F: Kiitos kaikesta! Kiitos kahvista!<br />

D: Wir sprechen von dir. Sie sprechen von diesem Buch.<br />

E: Meie räägime sinust. Nemad räägivad sellest raamatust.<br />

F: Me puhumme sinusta. He puhuvat tästä kirjasta.<br />

D: Dieses Haus ist nur aus Holz.<br />

E: See maja on ainult puust.<br />

F: Tämä talo on vain puusta.<br />

Wie im Inessiv <strong>und</strong> Illativ kann ein Verb auch im Elativ stehen:<br />

D: Ich komme vom Schwimmen. Wir kommen vom Essen.<br />

E: Mina tulen ujumast. Meie tuleme söömast.<br />

F: Minä tulen uimasta. Me tulemme syömästä.<br />

(Schriftsprache = uidasta) (Schriftsprache = syödästä)<br />

Auch solche Sätze sind möglich:<br />

D: Er wird Arzt. (eigentlich: er wird ein Arzt)<br />

E: Temast tuleb arst. (aus ihm kommt ein Arzt hervor)<br />

F: Hänestä tulee lääkäri.<br />

Aber auch bei solchen Ausdrücken kann er im <strong>Finnischen</strong> vorkommen:<br />

Ich mag dich.<br />

Ich habe Leena gern.<br />

56


Minä pidän sinusta.<br />

(mögen = pitää)<br />

Minä tykään Leenasta.<br />

(gern haben= tykätä)<br />

Wer gut Schwedisch kann, wird erkennen, dass „tykätä“ entweder vom<br />

Schwedischen stammt oder für einmal umgekehrt die Sprache <strong>des</strong><br />

grossen westlichen Nachbarn beeinflusst hat:<br />

D: Ich habe dich gern. S: Jag tycker om dig.<br />

Auch solche Sätze kommen vor:<br />

Ich finde es schön. (eigentlich: von mir aus gesehen ist es schön)<br />

Minusta se on kaunis.<br />

Sogar in Sätzen, die im Deutschen im Sinn von „wo“ empf<strong>und</strong>en werden,<br />

steht der Elativ:<br />

D: Wo hast du das Buch gekauft?<br />

E: Kust sina ostsid raamatut? (also nicht „kus“ = wo)<br />

F: Mistä sinä ostit kirjan? (also nicht „missä“ = wo)<br />

Warum hier das einfache Imperfekt <strong>und</strong> nicht so wie im Deutschen das<br />

Perfekt steht, hat einen bestimmten Gr<strong>und</strong>, auf den ich weiter unten auch<br />

noch näher eingehen werde.<br />

Der Inessiv, Illativ <strong>und</strong> Elativ sind die oben erwähnten drei Fälle, die als<br />

innere Lokalkasus bezeichnet werden, weil sie als intimer <strong>und</strong> näher<br />

empf<strong>und</strong>en werden als die drei Kasus, welche die Fachsprache die<br />

äusseren Lokalkasus nennt, weil sie als weniger intim <strong>und</strong> weiter aussen<br />

empf<strong>und</strong>en werden.<br />

57


8. Der A<strong>des</strong>siv (Wo-Fall II, Dabei-Fall)<br />

Dieser Fall, der mit seinem Namen ans lateinische Verb „a<strong>des</strong>se“ (dabei<br />

sein) erinnert <strong>und</strong> mit dem Inessiv am nächsten verwandt ist, wird immer<br />

dann verwendet, wenn auf diese Fragen geantwortet wird: Wo? Woran?<br />

Worauf? Womit? Bei wem?<br />

Die Endungen sind in beiden Sprachen diese:<br />

Estnisch: -l, -al, -el, -il, -ol, -öl,-õl, -ul, -ül<br />

Finnisch: -lla, -llä<br />

D: Wir wohnen auf dem Land. Bei diesem Haus. Bei diesen Häusern.<br />

E: Meie elame maal. Sellel majal. Nendel majadel.<br />

F: Me asumme maalla. Täällä talolla. Näimällä taloilla.<br />

Im <strong>Finnischen</strong> werden bei mehreren Ortsnamen ohne eine bestimmte<br />

Regel die Endungen <strong>des</strong> A<strong>des</strong>sivs an Stelle <strong>des</strong> Inessivs angehängt:<br />

in Helsinki in Turku in Vaasa in Kuopio<br />

Helsingissä Turussa * Vaasassa Kuopiossa<br />

* Stufenwechsel: Turku - Turussa<br />

aber: in Tampere in Rovaniemi in Imatra *<br />

Tampereella Rovaniemellä Imatralla<br />

* Eine Kleinstadt in Ostfinnland, wo eine Kusine von mir jahrzehntelang<br />

gewohnt hat.<br />

Auch im <strong>Estnischen</strong> wird für ein paar Orte ohne eine bestimmte Regel der<br />

A<strong>des</strong>siv verwendet:<br />

58


Kohtla-Järvel - Kohtla-Järve (in K.)<br />

Mustjõggi - Mustjõel (in M.)<br />

Auch bei solchen Ausdrücken steht der A<strong>des</strong>siv:<br />

D: Das Buch ist auf dem Tisch. Wir reisen im Zug/mit dem Zug.<br />

E: Raamat on laual. Meie reisime rongil.<br />

F: Kirja on pöydällä. Me matkamme junalla.<br />

D: Er ist bei uns. Wir sind beim Arzt.<br />

E: Tema on meil. Meie oleme arstil. (von „arst“)<br />

F: Hän on meillä. Me olemme lääkärillä.<br />

(Arzt = lääkäri)<br />

D: Wir sind dabei. Er ist in den Ferien/im Urlaub.<br />

E: Meie oleme sellel. Tema on puhkusel.<br />

F: Me olemme täällä. Hän on lomalla.<br />

(Einzahl: puhkus, loma - es gibt<br />

dafür keine Mehrzahlwörter)<br />

Im <strong>Finnischen</strong> heisst „täällä“ zugleich auch „hier“, im <strong>Estnischen</strong> dagegen<br />

ist neben „sellel“ auch „siin“ möglich.<br />

Im <strong>Estnischen</strong>, aber nicht im <strong>Finnischen</strong>, wo ein anderer Fall zum Zug<br />

kommt, wird der A<strong>des</strong>siv bei Zeitangaben für den Tag verwendet:<br />

Wir kommen am Freitag.<br />

Meie tuleme reedel.<br />

(Nominativ: reede)<br />

Ich gehe am Montag.<br />

Mina lähen esmapäevel.<br />

(Nominativ: esmapäev)<br />

59


Für die Jahreszeiten wird der A<strong>des</strong>siv aber in beiden Sprachen<br />

verwendet:<br />

D: Frühling, Sommer, Herbst, Winter<br />

E: kevad, suvi, sügis, talv<br />

F: kevät, kesä, syksy, talvi<br />

D: im Frühling, im Sommer, im Herbst, im Winter<br />

E: kevadel, suvel, sügisel, talvel<br />

F: keväällä, kesällä, syksyllä, talvella<br />

Der A<strong>des</strong>siv wird auch für Ausdrucke verwendet, die einen Besitz<br />

ausdrücken, weil es in beiden Sprachen kein eigenes Wort für „haben“ <strong>und</strong><br />

damit auch keine dementsprechende Konjugation gibt.<br />

D: Ich habe ein Haus. Ich habe zwei Häuser.<br />

E: Mul on maja. Mul on kaks majat (Partitiv).<br />

F: Minulla on talo. Minulla on kaksi taloa (Partitiv).<br />

Bei einer Verneinung steht hinten wie oben erwähnt immer der Partitiv:<br />

D: Ich habe kein Haus. Ich habe kein Auto.<br />

E: Mul ei ole majat. Mul ei ole autot. (von „auto“)<br />

F: Minulla ei ole taloa. Minulla ei ole autoa.<br />

Auch in solchen Sätzen wird der A<strong>des</strong>siv verwendet:<br />

D: Wir sind jetzt bei/in Helsinki (aber noch nicht ganz drinnen).<br />

E: Meie oleme nüüd Helsingil.<br />

F: Me olemme nyt Helsingillä.<br />

In früheren Zeiten, als die finnischen Leichtathleten international noch<br />

60


erfolgreicher waren als heute - während die estnischen bis zum Jahr 1991<br />

nur in einer sowjetischen Mannschaft antreten konnten -, war immer<br />

wieder zu hören, wie ein Reporter ins Mikrophon schrie: „Tällä hetkellä on<br />

tulee…!“ (In diesem Moment kommt er…!). Als Lasse Viren bei den<br />

Olympischen Sommerspielen 1976 in Montreal über 5‘000 Meter gewann<br />

<strong>und</strong> auf den letzten h<strong>und</strong>ert Metern noch die vier letzten Konkurrenten<br />

abschütteln musste, schrie der Fernsehreporter: „Hän tulee ja<br />

voittaa…tulee ja voittaa!“ (Er kommt <strong>und</strong> siegt…kommt <strong>und</strong> siegt!“)<br />

Sogar in solchen Sätzen kommt der A<strong>des</strong>siv im <strong>Finnischen</strong> vor:<br />

Ich verbrachte den Abend mit Fernsehen (mit Fernsehschauen).<br />

Vietin illan katselemalla televisiota.<br />

Indem wir Maschinen gebrauchen, sparen wir Zeit.<br />

Käyttämällä koneita säästämme aikaa.<br />

Solche Feinheiten kommen aber nur in der sogenannten gehobenen<br />

Schriftsprache vor, also nicht einmal oft in Zeitungen. Weiter unten gehe<br />

ich im Spezialkapitel, das die Infinitive I bis V behandelt, etwas näher<br />

darauf ein.<br />

61


9. Der Allativ (Wohin-Fall II, Dativ = Wemfall)<br />

Dieser Fall, der mit dem Illativ am nächsten verwandt ist, wird immer dann<br />

verwendet, wenn auf diese Fragen geantwortet wird: Wohin? Wem? Für<br />

wen? Zu wem? Auf welchem? Zu welchem?<br />

Die Endungen sind in beiden Sprachen diese:<br />

Estnisch: -le<br />

Finnisch: -lle<br />

D: Ich lege das auf den Tisch. Wir legen das auf die Tische.<br />

E: Mina panan seed lauale. Meie paname seed laudele.<br />

F: Minä asetan sen pöydälle. Me asetamme sen pöydäille.<br />

D: Ich gebe ihm die Bücher. Das ist nur für dich.<br />

E: Mina annan temale raamatude. See on ainult sinule.<br />

F: Minä annan hänelle kirjat. Tämä on vain sinulle.<br />

Wie „temale“ <strong>und</strong> „hänelle“ (ihm) es zeigen, nimmt der Allativ auch die<br />

Funktion eines Dativs ein, der in den meisten anderen europäischen<br />

Sprachen vorkommt, den es jedoch im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> so<br />

allein stehend nicht gibt.<br />

Auch solche Sätze kommen vor, wobei das Zahlwort dann immer im<br />

Genitiv stehen muss:<br />

D: Wir reisen in vier Länder.<br />

E: Meie reisime nelja maale.<br />

F: Me matkustamme neljän maalle.<br />

Im <strong>Finnischen</strong> ist auch dieser Satz oft zu hören, vor allem wenn jemand<br />

62


mit seinem H<strong>und</strong> spazieren geht:<br />

Tule tänne! (Komm hierher!)<br />

Auch aus der Armee ist dieses „tänne“ nicht wegzudenken:<br />

Koko komppania tänne! (Die ganze Kompanie hierher!)<br />

In der Schweizer Armee, in der ich auch dabei war, heisst es im<br />

schweizerischen Spezialdeutsch: Die ganze Kompanie daher!<br />

Dabei ist „tänne“ ebenfalls eines von unzähligen Wörtern, die aus der<br />

eigentlich vorgegebenen Deklinationsreihe ausscheren <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb nicht<br />

immer regelmässig zu bilden sind.<br />

Während im <strong>Finnischen</strong> für eine Heirat wie oben gesehen der Illativ<br />

verwendet wird (ich heirate = minä menen naimisiin), nimmt im <strong>Estnischen</strong><br />

der Allativ diese Funktion ein, wobei zwei Varianten möglich sind:<br />

ich heirate (sagt die Frau) = mina lähen mehele<br />

(wörtlich: ich gehe zum Mann)<br />

ich heirate (sagt der Mann) = mina lähen naisele<br />

(wörtlich: ich gehe zur Frau)<br />

Eine Heirat selber heisst unter anderem „abielu“, was erst recht beide<br />

Geschlechter einschliesst, weil „abikaasa“ sowohl ein Ehemann als auch<br />

eine Ehefrau ist.<br />

Sogar in solchen Sätzen kommt im <strong>Estnischen</strong> der Allativ vor:<br />

Es wird regnerisch.<br />

Ilmastik läheb vihmale. (wörtlich: das Wetter geht zum Regen)<br />

Auch das Finnische hat im Allativ noch einen besonderen Ausdruck<br />

anzubieten, wenn jemand sich allzu laut aufführt oder vielleicht auch noch<br />

betrunken ist:<br />

Mene jäähyille!<br />

Locker übersetzt: Geh dich draussen abkühlen!<br />

63


10. Der Ablativ (Woher-Fall II, Wovon-Fall II)<br />

Wer Latein gelernt hat, kennt das Wort „Ablativ“ bereits gut genug, aber<br />

es hat mit dem estnischen <strong>und</strong> finnischen Ablativ nur insofern etwas<br />

gemeinsam, als er im Latein nur in einer Form vorkommt. Dagegen kommt<br />

er in diesen beiden Sprachen eigentlich doppelt vor: Einerseits im Elativ,<br />

den ich bereits vorgestellt habe, <strong>und</strong> eben auch im finno-ugrischen Ablativ.<br />

Dieser Fall wird immer dann verwendet, wenn auf diese Fragen<br />

geantwortet wird: Woher? Von wem? Wovon?<br />

Die Endungen sind in beiden Sprachen diese:<br />

Estnisch: -lt, -elt<br />

Finnisch: -lta, -ltä<br />

D: Wir kommen von diesem Haus. Wir kommen von diesen Häusern.<br />

E: Meie tuleme sellelt majalt. Meie tuleme nendelt majadelt.<br />

F: Me tulemme täältä talolta. Me tulemme näiltä taloilta.<br />

D: Sie kommt von Estland, der Hauptstadt Tallinn, <strong>und</strong> ich komme von<br />

Finnland, der Hauptstadt Helsinki.<br />

E: Ta tuleb Eestimaalt, peanlinnalt Tallinnalt, ja mina tulen Soomemaalt,<br />

pealinnalt Helsinkilt.<br />

F: Hän tulee Virolta, pääkaupungilta Tallinnalta, ja mina tulen Suomelta,<br />

pääkaupungilta Helsinkilta.<br />

Der entscheidende Unterschied zwischen dem Elativ <strong>und</strong> dem Ablativ<br />

kann gerade in solchen Sätzen gut gesehen werden: Während der Elativ<br />

mehr eine Herkunft betont (sie kommt aus Estland <strong>und</strong> ich komme aus<br />

Finnland), streicht der Ablativ mehr eine momentane Bewegung hervor<br />

(sie ist auf einer Reise <strong>und</strong> kommt gerade von Estland, während ich<br />

gerade von Finnland zurückreise). Da die meisten Fremdsprachigen Mühe<br />

haben, diese beiden nahe verwandten Fälle richtig zu unterscheiden,<br />

64


verwenden sie für solche Aussagen fast immer den Elativ, aber sie werden<br />

auch so gut verstanden.<br />

Was im <strong>Finnischen</strong> bei gewissen Ortsnamen mit dem A<strong>des</strong>siv an Stelle<br />

<strong>des</strong> Inessivs geschieht, trifft auch im Verhältnis zwischen dem Elativ <strong>und</strong><br />

Ablativ zu:<br />

Ich komme aus/von Tampere, aus/von Rovaniemi, aus/von Imatra.<br />

Minä tulen Tampereeltä/Rovaniemilta/Imatralta.<br />

(also nicht Tampereestä, Rovaniemista, Imatrasta)<br />

Weitere Beispielsätze:<br />

D: Ich nehme das Buch vom Tisch. Das kommt nicht von mir.<br />

E: Mina võtan raamatut laualt. See ei tule minult.<br />

F: Minä otan kirjan pöydältä. Tämä ei tule minulta.<br />

D: Ich komme vom Markt. Wir kommen vom Schwimmen.<br />

E: Mina tulen turult. Meie tuleme ujumalt.<br />

F: Minä tulen torilta. Me tulemme uimalta (uidalta).<br />

(An Stelle <strong>des</strong> Elativs)<br />

„Markt“ im Nominativ bedeutet „turg“ (<strong>Estnischen</strong>) <strong>und</strong> „tori“ (Finnisch), für<br />

einmal gibt es nur im ersteren einen Stufenwechsel.<br />

Auch solche Aussagen können vorkommen:<br />

D: Das hast du jetzt davon!<br />

E: See sinul on sellelt!<br />

F: Tämä sinulla on tämältä!<br />

Im <strong>Finnischen</strong> wird beim Verb „jäädä“ (bleiben) oft der Ablativ an Stelle<br />

<strong>des</strong> Inessivs oder A<strong>des</strong>sivs verwendet, ja, er gilt sogar als korrekter:<br />

65


Ich bleibe in dieser Stadt <strong>und</strong> in diesem Land.<br />

Ablativ: Minä jään tältä kaupungiilta ja tältä maalta.<br />

Inessiv: Minä jään tässä kaupungissa ja tässä maassa.<br />

Adlativ: Minä jään tällä kaupungilla ja tällä maalla.<br />

Solche Feinheiten können aber erst nach langer Sprechpraxis richtig<br />

eingeprägt werden.<br />

Der Gr<strong>und</strong> dafür, dass ich für das Finnische mehr Beispielsätze aufführe,<br />

ist einfach zu erklären: Ich kenne diese Sprache auch wegen meiner<br />

persönlichen Herkunft viel besser; zudem gibt es für das Estnische, das<br />

ich noch nicht oft selber sprechen konnte, immer noch zu wenig gute <strong>und</strong><br />

umfangreiche Lehrbücher.<br />

Eines ist bis jetzt bereits klar geworden: Die Unterschiede zwischen<br />

diesen beiden Sprachen sind vor allem im Wortschatz derart gross, dass<br />

auch eine fast identische Grammatik keine Garantie für eine gute<br />

Verständigung ist. Das Gleiche trifft wie oben im Vorwort erwähnt auch auf<br />

die beiden baltischen Sprachen Lettisch <strong>und</strong> Litauisch zu, die im Ruf<br />

stehen, dass ihre Sprecher sich insgesamt gut miteinander verständigen<br />

können, aber auch bei ihnen stellt sich das Problem, dass die Grammatik<br />

zwar fast identisch ist, aber der Wortschatz für eine gute Verständigung<br />

viel zu weit auseinanderklafft.<br />

-----------------------------------<br />

Die zehn Fälle, die ich bis hierher vorgestellt habe, gelten als die<br />

leichtesten, wenn im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> überhaupt etwas als<br />

leicht bezeichnet werden kann. Wir sind aber noch lange nicht am Ende<br />

angelangt, weil noch ein paar weitere Fälle kommen, die in den<br />

Alltagsgesprächen <strong>und</strong> sowieso in der Schriftsprache ebenfalls viel<br />

verwendet werden.<br />

66


11. Der Essiv (Als-Fall)<br />

Dieser Fall, der mit seinem Namen ans lateinische Verb „essi“ (sein)<br />

erinnert, beschreibt einen gerade oder auch immer währenden Zustand<br />

<strong>und</strong> wird immer dann verwendet, wenn auf diese Fragen geantwortet wird:<br />

Als wer? Als was?<br />

Die Endungen sind in beiden Sprachen diese:<br />

Estnisch: -na<br />

Finnisch: -na, -nä<br />

D: Ich arbeite als Arzt. Er ist hier (als) Arzt.<br />

E: Mina töötan arstina. Tema on siin arstina.<br />

F: Minä työskentelen lääkärinä. Hän on täällä lääkärinä.<br />

„Arzt“ ist im Nominativ „arst“ <strong>und</strong> „lääkäri“.<br />

Es liegt nahe, dass der Essiv vor allem bei Berufsbezeichnungen zum Zug<br />

kommt, aber er wird auch in solchen Sätzen verwendet:<br />

D: Als Mensch bist du gut. Als Kind warst du immer schlecht.<br />

E: Inimesena sina oled hea. Lapsena sina olid alati paha.<br />

F: Ihmisenä sinä olet hyvä. Lapsena sinä olit aina paha.<br />

D: Als kranke Frau kannst du nicht ins Theater gehen.<br />

E: Haige naisena sina ei oska minna teatrisse.<br />

F: Sairaana rouvana sinä et osa mennä teatteriin.<br />

67


Das Wort «sairas» (krank), das wie oben gesehen im Partitiv „sairaa“<br />

lautet, wird im finnischen Essiv vom letzteren ausgehend zu „sairaana“<br />

verlängert.<br />

Im Gegensatz zum finnischen wird im estnischen Essiv die Kasus-Endung<br />

ausgelassen, wenn ein Adjektiv direkt vor dem Substantiv steht, auf das<br />

es sich bezieht:<br />

D: Als kranke Frau kannst du nicht ins Theater gehen.<br />

E: Haige naisena sina ei oska minna teatrisse.<br />

D: Er arbeitet als guter Arzt.<br />

E: Tema töötab hea arstina.<br />

Dagegen im <strong>Finnischen</strong>: Hän työskentelee hyvänä lääkärinä.<br />

Dabei wird immer von der Genitivform <strong>des</strong> Adjektivs ausgegangen, in<br />

diesen beiden Sätzen also von „haige“ <strong>und</strong> „hea“, die allerdings identisch<br />

sind. Weiter unten folgen noch andere Beispielsätze, bei denen es<br />

deutliche Unterschiede gibt.<br />

Im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> vor allem in der Umgangssprache kommt es vor, dass<br />

eine Berufsbezeichnung auch mit dem Nominativ <strong>und</strong> dem Wort „kui“ (als)<br />

ausgedrückt wird:<br />

Er muss das als Arzt wissen.<br />

Tema peab seda teadma kui arts.<br />

Als Journalist reist er viel.<br />

Kui ajakirjanik reisib tema palju.<br />

Dagegen im <strong>Finnischen</strong>: hänen on täytyy tiedä sen lääkärinä,<br />

sanomalehtimiehenä hän matkaa paljon<br />

Bei solchen Wörtern wird es klar, warum die Verständigung zwischen den<br />

Esten <strong>und</strong> Finnen nicht immer auf Anhieb klappt. Zudem ist auch an<br />

diesen zwei kurzen Beispielsätzen zu sehen, wie stark das Estnische von<br />

der Inversion der germanischen Sprachen Deutsch <strong>und</strong> Schwedisch<br />

68


eeinflusst worden ist: …muss er das wissen (peab seda teadma)<br />

…reist er viel (reisib tema palju)<br />

Im Gegensatz zum <strong>Estnischen</strong>, wo wie oben gesehen der A<strong>des</strong>siv zum<br />

Zug kommt, wird im <strong>Finnischen</strong> bei Zeitangaben für den Tag der Essiv<br />

verwendet:<br />

Ich gehe am Montag.<br />

Minä menen maanantaina.<br />

(Nominativ: maanantai)<br />

Wir kommen am Freitag.<br />

Me tulemme perjantaina.<br />

(Nominativ: perjantai)<br />

Wir kommen an Weihnachten.<br />

Me tulemme jouluna.<br />

(Nominativ: joulu)<br />

Ich reise an Ostern.<br />

Minä matkan pääsiaisenä.<br />

(Nominativ: pääsiäinen)<br />

Dass der Essiv im <strong>Finnischen</strong> ursprünglich auch als ein Lokal-Kasus galt,<br />

zeigt sich darin, dass es noch Wörter gibt, die eine Essiv-Endung haben:<br />

kotona = zu Hause<br />

ulkona = draussen<br />

kaukana = weit<br />

69


12. Der Translativ (Umwandlungs-Fall)<br />

Dieser Fall beschreibt im Gegensatz zum Essiv einen Zustand, der sich<br />

gerade verändert, <strong>und</strong> wird immer dann verwendet, wenn auf diese<br />

Fragen geantwortet wird: Zu wem? Wozu? Als was? Was wird…? Wie<br />

wird…?<br />

Die Endungen sind in beiden Sprachen diese:<br />

Estnisch: -ks, -aks, -eks<br />

Finnisch: -ksi<br />

D: Ich werde (ein) Lehrer. Das Wetter wird schön.<br />

E: Mina õpin õpetajaks. Ilmastik läheb ilusaks.<br />

F: Minä opin opettajaksi. Ilma menee kauniiksi.<br />

(eigentlich: Lehrer lernen)<br />

(Nominative: ilu, kaunis)<br />

Im Gegensatz zum Essiv wird im <strong>Estnischen</strong> die Kasus-Endung nicht<br />

ausgelassen, wenn ein Adjektiv direkt vor dem Substantiv steht, auf das<br />

es sich bezieht:<br />

D: Er wird ein guter Vater. Sie ist eine gute Mutter geworden.<br />

E: Tema muutab heaks isaks. Tema on muutnud heaks emaks.<br />

F: Hän muuttuu hyväksi isäksi. Hän on muuttunut hyväksi äidiksi.<br />

So können auch diese Sätze abgeleitet werden:<br />

D: Sie werden gute Väter <strong>und</strong> Mütter.<br />

E: Nemad muutavad headeks isadeks ja emadeks.<br />

F: He muuttuvat hyvääksi isääksi ja äidiiksi.<br />

Hier wird im <strong>Finnischen</strong> das „t“ in der Mehrzahl (hyvät, isät, äidit) mit der<br />

70


Endung „-ski“ verschmolzen, indem „ä“ <strong>und</strong> „i“, also die beiden letzten<br />

Vokale, verdoppelt werden:<br />

Einzahl: isä - isäksi äiti - äidiksi (Stufenwechsel von „t“ zu „d“)<br />

Mehrzahl: isät - isääksi äidit - äidiiksi<br />

Gerade weil im estnischen Translativ die Endung „-ks“ auch bei den<br />

Adjektiven immer verwendet wird, steht er in den ohnehin spärlich<br />

vorhandenen Estnisch-Lehrbüchern im Gegensatz zum <strong>Finnischen</strong> immer<br />

vor dem Essiv, weil es sich in den restlichen Fällen, die jetzt noch folgen,<br />

genau gleich verhält wie im Essiv.<br />

Ein weiterer passender Satz im <strong>Finnischen</strong>:<br />

Sag es auf Estnisch oder Finnisch, aber nicht auf Deutsch!<br />

Sano sen viroksi tai suomeksi, mutta ei saksaksi!<br />

Auf Estnisch heisst es so:<br />

Ütle seld eesti või soome keeles, aga ei saksa keeles! (Inessiv)<br />

Dass im <strong>Estnischen</strong> mit „keel“ umschrieben wird, wenn von Sprachen die<br />

Rede ist, zeigt sich auch hier:<br />

D: Du sprichst gut Estnisch <strong>und</strong> Finnisch.<br />

E: Sina räägid hästi eesti ja soome keelt.<br />

F: Sinä puhut hyvin viroa ja suomea.<br />

Hier unterscheiden sich die Adverbien „hästi“ <strong>und</strong> „hyvin“ deutlich von den<br />

entsprechenden Adjektiven, aber auch darauf gehe ich erst weiter unten<br />

im Spezialkapitel über die Adverbien näher ein.<br />

Auch bei den Verben „jäämä“ (E) <strong>und</strong> „jäädä“ (F), die beide „bleiben“<br />

bedeuten, kommt der Translativ zum Zug:<br />

D: Ich bleibe immer frei.<br />

71


E: Mina jään alati vabaks.<br />

F: Minä jään aina vapaaksi.<br />

Das estnische Wort «vabaks» ist vor allem durch das populäre Lied „Jää<br />

vabaks Eesti meri“ (Bleibe frei, estnisches Meer!) bekannt geworden. Im<br />

Gegensatz zur offiziellen Nationalhymne war dieses Lied trotz einer kaum<br />

versteckten politischen Botschaft während der sowjetischen Besetzung<br />

nicht verboten <strong>und</strong> wurde nicht nur in einem bekannten Spielfilm aus dem<br />

Jahr 1965 keck gesungen, sondern wurde genauso wie das andere<br />

populäre Volkslied mit dem Titel „Mu isamaa on minu arm“ (Mein<br />

Vaterland ist meine Liebe) an den nationalen Tanz- <strong>und</strong> Sängerfestivals,<br />

die genauso wie in Lettland <strong>und</strong> Litauen (leider nur) alle fünf Jahre an drei<br />

bis vier Tagen stattfinden, sogar mit noch mehr Leidenschaft gesungen<br />

als die Nationalhymne selber.<br />

Da im <strong>Finnischen</strong> bei der Verwendung <strong>des</strong> Verbs „jäädä“ der Ablativ wie<br />

oben gesehen als korrekter gilt als der Inessiv <strong>und</strong> Adlativ, kommen also<br />

allein in diesem kurzen Satz gleich zwei exklusive Fälle zum Zug:<br />

D: Ich bleibe hier immer frei.<br />

F: Minä jään aina vapaaksi täältä.<br />

Minä jään täältä aina vapaaksi.<br />

Auch bei Zahlen kommt in beiden Sprachen der Translativ zum Zug, wobei<br />

vom Genitiv Einzahl der Ordnungszahlen ausgegangen wird, die ich weiter<br />

unten noch ausführlich behandeln werde:<br />

D: erstens, zweitens, drittens, viertens, fünftens, sechstens…<br />

E: esiteks, teiseks, kolmandaks, neljandaks, viiendaks, kuuendaks…<br />

F: ensiksi, toiseksi, kolmanneksi, neljänneksi, viidenneksi, kuudenneksi…<br />

Der Translativ wird auch bei diesen Spezialausdrücken verwendet:<br />

D: zum Glück! Entschuldigung!<br />

72


E: õnneks! anna andeks! (eigentlich: gib Entschuldigung!)<br />

F: onneksi! anteeksi!<br />

Sogar bei den Jahreszeiten, für die wie oben gesehen eigentlich der<br />

A<strong>des</strong>siv zum Zug kommt, ist im <strong>Finnischen</strong> die Verwendung <strong>des</strong><br />

Translativs möglich, wenn auf Feinheiten eingegangen wird:<br />

Ich arbeite (eigentlich immer) im Sommer.<br />

Minä työn kesällä.<br />

Ich werde im Sommer arbeiten, ich gehe im Sommer arbeiten.<br />

Minä menen työhön kesäksi.<br />

Der A<strong>des</strong>siv steht mehr für gewohnheitsmässige Handlungen, während<br />

der Translativ für Tätigkeiten steht, die nicht immer gleichermassen<br />

vorkommen, aber solche Feinheiten müssen nicht sofort eingeprägt<br />

werden. Im Zweifelsfall ist der A<strong>des</strong>siv immer richtig.<br />

73


13. Der Abessiv (Abwesenheits-Fall)<br />

Dieser Fall, der mit seinem Namen genauso wie der A<strong>des</strong>siv mit „a<strong>des</strong>se“<br />

ans lateinische Verb „abesse“ (abwesend sein, nicht da sein) erinnert, wird<br />

immer dann verwendet, wenn auf diese Fragen geantwortet wird: Ohne<br />

wen? Ohne was?<br />

Die Endungen sind in beiden Sprachen diese:<br />

Estnisch: -ta<br />

Finnisch: -tta, -ttä<br />

D: Ich lebe ohne Frau. Wir reisen ohne Geld.<br />

E: Mina elan abikaasata. Meie reisime rahata.<br />

F: Minä elän vaimotta. Me matkamme rahatta.<br />

D: Diese Familie ist ohne Kind. Er lebt namenlos.<br />

E: See pere on lapseta. Tema elab nimeta.<br />

F: Tämä perhe on lapsetta. Hän elää nimettä.<br />

Allerdings wird dieser Fall im <strong>Finnischen</strong> fast nur noch schriftlich<br />

verwendet, in den Alltagsgesprächen kommt meistens „ilman + Partitiv“<br />

vor, für diese Beispielsätze damit so:<br />

Minä elän ilman vaimoa.<br />

Tämä perhe on ilman lasta.<br />

Me matkamme ilman rahaa.<br />

Hän elää ilman nimeä.<br />

„Lasta“ ist tatsächlich die Partitivform für „lapsi“ im Nominativ, sie wird also<br />

völlig unregelmässig gebildet. Auch bei „nimeä“ muss aufgepasst werden,<br />

aber es ist wenigstens leichter zu bilden.<br />

Das Estnische kennt die Umschreibung mit dem fast identischen Wort<br />

„ilma“ zwar auch, aber im Gegensatz zum <strong>Finnischen</strong> wird es höchstens<br />

als Verstärkung verwendet, weil der Partitiv dann nicht obligatorisch ist,<br />

74


also auch so der Abessiv weiter um Zug kommt:<br />

Ohne Frau: abikaasata, ilma abikaasata<br />

Ohne Geld: rahata, ilma rahata<br />

Ohne Kind: lapseta, ilma lapseta<br />

Ohne Namen: nimeta, ilma nimeta<br />

Auch im Abessiv wird die estnische Kasus-Endung genauso wie im Essiv<br />

ausgelassen, wenn ein Adjektiv direkt vor dem Substantiv steht, auf das<br />

es sich bezieht:<br />

D: Wir leben ohne gutes Geld.<br />

E: Meie elame (ilma) hea rahata. (also nicht „heata rahata“)<br />

F: Me elämme hyvättä rahatta. (Abessiv)<br />

Me elämme ilman hyvää rahaa. (Partitiv)<br />

---------------------------------------<br />

Bis hierher habe ich die zwölf Fälle vorgestellt, die in beiden Sprachen<br />

mehr oder weniger identisch sind, wenn wir davon absehen, dass im<br />

<strong>Estnischen</strong> der Akkusativ mit dem Partitiv identisch ist; also sind es hier<br />

bis jetzt eigentlich nur elf Fälle.<br />

Von jetzt an kommen noch ein paar Fälle, die auf getrennten Wegen<br />

gehen, wenn nur auf das Formale geschaut wird: Im <strong>Estnischen</strong> noch drei<br />

<strong>und</strong> im <strong>Finnischen</strong> sogar noch vier.<br />

75


14. Der Komitativ (Begleitungs-Fall)<br />

Dieser Fall, der mit seinem Namen ans lateinische Wort „cum“ (mit)<br />

erinnert, wird immer dann verwendet, wenn auf diese Fragen geantwortet<br />

wird: Mit wem? Mit was? Womit?<br />

Die Endungen sind in beiden Sprachen diese:<br />

Estnisch: -ga<br />

Finnisch: -ne, -ine<br />

Dabei wird im <strong>Estnischen</strong> auch hier die Kasus-Endung ausgelassen, wenn<br />

ein Adjektiv direkt vor dem Substantiv steht, auf das es sich bezieht:<br />

Ich gehe mit meinem guten H<strong>und</strong> spazieren.<br />

Mina jalutan minu hea koerega. (also nicht «heaga koerega»)<br />

(H<strong>und</strong> = koer)<br />

Wenn ein Adjektiv im Nominativ auf einem Konsonanten endet, wird noch<br />

ein „e“ angehängt. Es mutiert also auch hier zu einem Genitiv, aber die<br />

Endung „-ga“ wird immer noch weggelassen:<br />

Ich gehe mit meinem guten <strong>und</strong> lieben H<strong>und</strong> spazieren.<br />

Mina jalutan minu hea ja armase koerega.<br />

(lieb = armas)<br />

Schon im Abessiv zeigt es sich, dass das Estnische <strong>und</strong> Finnische<br />

manchmal auf getrennten Wegen gehen, weil dieser Fall im letzteren fast<br />

nur noch schriftlich verwendet <strong>und</strong> mit „ilman + Partitiv“ umschrieben wird,<br />

aber hier ist es noch krasser: Während im <strong>Estnischen</strong> auch der Komitativ<br />

ein natürlicher Bestandteil der Umgangssprache ist, gehört er im<br />

<strong>Finnischen</strong> noch mehr als der Abessiv nur noch der Schriftsprache an.<br />

Wer trotzdem diesen Fall mündlich verwendet, wirkt auf die anderen etwas<br />

geschraubt.<br />

76


D: Sie haben Glück mit ihren Häusern.<br />

E: Nemal on õnn nende majadega.<br />

F: Heillä on onni taloineensä.<br />

Bei „taloineen“ werden „talot“ (die Häuser), die Komitativ-Endung „-ine“<br />

<strong>und</strong> die Endung „-nsä“, die den Besitz der dritten Person Mehrzahl anzeigt<br />

- auch auf dieses Thema gehe ich erst weiter unten näher ein -, zu einem<br />

einzigen Wort verschmelzen, wobei auch hier das „e“ als Verbindungs-<br />

Vokal verdoppelt wird.<br />

Schon dieses eine Beispiel mit dem zusammengesetzten Wort<br />

„taloineensä“ ist eine Erklärung dafür, warum im <strong>Finnischen</strong> vor allem bei<br />

Menschen <strong>und</strong> Tieren, aber auch von Gegenständen, die als lebendig<br />

empf<strong>und</strong>en werden, die Umschreibung mit „Genitiv + kanssa" bevorzugt<br />

wird:<br />

D: Ich reise mit dem Vater, der Mutter, dem H<strong>und</strong> <strong>und</strong> dem Auto.<br />

E: Mina reisin isaga, emaga, koerega ja autoga.<br />

F: Minä matkustan isän, äidin, koiran ja auton kanssa.<br />

D: Ich bin immer glücklich mit dem Schiff.<br />

E: Mina olen alati õnnelik laevaga.<br />

F: Minä olen aina onnellinen laivan kanssa.<br />

Oder wie im obigen Beispielsatz:<br />

D: Sie haben Glück mit ihren Häusern.<br />

E: Nemal on õnn nende majadega.<br />

F: Heillä on onni talonsa kanssa.<br />

Wenn «kanssa» mit einem Personalpronomen verb<strong>und</strong>en wird - auch<br />

darauf werde ich noch näher eingehen -, gibt es gleich fünf verschiedene<br />

verschmolzene Wörter, wobei die beiden dritten Personen identisch sind:<br />

77


mit mir mit dir mit ihm/ihr mit uns mit euch mit ihnen<br />

kanssani kanssasi kanssansa<br />

kansssamme kanssatte kanssansa<br />

Daneben wird auch noch der andere mögliche Ausdruck verwendet,<br />

indem „kanssa“ mit dem Genitiv verb<strong>und</strong>en wird, der direkt davor steht:<br />

minun kanssa, sinun kanssa, hänen kanssa, meidän kanssa,<br />

teidän kanssa, heidän kanssa<br />

Wenn der Komitativ verwendet wird, sind im <strong>Finnischen</strong> die Faustregeln<br />

diese: Bei einem Substantiv ist das Possessivsuffix, auf das ich weiter<br />

unten noch näher eingehe, immer obligatorisch (taloineensä = mit ihren<br />

Häusern), während bei den Adjektiven, Pronomina <strong>und</strong> Zahlen kein<br />

Possessivsuffix angehängt wird.<br />

78


15. Der Terminativ (Begrenzungs-Fall)<br />

Das Estnische hat wie oben gesehen nur noch einen Akkusativ, der mit<br />

dem Partitiv verschmolzen ist, aber dafür weist es einen besonderen Fall<br />

auf, den das Finnische nicht kennt, jedenfalls nicht auf diese Weise. Wie<br />

es der Name andeutet, wird dieser Fall verwendet, wenn ein Ende<br />

angezeigt wird, <strong>und</strong> wenn auf diese Fragen geantwortet wird: Bis wohin?<br />

Bis zu wem? Wie lange?<br />

Die Endungen sind diese: -ni, -eni<br />

Wir gehen bis zur Grenze.<br />

Meie läheme piirini.<br />

(Nominativ: piir)<br />

Er kommt bis zu mir hin.<br />

Tema tuleb minuni.<br />

(von „minu“ = mein)<br />

Auch hier wird die Kasus-Endung ausgelassen, wenn ein Adjektiv direkt<br />

vor dem Substantiv steht, auf das es sich bezieht, wobei dieses auch hier<br />

im Genitiv stehen muss:<br />

Ich gehe zu meiner guten <strong>und</strong> lieben Mutter.<br />

Mina lähen minu hea ja armase emani.<br />

(also nicht „heani ja armaseni emani“)<br />

Auch bei Zeitangaben kommt der estnische Terminativ zum Zug:<br />

Wir arbeiten bis sieben Uhr.<br />

Meie tööme seitsmeni. (Nominativ = seitse, Genitiv = seitsme)<br />

Diese beiden Wörter kommen im Terminativ häufig vor:<br />

Homseni!<br />

Nägemiseni!<br />

Bis morgen!<br />

Auf Wiedersehen!<br />

79


16. Der Instruktiv (Welche Art-Fall)<br />

Mit dem Terminativ macht das Estnische das Fehlen <strong>des</strong> Akkusativs wett<br />

<strong>und</strong> liegt wieder auf gleicher Augenhöhe mit dem <strong>Finnischen</strong>, was die<br />

Anzahl Fälle betrifft, aber jetzt kommt noch ein Fall, den auf diese Art nur<br />

das Finnische kennt. Der Name kann etwas irreführen, weil mit diesem<br />

Fall nichts instruiert, sondern nur angezeigt wird, auf welche Weise etwas<br />

stattfindet. Er wird dann verwendet, wenn auf diese Fragen geantwortet<br />

wird: Wie? Wie genau? Auf welche Weise?<br />

Die Endung ist nur diese: -in<br />

Ich gehe zu Fuss.<br />

Minä menen jalan.<br />

Ich schreibe mit der Hand.<br />

Minä kirjoitan käsin.<br />

Es gibt nur eine Instruktivform, also sind die Einzahl <strong>und</strong> die Mehrzahl<br />

identisch:<br />

Die Sache ist in grossen Zügen so.<br />

Asia on suurin piirtein niin.<br />

Ich sehe es mit eigenen Augen.<br />

Mina näen sen omin silmin.<br />

mit beiden Händen<br />

mit blossem Kopf<br />

zu niedrigem Preis<br />

kaksin käsin<br />

paljain päin<br />

halvoin hinnoin<br />

Eine einzige Instruktivform kann doppelt vorkommen:<br />

Minä menen jalan, minä menen paljain jaloin.<br />

Ich gehe barfuss, ich gehe mit nackten Füssen.<br />

80


Mehrere Adverbien stehen formal im Instruktiv:<br />

allein<br />

ganz<br />

gut<br />

kaum<br />

oft<br />

sehr<br />

selten<br />

yksin<br />

aivan<br />

hyvin<br />

tuskin, vaivoin<br />

usein<br />

kovin<br />

harvoin<br />

Diese drei Wörter gelten als verlängerte Instruktivformen:<br />

sonntags<br />

morgens<br />

abends<br />

sunnuntaisin<br />

aamuisin<br />

iltaisin<br />

Das sind schon fast alle vorkommenden Instruktiv-Ausdrücke, von denen<br />

ein Teil zu dem gehört, was in der Fachsprache als idiomatische<br />

Redewendungen bezeichnet wird.<br />

81


17. Der Prolativ<br />

Dieser Kasus kam ursprünglich nur im <strong>Finnischen</strong> vor, soweit es aus den<br />

alten Schriften bekannt ist, <strong>und</strong> ist als solcher schon vor langer Zeit ausser<br />

Gebrauch geraten. Er wurde dann verwendet, wenn auf diese Frage<br />

geantwortet wurde: Auf welchem Weg?<br />

Die Endung war diese: -itse<br />

Wir reisten auf dem Seeweg nach Finnland.<br />

Me matkustoimme Suomeen meritse.<br />

(Meer = meri)<br />

Ich dankte ihm per Brief/per Post/telefonisch.<br />

Minä kiitiin hänelle kirjeitse/postitse/puhelimitse.<br />

(Brief = kirje, Telefon = puhelin, das „n“ wird hier also durch „m“ ersetzt)<br />

Die ursprüngliche Prolativ-Endung kommt heute immer noch bei wenigen<br />

Wörtern vor, die jedoch nicht als Kasusformen, sondern als Partikel, also<br />

als ergänzende Wörter innerhalb eines Satzes aufgefasst werden.<br />

---------------------------------------------<br />

Das sind also die insgesamt 14 Fälle im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> 15 Fälle im<br />

<strong>Finnischen</strong>, von denen die meisten nicht nur schriftlich verwendet werden,<br />

sondern häufig vorkommen. Allerdings sind sie nicht so schwierig zu<br />

handhaben wie der Stufenwechsel, weil die Endungen wie oben gesehen<br />

fast überall gleich sind. Damit spiele ich vor allem auf die Kasusendungen<br />

im benachbarten Russischen an, wo es vor Unregelmässigkeiten nur so<br />

strotzt, aber auch im Lettischen <strong>und</strong> Litauischen, die viel weniger Fälle<br />

haben <strong>und</strong> damit eigentlich leichter zu lernen sein sollten, wie viele<br />

glauben, verläuft nicht alles so ideal, dass es keine Ausnahmen gibt, vor<br />

allem nicht im Litauischen, das mit gutem Recht zu den archaischsten<br />

Sprachen innerhalb Europas gezählt wird.<br />

82


Es muss noch angemerkt werden, dass sowohl in der estnischen als auch<br />

in der finnischen Grammatik die Reihenfolge der Kasus nicht ganz die<br />

gleiche ist, die ich in diesem Buch verwende. Allerdings habe ich allein in<br />

den Lehrbüchern <strong>des</strong> <strong>Finnischen</strong> festgestellt, dass nicht einmal dort<br />

überall die gleiche Reihenfolge eingehalten wird. Nur die drei ersten Kasus<br />

- Nominativ, Genitiv <strong>und</strong> Partitiv - stehen in beiden Sprachen in dieser<br />

Reihenfolge zuoberst, weil sie die eigentlichen Schlüsselfälle sind. Der<br />

Inessiv <strong>und</strong> der A<strong>des</strong>siv kommen in diesem Buch bei den inneren <strong>und</strong><br />

äusseren Lokalfällen vor den vier anderen zum Zug, weil diese sozusagen<br />

die Zentren dieser Gruppen sind, so dass mir diese Reihenfolge logischer<br />

scheint.<br />

Von jetzt an verwende ich in allen Deklinationstabellen, die in diesem Buch<br />

unumgänglich sind, nicht nur immer die gleiche Reihenfolge wie oben,<br />

sondern aus Platzgründen auch die gleichen Abkürzungen für alle Fälle:<br />

Nom. = Nominativ<br />

Gen. = Genitiv<br />

Akk. = Akkusativ (nur im <strong>Finnischen</strong>)<br />

Part. = Partitiv<br />

In.<br />

Ill.<br />

El.<br />

Ad.<br />

All.<br />

= Inessiv<br />

= Illativ<br />

= Elativ<br />

= A<strong>des</strong>siv<br />

= Allativ<br />

Abl. = Ablativ<br />

Es.<br />

Trl.<br />

Ab.<br />

= Essiv<br />

= Translativ<br />

= Abessiv<br />

Kom. = Komitativ<br />

Ter. = Terminativ (nur im <strong>Estnischen</strong>)<br />

Ins. = Instruktiv (nur im <strong>Finnischen</strong>)<br />

83


Zusammenfassung der Kasus<br />

Als Zusammenfassung führe ich nochmals alle Fälle für das Wort „Buch“<br />

auf, weil diese von mir aus gesehen zu den geeignetsten gehören <strong>und</strong><br />

zudem leichter zu bilden sind. Oben stehen alle Formen in der Einzahl <strong>und</strong><br />

unten alle in der Mehrzahl:<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

Nom. Buch raamat kirja<br />

Gen. <strong>des</strong> Buches raamatu kirjan<br />

Akk. das Buch raamatut kirjan<br />

Part. ein Buch raamatut kirjaa<br />

In. im Buch raamatus kirjassa<br />

Ill. ins Buch hinein raamatusse kirjaan<br />

El. aus dem Buch raamatust kirjasta<br />

Ad. am/beim Buch raamatul kirjalla<br />

All. ans Buch hin, raamatule kirjalle<br />

zum Buch hin<br />

Abl. vom Buch raamatult kirjalta<br />

Es. als Buch raamatuna kirjana<br />

Trl. zum Buch raamatuks kirjaksi<br />

werdend<br />

Ab. ohne Buch raamatuta kirjatta<br />

Kom. mit dem Buch raamatuga kirjaine (nur<br />

Ter. bis zum Buch hin raamatuni -<br />

schrifltich)<br />

Ins. mit dem Buch - (mit diesem Wort<br />

nicht üblich)<br />

84


In der Mehrzahl sieht es so aus:<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

Nom. die Bücher raamatude kirjat<br />

Gen. der Bücher raamatute kirjojen<br />

Akk. die Bücher raamatuid kirjat<br />

Part. Bücher raamatuid kirjoja<br />

In. in den Büchern raamatultes kirjoissa<br />

Ill. in die Bücher raamatultesse kirjojeen<br />

(hinein)<br />

El. aus den Büchern raamatultest kirjoista<br />

Ad. an/bei den Büchern raamatultel kirjoilla<br />

All. an die Bücher hin, raamatultele kirjoille<br />

zu den Büchern hin<br />

Abl. von den Büchern raamatultelt kirjoilta<br />

Es. als Bücher raamatultena kirjoina<br />

Trl. zu Büchern raamatulteks kirjoiksi<br />

werdend<br />

Ab. ohne Bücher raamatulteta kirjoitta<br />

Kom. mit Büchern raamatultega kirjaine (nur<br />

schriftlich)<br />

Ter. bis zu den raamatulteni -<br />

Büchern hin<br />

Ins. mit den Büchern - (mit diesem Wort<br />

nicht üblich)<br />

85


Zum Abschluss dieses umfangreichen Kapitels über die mehr als zehn<br />

Fälle, das auch das umfangreichste in diesem Buch bleiben wird, führe ich<br />

auch noch alle Fragewörter auf, die in diesen Fällen verwendet werden:<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

Nom. wer? was? mis? kuka? mikä?<br />

Gen. wessen? mille? kenen? minkä?<br />

Akk. wen? was? mida? kenet? minkä?<br />

Part. was? mida? ketä? mitä?<br />

In. wo? worin? milles? kus? missä?<br />

Ill. wohin? millesse? mihin?<br />

in was hinein?<br />

El. woraus? woher? millest? kust? kennestä? mistä?<br />

Ad. bei wem? wo? millel? kus? kennellä? millä?<br />

woran? worauf?<br />

All. für wen? zu wem? millele? kuhu? kennelle? mille?<br />

an was? wohin?<br />

minne?<br />

Abl. von wem? woher? millelt? kust? kenneltä? miltä?<br />

wovon?<br />

Es. als wer? als was? millena? kennenä? minä? (1)<br />

Trl. wozu? warum? milleks? kust? miksi? (2)<br />

auf was? was wird?<br />

Ab. ohne wen? milleta? ketä ilman? (3)<br />

ohne was? mitä ilman? (3)<br />

Kom. mit wem? womit? millega? kenen kanssa? (4)<br />

minkä kanssa? (4)<br />

86


Ter. bis zu wem? milleni? -<br />

bis wohin?<br />

Ins. womit? auf - kuinka? miten?<br />

welche Art?<br />

Das ist natürlich ein ganz schöner Haufen auf einmal, aber auch hier gilt,<br />

was ich schon oben geschrieben habe: Wer einmal alle Formen<br />

zusammen sieht, kann sie sich besser einprägen.<br />

Zu den estnischen Fragewörtern gibt es dies zu bemerken: Da die<br />

Grenzen zwischen den Fällen nicht so scharf sind wie im <strong>Finnischen</strong>, was<br />

sich auch darin zeigt, dass das Wort „kust“ im Elativ, Ablativ <strong>und</strong> Translativ<br />

gleich dreimal vorkommt <strong>und</strong> auch das Wort „kus“ im Inessiv <strong>und</strong> A<strong>des</strong>siv<br />

zweimal, empfiehlt es sich, die vorderen Varianten zu verwenden, die alle<br />

mit „m“ beginnen.<br />

Zu den finnischen Fragewörtern gibt es dies zu bemerken: Alle Wörter, die<br />

mit einem „k“ beginnen, werden für Personen verwendet, <strong>und</strong> alle Wörter,<br />

die mit einem „m“ beginnen, werden für Dinge verwendet. Bei Tieren <strong>und</strong><br />

Dingen, die als lebendig empf<strong>und</strong>en werden - das können durchaus auch<br />

Autos oder Schiffe sein -, kann auch mit einem Wort gefragt werden, das<br />

mit „k“ beginnt.<br />

(1). „Minä“ bedeutet zugleich „ich“.<br />

(2). „Miksi“ heisst tatsächlich auch „warum“.<br />

(3). Obwohl „ilman“ eigentlich vor dem Wort steht, auf das es sich direkt<br />

bezieht, wird mehr so gefragt, dass es hinten steht, aber es kann auch<br />

vorn stehen: Ilman ketä? Ilman mitä?<br />

(4). Während im Komitativ bei Personen mit „kenen kanssa?“ gefragt<br />

werden kann, ist „minkä kanssa?“ grenzwertig, weil das Wort „kanssa“<br />

eigentlich nur verwendet werden sollte, wenn nach Personen gefragt wird.<br />

In der einfachen Umgangssprache, die sich an etliche Regeln nicht hält -<br />

weiter unten werde ich ihr auch noch ein eigenes Kapitel widmen -, ist das<br />

jedoch möglich. So kann bei Tieren <strong>und</strong> Dingen, die als lebendig<br />

empf<strong>und</strong>en werden, genauso wie in allen anderen Fällen mit der<br />

Personen-Variante gefragt werden, die immer mit einem „k“ beginnt.<br />

87


Als kleinen geeigneten Einstieg in den estnischen <strong>und</strong> finnischen Kasus-<br />

Dschungel bringe ich hier einen Satz, in dem gleich mehrere Kasus auf<br />

einmal vorkommen:<br />

D: Ich bin ein Este <strong>und</strong> komme aus Tallinn, der Hauptstadt Estlands. Jetzt<br />

wohne ich in Tartu, morgen reise ich mit der Familie nach Deutschland.<br />

E: Mina olen eestlane ja tulen Tallinnast, Eesti pealinnast. Nüüd elan<br />

Tartus, homme reisin perega Saksamaasse.<br />

D: Ich bin ein Finne <strong>und</strong> komme aus Helsinki, Finnlands Hautstadt. Jetzt<br />

wohne ich in Turku, morgen reise ich mit der Familie nach Deutschland.<br />

F: Minä olen suomalainen ja tulen Helsingistä, Suomen pääkaupungista.<br />

Nyt asun Turussa, huomenna matkan perheen kanssa Saksaan.<br />

Auch hier steht also „perheen kanssa“ (mit der Familie). Zu beachten ist<br />

der Stufenwechsel bei „Turku“, das im Inessiv zu „Turussa“ mutiert.<br />

Das ist nur ein kleiner Satz, aber schon hier kommen im <strong>Estnischen</strong> fünf<br />

<strong>und</strong> im <strong>Finnischen</strong> immerhin noch vier Kasus vor. Dabei ist das nicht<br />

einmal eine besonders konstruierte Aussage, weil eine solche zu den<br />

normalen Alltagsgesprächen gehört. Einerseits zeigt dieser Satz eine<br />

nahe Verwandtschaft der beiden Sprachen, doch andererseits kann auch<br />

deutlich erkannt werden, warum die gegenseitige Verständigung nicht<br />

immer leicht ist.<br />

88


Die Demonstrativpronomina<br />

(Die hinweisenden Fürwörter)<br />

Es versteht sich schon fast von selbst, dass auch diese Wörter, die mit<br />

den Substantiven eng zusammenhängen, voll dekliniert werden:<br />

D: dieser Mann, jener Mann diese Männer, jene Männer<br />

E: see mees, too mees need mehed, nood mehed<br />

F: tämä mies, tuo mies nämä miehet, nuo miehet<br />

Ausdekliniert sieht die Tabelle ohne Substantive so aus:<br />

Estnisch:<br />

diese(r) diese jene(r) jene<br />

Nom. see need too nood<br />

Gen. selle nende tolle nonde<br />

Akk. seld nended told nonded<br />

Part. seld nended told nonded<br />

In. selles nen<strong>des</strong> tolles non<strong>des</strong><br />

Ill. sellesse nen<strong>des</strong>se tollesse non<strong>des</strong>se<br />

El. sellest nen<strong>des</strong>t tollest non<strong>des</strong>t<br />

Ad. sellel nendel tollel nondel<br />

All. sellele nendele tollele nondele<br />

Abl. sellelt nendelt tollelt nondelt<br />

Es. sellena nendena tollena nondena<br />

Trl. selleks nendeks tolleks nondeks<br />

Ab. selleta nendeta tolleta nondeta<br />

Kom. sellega nendega tollega nondela<br />

Ter. selleni nendeni tolleni nondeli<br />

89


Auch hier werden die Kasus-Endungen im Essiv, Abessiv, Komitativ <strong>und</strong><br />

Terminativ ausgelassen, wenn das Demonstrativpronomen wie oben<br />

erwähnt direkt vor einem Substantiv oder in erweiterndem Sinn vor einem<br />

Adjektiv steht, auf das es sich bezieht. Allerdings müssen dann auch hier<br />

immer die Genitivformen verwendet werden:<br />

Es. selle/tolle arstina nende/nonde arstidena<br />

Ab. selle/tolle arstita nende/nonde arstideta<br />

Kom. selle/tolle arstiga nende/nonde arstidega<br />

Ter. selle/tolle arstini nende/nonde arstideni<br />

Finnisch:<br />

diese(r) diese jene(r) jene<br />

Nom. tämä nämä tuo nuo<br />

Gen. tämän näiden tuon noiden<br />

Akk. tämän, nämä tuon, tuo nuo<br />

tämä<br />

Part. tätä näitä tuota noita<br />

In. tässä näissä tuossa noissa<br />

Ill. tähän näihin tuohon noihin<br />

El. tästä näistä tuosta noista<br />

Ad. tällä näillä tuolla noilla<br />

All. tälle näille tuolle noille<br />

Abl. tältä näiltä tuolta noilta<br />

Es. tänä näinä tuona noina<br />

Trl. täksi näiksi tuoksi noiksi<br />

Ab. tättä näittä tuotta noitta<br />

Der Komitativ <strong>und</strong> der Instruktiv kommen bei den Demonstrativpronomina<br />

90


im <strong>Finnischen</strong> nicht vor, während im <strong>Estnischen</strong> wie oben gesehen alle 14<br />

Kasus vertreten sind, womit es dieses sogar um einen übertrifft.<br />

Ein paar Beispielsätze:<br />

D: Ich sehe jene Frau, aber ich liebe diese Frau.<br />

E: Mina näen told naised, aga mina armastan seld naised.<br />

F: Minä näen tuon rouvan, mutta mina rakastan tätä rouvaa.<br />

D: Ich gebe diese Bücher jenen Männern.<br />

E: Mina annan nended raamatuid nondele mehedele.<br />

F: Minä annan nämä kirjat noille miehille.<br />

Um auch in diesen Bereich richtig einsteigen zu können, gilt auch hier das<br />

Motto: Möglichst viel lesen, aber möglichst einfache Texte.<br />

Es gibt im <strong>Finnischen</strong> noch ein paar Umschreibungsvarianten, die<br />

zwischen „dieses“ <strong>und</strong> „jenes“ ein wenig feiner unterscheiden:<br />

tuo = der da, die da, das da<br />

se = das, jenes<br />

nuo = die da, diese da<br />

ne = die, jene<br />

tämä rouva = diese Frau (gerade hier bei mir)<br />

tuo rouva = diese Frau da (ein wenig weiter weg)<br />

nämä rouvat = diese Frauen (gerade hier bei mir)<br />

nuo rouvat = diese Frauen da (ein wenig weiter weg)<br />

„Se“ <strong>und</strong> „ne“ kommen nur allein stehend vor <strong>und</strong> werden fast immer nur<br />

für unbelebte Dinge verwendet:<br />

Das/es ist gut.<br />

Sie sind gut.<br />

91


Se on hyvä.<br />

Ne ovat hyviä. (Partitiv Einzahl!)<br />

Im Gegensatz zu „tämä“ <strong>und</strong> „nämä“ werden diese aber nicht voll<br />

durchdekliniert, sondern kommen nur in Ortsbezeichnungen vor, aber mit<br />

einer weiteren Einschränkung, dass dies nur für „tuo“ <strong>und</strong> „se“ gilt:<br />

missä? millä?<br />

tässä, täällä<br />

tuossa, tuolla<br />

siinä, siellä<br />

wo?<br />

hier<br />

da, dort<br />

da, dort<br />

mihin? minne?<br />

tähän, tänne<br />

tuohon, tuonne<br />

siihen, sinne<br />

wohin?<br />

hierher, hierhin<br />

dahin, dorthin<br />

dahin, dorthin<br />

mistä? miltä?<br />

tästä, täältä<br />

tuosta, tuolta<br />

siitä, sieltä<br />

woher?<br />

von hier<br />

von da, von dort<br />

von da, von dort<br />

Hier wimmelt es von Feinheiten, allein die je zwei verschiedenen<br />

Fragewörter für die verschiedenen Richtungsangaben können verwirrend<br />

wirken. Meistens kommen aber nur die drei erstgenannten vor: Missä,<br />

mistä, mihin.<br />

Ein paar Beispiele zeigen die feinen Unterschiede:<br />

Tässä on kirja. Hier (gerade bei mir) ist ein Buch.<br />

Täällä on kylmä. Hier (überall r<strong>und</strong> herum) ist es kalt.<br />

92


Tuossa on koira.<br />

Tuolla on koira.<br />

Da (ganz nahe) ist ein H<strong>und</strong>.<br />

Da (etwas weiter weg) ist ein H<strong>und</strong>.<br />

Siinä on koira.<br />

Siellä on koira.<br />

Da/dort (noch weiter weg) ist ein H<strong>und</strong>.<br />

Da/dort (noch viel weiter weg) ist ein H<strong>und</strong>.<br />

Hän tulee tähän.<br />

Hän tulee tänne.<br />

Hän menee tuohon.<br />

Hän tulee tuohon.<br />

Hän menee tuonne.<br />

Hän tulee tuonne.<br />

Hän menee siihen.<br />

Hän tulee siihen.<br />

Hän menee sinne.<br />

Hän tulee sinne.<br />

Er kommt hierhin.<br />

Er kommt hierher.<br />

Er geht dahin.<br />

Er kommt dahin.<br />

Er geht dorthin.<br />

Er kommt dorthin.<br />

Er geht dahin (etwas weiter weg).<br />

Er kommt dahin (von etwas weiter weg).<br />

Er geht dorthin (noch weiter weg).<br />

Er kommt dorthin (von noch weiter weg).<br />

Minä tulen tästä.<br />

Minä tulen täältä.<br />

Minä tulen tuosta.<br />

Minä tulen tuolta.<br />

Minä tulen siitä.<br />

Minä tulen sieltä.<br />

Ich komme von hier (von diesem Haus).<br />

Ich komme von hier (von etwas weiter weg).<br />

Ich komme von da.<br />

Ich komme von dort.<br />

Ich komme von da (von etwas weiter weg).<br />

Ich komme von dort (von noch etwas weiter weg).<br />

All diese Feinheiten sind von den Fremdsprachigen natürlich nur schwer<br />

zu meistern, aber auch die Einheimischen schauen in den<br />

Alltagsgesprächen nicht immer genau darauf. Es braucht viel<br />

Sprechpraxis, um diese Feinheiten mit der Zeit unterscheiden zu können.<br />

93


Immerhin kann dieser Hinweis beim Wort „tänne“ dienen, der wie oben im<br />

Unterkapitel über den Allativ erwähnt auffallend häufig gehört werden<br />

kann. So sagt ein Herrchen oder ein Frauchen, das mit einem H<strong>und</strong> Gassi<br />

geht, immer wieder „tule tänne!“ (komm hierher!). Auch in der Armee ist<br />

dieses „tänne“ oft zu hören: „Komppania tänne!“ (Kompanie hierher!) oder<br />

„Pataljoona tänne!“ (Bataillon hierher!).<br />

Im <strong>Estnischen</strong> sind diese Feinheiten nicht so ausgeprägt, weil es nur drei<br />

„Pärchen“ gibt:<br />

Siin on raamat.<br />

Seal on raamat.<br />

Hier ist ein Buch, da ist ein Buch.<br />

Dort ist ein Buch.<br />

Tema tuleb siia.<br />

Tema läheb sinna.<br />

Tema tuleb sinna.<br />

Er kommt hierher.<br />

Er geht dorthin.<br />

Er kommt dorthin.<br />

Mina tulen siit.<br />

Mina tulen sealt.<br />

Ich komme von hier.<br />

Ich komme von dort.<br />

94


Die Adjektive (Eigenschaftswörter)<br />

Erst jetzt, da ich das ganze Kasus-System zusammen mit den<br />

Demonstrativpronomina, die eng damit zusammenhängen, gründlich<br />

eingeführt habe, ist es möglich, auch in die Welt der Adjektive<br />

einzusteigen, die genauso umfangreich ist, weil allesamt sich nach den<br />

Substantiven richten, auf die sie sich direkt beziehen. Das bedeutet also,<br />

dass auch sie in den oben vorgestellten 14 bzw. 15 Fällen vorkommen<br />

<strong>und</strong> voll durchdekliniert werden.<br />

Wie das funktioniert, kann auf zwei neuen Tabellen gesehen werden, in<br />

denen nochmals alle Fälle in der Einzahl <strong>und</strong> Mehrzahl vorkommen.<br />

Diesmal nehme ich als Parade-Adjektiv „gross“, weil es so wie in allen<br />

anderen Sprachen zu den meistverwendeten gehört <strong>und</strong> zudem im<br />

<strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> für einmal identisch ist:<br />

suur (E) - suuri (F)<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

Nom. das grosse Buch suur raamat suuri kirja<br />

Gen. <strong>des</strong> grossen Buches suure raamatu suuren kirjan<br />

Akk. das grosse Buch suurd raamatut suuren kirjan<br />

Part. ein grosses Buch suurd raamatut (Part.) suurta kirjaa<br />

In. im grossen Buch suures raamatus suuressa kirjassa<br />

Ill. ins grosse Buch suresse raamatusse suureen kirjaan<br />

(hinein)<br />

El. aus dem grossen Buch suurest raamatust suuresta kirjasta<br />

Ad. am/beim grossen suurel raamatul suurella kirjalla<br />

Buch<br />

All. zum grossen Buch suurele raamatule suurelle kirjalle<br />

(hin)<br />

Abl. vom grossen Buch suurelt raamatult suurelta kirjalta<br />

95


Es. als grosses Buch suure raamatuna suurena kirjana<br />

Trl. zum grossen Buch suureks raamatuks suureksi kirjaksi<br />

werdend<br />

Ab. ohne grosses Buch suure raamatuta suuretta kirjatta<br />

Kom. mit dem grossen suure raamatuga suureine kirjaine<br />

Buch<br />

Ter. bis zum grossen suure raamatuni -<br />

Buch (hin)<br />

Ins. mit dem grossen - (mit „kirja“ nicht<br />

Buch<br />

üblich, „suurin“<br />

allein stehend)<br />

Das sind also die 14 möglichen Varianten im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> die 13<br />

möglichen Varianten im <strong>Finnischen</strong>. Wie bei den Demonstrativpronomina<br />

werden die estnischen Kasus-Endungen im Essiv, Abessiv, Komitativ <strong>und</strong><br />

Terminativ ausgelassen <strong>und</strong> durch die Genitivformen ersetzt. Wer sich<br />

schon jetzt überfordert fühlt, kann sich trotzdem etwas zurücklehnen, weil<br />

es mit den Mehrzahlformen noch viel abenteuerlicher wird:<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

Nom. die grossen Bücher suured raamatud suuret kirjat<br />

Gen. der grossen Bücher suurte raamatute suurjen kirjojen<br />

Akk. die grossen Bücher suurid raamatuid suuret kirjat<br />

Part. grosse Bücher suurid raamatuid suureja kirjoja<br />

In. in den grossen suurte<strong>des</strong> raamatultes suurissa kirjoissa<br />

Büchern<br />

Ill. in die grossen suurte<strong>des</strong>se raamatultesse suurihin korjoihin<br />

Bücher hinein<br />

96


El. aus den grossen suurte<strong>des</strong>t raamatultest suurista kirjoista<br />

Büchern<br />

Ad. an/bei den grossen suurtedel raamatultel suurilla kirjoilla<br />

Büchern<br />

All. zu den grossen suurtedele raamatultele suurille kirjoille<br />

Büchern (hin)<br />

Abl. von den grossen suurtedelt raamatultelt suurilta kirjoilta<br />

Büchern<br />

Es. als grosse Bücher suurte raamatultena suurina kirjoina<br />

Trl. zu grossen suurteks raamatulteks suuriksi kirjoiksi<br />

Büchern werdend<br />

Ab. ohne die grossen suurte raamatulteta suuritta kirjoitta<br />

Bücher<br />

Kom. mit den grossen suurte raamatultega suurine kirjoine<br />

Büchern<br />

Ter. bis zu den grossen suurte raamatulteni -<br />

Büchern (hin)<br />

Ins. mit den grossen - (mit „kirat“ nicht<br />

Büchern<br />

üblich, „suurin“<br />

allein stehend)<br />

Im <strong>Estnischen</strong> ist es auch <strong>des</strong>halb etwas schwieriger, weil die Adjektiv-<br />

Endungen im Essiv, Abessiv, Komitativ <strong>und</strong> Terminativ auch hier<br />

ausgelassen <strong>und</strong> durch die Genitivformen ersetzt werden, die wiederum<br />

nicht so leicht abgeleitet werden können wie die in der Einzahl.<br />

Als weiteres Beispiel für ein Adjektiv führe ich auch die Deklinationen für<br />

„väike“ <strong>und</strong> „pieni“ (klein) in der Einzahl <strong>und</strong> Mehrzahl auf, weil das<br />

finnische Wort wegen der Vokalharmonie besonders geeignet ist:<br />

97


Estnisch (Einzahl <strong>und</strong><br />

Finnisch (Einzahl <strong>und</strong><br />

Mehrzahl):<br />

Mehrzahl):<br />

Nom. väike väikede pieni pienet<br />

Gen. väise väisede pienen pienien<br />

Akk. väised väisede pienen pienet<br />

Part. väised väisede pieniä pienojen<br />

In. väises väise<strong>des</strong> pienessä pienissä<br />

Ill. väisesse väise<strong>des</strong>se pieneen pieniin<br />

El. väisest väise<strong>des</strong>t pienestä pienistä<br />

Ad. väisel väisedel pienellä pienillä<br />

All. väisele väisedele pienelle pienille<br />

Abl. väiselt väisedelt pieneltä pieniltä<br />

Es. väisena väisedena pienenä pieninä<br />

Trl. väiseks väisedeks pieneksi pieniksi<br />

Ab. väiseta väisedeta pienettä pienittä<br />

Kom. väisega väisedega - -<br />

Ter. väiseni väisedeni - -<br />

Ins. - - pienin pienin<br />

Nochmals zur Erinnerung: Im <strong>Estnischen</strong> werden die Adjektiv-Endungen<br />

im Essiv, Abessiv, Komitativ <strong>und</strong> Terminativ ausgelassen <strong>und</strong> durch die<br />

Genitivformen ersetzt, wenn „väise“ <strong>und</strong> „väisede“ direkt vor den<br />

Substantiven stehen, auf die sie sich beziehen.<br />

Bei so vielen Varianten - bei jedem einzelnen Substantiv <strong>und</strong> Adjektiv je<br />

14 im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> 13 im <strong>Finnischen</strong> - könnte man wirklich bald<br />

verzweifeln, <strong>und</strong> man erinnert sich fast sehnsüchtig wieder daran, dass es<br />

zum Beispiel im Englischen nur die beiden Varianten „big house“ <strong>und</strong> „big<br />

houses“ gibt, um die herum die verschiedenen Ausdrücke aufgebaut<br />

werden:<br />

98


in the big house<br />

into the big house<br />

from the big house<br />

without the big house<br />

usw.<br />

in the big houses<br />

into the big houses<br />

from the big houses<br />

without the big houses<br />

usw.<br />

Obwohl dieser Kasus-Dschungel in beiden Sprachen <strong>und</strong>urchdringlich<br />

scheint - so habe auch ich im <strong>Estnischen</strong>, das ich weniger gut kenne als<br />

das Finnische, etwas Mühe -, sind gewisse Regeln zu erkennen, die nicht<br />

nur auf „raamat“ <strong>und</strong> „kirja“, sondern auch auf viele andere Wörter<br />

zutreffen: Während der Genitiv Einzahl in beiden Sprachen meistens mit<br />

einem angehängten „-e“ gebildet wird, von dem die meisten anderen Fälle<br />

gebildet werden können, sind die Kennzeichen für die Mehrzahl im<br />

<strong>Estnischen</strong> meistens „-te“ oder „-de“, <strong>und</strong> im <strong>Finnischen</strong> wird sogar nur<br />

zwischen einem „e“ <strong>und</strong> einem „i“ unterschieden:<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

ein grosses Buch suur raamatu suuri kirja<br />

grosse Bücher suured raamatud suuret kirjat<br />

in einem grossen Buch suures raamatus suuressa kirjassa<br />

in grossen Büchern suurte<strong>des</strong> raamatultes suurissa kirjoissa<br />

ein grosses Haus suur maja suuri talo<br />

grosse Häuser suured majade suuret talot<br />

in einem grossen Haus suures majas suuressa talossa<br />

in grossen Häusern suurte<strong>des</strong> maja<strong>des</strong> suurissa taloissa<br />

Wer all diese Formen sieht <strong>und</strong> sich <strong>des</strong>halb überlegt, nicht mehr weiter<br />

zu lernen, weil er oder sie es sich nicht zutraut, noch tiefer in dieses<br />

Gestrüpp einzusteigen, darf sich nicht entmutigen lassen. Mit ein wenig<br />

Übung <strong>und</strong> einem sachten Aufbau lässt sich tatsächlich eine Hürde nach<br />

der anderen überwinden. Auch ich, der wie ganz oben erwähnt eigentlich<br />

99


nur mit Deutsch aufgewachsen ist <strong>und</strong> vom <strong>Finnischen</strong> nur wenige<br />

Brocken mitbekam, habe das geschafft, also können das alle anderen<br />

auch schaffen - auch jene, die glauben, sie seien zu wenig sprachbegabt.<br />

Die Esten <strong>und</strong> Finnen erwarten sowieso nicht, dass die Fremden ihre<br />

Sprachen fliessend reden, weil sie selber gut genug wissen, wie schwer<br />

diese sind.<br />

Immerhin bleibt doch noch ein kleiner Trost: Im Vergleich zum Komparativ<br />

<strong>und</strong> zum Superlativ, also zu den beiden Steigerungen, die in der<br />

Fachsprache als erste <strong>und</strong> zweite Stufe der Steigerung bezeichnet<br />

werden, sind die Gr<strong>und</strong>formen noch kinderleicht zu bilden. Bevor ich näher<br />

auf die Steigerung eingehe, will ich einfügen, dass es in den einfachen<br />

Alltagsgesprächen auch nach meiner eigenen Erfahrung möglich ist, sich<br />

auf die Gr<strong>und</strong>formen allein zu beschränken <strong>und</strong> sich auf solche Aussagen<br />

wie „…ist so gross wie…“ zu konzentrieren.<br />

Ein paar Beispiele:<br />

D: Ursula ist fast so klein wie Leena = sie ist grösser als Leena.<br />

E: Ursula on ligi nii väike kui Leena.<br />

F: Ursula on melkein niin pieni kuin Leena.<br />

D: Juha ist fast so gross wie Matti = er ist kleiner als Matti.<br />

E: Juha on ligi nii suur kui Matti.<br />

F: Juha on melkein niin suuri kuin Matti.<br />

Natürlich wirken solche Sätze etwas unbeholfen, aber ich finde diese<br />

Lösung besser, als krasse Fehler zu begehen, die vermieden werden<br />

könnten.<br />

An Stelle einer fast endlos langen Liste mit Adjektiven in beiden Sprachen<br />

beschränke ich mich hier darauf, nur eine kleine mit den Wörtern für die<br />

Farben aufzuführen, die nun einmal häufig vorkommen:<br />

Deutsch: Estnisch: Genitiv: Finnisch: Genitiv:<br />

blau sinine sinise sininen sinisen<br />

braun pruun pruuni ruskea ruskean<br />

100


gelb kollane kollase keltainen keltaisen<br />

golden kuldne kuldse kultainen kultaisen<br />

grau hall halli harmaa harmaan<br />

grün roheline rohelise vihreä vihreän<br />

rosa roosa roosa vaaleanpunainen<br />

vaaleanpunaisen<br />

rot punane punase punainen punaisen<br />

schwarz must musta musta mustan<br />

silbern hõbedane hõbedase hopeinen hopeisen<br />

violett violetne violetse violetti violetin<br />

weiss valge valge valkea, valkean,<br />

valkoinen valkoisen<br />

Auf weitere Zwischenfarben - bekanntlich gehören auch grün, das sich aus<br />

blau <strong>und</strong> gelb zusammensetzt, <strong>und</strong> violett, das aus blau <strong>und</strong> rot gebildet<br />

wird, zu ihnen - verzichte ich hier, weil die weiteren Feinheiten in den<br />

entsprechenden Wörterbüchern nachgeschaut werden können.<br />

Zum Schluss dieses Kapitels noch dies: Nicht nur zwischen dem<br />

Deutschen <strong>und</strong> dem Niederländischen <strong>und</strong> teilweise auch dem<br />

Englischen, das ursprünglich ebenfalls eine westgermanische Sprache<br />

war <strong>und</strong> nach der erfolgreichen Invasion der Normannen im Jahr 1066 im<br />

Verlauf der nächsten paar Jahrh<strong>und</strong>erte mit Tausenden von neuen<br />

französischen Wörtern vermischt wurde, gibt es „falsche Fre<strong>und</strong>e“, wie sie<br />

in der Fachsprache genannt werden, sondern auch zwischen dem<br />

<strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong>. Das sind Wörter, die in nah verwandten<br />

Sprachen gleich oder fast gleich klingen <strong>und</strong> trotzdem etwas ganz anderes<br />

bedeuten.<br />

Die bekanntesten „falschen Fre<strong>und</strong>e“, von denen es zwischen dem<br />

Deutschen <strong>und</strong> Niederländischen mehrere H<strong>und</strong>ert gibt, sind diese:<br />

Meer zee anrufen bellen<br />

See meer gekauft gekocht<br />

101


Die beiden bekanntesten „falschen Fre<strong>und</strong>e“ sind zwischen dem<br />

Deutschen <strong>und</strong> Englischen diese:<br />

bekommen<br />

werden<br />

to get, to receive<br />

to become<br />

So ist auch der Satz überliefert, den einer unserer Englisch-Lehrer immer<br />

wieder mit Genuss zitierte, als ein Gast in einem Restaurant dem Kellner<br />

eine Frage stellte <strong>und</strong> dieser wegen eines Missverständnisses die<br />

entsprechende Antwort gab:<br />

When do I become a sheap’s head? - I hope never.<br />

Wann werde ich ein Schafskopf? - Ich hoffe nie.<br />

Was das Estnische <strong>und</strong> Finnische betrifft, habe ich einen dieser „falschen<br />

Fre<strong>und</strong>e“ oben schon aufgeführt:<br />

E: täna (heute), tänan (ich danke)<br />

F: tänään (heute)<br />

Gerade mit dem estnischen Illativ <strong>und</strong> dem finnischen Inessiv kann es<br />

Verwechslungen geben, wenn nicht ganz genau hingehört wird. Das<br />

betrifft auch den estnischen Terminativ <strong>und</strong> das finnische<br />

Possessivpronomen der ersten Person Einzahl, auf das ich weiter unten<br />

noch näher eingehen werde:<br />

E: Helsingisse nach Helsinki isani bis zum Vater<br />

F: Helsingissä in Helsinki isäni mein Vater<br />

Der bekannteste „falsche Fre<strong>und</strong>“ gehört in beiden Sprachen zu den<br />

meistverwendeten Wörtern:<br />

E: pikk (lang - Genitiv = pika, Partitiv = pikka)<br />

F: pikku (klein - dieses Wort ist unveränderlich)<br />

102


Die Steigerung der Adjektive<br />

Wer sich nicht auf den oben vorgeschlagenen Kompromiss einlassen,<br />

sondern die beiden Steigerungsformen wirklich kennen lernen will,<br />

bekommt gleich weitere Tabellen angeboten, die leider unumgänglich<br />

sind.<br />

Der Komparativ (Erste Steigerungsstufe)<br />

Die Kennzeichen für den Komparativ sind im <strong>Estnischen</strong> der Konsonant<br />

„,m“, der an den Genitiv der Einzahlform angehängt wird, <strong>und</strong> im<br />

<strong>Finnischen</strong> im Nominativ Einzahl die Endung „-mpi“, die ebenfalls an den<br />

Genitiv der Einzahlform oder an die Mehrzahlform <strong>des</strong> Nominativs<br />

angehängt wird, wobei das „n“ <strong>und</strong> das „t“ wegfallen:<br />

Estnisch:<br />

suur = gross Gen. suure Komparativ: suurem<br />

väise = klein Gen. väise väiksem<br />

Finnisch:<br />

suuri = gross Gen. suuren Pl. suuret Komparativ: suurempi<br />

pieni = klein Gen. pienen Pl. pienet pienempi<br />

Beim Komparativ von „väise“ wird vor dem „m“ also noch ein „k“<br />

dazwischengeschoben.<br />

Vom Genitiv Einzahl werden alle gesteigerten Adjektive im Komparativ<br />

gebildet, wobei im <strong>Estnischen</strong> in allen anderen Fällen die Endung „-ma“<br />

angehängt wird, während im <strong>Finnischen</strong> nach der Vokalharmonie<br />

entweder „-mman“ oder „-mmän“ usw. hinten stehen. So kommt auch hier<br />

wieder ein Stufenwechsel vor, wenn aus der davon abgeleiteten<br />

Einzahlform im Genitiv <strong>und</strong> aus der Mehrzahlform im Nominativ die<br />

übrigen Einzahlformen <strong>und</strong> alle Mehrzahlformen gebildet werden.<br />

Das sieht zunächst im Nominativ so aus:<br />

D: Ursula ist grösser als Leena. Juha ist kleiner als Matti.<br />

103


E: Ursula on suurem kui Leena. Juha on väiksem kui Mati.*<br />

F: Ursula on suurempi kuin Leena. Juha on pienempi kuin Matti.<br />

* Im <strong>Estnischen</strong> werden auch die Eigennamen dort, wo im <strong>Finnischen</strong> ein<br />

Doppelkonsonant steht, nur mit einem Konsonanten geschrieben, aber<br />

gleich ausgesprochen:<br />

Matti - Mati, Pekka - Peka, Rebekka - Rebeka, Riitta - Riita.<br />

In beiden Sprachen gibt es noch eine zweite Variante, die allerdings fast<br />

nur in der Schriftsprache vorkommt, an Stelle von „kui“ <strong>und</strong> „kuin“.<br />

Während im <strong>Estnischen</strong> der Elativ steht, kommt im <strong>Finnischen</strong> der Partitiv<br />

zum Zug; beiden gemeinsam ist, dass sie direkt vor dem gesteigerten<br />

Adjektiv stehen:<br />

D: Ursula ist grösser als Leena. Juha ist kleiner als Matti.<br />

E: Ursula on Leenast suurem. Juha on Matist väiksem.<br />

F: Ursula on Leenaa suurempi. Juha on Mattia pienempi.<br />

D: Das weisse Kleid ist schöner als das gelbe.<br />

E: Valge kleit on kollasest ilusam (=ilusam kui kollane).<br />

F: Valkea puku on keltaisia kauniimpi (=kauniimpi kuin keltainen).<br />

Auch in der Mehrzahl steht im <strong>Finnischen</strong> immer der Partitiv Einzahl:<br />

D: Ursula <strong>und</strong> Leena sind grösser als Ilkka.<br />

E: Ursula ja Leena on suuremid kui Ilka.<br />

Ursula ja Leena on Ilkast suuremid.<br />

F: Ursula ja Leena ovat suurempia kuin Ilkka. (Partitiv Einzahl)<br />

Ursula ja Leena ovat Ilkkaa suurempia. (Partitiv Einzahl)<br />

104


D: Ilkka liebt zwei Frauen: Ursula <strong>und</strong> Leena - <strong>und</strong> beide sind viel grösser<br />

als er.<br />

E: Ilka armastab kahe naiset: Ursulat ja Leenat - ja mõlemad on palju<br />

suuremid kui tema (ja mõlemad on temast palju suuremid).<br />

F: Ilkka rakastaa kahden rouvaa : Ursulaa ja Leenaa - ja molemmat ovat<br />

paljon suurempia kuin hän (ja molemmat ovat häntä paljon suurempia).<br />

.<br />

D: Ursula <strong>und</strong> Leena lieben Ilkka, obwohl er viel kleiner ist als sie beide.<br />

E: Ursula ja Leena armastavad Ilkat, kuigi ta on palju väisemt kui nemad<br />

mõlemad.<br />

F: Ursula ja Leena rakastavat Ilkkaa, vaikka hän on paljon pienempi kuin<br />

he molemmat.<br />

In den beiden oberen Beispielsätzen zeigen sich gleich zwei wichtige<br />

Regeln auf einmal: Sowohl bei Verben wie „lieben“ als auch nach einer<br />

Zahl steht immer der Partitiv Einzahl, wobei die Zahlen selber im Genitiv<br />

stehen, wenn sie mit einem Verb verb<strong>und</strong>en werden, <strong>und</strong> wenn nicht,<br />

kommt der gewöhnliche Nominativ zum Zug.<br />

D: zwei Frauen aber: Ich liebe zwei Frauen.<br />

E: kaks naiset Mina armastan kahe naiset.<br />

F: kaksi rouvaa Minä rakastan kahden rouvaa.<br />

Es muss nicht mehr besonders erwähnt werden, dass auch bei den Zahlen<br />

viele Unregelmässigkeiten vorkommen - sonst wären es nicht mehr<br />

Estnisch <strong>und</strong> Finnisch -, aber ich gehe erst weiter unten im Spezialkapitel<br />

über die Zahlen näher darauf ein.<br />

Natürlich werden die Adjektive auch im Komparativ dekliniert:<br />

Estnisch (Einzahl <strong>und</strong> Mehrzahl): Finnisch (Einzahl <strong>und</strong> Mehrzahl):<br />

Nom. suurem suuremade suurempi suuremmat<br />

105


Gen. suurema suuremade suuremman suurempien<br />

Akk. suuremat suuremuid suuremman suuremmat<br />

Part. suuremat suuremuid suurempaa suurempia<br />

In. suuremas suurema<strong>des</strong> suuremmassa suuremmissa<br />

Ill. suuremasse suurema<strong>des</strong>se suurempaan suurempiin<br />

El. suuremast suurema<strong>des</strong>t suuremmasta suuremmista<br />

Ad. suuremal suuremadel suuremmalla suuremmilla<br />

All. suuremale suuremadele suuremmalle suuremmille<br />

Abl. suuremalt suuremadelt suuremmalta suuremmilta<br />

Es. suuremana suuremadena suurempana suurempina<br />

Trl. suuremaks suuremadenaks suuremmaksi suuremmiksi<br />

Ab. suuremata suuremadenata suuremmatta suuremmitta<br />

Kom. suuremaga suuremadenaga suurempine suurempine<br />

Ter. suuremani suuremadeni - -<br />

Ins. - - suuremmin * suuremmin<br />

In alten Grammatikbüchern wird für die Einzahl <strong>des</strong> Instruktivs auch noch<br />

„suuremman“ aufgeführt, aber heute wird für diesen ohnehin selten<br />

verwendeten Kasus nur noch die Mehrzahlform geschrieben.<br />

Das ist ein Beispiel für die Endung „-mmat“ im <strong>Finnischen</strong>, jetzt kommt<br />

noch eines für die Endung „-mmät“ bei den Adjektiven „väike“ <strong>und</strong> „pieni“<br />

(klein):<br />

Nom. väiksem väiksemide pienempi pienemmät<br />

Gen. väiksema väiksemade pienemmän pienempien<br />

Akk. väiksemat väiksemuid pienemmän pienemmät<br />

Part. väiksemat väiksemuid pienempää pienempiä<br />

In. väiksemas väiksema<strong>des</strong> pienemmässä pienemmissä<br />

106


Ill. väiksemasse väiksema<strong>des</strong>se pienempään pienempiin<br />

El. väiksemast väiksema<strong>des</strong>t pienemmästä pienemmistä<br />

Ad. väiksemal väiksemadel pienemmällä pienemmillä<br />

All. väiksemale väiksemadele pienemmälle pienemmille<br />

Abl. väiksemalt väiksemadelt pienemmältä pienemmiltä<br />

Es. väiksemana väiksemadena pienempänä pienempinä<br />

Trl. väiksemaks väiksemadeks pienemmäksi pienemmiksi<br />

Ab. väiksemata väiksemadeta pienemmättä pienemmittä<br />

Kom. väiksemaga väiksemadega pienempine pienempine<br />

Ter. väiksemani väiksemadeni - -<br />

Ins. - - pienemmin * pienemmin<br />

* Hier gilt das Gleiche wie oben bei „suuremman“: Das uralte „pienemmän“<br />

für die Einzahl <strong>des</strong> Instruktivs wird heute nicht mehr geschrieben, sondern<br />

ist mit dem Mehrzahlwort „pienemmin“ identisch.<br />

Im <strong>Estnischen</strong> fallen die Kasus-Endungen auch bei der Steigerung im<br />

Essiv, Abessiv, Komitativ <strong>und</strong> Terminativ weg <strong>und</strong> werden durch die<br />

Genitiv-Endung ersetzt, wenn die gesteigerten Adjektive direkt vor den<br />

Substantiven stehen, auf die sie sich beziehen:<br />

D: als grössere Frau ohne die kleinere Frau mit der grösseren Frau<br />

E: suurema naisena väiksema naiseta suurema naisega<br />

Dagegen im <strong>Finnischen</strong>: suuremmana rouvana, pienemmättä rouvatta<br />

(ilman pienempiä rouvaa = Partitiv,<br />

suuremman rouvan kanssa = Genitiv)<br />

D: als grösserer Mann ohne den kleineren Mann mit dem grösseren M.<br />

E: suurema mehena väiksema meheta suurema mehega<br />

107


F: suuremmana miehenä pienemmättä miehettä<br />

(ilman pienempiä miehiä = Partitiv,<br />

suuremman miehen kanssa = Genitiv)<br />

Für „klein“ gibt es im <strong>Estnischen</strong> noch das Wort „pisike“, das im<br />

Komparativ „pisem“ lautet, aber es kommt weniger häufig vor <strong>und</strong> enthält<br />

erst noch eine Silbe mehr, so dass „väise“ für solche Deklinationstabellen<br />

viel geeigneter ist.<br />

Die Deklinationen im Komparativ:<br />

Einzahl: pisem, pisema, pisemat, pisemas…<br />

Mehrzahl: pisemide, pisemade, pisemuid, pisema<strong>des</strong>…<br />

Wie in fast allen anderen Sprachen ist auch im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong><br />

der Komparativ von „gut“ <strong>und</strong> „schlecht“ zum Teil unregelmässig:<br />

D: gut - besser - die besseren<br />

E: hea - parem - paremid (Gen. parema, paremida)<br />

F: hyvä - parempi - paremmat (Gen. paremmin, paremmien)<br />

Längst nicht alle estnischen Adjektive haben im Komparativ Nominativ die<br />

Endung „-em“, aber wenigstens die meisten. Zu den wenigen, welche die<br />

Endung „-am“ haben, gehören diese fünf:<br />

Gr<strong>und</strong>wort<br />

Komparativ<br />

arbeitsam töökas töökam<br />

dunkel pime pimedam<br />

nett kena kenam<br />

schön ilus ilusam<br />

wichtig tähtis tähtsam<br />

108


Der Superlativ (Zweite Steigerungsstufe)<br />

Neben dem Ausdrücken <strong>des</strong> Possessivpronomens - also <strong>des</strong> Besitz<br />

anzeigenden Fürworts, auf das ich weiter unten näher eingehe -<br />

unterscheidet sich das Estnische in diesem Bereich am deutlichsten vom<br />

<strong>Finnischen</strong>. Während im <strong>Estnischen</strong> nur das Wort „kõige“, das locker<br />

übersetzt „am meisten“ bedeutet, vor den Komparativ gestellt wird, gibt es<br />

im <strong>Finnischen</strong> nochmals eigene Deklinationen. Allerdings kommt im<br />

<strong>Estnischen</strong> neben der Variante mit „kõige“ noch eine weitere Deklination<br />

vor, bei der das „e“ in der Komparativform durch ein „i“ ersetzt wird <strong>und</strong><br />

das „kõige“ dann ausfällt. Das ist allerdings nicht bei allen gesteigerten<br />

Adjektiven so, sondern nur bei fünfzehn, <strong>und</strong> zwar bei diesen:<br />

Gr<strong>und</strong>wort: Komparativ: Superlativ:<br />

alt vana vanem kõige vanem,<br />

vanim<br />

Alle anderen - in alphabetischer Reihenfolge - gehen gleich:<br />

arbeitsam töökas töökam töökaim<br />

dick paks paksem paksim<br />

dunkel pime pimedam pimedaim<br />

dünn õhuke õhem õhim<br />

gross suur suurem suurim<br />

gut hea parem parim<br />

klein pisike pisem pisim<br />

väike väiksem, väikseim,<br />

vähem<br />

vähim<br />

kurz lühike lühem lühim<br />

lang pikk pikem pikim<br />

nahe lähedane lähem lähim<br />

nett kena kenam kenim<br />

109


neu uus uuem uusim<br />

schlecht halb halvem halvim<br />

wichtig tähtis tähtsam tähtsaim<br />

Ein paar Superlative werden unregelmässig gebildet, was nicht weiter<br />

erstaunt. Das Komparativ-Wort „vähem“ (kleiner), mit dem das Superlativ-<br />

Wort „vähim“ gebildet wird, ist die zweite Variante von „väiksem“. Ich habe<br />

sie oben in den Deklinationstabellen nicht aufgeführt, weil es nicht so wie<br />

„väiksem“ direkt vom Gr<strong>und</strong>wort „väise“ abgeleitet wird, aber beide<br />

Varianten, die locker mit „kleiner“ <strong>und</strong> dem norddeutschen „kleener“<br />

verglichen werden können, kommen gleich häufig vor.<br />

Wenn im Superlativ die einfachere Variante mit „i“ gewählt wird, läuft es<br />

bei der Deklination genau gleich wie bei „suurem“ <strong>und</strong> „väiksem“: An die<br />

Genitiv-Endung „-a“ werden die Endungen aller anderen Kasus<br />

angehängt:<br />

Einzahl: suurim, suurima, suurimat, suurimas…<br />

Mehrzahl: suurimade, suurimade, suurimuid, suurima<strong>des</strong>…<br />

Einzahl: väikseim/vähim, väikseima/vähima, väikseimat/vähimat,<br />

väiksemas/vähimas…<br />

Mehrzahl: väikseimade/vähimade, väikseimade/vähimade,<br />

väiksemuid/vähimuid, väikseima<strong>des</strong>/vähima<strong>des</strong>…<br />

Da der entscheidende Unterschied zwischen dem Komparativ <strong>und</strong> dem<br />

Superlativ bei den meisten Wörtern nur zwischen einem „e“ <strong>und</strong> einem „i“<br />

liegt, ist die Variante mit „kõige“ mehr zu empfehlen, damit mögliche<br />

Missverständnisse vermieden werden können. Tatsächlich wird diese in<br />

der Umgangssprache viel mehr verwendet, während der Superlativ mit „i“<br />

fast nur in der Schriftsprache vorkommt.<br />

Jetzt zum <strong>Finnischen</strong>: Die Kennzeichen <strong>des</strong> finnischen Superlativs sind in<br />

der Einzahl die Endung „-in“ <strong>und</strong> in der Mehrzahl die Endungen „-immat“<br />

<strong>und</strong> „-immät“, also unterscheidet er sich vom Komparativ vor allem durch<br />

das davorstehende „i“. Auch hier wird vom Genitiv der Einzahl<br />

110


ausgegangen, wobei das „e“ sich in ein „i“ verwandelt, was ein paar<br />

Beispiele zeigen:<br />

gross - grösser - der/die/das grösste - die grössten<br />

suuri (Gen. suuren) - suurempi - suurin (Gen. suurimman) - suurimmat<br />

klein - kleiner - der/die/das kleinste - die kleinsten<br />

pieni (Gen. pienen) - pienempi - pienin (Gen. pienimmän) - pienimmät<br />

jung - jünger - der/die/das jüngste - die jüngsten<br />

nuori (Gen. nuoren) - nuorempi - nuorin (Gen. nuorinen) - nuorimmat<br />

ges<strong>und</strong> - gesünder - der/die/das gesün<strong>des</strong>te - die gesün<strong>des</strong>ten<br />

terve (Gen. terveen) - tervempi - tervein (Gen. terveimmän) - terveimmät<br />

Wie der Superlativ von „terve“ zeigt, enthalten Adjektive, die in der<br />

Gr<strong>und</strong>form auf „-e“ enden, weiter ein „e“, weil der Genitiv in der Einzahl<br />

zwei enthält, also verwandelt sich auch hier ein „en“ zu einem „in“.<br />

Die Superlativ-Deklinationen von „suuri“ <strong>und</strong> „pieni“ lauten so:<br />

Nom. suurin suurimmat pienin pienimmät<br />

Gen. suurimman suurimpien pienimmän pienimpien<br />

Akk. suurin suurimmat pienin pienimmät<br />

Part. suurinta suurimpia pienintä pienimpiä<br />

In. suurimmassa suurimmissa piennimmässa pienimmissä<br />

Ill. suurimpaan suurimpiin pienimpään pienimpiin<br />

El. suurimmasta suurimmista pienimmästä pienimmistä<br />

Ad. suurimmalla suurimmilla pienimmällä pienimmillä<br />

All. suurimmalle suurimille pienimmälle pienimmille<br />

111


Abl. suurimmalta suurimmilta pienimmältä pienimmiltä<br />

Es. suurimpana suurimpina pienimpänä pienimpinä<br />

Trl. suurimmaksi suurimmiksi pienimmäksi pienimmiksi<br />

Ab. suurimmatta suurimmitta pienimmättä pienimmittä<br />

Ins. suurimmin * suurimmin pienimmin * pienimmin<br />

* Auch hier gilt das Gleiche wie oben bei „suuremman“ <strong>und</strong> „pienemmän“:<br />

Die uralten „suurimman“ <strong>und</strong> „pienimmän“, welche die Einzahl <strong>des</strong><br />

Instruktivs anzeigten, werden heute nicht mehr geschrieben, sondern sind<br />

mit den Mehrzahlformen identisch.<br />

Für den Komitativ wird mehr die oben vorgestellte Konstruktion mit<br />

„kanssa“ verwendet, während der Instruktiv nur in der sogenannten<br />

gehobenen Schriftsprache vorkommt, also fast nur in wissenschaftlichen<br />

Büchern <strong>und</strong> nur selten in Zeitungen.<br />

Ein paar Beispiele:<br />

D: Ich wohne im grösseren Haus als du.<br />

E: Mina elan suuremas majas kui sina.<br />

F: Minä asun suuremmassa talossa kuin sinä.<br />

D: Ich wohne im grössten Haus der Stadt.<br />

E: Mina elan linna kõige suuremas majas.<br />

F: Minä asun kaupungin suurimmassa talossa.<br />

Da die obige Tabelle deutlich genug anzeigt, wie schwierig - aber<br />

immerhin fast immer regelmässig - die Deklinationen auch im Superlativ<br />

sind, <strong>und</strong> zudem die finnischen Komparativ- <strong>und</strong> Superlativformen<br />

einander sehr nahe stehen <strong>und</strong> sich meistens nur durch die Vokale „e“ <strong>und</strong><br />

„i“ voneinander unterscheiden (suuremmassa talossa = in der grösseren<br />

112


Stadt, suurimmassa talossa = in der grössten Stadt), empfehle ich zum<br />

Vermeiden von Missverständnissen allein den Gebrauch <strong>des</strong><br />

Komparativs, weil die Aussagen auch so schon genug deutlich sind.<br />

Zwei häufig vorkommende Adjektive werden im <strong>Finnischen</strong> unregelmässig<br />

gesteigert:<br />

D: gut - besser - die besseren - der/die/das beste - die besten<br />

F: hyvä - parempi - paremmat - paras - parhaat<br />

(E: hea - parem - kõige parem/parim)<br />

lang - länger - der /die/das längste - die längsten<br />

F: pitkä - pitempi - pitemmät - pisin - pisiit<br />

(E: pikk - pikem - kõige pikem/pikim)<br />

Zur Erinnerung: Das finnische Wort „pikku“ - ein „falscher Fre<strong>und</strong>“ <strong>des</strong><br />

estnischen „pikk“ - bedeutet „klein“ <strong>und</strong> ist unveränderlich.<br />

Dagegen ist die Steigerung von „schlecht“ im Gegensatz zu vielen<br />

anderen Sprachen regelmässig:<br />

D: schlecht - schlechter - die schlechteren - der/die/das schlechteste -<br />

die schlechtesten<br />

F: paha - pahempi - pahemmat - pahein - paheimmat<br />

(E: paha - pahem - kõige pahem<br />

halb - halvem - kõige halvem/halvim)<br />

Es gibt im <strong>Finnischen</strong> noch zwei andere Wörter für „schlecht“, die aber<br />

komplizierter anzuwenden sind, so dass ich hier nur die Nominativformen<br />

aufführe:<br />

huono, pahoin<br />

113


Die Deklinationen von „paras“ (der/die/das beste) <strong>und</strong> „parhaat“ (die<br />

besten) sehen so aus:<br />

Einzahl:<br />

Mehrzahl:<br />

Nominativ paras parhaat<br />

Genitiv parhaan parhaiden<br />

Akkusativ parhaan parhaat<br />

Partitiv parasta parhaita<br />

Inessiv parhaassa parhaissa<br />

Illativ parhaaseen parhaisiin<br />

Elativ parhaasta parhaista<br />

A<strong>des</strong>siv parhaalla parhailla<br />

Allativ parhaalle parhaille<br />

Ablativ parhaalta parhailta<br />

Essiv parhaana parhaina<br />

Translativ parhaaksi parhaiksi<br />

Abessiv parhaatta parhaitta<br />

Komitativ parhaine parhaine<br />

Instruktiv parhain * parhain<br />

* Auch hier gab es früher eine eigene Instruktivform für die Einzahl, <strong>und</strong><br />

zwar „parhaan“, das heute aber ebenfalls mit der Mehrzahlform identisch<br />

ist.<br />

Um richtig ins ganze Steigerungs-Gestrüpp einsteigen zu können, ist<br />

nochmals das zu empfehlen, was ich weiter oben schon geschrieben<br />

habe: Möglichst viel lesen - <strong>und</strong> möglichst einfache Texte.<br />

Trotzdem führe ich jetzt noch ein paar Beispielsätze auf:<br />

D: Ursula <strong>und</strong> Leena sind viel grösser als ich <strong>und</strong> die beiden grössten<br />

Frauen in der Stadt.<br />

114


E: Ursula ja Leena on palju suuremide kuin mina ja mõlemad kõige<br />

suuremide naised linnas (auch: suurimade naised linnas).<br />

F: Ursula ja Leena ovat paljon suurempia kuin minä ja molemmat<br />

suureinta kaupungissa (suurempia + suureinta = Partitiv Einzahl).<br />

D: Ursula ist grösser als Elena, aber Elena ist stärker als Ursula; sie ist<br />

hier die stärkste Frau von allen.<br />

E: Ursula on suurem kui Elena, aga Elena on tugevam kui Ursula; tema<br />

on siin kõige tugevam naine kõigest. (stark = tugev)<br />

F: Ursula on suurempi kuin Elena, mutta Elena on vahvampi kuin Ursula;<br />

hän on täällä vahvin nainen kaikesta. (stark = vahva)<br />

D: Wir reisen immer zu den grössten <strong>und</strong> besten Städten.<br />

E: Meie reisime alati kõige suurema<strong>des</strong>se ja kõige parema<strong>des</strong>se<br />

linna<strong>des</strong>se.<br />

Meie reisime alati suurima<strong>des</strong>se ja parima<strong>des</strong>se linna<strong>des</strong>se.<br />

F: Me matkamme aina suureisiin ja parhaisiin kaupungihiin.<br />

D: Ich komme vom kleinsten Dorf.<br />

E: Mina tulen kõige väiksemast külast.<br />

Mina tulen väikseimast külast.<br />

Mina tulen vähimast külast.<br />

F: Minä tulen pieneistä kylästä.<br />

Auch beim Lesen von so kleinen Sätzen zeigt es sich, dass die beiden<br />

Sprachen einander doch nicht so nahestehen, wie das allgemein geglaubt<br />

wird.<br />

115


Das Adverb (Umstandswort)<br />

Mit diesem Wort wird ausgedrückt, auf welche Weise etwas getan wird.<br />

Während es im Deutschen genauso wie im Niederländischen <strong>und</strong><br />

Afrikaans zwischen einem Adjektiv <strong>und</strong> Adverb keinen Unterschied gibt,<br />

ist ein Adverb in den meisten romanischen Sprachen an diesen Endungen<br />

zu erkennen, die aus dem Vulgärlatein stammen, also von der tatsächlich<br />

gesprochenen Sprache, die sich von der Schriftsprache, die uns in den<br />

Schulen vermittelt wird, deutlich unterschieden hat:<br />

-ment: Französisch, Katalanisch („men“ ausgesprochen)<br />

-mente: Italienisch, Spanisch <strong>und</strong> Portugiesisch<br />

-maing: Engadinisch („maintsch“ ausgesprochen)<br />

-mein: Surselvisch („main“ ausgesprochen)<br />

-maintg: Surmeirisch („maintsch“ ausgesprochen)<br />

-mentri: Friaulisch<br />

-menti: Sardisch<br />

Nur das Rumänische kennt formal kein Adverb, weil es mit dem<br />

männlichen Adjektiv in der Einzahl identisch ist, aber auch im Sardischen<br />

<strong>und</strong> Friaulischen wird das männliche Adjektiv viel mehr verwendet.<br />

Während im ersteren dieses meistens zweimal hintereinander gesagt<br />

wird, ist es im Friaulischen üblich, einen Ausdruck mit der weiblichen<br />

Variante zu verwenden, den auch die rätoromanischen Sprachen kennen,<br />

<strong>und</strong> der untere ist sogar in allen fast identisch:<br />

schnell (Adverb) = a la svelte (Friaulisch), a la svelta (Rätoromanisch)<br />

Dagegen im Sardischen: lestru lestru (statt „lestramenti“)<br />

Während in den romanischen Sprachen ein Adverb also leicht erkannt<br />

werden kann, ist das in den slawischen viel schwieriger, weil dort die<br />

sächliche Person Einzahl verwendet wird, die erst bei genauem Hinhören<br />

oder Lesen erkannt werden kann. Das zeigen diese beiden Beispiele im<br />

Russischen, das ich von den slawischen Sprachen am besten kenne:<br />

116


Das Kind ist gut.<br />

Das Kind schreibt gut.<br />

Ditjá charaschó.<br />

Ditjá píschet charaschó.<br />

Auch im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> gibt es eine Endung, an der ein<br />

Adverb leicht erkannt werden kann, <strong>und</strong> diesmal sind sie sogar identisch:<br />

-sti<br />

In beiden Sprachen werden die Adverbien vom Genitiv Einzahl <strong>des</strong><br />

Adjektivs abgeleitet, wobei es auch hier im <strong>Estnischen</strong> wieder leichter ist.<br />

Wenn ein Adjektiv jedoch auf einem Vokal endet, wird einfach nur „-sti“<br />

angehängt:<br />

D: schön (Adjektiv) - schön (Adverb)<br />

E: ilus - ilusasti (Genitiv = ilusa)<br />

F: kaunis - kauniisti (Genitiv = kauniin, „i“ wird ausgelassen)<br />

D: schlecht - schlecht hart - hart<br />

E: halb - halvasti (Genitiv = halva) kõva - kõvasti (Genitiv = kõva)<br />

F: huono - huonosti kova - kovasti<br />

Für „schlecht“ gibt es in beiden Sprachen noch ein Wort, das sogar<br />

identisch ist:<br />

paha (Adverb: pahasti)<br />

D: schnell - schnell langsam - langsam<br />

E: kiire - kiiresti pikkamööda - pikkamöödasti<br />

F: nopea - nopeasti hidas - hidaasti<br />

(G. hitaan, „n“ wird ausgelassen)<br />

117


Das Adverb von „gut“ ist in beiden Sprachen unregelmässig:<br />

D: gut (Adjektiv) - gut (Adverb)<br />

E: hea - hästi<br />

F: hyvä - hyvin<br />

Dagegen ist das Adverb von „neu“ nur im <strong>Finnischen</strong> unregelmässig:<br />

D: neu<br />

E: uus - uues (Gen.) - uuesti (erneut, von neuem, wieder)<br />

F: uusi - uuden (Gen.) - uudelleen<br />

Ein paar Beispielsätze:<br />

D: Sie ist schön <strong>und</strong> singt auch schön.<br />

E: Tema on ilus ja ka laulab ilusasti.<br />

F: Hän on kaunis ja myös laulaa kauniisti.<br />

D: Er ist ein schlechter Mann, aber er schreibt gut.<br />

E: Tema on paha mees, aga tema kirjutab hästi.<br />

F: Hän on paha mies, mutta hän kirjoittaa hyvin.<br />

D: Sie ist hart, so redet sie immer hart.<br />

E: Tema on kõva, nii tema rääkib alati kõvasti.<br />

F: Hän on kova, niin hän puhuu aina kovasti.<br />

D: Ihr geht langsam, aber wir gehen schnell.<br />

E: Teie lähete pikkamöödasti, aga meie läheme kiiresti.<br />

F: Te menette hidaasti, mutta me menemme nopeasti.<br />

118


Es besteht im <strong>Estnischen</strong> noch eine zweite Möglichkeit, ein Adverb zu<br />

bilden, <strong>und</strong> zwar mit der Ablativ-Endung „-lt“. Allerdings kommt diese vor<br />

allem bei Wörtern vor, deren Adjektive mehr als zwei Silben enthalten, <strong>und</strong><br />

am meisten bei Fremdwörtern. Dabei werden auch diese Adverbien von<br />

den Genitivformen gebildet:<br />

genau, pünktlich - täpne - Gen. täpse - Adv. täpselt<br />

lustig - lõbus - lõbusa - lõbusalt<br />

ordentlich - korralik - korraliku - korralikult<br />

still - vaikne - vaikse - vaikselt<br />

(Ausnahme in dieser Gruppe: lange - pikk - pikalt)<br />

gründlich - põhjalik - põhjaliku - põhjalikult<br />

intensiv - intensiivne - intensiivse - intensiivselt<br />

knapp, kurz - lühidane - lühida - lühidalt<br />

konsequent - järjekindel - järjekindla - järjekindlalt<br />

sentimental - sentimentaalne - sentimentaalse - sentimentaalselt<br />

(Ausnahme in dieser Gruppe: hoffentlich - loodetav - loodetavasti<br />

Im <strong>Finnischen</strong>: toivottavasti)<br />

Ein paar wenige estnische Adjektive können mit beiden Varianten gebildet<br />

werden:<br />

bestimmt - kindel - kindlasti, kindlalt<br />

deutlich - selge - selgesti, selgelt<br />

eilig, rasch - kiire - kiiresti, kiirelt<br />

119


Die Steigerung <strong>des</strong> Adverbs<br />

Auch ein Adverb kann natürlich gesteigert werden. Bei den<br />

regelmässigen, bei denen die Endung „-sti“ gestrichen <strong>und</strong> durch eine<br />

andere ersetzt wird, lautet die Formel so:<br />

E: -mini kõige + Komparativ<br />

F: -mmin -immin<br />

D: Pirkko ist schön <strong>und</strong> singt auch schön, aber Tuula singt noch schöner<br />

<strong>und</strong> Marja singt am schönsten.<br />

E: Pirko on ilus ja ka laulab ilusasti, aga Tuula laulab veel ilusamini ja<br />

Marja laulab kõige ilusamini.<br />

F: Pirkko on kaunis ja myös laulaa kauniisti, mutta Tuula laulaa vielä<br />

kauniimmin ja Marja laulaa kauneimmin.<br />

D: Er ist schnell <strong>und</strong> fährt schnell, aber du fährst noch schneller <strong>und</strong> ich<br />

fahre am schnellsten.<br />

E: Tema on kiire ja sõitab kiiresti, aga sina sõitad veel kiiremini ja mina<br />

sõitan kõige kiiremini.<br />

F: Hän on nopea ja ajaa nopeasti, mutta sinä ajat vielä nopeammin ja minä<br />

ajan nopeimmin.<br />

Im <strong>Estnischen</strong> fällt bei den Adjektiven mit der Gr<strong>und</strong>form auf der Ablativ-<br />

Endung „-lt“ diese aus <strong>und</strong> wird durch „-malt“ ersetzt:<br />

anständig, ordentlich<br />

korralikult - korralikumalt - kõige korralikumalt<br />

gründlich<br />

põhjalikult - põhjalikumalt - kõige põhjalikumalt<br />

120


korrekt<br />

korrektselt - korrektsemalt - kõige korrektsemalt<br />

Von den drei Adverbien, die besonders häufig vorkommen, sind zwei<br />

unregelmässig:<br />

D: gut - besser - am besten<br />

E: hästi - paremini - kõige paremini<br />

F: hyvin - paremmin - parhaimmin, parhaiten<br />

D: viel - mehr - am meisten<br />

E: palju - rohkem - kõige rohkem<br />

F: paljon - enemmän - enimmän, enimmin, eniten<br />

D: wenig - weniger - am wenigsten<br />

E: vähe - väheksi - kõige väheksi<br />

F: vähän - vähemmän - vähimmän, vähimmin, vähiten<br />

Der Superlativ kommt im <strong>Finnischen</strong> also gleich doppelt oder dreifach vor.<br />

Die Steigerung für „gern“, die ebenfalls oft vorkommt, lautet so:<br />

D: gern - lieber - am liebsten<br />

E: heameelegasti - heameelegamini - kõige heameelegamini<br />

F: mielellään - mieluummin - mieluimmin, mieluiten<br />

Bei „mielellään“ kommen gleich fünf Varianten vor, wobei die beiden<br />

dritten Personen identisch sind:<br />

Ich komme gern.<br />

Du kommst gern.<br />

Minä tulen mielelläni.<br />

Sinä tulet mielelläsi.<br />

121


Er/sie kommt gern.<br />

Es kommt gern.<br />

Wir kommen gern.<br />

Ihr kommt gern<br />

Sie kommen gern.<br />

Hän tulee mielellänsä.<br />

Se tulee mielellänsä.<br />

Me tulemme mielellämme.<br />

Te tulette mielellänne.<br />

He tulevat mielellänsä.<br />

Auch bei den beiden dritten Personen fällt hinten also ein „ä“ weg. Weiter<br />

unten gehe ich auf dieses Thema noch etwas näher ein.<br />

In der Fachsprache wird auch noch zwischen Lokaladverbien,<br />

Temporaladverbien (Zeitadverbien), Modaladverbien sowie Mass- <strong>und</strong><br />

Gradadverbien unterschieden.<br />

Beispiele:<br />

Lokaladverbien:<br />

Zeitadverbien:<br />

Modaladverbien:<br />

dort, entfernt, hier, unten<br />

früh, gestern, heute, morgen<br />

auf jeden Fall, gerade, sitzend, zu Fuss<br />

Mass-<strong>und</strong> Grad-A.: dermassen, ungefähr, ziemlich, zu zweit<br />

Da all diese Ausdrücke in Wörterbüchern nachgeschaut werden können,<br />

verzichte ich darauf, hier näher einzugehen. Wichtig ist mir am meisten, in<br />

diesem Buch zu zeigen, auf welche Weise die Adverbien aus Adjektiven<br />

gebildet werden.<br />

Am Ende dieses Kapitels habe ich eine erfreuliche Nachricht: Jetzt haben<br />

wir etwa einen Drittel der estnischen <strong>und</strong> finnischen Grammatik hinter uns.<br />

Wer trotz der vielen Deklinationstabellen, die leider unumgänglich sind,<br />

auf den Geschmack gekommen ist <strong>und</strong> noch mehr solche Tabellen sehen<br />

möchte, kann das in den Lehrbüchern <strong>und</strong> Lehrbüchlein tun, die ich ganz<br />

unten noch vorstellen werde <strong>und</strong> die ich zum Schreiben dieses Buches<br />

mitverwendet habe. Es ist klar, dass ich bis jetzt nur einen kleinen Teil der<br />

umfangreichen Grammatik dieser beiden Sprachen vorstellen konnte, weil<br />

es von Unregelmässigkeiten nur so wimmelt, aber den wichtigsten Teil<br />

habe ich mit Sicherheit bereits vermitteln können.<br />

122


Die Personalpronomina<br />

(Die persönlichen Fürwörter)<br />

Jetzt ist es wirklich Zeit geworden, dass ich auch diese Wörter aufführe,<br />

die in den Alltagsgesprächen häufig vorkommen - dabei sind die beiden<br />

dritten Personen sogar immer obligatorisch - <strong>und</strong> natürlich ebenfalls in<br />

allen Kasus durchdekliniert werden. Bevor ich auch hier in den Kasus-<br />

Dschungel einsteige, sei daran erinnert, welche wenigen Formen im<br />

Deutschen vorhanden sind:<br />

Nominativ: Genitiv: Dativ: Akkusativ:<br />

ich meiner mir mich<br />

du deiner dir dich<br />

er seiner ihm ihn<br />

sie ihrer ihr sie<br />

es seiner ihm es<br />

wir unser uns uns<br />

ihr eurer euch euch<br />

sie ihrer ihnen sie<br />

Da es allen, die diese Zeilen lesen, sicher klar ist, wie diese Kasus<br />

funktionieren, ist nur eine Bemerkung zu den Genitiv-Formen angebracht.<br />

Sie sind keineswegs auf den schriftlichen Gebrauch beschränkt, sondern<br />

können auch in den Alltagsgesprächen vorkommen, wobei sie dann immer<br />

etwas geschraubt wirken:<br />

Er hat mir gesagt, ich solle mich deiner annehmen.<br />

Sie wollen, dass ihr euch unser annehmt.<br />

Besser <strong>und</strong> natürlicher wären diese Sätze:<br />

Er hat mir gesagt, ich solle auf dich aufpassen bzw. zu dir schauen.<br />

Sie wollen, dass ihr auf uns aufpasst bzw. zu uns schaut.<br />

123


Das alles ist aber noch harmlos im Vergleich zu dem, was das Estnische<br />

<strong>und</strong> Finnische anbieten. Nach allem, was wir bisher gesehen haben, ist es<br />

geradezu logisch, dass auch hier in fast allen Kasus durchdekliniert wird:<br />

Estnisch:<br />

Finnisch:<br />

ich, du mina (ma) - sina (sa) minä (mä) - sinä (sä)<br />

Gen. minu (mu) - sinu (su) minun (mun) - sinun (sun)<br />

Akk. mind - sind minut (mut) - sinut (sut)<br />

Part. mind - sind minua (mua) - sinua (sua)<br />

In. minus - sinus minussa (mussa) - sinussa (sussa)<br />

Ill. minusse - sinusse minään (mään) - sinään (sään)<br />

El. minust - sinust minusta (musta) - sinusta (susta)<br />

Ad. minul (mul) - sinul (sul) minulla (mulla) - sinulla (sulla)<br />

All. minule (mule) - minulle (mulle) -<br />

sinule (sule)<br />

sinulle (sulle)<br />

Abl. minult (mult) - minulta (multa) -<br />

sinult (sult)<br />

sinulta (sulta)<br />

Es. minuna - sinuna minuna - sinuna<br />

Trl. minuks - sinuks minuksi - sinuksi<br />

Ab. minuta - sinuta minutta - sinutta<br />

Kom. minuga - sinuga minun kanssa - sinun kanssa<br />

Ter. minuni - sinuni -<br />

Ins. - (nicht vorhanden)<br />

er, sie, es Estnisch: Finnisch:<br />

wir, ihr, sie tema (ta) - meie (me) - hän - se - me -<br />

teie (te) - nemad (nad) te - he (ne)<br />

Genitiv tema (ta) - meie (me) - hänen - sen - meidän -<br />

teie (te) - nende<br />

teidän - heidän<br />

124


Akkusativ teda - meid - hänet - sen - meidät -<br />

teid - neid<br />

teidät - heidät<br />

Partitiv teda - meid - häntä - sitä - meitä -<br />

teid - neid<br />

teidä - heitä (niitä)<br />

Inessiv temas (tas) - meis - hänessä - siinä - meissä -<br />

teis - nen<strong>des</strong><br />

teissä - heissä<br />

Illativ temasse (tasse) - meisse - häneen - siihen - meidään -<br />

teisse - nen<strong>des</strong>se<br />

teidään - heidään<br />

Elativ temast (tast) - meist - hänestä - siitä - meistä -<br />

teist - nen<strong>des</strong>t<br />

teistä - heistä<br />

A<strong>des</strong>siv temal (tal) - meil - hänellä (hällä) - sillä -<br />

teil - nendel<br />

meillä - teillä - heillä<br />

Allativ temale (tale) - meile - hänelle (hälle) - meille -<br />

teile - nendele<br />

teille - heille<br />

Ablativ temalt (talt) - meilelt - häneltä (hältä) - meiltä -<br />

teilelt - nendelelt<br />

teiltä - heiltä<br />

Essiv temana (tana) - hänenä -<br />

meiena (mena) - menä -<br />

teiena (tena) - tenä -<br />

nendena<br />

henä<br />

Translativ temaks (taks) - häneksi -<br />

meieks (meks) - meidäksi -<br />

teieks (teks) - teidäksi -<br />

nendeks<br />

heidäksi<br />

Abessiv temata (tata) - hänettä -<br />

meieta (meta) - meidättä -<br />

125


teieta (teta) - teidättä -<br />

nendeta<br />

heidättä<br />

Komitativ temaga (taga) - hänen kanssa -<br />

meiega (mega) - meidän kanssa -<br />

teiega (tega) - teidän kanssa -<br />

nendega<br />

heidän kanssa<br />

Terminativ temani (tani) - -<br />

meieni (meni) -<br />

teieni (teni) -<br />

nendeni<br />

Instruktiv - (nicht vorhanden)<br />

Wie bei den Substantiven <strong>und</strong> Adjektiven zeigt es sich auch hier, dass mit<br />

Ausnahme der Nominativformen alle anderen vom Genitiv ausgehend<br />

gebildet werden.<br />

Die Varianten in Klammern gehören in beiden Sprachen überwiegend zum<br />

mündlichen Gebrauch, aber sie kommen vor allem im <strong>Estnischen</strong> auch in<br />

der Schriftsprache vor. Da die Wörter der beiden ersten Personen im<br />

<strong>Finnischen</strong> zum Teil länger sind als in den anderen Personen <strong>und</strong> auch<br />

die estnischen Varianten, führe ich sie oben in einer eigenen Tabelle auf.<br />

Ein weiterer Gr<strong>und</strong> für diese etwas aussergewöhnliche Trennung liegt<br />

auch darin, dass „ich“ <strong>und</strong> „du“ mit allen seinen Varianten in der ganzen<br />

Welt in den Alltagsgesprächen viel mehr vorkommen als die vier anderen<br />

Personen.<br />

Auf den ersten Blick mag dieses Formengestrüpp abschreckend wirken,<br />

aber im Vergleich zum Ungarischen, das genauso viele Varianten<br />

aufweist, sind sie eigentlich noch leicht herauszuhören, weil sie im<br />

Vergleich zu diesen phonetisch viel weiter auseinanderstehen.<br />

Dass in einem einzigen Satz gleich mehrere verschiedene<br />

Personalpronomina vorkommen können, was für die Esten <strong>und</strong> Finnen<br />

aber keineswegs störend ist, zeigt dieses Beispiel:<br />

126


D: Du bist Ursula <strong>und</strong> ich liebe dich, ich gebe dir das Herz <strong>und</strong> gehe immer<br />

mit dir.<br />

E: Sina oled Ursula ja mina armastan sind, mina annan sinule südad ja<br />

lähen alati sinuga. (Schriftsprache)<br />

E: Sa oled Ursula ja armastan sind, annan sule südad ja lähen alati<br />

sinuga. (Umgangssprache)<br />

F: Sinä olet Ursula ja minä rakastan sinua, minä annan sinulle sydän ja<br />

menen aina kanssasi. (Schriftsprache)<br />

F: Sä oot Ursula ja rakastan sua, annan sulle sydän ja menen aina<br />

kanssasi. (Umgangssprache)<br />

Da das Verb „gehen“ eines der häufigsten ist <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb in diesem Buch<br />

noch viele Male vorkommt, weise ich hier auf den kleinen Unterschied hin:<br />

Während im <strong>Estnischen</strong> zwar die beiden Infinitive „minema“ <strong>und</strong> „minna“<br />

vorkommen - warum es zwei gibt, werde ich weiter unten erklären -, aber<br />

nur mit „lähen“ usw. konjugiert wird, bedeutet das finnische „mina lähden“<br />

usw. mehr „ich gehe weg“ oder „ich fahre weg“. Allerdings ist die<br />

Konjugation von „minema“ <strong>und</strong> „minna“, die im <strong>Estnischen</strong> in allen Zeiten<br />

identisch ist, nicht ganz verschw<strong>und</strong>en, sondern taucht in den<br />

Befehlssätzen wieder auf, wie wir weiter unten noch sehen werden.<br />

Immerhin kann ich diese zwei schon verraten: Geh! = Mine! Geht = Minge!<br />

Was die lockere estnische <strong>und</strong> finnische Umgangssprache betrifft, von der<br />

hier nur ein kleiner Teil sichtbar ist, werde ich in eigenen Kapiteln auf diese<br />

beiden noch näher eingehen. Für die Fremdsprachigen empfiehlt sich ihre<br />

Anwendung <strong>und</strong> damit auch die oben aufgeführten Kurzformen der<br />

Personalpronomina weniger, weil das zum Teil lächerlich scheinen mag,<br />

es sei denn, jemand spricht die Sprache schon sehr gut. Diese<br />

Unterschiede zu kennen ist aber trotzdem wichtig, weil meine Mutter, die<br />

ihren ständigen Wohnsitz schon seit den 50er-Jahren in der Schweiz<br />

hatte, bei ihren Besuchen in späteren Jahrzehnten ein Finnisch sprach,<br />

das an der ganzen Entwicklung im Land selber vorbeigegangen war. Das<br />

weiss ich von einem Cousin, der ihr das zwar nie direkt so sagte, aber<br />

sehr wohl mir.<br />

127


Es verhält sich damit ähnlich wie im Deutschen, wo die heutige lockere<br />

Umgangssprache sich von jener, die noch vor einem halben Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

gesprochen wurde, ebenfalls stark unterscheidet, sogar die Slang-<br />

Ausdrücke unter der Jugend damals <strong>und</strong> heute - <strong>und</strong> von der<br />

Schriftsprache, die vor h<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> noch mehr Jahren in Gebrauch war,<br />

müssen wir schon gar nicht mehr reden. Dazu gehört auch das alte<br />

Runen-Alphabet, das noch bis zum Zweiten Weltkrieg nicht nur zum<br />

Schreiben von Hand, sondern auch zum Drucken von Büchern <strong>und</strong><br />

teilweise sogar Dokumenten verwendet wurde. Meine schweizerische<br />

Grossmutter hat mit diesem noch geschrieben, aber nicht mehr mein<br />

Vater, der es zwar noch gelernt, aber später nie verwendet hat; jedenfalls<br />

habe ich in seinem Nachlass nichts dergleichen gesehen. Allerdings hat<br />

sich eines in Mitteleuropa noch nicht verändert: Im Gegensatz zu<br />

Nordeuropa <strong>und</strong> Estland, wo es heute üblich ist, dass alle sich duzen <strong>und</strong><br />

nur bei sogenannten Respektspersonen (Pfarrern, Ministern, Königen<br />

usw.) eine Ausnahme gemacht wird, wird bei uns immer noch streng<br />

zwischen einem Du <strong>und</strong> einem Sie unterschieden.<br />

Im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> ist es also möglich, die Wörter „Teie“ <strong>und</strong><br />

„Te“, die früher für die Höflichkeitsform verwendet wurden, durch „Sina“<br />

(Sa) <strong>und</strong> „Sinä“ (Sä) zu ersetzen, wobei es dann immer noch das nötige<br />

Taktgefühl braucht, allerdings nicht mehr unter den jungen Leuten. Wer<br />

ihnen nicht von vornherein zeigen kann, dass sehr gute Kenntnisse der<br />

Lan<strong>des</strong>sprache vorhanden sind, bekommt ohnehin sofort alle Antworten<br />

auf Englisch, wie ich das oben im Vorwort angedeutet habe. Das ist heute<br />

möglich, weil das Englische in ganz Nordeuropa, zu dem im politischen<br />

Sinn auch Island gezählt wird, <strong>und</strong> im ganzen Baltikum schon im<br />

Kindergarten locker eingeführt <strong>und</strong> dann ab der ersten Gr<strong>und</strong>schulklasse<br />

richtig unterrichtet wird, aber vor einem halben Jahrh<strong>und</strong>ert war das noch<br />

nicht so. Deshalb traf ich immer wieder auch junge Leute, die kein<br />

Englisch konnten oder im besten Fall noch ein paar Brocken verstanden,<br />

aber nicht aktiv sprechen konnten, aber auch in Schweden, das den Ruf<br />

hat, dass dort alle Englisch können, habe ich das manchmal so erlebt.<br />

Weiter oben habe ich erwähnt, dass die Personalpronomina in beiden<br />

Sprachen mit Ausnahme der dritten Personen auch ausgelassen werden<br />

können, was zum Beispiel bei der Konjugation der Verben „olema“ <strong>und</strong><br />

„olla“ (sein), auf die ich weiter unten noch näher eingehe, gesehen werden<br />

kann:<br />

128


Estnisch:<br />

Finnisch:<br />

ich bin (mina, ma) olen (minä, mä) olen<br />

du bist (sina, sa) oled (sinä, sä) olet<br />

er/sie/es ist tema/ta oled hän/se on<br />

wir sind (meie, me) oleme (me) olemme<br />

ihr seid (teie, te) olete (te) olette<br />

sie sind (nemad, nad) on he (ne) ovat<br />

Sie sind (Teie, Te) olete (Te) olette<br />

Ein eigenes Wort für „man“ gibt es in beiden Sprachen nicht. Der alleinige<br />

Gebrauch der Verbform der dritten Person Einzahl drückt dieses Wort aus<br />

- nach dem, was in den Lehrbüchern steht. Da „on“ allein aber etwas<br />

komisch wirkt, ist die Mitverwendung <strong>des</strong> Personalpronomens zu<br />

empfehlen, doch die noch bessere Lösung ist der Wechsel auf die dritte<br />

Person Mehrzahl, weil damit mögliche Missverständnisse vermieden<br />

werden können:<br />

man ist = nemad on (nad on) - he ovat (ne ovat)<br />

129


Die Possessivpronomina<br />

(Die besitzanzeigenden Fürwörter)<br />

Neben dem Bereich der Vokalharmonie, die es im <strong>Estnischen</strong> wie oben<br />

gesehen nicht gibt, ist dieser der zweite, in dem sich diese beiden<br />

Sprachen am deutlichsten voneinander unterscheiden. Die Formel ist<br />

einfach: Während im <strong>Estnischen</strong> der Besitz vorn angezeigt wird, ist das im<br />

<strong>Finnischen</strong> hinten der Fall. Wer sich in den romanischen Sprachen gut<br />

auskennt, hat das im Sardischen <strong>und</strong> Rumänischen auch schon gesehen:<br />

Deutsch: Sardisch: Rumänisch:<br />

mein Bruder su fradi miu fratele meu<br />

meine Schwester sa sorra mia sora ma<br />

In allen anderen romanischen Sprachen stehen die Possessivpronomina<br />

vorn, aber in Ausrufen werden sie manchmal auch hinten angehängt:<br />

Oh meine Mutter! = O madre mia! (Italienisch <strong>und</strong> Spanisch)<br />

Oh mein Vater!<br />

= O padre mio! (Italienisch <strong>und</strong> Spanisch)<br />

Auch im weltberühmten Vaterunser steht das Possessivpronomen<br />

meistens hinten:<br />

Vater unser, der Du bist im Himmel…<br />

Genau gleich wie in den romanischen Sprachen verhält es sich im<br />

<strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong>. Während im ersteren die Genitivformen der<br />

Personalpronomina immer vor den Substantiven <strong>und</strong> Adjektiven stehen,<br />

auf die sie sich beziehen, werden im <strong>Finnischen</strong> diese Endungen hinten<br />

angehängt:<br />

-ni, -si, -nsa, -nsä (Einzahl)<br />

me, -nne, -nsa, -nsä (Mehrzahl)<br />

130


Die Endungen der beiden dritten Personen sind also identisch. Das Ganze<br />

sieht so aus:<br />

Estnisch:<br />

Finnisch:<br />

mein Buch minu raamat, mu raamat kirjani<br />

dein Buch sinu raamat, su raamat kirjasi<br />

sein/ihr Buch tema raamat, ta raamat kirjansa<br />

unser Buch meie raamat, me raamat kirjamme<br />

euer Buch teie raamat, te raamat kirjanne<br />

ihr Buch nende raamat kirjansa<br />

Auch hier gilt im <strong>Finnischen</strong> die Vokalharmonie:<br />

Buch = kirja<br />

Haus = talo<br />

Schule = koulu<br />

Tasche = tasku<br />

sein/ihr Buch = kirjansa<br />

sein/ihr Haus = talonsa<br />

seine/ihre Schule = koulunsa<br />

seine/ihre Tasche = taskunsa<br />

Arzt = lääkäri<br />

Befehl = käsky<br />

Brief = kirje<br />

Dorf = kylä<br />

sein/ihr Arzt = lääkärinsä<br />

sein/ihr Befehl = käskynsä<br />

sein/ihr Brief = kirjensä<br />

sein/ihr Dorf = kylänsä<br />

Die Endungen der beiden dritten Personen sind zwar immer identisch,<br />

aber es wird genauso wie im Schwedischen genau unterschieden, ob von<br />

etwas Eigenem oder einem Fremden die Rede ist:<br />

D: Er sieht seinen Vater (seinen eigenen)/seine Mutter (seine eigene).<br />

S: Han ser sin far, han ser sin mor.<br />

F: Hän näe isänsä, hän näe äitinsä.<br />

131


D: Er sieht seinen Vater (den eines anderen Mannes)/seine Mutter (die<br />

eines anderen Mannes).<br />

S: Han ser hans far, han ser hans mor.<br />

F: Hän näe hänen isänsä, hän näe hänen äitinsä.<br />

D: Sie sieht ihren Vater (ihren eigenen)/ihre Mutter (ihre eigene).<br />

S: Hon ser sin far, hon ser sin mor.<br />

F: Hän näe isänsä, hän näe äitinsä.<br />

D: Sie sieht ihren Vater (den einer anderen Frau)/ihre Mutter (die einer<br />

anderen Frau).<br />

S: Hon ser hennes far, hon ser hennes mor.<br />

F: Hän näe hänen isänsä, hän näe hänen äitinsä.<br />

Was im Schwedischen „hans“ <strong>und</strong> „hennes“ sind, ist im <strong>Finnischen</strong> also<br />

„hänen“, der Genitiv der dritten Person Einzahl, <strong>und</strong> zwar für beide<br />

Geschlechter.<br />

Bei einer Betonung stehen im <strong>Finnischen</strong> die Genitivformen der<br />

Personalpronomina auch bei den anderen Personen vorn, während im<br />

<strong>Estnischen</strong> dann die längere Variante verwendet wird.<br />

Ein paar Beispiele in mehreren Kasus:<br />

Das ist mein Buch. See on minu raamat. Tämä on kirjani.<br />

See on mu raamat.<br />

Das ist mein Buch. See on minu raamat.<br />

Tämä on minun kirjani.<br />

Alle betonten Varianten lauten in beiden Sprachen so:<br />

E: minu, sinu, tema, meie, teie, nende<br />

132


F: minun (mun) sinun (sun), hänen (sen), meidän, teidän,<br />

heidän (niiden)<br />

Auch hier kommen die Varianten in Klammern nur im mündlichen<br />

Gebrauch vor.<br />

Bei einer Betonung mit dem Possessivpronomen allein werden in beiden<br />

Sprachen auch hier die Genitivformen verwendet <strong>und</strong> bleiben<br />

unveränderlich, aber im <strong>Estnischen</strong> meistens noch mit dem Zusatzwort<br />

„oma“, das genauso wie im <strong>Finnischen</strong> „eigen“ bedeutet <strong>und</strong> damit auch<br />

dort verwendet werden kann, aber nicht so häufig vorkommt:<br />

Das ist meins/deins/seins/unseres/eures/ihres.<br />

Das sind meine/deine/seine/unsere/eure/ihre.<br />

Estnisch (Ein- <strong>und</strong> Mehrzahl):<br />

Finnisch:<br />

See/need on minu oma. Tämä on minun. Nämä ovat minun.<br />

See/need on sinu oma. Tämä on sinun Nämä ovat sinun.<br />

See/need on tema oma. Tämä on hänen. Nämä ovat hänen.<br />

See/need on meie oma. Tämä on meidän. Nämä ovat meidän.<br />

See/need on teie oma. Tämä on teidän. Nämä ovat teidän.<br />

See/need on nende oma. Tämä on heidän. Nämä ovat teidän.<br />

Da im <strong>Estnischen</strong> die Unterschiede zwischen der betonten <strong>und</strong><br />

unbetonten Variante nicht so scharf sind, können sie vor allem in<br />

Gedichten auch aus Rhythmusgründen abwechselnd eingesetzt werden.<br />

Die besten Beispiele bieten gerade die beiden bekanntesten Lieder, von<br />

denen das eine die Nationalhymne <strong>und</strong> das andere in der Zeit, als diese<br />

offiziell verboten war, jahrzehntelang die Funktion der inoffiziellen<br />

Nationalhymne ausübte. Obwohl auch in dieser von einem estnischen <strong>und</strong><br />

in der dritten Strophe sogar von einem heiligen Vaterland (mu püha<br />

Eestimaa) die Rede ist, war es nie verboten <strong>und</strong> durfte auch bei den (leider<br />

nur) alle fünf Jahre stattfindenden nationalen Sängerfestivals immer<br />

gesungen werden. Die erste Zeile lautet in beiden Liedern so:<br />

Mu isamaa, mu õnn ja rõõm… (Offizielle Nationalhymne)<br />

133


Mein Vaterland, mein Glück <strong>und</strong> meine Freude…<br />

Mu isamaa on minu arm… (Inoffizielle Nationalhymne)<br />

Mein Vaterland ist meine Liebe…<br />

Dabei ist „arm“ die Abkürzung von „armastus“, wie es auch in vielen<br />

deutschen Gedichten vorkommt: Lieb‘ an Stelle von Liebe, als Beispiel „Du<br />

bist die Lieb‘, die mir verblieb.“ (Das ist aber mein eigener Text).<br />

Auch die finnische Nationalhymne, die wie oben im Vorwort erwähnt die<br />

gleiche Melodie hat - so dauern die Streitereien oder genauer Neckereien,<br />

welcher Seite es eher zustand, die vom gebürtigen Hamburger Fredrik<br />

Pacius geschriebene Melodie zu verwenden, noch heute an -, beginnt die<br />

erste Zeile mit einem Possessivpronomen:<br />

Oi mamme, Suomi, synnyinmaa…<br />

Oh unser Land, Finnland, Vaterland…<br />

Das Gleiche gilt für die aus zwei Strophen bestehende Melodie der<br />

„Finlandia“ von Jean Sibelius, die ebenfalls die Funktion der inoffiziellen<br />

Nationalhymne ausübt <strong>und</strong> auch in den Jahren 2011 <strong>und</strong> 2019 in Helsinki<br />

von Solisten vor einer riesigen Menschenenge gesungen wurde, nachdem<br />

die finnische Eishockey-Nationalmannschaft Weltmeister geworden <strong>und</strong><br />

mit dem Pokal zurückgekehrt war. Genauso wie die offizielle<br />

Nationalhymne wird auch diese in den Schulen den Kindern beigebracht,<br />

<strong>und</strong> das gilt in Estland auch für die oben erwähnten Lieder „Mu isamaa on<br />

minu arm“ <strong>und</strong> „Jää vabaks Eesti meri“.<br />

„Synnyinmaa“ ist eigentlich ein besonders gehobenes Wort für<br />

„Vaterland“, das entsprechende estnische Wort lautet „sünnimaa“. Weiter<br />

unten werden wir noch sehen, dass vor allem im <strong>Estnischen</strong> das Wort<br />

„maa“ bei den Ländernamen auch zur Kennzeichnung von Nuancen dient,<br />

als kleines Beispiel diese:<br />

Eesti = Estland<br />

Eestimaa = Estenland<br />

134


Heute wird vor allem das erstere gesagt, während das letztere mehr in der<br />

Schrift- <strong>und</strong> Dichtersprache vorkommt. Auch für die Schweiz gibt es diese<br />

beiden Nuancen:<br />

Schweiz - Schweizerland<br />

Dabei kommen beide Varianten im mündlichen Gebrauch etwa gleich<br />

häufig vor, während in der Schriftsprache „Schweiz“ viel mehr verwendet<br />

wird, also umgekehrt zum <strong>Estnischen</strong>.<br />

Während es im <strong>Estnischen</strong> leicht ist, weil alle Possessivpronomina einfach<br />

nur vorangestellt werden können, wird es im <strong>Finnischen</strong> schon im<br />

Nominativ kompliziert, wenn ein Wort auf einem Konsonanten endet, <strong>und</strong><br />

damit bei allen Mehrzahlformen:<br />

mein Buch = kirjani<br />

meines Buches = kirjani<br />

meine Bücher = kirjani<br />

mein Haus = taloni<br />

meines Hauses = taloni<br />

meine Häuser = taloni<br />

Diese Wörter sind also identisch, weil das Schluss-t wegfällt, <strong>und</strong> das gilt<br />

auch für alle anderen Personen:<br />

kirjasi, kirjansa, kirjamme, kirjanne, kirjansa<br />

talosi, talonsa, talomme, talonne, talonsa<br />

Erfreulicherweise fällt nicht nur das „t“ im Nominativ Einzahl <strong>und</strong> Mehrzahl<br />

sowie im Genitiv der Einzahl weg, sondern auch das Schluss-n im Genitiv<br />

Plural sowie im Illativ Singular <strong>und</strong> Plural, weil es phonetisch fast nicht<br />

anders geht <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb im Verlauf der letzten Jahrh<strong>und</strong>erte im wahrsten<br />

Sinn <strong>des</strong> Wortes abgeschleift worden ist:<br />

Genitiv meiner Bücher/Häuser kirjojeni/talojeni<br />

deiner Bücher/Häuser<br />

seiner/ihrer Bücher/Häuser<br />

unserer Bücher/Häuser<br />

eurer Bücher/Häuser<br />

kirjojesi/talojesi<br />

kirjojensä/talojensä<br />

kirjojemme/talojemme<br />

kirjojenne/talojenne<br />

Illativ zu meinem Buch/Haus kirjaani/talooni<br />

135


zu deinem Buch/Haus<br />

zu seinem/ihrem Buch/Haus<br />

zu unserem Buch/Haus<br />

zu eurem Buch/Haus<br />

kirjaasi/taloosi<br />

kirjaansa/taloonsa<br />

kirjaamme/taloomme<br />

kirjaanne/taloonne<br />

zu meinen Büchern/Häusern<br />

zu deinen Büchern/Häusern<br />

zu seinen/ihren Büchern/Häusern<br />

zu unseren Büchern/Häusern<br />

zu euren Büchern/Häusern<br />

kirjoihini/talojhini<br />

kirjoihisi/talojhisi<br />

kirjoihinsa/talojhinsa<br />

kirjoihimme/talojhimme<br />

kirjoihinne/talojhinne<br />

Dagegen bleiben die Adjektive in den Kasus so, wie ich sie oben<br />

aufgeführt habe, zum Beispiel bei „mein grosses Buch“ usw.:<br />

Estnisch:<br />

Nom. minu suur raamat<br />

Finnisch:<br />

(minun) suuri kirjani<br />

Gen. minu suure raamatu (minun) suuren kirjani<br />

Akk. minu suurt raamatut (minun) suuren kirjani<br />

Part. minu suurt raamatut (minun) suurta kirjaani<br />

In. minu suures raamatus (minun) suressa kirjassani<br />

Ill. minu suuresse raamatusse (minun) suureen kirjaani<br />

El. minu suurest raamatust (minun) suuresta kirjastani<br />

Ad. minu suurel raamatul (minun) suurella kirjallani<br />

All. minu suurele raamatule (minun) suurelle kirjalleni<br />

Abl. minu suurelt raamatult (minun) suurelta kirjaltani<br />

Es. minu suure raamatuna (minun) suurena kirjanani<br />

Trl. minu suureks raamatuks (minun) suureksi kirjaksini<br />

Ab. minu suure raamatuta (minun) suuretta kirjattani<br />

136


Kom. minu suure raamatuga (minun) suureine kirjoineeni *<br />

Ter. minu suure raamatuni -<br />

Ins. - (minun) suurin kirjoini *<br />

* Diese beiden Fälle sind hier zwar grammatikalisch korrekt, aber sie sind<br />

mit Wörtern wie „kirja“ nicht üblich.<br />

Das Gleiche auch noch in der Mehrzahl, also bei „meine grossen Bücher“<br />

usw.:<br />

Estnisch:<br />

Finnisch:<br />

Nom. minu suured raamatud (minun) suuret kirjani<br />

Gen. minu suurte raamatute (minun) suurien kirjojeni<br />

Akk. minu suurid raamatuid (minun) suuret kirjani<br />

Part. minu suurid raamatuid (minun) suuria kirjojani<br />

In. minu suurte<strong>des</strong> raamatultes (minun) suurissa kirjoissani<br />

Ill. minu suurte<strong>des</strong>se raamatultesse (minun) suuriin kirjoihini<br />

El. minu suurte<strong>des</strong>t raamatultest (minun) suurista kirjoistani<br />

Ad. minu suurtedel raamatultel (minun) suurilla kirjoillani<br />

All. minu suurtedele raamatultele (minun) suureihin kirjoihini<br />

Abl. minu suurtedelt raamatultelt (minun) suurilta kirjoiltani<br />

Es. minu suurte raamatultena (minun) suurina kirjoinani<br />

Trl. minu suurteks raamatulteks (minun) suuriksi kirjoiksini<br />

Ab. minu suurte raamatulteta (minun) suuritta kirjoittani<br />

Kom. minu suurte raamatultega (minun) suureine kirjoineeni *<br />

Ter. minu suurte raamatulteni -<br />

Ins. - (minun) suurin kirjoini *<br />

* Auch hier gilt das Gleiche wie oben bei der Einzahl: Diese beiden Fälle,<br />

137


die in der Einzahl <strong>und</strong> Mehrzahl immer die gleichen Formen haben, sind<br />

zwar grammatikalisch korrekt, aber sie sind mit Wörtern wie „kirja“ nicht<br />

üblich. Zum Teil gilt das in beiden Sprachen auch für den Essiv, aber ich<br />

habe sie aufgeführt, um das Gesamtbild abzur<strong>und</strong>en.<br />

Auch hier gilt im <strong>Estnischen</strong> sowohl in der Einzahl als auch in der Mehrzahl<br />

die Regel, dass die eigentlichen Kasus-Endungen im Essiv, Abessiv,<br />

Komitativ <strong>und</strong> Terminativ zwar ausfallen, dass aber auch bei ihnen<br />

genauso wie in allen anderen Fällen ab dem Inessiv die Genitivformen<br />

„suure“ <strong>und</strong> „suurte“ stehen müssen.<br />

Ich könnte natürlich noch viele weitere Tabellen auch für den Komparativ<br />

<strong>und</strong> Superlativ sowohl in der Einzahl als auch in der Mehrzahl aufführen,<br />

aber ich lasse es bei ein paar wenigen Beispielen im Inessiv bewenden:<br />

D: in meinem grossen Buch/grösseren Buch/grössten Buch<br />

E: minu suures raamatus/minu suuremis raamatus/<br />

minu kõige suuremis raamatus/minu suurimis raamatus<br />

F: (minun) suuressa kirjassani/suuremmassa kirjassani/<br />

suurimmassa kirjassani<br />

D: in meinen grossen Büchern/grösseren Büchern/grössten Büchern<br />

E: minu suurte<strong>des</strong> raamatultes/minu suuremi<strong>des</strong> raamatultes/<br />

minu kõige suuremi<strong>des</strong> raamatultes/minu suurimi<strong>des</strong> raamatultes<br />

F: (minun) suurissa kirjoissani/suuremmissa kirjoissani/<br />

suurimmissa kirjoissani<br />

Bei so vielen Formen ist es nicht erstaunlich, dass in der finnischen<br />

Umgangssprache, der ich weiter unten noch ein eigenes Kapitel widme,<br />

die Personalendungen weggelassen werden, damit wenigstens ein<br />

bisschen Erleichterung verschafft werden kann.<br />

138


Die Demonstrativpronomina<br />

(Wiederholung)<br />

Obwohl ich diesen weiter oben schon ein eigenes Kapitel gewidmet habe,<br />

führe ich die Deklinationstabellen für die Einzahl <strong>und</strong> Mehrzahl in beiden<br />

Sprachen noch einmal auf, weil sie nicht nur mit den Substantiven <strong>und</strong><br />

Adjektiven, sondern auch mit den Personalpronomina <strong>und</strong> den weiter<br />

unten folgenden Relativpronomina eng zusammenhängen.<br />

D: dieser Mann, jener Mann diese Männer, jene Männer<br />

E: see mees, too mees need mehed, nood mehed<br />

F: tämä mies, tuo mies nämä miehet, nuo miehet<br />

Durchdekliniert sieht das Ganze so aus:<br />

Estnisch:<br />

diese(r) diese jene(r) jene<br />

Nom. see need too nood<br />

Gen. selle nende tolle nonde<br />

Part. seld nended tood nonded<br />

In. selles nen<strong>des</strong> tolles non<strong>des</strong><br />

Ill. sellesse nen<strong>des</strong>se tollesse non<strong>des</strong>se<br />

El. sellest nen<strong>des</strong>t tollest non<strong>des</strong>t<br />

Ad. sellel nendel tollel nondel<br />

All. sellele nendele tollele nondele<br />

Abl. sellelt nendelt tollelt nondelt<br />

Es. sellena nendena tollena nondela<br />

Trl. selleks nendeks tolleks nondeks<br />

Ab. selleta nendeta tolleta nondeta<br />

Kom. sellega nendega tollega nondega<br />

139


Ter. selleni nendeli tolleni nondeli<br />

Finnisch:<br />

diese(r) diese jene(r) jene<br />

Nom. tämä nämä tuo nuo<br />

Gen. tämän näiden tuon noiden<br />

Akk. tämän, tämä nämä tuon, tuo nuo<br />

Part. tätä näitä tuon noita<br />

In. tässä näissä tuossa noissa<br />

Ill. tähän näihin tuohon noihin<br />

El. tästä näistä tuosta noista<br />

Ad. tällä näillä tuolla noilla<br />

All. tälle näille tuolle noille<br />

Abl. tältä näiltä tuolta noilta<br />

Es. tänä näinä tuona noina<br />

Trl. täksi näiksi tuoksi noiksi<br />

Ab. tättä näittä tuotta noitta<br />

Es gibt im <strong>Finnischen</strong> für die Demonstrativpronomina keine eigenen<br />

Formen im Komitativ <strong>und</strong> Instruktiv, während diese in allen 14 estnischen<br />

Fällen vorkommen <strong>und</strong> damit das Finnische um einen Fall noch<br />

übertreffen.<br />

140


Die Relativpronomina<br />

Bevor ich den estnischen <strong>und</strong> finnischen Verbendschungel vorstelle, der<br />

jedoch im Vergleich zum Beispiel zu den romanischen Sprachen, in denen<br />

der von vielen in den Schulen so gefürchtete Konjunktiv häufig vorkommt,<br />

oder zu den slawischen Sprachen mit ihrem komplizierten Aspektdenken,<br />

auf das ich gleich unten etwas näher eingehe, nicht schwieriger zu<br />

meistern ist, halte ich es für gut, noch ein paar andere Deklinationstabellen<br />

vorzustellen, die nun einmal nicht zu umgehen sind. Dazu gehören auch<br />

die Relativpronomina (derjenige, der - diejenigen, die…), die im<br />

<strong>Finnischen</strong> in zehn <strong>und</strong> im <strong>Estnischen</strong> sogar in allen vierzehn Kasus<br />

vorkommen.<br />

jene(r), der jene, die das, was jene(r), der jene, die<br />

Estnisch:<br />

Finnisch:<br />

Nom. kes kes mis joka jotka<br />

Gen. kelle kelle, mille jonka joiden,<br />

kellede<br />

joitten<br />

Akk. keda keda mida jonka jotka<br />

Part. keda keda mida jota joita<br />

In. kelles kelles, milles jossa joissa<br />

kelle<strong>des</strong><br />

Ill. kellesse kellesse, millesse johon joihin<br />

kelle<strong>des</strong>se<br />

El. kellest kellest, millest josta joista<br />

kelle<strong>des</strong>t<br />

Ad. kellel, kel kellel, millel, jolla joilla<br />

kelledel mil<br />

All. kellele kellele, millele jolle joille<br />

kelledele<br />

141


Abl. kellelt kellelt, millelt jolta joilta<br />

kelledelt<br />

Es. kellena kellena, millena - -<br />

kelledena<br />

Trl. kelleks kelleks, milleks - -<br />

kelledeks<br />

Ab. kelleta kelleta, milleta - -<br />

kelledeta<br />

Kom. kellega kellega, millega - -<br />

kelledega<br />

Ter. kelleni kelleni, milleni - -<br />

kelledeni<br />

Im <strong>Estnischen</strong> sind „kes“ usw. mit den Fragepronomina „wer“ usw.<br />

identisch. Im Gegensatz zum <strong>Finnischen</strong> gibt es noch eine eigenes<br />

durchdekliniertes Relativpronomen für „was“, wobei die drei Wörter im<br />

Nominativ, Genitiv <strong>und</strong> Partitiv (mis, mille, mida) auch in der Mehrzahl<br />

verwendet werden können.<br />

Im heutigen <strong>Estnischen</strong> kommen die längeren Mehrzahl-Varianten<br />

höchstens noch in der gehobenen Schriftsprache vor, in den<br />

Alltagsgesprächen sind die Formen der Einzahl <strong>und</strong> Mehrzahl also<br />

identisch. Zudem sind im A<strong>des</strong>siv auch die Kurzformen mit „kel“ <strong>und</strong> „mil“<br />

möglich.<br />

Ein paar Beispiele können diesen Dschungel ein wenig erhellen:<br />

D: Das ist der Mann, den ich liebe.<br />

E: See on see mees, keda mina armastan.<br />

F: Tämä on mies, jota minä rakastan.<br />

142


D: Das sind die Frauen, die ich liebe.<br />

E: Need on need naised, keda mina armastan.<br />

F: Nämä ovat rouvat, joita minä rakastan.<br />

D: Das sind die Kinder, denen ich die Bücher gegeben habe.<br />

E: Need on need lapsed, kellele mina olen andnud raamatit.<br />

F: Nämä ovat lapset, joille minä olen antanut kirjat.<br />

D: Das ist die beste Frau, als die ich sie immer kannte.<br />

E: See on see kõige parem naine, kellena mina teda alati t<strong>und</strong>sin.<br />

(teda = Akkusativ von „tema“, Nebensatz wie im Deutschen konstruiert)<br />

D: Das ist die Frau, mit der ich bis zum Ende der Welt gehe.<br />

E: See on see naine, kellega mina lähen maailma lõpuni.<br />

F: Tämä on rouva, jonka kanssa minä menen maailman lopun asti.<br />

In den estnischen Relativsätzen werden „see“ für die „Einzahl“ <strong>und</strong> „need“<br />

für die Mehrzahl immer mitverwendet <strong>und</strong> stehen direkt vor dem Wort, auf<br />

das sie sich beziehen, auch wenn diese beiden Wörter ganz vorn bereits<br />

vorkommen.<br />

Beim letzten Beispiel kommen im <strong>Finnischen</strong> gleich zwei Genitive vor<br />

(maailman - lopun asti = bis zum Ende), aber die Verwendung mit „kanssa“<br />

gilt trotz der formalen Korrektheit als grenzwertig. Soweit es möglich ist,<br />

werden solche Formulierungen in den Alltagsgesprächen umgangen <strong>und</strong><br />

anders ausgedrückt, zum Beispiel so:<br />

Tämä on rouva, minä menen kanssansa…<br />

Das ist (also) die Frau, ich gehe mit ihr…<br />

143


Spezialwörter<br />

Das sind solche, die für das Verständnis eines Gesprächs oder eines<br />

Textes zwar nicht zu den wichtigsten zählen, aber trotzdem auffallend<br />

häufig vorkommen.<br />

Das erste ist in beiden Sprachen unveränderlich:<br />

ganz, der/die/das ganze = kogu (E), koko (F)<br />

D: Ich kenne die ganze Familie. Ich sehe nicht die ganze Familie.<br />

E: Mina tunnen kogu perest. Mina ei näe kogu perest.<br />

F: Minä tunnen koko perhen. Minä en näe koko perhettä.<br />

D: Ich gebe es der ganzen Familie. Im ganzen Land.<br />

E: Mina annan seed kogu perele. Kogu maal.<br />

F: Minä annan sen koko perhelle. Koko maalla.<br />

Im <strong>Estnischen</strong> kommt für die Familie das Wort „perekond“ (Genitiv =<br />

perekonna), <strong>des</strong>sen Endung „-kond“ ein Kollektiv bildet - weiter unten<br />

gehe ich noch näher darauf ein -, viel mehr vor als „pere“, aber es passt<br />

hier viel besser wegen <strong>des</strong> direkten Vergleichs mit dem <strong>Finnischen</strong>.<br />

„Kogu“ <strong>und</strong> „koko“ gehören neben dem finnischen Adjektiv „pikku“, das<br />

ebenso oft wie das veränderliche „pieni“ vorkommt, <strong>und</strong> ein paar<br />

Zeitausdrücken, die ich weiter unten behandle, zu den wenigen Wörtern,<br />

die auch in den dichtesten Satzgestrüppen immer unverändert bleiben.<br />

Alle weiteren Spezialwörter werden jedoch durchdekliniert:<br />

Estnisch:<br />

Finnisch:<br />

alles alle alles alle<br />

Nom. kõik kõige kaikki kaikki<br />

Gen. kõige kõigi, kõikide kaiken kaikkojen<br />

144


Akk. kõike kõiki kaiken kaiket<br />

Part. kõike kõiki kaiken kaikkoja<br />

In. kõiges kõigis, kaikessa kaikissa<br />

kõiki<strong>des</strong><br />

Ill. kõigesse kõigisse, kaikeen kaikiin<br />

kõiki<strong>des</strong>se<br />

El. kõigest kõigist, kaikesta kaikista<br />

kõiki<strong>des</strong><br />

Ad. kõigel kõigil, kaikella kaikilla<br />

kõikidel<br />

All. kõigele kõigile, kaikelle kaikille<br />

kõikidele<br />

Abl. kõigelt kõigilt, kaikelta kaikilta<br />

kõikidelt<br />

Es. kõigena kõigina, kaikena kaikina<br />

kõikidena<br />

Tr. kõigeks kõigiks, kaikeksi kaikiksi<br />

kõikideks<br />

Ab. kõigeta kõigita, kaiketta kaikitta<br />

kõikideta<br />

Kom. kõigega kõigiga, - -<br />

kõikidega<br />

Ter. kõigeni kõigini, - -<br />

kõikideni<br />

145


Im <strong>Estnischen</strong> kommen also auch hier wieder alle 14 möglichen Fälle vor<br />

- der Akkusativ ist wie oben gesehen mit dem Partitiv identisch -, während<br />

im <strong>Finnischen</strong> der Komitativ nur in der Schriftsprache auftaucht <strong>und</strong> im<br />

mündlichen Gebrauch mit Verhältniswörtern umschrieben wird, die ich<br />

weiter unten noch behandeln werde, <strong>und</strong> der Instruktiv überhaupt nicht<br />

vorkommt.<br />

In einem einzigen Beispielsatz, der natürlich etwas übertrieben konstruiert<br />

ist, können gleich mehrere dieser Varianten untergebracht werden:<br />

D: Ich war in all diesen Ländern, gehe zu all diesen Ländern <strong>und</strong> komme<br />

von all diesen Ländern - <strong>und</strong> ich gebe all diesen Familien alles <strong>und</strong> gehe<br />

immer mit all diesen Familien.<br />

E: Mina olin kõigis nen<strong>des</strong> maa<strong>des</strong>, lähen kõigisse nen<strong>des</strong>se maa<strong>des</strong>se<br />

ja tulen kõigilt nendelt maadelt - ja mina annan kõige kõigile nendele<br />

peredele ja lähen alati kõigide nende peredega.<br />

(kõigide nende peredega = Komitativ, <strong>des</strong>halb nur bei „peredega“ die<br />

Kasus-Endung „-ga“)<br />

F: Minä olin kaikissa nässä maa<strong>des</strong>sa, menen kaikiin noihin maadelleen<br />

ja tulen kaikilta nältä maadelta - ja minä annan kaiken kaikille näille<br />

perheille ja menen aina kaikkien näiden perheiten kanssa.<br />

(perheiten = Genitiv Mehrzahl von „perhe“)<br />

Weitere Muster, wobei in der vorderen Variante sowohl der erste als auch<br />

der zweite Teil durchdekliniert werden:<br />

eine(r) von beiden<br />

wer/welche(r) von beiden<br />

Nom. Estnisch: Finnisch: Estnisch: Finnisch:<br />

Gen. embkumb jompikumpi kumb kumpi<br />

Akk. embakumba jommankumman kumba kumman<br />

Part. embakumba jompaakumpaa, kumba kumpaa,<br />

jompiakumpia<br />

146<br />

kumpia


In. emmaskummas jommassakummassa kummas kummassa<br />

Ill. emmassekummasse, jommaankummaan kummasse kummaan<br />

embakumba<br />

kumbasse<br />

El. emmastkummast jommastkummast kummast kummasta<br />

Ad. emmalkummal jommallakummalla kummal kummalla<br />

All. emmalekummale jommallekummalle kummale kummalle<br />

Abl. emmaltkummalt jommaltakummalta kummalt kummalta<br />

Es. emmanakummana jommanakummana kummana kummana<br />

Tr. emmakskummaks jommaksikummaksi kummaks kummaksi<br />

Ab. emmatakummata jommattakummatta kummata kummatta<br />

Kom. emmagakummaga - kummaga -<br />

Ter. emmanikummani - kummani -<br />

Ein Beispielsatz mit drei Varianten verpackt:<br />

D: Eine von euch beiden ist meine grosse Liebe, so liebe ich nur eine von<br />

euch beiden <strong>und</strong> ich gebe nur einer von euch beiden mein Herz.<br />

E: Embkumb on minu suur armastus, nii mina armastan ainult embakumba<br />

ja annan minu südad ainult emmalekummale.<br />

F: Jompikumpi on minun suuri rakkaukseni, niin minä rakastan vain<br />

jompaakumpaa ja annan minun sydäni vain jommmallekummalle.<br />

(rakkaus = Liebe, Gen. rakkauksen)<br />

D: Welcher von euch beiden ist ein Este <strong>und</strong> welcher (ist) ein Finne?<br />

E: Kumb on eestlane ja kumb on soomlane?<br />

F: Kumpi on virolainen ja kumpi on suomalainen?<br />

Dass die finnischen Wörter für Estland, Este <strong>und</strong> Estnisch (Viro, virolainen<br />

147


usw.) nicht von allen Esten sofort verstanden werden, zeigt sich auch in<br />

einem Spielfilm, als zur Zeit <strong>des</strong> Zweiten Weltkriegs, in dem die Esten<br />

gegen die Rote Armee kämpfen, eine Gruppe an der Grenze zu Finnland<br />

strandet <strong>und</strong> ein finnischer Soldat, dem sie über den Weg laufen, sie nur<br />

dieses fragt: „Virolaisia?“ Da in solchen Fragen der Partitiv verwendet<br />

wird, sagt er nicht „virolaiset“, aber auch so würden ihn die Esten nicht<br />

sofort verstehen, <strong>und</strong> erst als sie sagen, sie seien „eestlased“, begrüsst<br />

dieser sie mit „Tervetuloa Suomeen!“ (willkommen in Finnland! - mit einem<br />

Illativ). Er versteht sie <strong>des</strong>halb, weil es im <strong>Finnischen</strong> auch noch die Wörter<br />

„Eesti“ <strong>und</strong> „eestiläinen“ gibt, die aber viel weniger verwendet werden.<br />

Auch bei „ise“ <strong>und</strong> „itse“ (selbst) zeigen sich grosse Unterschiede, vor<br />

allem auch daran, dass es im <strong>Finnischen</strong> nur Einzahlformen gibt, aber<br />

auch bei ihrer Verwendung:<br />

Estnisch:<br />

Einzahl:<br />

Mehrzahl:<br />

Nom. ise ise itse<br />

Gen. enda, enese endi, eneste itsen<br />

Akk. end, ennast endid itsen<br />

Part. end, ennast endid itseä<br />

Finnisch:<br />

In. endas, eneses endis, enestes itsessä<br />

Ill. endasse, enesesse endisse, enestesse itselleen<br />

El. endast, enesest endist, enestest itsestä<br />

Ad. endal, enesel endil, enestel itsellä<br />

All. endale, enesele endile, enestele itselle<br />

Abl. endalt, eneselt endilt, enestelt itseltä<br />

Es. endana, enesena endina, enestena itsenä<br />

Tr. endaks, eneseks endiks, enesteks itseksi<br />

Ab. endata, eneseta endita, enesteta itsettä<br />

Kom. endaga, enesega endiga, enestega -<br />

Ter. endani, eneseni endini, enesteni -<br />

148


Auch hier ist das Estnische wieder formenreicher <strong>und</strong> mit allen 14 Kasus<br />

vertreten, wobei heute sowohl in der Einzahl als auch in der Mehrzahl<br />

selbst in der Schriftsprache fast nur noch die vorderen Varianten<br />

verwendet werden, aber auch das macht noch einiges mehr aus als im<br />

<strong>Finnischen</strong>, das für alle Kasus nur ein Wort zur Verfügung hat. Allerdings<br />

können diese mit Ausnahme <strong>des</strong> Nominativs (itse) nur in Verbindung mit<br />

einem Possessivpronomen verwendet werden:<br />

D: Ich wasche mich. Ich kaufe mir ein Buch.<br />

E: Mina pesen end. Mina ostan endale raamatu.<br />

F: Minä pesän itseni. Minä ostan itselleni kirjan.<br />

Minä peseytyn.<br />

(waschen = E: pesema, peseta<br />

F: pestä)<br />

D: Sie wäscht sich. Sie kauft sich ein Buch.<br />

E: Tema peseb end. Tema ostab endale raamatu.<br />

F: Hän pesää itsensä. Hän ostaa itsellensä kirjan.<br />

Hän peseytyy.<br />

D: Sie waschen sich. Sie kaufen sich ein Buch.<br />

E: Nemad pesevad endile. Nemad ostavad endile raamatu.<br />

F: He pesevät itsensä. He ostavat itsellensä kirjan.<br />

He peseytyvät.<br />

Mit „ise“ <strong>und</strong> „itse“ usw. können reflexive Handlungen ausgedrückt<br />

werden, also solche, die jemand an sich selber ausführt. Die zweite<br />

Variante im <strong>Finnischen</strong> (peseytun, peseytyy) gehört zu den Verben, bei<br />

denen es durch die Infixe „-utu-„ oder „-yty-„ dazwischen möglich ist, das<br />

Gleiche auszusagen. Für die Fremdsprachigen empfiehlt sich natürlich<br />

mehr der Gebrauch der oberen <strong>und</strong> einfacheren Variante.<br />

149


Bei den Wörtern „sich“ im Sinn von „einander“ wird im <strong>Estnischen</strong> rein<br />

formal genau darauf geschaut, ob jemand eine Handlung an sich selber<br />

vollzieht oder nicht, während es im <strong>Finnischen</strong> nur eine Variante gibt, die<br />

sich nach den entsprechenden Personalendungen richtet:<br />

D: Wir lieben uns. Wir lieben einander.<br />

E: Meie armastame endid. Meie armastame teineise.<br />

F: Me rakastamme toisiamme. wie nebenan<br />

Meie armastame üksteise.<br />

D: Ihr liebt euch. Ihr liebt einander.<br />

E: Teie armastate endid. Teie armastate teineise.<br />

Teie armastate üksteise.<br />

F: Te rakastatte toisianne. wie nebenan<br />

D: Sie lieben sich. Sie lieben einander.<br />

E: Nemad armastavad endid. Nemad armastavad teineise.<br />

Nemad armastavad üksteise.<br />

F: He rakastavat toisiaan. wie nebenan<br />

He rakastavat toisilleen.<br />

Im mündlichen Gebrauch kommt es im <strong>Estnischen</strong> nicht darauf an, welche<br />

der drei möglichen Varianten gesagt wird, weil man sowieso immer gut<br />

verstanden wird.<br />

Weitere Spezialwörter, bei denen ich auf Deklinationstabellen <strong>und</strong><br />

Beispielsätze verzichte, sind diese:<br />

beide<br />

ein gewisser<br />

einige<br />

= kumbki (E), kumpikin (F);<br />

mõlemad (E), molemmat (F)<br />

= mingi (E, Einzahl), mingid (E, Mehrzahl)<br />

= mõningad (E), jotkut (F), muutamat (F)<br />

150


irgendein(er)<br />

irgendetwas<br />

jeder, jede<br />

mancher<br />

manche<br />

mehrere<br />

viel<br />

wenig<br />

wenige<br />

= mingi (E, Einzahl), mingid (E, Mehrzahl);<br />

jokin (F), joku (F)<br />

= ükskõik mida (E), jotakin (F)<br />

= igaüks (E), joka (F, unveränderlich), jokainen (F)<br />

= mõni (E), moni (F), usea (F)<br />

= mõningad (E), mõned (E), monet (F), useat (F)<br />

= mitu (E), monet (F), useat (F)<br />

= palju (E), paljon (F)<br />

= vähe (E), vähän (F)<br />

= vähesed (E), harvat (F)<br />

151


Die Verben (Tätigkeitswörter)<br />

Erst jetzt, nach so vielen Deklinationstabellen, bei denen einem fast<br />

schwindlig werden kann, halte ich es für möglich, mit diesem Gr<strong>und</strong>wissen<br />

ausgerüstet in die Welt der Verben (Tätigkeitswörter) einzusteigen, aber<br />

es wird jetzt wenigstens etwas leichter. Ausgerechnet jetzt, da wir die Welt<br />

der Verben betreten? Das werden sich wohl manche fragen. In den<br />

meisten Sprachen sind gerade die Verben nicht leicht zu meistern, weil<br />

sie ein umfangreiches Konjugationssystem <strong>und</strong> mehr als zehn Zeiten<br />

kennen. So weisen die meisten romanischen Sprachen auch wegen <strong>des</strong><br />

oben erwähnten Konjunktivs nicht weniger als vierzehn auf, das<br />

Katalanische sogar achtzehn <strong>und</strong> das Surselvische in den Bündner<br />

Bergen als Rekordhalter zwanzig; allerdings kommen sechs heute nicht<br />

einmal mehr in der gehobenen Schriftsprache noch vor, also sind es<br />

ebenfalls vierzehn. Eine ähnlich hohe Anzahl Zeiten weist auch das<br />

Neugriechische auf, während die ost- <strong>und</strong> westslawischen Sprachen mit<br />

Russisch <strong>und</strong> Polnisch als den beiden bekanntesten Vertretern eigentlich<br />

nur acht verschiedene Zeiten hätten, wenn das sogenannte Aspektsystem<br />

die Zahl nicht verdoppeln würde. Mit dem Aspektsystem wird ausgedrückt,<br />

ob eine Handlung als unvollendet oder vollendet empf<strong>und</strong>en wird, zum<br />

Beispiel im Russischen:<br />

ja pischú = ich schreibe (gerade), ja djélaju = ich mache (gerade)<br />

ja napischú = ich werde schreiben, ja sdjélaju = ich werde schreiben<br />

ja pisál = ich schrieb, ich habe geschrieben<br />

ja djélal = ich machte, ich habe gemacht<br />

(es bleibt offen, ob die Handlung vollendet wurde)<br />

ja napisál = ich schrieb, ich habe geschrieben, ich hatte geschrieben<br />

ja sdjélal = ich machte, ich habe gemacht, ich hatte gemacht<br />

(hier ist die Handlung definitiv abgeschlossen)<br />

Dabei gibt es noch eine weibliche Variante (napisála, sdjélala) <strong>und</strong> eine<br />

sächliche (napisálo, sdjélalo), in der Mehrzahl gibt es für alle drei<br />

Geschlechter nur je eine Variante: pisáli, napisáli; djélali, sdjélali. Da fast<br />

je<strong>des</strong> slawische Verb ein sogenanntes Aspektpaar aufweist <strong>und</strong> die<br />

beiden oben vorgestellten Vorsilben „na-„ <strong>und</strong> „s-“ längst nicht die einzigen<br />

152


sind, ergibt sich also ein Dschungel von mehreren Zehntausend<br />

Konjugationen, welche die romanischen <strong>und</strong> germanischen Sprachen<br />

sowie die baltischen Sprachen Lettisch <strong>und</strong> Litauisch auf diese Art nicht<br />

kennen.<br />

Im Vergleich zu allen anderen slawischen Sprachen mit Ausnahme <strong>des</strong><br />

Ukrainischen <strong>und</strong> Weissrussischen, die ähnlich aufgebaut sind, ist es im<br />

Russischen jedoch direkt noch leicht, weil in den west- <strong>und</strong> südslawischen<br />

Sprachen noch viel feiner unterscheiden wird. Im Bulgarischen,<br />

Mazedonischen <strong>und</strong> Serbischen (dort allerdings nur noch in der<br />

gehobenen Schriftsprache) gibt es sogar noch einen Aorist, der mit dem<br />

im Alt- <strong>und</strong> Neugriechischen verwandt ist <strong>und</strong> mit dem französischen<br />

Passé simple, dem italienischen Passato remoto, dem spanischen<br />

Pasado definido <strong>und</strong> dem portugiesischen Passado definido verglichen<br />

werden kann, also für eine einmalige Handlung in der Vergangenheit<br />

verwendet wird. Während heute das Passé simple nur noch in der<br />

Schriftsprache vorkommt - allerdings nicht nur in der Dichtersprache -,<br />

wird das Passato remoto in Süditalien immer noch mehr verwendet als<br />

das Passato prossimo, also das „gewöhnliche“ Perfekt, <strong>und</strong> auch in<br />

Lateinamerika ist das Pasado definido viel mehr zu hören als das Perfekt.<br />

Im portugiesischen Sprachraum ist es sogar die meistverwendete Zeitform<br />

der Vergangenheit; das Perfekt wird nur noch dann verwendet, wenn eine<br />

in der Vergangenheit begonnene Handlung sich in der Gegenwart immer<br />

noch auswirkt, also ähnlich wie im Alt- <strong>und</strong> Neugriechischen, zum Beispiel<br />

im Satz: Deus tem falado (Gott hat gesprochen).<br />

Ich habe hier bewusst so weit ausgeholt, um klarzustellen, wie leicht<br />

Estnisch <strong>und</strong> Finnisch im Vergleich zum benachbarten Russischen <strong>und</strong><br />

auch zu den romanischen <strong>und</strong> den beiden griechischen Sprachen gerade<br />

im Bereich der Verben sind. Ich verschreibe mich hier nicht, es gibt<br />

insgesamt nur sechs verschiedene Zeiten oder genauer Gr<strong>und</strong>zeiten:<br />

Präsens (einfache Gegenwart)<br />

Imperfekt (einfache Vergangenheit)<br />

Perfekt (Vorgegenwart)<br />

Plusquamperfekt (abgeschlossene Vergangenheit)<br />

Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv Präsens<br />

Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv Perfekt<br />

153


Der Konditional <strong>und</strong> der Konjunktiv sind also identisch. Allerdings gibt es<br />

noch - auf den ersten Blick - kompliziert scheinende Konstruktionen mit<br />

vier verschiedenen Infinitivformen, die ich weiter unten noch vorstellen<br />

werde, die aber nicht einmal in der gehobenen Schriftsprache häufig<br />

vorkommen. Die beiden meistverwendeten sind das Präsens <strong>und</strong> das<br />

Imperfekt. Tatsächlich kommt das letztere für den Ausdruck einer<br />

abgeschlossenen Handlung - unabhängig davon, ob diese sich noch bis<br />

in die Gegenwart auswirkt oder nicht - viel mehr vor als das Perfekt. Dieses<br />

Merkmal teilen das Estnische <strong>und</strong> Finnische sowohl mit den germanischen<br />

Sprachen in Skandinavien als auch mit dem Lettischen <strong>und</strong> Litauischen,<br />

es ist ein gesamtnordeuropäisches sprachliches Kennzeichen.<br />

154


Sein <strong>und</strong> Haben in allen Zeiten<br />

Nach der obigen kurzen Einführung in die estnische <strong>und</strong> finnische<br />

Gedankenwelt im Bereich der Verben kann es jetzt mit „Sein“ <strong>und</strong> „Haben“<br />

richtig losgehen.<br />

Das Präsens<br />

(Die einfache Gegenwart)<br />

mina (ma) olen ich bin minä (mä) olen<br />

sina (sa) oled du bist sinä (sä) olet<br />

tema (ta) on er/sie ist hän (se) on<br />

tema (ta)/see on es ist se on<br />

meie (me) oleme wir sind me olemme<br />

teie (te) olete ihr seid te olette<br />

nemad (nad) on sie sind he (ne) ovat<br />

Teie (Te) olete Sie sind Te olette<br />

Obwohl ich die Abkürzungen für die Personalpronomina oben schon<br />

vorgestellt habe, führe ich sie hier nochmals auf, um das Gesamtbild<br />

abzur<strong>und</strong>en.<br />

Die Höflichkeitswörter „Teie“ <strong>und</strong> „Te“ kommen im heutigen Alltag nicht<br />

mehr viel vor, aber sie können manchmal immer noch gehört werden.<br />

Das estnische „see“ für „es“ ist zwar grammatikalisch korrekt, kommt aber<br />

heute nicht mehr so viel vor wie „tema“ <strong>und</strong> „ta“.<br />

Das finnische „ne“ bei der dritten Person Mehrzahl hat gleich zwei<br />

Funktionen: Einerseits ist es die sächliche Mehrzahlform von „se“, <strong>und</strong><br />

andererseits kommt es in der Umgangssprache auch für die männlichen<br />

<strong>und</strong> weiblichen Wörter vor, so wie auch „hän“ oft durch „se“ ersetzt wird.<br />

155


Das „t“ wird bei der zweiten Person Mehrzahl immer wie das finnische „tt“<br />

<strong>und</strong> bei der ersten Person Mehrzahl das „m“ je nach Dialekt manchmal<br />

auch wie das finnische „mm“ ausgesprochen.<br />

minul (mul) on ich habe minulla (mulla) on<br />

sinul (sul) on du hast sinulla (sulla) on<br />

tal on er/sie hat hänellä on<br />

tal/sellel on es hat sillä on<br />

meil on wir haben meillä on<br />

teil on ihr habt teillä on<br />

nendel on sie haben heillä on<br />

Teil on Sie haben Teillä on<br />

Im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> wird für „haben“ also das gleiche Verb wie<br />

für „sein“ verwendet; nur stehen die Personalpronomina dann immer im<br />

A<strong>des</strong>siv, während für alle Personen die gleiche Verbform verwendet wird,<br />

hier also „on“. Die eigentliche Übersetzung ist also: Bei mir ist, bei dir ist<br />

usw…Das ist ein wohltuender Gegensatz zu vielen anderen Sprachen, in<br />

denen es nicht nur zwischen „sein“ <strong>und</strong> „haben“ zwei verschiedene Verben<br />

gibt, sondern in mehreren romanischen Sprachen bei „haben“ auch noch<br />

dahingehend unterschieden wird, ob etwas einen Besitz ausdrückt oder<br />

nur ein Teil einer zusammengesetzten Zeit ist, als Beispiel ein Vergleich<br />

zwischen Italienisch <strong>und</strong> Spanisch:<br />

DE: Ich habe ein Haus.<br />

IT: Ho una casa.<br />

ES: Tengo una casa.<br />

Ich habe ein Haus gekauft.<br />

Ho comprato una casa.<br />

He comprado una casa.<br />

Eine Ähnlichkeit zum benachbarten Russischen <strong>und</strong> Lettischen ist hier<br />

nicht zu übersehen:<br />

ich habe = u menjá jest (Russisch),<br />

mans ir (Lettisch)<br />

156


Im Russischen steht diese Konstruktion im Genitiv in Verbindung mit der<br />

Präposition „u“, wobei „jest“ auch ausgelassen werden kann, während das<br />

lettische Personalpronomen im Dativ steht.<br />

Das Imperfekt<br />

(Die einfache Vergangenheit)<br />

mina (ma) olin ich war minä (mä) olin<br />

sina (sa) olid du warst sinä (sä) olit<br />

tema (ta) oli er/sie war hän (se) oli<br />

tema (ta)/see oli es war se oli<br />

meie (me) olime wir waren me olimme<br />

teie (te) olite ihr wart te olitte<br />

nemad (nad) olid sie waren he (ne) olivat<br />

Teie (Te) olite Sie waren Te olitte<br />

Es fällt auf, dass im <strong>Estnischen</strong> die zweite Person Einzahl <strong>und</strong> die dritte<br />

Person Mehrzahl identisch sind. Das gilt nicht nur für das Verb „sein“,<br />

sondern auch für alle anderen Verben in allen Zeiten mit Ausnahme <strong>des</strong><br />

Präsens.<br />

Bei „haben“ läuft es gleich wie im Präsens, nur wird „on“ durch „oli“ ersetzt:<br />

minul (mul) oli ich hatte minulla (mulla) oli<br />

sinul (sul) oli du hattest sinulla (sulla) oli<br />

tal oli er/sie/es hatte hänellä oli<br />

tal/sellel oli es hatte sillä oli<br />

meil oli wir hatten meillä oli<br />

teil oli ihr hattet teillä oli<br />

nendel oli sie hatten heillä oli<br />

Teil oli Sie hatten Teillä oli<br />

157


Das Perfekt<br />

(Die Vorgegenwart)<br />

mina (ma) olen olnud ich bin gewesen minä (mä) olen ollut<br />

sina (sa) oled olnud du bist gewesen sinä (sä) olet ollut<br />

tema (ta) on olnud er/sie ist gewesen hän (se) on ollut<br />

tema (ta)/see on olnud es ist gewesen se on ollut<br />

meie (me) oleme olnud wir sind gewesen me olemme olleet<br />

teie (te) olete olnud ihr seid gewesen te olette olleet<br />

nemad (nad) on olnud sie sind gewesen he (ne) ovat olleet<br />

Teie (Te) olete olnud Sie sind gewesen Te olette ollut *<br />

Hier unterscheiden sich die beiden Sprachen deutlich voneinander.<br />

Während im <strong>Estnischen</strong> das Partizip „olnud“ immer unverändert bleibt,<br />

wird im <strong>Finnischen</strong> formal zwischen einer Einzahl- <strong>und</strong> einer Mehrzahlform<br />

unterschieden: ollut, olleet.<br />

* Für die nur selten verwendete Höflichkeitsform gibt es im Französischen<br />

die parallele Ausdrucksweise, mit der die Verben auch dann in der Einzahl<br />

verwendet werden, wenn die Person in der Einzahl steht:<br />

vous êtes venu (m.), vous êtes venue (f.). = Sie sind gekommen<br />

Ein Beispiel mit dem Verb «être» für «sein» passt <strong>des</strong>halb nicht, weil<br />

ausgerechnet dieses in den zusammengesetzten Zeiten mit „avoir“<br />

(haben) konjugiert wird.<br />

Bei „haben“ sieht es in beiden Sprachen wieder gleich aus:<br />

minul on olnud ich habe gehabt minulla on ollut<br />

sinul on olnud du hast gehabt sinulla on ollut<br />

tal on olnud er/sie hat gehabt hänellä on ollut<br />

tal/sellel on olnud es hat gehabt sillä on ollut<br />

158


meil on olnud wir haben gehabt meillä on ollut<br />

teil on olnud ihr habt gehabt teillä on ollut<br />

nendel on olnud sie haben gehabt heillä on ollut<br />

Teil on olnud Sie haben gehabt Teillä on ollut<br />

Diesmal habe ich die Abkürzungen für die Personalpronomina aus<br />

Platzgründen nicht nochmals aufgeführt.<br />

Das Plusquamperfekt<br />

(Die abgeschlossene Vergangenheit)<br />

mina (ma) olin olnud ich war gewesen minä (mä) olin ollut<br />

sina (sa) olid olnud du warst gewesen sinä (sä) olit ollut<br />

tema (ta) oli olnud er/sie war gewesen hän (se) oli ollut<br />

tema (ta)/see oli olnud es war gewesen se oli ollut<br />

meie (me) olime olnud wir waren gewesen me olimme olleet<br />

teie(te) olite olnud ihr wart gewesen te olitte olleet<br />

nemad (nad) olid olnud sie waren gewesen he (ne) olivat olleet<br />

Teie (Te) olite olnud Sie waren gewesen Te olitte ollut<br />

Bei „haben“ läuft es gleich wie im Perfekt, nur wird „on“ auch hier durch<br />

„oli“ ersetzt:<br />

minul oli olnud ich hatte gehabt minulla oli ollut<br />

sinul oli olnud du hattest gehabt sinulla oli ollut<br />

tal oli olnud er/sie hatte gehabt hänellä oli ollut<br />

tal/sellel oli olnud es hatte gehabt sillä oli ollut<br />

meil oli olnud wir hatten gehabt meillä oli ollut<br />

teil oli olnud ihr hattet gehabt teillä oli ollut<br />

159


nendel oli olnud sie hatten gehabt heillä oli ollut<br />

Teil oli olnud Sie hatten gehabt Teillä oli ollut<br />

Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv Präsens<br />

Da der Konditional <strong>und</strong> der Konjunktiv im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> wie<br />

oben erwähnt identisch sind, kann ich sie hier auch zusammen aufführen.<br />

Die Formeln lauten so:<br />

Ole + ks + Personalendung (E),<br />

Imperfekt von „haben“ (oli) + si + Personalendung (F)<br />

Das sieht dann so aus:<br />

mina oleksin ich wäre, ich würde sein minä olisin<br />

kui mina oleksin wenn ich wäre jos minä olisin<br />

sina oleksid du wärst, du wür<strong>des</strong>t sein sinä olisit<br />

kui sina oleksid wenn du wärst jos sinä olisit<br />

tema oleks er/sie wäre, er/sie würde sein hän olisi<br />

kui tema oleks wenn er/sie wäre jos hän olisi<br />

tema/see es wäre, es würde sein se olisi<br />

kui tema/see oleks wenn es wäre jos se olisi<br />

meie oleksime wir wären, wir würden sein me olisimme<br />

kui meie oleksime wenn wir wären jos me olisimme<br />

teie oleksite ihr wäret, wir würdet sein te olisitte<br />

kui teie oleksite wenn ihr wäret jos te olisitte<br />

nenad oleksid sie wären, sie würden sein he olisivat<br />

kui nenad oleksid wenn sie wären jos he olisivat<br />

Teie oleksite Sie wären, Sie würden sein Te olisitte<br />

kui Teie oleksite wenn Sie wären jos Te olisitte<br />

160


Bei „haben“ läuft es wieder gleich wie im Präsens <strong>und</strong> Imperfekt, nur<br />

werden hier „on“ <strong>und</strong> „oli“ durch „olisi“ ersetzt:<br />

minul oleks ich hätte, ich würde haben minulla olisi<br />

kui minul oleks wenn ich hätte jos minulla olisi<br />

sinul oleks du hättest, du wür<strong>des</strong>t haben sinulla olisi<br />

kui sinul oleks wenn du hättest jos sinulla olisi<br />

tal oleks er/sie hätte hänellä olisi<br />

kui tal oleks wenn er/sie hätte jos hänellä olisi<br />

tal/sellel oleks es hätte, es würde haben sillä olisi<br />

kui tal/sellel oleks wenn es hätte jos sillä olisi<br />

meil oleks wir hätten, wir würden haben meillä olisi<br />

kui meil oleks wenn wir hätten jos meillä olisi<br />

teil oleks ihr hättet, ihr würdet haben teillä olisi<br />

kui teil oleks wenn ihr hättet jos teillä olisi<br />

nendel oleks sie hätten, sie würden haben heillä olisi<br />

kui nendel oleks wenn sie hätten jos heillä olisi<br />

Teil oleks Sie hätten, Sie würden haben Teillä olisi<br />

kui Teil oleks wenn Sie hätten jos Teillä olisi<br />

Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv Perfekt<br />

mina oleksin olnud ich wäre gewesen minä olisin ollut<br />

kui mina oleksin olnud wenn ich gewesen wäre jos minä olisin ollut<br />

sina oleksid olnud du wärst gewesen sinä olisit ollut<br />

kui sina oleksid olnud wenn du gewesen wärst jos sinä olisit ollut<br />

tema oleks olnud er/sie wäre gewesen hän olisi ollut<br />

tema/see oleks olnud es wäre gewesen se olisi ollut<br />

161


kui tema oleks olnud wenn er/sie gewesen jos hän olisi ollut<br />

wäre<br />

kui tema/see oleks olnud wenn es gewesen wäre jos se olisi ollut<br />

meie oleksime olnud wir wären gewesen me olisimme olleet<br />

kui meie oleksime olnud wenn wir gewesen jos olisimme olleet<br />

wären<br />

teie oleksite olnud ihr wäret gewesen te olisitte olleet<br />

kui teie oleksite olnud wenn ihr gewesen jos te olisitte olleet<br />

wäret<br />

nenad oleksid olnud sie wären gewesen he olisitte olleet<br />

kui nenad oleksid olnud wenn sie gewesen jos he olisitte olleet<br />

wären<br />

Teie oleksite olnud Sie wären gewesen Te olisitte ollut<br />

kui Teie oleksite olnud wenn Sie gewesen jos Te olisitte ollut<br />

wären<br />

minul oleks olnud ich hätte gehabt minulla olisi ollut<br />

kui minul oleks olnud wenn ich gehabt hätte jos minulla olisi ollut<br />

sinul oleks olnud du hättest gehabt sinulla olisi ollut<br />

kui sinul oleks olnud wenn du gehabt hättest jos sinulla olisi ollut<br />

tal oleks olnud er/sie hätte gehabt hänellä olisi ollut<br />

kui tal oleks olnud wenn er/sie gehabt hätte jos hänellä olisi ollut<br />

tal/sellel oleks olnud es hätte gehabt sillä olisi ollut<br />

kui tal/sellel oleks olnud wenn es gehabt hätte jos sillä olisi ollut<br />

meil oleks olnud wir hätten gehabt meillä olisi ollut<br />

kui meil oleks olnud wenn wir gehabt jos meillä olisi ollut<br />

hätten<br />

162


teil oleks olnud ihr hättet gehabt teillä olisi ollut<br />

kui teil oleks olnud wenn ihr gehabt jos teillä olisi ollut<br />

hättet<br />

nendel oleks olnud sie hätten gehabt heillä olisi ollut<br />

kui nendel oleks olnud wenn sie gehabt jos heillä olisi ollut<br />

hätten<br />

Teil oleks olnud Sie hätten gehabt Teillä olisi ollut<br />

kui Teil oleks olnud wenn Sie gehabt jos Teillä olisi ollut<br />

hätten<br />

Diese allein vorhandenen sechs Konjugationen sind also im Vergleich zu<br />

vielen anderen Sprachen erfrischend einfach zu meistern, wenn die<br />

verschiedenen Varianten von „olla“ (on, oli, olnud, ollut, olleet usw.) genau<br />

beachtet werden.<br />

Viele werden sich jetzt wohl fragen, wo die beiden Zukunftsformen, die in<br />

den Lehrbüchern der meisten anderen Sprachen meistens noch vor den<br />

Konjugationen im Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv aufgeführt werden, denn nur<br />

abgeblieben sind. Die Antwort ist auch hier erfrischend einfach: Sie<br />

kommen im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> schlicht nicht vor. An Stelle <strong>des</strong><br />

Futurs I, wie die einfache Zukunft in der Fachsprache genannt wird, steht<br />

das Präsens, <strong>und</strong> an Stelle <strong>des</strong> Futurs II, wie die abgeschlossene Zukunft<br />

genannt wird, steht das Perfekt. Allerdings ist hier anzumerken, dass das<br />

letztere (ich werde gewesen sein, ich werde gehabt haben usw.) dem<br />

estnischen <strong>und</strong> finnischen Denken sowieso völlig fremd ist; <strong>des</strong>halb führe<br />

ich hier auch keine Beispiele auf.<br />

Um das Futur I vom Präsens zu unterscheiden, wird fast immer ein<br />

entsprechen<strong>des</strong> Zeitwort verwendet:<br />

D: Morgen bin ich in Deutschland, morgen werde ich in D. sein.<br />

E: Homme mina olen Saksamaas.<br />

F: Huomenna minä olen Saksassa.<br />

163


D: Bald werden wir ein Kind haben, bald haben wir ein Kind.<br />

E: Varsti meil on laps.<br />

F: Pian meillä on lapsi.<br />

Es gibt im <strong>Finnischen</strong> formal zwar eine eigene Futurform, die mit<br />

„Konjugierte Form von ‚tulla‘ + Illativ“ umschrieben werden kann, aber sie<br />

kommt fast nur in der Schriftsprache vor <strong>und</strong> auch dort nur selten:<br />

Morgen bin ich in Deutschland.<br />

Huomenna minä tulen ollaan Saksassa.<br />

Bald haben wir ein Kind.<br />

Pian meillä tulee ollaan lapsi.<br />

Weiter oben habe ich geschrieben, dass das Imperfekt für eine<br />

abgeschlossene Handlung viel mehr verwendet wird als das Perfekt <strong>und</strong><br />

dass dies ein gemeinsames Merkmal der skandinavischen, baltischen <strong>und</strong><br />

finno-ugrischen Sprachen ist. Das kommt auch daher, weil das Perfekt in<br />

allen drei Sprachfamilien mehr verwendet wird, wenn eine Handlung in der<br />

näheren Vergangenheit begonnen hat <strong>und</strong> sich in der Gegenwart immer<br />

noch auswirkt. Erstaunlicherweise teilen sie diese Gemeinsamkeit sogar<br />

mit den beiden griechischen Sprachen, also mit dem Alt- <strong>und</strong><br />

Neugriechischen, wo die Hauptzeit für die Vergangenheit jedoch nicht das<br />

Imperfekt ist, das nur für eine länger andauernde Handlung verwendet<br />

wurde <strong>und</strong> wird, sondern eine Spezialzeit, die Aorist genannt wird <strong>und</strong> dem<br />

schriftlateinischen Perfekt noch am nächsten kommt. Ich schreibe<br />

bewusst Schriftlatein, weil das Vulgärlatein, von <strong>des</strong>sen verschiedenen<br />

Varianten im ganzen Römischen Reich die heutigen romanischen<br />

Sprachen abstammen, ein zusammengesetztes Perfekt <strong>und</strong><br />

Plusquamperfekt kannte, die heute in allen romanischen, aber auch<br />

germanischen, baltischen <strong>und</strong> finno-ugrischen Sprachen mit Ausnahme<br />

<strong>des</strong> Ungarischen ebenfalls vorkommen.<br />

164


Die Verneinung von Sein <strong>und</strong> Haben<br />

Da die Verneinung dieser beiden Hauptverben, die auch in allen anderen<br />

Sprachen die zwei wichtigsten sind, vor allem im <strong>Finnischen</strong> nicht so<br />

einfach wie in vielen anderen Sprachen zu handhaben ist, führe ich diese<br />

erst jetzt auf, nachdem ich die sechs vorhandenen bejahenden<br />

Konjugationen zusammen vorgestellt habe. Ich schnüre aber auch hier ein<br />

Gesamtpaket mit allen sechs Konjugationen, weil es so nach meiner<br />

Meinung die beste Übersicht bietet.<br />

Während im <strong>Estnischen</strong> immer das Universalwort „ei“ für die Verneinung<br />

verwendet wird, gibt es im <strong>Finnischen</strong> eine sogenannte konjugierte<br />

verneinte Konjugation, die auf diese Art neben dem verwandten<br />

Samischen - oder Lappischen, wie es früher genannt wurde - von den<br />

bekannten europäischen Sprachen nur noch in den keltischen vorkommt,<br />

aber natürlich nicht ganz gleich wie hier.<br />

Diese Konjugation lautet bei allen Verben <strong>und</strong> in allen Zeiten so:<br />

en, et, ei, emme, ette, eivät<br />

Gemeinsam ist beiden Sprachen diese Formel: Verneinungswort +<br />

Verbstamm, also ohne die Personalendungen dahinter.<br />

Die verneinte Konjugation sieht in allen sechs Zeiten so aus:<br />

Präsens<br />

mina (ma) ei ole ich bin nicht minä (mä) en ole<br />

sina (sa) ei ole du bist nicht sinä (sä) et ole<br />

tema (ta) ei ole er/sie ist nicht hän (se) ei ole<br />

tema (ta)/see ei ole es ist nicht se ei ole<br />

meie ei ole wir sind nicht me emme ole<br />

teie ei ole ihr seid nicht te ette ole<br />

nemad (nad) ei ole sie sind nicht he (ne) eivät ole<br />

Teie ei ole Sie sind nicht Te ette ole<br />

165


Da die Verneinung im <strong>Estnischen</strong> bei allen Personen identisch ist, müssen<br />

die Personalprononomina natürlich immer mitverwendet werden, während<br />

diese im <strong>Finnischen</strong> mit Ausnahme der dritten Personen (hän, se, he)<br />

ausgelassen werden können. Die Wörter der verneinten Konjugationen<br />

drücken ja bereits deutlich genug aus, welche Person gemeint ist, aber es<br />

muss dann natürlich auch ganz genau hingehört werden.<br />

Beim Ausdruck „das ist nicht meins“ usw. bleibt alles genau gleich wie<br />

oben, als ich den Ausdruck „das ist meins“ usw. im Kapitel über die<br />

Possessivpronomina vorgestellt habe, <strong>und</strong> das gilt auch für die anderen<br />

Zeiten.<br />

das ist nicht meins/deins/seins/ihres/unseres/eures/ihres<br />

das sind nicht meine/deine/seine/ihre/unsere/eure/ihre<br />

see ei ole minu oma/sinu oma/tema oma/meie oma/teie oma/nende oma<br />

need ei ole minu oma/sinu oma/tema oma/meie oma/teie oma/nende oma<br />

tämä ei ole minun/sinun/hänen/meidän/teidän/heidän<br />

nämä eivät ole minun/sinun/hänen/meidän/teidän/heidän<br />

Beim Verb „haben“ ist es wieder viel leichter, weil auch hier genauso wie<br />

oben in den bejahenden Konjugation die gleiche Konstruktion verwendet<br />

wird:<br />

minul ei ole ich habe nicht minulla ei ole<br />

sinul ei ole du hast nicht sinulla ei ole<br />

tal ei ole er/sie hat nicht hänellä ei ole<br />

tal/sellel ei ole es hat nicht sillä ei ole<br />

meil ei ole wir haben nicht meillä ei ole<br />

teil ei ole ihr habt nicht teillä ei ole<br />

nendel ei ole sie haben nicht heillä ei ole<br />

Teil ei ole Sie haben nicht Teillä ei ole<br />

166


Imperfekt<br />

Auch hier ist es vor allem im <strong>Estnischen</strong> erfrischend einfach, weil „ole“<br />

bloss durch „olnud“ ersetzt wird, während im <strong>Finnischen</strong> beim Verb „sein“<br />

wieder die Mehrzahlendung „olleet“ beachtet werden muss:<br />

mina ei olnud ich war nicht minä en ollut<br />

sina ei olnud du warst nicht sinä et ollut<br />

tema ei olnud er/sie war nicht hän ei ollut<br />

tema/see ei olnud es war nicht se ei ollut<br />

meie ei olnud wir waren nicht me emme olleet<br />

teie ei olnud ihr wart nicht te ette olleet<br />

nenad ei olnud sie waren nicht he eivät olleet<br />

Teie ei olnud Sie waren nicht Te ette ollut<br />

minul ei olnud ich hatte nicht minulla ei ollut<br />

sinul ei olnud du hattest nicht sinulla ei ollut<br />

tal ei olnud er/sie hatte nicht hänellä ei ollut<br />

tal/sellel ei olnud es hatte nicht sillä ei ollut<br />

meil ei olnud wir hatten nicht meillä ei ollut<br />

teil ei olnud ihr hattet nicht teillä ei ollut<br />

nendel ei olnud sie hatten nicht heillä ei ollut<br />

Teil ei olnud Sie hatten nicht Teillä ei ollut<br />

167


Perfekt<br />

In dieser Zeit taucht das Präsens-Wort „ole“ wieder auf, indem es mit<br />

„olnud“ <strong>und</strong> „ollut“ verb<strong>und</strong>en wird. Beim Verb „sein“ ist im <strong>Finnischen</strong> auch<br />

hier wieder die Mehrzahlform „olleet“ zu beachten.<br />

mina ei ole olnud ich bin nicht gewesen minä en ole ollut<br />

sina ei ole olnud du bist nicht gewesen sinä et ole ollut<br />

tema ei ole olnud er/sie ist nicht gewesen hän ei ole ollut<br />

tema/see ei ole olnud es ist nicht gewesen se ei ole ollut<br />

meie ei ole olnud wir sind nicht gewesen me emme ole olleet<br />

teie ei ole olnud ihr seid nicht gewesen te ette ole olleet<br />

nenad ei ole olnud sie sind nicht gewesen he eivät ole olleet<br />

Teie ei ole olnud Sie sind nicht gewesen Te ette ole olleet<br />

minul ei ole olnud ich habe nicht gehabt minulla ei ole ollut<br />

sinul ei ole olnud du hast nicht gehabt sinulla ei ole ollut<br />

tal ei ole olnud er/sie hat nicht gehabt hänellä ei ole ollut<br />

tal/sellel ei ole olnud es hat nicht gehabt sillä ei ole ollut<br />

meil ei ole olnud wir haben nicht gehabt meillä ei ole ollut<br />

teil ei ole olnud ihr habt nicht gehabt teillä ei ole ollut<br />

nendel ei ole olnud sie haben nicht gehabt heillä ei ole ollut<br />

Teil ei ole olnud Sie haben nicht gehabt Teillä ei ole ollut<br />

168


Plusquamperfekt<br />

Hier läuft es gleich wie im Perfekt, wobei „oli“ wieder „ole“ ersetzt <strong>und</strong> im<br />

<strong>Finnischen</strong> beim Verb „sein“ die Mehrzahlendung „olleet“ beachtet werden<br />

muss:<br />

mina ei oli olnud ich war nicht gewesen minä en oli ollut<br />

sina ei oli olnud du warst nicht gewesen sinä et oli ollut<br />

tema ei oli olnud er/sie war nicht gewesen hän ei oli ollut<br />

tema/see ei oli olnud es war nicht gewesen se ei oli ollut<br />

meie ei oli olnud wir waren nicht gewesen me emme oli olleet<br />

teie ei oli olnud ihr wart nicht gewesen te ette oli olleet<br />

nemad ei oli olnud sie waren nicht gewesen he eivät oli olleet<br />

Teie ei oli olnud Sie waren nicht gewesen Te ette oli ollut<br />

minul ei oli olnud ich hatte nicht gehabt minulla ei oli ollut<br />

sinul ei oli olnud du hattest nicht gehabt sinulla ei oli ollut<br />

tal ei oli olnud er/sie hatte nicht gehabt hänellä ei oli ollut<br />

tal/sellel ei oli olnud es hatte nicht gehabt sillä ei oli ollu<br />

meil ei oli olnud wir hatten nicht gehabt meillä ei oli ollut<br />

teil ei oli olnud ihr hattet nicht gehabt teillä ei oli ollut<br />

nendel ei oli olnud sie hatten nicht gehabt heillä ei oli ollut<br />

Teil ei oli olnud Sie hatten nicht gehabt Teillä ei oli ollut<br />

169


Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv Präsens<br />

Was im Präsens <strong>und</strong> Perfekt das Wort „ole“ sowie im Imperfekt <strong>und</strong><br />

Plusquamperfekt das Wort „oli“ verkörpern, sind im Konditional <strong>und</strong><br />

Konjunktiv die Universalwörter “oleks“ <strong>und</strong> „olisi“, um die sich die ganze<br />

Verneinung dreht:<br />

mina ei oleks ich wäre nicht minä en olisi<br />

kui mina ei oleks wenn ich nicht wäre jos minä en olisi<br />

sina ei oleks du wärst nicht sinä et olisi<br />

kui sina ei oleks wenn du nicht wärst jos sinä et olisi<br />

tema ei oleks er/sie wäre nicht hän ei olisi<br />

kui tema ei oleks wenn er/sie nicht wäre jos hän ei olisi<br />

tema/see ei oleks es wäre nicht se ei olisi<br />

kui tema/see ei oleks wenn es nicht wäre<br />

jos se ei olisi<br />

meie ei oleks wir wären nicht me emme olisi<br />

kui meie ei oleks wenn wir nicht wären jos me emme olisi<br />

teie ei oleks ihr wäret nicht te ette olisi<br />

kui teie ei oleks wenn ihr nicht wäret jos te ette olisi<br />

nemad ei oleks sie wären nicht he eivät olisi<br />

kui nemad ei oleks wenn sie nicht wären jos he eivät olisi<br />

Teie ei oleks Sie wären nicht Te ette olisi<br />

kui Te ei oleks wenn Sie nicht wären jos Te ette olisi<br />

minul ei oleks ich hätte nicht minulla ei olisi<br />

kui minul ei oleks wenn ich nicht hätte jos minulla ei olisi<br />

sinul ei oleks du hättest nicht sinulla ei olisi<br />

kui sinul ei oleks wenn du nicht hättest jos sinulla ei olisi<br />

tal ei oleks er/sie hätte nicht hänellä ei olisi<br />

170


kui tal ei oleks wenn er/sie nicht hätte jos hänellä ei olisi<br />

tal/sellel ei oleks es hätte nicht sillä ei olisi<br />

kui tal/sellel ei oleks wenn es nicht hätte jos sillä ei olisi<br />

meil ei oleks wir hätten nicht meillä ei olisi<br />

kui meil ei oleks wenn wir nicht hätten jos meillä ei olisi<br />

teil ei oleks ihr hättet nicht teillä ei olisi<br />

kui teil ei oleks wenn ihr nicht hättet jos teillä ei olisi<br />

nendel ei oleks sie hätten nicht heillä ei olisi<br />

kui nendel ei oleks wenn sie nicht hätten jos heillä ei olisi<br />

Teil ei oleks Sie hätten nicht Teillä ei olisi<br />

kui Teil ei oleks wenn Sie nicht hätten jos Teillä ei olisi<br />

Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv Perfekt<br />

Auch hier lauten die Universalwörter „oleks“ <strong>und</strong> „olisi“, um die sich die<br />

ganze Verneinung dreht:<br />

mina ei oleks olnud ich wäre nicht gewesen minä en olisi ollut<br />

kui mina ei oleks olnud wenn ich nicht gewesen<br />

wäre<br />

jos minä en olisi ollut<br />

sina ei oleks olnud du wärst nicht gewesen sinä et olisi ollut<br />

kui sina ei oleks olnud wenn du nicht gewesen jos sinä et olisi ollut<br />

tema ei oleks olnud<br />

wärst<br />

kui tema ei oleks olnud wenn er/sie nicht<br />

er/sie wäre nicht gewesen hän ei olisi ollut<br />

gewesen wäre<br />

tema/see ei oleks olnud es wäre nicht gewesen<br />

jos hän ei olisi ollut<br />

se ei olisi ollut<br />

171


kui tema/see ei oleks wenn es nicht gewesen jos se ei olisi ollut<br />

olnud<br />

wäre<br />

meie ei oleks olnud wir wären nicht gewesen me emme olisi olleet<br />

kui meie ei oleks olnud wenn wir nicht gewesen jos me emme olisi<br />

wären<br />

olleet<br />

teie ei oleks olnud ihr wäret nicht gewesen te ette olisi olleet<br />

kui teie ei oleks olnud wenn ihr nicht gewesen jos te ette olisi<br />

wäret<br />

olleet<br />

nemad ei oleks olnud sie wären nicht gewesen he eivät olisi olleet<br />

kui nemad ei oleks wenn sie nicht gewesen jos he eivät olisi<br />

olnud wären olleet<br />

Teie ei oleks olnud Sie wären nicht gewesen Te ette olisi ollut<br />

kui Teie ei oleks olnud wenn Sie nicht gewesen jos Te ette olisi<br />

wären<br />

ollut<br />

minul ei oleks olnud ich hätte nicht gehabt minulla ei olisi ollut<br />

kui minul ei oleks wenn ich nicht gehabt jos minulla ei olisi<br />

olnud hätte ollut<br />

sinul ei oleks olnud du hättest nicht gehabt sinulla ei olisi ollut<br />

kui sinul ei oleks wenn du nicht gehabt jos sinulla ei olisi<br />

olnud hättest ollut<br />

tal ei oleks olnud er/sie hätte nicht hänellä ei olisi ollut<br />

gehabt<br />

kui tal ei oleks olnud wenn er/sie nicht jos hänellä ei olisi<br />

gehabt hätte<br />

ollut<br />

tal/sellel ei oleks olnud es hätte nicht gehabt sillä ei olisi ollut<br />

172


kui tal/sellel ei oleks wenn es nicht gehabt jos sillä ei olisi ollut<br />

olnud<br />

hätte<br />

meil ei oleks olnud wir hätten nicht gehabt meillä ei olisi ollut<br />

kui meil ei oleks wenn wir nicht gehabt jos meillä ei olisi<br />

olnud hätten ollut<br />

teil ei oleks olnud ihr hättet nicht gehabt teillä ei olisi ollut<br />

kui teil ei oleks wenn ihr nicht gehabt jos teillä ei olisi<br />

olnud hättet ollut<br />

nendel ei oleks sie hätten nicht gehabt heillä ei olisi ollut<br />

olnud<br />

kui nendel ei oleks wenn sie nicht gehabt jos heillä ei olisi<br />

olnud hätten ollut<br />

Teil ei oleks olnud Sie hätten nicht gehabt Teillä ei olisi ollut<br />

kui Teil ei oleks wenn Sie nicht gehabt jos Teillä ei olisi<br />

olnud hätten ollut<br />

Das sind zwar viele Konjugationstabellen auf einmal, aber ich habe sie<br />

bewusst alle vollständig aufgeführt, weil alle anderen Verben ebenfalls<br />

nach diesem Schema konjugiert werden, <strong>und</strong> das gilt besonders für die<br />

zusammengesetzten Zeiten Perfekt, Plusquamperfekt <strong>und</strong><br />

Konditional/Konjunktiv Perfekt. Schon die Konstruktion für das Verb<br />

„haben“, das genauso wie „sein“ mit dem Verb „olla“ konjugiert wird, deutet<br />

an, dass die estnische <strong>und</strong> finnische Verbenwelt gar nicht so kompliziert<br />

sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen mögen.<br />

173


Die häufigsten Verben in allen Zeiten<br />

Bevor ich den zweiten Bereich der Verben behandle, gilt es gleich jetzt<br />

etwas vorwegzunehmen: Im <strong>Estnischen</strong> gibt es nicht nur einen Infinitiv,<br />

sondern für je<strong>des</strong> Verb deren zwei, <strong>und</strong> zwar wird zwischen einem „ma-<br />

Infinitiv“ (mit der Endung „-ma“) <strong>und</strong> einem „da-Infinitiv“ (mit der Endung „-<br />

da“) unterschieden, wobei im zweiten nicht immer ein „-da“ steht. Das ist<br />

der einzige Punkt, in dem diese Sprache deutlich schwieriger ist als das<br />

Finnische, aber es gibt immer nur eine Konjugation; es verhält sich also<br />

nicht so wie bei den slawischen Sprachen mit dem umfangreichen<br />

Aspektsystem, wie ich es oben erklärt habe. Zudem ist die Unterscheidung<br />

nicht schwer:<br />

Der „ma-Infinitiv“ wird verwendet, wenn eine Verpflichtung oder der Beginn<br />

einer Bewegung ausgedrückt werden:<br />

D: Morgen muss ich in Tallinn sein. Ich muss nach Tallinn gehen.<br />

E: Homme mina pean olema Tallinnas. Mina pean minema Tallinnasse.<br />

D: Ich muss hier leben. Ich fange zu schreiben an.<br />

E: Mina pean siin elama. Mina hakkan kirjutama.<br />

Der „da-Infinitiv“ wird verwendet, wenn ein Wille, ein Streben, eine<br />

Fähigkeit oder eine gefühlsmässige Deutung ausgedrückt werden:<br />

D: Morgen will ich in Tallinn sein. Ich will nach Tallinn gehen.<br />

E: Homme mina tahan olla Tallinnas. Mina tahan minna Tallinnasse.<br />

D: Ich kann gut schreiben.<br />

E: Mina oskan hästi kirjutada.<br />

174


D: In der Stadt ist es schwerer zu leben als auf dem Land.<br />

E: Linnas on raskem elada kui maal.<br />

Die „Aspektpaare“, die eben keine solchen sind, sondern nur zwei<br />

verschiedene Infinitive haben, lauten somit so:<br />

sein<br />

gehen<br />

schreiben<br />

leben<br />

olema, olla<br />

minema, minna<br />

käimä, käiä *<br />

kirjutama, kirjutada<br />

elama, elada<br />

* Dieses Verb heisst zwar auch „gehen“, kommt aber weniger häufig vor<br />

<strong>und</strong> wird mehr im Sinn von „besuchen gehen“ verwendet. Tatsächlich<br />

heisst das nahe verwandte finnische „käydä“ nur „besuchen“, wobei hinten<br />

noch „luona“ <strong>und</strong> in der Mitte das entsprechende Objekt hinzugefügt<br />

werden müssen.<br />

Im <strong>Finnischen</strong> lauten die einzelnen Infinitive für diese vier Verben so:<br />

olla, mennä, kirjoittaa, elää<br />

Auch hier gilt also wieder die Vokalharmonie.<br />

Zur Beruhigung dies: Da auch die Estinnen <strong>und</strong> Esten wissen, wie schwer<br />

ihre Sprache ist, schauen sie darüber hinweg, wenn jemand den<br />

„falschen“ Infinitiv erwischt. Immerhin ist schon an diesen wenigen<br />

Beispielsätzen zu erkennen, wie stark das Estnische vom Deutschen auch<br />

im Satzbau beeinflusst worden ist:<br />

D: Ich muss hier leben. Mina pean siin elama.<br />

(nicht: elama siin)<br />

D: Ich kann gut schreiben. Mina oskan hästi kirjutada.<br />

(nicht: kirjutada hästi).<br />

175


Die beiden Varianten in Klammern gelten zwar nicht direkt als falsch, aber<br />

sie wirken etwas unbeholfen.<br />

Im <strong>Finnischen</strong> lauten diese beiden Sätze so:<br />

Minun täytyy elää täällä.<br />

Minä osan kirjottaa hyvin.<br />

Hier wird also nicht so „deutsch“ umgestellt wie im <strong>Estnischen</strong>. Auf die<br />

Konstruktion für „müssen“, die mit dem Genitiv umschrieben wird, gehe<br />

ich weiter unten im Kapitel „Die Modalverben“ näher ein.<br />

Warum ich für dieses Kapitel den Titel „Die häufigsten Verben in allen<br />

Zeiten“ gewählt habe, liegt darin, dass es im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong><br />

nicht das gibt, was in anderen Sprachen als erste, zweite, dritte, vierte<br />

oder sogar fünfte Konjugation wie im Latein bekannt ist. Es gibt zwar<br />

Verschiedenheiten, die in sogenannte Flexionsklassen unterteilt werden,<br />

aber es würde in diesem Buch, das nicht nur eine Sprache vermittelt,<br />

sondern deren zwei, viel zu weit führen, wenn ich all diese Klassen in all<br />

ihre Einzelheiten zerlegen würde. Es genügt zu wissen, dass alle Verben<br />

je nach Standpunkt gleich leicht oder gleich schwer zu meistern sind, <strong>und</strong><br />

zudem weise ich am Schluss dieses Buches noch darauf hin, in welchen<br />

Lehrbüchern, die ich mitverwendet habe, sämtliche Verbentabellen<br />

gesehen werden können.<br />

Für den Einstieg in den umfangreichen Verbendschungel sind drei<br />

Schlüsselstellen einzuprägen:<br />

Erstens der Stufenwechsel, der schon bei der Konjugation <strong>des</strong> Präsens<br />

beginnt.<br />

Zweitens die Bildung der ersten Person Einzahl im Imperfekt, die eben<br />

auch nicht immer regelmässig ist. Immerhin kann das Wissen helfen, dass<br />

die Zwischenlaute „-si-“ im <strong>Estnischen</strong> sowie „-i-“ <strong>und</strong> „-si-“ im <strong>Finnischen</strong><br />

die Kennzeichen dieser Zeit sind.<br />

Drittens die Bildung <strong>des</strong> Partizips (gegangen, gekommen usw.), die zum<br />

Teil auch unregelmässig ist <strong>und</strong> zudem im <strong>Estnischen</strong> auch hier doppelt<br />

vorkommt.<br />

Wer sich davon nicht abschrecken lässt <strong>und</strong> es sich zutraut, tiefer in diese<br />

Welt einzusteigen, kommt nicht darum herum, sich diese drei<br />

176


Schlüsselstellen bei jedem einzelnen Verb einzuprägen, aber wer das<br />

schafft, kann den Rest leicht konjugieren, weil fast alle Verben von der<br />

ersten Person Einzahl ausgehend gebildet werden.<br />

Als Beispiele dienen diese dreissig häufig vorkommenden Verben, die<br />

jede einzelne der „Verbgruppen“ vertreten <strong>und</strong> zudem leichter zu<br />

„handhaben“ sind als viele andere, die ebenfalls viel verwendet werden:<br />

Estnisch:<br />

Finnisch:<br />

antworten vastama, vastata vastata<br />

bekommen saama, saada saada<br />

bezahlen maksma, maksta maksaa<br />

bringen tooma, tooda tuoda<br />

danken tänama, tänada kiittää<br />

essen sööma, süüa syödä, syömä *<br />

fahren sõitma, sõita ajaa<br />

fragen küsima, küsida kysyä<br />

geben andma, anda antaa<br />

gehen minema, minna mennä<br />

glauben uskuma, uskuda uskoa<br />

hören kuulama, kuulata kuulaa<br />

kaufen ostma, osta ostaa<br />

kennen t<strong>und</strong>ma, t<strong>und</strong>a tuntea<br />

kommen tulema, tulla tulla<br />

leben elama, elada elää<br />

lesen lugema, lugeda lukea<br />

lieben armastama, armastada rakastaa<br />

machen tegema, teha tehdä<br />

nehmen võtma, võtta ottaa<br />

sagen ütlema, ütelda sanoa<br />

177


schlafen magama, magada nukkua<br />

schreiben kirjutama, kirjutada kirjoittaa<br />

sehen nägema, näha nähdä<br />

sprechen rääkima, rääkida puhua<br />

trinken jooma, juua juoda<br />

verkaufen müüma, müüa myydä<br />

warten ootama, oodata odottaa<br />

wissen teadma, teada tietää<br />

zeigen nähtama, nähtata näyttää<br />

* Zur Erinnerung: Während „syödä“ fast nur in der Schriftsprache<br />

verwendet wird, ist „syomä“ vor allem in den Alltagsgesprächen zu hören.<br />

Auf das Verb „verstehen“ verzichte ich bewusst, weil dieses im estnischen<br />

„aru saama/saada“ bereits enthalten ist. Genau übersetzt heisst es<br />

„Verstand bekommen“, während es im <strong>Finnischen</strong> „ymmärrä“ heisst.<br />

Weitere Verben berücksichtige ich nicht, weil 30 bereits eine stattliche<br />

Anzahl sind <strong>und</strong> ich irgendwo eine Grenze setzen muss.<br />

Präsens<br />

D: ich antworte, du antwortest usw.<br />

E: mina vastan, sina vastad, tema vastab, meie vastame, teie vastate,<br />

nemad vastavad<br />

F: minä vastan, sinä vastat, hän vastaa, me vastamme, te vastatte,<br />

he vastavat -<br />

D: ich bekomme, du bekommst usw.<br />

E: mina saan, sina saad, tema saab, meie saame, teie saate,<br />

nemad saavad<br />

F: minä saan, sinä saat, hän saa, me saamme, te saatte, he saavat -<br />

178


D: ich bezahle, du bezahlst usw.<br />

E: mina maksan, sina maksad, tema maksab, meie maksame,<br />

teie maksate, nemad maksavad<br />

F: minä maksan, sinä maksat, hän maksaa, me maksamme,<br />

te maksatte, he maksavat -<br />

D: ich bringe, du bringst usw.<br />

E: mina toon, sina tood, tema toob, meie toome, teie toote, nemad toovad<br />

F: minä tuon, sinä tuot, hän tuo, me tuomme, te tuotte, he tuovat -<br />

D: ich danke, du dankst usw.<br />

E: mina tänan, sina tänad, tema tänab, meie täname, teie tänate,<br />

nemad tänavad<br />

F: minä kiitän, sinä kiität, hän kiittää, me kiitämme, te kiitätte, he kiittävät -<br />

D: ich esse, du isst usw.<br />

E: mina söön, sina sööd, tema sööb, meie sööme, teie sööte,<br />

nemad söövad<br />

F: minä syön, sinä syöt, hän syöö, me syömme, te syötte, he syövät -<br />

D: ich fahre, du fährst usw.<br />

E: mina sõidan, sina sõidad, tema sõidab, meie sõidame, teie sõidate,<br />

nemad sõidavad<br />

F: minä ajan, sinä ajat, hän ajaa, me ajamme, te ajatte, je ajavat -<br />

D: ich frage, du fragst usw.<br />

E: mina küsin, sina küsid, tema küsib, meie küsime, teie küsite,<br />

nemad küsivad<br />

F: minä kysyn, sinä kysyt, hän kysyy, me kysymme, te kysytte,<br />

he kysyvät -<br />

179


D: ich gebe, du gibst usw.<br />

E: mina annan, sina annad, tema annab, meie anname, teie annate,<br />

nemad annavad<br />

F: minä annan, sinä annat, hän annaa, me annamme, te annatte,<br />

he annavat -<br />

D: ich gehe, du gehst usw.<br />

E: mina lähen, sina lähed, tema läheb, meie läheme, teie lähete,<br />

nemad lähevad *<br />

F: minä menen, sinä menet, hän menee, me menemme, te menette,<br />

he menevät -<br />

D: ich glaube, du glaubst usw.<br />

E: mina usun, sina usud, tema usub, meie usume, teie usute,<br />

nemad usuvad<br />

F: minä uskon, sinä uskot, hän uskoo, me uskomme, te uskotte,<br />

he uskovat -<br />

D: ich höre, du hörst usw.<br />

E: mina kuulan, sina kuulad, tema kuulab, meie kuulame, teie kuulate,<br />

nemad kuulavad<br />

F: minä kuulen, sinä kuulet, hän kuuluu, me kuulemme, te kuulette,<br />

he kuulevat -<br />

D: ich kaufe, du kaufst usw.<br />

E: mina ostan, sina ostad, tema ostab, meie ostame, teie ostate,<br />

nemad ostavad<br />

F: minä ostan, sinä ostat, hän ostaa, me ostamme, te ostatte,<br />

he ostavat -<br />

180


D: ich kenne, du kennst usw.<br />

E: mina tunnen, sina tunned, tema tunneb, meie tunneme, teie tunnete,<br />

nemad tunnevad<br />

F: minä tunnen, sinä tunnet, hän tunnee, me tunnemme, te tunnette,<br />

he tunnevat -<br />

D: ich komme, du kommst usw.<br />

E: mina tulen, sina tuled, tema tuleb, meie tuleme, teie tulete,<br />

nemad tulevad<br />

F: minä tulen, sinä tulet, hän tulee, me tulemme, te tulette, he tulevat -<br />

D: ich lebe, du lebst usw.<br />

E: mina elan, sina elad, tema elab, meie elame, teie elate, nemad elavad<br />

F: minä elän, sinä elät, hän elää, me elämme, te elätte, he elävät -<br />

D: ich lese, du liest usw.<br />

E: mina loen, sina loed, tema loeb, meie loeme, teie loete, nemad loevad<br />

F: minä luen, sinä luet, hän lukee, me luemme, te luette, he lukevat -<br />

D: ich liebe, du liebst usw.<br />

E: mina armastan, sina armastad, tema armastab, meie armastame,<br />

teie armastate, nemad armastavad<br />

F: minä rakastan, sinä rakastat, hän rakastaa, me rakastamme,<br />

te rakastatte, he rakasavat -<br />

D: ich mache, du machst usw.<br />

E: mina teen, sina teed, tema teeb, meie teeme, teie teete, nemad teevad<br />

F: minä teen, sinä teet, hän tekee, me teemme, te teette, he tekevät -<br />

D: ich nehme, du nimmst usw.<br />

E: mina võtan, sina võtad, tema võtab, meie võtame, teie võtate,<br />

nemad võtavad<br />

F: minä otan, sinä otat, hän ottaa, me otamme, te otatte, he ottavat -<br />

181


D: ich sage, du sagst usw.<br />

E: mina ütlen, sina ütled, tema ütleb, meie ütleme, teie ütlete,<br />

nemad ütlevad<br />

F: minä sanon, sinä sanot, hän sanoo, me sanomme, te sanotte,<br />

he sanovat -<br />

D: ich schlafe, du schläfst usw.<br />

E: mina magan, sina magad, tema magab, meie magame, teie magate,<br />

nemad magavad<br />

F: minä nukun, sinä nukut, hän nukkuu, me nukumme, te nukutte,<br />

he nukkuvat -<br />

D: ich schreibe, du schreibst usw.<br />

E: mina kirjutan, sina kirjutad, tema kirjutab, meie kirjutame, teie kirjutate,<br />

nemad kirjutavad<br />

F: minä kirjoitan, sinä kirjoitat, hän kirjoittaa, me kirjoitamme, te kirjoitatte,<br />

he kirjoittavat -<br />

D: ich sehe, du siehst usw.<br />

E: mina näen, sina näed, tema näeb, meie näeme, teie näete,<br />

nemad näevad<br />

F: minä näen, sinä näet, hän näkee, me näemme, te näette, he näkevät -<br />

D: ich spreche, du sprichst usw.<br />

E: mina räägin, sina räägid, tema räägib, meie räägime, teie räägite,<br />

nemad räägivad<br />

F: minä puhun, sinä puhut, hän puhuu, me puhumme, te puhutte,<br />

te puhuvat -<br />

D: ich trinke, du trinkst usw.<br />

E: mina joon, sina jood, tema joob, meie joome, teie joote, nemad joovad<br />

F: minä juon, sinä juot, hän juo, me juomme, te juotte, he juovat -<br />

182


D: ich verkaufe, du verkaufst usw.<br />

E: mina müün, sina müüd, tema müüb, meie müüme, teie müüte,<br />

nemad müüvad<br />

F: minä myyn, sinä myyt, hän myy, me myymme, te myytte, he myyvät -<br />

D: ich warte, du wartest usw.<br />

E: mina ootan, sina ootad, tema ootab, meie ootame, teie oodate,<br />

nemad ootavad<br />

F: minä odotan, sinä odotat, hän odottaa, me odotamme, te odotatte,<br />

he odottavat -<br />

D: ich weiss, du weisst usw.<br />

E: mina tean, sina tead, tema teab, meie teame, teie teate, nemad teavad<br />

F: minä tiedän, sinä tiedät, hän tietää, me tiedämme, te tiedätte,<br />

he tietävät -<br />

D: ich zeige, du zeigst usw.<br />

E: mina näitan, sina näitad, tema näitab, meie näitame, teie näitate,<br />

nemad näitavad<br />

F: minä näytän, sinä näytät, hän näyttää, me näytämme, te näytätte,<br />

he näyttävät<br />

* Tatsächlich gibt es im <strong>Estnischen</strong> für „minema“ <strong>und</strong> „minna“ keine eigene<br />

Konjugation, aber in den Befehlssätzen taucht sie wie oben erwähnt doch<br />

wieder auf:<br />

Geh! = Mine!<br />

Geht! = Minge!<br />

Es fällt auf, dass die Konjugationen sich in den beiden Sprachen dort, wo<br />

die Verben gleich sind, nicht stark voneinander unterscheiden.<br />

Die entscheidenden Unterschiede, die vom Infinitiv-Stamm abgeleitet<br />

werden, sind diese:<br />

183


Erste Person Einzahl: beide identisch mit Endungs-n<br />

Zweite Person Einzahl: -d (E), -t (F)<br />

Dritte Person Einzahl: -b (E), -aa/-ee/-oo/-öö/-uu (F)<br />

Erste Person Mehrzahl: -me (E), -mme (F)<br />

Zweite Person Mehrzahl: -te (E), -tte (F)<br />

Dritte Person Mehrzahl: -vad (E), -vat/-vät (F)<br />

Wie ich es oben beim Präsens <strong>des</strong> Verbs „olla“ (sein) schon geschrieben<br />

habe, wird im <strong>Estnischen</strong> in der Mehrzahl das „t“ wie „tt“ <strong>und</strong> oft auch das<br />

„m“ wie „mm“ ausgesprochen.<br />

Die grösste Schwierigkeit bietet im <strong>Finnischen</strong> die Bildung der dritten<br />

Person Einzahl, weil diese oft unregelmässig verläuft <strong>und</strong> einen<br />

Stufenwechsel aufweist, <strong>und</strong> von dieser wird auch die dritte Person<br />

Mehrzahl gebildet:<br />

ich mache = minä teen, er macht = hän tekee, sie machen = he tekevät<br />

ich sehe = minä näen, er sieht = hän näkee, sie sehen = he näkevät<br />

usw.<br />

Es gibt für die Bildung der unregelmässigen Formen keine bestimmten<br />

Regeln. Um richtig in die estnische <strong>und</strong> finnische Verbenwelt einsteigen<br />

zu können, ist also auch hier wieder braves Pauken angesagt. Im<br />

Vergleich zum Imperfekt, das gleich folgen wird, ist jedoch das Präsens<br />

direkt noch leicht zu bilden.<br />

184


Imperfekt<br />

Diese Zeit unterscheidet sich vom Präsens wie oben erwähnt vor allem<br />

dadurch, dass in beiden Sprachen eine Lautverschiebung von „e“ zu „si“<br />

im <strong>Estnischen</strong> sowie zu „i“ oder „si“ im <strong>Finnischen</strong> stattfindet, aber es<br />

kommen noch ein paar Kleinigkeiten dazu, wie wir gleich sehen werden:<br />

D: ich antwortete, du antwortetest<br />

E: mina vastasin, sina vastasid, tema vastis, meie vastasime,<br />

teie vastasite, nemad vastasid<br />

F: minä vastasin, sinä vastasit, hän vastasi, me vastasimme, te vastasitte,<br />

he vastasivat -<br />

D: ich bekam, du bekamst usw.<br />

E: mina sain, sina said, tema sai, meie saime, teie saite, nemad said<br />

F: minä sain, sinä sait, hän sai, me saimme, te saitte, he saivat -<br />

D: ich bezahlte, du bezahltest usw.<br />

E: mina maksin, sina maksid, tema maksis, meie maksime, teie maksite,<br />

nemad maksid<br />

F: minä maksoin, sinä maksoit, hän maksoi, me maksoimme, te maksoitte,<br />

he maksoivat -<br />

D: ich brachte, du brachtest usw.<br />

E: mina tõin, sina tõid, tema tõi, meie tõime, teie tõite, nemad tõid<br />

F: minä toin, sinä toit, hän toi, me toimme, te toitte, he toivat -<br />

D: ich dankte, du danktest usw.<br />

E: mina tänasin, sina tänasid, tema tänas, meie tänasime, teie tänasite,<br />

nemad tänasid<br />

F: minä kiitin, sinä kiitit, hän kiitti, me kiitimme, te kiititte, he kiittivät -<br />

185


D: ich ass, du assest usw.<br />

E: mina söösin, sina söösid, tema söösis, meie söösime, teie söösite,<br />

nemad söösid<br />

F: minä söin, sinä söit, hän söi, me söimme, te söitte, he söivät -<br />

D: ich fuhr, du fuhrst usw.<br />

E: mina sõitsin, sina sõitsid, tema sõitis, meie sõitsime, teie sõitsite,<br />

nemad sõitsid<br />

F: minä ajoin, sinä ajoit, hän ajoi, me ajoimme, te ajoitte, he ajoivat -<br />

D: ich fragte, du fragtest usw.<br />

E: mina küsisin, sina küsisid, tema küsis, meie küsisime, teie küsisite,<br />

nemad küsisid<br />

F: minä kysyin, sinä kysyit, hän kysyi, me kysyimme, te kysyitte,<br />

he kysyivat -<br />

D: ich gab, du gabst usw.<br />

E: mina andsin, sina andsid, tema andis, meie andsime, teie andsite,<br />

nemad andsid<br />

F: minä annoi, sinä annoit, hän annoi, me annoimme, te annoitte,<br />

he annoivat -<br />

D: ich ging, du gingest usw.<br />

E: mina läksin, sina läksid, tema läks, me läksime, te läksite, nemad läksid<br />

F: minä menin, sinä menit, hän meni, me menimme, te menitte,<br />

he menivät -<br />

D: ich glaubte, du glaubtest usw.<br />

E: mina uskusin, sina uskusid, tema uskus, meie uskusime, teie uskusite,<br />

nemad uskusid<br />

F: minä uskoin, sinä uskoit, hän uskoi, me uskoimme, te uskoitte,<br />

he uskoivat -<br />

186


D: ich hörte, du hörtest usw.<br />

E: mina kuulasin, sina kuulasid, tema kuulasis, meie kuulasime,<br />

teie kuulasite, nemad kuulasid<br />

F: minä kuulin, sinä kuulit, hän kuuli, me kuulimme, te kuulitte,<br />

he kuulivat -<br />

D: ich kaufte, du kauftest usw.<br />

E: mina ostsin, sina ostsid, tema ostis, meie ostsime, teie ostsite,<br />

nemad ostsid<br />

F: minä ostin, sinä ostit, hän osti, me ostimme, te ostitte, he ostivat -<br />

D: ich kannte, du kanntest usw.<br />

E: mina t<strong>und</strong>sin, sina t<strong>und</strong>sid, tema t<strong>und</strong>is, meie t<strong>und</strong>sime, teie t<strong>und</strong>site,<br />

nemad t<strong>und</strong>sid<br />

F: minä tiesin, sinä tiesit, hän tiesi, me tiesimme, te tiesitte, he tiesivät * -<br />

D: ich kam, du kamst usw.<br />

E: mina tulin, sina tulid, tema tulis, meie tulime, teie tulite, nemad tulid<br />

F: minä tulin, sinä tulit, hän tuli, me tulimme, te tulitte, he tulivat -<br />

D: ich lebte, du lebtest usw.<br />

E: mina elasin, sina elasid, tema elas, meie elasime, teie elasite,<br />

nemad elasid<br />

F: minä elin, sinä elit, hän eli, me elimme, te elitte, he elivät -<br />

D: ich las, du lasest usw.<br />

E: mina loen, sina loed, tema luges, meie loeme, teie loete,<br />

nemad loevad **<br />

F: minä luen, sinä luet, hän luki, me luimme, te luitte, he lukivat -<br />

187


D: ich liebte, du liebtest usw.<br />

E: mina armastasin, sina armastasid, tema armastas, meie armastasime,<br />

teie armastasite, nemad armastasid<br />

F: minä rakastin, sinä rakastit, hän rakasti, me rakastimme, te rakastitte,<br />

he rakastivat -<br />

D: ich machte, du machtest usw.<br />

E: mina tegin, sina tegid, tema tegis, me tegime, te tegite, nemad tegid<br />

F: minä tein, sinä teit, hän teki, me teimme, te teitte, he tekivät -<br />

D: ich nahm, du nahmst usw.<br />

E: mina võtsin, sina võtsid, tema võttis, meie võtsime, teie võtsite,<br />

nemad võtsid<br />

F: minä otin, sinä otit, hän otti, me otimme, te otitte, he ottivat -<br />

D: ich sagte, du sagtest usw.<br />

E: mina ütlesin, sina ütlesid, tema ütles, meie ütlesime, teie ütlesite,<br />

nemad ütlesid<br />

F: minä sanoin, sinä sanoit, hän sanoi, me sanoimme, te sanoitte,<br />

he sanoivat -<br />

D: ich schlief, du schliefst usw.<br />

E: mina magasin, sina magasid, tema magas, meie magasime,<br />

teie magasite, nemad magasid<br />

F: minä nukuin, sinä nukuit, hän nukkui, me nukuimme, te nukuitte,<br />

he nukkuivat -<br />

D: ich schrieb, du schriebest usw.<br />

E: mina kirjutasin, sina kirjutasid, tema kirjutas, meie kirjutasime,<br />

teie kirjutasite, nemad kirjutasid<br />

F: minä kirjoitin, sinä kirjoitit, hän kirjoitti, me kirjoitamme, te kirjoitatte,<br />

he kirjoittavat -<br />

188


D: ich sah, du sahst usw.<br />

E: mina nägin, sina nägid, tema nägis, meie nägime, teie nägite,<br />

nemad nägid -<br />

F: minä näin, sinä näit, hän näki, me näimme, te näitte, he näkivät -<br />

D: ich sprach, du sprachst usw.<br />

E: mina räägisin, sina räägisid, tema räägis, meie räägisime, teie räägisite,<br />

nemad räägisid<br />

F: minä puhuin, sinä puhuit, hän puhui, me puhuimme, te puhuitte,<br />

he puhuivat -<br />

D: ich trank, du trankest usw.<br />

E: mina jõin, sina jõid, tema jõi, meie jõime, teie jõite, nemad nõid<br />

F: minä join, sinä joit, hän joi, me joimme, te joitte, he joivat -<br />

D: ich verkaufte, du verkauftest usw.<br />

E: mina müüsin, sina müüsid, tema müüs, meie müüsime, teie müüsite,<br />

nemad müüsid<br />

F: minä myin, sinä myit, hän myi, me myimme, te myitte, he myivät -<br />

D: ich wartete, du wartetest usw.<br />

E: mina ootasin, sina ootasid, tema ootas, meie ootasime, teie ootasite,<br />

nemad ootasid<br />

F: minä odotin, sinä odotit, hän odotti, me odotimme, te odotitte,<br />

he odottivat -<br />

D: ich wusste, du wusstest usw.<br />

E: mina teaksin, sina teaksid, tema teadis, meie teaksime, teie teaksite,<br />

nemad teaksid<br />

F: minä tiesin, sinä tiesit, hän tiesi, me tiesimme, te tiesitte, he tiesivät * -<br />

189


D: ich zeigte, du zeigtest usw.<br />

E: mina näitasin, sina näitasid, tema näitas, meie näitasime, teie näitasite,<br />

nemad näitasid<br />

F: minä näytin, sinä näytit, hän näyti, me näytimme, te näytitte,<br />

he näyttivät<br />

* Im <strong>Finnischen</strong> sind die Imperfekt-Konjugationen von „tuntea“ (kennen)<br />

<strong>und</strong> „tietää“ (wissen) identisch.<br />

** Das Verb „lugema/lugeda“ (lesen) ist das einzige estnische Verb, in dem<br />

die Imperfekt-Formen für die zweite Person Einzahl <strong>und</strong> die dritte Person<br />

Mehrzahl nicht identisch sind:<br />

du lasest = sina loed, sie lasen = nemad loevad<br />

Allerdings wird in der Umgangssprache auch bei diesem Verb für die dritte<br />

Person Mehrzahl fast nur „loed“ verwendet.<br />

Das Schlüsselwort ist im Imperfekt genauso wie im Präsens wie oben<br />

erwähnt die erste Person Einzahl, von der aus mit Ausnahme der dritten<br />

Person Einzahl alle anderen Verbformen gebildet werden, aber auch die<br />

Ausnahme endet immer auf einem „s“. Im <strong>Finnischen</strong> wird die dritte<br />

Person Einzahl, von der die dritte Person Mehrzahl ausgeht, ebenfalls<br />

unregelmässig gebildet:<br />

ich machte = minä tein, er machte = hän teki, sie machten = he tekivät<br />

ich sah = minä näin, er sah = hän näki, sie sahen = he näkivät<br />

usw.<br />

190


Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv Präsens<br />

Die dritte Zeit, die keine zusammengesetzte ist wie das Perfekt oder das<br />

Plusquamperfekt, wird auch hier von der ersten Person Einzahl gebildet.<br />

Dabei entsteht diese im <strong>Estnischen</strong> wiederum von der ersten Person<br />

Einzahl im Imperfekt, indem die Endung „-sin“ durch „-ksin“ ersetzt, also<br />

genauso wie beim Verb „olla“ noch ein „k“ dazwischengeschoben wird.<br />

Zudem endet je<strong>des</strong> Verb in der dritten Person Einzahl auf „-ks“, während<br />

die zweite Person Einzahl <strong>und</strong> die dritte Person Mehrzahl auch hier<br />

identisch sind. Dagegen wird im <strong>Finnischen</strong> die Endung „-in“ der ersten<br />

Person Einzahl durch „-isin“ ersetzt; ansonsten bleibt alles gleich, also ist<br />

das Finnische zumin<strong>des</strong>t in dieser Zeit rein formal leichter als das<br />

Estnische:<br />

D: ich würde antworten, du wür<strong>des</strong>t antworten usw.<br />

E: mina vastaksin, sina vastaksid, tema vastaks, meie vastaksime,<br />

teie vastaksite, nemad vastaksid<br />

F: minä vastaisin, sinä vastaisit, hän vastaisi, me vastaisimme,<br />

te vastaisitte, he vastaisivat -<br />

D: ich würde bekommen, du wür<strong>des</strong>t bekommen usw.<br />

E: mina saaksin, sina saaksid, tema saaks, meie saaksime, teie saaksite,<br />

nemad saaksid<br />

F: minä saisin, sinä saisit, hän saisi, me saisimme, te saisitte,<br />

he saisivat -<br />

D: ich würde bezahlen, du wür<strong>des</strong>t bezahlen usw.<br />

E: mina maksaksin, sina maksaksid, tema maksaks, meie maksaksime,<br />

teie maksaksite, nemad maksaksid<br />

F: minä maksaisin, sinä maksaisit, hän maksaisi, me maksaisimme,<br />

te makaisitte, he maksaisivat -<br />

191


D: ich würde bringen, du wür<strong>des</strong>t bringen usw.<br />

E: mina tooksin, sina tooksid, tema tooks, meie tooksime, teie tooksite,<br />

nemad tooksid<br />

F: minä toisin, sinä toisit, hän toisi, me toisimme, te toisitte, he toisivat -<br />

D: ich würde danken, du wür<strong>des</strong>t danken usw.<br />

E: mina tänaksin, sina tänaksid, tema tänaks, meie tänaksime,<br />

teie tänaksite, nemad tänaksid<br />

F: minä kiitäisin, sinä kiitäisit, hän kiittäisi, me kiitäisimme, te kiitäisitte,<br />

he kiittäisivät -<br />

D: ich würde essen, du wür<strong>des</strong>t essen usw.<br />

E: mina sööksin, sina sööksid, tema sööks, meie sööksime, teie sööksite,<br />

nemad sööksid<br />

F: minä söisin, sinä söisit, hän söisi, me söisimme, te söisitte,<br />

he söisivät -<br />

D: ich würde fahren, du wür<strong>des</strong>t fahren usw.<br />

E: mina sõidaksin, sina sõidaksid, tema sõidaks, meie sõidaksime,<br />

teie sõidaksite, nemad sõidaksid<br />

F: minä ajaisin, sinä ajaisit, hän ajaisi, me ajaisimme, te ajaisitte,<br />

he ajaisivat -<br />

D: ich würde fragen, du wür<strong>des</strong>t fragen usw.<br />

E: mina küsiksin, sina küsiksid, tema küsiks, meie küsiksime,<br />

teie küsiksite, nemad küsiksid<br />

F: minä kysyisin, sinä kysyisit, hän kysyisi, me kysyisimme, te kysyisitte,<br />

he kysyisivät -<br />

192


D: ich würde geben, du wür<strong>des</strong>t geben usw.<br />

E: mina annaksin, sina annaksid, tema annaks, meie annaksime,<br />

teie annaksite, nemad annaksid<br />

F: minä antaisin, sinä antaisit, hän antaisi, me antaisimme, te antaisitte,<br />

he antaisivat -<br />

D: ich würde gehen, du wür<strong>des</strong>t gehen usw.<br />

E: mina läheksin, sina läheksid, tema läheks, meie läheksime,<br />

teie läheksite, nemad läheksid<br />

F: minä menisin, sinä menisit, hän menisi, me menisimme, te menisitte,<br />

he menisivät -<br />

D: ich würde glauben, du wür<strong>des</strong>t glauben usw.<br />

E: mina usuksin, sina usuksid, tema usuks, meie usuksime, teie usuksite,<br />

nemad usuksid<br />

F: minä uskoisin, sinä uskoisit, hän uskoisi, me uskoisimme, te uskoisitte,<br />

he uskoisivat -<br />

D: ich würde hören, du wür<strong>des</strong>t hören usw.<br />

E: mina kuuleksin, sina kuuleksid, tema kuuleks, meie kuuleksime,<br />

teie kuuleksite, nemad kuuleksid<br />

F: minä kuulisin, sinä kuulisit, hän kuulisi, me kuulisimme, te kuulisitte,<br />

he kuulisivat -<br />

D: ich würde kaufen, du wür<strong>des</strong>t kaufen usw.<br />

E: mina ostaksin, sina ostaksid, tema ostaks, meie ostaksime,<br />

teie ostaksite, nemad ostaksid<br />

F: minä ostaisin, sinä ostaisit, hän ostaisi, me ostaisimme, te ostaisitte,<br />

he ostaisivat -<br />

193


D: ich würde kennen, du wür<strong>des</strong>t kennen usw.<br />

E: mina teaksin, sina teaksid, tema teaks, meie teaksime, teie teaksite,<br />

nemad teaksid *<br />

F: minä tietäisin, sinä tietäisit, hän tietäisi, me tietäisimme, te tietäisitte,<br />

he tietäisivät * -<br />

D: ich würde kommen, du wür<strong>des</strong>t kommen usw.<br />

E: mina tuleksin, sina tuleksid, tema tuleks, meie tuleksime, teie tuleksite,<br />

nemad tuleksid<br />

F: minä tulisin, sinä tulisit, hän tulisi, me tulisimme, te tulisitte,<br />

he tulisivat -<br />

D: ich würde leben, du wür<strong>des</strong>t leben usw.<br />

E: mina elaksin, sina elaksid, tema elaks, meie elaksime, teie elaksite,<br />

nemad elaksid<br />

F: minä eläisin, sinä eläisit, hän eläisi, me eläisimme, te eläisitte,<br />

he eläisivät -<br />

D: ich würde lesen, du wür<strong>des</strong>t lesen usw.<br />

E: mina loeksin, sina loeksid, tema loeks, meie loeksime, teie loeksite,<br />

nemad loeksid<br />

F: minä luesin, sinä luesit, hän lukisi, me luesimme, te luesitte,<br />

he lukisivat -<br />

D: ich würde lieben, du wür<strong>des</strong>t lieben usw.<br />

E: mina armastaksin, sina armastaksid, tema armastaks,<br />

meie armastaksime, teie armastaksite, nemad armastaksid<br />

F: minä rakastaisin, sinä rakastaisit, hän rakastaisi, me rakastaisimme,<br />

te rakastaisitte, he rakastaisivat -<br />

194


D: ich würde machen, du wür<strong>des</strong>t machen usw.<br />

E: mina teksin, sina teksid, tema teks, meie teksime, teie teksite,<br />

nemad teksid<br />

F: minä tekisin, sinä tekisit, hän tekisi, me tekisimme, te tekisitte,<br />

he tekisivät -<br />

D: ich würde nehmen, du wür<strong>des</strong>t nehmen usw.<br />

E: mina võtaksin, sina võtaksid, tema võtaks, meie võtaksime,<br />

teie võtaksite, nemad võtaksid<br />

F: minä ottaisin, sinä ottaisit, hän ottaisi, me ottaisimme, te ottaisitte,<br />

he ottaisivat -<br />

D: ich würde sagen, du wür<strong>des</strong>t sagen usw.<br />

E: mina ütleksin, sina ütleksid, tema ütleks, meie ütleksime, teie ütleksite,<br />

nemad ütleksid<br />

F: minä sanoisin, sinä sanoisit, hän sanoisi, me sanoisimme, te sanoisitte,<br />

he sanoisivat -<br />

D: ich würde schlafen, du wür<strong>des</strong>t schlafen usw.<br />

E: mina magaksin, sina magaksid, tema magaks, meie magaksime,<br />

teie magaksite, nemad magaksid<br />

F: minä nukkuisin, sinä nukkuisit, hän nukkuisi, me nukkuisimme,<br />

te nukkuisitte, he nukkuisivat -<br />

D: ich würde schreiben, du wür<strong>des</strong>t schreiben usw.<br />

E: mina kirjutaksin, sina kirjutaksid, tema kirjutaks, meie kirjutaksime,<br />

teie kirjutaksite, nemad kirjutaksid<br />

F: minä kirjoittaisin, sinä kirjoittaisit, hän kirjoittaisi, me kirjoittaisimme,<br />

te kirjoittaisitte, he kirjoittaisivat -<br />

195


D: ich würde sehen, du wür<strong>des</strong>t sehen usw.<br />

E: mina näeksin, sina näeksid, tema näeks, meie näeksime, teie näeksite,<br />

nemad näeksid<br />

F: minä näkisin, sinä näkisit, hän näkisi, me näkisimme, te näkisitte,<br />

he näkisivät -<br />

D: ich würde sprechen, du wür<strong>des</strong>t sprechen usw.<br />

E: mina räägiksin, sina räägiksid, tema räägiks, meie räägiksime,<br />

teie räägiksite, nemad räägiksid<br />

F: minä puhuisin, sinä puhuisit, hän puhuisi, me puhuisimme, te puhuisitte,<br />

he puhuisivat -<br />

D: ich würde trinken, du wür<strong>des</strong>t trinken usw.<br />

E: mina jooksin, sina jooksid, tema jooks, meie jooksime, teie jooksite,<br />

nemad jooksid<br />

F: minä juoisin, sinä juoisit, hän juoisi, me juoisimme, te juoisitte,<br />

he juoisivat -<br />

D: ich würde verkaufen, du wür<strong>des</strong>t verkaufen usw.<br />

E: mina müüksin, sina müüksid, tema müüks, meie müüksime,<br />

teie müüksite, nemad müüksid<br />

F: minä myyisin, sinä myyisit, hän myyisi, me myyisimme, te myyisitte,<br />

he myyisivät -<br />

D: ich würde warten, du wür<strong>des</strong>t warten usw.<br />

E: mina ootaksin, sina ootaksid, tema ootaks, meie ootaksime,<br />

teie ootaksite, nemad ootaksid<br />

F: minä odottaisin, sinä odottaisit, hän odottaisi, me odottaisimme,<br />

te odottaisitte, he odottaisivat -<br />

196


D: ich würde wissen, du wür<strong>des</strong>t wissen usw.<br />

E: mina teaksin, sina teaksid, tema teaks, meie teaksime, teie teaksite,<br />

nemad teaksid *<br />

F: minä tietäisin, sinä tietäisit, hän tietäisi, me tietäisimme, te tietäisitte,<br />

he tietäisivät * -<br />

D: ich würde zeigen, du wür<strong>des</strong>t zeigen usw.<br />

E: mina näitaksin, sina näitaksid, tema näitaks, meie näitaksime,<br />

teie näitaksite, nemad näitaksid<br />

F: minä näyttäisin, sinä näyttäisit, hän näyttäisi, me näyttäisimme,<br />

te näyttäisitte, he näyttäisivät<br />

* Im Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv sind die Konjugationen von „kennen“ <strong>und</strong><br />

„wissen“ in beiden Sprachen identisch.<br />

Noch zwei Beispiele im Konjunktiv, der formal mit dem Konditional<br />

identisch ist:<br />

D: wenn ich essen würde, wenn ich ässe<br />

E: kui mina sööksin<br />

F: jos minä söisin<br />

D: wenn ich trinken würde, wenn ich tränke<br />

E: kui mina jooksin<br />

F. jos minä juoisin<br />

Im Vergleich zu vielen anderen Sprachen sind Estnisch <strong>und</strong> Finnisch also<br />

nicht schwerer zu erlernen, wenn diese paar Gr<strong>und</strong>regeln mit den<br />

Lautverschiebungen bei der ersten <strong>und</strong> dritten Person Einzahl genau<br />

beachtet werden.<br />

197


Die zusammengesetzten Zeiten<br />

Die drei zusammengesetzten Zeiten (Perfekt, Plusquamperfekt <strong>und</strong><br />

Konditional/Konjunktiv Perfekt) können von den Partizipien (oder<br />

Mittelwörtern) der Vergangenheit ausgehend leicht gebildet werden. Die<br />

Partizipien der dreissig häufig vorkommenden Verben, die ich in diesem<br />

Buch näher vorstelle, sehen so aus:<br />

geantwortet - vastanud/vastatud (E) - vastanut/vastaneet (F)<br />

bekommen - saanud/saadud (E) - saanut/saaneet (F)<br />

bezahlt - maksanud/maksadud (E) - maksanut/maksaneet (F)<br />

gebracht - toonud/toodud (E) - tuonut/tuoneet (F)<br />

gedankt - tänanud/tänadud (E) - kiittänyt/kiittäneet (F)<br />

gegessen - söönud/söödud (E) - syönyt/syöneet (F) *<br />

gefahren - sõitnud/sõitud (E) - ajanut/ajaneet (F)<br />

gefragt - küsinud/küsitud (E) - kysynyt/kysyneet (F)<br />

gegeben - annud/andnud (E) - antanut/antaneet (F)<br />

gegangen - minnud/mindud (E) - mennyt/menneet (F)<br />

geglaubt - uskunud/uskudud (E) - uskonut/uskoneet (F)<br />

gehört - kuulnud/kuuldud (E) - kuullut/kuulleet (F)<br />

gekauft - ostnud/ostetud (E) - ostanut/ostaneet (F)<br />

gekannt - tunnud/tuntud (E) - tunnut/tunneet (F)<br />

gekommen - tulnud/tuldud (E) - tullut/tulleet (F)<br />

gelebt - elnud/eldud (E) - elänyt/eläneet (F)<br />

gelesen - loenud/loetud (E) - lukenut/lukeneet (F)<br />

geliebt - armastanud/armastadud (E) - rakastanut/rakastaneet (F)<br />

gemacht - tehnud/tehtud (E) - tehnyt/tehneet (F)<br />

genommen - võenud/võetud (E) - ottanut/ottaneet (F)<br />

gesagt - ütelnud/üteldud (E) - sanonut/sanoneet (F)<br />

198


geschlafen - maganud/magadud (E) - nukkunut/nukkuneet (F)<br />

geschrieben - kirjutanud/kirjutadud (E) - kirjoittanut/kirjoittaneet (F)<br />

gesehen - nähnud/nähdud (E) - nähnyt/nähneet (F)<br />

gesprochen - rääginud/räägidud (E) - puhunut/puhuneet (F)<br />

getrunken - joonud/joodud (E) - juonut/juoneet (F)<br />

verkauft - müünud/müüdud (E) - myynyt/myyneet (F)<br />

gewartet - ootanud/ootadud (E) - odottanut/odottaneet (F)<br />

gewusst - teanud/teatud (E) - tehnyt/tehneet (F)<br />

gezeigt - näitanud/näitadud (E) - näyttänyt/näyttäneet (F)<br />

* In der finnischen Umgangssprache kommen auch „syömyt“ <strong>und</strong><br />

„syömeet“ vor.<br />

Obwohl es im <strong>Finnischen</strong> für die Einzahl <strong>und</strong> die Mehrzahl zwei<br />

verschiedene Varianten gibt, sind die Partizipien leichter zu bilden als im<br />

<strong>Estnischen</strong>, weil dort von zwei Infinitiven ausgegangen wird. Während die<br />

Varianten links (söönud, joonud…) mit den Verben der „ma-Infinitive“<br />

gebildet werden, geschieht das Gleiche mit denen rechts (söödud,<br />

joodud…) mit den Verben der „da-Infinitive“. In den Alltagsgesprächen<br />

kommen meistens die Partizipien der „ma-Infinitive“ vor, aber für die<br />

Formen <strong>des</strong> Impersonals - ein besonderer Modus, den es auf diese Weise<br />

nur im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> gibt -, sind die Partizipien der „da-<br />

Infinitive“ vorgeschrieben, weil das Impersonal nur mit ihnen gebildet wird;<br />

<strong>des</strong>halb ist in der Fachsprache von den „dud-Partizipien“ <strong>und</strong> den „tud-<br />

Partizipien“ die Rede. Wer es ganz genau wissen will, kommt auch hier<br />

um braves Pauken nicht herum, aber ich kann noch einmal auf die<br />

Verbenlisten der Lehrbücher hinweisen, die ich ganz unten noch<br />

empfehlen werde.<br />

Da die zusammengesetzten Zeiten immer mit dem Verb „olla“ gebildet<br />

werden <strong>und</strong> ich dieses oben schon ausführlich vorgestellt habe, genügt es<br />

hier, nur die Formen der ersten Person Einzahl <strong>und</strong> Mehrzahl aufzuführen,<br />

<strong>und</strong> zudem genügen die Varianten <strong>des</strong> Verbs „essen“. Dabei verwende<br />

ich im <strong>Estnischen</strong> nur das Partizip „söönud“, weil dieses im Zweifelsfall<br />

genauso wie die Partizipien aller anderen Verben, die von den „ma-<br />

199


Infinitiven“ gebildet werden, in den Alltagsgesprächen immer richtig ist:<br />

D: ich habe gegessen, ich hatte gegessen, ich hätte gegessen<br />

E: mina olen söönud, mina olin söönud, mina oleksin söönud<br />

F: minä olen syönyt, minä olin syönyt, minä olisin syönyt<br />

D: wir haben gegessen, wir hatten gegessen, wir hätten gegessen<br />

E: meie oleme söönud, meie olime söönud, meie oleksime söönud<br />

F: me olemme syöneet, me olimme syöneet, me olisimme syöneet<br />

Nochmals zur Erinnerung: Die Personalpronomina der beiden ersten<br />

Personen sind sowohl in der Einzahl als auch in der Mehrzahl nur bei einer<br />

besonderen Betonung notwendig, allein die beiden dritten Personen sind<br />

in beiden Sprachen immer obligatorisch.<br />

200


Die Verneinung der Verben in allen Zeiten<br />

Da ich oben auch die Verneinung <strong>des</strong> Verbs „olla“ in allen sechs<br />

vorkommenden Zeiten ausführlich vorgestellt habe, kann ich mich hier auf<br />

das Wichtigste beschränken, <strong>und</strong> auch jetzt genügen die Formen <strong>des</strong><br />

Verbs „essen“:<br />

D: ich esse nicht, ich ass nicht, ich würde nicht essen<br />

E: mina ei söö, mina ei söönud, mina ei sööksi<br />

F: (minä) en syö, (minä) en syödänyt, (minä) en söisi<br />

D: wir essen nicht, wir assen nicht, wir würden nicht essen<br />

E: meie ei söö, meie ei söönud, meie ei sööksi<br />

F: (me) emme syö, (me) emme syödäneet, (me) emme söisi<br />

D: ich habe/hatte/hätte nicht gegessen<br />

E: mina ei ole söönud, mina ei oli söönud, mina ei oleksi söönud<br />

F: (minä) en ole syödänyt, (minä) en oli syödänyt, (minä) en olisi syödänyt<br />

D: wir haben/hatten/hätten nicht gegessen<br />

E: meie ei ole söönud, meie ei oli söönud, meie ei oleksi söönud<br />

F: (me) emme ole syödäneet, (me) emme oli syödäneet, (me) emme<br />

olisi syödäneet<br />

Genauso wie bei „sein“ <strong>und</strong> „haben“ dreht sich bei der Verneinung der<br />

zusammengesetzten Zeiten alles um diese vier Universalwörter:<br />

ole (Perfekt)<br />

oli (Plusquamperfekt)<br />

oleks, olisi (Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv Perfekt)<br />

201


Wörter <strong>und</strong> Ausdrücke der Verneinung<br />

Zum Kapitel Verneinung gehören auch diese häufig vorkommenden<br />

Wörter <strong>und</strong> Ausdrücke, die mit der Verneinung zusammenhängen:<br />

Estnisch:<br />

Finnisch:<br />

gar nicht üldse mitte ei lainkaan<br />

(gar) nichts mitte midagi ei mikään, ei mitään<br />

gar keine(r) mitte keegi ei kukaan,<br />

ei mikään,<br />

ei yhtään<br />

keine(r) von ei kumbki neist ei kumpikaan heistä<br />

beiden<br />

keinesfalls, sugugi mitte ei suinkaan,<br />

keineswegs<br />

ei missään<br />

tapauksessa<br />

nicht mehr mitte rohkem ei enää,<br />

ei enempää<br />

nichts mehr mitte midagi rohkemat ei mitään muutta<br />

nie(mals) ei kunagi, mitte kunagi ei koskaan<br />

niemand ei keegi ei kukaan<br />

nie mehr mitte rohkem ei enempää<br />

noch nicht ei veel, mitte veel ei vielä<br />

noch nichts ei veel midagi ei mitään vielä<br />

auch nicht ka mitte ei kumpikaan,<br />

myöskaan (-kaan),<br />

myöskään (-kään)<br />

auch nichts ka mitte midagi ei myöskään mitään<br />

202


nirgendwo mitte kuskil ei missään<br />

nirgendwohin mitte kuskile ei missään<br />

überhaupt nicht üldse mitte ei lainkaan,<br />

ei ollenkaan<br />

überhaupt nicht mitte kunagi enam ei koskaan uu<strong>des</strong>taan<br />

mehr<br />

Ein paar Beispiele:<br />

D: Ich gehe nicht jetzt, sondern du gehst! Nein, er geht!<br />

E: Mina ei lähe nüüd, aga sina lähed! Ei, tema läheb!<br />

F: Minä en mene nyt, mutta sinä menet! Ei, hän menee!<br />

D: Nicht ich gehe jetzt, sondern du gehst! Und er geht nie!<br />

E: Ei mina lähen nüüd, aga sina lähed! Ja tema ei lähe kunagi!<br />

Ja tema kunagi ei lähe!<br />

F: Ei minä menen nyt, mutta sinä menet! Ja hän ei mene koskaan!<br />

Ja hän koskaan ei mene!<br />

Bei einer besonderen Betonung kann im <strong>Estnischen</strong> auch noch das häufig<br />

vorkommende „mitte“ dazwischengeschoben werden:<br />

D: Ich gehe (ganz sicher) nicht jetzt.<br />

E: Mina ei lähe mitte nüüd. - Oder: Mina ei lähe nüüd mitte.<br />

D: Ich liebe dich nicht mehr. Du hast mich (ja gar) nie geliebt.<br />

E: Mina ei armasta sind enam. Sina ei ole armastanud mind kunagi.<br />

F: Minä en rakasta sinua enää. Sinä et ole rakastanut minua koskaan.<br />

203


D: Ich liebe dich auch nicht.<br />

E: Mina ka mitte ei armasta sind.<br />

F: Minä en rakasta sinua myöskaan.<br />

Minä en rakasta myöskään sinua.<br />

Minä en rakasta sinuakaan.<br />

D: Ich habe hier noch nichts gesehen.<br />

E: Mina ei ole veel midagi näinud siin.<br />

F: Minä en ole vielä mitään nähnyt täällä.<br />

Genauso wie in den romanischen, slawischen <strong>und</strong> baltischen Sprachen ist<br />

es möglich, viele Wörter der Verneinung in einem einzigen Satz<br />

unterzubringen, ohne dass sich die negative Aussage verändert:<br />

D: Ich liebe dich nicht mehr, ich habe dich nie geliebt, mit dir bin ich noch<br />

nie <strong>und</strong> nirgendwo (noch nie irgendwo) glücklich gewesen.<br />

E: Mina ei armasta sind enam, mina ei ole armastanud sind kunagi, sinuga<br />

mina ei ole veel mitte kunagi ja mitte kuskil olnud õnnelik.<br />

F: Minä en rakasta sinua enää, minä en ole rakastanut sinua koskaan,<br />

kanssasi minä en ole vielä koskaan ja missään ollut onnellisia. (Partitiv)<br />

Die Deklination der häufig vorkommenden finnischen Wörter „kukaan“<br />

(niemand) <strong>und</strong> mikään (keiner, nichts) lautet in den 12 Fällen, in denen sie<br />

vorkommen, wie folgt:<br />

Einzahl: Mehrzahl: Einzahl: Mehrzahl:<br />

Nom. kukaan ketkään mikään mitkään<br />

Gen. kenenkään keidenkään minkään minkään<br />

Akk. kenenkään ketkään mikään mitkään<br />

204


Part. ketään keitään mitään (von hier an mit<br />

In. kenessäkään, keissään missään der Einzahl<br />

kessään<br />

identisch)<br />

Ill. keneenkään, keihinkään mihinkään<br />

kehenkään<br />

El. kenestäkään, keistään mistään<br />

kestään<br />

Ad. kenelläkään, keillään millään<br />

kellään<br />

All. kenellekään, keillekään millekään<br />

kellekän<br />

Abl. keneltäkään, keiltään miltään<br />

keltään<br />

Es. kenenäkään, keinään minään<br />

kenään<br />

Trl. keneksikään keiksikään miksikään<br />

Die kürzeren Varianten in der vordersten Reihe kommen mehr in der<br />

Umgangssprache vor, aber es gibt keine festen Regeln.<br />

Ein paar Beispiele:<br />

D: Jeder gute Mann hat eine gute Frau.<br />

E: Igaühel heal mehel on hea naine.<br />

F: Joka/jokaisella hyvällä miehellä on hyvä rouva/vaimo.<br />

D: Ich gebe keinem von beiden etwas.<br />

E: Mina ei anna kumbkile midagi.<br />

F: Minä en anna kummallekaan mitään. (Partitiv)<br />

205


Das Wort „etwas“ wird in verneinten Sätzen also mit „nichts“ übersetzt, wie<br />

das auch von den romanischen <strong>und</strong> slawischen Sprachen her bekannt ist:<br />

etwas/nichts = midagi (E), mitään (F)<br />

In Fragesätzen, die keine Verneinung enthalten, bekommen drei Wörter<br />

in beiden Sprachen eine gegenteilige Bedeutung:<br />

E: ei keegi, mitte keegi keegi - (irgend) jemand<br />

ei midagi, mitte midagi<br />

ei kumbki, mitte kumbki<br />

midagi - etwas<br />

kumbki - einer von beiden<br />

F: ei kukaan - niemand kukaan - (irgend) jemand<br />

ei mikään - keiner, nichts<br />

ei kumpikaan - keiner der beiden,<br />

keiner von beiden<br />

mikään - jemand, etwas<br />

kumpikaan - einer der beiden,<br />

einer von beiden<br />

D: Ist (irgend) jemand gekommen? Hast du etwas von ihr gehört?<br />

E: Kas keegi on tulnud? Kas sina oled kuulnud midagi<br />

temast?<br />

F: Onko kukaan tullut? Oletko kuullut mikään häntä?<br />

D: War einer der beiden hier?<br />

E: Kas kumbki (neist) siin?<br />

F: Oliko kumpikaan (heistä) täällä?<br />

Wie genau die Fragesätze gebildet werden, wird in Einzelheiten weiter<br />

unten in einem eigenen Kapitel behandelt.<br />

206


Die Modalverben<br />

Das sind alle Verben, die eine Erlaubnis, eine Fähigkeit, eine Verpflichtung<br />

oder einen Wunsch ausdrücken <strong>und</strong> meistens mit einem anderen Verb<br />

verb<strong>und</strong>en werden, aber auch allein stehen können:<br />

dürfen, können, müssen, sollen, wollen<br />

Im <strong>Estnischen</strong> gibt es dafür fünf Verben <strong>und</strong> im <strong>Finnischen</strong> sogar sieben,<br />

aber dadurch, dass das erstere wie oben gesehen für je<strong>des</strong> Verb zwei<br />

Infinitive kennt, die gerade in Verbindung mit den Modalverben verwendet<br />

werden, hat es in Wirklichkeit deren zehn.<br />

dürfen = tohtima/tohtida (E) - saada (F)<br />

ich darf nach Hause gehen = mina tahan koju minna (E) -<br />

minä saan mennä kotiin (F)<br />

wir dürfen nicht gehen = meie ei taha koju minna (E) -<br />

emme saa mennä kotiin (F)<br />

können = oskama/osata (E), suutma/suuta (E) - voida (F)<br />

ich kann lesen = mina oskan lugeda, mina suun lugeda (E) -<br />

minä voin lukea (F)<br />

wir können nicht lesen = meie ei osame lugeda, meie ei suume lugeda (E),<br />

emme voi lukea (F)<br />

Imperfekt: mina oksin (E), mina suudsin (E) - minä voisin (F)<br />

Die Partizipien: osknud (E), suutud (E) - voinnut (F)<br />

Im Gegensatz zu den romanischen Sprachen, in denen zwischen<br />

„können“ im Sinn einer Erlaubnis oder Möglichkeit (Französisch: pouvoir)<br />

<strong>und</strong> zwischen „können“ im Sinn einer Fähigkeit <strong>und</strong> von Wissen<br />

207


(Französisch: savoir) scharf unterschieden wird, können im <strong>Estnischen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> alle drei oben aufgeführten Verben für beide Varianten<br />

verwendet werden.<br />

Das Verb „wissen“ lautet in den beiden Sprachen wie oben gesehen so:<br />

teadma/teada (E) - tietää (F)<br />

ich weiss = mina tean (E) - minä tiedän (F)<br />

ich weiss nicht = mina ei tea (E) - minä en tiedä (F)<br />

Imperfekt: mina teadsin (E) - minä tiesin (F)<br />

Die Partizipien: teanud/teatud (E) - tiennyt/tienneet (F)<br />

er kann gut schreiben = tema teab hästi kirjutada (E),<br />

(weiss gut zu schreiben) hän tietää kirjoittaa hyvin (F)<br />

er kann nicht gut schreiben = tema ei tea hästi kirjutada (E)<br />

hän ei tiedä kirjoittaa hyvin (F)<br />

wollen, mögen = tahtma/tahta (E) - haluta (F), tahtoa (F)<br />

ich will jetzt gehen = mina tahan nüüd minna (E) -<br />

minä haluan mennä nyt (F),<br />

minä tahdon mennä nyt (F)<br />

wir wollen nicht gehen = meie ei taha minna (E) -<br />

emme halua mennä (F),<br />

emme tahdo mennä (F)<br />

Imperfekt: mina tahdsin (E) - minä halusin (F), minä tahdoin (F)<br />

Die Partizipien: tahtud (E) - halunnut (F), tahtonut (F)<br />

Im mündlichen Sprachgebrauch kommt in beiden Sprachen an Stelle <strong>des</strong><br />

Präsens mehr das Konditional vor, weil das als weniger scharf empf<strong>und</strong>en<br />

wird:<br />

208


ich will, ich möchte = mina tahdeksin (E) -<br />

minä haluaisin (F),<br />

minä tahtoisin (F)<br />

müssen, sollen = pidama/pidada (E) - pitää (F), täytyä (F)<br />

du musst gut sein = sina pead hea olema („ma-Infinitiv“, da Verpflichtung)<br />

ich muss lernen = mina pean õppima<br />

ich muss nicht lernen = mina ei pida õppima<br />

ich musste lernen = mina pidin õppima<br />

ich musste nicht lernen = mina ei pidi õppima<br />

ich müsste lernen = mina peaksin õppima<br />

ich müsste nicht lernen = mina ei peaks õppima<br />

wir müssen lernen = meie peame õppima<br />

wir müssen nicht lernen = meie ei pida õppima<br />

wir mussten lernen = meie pidime õppima<br />

wir mussten nicht lernen = meie ei pidi õppima<br />

wir müssten lernen = meie peaksime õppima<br />

wir müssten nicht lernen = meie ei peaks õppima<br />

Im <strong>Finnischen</strong> gibt es im Gegensatz zum <strong>Estnischen</strong> keine Konjugation für<br />

„müssen“ <strong>und</strong> „sollen“, obwohl die beiden oben angegebenen Verben<br />

tatsächlich die Infinitive sind, wobei „pitää“ mehr „sollen“ <strong>und</strong> „täytyä“ mehr<br />

„müssen“ bedeuten. Um solche Sätze auszudrücken, lautet die Formel so:<br />

Personalpronomen im Genitiv + dritte Person Einzahl.<br />

Das sieht dann so aus:<br />

ich muss/soll lernen = minun pitää oppia, minun pitää opetella<br />

minun täytyy oppia, minun täytyy opetella<br />

209


ich musste/sollte lernen = minun piti oppia, minun piti opetella<br />

minun täytyi oppia, minun täytyi opetella<br />

ich müsste/sollte lernen = minun pitäisi oppia, minun pitäisi opetella<br />

minun täytyisi oppia, minun täytyisi opetella<br />

Bei einer Verneinung steht einfach ein „ei“ davor, ohne dass sich etwas<br />

ändert:<br />

ich muss nicht lernen = minun ei pitää oppia/opetella<br />

minun ei täytyy oppia/opetella<br />

ich musste nicht lernen = minun ei pitänyt oppia/opetella<br />

minun ei täytynyt oppia/opetella<br />

ich müsste/sollte nicht lernen = minun ei pitäisi oppia/opetella<br />

minun ei täytyisi oppia/opetella<br />

Für das Verb „pitää“ gibt es jedoch sehr wohl eine Konjugation, die dann<br />

aber „mögen“ bedeutet, wobei das Wort, auf das es sich bezieht, auch in<br />

einem bejahenden Satz im Partitiv steht:<br />

ich mag dich = minä pidän sinua<br />

ich mag dich nicht = minä en pidä sinua<br />

wir mögen ihn alle = me kaikki pidämme häntä<br />

wir mögen ihn nicht = emme pidä häntä<br />

Es gibt für „müssen“ sowohl bejahend als auch verneinend noch eine dritte<br />

Variante, die als besonders stark empf<strong>und</strong>en wird <strong>und</strong> in den<br />

Alltagsgesprächen oft vorkommt. Sie heisst in der Gr<strong>und</strong>form „olla pakko“<br />

(Zwang sein) <strong>und</strong> wird wie die beiden anderen Varianten mit dem Genitiv<br />

verwendet, wobei „pakko“ auch in verneinten Sätzen unverändert bleibt:<br />

ich muss jetzt (wirklich) gehen = minun on pakko mennä nyt<br />

ich muss jetzt doch nicht gehen = minun ei ole pakko mennä nyt<br />

210


wir mussten (unbedingt) gehen = meidän oli pakko mennä<br />

wir mussten nicht unbedingt gehen = meidän ei ollut pakko mennä<br />

du müsstest (eigentlich) gehen = sinun olisi pakko mennä<br />

du müsstest nicht (wirklich) gehen = sinun ei olisi pakko mennä<br />

Daneben gibt es bei einer Verneinung im Sinn von „nicht zu tun brauchen“<br />

noch eine weitere Variante, die mit dem Genitiv <strong>des</strong> Personalpronomens<br />

<strong>und</strong> dem Ausdruck „ei tarvitse“ gebildet wird, das vom Verb „tarvita“<br />

abstammt:<br />

ich brauche Geld<br />

ich brauche kein Geld<br />

ich brauchte Geld<br />

ich brauchte kein Geld<br />

ich muss nicht kommen,<br />

ich brauche nicht zu kommen<br />

ich musste nicht kommen,<br />

ich brauchte nicht zu kommen<br />

minä tarvitsen rahaa<br />

minun ei tarvitse rahaa<br />

minä tarvitsin rahaa<br />

minun ei tarvinnut rahaa<br />

minun ei tarvitse tulla<br />

minun ei tarvinnut tulla<br />

du musst nicht kommen, du brauchst nicht zu kommen usw.<br />

sinun/hänen/meidän/teidän/heidän ei tarvitse tulla<br />

du musstest nicht kommen, du brauchtest nicht zu kommen usw.<br />

sinun/hänen/meidän/teidän/heidän ei tarvinnut tulla<br />

211


Fragen <strong>und</strong> Antworten<br />

Genauso wie die oben vorgestellte Verbenwelt ist auch der Bereich, in<br />

dem Fragen gestellt <strong>und</strong> Antworten gegeben werden, im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Finnischen</strong> nicht schwerer zu meistern als in den meisten anderen<br />

bekannten Sprachen; allerdings gehen sie auch hier auf getrennten<br />

Wegen.<br />

Während das Estnische bei den sogenannten Entscheidungsfragen - also<br />

dort, wo kein eigentliches Fragewort steht (wer? was? wieso? wann?) -<br />

genauso wie im Lettischen, Litauischen <strong>und</strong> Polnischen ein bestimmtes<br />

Fragewort am Satzanfang verwendet (Lettisch: vai - Litauisch: ar -<br />

Polnisch: czy), werden im <strong>Finnischen</strong> gemäss der Vokalharmonie am<br />

Ende <strong>des</strong> Verbs „-ko“ oder „-kö“ angehängt:<br />

D: Er ist hier. Ist er hier? Du kommst. Kommst du?<br />

E: Tema on siin. Kas tema on siin? Sina tuled. Kas sa tuled?<br />

F: Hän on täällä. Onko hän täällä? Sinä tulet. Tuletko?<br />

Das estnische Universal-Fragewort ist also „kas.“<br />

Sinäkö tulet?<br />

In der Verneinung sieht es so aus:<br />

D: Ist er nicht hier? Kommst du nicht?<br />

E: Kas tema ei ole siin? Kas sina ei tule?<br />

F: Eikö ole täällä? Etkö tule?<br />

Um einen Verneinungssatz zu bilden, wird wie bei den „gewöhnlichen“<br />

Aussagesätzen das Endungs-n der ersten Person einfach ausgelassen.<br />

Die verneinten Fragewörter sind im <strong>Finnischen</strong> bei allen Verben im<br />

Präsens diese, wobei in Verbindung mit einem Substantiv oder Adjektiv<br />

ebenfalls immer ein Partitiv stehen muss:<br />

enkö, etkö, eikö, emmekö, ettekö, eivätkö<br />

Enkö ole hyvää?<br />

Bin ich nicht gut?<br />

212


Etkö tule pian?<br />

Eikö syö nyt?<br />

Eikö ole kauniita päivää?<br />

Emmekö laula tänään?<br />

Ettekö juo maitoa?<br />

Eivätkö kuule minua?<br />

Eivätkö voi kuulla minua?<br />

Kommst du nicht bald?<br />

Isst er jetzt nicht?<br />

Ist es nicht ein schöner Tag?<br />

Singen wir heute nicht?<br />

Trinkt ihr nicht Milch?<br />

Hören sie mich nicht?<br />

Können Sie mich nicht hören?<br />

In den anderen Zeiten sieht die erste Frage in diesem Paket so aus:<br />

Enkö oli hyvää? (Imperfekt)<br />

Enkö ole ollut hyvää? (Perfekt)<br />

Enkö oli ollut hyvää? (Plusquamperfekt)<br />

Enkö olisi hyvää? (Konditional Präsens)<br />

Enkö olisi ollut hyvää? (Konditional Perfekt)<br />

Davon ausgehend sind auch die anderen Fragesätze in diesem Paket<br />

leicht zu bilden, wobei ich sie ein wenig abkürze:<br />

Etkö tuli? Etkö ole tullut? Etkö oli tullut? Etkö tulisi? Etkö olisi tullut?<br />

Eikö söi? Eikö ole syödänyt? Eikö oli syödänyt? Eikö söisi? Eikö olisi<br />

syödänyt?<br />

Emmekö lauloi? Emmekö ole laulaneet? Emmekö oli laulaneet? Emmekö<br />

lauloisi? Emmekö olisi laulaneet?<br />

Ettekö joi? Ettekö ole juoneet? Ettekö oli juoneet? Ettekö joisi? Ettekö olisi<br />

juoneet?<br />

Eivätkö kuuli? Eivätkö ole kuulleet? Eivätkö oli kuulleet? Eivätkö kuulisi?<br />

Eivätkö olisi kuulleet?<br />

213


Um solche Fragen zu beantworten, gibt es in beiden Sprachen gleich<br />

mehrere Wörter, die für „ja“ <strong>und</strong> „nein“ verwendet werden können:<br />

D: Kommst du? Ja. Nein.<br />

E: Kas sina tuled? Jah. Ei.<br />

Nii.<br />

Tulen.<br />

Küll.<br />

On küll.<br />

F: Tuletko? Kyllä. Ei.<br />

Niin.<br />

Jaa.<br />

Joo.<br />

Juu.<br />

Mina ei tule.<br />

En tule.<br />

En.<br />

Während im <strong>Finnischen</strong> „kyllä“ immer noch viel verwendet wird <strong>und</strong> als<br />

eleganter gilt als „niin“, das genauso wie das estnische „nii“ den Sinn von<br />

„so ist es“ hat, <strong>und</strong> erst recht eleganter als „joo“ <strong>und</strong> „juu“, die vor allem in<br />

der Umgangssprache vorkommen, drückt das estnische „küll“ heute mehr<br />

„doch“ als „ja“ aus. Das „h“ wird im estnischen „jah“ zwar geschrieben,<br />

aber nie ausgesprochen; also ist es mit dem germanischen „ja“, das im<br />

Deutschen, Niederländischen <strong>und</strong> Skandinavischen vorkommt, aber auch<br />

mit dem lettischen „jâ“ identisch. Gerade auch hier zeigt sich die<br />

jahrh<strong>und</strong>ertelange gegenseitige Beeinflussung dieser beiden Sprachen im<br />

Baltikum.<br />

Da nicht erwartet wird, dass die Fremdsprachigen all diese Feinheiten<br />

beherrschen, kommt es in den Gesprächen nicht allzu stark darauf an,<br />

welche Variante verwendet wird, aber es ist wichtig, alle wenigstens zu<br />

kennen, um nicht verwirrt zu werden. Im Zweifelsfall fährt man mit der<br />

Wiederholung <strong>des</strong> Verbs immer richtig: Tulen, mina ei tule, minä en tule.<br />

In diesem Zusammenhang gibt es eine interessante Kleinigkeit zu<br />

berichten: Als die finnische Journalistin im oben erwähnten Interview den<br />

estnischen Staatspräsidenten fragte, ob er Finnisch gut genug verstehe,<br />

214


antworte er nur mit „en“, worauf sie beide zum Englischen wechselten.<br />

Das estnische „kas“ <strong>und</strong> die finnischen Endungen „-ko“ <strong>und</strong> „-kö“ werden<br />

auch verwendet, wenn in einem Nebensatz „ob“ steht:<br />

D: Ich weiss nicht, ob er kommt.<br />

E: Mina ei tea, kas tema tuleb.<br />

F: Minä en tiedä hänkö tule.<br />

(also ohne ein Komma vor „hänkö“)<br />

Wenn ein Fragewort mit einem Fragewort selber beginnt, entfallen die<br />

finnischen Endungen „-ko“ <strong>und</strong> „-kö“, wobei in der Umgangssprache das<br />

Personalpronomen entweder vor oder nach dem Verb oft mitverwendet<br />

wird:<br />

Wann kommst du?<br />

Milloin tulet (sä)?<br />

Milloin (sä) tulet?<br />

Warum bist du nicht gegangen?<br />

Miksi (sä) et ole mennyt?<br />

Miksi (sä) et mennyt?<br />

An Stelle von „milloin“ kann auch „koska“ stehen.<br />

Wie oben erwähnt wird das Imperfekt auch in Sätzen, welche eine gerade<br />

erst abgeschlossene Handlung ausdrücken, viel mehr verwendet als das<br />

Perfekt.<br />

Da die beiden wichtigen Fragewörter „wer“ <strong>und</strong> „was“ in beiden Sprachen<br />

ebenfalls durchdekliniert werden, muss ich jetzt wieder eine umfangeiche<br />

Tabelle aufführen, obwohl das eine oder andere Fragewort im Kapitel über<br />

die Kasus schon vorgekommen ist, aber erst auf diese Weise können sie<br />

richtig eingeprägt werden.<br />

Estnisch:<br />

Finnisch:<br />

Einzahl: Einzahl: Mehrzahl: Einzahl: Mehrzahl:<br />

wer? was? wer? wer? was?<br />

215


Nom. kes mis kuka, kutka, mikä, mitkä<br />

ken ketkä mitä<br />

Gen. kelle mille kenen keiden minkä<br />

Akk. keda mida kenet ketkä minkä<br />

Part. keda mida ketä keitä mitä mitä<br />

In. kelles milles, kenessä, keissä missä<br />

kus kessä<br />

Ill. kellesse millesse keneen, keihin mihin<br />

kehen<br />

El. kellest millest, kenestä, keistä mistä<br />

kust kestä<br />

Ad. kellel millel, kenellä, keillä millä<br />

kus kellä<br />

All. kellele millele, kenelle, keille mille<br />

kuhu kelle<br />

Abl. kellelt millelt, keneltä, keiltä miltä<br />

kust keltä<br />

Es. kellena millena kenenä, keinä mikänä<br />

kenä<br />

Trl. kelleks milleks, keneksi keiksi mikäksi<br />

kust<br />

Ab. kelleta milleta kenettä keittä mikättä<br />

Kom. kellega millega kenen keiden minkä<br />

kanssa kanssa kanssa<br />

Ter. kelleni milleni - - -<br />

Ins. - - - - -<br />

216


Auf den ersten Blick scheinen es viele Fragewörter zu sein, aber bei<br />

genauerem Hinschauen sieht es schon weniger schlimm aus:<br />

1. Die finnischen Mehrzahlformen werden heute mündlich nicht mehr <strong>und</strong><br />

auch in der Schriftsprache fast nicht mehr verwendet, sie kommen nur<br />

noch in der sogenannten gehobenen Sprache <strong>und</strong> manchmal auch in<br />

Gedichten vor.<br />

2. Das Mehrzahl-Kennzeichen „i“ für das Finnische kann auch hier deutlich<br />

gesehen werden.<br />

3. Im <strong>Finnischen</strong> fallen die Orts-Fragewörter mit denen für „was“<br />

zusammen, während im <strong>Estnischen</strong> noch zwischen den beiden<br />

unterschieden wird, aber nicht in allen Fällen.<br />

4. Die finnischen Nominativ-Fragewörter „kuka“ <strong>und</strong> „mikä“ unterscheiden<br />

sich in diesem einen Punkt:<br />

Kuka hän on? Wer ist er? (als Person) Hän on Matti.<br />

Mikä hän on?<br />

Wer ist er? (als Berufsmann) Hän on lääkäri (Arzt).<br />

Deshalb kann beim letzteren wie im Deutschen auch „was ist er?“ gefragt<br />

werden.<br />

Weitere häufige Fragewörter sind in beiden Sprachen diese:<br />

Estnisch:<br />

Finnisch:<br />

wie kuidas kuinka, miten<br />

wo kus missä, millä<br />

woher kus kohast mistä, miltä<br />

(millest, millelt,<br />

kust)<br />

wohin kus kohta mihin, mille<br />

(millesse, millele,<br />

kuhu)<br />

wann millal milloin, koska<br />

217


warum miks miksi<br />

wie viel mitu, kui palju paljonko, kuinka paljon<br />

(mit Partitiv)<br />

(mit Partitiv)<br />

Bei den Fragen in den Orts-Kasus (wo, woher, wohin) kommt es auf die<br />

Nuance an, was genau jemand wissen will:<br />

D: Wo (genau) ist er jetzt? Wo (ungefähr) ist er jetzt?<br />

E: Milles tema on nüüd? Millel tema on nüüd?<br />

F: Missä hän on nyt? Millä hän on nyt?<br />

D: Woher (genau) kommst du? Woher (ungefähr) kommst du?<br />

E: Millest sina tuled? Millelt sina tuled?<br />

F: Mistä sinä tulet? Miltä sinä tulet?<br />

D: Wohin (genau) gehst du? Wohin (ungefähr) gehst du?<br />

E: Millesse sina lähed? Millele sina lähed?<br />

F: Mihin sinä menet? Mille sinä menet?<br />

Um diese Feinheiten zu umgehen, werden im <strong>Estnischen</strong> meistens die<br />

anderen angegebenen Fragewörter verwendet (kus, kust, kuhu; kus<br />

kohast, kus kohta), während im <strong>Finnischen</strong> in der Umgangssprache<br />

sowieso nur der Inessiv, der Illativ <strong>und</strong> der Elativ vorkommen (missä,<br />

mihin, mistä).<br />

218


Der Imperativ (Die Befehlsformen)<br />

Jetzt kommt wieder ein besonderes Kapitel, in dem beide Sprachen vor<br />

allem bei den verneinten Befehlen auf aussergewöhnlichen Wegen<br />

wandeln.<br />

Der bejahte Imperativ ist bei allen Personen leicht zu bilden, weil immer<br />

von der ersten Person Einzahl ausgegangen wird, indem das Endungs-n<br />

ausgelassen wird. Das sieht bei den Verben, die auch in den anderen<br />

Lehrbüchern an vorderster Stelle stehen, in der zweiten Person Einzahl<br />

<strong>des</strong> Imperativs so aus:<br />

Estnisch:<br />

sei! ole! ole!<br />

Finnisch:<br />

frag! küsi! kysy!<br />

geh! mine! * mene!<br />

iss! söö! syö!<br />

komm! tule! tule!<br />

lebe! ela! elä!<br />

rede! sprich! räägi! puhu!<br />

schreib! kirjuta! kirjoitta!<br />

trink! joo! juo!<br />

warte! odota! odotta!<br />

* Beim Imperativ taucht die Konjugation von „minema“ <strong>und</strong> „minna“<br />

(gehen) wieder auf, aber nur hier.<br />

In der Mehrzahl, die zugleich die Höflichkeitsform ist, werden im<br />

<strong>Estnischen</strong> die Endungen „-ge“ oder „-ke“ (je nach Wort) sowie im<br />

<strong>Finnischen</strong> die Endungen „-kaa“ oder „-kää“ angehängt:<br />

seid! olge! olkaa!<br />

esst! sööge! syökää!<br />

fragt! küsige! kysykää!<br />

219


geht! minge! menkää!<br />

kommt! tulge! tulkaa!<br />

lebt! elage! elkää!<br />

redet! sprecht! räägike! puhukaa!<br />

schreibt! kirjutage! kirjoittakaa!<br />

trinkt! jooge! juokaa!<br />

wartet! ostke! odottakaa!<br />

Wann im <strong>Estnischen</strong> „-ge“ oder „-ke“ steht, hängt davon ab, ob der „da-<br />

Infinitiv“ <strong>des</strong> betreffenden Verbs auf „-da“, auf „-ta“ oder auf keinem von<br />

diesen endet:<br />

elada - elage!<br />

oodata - oostke!<br />

Allerdings gibt es auch Ausnahmen:<br />

olla - olge!<br />

tulla - tulge!<br />

Im <strong>Finnischen</strong> entfallen das Endungs-e <strong>und</strong> das Endungs-ä der Einzahl<br />

bei den Verben, deren Infinitive nur zwei Silben haben:<br />

olla - ole! - olkaa!<br />

tulla - tule! - tulkaa!<br />

mennä - mene! - menkää!<br />

elää - elä! - elkää!<br />

Es geht aber noch weiter, weil es auch in der ersten Person Mehrzahl<br />

eigene Verbformen gibt, die dadurch gebildet werden, dass im <strong>Estnischen</strong><br />

an die Formen der zweiten Person Mehrzahl einfach noch ein “m“ <strong>und</strong> im<br />

<strong>Finnischen</strong> ein „-mme“ angehängt werden:<br />

seien wir! olgem! olkaamme!<br />

essen wir! söögem! syökäämme!<br />

fragen wir! küsigem! kysykäämme!<br />

gehen wir! mingem! menkäämme!<br />

kommen wir! tulgem! tulkaamme!<br />

220


leben wir! elagem! elkäämme!<br />

reden wir! räägikem! puhukaamme!<br />

sprechen wir!<br />

schreiben wir! kirjutagem! kirjoittakaamme!<br />

trinken wir! joogem! juokaamme!<br />

warten wir! ostkem! odottakaamme!<br />

Die finnischen Varianten kommen jedoch nur in der Schriftsprache vor,<br />

weil sie in der Umgangssprache, auf die ich weiter unten noch näher<br />

eingehe, als viel zu lang empf<strong>und</strong>en werden. Dort gilt die Formel:<br />

Verbstamm <strong>des</strong> Infinitivs + „aan“ oder „ään“:<br />

ollaan! syökään! kysykään! mennään! tulkaan! elään! puhuaan! kirjoittaan!<br />

juokaan! odottakaan!<br />

Wie im Latein <strong>und</strong> in den romanischen Sprachen gibt es auch im<br />

<strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> für die beiden dritten Personen eigene<br />

Spezialformen, die aber wenigstens im <strong>Estnischen</strong> identisch sind:<br />

er soll sein! (tema) olgu! (hän) olkoo!<br />

sie sollen sein! (nemad) olgu! (he) olkoot!<br />

er soll gehen! (tema) mingu! (hän) menköö!<br />

sie sollen gehen! (nemad) mingu! (he) menkööt!<br />

Da die beiden dritten Personen in beiden Sprachen immer mitverwendet<br />

werden, ist es besser, sie auch in den Befehlssätzen miteinzuflechten.<br />

Die übrigen Befehlsformen aus diesen Beispielverben sind diese:<br />

söögu!<br />

küsigu!<br />

tulgu!<br />

syököö! syökööt!<br />

kysyköö! kysykööt!<br />

tulkoo! tulkoot!<br />

221


elagu!<br />

räägigu!<br />

kirjutagu!<br />

joogu!<br />

ostku!<br />

elköö! elkööt!<br />

puhukoo! puhukoot!<br />

kirjoittakoo! kirjoittakoot!<br />

juokoo! juokoot!<br />

odottakoo! odottakoot!<br />

Beim verneinten Imperativ zeigt es sich am deutlichsten, wie sehr sich<br />

diese beiden Sprachen von allen anderen bekannten europäischen<br />

Sprachen unterscheiden, weil es nicht weniger als vier bzw. fünf eigene<br />

Wörter gibt, die vorangestellt werden, aber wenigstens ändert sich hinten<br />

nichts weiter:<br />

E: ära - ärge - ärgem - ärgu<br />

F: älä - älkää - älköön - älkäämme - älkööt<br />

Das sieht bei den Verben „gehen“ <strong>und</strong> „kommen“ so aus:<br />

geh nicht! ära mine! älä mene!<br />

geht nicht! ärge minge! älkää menkö!<br />

gehen wir nicht! ärgem mingem! älkäämme menkö!<br />

er soll nicht gehen! (tema) ärgu mingu! (hän) älköön menkö!<br />

sie sollen nicht gehen! (nemad) ärgu mingu! (he) älkööt menkö!<br />

komm nicht! ära tule! älä tule!<br />

kommt nicht! ärge tulge! älkää tulko!<br />

kommen wir nicht! ärgem tulgem! älkäämme tulko!<br />

er soll nicht kommen! (tema) ära tulgu! (hän) älköö tulko!<br />

sie sollen nicht kommen! (nemad) ärgu tulgu! (he) alkööt tulko!<br />

Abgesehen von der zweiten Person Einzahl sind im <strong>Finnischen</strong> die<br />

222


Verben, mit denen befohlen oder zu etwas aufgefordert wird, also immer<br />

identisch, hier also „menkö“ <strong>und</strong> „tulko“.<br />

Auch hier werden in der finnischen Umgangssprache vor allem bei der<br />

ersten Person Mehrzahl, aber in erweiterndem Sinn auch bei den anderen<br />

Personen fast immer die oben aufgeführten Varianten verwendet, wobei<br />

ganz vorn meistens „ei“ gesagt wird:<br />

ei mennään! = gehen wir nicht! geht nicht! er soll nicht gehen!<br />

ei tulkaan!<br />

sie sollen nicht gehen!<br />

= kommen wir nicht! kommt nicht! er soll nicht kommen!<br />

sie sollen nicht kommen!<br />

Interessant ist, dass im Schriftschwedischen dieses „ei“, das dann zu „ej“<br />

mutiert, immer dann verwendet wird, wenn etwas verboten ist, <strong>und</strong> ebenso<br />

interessant ist, dass diese Verbote in der Passivform stehen:<br />

Ej rökas här!<br />

Ej talas med föraren!<br />

oder auch: Ej pratas med föraren!<br />

Rauchen verboten! Hier wird nicht geraucht!<br />

Nicht mit dem Busfahrer sprechen!<br />

Für einmal hat also ein finno-ugrisches Wort die germanischen Sprachen<br />

unterwandert, aber es ist nicht das einzige. So hat auch das finnische Wort<br />

„kiva“ (fabelhaft, hübsch, prima) im Sinn von „gut“ vor allem im<br />

Finnlandschwedischen schon vor mehreren Jahrzehnten einen<br />

Unterschlupf gef<strong>und</strong>en. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang,<br />

dass es bis zum Zweiten Weltkrieg auch noch mehrere Tausend<br />

Estlandschweden gab, die vor allem an der West- <strong>und</strong> Nordküste sowie<br />

auf den beiden vorgelagerten westlichen Inseln Hiiumaa <strong>und</strong> Saaremaa<br />

lebten, aber nach dem Krieg das Land zu fast h<strong>und</strong>ert Prozent verlassen<br />

haben oder vielmehr verlassen mussten.<br />

Die bekannteste finnische Imperativform ist in die Geschichte<br />

eingegangen: Hakka! (Schlag! Schlag zu!) Zusammen mit drei anderen<br />

Wörtern war dieser Schlachtruf schon im 30-jährigen Krieg (1618 bis<br />

1648) zu hören, als die finnischen Truppen, die bei jeder einzelnen<br />

Schlacht, welche die schwedischen Herren führten, in den vordersten<br />

223


Linien stehen mussten, laut ausriefen: „Hakka päälle, pohjan poika!“<br />

(Schlag auf den Kopf, Nordjunge!) Deshalb wurden sie sowohl von den<br />

Verbündeten als auch von den Gegnern auf der anderen Seite als<br />

„Hakkapeliter“ bezeichnet. Auch im Bürgerkrieg von 1918 stachelten sich<br />

beide Seiten auf diese Weise an <strong>und</strong> in den beiden Kriegen gegen die<br />

Sowjets zwischen 1939 <strong>und</strong> 1944 waren diese Worte sogar eine Art Kult.<br />

Wie sehr sich das Estnische <strong>und</strong> das Finnische trotz mancher Ähnlichkeit<br />

halt doch in vielen anderen Bereichen voneinander unterscheiden, zeigt<br />

sich allein bei diesem Wort „hakata“. Im <strong>Finnischen</strong> hat es drei<br />

Bedeutungen: Abholzen, (ab)hacken, (ab)hauen. Dagegen wird im<br />

<strong>Estnischen</strong> mit „hakkata“ (da-Infinitiv, der andere lautet „hakkama“) der<br />

Anfang oder Beginn einer Handlung ausgedrückt. Der gleiche Kriegsruf<br />

heisst im <strong>Estnischen</strong>: Löö peale, põhja poiss! (Lööma, lüüa = schlagen,<br />

erste Person Einzahl: mina löön.)<br />

Zum Imperativ ist am Schluss dieses Kapitels noch etwas zu ergänzen,<br />

das nicht logisch erklärt werden kann: In einem Befehl gibt es in beiden<br />

Sprachen keinen Akkusativ, wenn er nicht verneint wird, sondern nur die<br />

Nominativform. Dagegen steht in einem verneinten Befehl auch hier in<br />

beiden Sprachen immer der Partitiv, der im <strong>Estnischen</strong> mit dem Akkusativ<br />

sowieso identisch ist:<br />

D: Ich schreibe ein Buch. Schreib das Buch!<br />

E: Mina kirjutan raamatut. Kirjuta raamat! (also nicht „raamatut“)<br />

F: Minä kirjoitan kirjan. Kirjoitta kirja! (also nicht „kirjan“)<br />

D: Schreib das Buch nicht! Ihr Männer, liebet eure Frauen! (Bibel)<br />

E: Ära kirjuta raamatut! Teie mehed, armastage teie abikaased! *<br />

F: Älä kirjoitta kirjaa! Te miehet, rakastakaa teidän vaimonne! *<br />

* In beiden Sprachen steht auch hier der Nominativ, wobei im <strong>Finnischen</strong><br />

„vaimot“ <strong>und</strong> die Endung „-nne“ zu „vaimonne“ verschmelzen.<br />

224


Die Präpositionen <strong>und</strong> Postpositionen<br />

(Die vor- <strong>und</strong> nachgestellten Verhältniswörter)<br />

Das sind Wörter, die mit Substantiven <strong>und</strong> Adjektiven verb<strong>und</strong>en werden:<br />

am, bei, für, von usw.<br />

Im Deutschen <strong>und</strong> auch in den romanischen Sprachen, welche die<br />

meisten Deutschsprachigen, die Fremdsprachen lernen, im allgemeinen<br />

am besten kennen, sind wir es gewöhnt, dass solche Wörter vor den<br />

Substantiven <strong>und</strong> Adjektiven stehen, auf die sie sich beziehen; <strong>des</strong>halb ist<br />

das Wort Präposition viel bekannter. In den romanischen Sprachen gibt<br />

es mit Ausnahme <strong>des</strong> Rumänischen nicht einmal eine Deklination.<br />

Dagegen kommen im Deutschen manchmal Feinheiten vor, an denen<br />

angeblich eine gehobenere Ausdrucksweise erkannt wird:<br />

wegen dem H<strong>und</strong> (einfache Sprache)<br />

wegen <strong>des</strong> Hun<strong>des</strong> (gehoben, aber auch geschraubt wirkend, <strong>des</strong>halb<br />

kommt dieser Genitiv auch nur in der Schriftsprache<br />

vor)<br />

Das Gleiche gilt auch, wenn hinten Postpositionen verwendet werden,<br />

obwohl vorn genauso gut auch Präpositionen stehen könnten:<br />

meiner Meinung nach = nach meiner Meinung<br />

dem Haus gegenüber = gegenüber dem Haus<br />

der Vollständigkeit halber = im Interesse der Vollständigkeit (als Beispiel)<br />

Im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> gibt es diese feinen Unterscheidungen<br />

nicht. Die einen Verhältniswörter stehen entweder vor oder hinter dem<br />

Wort, auf die sie sich beziehen, ohne dass die eine oder andere Variante<br />

eleganter, aber auch geschraubter wirken muss. Es ist einfach so, wie es<br />

ist, aber es kann helfen, wenn man weiss, dass die meisten hinten stehen<br />

<strong>und</strong> dass die Wörter, auf die sie sich beziehen, im Genitiv verwendet<br />

werden müssen. Ein paar wenige folgen einem Partitiv oder stehen vor<br />

einem solchen, aber im <strong>Estnischen</strong> kommen bei ein paar wenigen auch<br />

225


noch der Komitativ <strong>und</strong> der Terminativ vor, für die es im <strong>Finnischen</strong> andere<br />

Ausdrucksmöglichkeiten gibt.<br />

Damit der Einstieg in diesen Bereich der Grammatik leichter wird, führe<br />

ich zuerst die Kombinationen auf, die nur im <strong>Estnischen</strong> vorkommen, <strong>und</strong><br />

darauf die anderen, die schon grössere Gruppen bilden, bis zu den<br />

grössten, in denen die Postpositionen hinter dem Genitiv stehen.<br />

Mit dem Genitiv: kõige peale sinu = alle ausser dir<br />

(Finnisch: kaikki sinun ulkopuolella,<br />

also auch mit dem Genitiv, aber hinten stehend)<br />

Mit dem Elativ: mina lähen trepist alla = ich gehe die Treppe hinunter<br />

also auch mit der Richtungsangabe, die eigentlich den<br />

Illativ oder Allativ verlangt<br />

(Finnisch: minä menen rappusien alla,<br />

also mit dem Genitiv Plural, Nominativ = rappuseet)<br />

Mit dem Abessiv: ilmu sinuta = ohne dich<br />

(Finnisch: ilman sinua, also mit dem Partitiv)<br />

Mit dem Komitativ: koos sinuga, ühes sinuga, üheskoos sinuga<br />

= zusammen mit dir<br />

(Finnisch: sinun kanssa, also mit dem Genitiv,<br />

aber „kanssasi“ kommt viel mehr vor)<br />

Mit dem Terminativ: kuni hoomeni = bis morgen<br />

kuni pühapäeveni = bis (zum) Sonntag<br />

kuni Tallinnani = bis Tallinn<br />

(Finnisch: sunnuntainen asti = bis zum Sonntag<br />

Helsingin asti = bis Helsinki,<br />

also mit dem Genitiv)<br />

Weitere Ausdrücke mit „bis“ im <strong>Finnischen</strong>:<br />

226


siihen asti = bis dahin<br />

tähän asti = bis jetzt<br />

sinne asti = bis dort<br />

kuinka kauan? = bis wann?<br />

mihin mennessä? = bis wann?<br />

Auch hier unterscheiden sich diese beiden Sprachen also stark<br />

voneinander, aber auch mit diesen Unterschieden sind so schöne Sätze<br />

mit gleich mehreren Kasus möglich:<br />

D: Ich liebe dich <strong>und</strong> gehe mit dir bis zum Himmel.<br />

E: Mina armastan sind ja lähen sinuga taevaseni.<br />

F: Minä rakastan sinua ja menen kanssasi taivasen asti.<br />

Bei einer kleinen Gruppe stehen im <strong>Estnischen</strong> die Verhältniswörter vorn<br />

<strong>und</strong> werden mit dem Partitiv verb<strong>und</strong>en:<br />

enne, ligi, keset, keskel, mööda, piki, pärast, peale, vastu<br />

Mina lähen enne pühapäeva koju. Ich gehe vor dem Sonntag nach Hause.<br />

(F: Minä menen ennen sinua kotiin. Ich gehe vor dir nach Hause.) *<br />

Sina elad ligi mind.<br />

Du wohnst nahe bei mir.<br />

(F: Sinä asut minun lähellä.)<br />

Me oleme keset linnad. Wir sind inmitten der Stadt.<br />

Me oleme keskel linnad. Wir sind in der Mitte der Stadt,<br />

wir sind in der Stadtmitte.<br />

Mina lähen mööda rannad. Ich gehe dem Strand entlang.<br />

Mina lähen piki rannad. (gleich wie oben)<br />

Me tuleme pärast pühapäevad. Wir kommen nach dem Sonntag.<br />

Me tuleme peale pühapäevad. (gleich wie oben)<br />

Mina olen vastu sinu.<br />

Ich bin gegen dich.<br />

(Bibel: Ich bin wider dich.)<br />

227


See on vastu Jumalad.<br />

Das ist gegen Gott.<br />

Kui Jumal on minuga - kes on vastu minu? (Bibel)<br />

Wenn Gott mit mir ist - wer ist (schon) wider mich?<br />

* Die Wörter „enne“ (E) <strong>und</strong> „ennen“ (F) gelten in den Grammatikbüchern<br />

eigentlich mehr als solche, die für Zeitausdrücke verwendet werden, aber<br />

sie können in der Umgangssprache auch zusammen mit einem<br />

Personalpronomen vorkommen.<br />

Es gibt es also drei identische Pärchen:<br />

keset - keskel, mööda - piki, pärast - peale<br />

Auch im <strong>Finnischen</strong> gibt es ein paar wenige Verhältniswörter, die vorn<br />

stehen <strong>und</strong> mit dem Partitiv verb<strong>und</strong>en werden, wobei sie zugleich auch<br />

hinten stehen können, aber dann den Genitiv verlangen:<br />

keskellä, kohti, lähellä, pitkin, vastapäätä<br />

Mit dem <strong>Estnischen</strong> sind also diese fast identisch: Keskellä, pitkin.<br />

Me olemme keskellä kaupungia = me olemme kaupungin keskellä.<br />

Wir sind in der Mitte der Stadt, wir sind in der Stadtmitte.<br />

Minä menen pitkin rantaa = minä menen rannan pitkin.<br />

Ich gehe dem Strand entlang.<br />

Jumala ei ole kohti meitä = Jumal ei ole meidän kohti.<br />

Gott ist nicht gegen uns.<br />

Asuntoni on lähellä kirkkoa = asuntoni on kirkon lähellä.<br />

Meine Wohnung ist in der Nähe der Kirche.<br />

228


Kirkko on vastapäätä postitoimistoa = kirkko on postitoimiston vastapäätä.<br />

Die Kirche ist gegenüber dem Postamt.<br />

Ein paar wenige Verhältniswörter, die hinten stehen, werden im<br />

<strong>Finnischen</strong> nur mit dem Partitiv verb<strong>und</strong>en:<br />

kohtaan, varten, vastaan<br />

Kirkko on postitoimistoa kohtaan.<br />

Die Kirche ist gegenüber dem Postamt.<br />

Jos Jumala on minua varten - kuka on kohti minua? (Bibel)<br />

Jos Jumala on minua varten - kuka on minun kohti?<br />

Wenn Gott für mich ist - wer ist (schon) wider mich?<br />

Kenellä on mitään sitä vastaan?<br />

Wer ist dagegen?<br />

Die meisten Verhältniswörter stehen in beiden Sprachen hinten <strong>und</strong><br />

werden mit dem Genitiv verb<strong>und</strong>en. Hier führe ich nur die häufigsten auf:<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

an küljes; * luona, varrella, *<br />

külge, küljest<br />

vieressä;<br />

luokse, viereen<br />

auf peal; peale, pealt päällä, päälle<br />

bei pool; poole, polt lähellä, luona<br />

durch kaudu ajan, avulla;<br />

(auch mit Partitiv)<br />

kautta, läpi, poikki<br />

229


hinter järel; järele, järelt perässä;<br />

taga; taha, tagant takana; taakse, takaa<br />

um…herum ümber ympärillä<br />

vor ees; ette, eest e<strong>des</strong>sä; eteen, e<strong>des</strong>tä<br />

wegen tõttu johdosta, takia, vuoksi<br />

zwischen vahel; vahele, vahelt joukkoon, joukossa;<br />

väliin, välillä, välissä<br />

* Die vielen Postpositionen erklären sich damit, dass in beiden Sprachen<br />

genauso wie bei den Kasus mit den inneren <strong>und</strong> äusseren Lokalfällen<br />

auch hier noch zwischen einem „Ruhefall“ auf der einen Seite sowie einem<br />

„Bewegungsfall“ auf der anderen Seite unterschieden wird.<br />

Ein paar einfache Beispiele mit Postpositionen, die einen fast identischen<br />

Satz ermöglichen:<br />

D: Wir sind am Hafen. Wir kommen am Hafen an.<br />

E: Meie oleme sadama küljes. Meie tuleme sadama külge.<br />

F: Me olemme sataman vieressä. Me tulemme sataman viereen.<br />

D: Wir schlafen auf dem Bett. Wir gehen auf das Bett.<br />

E: Meie magame voode peal. Meie läheme voode peale.<br />

F: Me nukumme vuoden päällä. Me menemme vuoden päälle.<br />

D: Er ist zwischen den Häusern. Er geht zwischen die Häuser.<br />

E: Tema on majade varel. Tema läheb majade vahele.<br />

F: Hän on talojen joukossa. Hän menee talojen joukkoon.<br />

D: Wir sind hinten <strong>und</strong> nicht vorn. Wir kommen von hinten <strong>und</strong> gehen<br />

230<br />

nach vorn.


E: Meie oleme taga ja mitte ees. Meie tuleme tagant ja läheme ette.<br />

F: Me olemme takana ja ei e<strong>des</strong>sä. Me tulemme e<strong>des</strong>tä ja menemme<br />

eteen.<br />

Bis all diese Feinheiten beherrscht werden, braucht es sehr viel Übung.<br />

Gerade weil der Bereich mit den Präpositionen <strong>und</strong> Postpositionen um<br />

einiges komplizierter ist als in den uns bekannten romanischen <strong>und</strong><br />

germanischen Sprachen <strong>und</strong> sogar die in den slawischen Sprachen mit<br />

ihrem umfangreichen Kasussystem noch etwas leichter zu meistern sind,<br />

dringe ich hier nicht noch weiter in den Dschungel ein. Wie ich oben bereits<br />

geschrieben habe, geht es mir in diesem Buch in erster Linie darum, die<br />

beiden Schwestersprachen, die in einigem ähnlich sind <strong>und</strong> sich in<br />

anderen Bereichen trotzdem deutlich unterscheiden, systematisch<br />

miteinander zu vergleichen <strong>und</strong> das Wichtigste so aufzuführen, dass<br />

dieses gleich in beiden Sprachen zusammen gelernt werden kann. Wer<br />

nicht nur bei den Verben, sondern auch hier auf den Geschmack<br />

gekommen ist <strong>und</strong> noch viel mehr lernen möchte, kann das mit den<br />

Lehrbüchern tun, die ich ganz unten noch vorstellen werde.<br />

Weiter oben habe ich schon geschrieben, dass „kanssa“ (mit) dekliniert<br />

werden kann, wenn es mit einem Personalpronomen verb<strong>und</strong>en wird. Zu<br />

diesem Kapitel gehören im <strong>Finnischen</strong> noch drei weitere Spezialwörter,<br />

von denen ich zwei oben bereits vorgestellt habe:<br />

luona (bei), mielellään (gern), mielestä (nach der Meinung von…)<br />

In Verbindung mit einem Personalpronomen kennen auch diese eigene<br />

Deklinationen:<br />

mit mir usw. bei mir usw. gern nach meiner Meinung usw.<br />

kanssani luonani mielelläni mielestäni<br />

kanssasi luonasi mielelläsi mielestäsi<br />

kanssaan luonaan mielellään mielestään<br />

kanssamme luonamme mielellämme mielestämme<br />

kanssanne luonanne mielellänne mielestänne<br />

kanssaan luonaan mielellään mielestään<br />

231


Die beiden dritten Personen sind also auch hier wieder identisch, damit<br />

sind es nur fünf verschiedene Varianten. Wenn „mielellään“ mit einem<br />

Pronomen der beiden ersten <strong>und</strong> zweiten Personen verb<strong>und</strong>en wird,<br />

entfällt ein „ä“ (mielelläni usw.).<br />

„Mielestä“ steht immer hinter einem Genitiv:<br />

Leenan mielestä täällä on kylmä. = Nach Leenas Meinung ist es hier kalt.<br />

„Minun kanssa“ (mit mir) usw. <strong>und</strong> „minun luona“ (bei mir) usw. sind zwar<br />

grammatikalisch gesehen nicht falsch, aber die obigen Wörter werden viel<br />

mehr verwendet.<br />

Für „luona“ gibt es ebenfalls noch Varianten, die mit dem oben erwähnten<br />

„Ruhefall“ <strong>und</strong> „Bewegungsfall“ zusammenhängen:<br />

Olen Leenan luona = olen Leenalla.<br />

Tulen Leenan luota = tulen Leenalta.<br />

Menen Leenan luo/luokse = menen Leenalle.<br />

Menetkö hänen luokseen? = Menetkö hänelle?<br />

Ich bin bei Leena.<br />

Ich komme von Leena.<br />

Ich gehe zu Leena.<br />

Gehst du zu ihr?<br />

Da dieses Feld wie oben erwähnt für die Fremdsprachigen nur schwer zu<br />

meistern ist, sind die einfacheren Varianten in Klammern, also ohne diese<br />

Präpositionen, mehr zu empfehlen.<br />

Gleich drei der oben aufgeführten vier Wörter können in einem einzigen<br />

Satz untergebracht werden:<br />

D: Mein Gott, Du bist bei mir, Du gehst immer mit mir <strong>und</strong> tust das gern.<br />

E: Minu Jumal, Sina oled minu juures, Sina lähed alati minuga ja teed seed<br />

meeleldi.<br />

F: Jumalani, Sinä olet luonani, Sinä menet aina kanssani ja teet sen<br />

mielelläsi.<br />

232


Das Impersonal (Passiv)<br />

Dieses Wort ist ein anderer Ausdruck für das, was im allgemeinen als<br />

Passiv bezeichnet wird, <strong>und</strong> wird in der Fachsprache <strong>des</strong>halb verwendet,<br />

weil das Passiv im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> ganz anders funktioniert,<br />

als es von den romanischen <strong>und</strong> germanischen <strong>und</strong> teilweise auch von<br />

den slawischen Sprachen her bekannt ist. Das beginnt schon beim<br />

sogenannten Agens, also bei der Person, welche die Handlung ausführt,<br />

die im Passiv ausgedrückt wird: In beiden Personen wird diese manchmal<br />

auch durch den Partitiv ausgedrückt, aber auch hier gibt es die<br />

Einschränkung, dass in beiden Sprachen zwar weitestgehend die gleiche<br />

Denkweise vorherrscht, dass aber bei den Verbformen grosse<br />

Unterschiede bestehen, wie es auch hier die folgenden Beispiele zeigen.<br />

Während im <strong>Estnischen</strong> das Kennzeichen für das Passiv Präsens die<br />

Endung „-kse“ ist, welche die Infinitiv-Endung „-da“ ersetzt, erfüllen im<br />

<strong>Finnischen</strong> die Endungen „-aan“ <strong>und</strong> „-ään“, die den Infinitivstamm<br />

ebenfalls ersetzen, diese Funktion. Im <strong>Estnischen</strong> wird also immer von<br />

den „da-Verben“ <strong>und</strong> nicht von den „ma-Verben“ ausgegangen. Wenn kein<br />

Personalpronomen steht, bedeutet es einfach „man“. Im Gegensatz zu<br />

den uns bekannten westlichen Sprachen kann diese Konstruktion auch<br />

bei den intransitiven Verben verwendet werden, also bei denen, in denen<br />

jemand eine Handlung selber ausführt.<br />

Präsens<br />

Estnisch:<br />

Finnisch:<br />

essen süüa syödää (syömää)<br />

man isst süüakse syötään (syömään)<br />

das Brot wird leib süüakse leipä syötään<br />

gegessen<br />

fragen küsida kysyä<br />

man fragt küsidakse kysytään<br />

233


geben anda antaa<br />

man gibt andakse annetaan<br />

es wird Liebe armastus annakse rakkaus annetaan<br />

gegeben<br />

gehen minna mennä<br />

man geht minnakse mentään<br />

kommen tulla tulla<br />

man kommt tullakse tultaan<br />

nehmen võtta ottaa<br />

man nimmt võttakse otetaan<br />

sagen räägida sanoa<br />

man sagt räägikse sanotaan<br />

es wird die tõde räägikse totuus sanotaan<br />

Wahrheit gesagt<br />

schreiben kirjutada kirjoittaa<br />

man schreibt kirjutatakse kirjoitaan<br />

das Buch wird raamat kirjutatakse kirja kirjoitaan<br />

geschrieben<br />

sehen näha nähdä<br />

man sieht nähakse nähtään<br />

234


der H<strong>und</strong> wird koer nähakse koira nähtään<br />

gesehen<br />

singen laulda laulaa<br />

man singt lauldakse laulettaan<br />

dieser Psalm see psalm lauldakse tämä psalmi laulettaan<br />

wird gesungen<br />

trinken juua juoda<br />

man trinkt juuakse juodetaan<br />

hier wird Bier siin juuakse õlut täällä juodetaan olutta<br />

getrunken (mit Partitiv) (mit Partitiv)<br />

tun teha tehdä<br />

man tut tehakse tehtään<br />

es wird alles kõik tehakse kaikki tehtään<br />

getan<br />

Das Impersonal kommt auch bei „olla“ <strong>und</strong> bei den Modalverben vor:<br />

Estnisch<br />

Finnisch<br />

sein olla olla<br />

man ist ollakse oltaan<br />

dürfen tohtida saada<br />

man darf tohdidakse saadetaan<br />

235


können võida voida<br />

man kann võidakse voidetaan<br />

müssen, sollen pidada täytyä<br />

man kann, pidakse täytytään<br />

man soll<br />

wollen tahta tahtoa, haluta<br />

man will tahedakse tahdotaan,<br />

halutaan<br />

Natürlich kommt es bei dem einen oder anderen Verb auch zu<br />

Unregelmässigkeiten bei der Bildung <strong>des</strong> Impersonals, aber ich<br />

beschränke mich auch hier weitestgehend auf die Verben, auf die ich<br />

schon weiter oben näher eingegangen bin.<br />

Bei einer Verneinung wird im <strong>Estnischen</strong> einfach das schon bekannte „ei“<br />

vorangestellt, ohne dass sich etwas ändert, aber im <strong>Finnischen</strong> werden<br />

die Passiv-Endungen „-aan“ <strong>und</strong> „-ään“ weggelassen, wobei ein „a“ oder<br />

„ä“ noch bleibt:<br />

D: man isst nicht, man fragt nicht, man gibt nicht, man geht nicht, man<br />

kommt nicht, man nimmt nicht, man sagt nicht, man schreibt nicht, man<br />

sieht nicht, man singt nicht, man trinkt nicht, man weiss nicht; man ist nicht,<br />

man darf nicht, man kann nicht, man muss/soll nicht, man will nicht<br />

E: ei süüakse, ei küsidakse, ei andakse, ei minnakse, ei tullakse,<br />

ei võttakse, ei räägikse, ei kirjutatakse, ei nähakse, ei lauldakse,<br />

ei juuakse, ei tehakse; ei ollakse, ei tohditakse, ei võidakse,<br />

ei pidakse, ei tahedakse<br />

F: ei syötä, ei kysytä, ei anneta, ei mentä, ei tulta, ei odeta,<br />

ei sanota, ei kirjoitta, ei nähtä, ei lauletta, ei juodeta, ei tehtä;<br />

ei olta, ei saadeta, ei voideta, ei täytytä, ei tahdota, ei haluta<br />

236


Wenn das Impersonal mit einem Personalpronomen verb<strong>und</strong>en wird, steht<br />

dieses in beiden Sprachen im Partitiv:<br />

D: Ich werde gesehen. Ich werde nicht gesehen.<br />

E: Mind nähakse. Mind ei nähakse.<br />

F: Minua nähtään. Minua ei nähtä.<br />

Wenn das Impersonal mit einem Agens, also nicht mit der gleichen Person<br />

verb<strong>und</strong>en wird, auf die sich die Aussage bezieht, muss der Satz zu einem<br />

Aktiv-Satz umgestülpt werden:<br />

D: Ich werde von meiner Ehefrau gesehen.<br />

E: Minu abikaasa näeb mind.<br />

F: Minun vaimoni näe minut.<br />

(Meine Ehefrau sieht mich.)<br />

Was im Deutschen <strong>und</strong> auch in den meisten germanischen <strong>und</strong><br />

romanischen Sprachen möglich ist (Englisch: I am being seen by my wife<br />

- Französisch: je suis vu par ma femme - Italienisch: sto venendo visto da<br />

mia moglie - Spanisch: estoy siendo visto por mi esposa - Portugiesisch:<br />

estou sendo visto pela minha esposa), ist also im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Finnischen</strong> ausgeschlossen.<br />

Imperfekt<br />

Auch diese Zeit wird mit dem Impersonal häufig verwendet. Sie wird<br />

gebildet, indem im <strong>Estnischen</strong> die Endung „-kse“ <strong>des</strong> Präsens durch die<br />

Partizip-Endungen „-ti“ oder „-di“ <strong>und</strong> im <strong>Finnischen</strong> „-aan“ <strong>und</strong> „-ään“<br />

durch „-iin“ ersetzt werden. Wann genau im <strong>Estnischen</strong> die eine oder<br />

andere Endung zum Zug kommt, hängt von so komplizierten Laut- <strong>und</strong><br />

Buchstabengesetzen ab, dass ich allein mit diesen ein halbes Buch füllen<br />

könnte.<br />

Die gleichen Verben wie oben sehen im Impersonal <strong>des</strong> Imperfekts so<br />

aus:<br />

237


D: man ass, man fragte, man gab, man ging, man kam, man nahm, man<br />

sagte, man schrieb, man sah, man sang, man trank, man wusste; man<br />

war, man durfte, man konnte, man musste/sollte, man wollte<br />

E: söödi, küsidi, andi, mindi, tulti, võitti, räägiti, kirjutati, nähti, lauldi, joodi,<br />

tehti; olli, tohtidi, võidadi, pidadi, taheti<br />

F: syötiin, kysytiin, annetiin, mentiin, tulkiin, otetiin, kirjoittiin, nähtiin,<br />

laulettiin, juotiin, tehtiin; oltiin, saatiin, voitiin, täytiin, tahdotiin, halutiin<br />

Auch hier wird bei einer Verneinung im <strong>Estnischen</strong> einfach nur „ei“<br />

vorangestellt, wobei „-di“ <strong>und</strong> „-ti“ durch die Partizipien der „da-Infinitive“<br />

ersetzt werden, während im <strong>Finnischen</strong> die Endung „-iin“ je nachdem, wie<br />

ein Impersonal in einer bejahenden Aussage geschrieben wird, durch<br />

diese vier Endungen ersetzt wird:<br />

-tu, -ty, -ttu, -tty<br />

D: man ass nicht, man fragte nicht, man gab nicht, man ging nicht, man<br />

kam nicht, man nahm nicht, man sagte nicht, man schrieb nicht, man<br />

sah nicht, man sang nicht, man trank nicht, man wusste nicht; man war<br />

nicht, man durfte nicht, man konnte nicht, man musste/sollte nicht, man<br />

wollte nicht<br />

E: ei söödud, ei küsidud, ei andud, ei mindud, ei tultud, ei võittud,<br />

ei räägitud, ei kirjoitatud, ei nähdud, ei lauldud, ei joodud, ei tehdud;<br />

ei oldud, ei tohtud, ei võidud, ei pidatud, ei tahetud<br />

F: ei syöty, ei kysyty, ei annetu, ei menty, ei tulku, ei otetu, ei kirjoittu,<br />

ei nähty, ei laulettu, ei juotu, ei tehtu; ei oltu, ei saatu, ei voitu,<br />

ei täyty, ei tahdotu, ei halutu<br />

D: Ich wurde gesehen. Ich wurde nicht gesehen.<br />

238


E: Mind nähti Mind ei nähti.<br />

F: Minua nähtiin. Minua ei nähty.<br />

D: Ich wurde von meiner Ehefrau gesehen.<br />

E: Minu abikaasa nägi mind.<br />

F: Minun vaimoni näi minut.<br />

(Meine Ehefrau sah mich.)<br />

Perfekt<br />

Auch in dieser Zeit kommt das Impersonal vor, allerdings genauso wie in<br />

den anderen Modi nur selten. Es wird im <strong>Estnischen</strong> allein mit „on“ <strong>und</strong><br />

genauso wie die Verneinung im Imperfekt mit den Partizipien der „da-<br />

Verben“ gebildet. Weiter oben habe ich erwähnt, dass diese in den<br />

Alltagsgesprächen nicht so häufig vorkommen wie die Partizipien der „ma-<br />

Verben“, aber hier sind sie vorgeschrieben, weil das Impersonal immer<br />

von den „da-Verben“ gebildet wird. Im <strong>Finnischen</strong> verhält es sich genau<br />

gleich, die Partizipien sind mit denen im verneinten Imperfekt identisch:<br />

D: man hat gegessen, man hat gefragt, man hat gegeben, man ist<br />

gegangen, man ist gekommen, man hat genommen, man hat gesagt,<br />

man hat geschrieben, man hat gesehen, man hat gesungen, man hat<br />

getrunken, man hat gewusst; man ist gewesen, man hat gedurft, man<br />

hat gekonnt, man hat gemusst/gesollt (im Deutschen nicht üblich), man<br />

hat gewollt<br />

E: on söödud, on küsitud, on andnud, on mindud, on tultud, on võitud,<br />

on räägitud, on kirjutatud, on nähtud, on lauldud, on joodud, on tehtud;<br />

on oldud, on tohdud, võidud, on pidatud, on tahetud<br />

239


F: on syöty, on kysyty, on annetu, on menty, on tulku, on otetu, on kirjoittu,<br />

on nähty, on laulettu, on juotu, on tehtu; on oltu, on saatu, on voitu,<br />

on täyty, on tahdotu, on halutu<br />

Bei einer Verneinung steht einfach „ei ole“ davor, ohne dass sich etwas<br />

ändert:<br />

D: man hat nicht gegessen, man hat nicht gefragt, man hat nicht<br />

gegeben, man ist nicht gegangen…<br />

E: ei ole söödud, ei ole küsitud, ei ole andnud, ei ole mindud…<br />

F: ei ole syöty, ei ole kysyty, ei ole annetu, ei ole mintu…<br />

D: Ich bin gesehen worden. Ich bin nicht gesehen worden<br />

E: Mind on nähtud. Mind ei ole nähtud.<br />

F: Minua on nähty. Minua ei ole nähty.<br />

D: Ich bin von meiner Ehefrau gesehen worden.<br />

E: Minu abikaasa on nähnud mind. (also nicht „nähtud“)<br />

F: Minun vaimoni on nähnyt minut.<br />

(Meine Ehefrau hat mich gesehen.)<br />

Plusquamperfekt<br />

Hier läuft alles genau gleich wie im Perfekt, nur wird „on“ durch „oli“ ersetzt,<br />

<strong>und</strong> bei einer Verneinung steht einfach „ei oli“ davor, ohne dass sich etwas<br />

ändert:<br />

D: man hatte gegessen, man hatte gefragt, man hatte gegeben, man war<br />

gegangen…<br />

E: oli söödud, oli küsitud, oli andnud, oli mindud…<br />

240


F: oli syöty, oli kysyty, oli annetu, oli mintu…<br />

D: man hatte nicht gegessen, man hatte nicht gefragt, man hatte nicht<br />

gegeben, man war nicht gegangen…<br />

E: ei oli söödud, ei oli küsitud, ei ole andnud, ei ole mindud…<br />

F: ei oli syöty, ei oli kysyty, ei oli annetu, ei oli mintu…<br />

D: Ich war gesehen worden. Ich war nicht gesehen worden.<br />

E: Mind oli nähtud. Mind ei oli nähtud.<br />

F: Minua oli nähty. Minua ei oli nähty.<br />

D: Ich war von meiner Ehefrau gesehen worden.<br />

E: Minu abikaasa oli nähnud mind. (also nicht „nähtud“)<br />

F: Minun vaimoni oli nähnyt minut.<br />

(Meine Ehefrau hatte mich gesehen.)<br />

Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv Präsens<br />

Diese beiden Zeiten werden gebildet, indem im <strong>Estnischen</strong> bei der<br />

Präsens-Endung „- kse“ das „e“ weggelassen wird <strong>und</strong> im <strong>Finnischen</strong> „-<br />

tiin“ <strong>und</strong> „-ttiin“ durch diese vier ersetzt werden:<br />

-taisiin, -täisiin, -ttaisiin, -ttäisiin<br />

D: man würde essen/fragen/geben/gehen/kommen/nehmen/sagen/<br />

schreiben/sehen/singen/trinken/wissen/sein/dürfen/können/müssen/<br />

sollen/wollen<br />

E: süüaks, küsidaks, annaks, minnaks, tullaks, võttaks, räägiks, kirjutaks,<br />

241


nähaks, lauldaks, juuaks, tehaks; ollaks, tohdidaks, voitaks, pidaks,<br />

tahedaks<br />

F: syötäisiin, kysytäisiin, antaisiin, mentaisiin, tulkaisiin, otetaisiin,<br />

kirjoittaisiin, nähtäisiin, laulettaisiin, juotaisiin, tehtaisiin; oltaisiin,<br />

saataisiin, voitaisiin, täytäisiin, tahdotaisiin, halutaisiin<br />

Bei einer Verneinung steht im <strong>Estnischen</strong> einfach wieder ein „ei“ davor,<br />

ohne dass sich etwas ändert, während im <strong>Finnischen</strong> die Endung „-siin“<br />

durch das ebenfalls schon bekannte „-si“ ersetzt wird:<br />

D: man würde nicht essen/fragen/geben/gehen…<br />

E: ei süüaks, ei küsidaks, ei annaks, ei minnaks…<br />

F: ei syötäisi, ei kysytäisi, ei antaisi, ei mentaisi…<br />

D: Man würde mich sehen. Man würde mich nicht sehen.<br />

E: Mind nähaks. Mind ei nähaks.<br />

F: Minua nähtäisiin. Minua ei nähtäisi.<br />

D: Ich würde von meiner Ehefrau gesehen werden.<br />

E: Minu abikaasa nähiks mind. (Konditional Präsens Aktiv)<br />

F: Minun vaimoni näisi minut<br />

(Meine Ehefrau würde mich sehen.)<br />

D: Wenn man mich sähe. Wenn man mich nicht sähe.<br />

E: Kui mind nähaks. Kui mind ei nähaks.<br />

F: Jos minua nähtäisiin. Jos minua ei nähtäisi.<br />

D: Wenn ich von meiner Ehefrau gesehen würde.<br />

E: Kui minu abikaasa nähiks mind. (Konditional Präsens Aktiv)<br />

242


F: Jos minun vaimoni näisi minut.<br />

(Wenn meine Ehefrau mich sähe/sehen würde.)<br />

Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv Perfekt<br />

Während im <strong>Estnischen</strong> wieder die Konjugation <strong>des</strong> Konditionals von „olla“<br />

<strong>und</strong> die schon bekannten Partizipien der „da-Verben“ zum Zug kommen,<br />

trifft das im <strong>Finnischen</strong> auf die gleichen zu, die oben schon im Perfekt <strong>und</strong><br />

Plusquamperfekt aufgeführt worden sind:<br />

D: man hätte gegessen/gefragt/gegeben, man wäre gegangen…<br />

E: oleks söödud, oleks küsitud, oleks andnud, oleks mindud…<br />

F: olisi syöty, olisi kysyty, olisi annetu, olisi mintu…<br />

Bei einer Verneinung wird in beiden Sprachen einfach nur ein „ei“<br />

davorgesetzt, ohne dass sich etwas ändert:<br />

D: man hätte nicht gegessen/gefragt/gegeben, man wäre nicht gegangen..<br />

E: ei oleks söödud, ei oleks küsitud, ei oleks andnud, ei oleks mindud…<br />

F: ei olisi syöty, ei olisi kysyty, ei olisi annetu, ei olisi mintu…<br />

D: Man hätte mich gesehen. Man hätte mich nicht gesehen.<br />

E: Mind oleks nähtud. Mind ei oleks nähtud.<br />

F: Minua olisi nähty. Minua ei olisi nähty.<br />

D: Ich wäre von meiner Ehefrau gesehen worden.<br />

E: Minu abikaasa oleks nähnud mind. (also nicht „nähtud“)<br />

F: Minun vaimoni olisi nähnyt minut. (Konditional Perfekt Aktiv)<br />

(Meine Ehefrau hätte mich gesehen.)<br />

243


D: Wenn man mich gesehen hätte. Wenn man mich nicht gesehen hätte.<br />

E: Kui mind oleks nähtud. Kui mind ei oleks nähtud.<br />

F: Jos minua olisi nähty. Jos minua ei olisi nähty.<br />

D: Wenn ich von meiner Ehefrau gesehen worden wäre.<br />

E: Kui minu abikaasa oleks nähnud mind. (also nicht „nähtud“)<br />

F: Jos minun vaimoni olisi nähnyt minut. (Konditional Perfekt Aktiv)<br />

(Wenn meine Ehefrau mich gesehen hätte.)<br />

Nach der ausführlichen Behandlung aller sechs möglichen Konjugationen<br />

<strong>des</strong> Impersonals oder <strong>des</strong> Passivs kommen jetzt noch drei Spezialmodi,<br />

von denen es die zwei ersten nur im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> den dritten nur im<br />

<strong>Finnischen</strong> gibt.<br />

244


Der estnische Modus obliquus<br />

Dieser wird auch Abhängigkeitsform genannt <strong>und</strong> kommt nur im<br />

<strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> zudem fast nur in der Schriftsprache vor, aber es ist<br />

möglich, mit ihm eine gewisse sprachliche Eleganz auszudrücken. Er wird<br />

dann verwendet, wenn etwas vermutet wird, <strong>und</strong> kann im Deutschen etwa<br />

so ausgedrückt werden: Angeblich, vermutlich, wahrscheinlich, es heisst,<br />

man sagt, sie sagen. Er kommt nur im Präsens <strong>und</strong> Perfekt vor <strong>und</strong> hat für<br />

alle Personen nur eine Verbform, <strong>des</strong>halb muss das Personalpronomen<br />

auch in der ersten <strong>und</strong> zweiten Person Einzahl <strong>und</strong> Mehrzahl immer<br />

mitverwendet werden.<br />

mina/sina/tema/meie/teie es heisst, ich sei hier -<br />

nemad olevat siin<br />

ich soll hier sein<br />

usw.<br />

mina/sina/tema/meie/teie/ es heisst, ich sei hier gewesen -<br />

nemad olevat olnud siin<br />

ich soll hier gewesen sein<br />

usw.<br />

Bei einer Verneinung wird einfach nur das bekannte „ei“ vorangestellt:<br />

mina/sina/tema/meie/teie/ es heisst, ich sei nicht hier -<br />

nemad ei olevat siin<br />

ich soll nicht hier sein<br />

usw.<br />

mina/sina/tema/meie/teie/ es heisst, ich sei nicht hier<br />

nemad ei olevat olnud siin gewesen<br />

ich soll nicht hier gewesen sein<br />

usw.<br />

Weitere Beispielsätze:<br />

Es heisst, ich lese viel.<br />

Du bist angeblich nicht gekommen.<br />

Mina lugevat palju.<br />

Sina ei olevat tulnud.<br />

245


Dieses Buch soll nicht gut sein.<br />

See raamat ei olevat head.<br />

(head = Partitiv)<br />

Er hat dein Buch wohl gelesen.<br />

Tema olevat loenud sinu raamatut.<br />

Das Partizip <strong>des</strong> Modus obliquus wird im Gegensatz zum Impersonal nicht<br />

von den „da-Infinitiven“, sondern immer von den „,ma-Infinitiven“ gebildet:<br />

olema - olevat, olevat olnud<br />

lugema - lugevat, olevat loenud (unregelmässig!)<br />

tulema - tulevat, olevat tulnud<br />

Das estnische Ger<strong>und</strong>ium<br />

Auch das ist eine estnische Spezialität, die nur in dieser Sprache<br />

vorkommt. Während der Modus obliquus von den „ma-Infinitiven“ gebildet<br />

wird, geschieht es hier genauso wie im Impersonal mit den „da-Infinitiven“.<br />

Damit kann ein Ger<strong>und</strong>ium, also eine gleichzeitig stattfindende Handlung<br />

ausgedrückt werden, die es im <strong>Finnischen</strong> zwar auch gibt, aber auf eine<br />

andere Weise. Am nächsten kommt diese estnische Ger<strong>und</strong>ium-<br />

Konstruktion dem bekannten Denken in den romanischen Sprachen <strong>und</strong><br />

im Englischen:<br />

Deutsch: Als er nach Hause kam, fand er das Buch.<br />

Englisch: Coming home he fo<strong>und</strong> the book.<br />

Italienisch: Venendo a casa ha trovato il libro.<br />

Spanisch: Viniendo en casa ha encontrado el libro.<br />

Im <strong>Estnischen</strong> wird das Ger<strong>und</strong>ium dadurch gebildet, dass die Infinitiv-<br />

Endungen „-a“, „-da“ <strong>und</strong> „-ta“ gestrichen <strong>und</strong> durch „-es“, „-<strong>des</strong>“ <strong>und</strong> „-tes“<br />

ersetzt werden <strong>und</strong> damit eine neue Konstruktion im Inessiv entsteht:<br />

Als er nach Hause kam, fand er das Buch.<br />

Koju tulles leidis tema raamatu üles. (tulla - tulles)<br />

246


Wenn ich liebe, bin ich immer stark. (Eigentlich: Durch Liebe)<br />

Armasta<strong>des</strong> olen alati tugev. (armastada - armasta<strong>des</strong>)<br />

Als er zurückging, fing er an zu singen.<br />

(Eigentlich: Zurückgehend - bei seiner Rückkehr)<br />

Tagasi minnes hakkas tema laulma. (minna - minnes)<br />

(zurück = tagasi; laulma = ma-Infinitiv, da Beginn einer Handlung)<br />

Meine Schwester kam lächelnd zurück.<br />

Minu õde tuli naerates tagasi. (naerata - naerates)<br />

Sie gingen singend weiter.<br />

Nemad läksid laul<strong>des</strong> edasi. (laulda - laul<strong>des</strong>)<br />

(weiter = edasi)<br />

Die Kinder kamen angerannt.<br />

Lasped tulid joostes. (jooksta - joostes = Ausnahme)<br />

Durch Lesen lernen wir.<br />

Luge<strong>des</strong> õpime. (lugeda - luge<strong>des</strong>)<br />

Mit dem Essen wächst der Appetit.<br />

Süües kasvab isu. (süüa - süües)<br />

(wachsen = kasvama, kasvada)<br />

Auch bei diesen acht Beispielsätzen ist die starke germanische<br />

Beeinflussung der Satzstruktur deutlich zu erkennen.<br />

247


Der finnische Potentialis<br />

Dieser hat nicht direkt mit dem Konditional oder Konjunktiv zu tun, wie der<br />

Name auf den ersten Blick auszusagen scheint. Genauso wie der oben<br />

vorgestellte Modus obliquus <strong>und</strong> die Ger<strong>und</strong>ium-Konstruktion mit dem<br />

„da-Infinitiv“ <strong>und</strong> dem Inessiv nur im <strong>Estnischen</strong> vorkommen, ist der<br />

Potentialis, der am besten mit den Wörtern „dürfte“ <strong>und</strong> „wird“<br />

wiedergegeben werden kann, nur im <strong>Finnischen</strong> anzutreffen. Auch dieser<br />

kommt nur im Präsens <strong>und</strong> Perfekt <strong>und</strong> fast nur in der Schriftsprache vor,<br />

aber auch mit ihm ist es möglich, eine gewisse sprachliche Eleganz<br />

auszudrücken.<br />

Er wird gebildet, indem die Infinitiv-Endungen „-aa“ <strong>und</strong> „-ää“ durch das<br />

Infix „ne“ ersetzt werden, dem die entsprechenden Personalpronomina<br />

folgen. Bei den Infinitiven, die auf nur einem „a“ oder „ä“ enden, gibt es ein<br />

paar Konsonantenverschiebungen. Im Gegensatz zum estnischen Modus<br />

obliquus wird im Potentialis alles durchkonjugiert.<br />

antaa (geben) - antanen<br />

antanet<br />

antanee<br />

antanemme<br />

antanette<br />

antanevat/annettaneen<br />

ich dürfte/werde wohl geben<br />

usw.<br />

kirjoittaa (schreiben) - kirjoittanen ich dürfte/werde wohl schreiben<br />

kirjoittanet usw.<br />

kirjoittanee<br />

kirjoittanemme<br />

kirjoittanette<br />

kirjoittanevat/kirjoittettaneen<br />

248


sanoa (sagen) - sanonen/sanottanen ich dürfte/werde wohl sagen<br />

sanonet/sanottanet usw.<br />

sanonee/sanottanee<br />

sanonemme/sanottanemme<br />

sanonette/sanottanette<br />

sanonevat/sanottanevat<br />

tulla (kommen) - tullen<br />

tullet<br />

tullee<br />

tullemme<br />

tullette<br />

tultaneen<br />

ich dürfte/werde wohl kommen<br />

usw.<br />

Die Verbformen „tullen“, „tullet“ usw. unterscheiden sich mit Ausnahme der<br />

dritten Person Mehrzahl von denen im Präsens nur dadurch, dass sie ein<br />

„l“ mehr haben.<br />

Für das Verb „olla“ gibt es eine eigene Konjugation:<br />

lienen ich dürfte/werde minulla lienee ich dürfte/werde<br />

lienet<br />

lienee<br />

lienemme<br />

lienette<br />

lienevät<br />

wohl sein<br />

sinulla lienee<br />

hänellä lienee<br />

meillä lienee<br />

teillä lienee<br />

heillä lienee<br />

wohl haben<br />

In der Umgangssprache wird „lienee“ oft zu „lie“ abgekürzt.<br />

249


Bei einer Verneinung wird gleich konjugiert wie oben bei den anderen<br />

Verben:<br />

en antane, et antane, ei antane, emme antane, ette antane, eivät antane<br />

en kirjoittane, et kirjoittane…<br />

en sanone/sanottane, et sanone/sanottane…<br />

en tulle, et tulle…<br />

en liene, et liene…<br />

Da das Perfekt bei allen Verben mit „olla“ gebildet wird, gibt es auch im<br />

Potentialis keine Ausnahme:<br />

lienen antanut/kirjoittanut/sanonut<br />

lienet antanut/kirjoittanut/sanonut<br />

lienemme antaneet/kirjoittaneet/<br />

sanoneet<br />

ich dürfte/werde wohl gegeben/<br />

geschrieben/gesagt haben<br />

du dürftest/wirst wohl gegeben/<br />

geschrieben/gesagt haben<br />

wir dürften/werden wohl gegeben/<br />

geschrieben/gesagt haben<br />

lienen tullut<br />

lienet tullut<br />

lienemme tulleet<br />

ich dürfte/werde wohl gekommen sein<br />

du dürftest/wirst wohl gekommen sein<br />

wir dürften/werden wohl gekommen<br />

sein<br />

lienen ollut<br />

lienet ollut<br />

lienemme olleet<br />

ich dürfte/werde wohl gewesen sein<br />

du dürftest/wirst wohl gewesen sein<br />

wir dürften/werden wohl gewesen sein<br />

Tämä lienee ollut.<br />

Das dürfte/wird es wohl gewesen sein.<br />

250


Bei einer Verneinung gelten auch hier die gleichen Regeln wie bei den<br />

anderen Verben:<br />

en liene antanut/kirjoittanut/sanonut<br />

emmme liene antaneet/kirjoittaneet/<br />

sanoneet<br />

en liene tullut<br />

emme liene tulleet<br />

en liene ollut<br />

emme liene olleet<br />

ich dürfte/werde wohl nicht<br />

gegeben/geschrieben/gesagt<br />

haben<br />

wir dürften/werden wohl nicht<br />

gegeben/geschrieben/gesagt<br />

haben<br />

ich dürfte/werde wohl nicht<br />

gekommen sein<br />

wir dürften/werden wohl nicht<br />

gekommen sein<br />

ich dürfte/werde wohl nicht<br />

gewesen sein<br />

wir dürften/werden wohl nicht<br />

gewesen sein<br />

Der Potentialis kann auch im Passiv vorkommen:<br />

Kirjasi luettanee.<br />

Kirjasi lienee luettu.<br />

Kirjasi ei luettane.<br />

Kirjasi ei liene luettu.<br />

Dein Buch dürfte/wird wohl gelesen werden.<br />

Dein Buch dürfte/wird wohl gelesen worden sein.<br />

Dein Buch dürfte/wird wohl nicht gelesen werden.<br />

Dein Buch dürfte/wird wohl nicht gelesen worden<br />

sein.<br />

Da an Stelle von „dürfte“ im Deutschen immer auch mit „wird“ übersetzt<br />

werden kann, weil der Sinn der gleiche bleibt, kommt hier also das Futur<br />

II zum Vorschein, das es im <strong>Finnischen</strong> formal nicht gibt, aber sehr wohl<br />

in allen romanischen <strong>und</strong> germanischen sowie in den beiden baltischen<br />

Sprachen. Auch dort wird diese Zeit jedoch fast immer nur dann<br />

verwendet, wenn etwas vermutet oder erhofft wird.<br />

251


Partizipial-Konstruktionen<br />

Neben dem Potentialis gibt es im <strong>Finnischen</strong> noch vier Partizip-<br />

Konstruktionen, die ebenfalls fast nur der Schriftsprache angehören, aber<br />

in den Alltagsgesprächen trotzdem vorkommen können.<br />

Das Partizip Präsens Aktiv<br />

Das kommt auch im <strong>Estnischen</strong> vor. Die Endungen sind diese:<br />

E: -ev<br />

F: -va, -vä<br />

D: Eine Deutsch sprechende Studentin ist hierher gekommen.<br />

E: Saksa keelt räägev üliõpilane on tulnud siia.<br />

F: Saksaa puhuva ylioppilas on tullut tänne.<br />

D: Ich sah die auf dem Tisch liegenden Bücher.<br />

E: Mina nägin laual olevaid raamatude.<br />

F: Minä näin pöydällä oleva kirjat.<br />

(olevaid = Mehrzahlform von „olev“)<br />

Dekliniert sehen die estnischen Formen von „räägev“ <strong>und</strong> „olev“ so aus:<br />

Einzahl: räägev, räägeva, räägevat, räägevas, räägevasse, räägevast,<br />

räägeval, räägevale, räägevalt, räägevana, räägevaks,<br />

räägevata, räägevaga, räägevani<br />

Mehrzahl: räägevad, räägevate, räägevaid, räägevais/räägevates,<br />

räägevaisse/räägevatesse, räägevaist/räägevatest,<br />

252


äägevail/räägevatel, räägevaile/räägevatele, räägevailt/<br />

räägevatelt, räägevatena, räägevateks, räägevateta,<br />

räägevatega, räägevateni<br />

Einzahl: olev, oleva, olevat, olevas, olevasse, olevast, oleval, olevale,<br />

olevalt, olevana, olevaks, olevata, olevaga, olevani<br />

Mehrzahl: olevad, olevate, olevaid, olevais/olevates, olevaisse/<br />

olevatesse, olevaist/olevatest, olevail/olevatel, olevaile/<br />

olevatele, olevailt/olevatelt, olevatena, olevateks, olevateta,<br />

olevatega, olevateni<br />

Ich habe diese Deklinationen aufgeführt, um zu zeigen, um wie viel<br />

komplexer das Estnische auch hier ist, während die finnischen Partizipien<br />

im Präsens Aktiv unverändert bleiben: puhuva, oleva.<br />

Im <strong>Estnischen</strong> können Sätze vorkommen, die rein formal eigentlich zum<br />

oben vorgestellten Modus obliquuus gehören, aber identisch scheinen,<br />

weil der Partitiv Einzahl die gleiche Endung hat:<br />

D: Ich hörte dich kommen. Ich sah dich gehen.<br />

E: Mina kuulsin sind tulevat. Mina nägin sind minevat.<br />

aber: Ich hörte euch kommen.<br />

Ich sah euch gehen.<br />

Mina kuulsin teid tulevaid. (!) Mina nägin teid minevaid. (!)<br />

Im <strong>Finnischen</strong> sind auch solche Sätze möglich:<br />

Tämä tyttö on viehettävä.<br />

Dieses Mädchen ist reizend.<br />

(reizen = viehättä)<br />

253


Das Partizip Präsens Passiv<br />

Auch hier hat das Estnische eigene Formen. Die Endungen sind diese:<br />

E: -dav, -tav (Einzahl); -davad, -tavad (Mehrzahl)<br />

F: -tava, -ttava, -tävä, -ttävä; -tavat, -ttavat, -tävät, -ttävät<br />

D: Auf dem Tisch liegt noch eine zu bezahlende Rechnung.<br />

E: Laual on veel maksatav arve.<br />

F: Pöydällä on vielä maksettava lasku.<br />

(bezahlen = maksaa)<br />

D: Auf dem Tisch liegen noch die zu bezahlenden Rechnungen.<br />

E: Laual on veel maksatavad arvede.<br />

F: Pöydällä ovat vielä maksettavat laskut.<br />

(kein Partitiv, da „laskut“ auch etwas Bestimmtes sein kann)<br />

Im <strong>Estnischen</strong>, <strong>des</strong>sen Partizip-Formen <strong>des</strong> Präsens Passiv mit dem „tud-<br />

Partizip“ gebildet werden, also mit den Partizipien der „da-Verben“, wird<br />

auch hier durchdekliniert:<br />

Einzahl: maksatav, maksatava, maksatavat, maksatavas, maksatavasse,<br />

maksatavast, maksataval, maksatavale, maksatavalt, maksatavana,<br />

maksatavaks, maksatavata, maksatavaga, maskatavani<br />

Mehrzahl: maksatavad, maksatavate, maksatavaid, maksatava<strong>des</strong>,<br />

maksatava<strong>des</strong>se, maksatava<strong>des</strong>t, maksatavadel, maksatavadele,<br />

maksatavadelt, maksatavadena, maksatavadeks, maksatavadeta,<br />

maksatavadega, maksatavadeni<br />

Andere Formen: loetav (lesbar, zu lesen), müüdav (verkäuflich, zu<br />

verkaufen), õpitav (lernbar, zu lernen), saadav (erhältlich, zu bekommen).<br />

254


Ein vertiefter Einstieg ist hier für die Fremdsprachigen nicht zu empfehlen,<br />

aber auch diese Deklinationstabellen gehören zu dem, was das Estnische<br />

so besonders macht, das zumin<strong>des</strong>t in diesem Bereich noch komplizierter<br />

ist als das Finnische.<br />

Das Partizip Präsens Passiv kommt im <strong>Finnischen</strong> bei Verben wie<br />

„müssen“ <strong>und</strong> „sollen“ häufig vor:<br />

Sinun on syötävä = sinun täytyy syödä (Umgangssprache: syömä).<br />

Du musst etwas essen.<br />

Autoni on korjattavana.<br />

Mein Wagen ist in der Reparatur.<br />

(reparieren = korjata)<br />

Bemerkenswert ist, dass hier der Essiv verwendet wird.<br />

Minä vein autoni korjattavaksi.<br />

Ich habe meinen Wagen zur Reparatur gebracht.<br />

(bringen im Sinn von geleiten = viedä, Imperfekt vein, veit usw.)<br />

In diesem Satz kommt auch noch ein Translativ zum Vorschein, weil der<br />

Zweck der Handlung deutlich angegeben wird.<br />

Während der Essiv in solchen Sätzen ein Unterworfensein ausdrückt, wird<br />

der Translativ für ein Unterworfenwerden verwendet, aber diese<br />

Feinheiten werden auch von vielen Finnen nicht richtig beherrscht.<br />

255


Das Partizip Perfekt Aktiv<br />

Die Endungen sind im <strong>Finnischen</strong> diese:<br />

-nut, -nyt (im Nominativ Einzahl <strong>und</strong> Partitiv Einzahl)<br />

-nee (in allen übrigen Kasus in der Einzahl)<br />

-nei (in allen übrigen Kasus in der Mehrzahl)<br />

Paketin tuonut mies oli ystäväni.<br />

Der Mann, der das Paket gebracht hat, war mein Fre<strong>und</strong>.<br />

Leena toi vilustuneelle miehelle lääken.<br />

Leena brachte ihrem erkälteten Mann das Medikament.<br />

(sich erkälten = vilustua, Medikament = lääke)<br />

Äiti antoi vilustuneille lapsillensä maitoa.<br />

Die Mutter gab ihren erkälteten Kindern Milch.<br />

256


Das Partizip Perfekt Passiv<br />

Das kommt auch wieder im <strong>Estnischen</strong> vor. Die Endungen sind diese:<br />

E: -dud, -tud (von den „da-Verben“ abgeleitet)<br />

F: -tu, -ttu, ty, -tty<br />

D: Dieses vom Land gebrachte Brot ist gut.<br />

E: See maalt tuunud leib on hea.<br />

F: Tämä maalta tuotu leipä on hyvä.<br />

D: Das von Deutschland geschickte Paket ist angekommen.<br />

E: Saksamast saatud pakk on tulnud.<br />

F: Saksasta lähetty paketti on tullut.<br />

D: Diese gelesenen Bücher kommen von den verkauften Häusern.<br />

E: Need loetud raamatute tulevad müüdud maja<strong>des</strong>t.<br />

F: Nämä luettu kirjat tulevat myytty taloista.<br />

D: Diese Äpfel sind gewaschen.<br />

F: Nämä omenat ovat pestyjä.<br />

(waschen = pestä, pestyjä = Partitivform)<br />

D: Möchtest du Bratkartoffeln oder gekochte Bratkartoffeln?<br />

F: Haluaisitko paistettuja perunoita vai keitettyjä?<br />

(braten = paistaa, Kartoffeln = perunat, kochen = keittää;<br />

beide Male steht hier der Partitiv für eine Teilmenge)<br />

257


Da diese vorgestellten Partizip-Konstruktionen, die nur dann verändert<br />

werden, wenn eine Aussage mit „olla“ (sein) verb<strong>und</strong>en wird (pesty -<br />

pestyjä, also im Partitiv) von den Fremdsprachigen nur nach langer<br />

Sprechpraxis richtig angeeignet werden können, empfiehlt es sich auch<br />

hier, solche Sätze so weit wie möglich mit einem Relativpronomen zu<br />

umschreiben:<br />

D: Eine Studentin, die Deutsch sprach, ist hierher gekommen.<br />

E: Uliõpilane, kes räägiks saksa keelt, on tulnud siia.<br />

Uliõpilane, kes saksa keelt räägid, on siia tulnud. (Deutsch beeinflusst)<br />

F: Ylioppilas, joka puhui saksaa, on tullut tänne.<br />

D: Ich sah Bücher, die sich auf dem Tisch befanden.<br />

E: Mina nägin raamatute, kes olid laual.<br />

Mina nägin raamatute, kes laual olid. (Deutsch beeinflusst)<br />

F: Minä näin kirjat, jotka olivat pöydällä.<br />

D: Auf dem Tisch liegt noch eine Rechnung, die zu bezahlen ist.<br />

E: Laual on veel arve, kes on maksatav.<br />

F: Pöydällä on vielä lasku, joka on maksettava.<br />

D: Der Mann, der das Paket brachte, war mein Fre<strong>und</strong>.<br />

E: Mees, kes tõi pakit, oli minu sõber.<br />

Mees, kes pakit tõi, oli minu sõber. (Deutsch beeinflusst)<br />

F: Mies, joka toi paketin, oli ystäväni.<br />

D: Das Brot, das sie vom Land brachten, war gut.<br />

E: Leib, keda nemad tõid maalt, oli hea.<br />

Leib, keda nemad maalt tõid, oli hea.<br />

F: Leipä, jonka he toivat maalta, oli hyvä.<br />

258


Die Infinitive I bis V<br />

Im krassen Gegensatz zur bisher behandelten Verbenwelt <strong>und</strong> erst recht<br />

zur estnischen <strong>und</strong> finnischen Umgangssprache, auf die ich weiter unten<br />

noch näher eingehe, stelle ich jetzt noch Grammatik-Bereiche vor, die es<br />

in dieser Form in keiner anderen europäischen Sprache gibt. Allerdings<br />

sind die Infinitive I bis V nicht solche, wie wir sie von fast allen anderen<br />

Sprachen kennen, sondern werden nur so genannt, weil diese besonderen<br />

Konstruktionen ja irgendeine Bezeichnung bekommen mussten, doch<br />

auch jetzt mit einer Einschränkung: In den estnischen Grammatikbüchern<br />

kommen diese Namen nicht vor, jedenfalls habe ich keine gesehen; also<br />

werden sie nur für das Finnische verwendet. In den Alltagsgesprächen<br />

kommen sie zwar nicht häufig vor, aber ab <strong>und</strong> zu eben doch, <strong>und</strong> in der<br />

Schriftsprache - <strong>und</strong> erst recht in der sogenannten gehobenen - wimmelt<br />

es sogar von ihnen.<br />

Der Infinitiv I<br />

Während im <strong>Estnischen</strong> diese Bezeichnung wie oben erwähnt nicht<br />

vorkommt, weil es ohnehin schon für je<strong>des</strong> Verb zwei verschiedene<br />

Infinitive gibt, wird im <strong>Finnischen</strong> zwischen einer kürzeren <strong>und</strong> einer<br />

längeren Form unterschieden.<br />

Die kürzere Form ist der einzige vorkommende „offizielle“ Infinitiv,<br />

während in der längeren das Infix „-kse-“, das von der Translativendung<br />

„-ksi“ abgeleitet wird, zwischen der kürzeren Form <strong>des</strong> Infinitivs <strong>und</strong> den<br />

entsprechenden Possessivsuffixen geschoben wird. Das sieht so aus:<br />

Ich will dich sehen.<br />

Minä haluan nähdä sinut.<br />

Minä haluan nähdä sinua.<br />

(nüchterne Aussage)<br />

(gefühlsbetont)<br />

Ich bin hierher gekommen, nur um dich zu sehen.<br />

Minä olen tullut tänne vain nähdäkseni sinut/sinua.<br />

259


Die Formel ist also diese: Infinitiv + kse + Possessivsuffix.<br />

Dabei muss das letztgenannte immer mit dem Subjekt <strong>des</strong> Satzes<br />

übereinstimmen.<br />

Ein anderes Beispiel:<br />

Wir essen <strong>und</strong> trinken, um zu leben.<br />

Me syömme ja juomme elääksemme.<br />

Der Infinitiv I wird also immer im Sinn von „um zu…“ verwendet, aber er<br />

kann auch vorkommen, wenn „sofern“ oder „soweit“ ausgedrückt werden<br />

sollen:<br />

sofern du das weisst = tietääksesi<br />

soweit ich mich erinnere = muistaakseni<br />

(muistaa = sich erinnern, mit Elativ)<br />

Aber auch in diesem stehenden Ausdruck kommt der Infinitiv I vor:<br />

sozusagen = niin sanoakseni (also in der ersten Person Einzahl)<br />

Im <strong>Estnischen</strong> ist diese Konstruktion unbekannt, dort wird sie ähnlich wie<br />

im Deutschen mit „dass“ umschrieben:<br />

Ich bin hierher gekommen, um dich zu sehen.<br />

Mina olen tulnud siia, et mina oksin näha sind. („da-Infinitiv“ bei Absicht)<br />

(…dass ich dich sehen konnte)<br />

260


Der Infinitiv II<br />

Dieser ist formal am schwersten zu bilden <strong>und</strong> kommt nur im <strong>Finnischen</strong><br />

vor, einerseits im Inessiv <strong>und</strong> Illativ (was noch leicht ist), <strong>und</strong> andererseits<br />

im Instruktiv, indem die Infinitiv-Endungen (-a, -ä-, -aa, -ää) durch „-en“<br />

sowie jene, die auf „-ea“ <strong>und</strong> „-eä“ enden, durch „-ien“ ersetzt werden.<br />

Im Inessiv <strong>und</strong> Illativ sieht es bei je zwei Beispielsätzen so aus:<br />

Als wir im Wald waren, fing es an zu regnen.<br />

Ollessamme metsässä alkoi sataa.<br />

Während ich Kaffee trank, rief mich Leena an.<br />

Minun juo<strong>des</strong>sa kahvia Leena soitti minulle.<br />

(also mit einem Genitiv: minun)<br />

Er raucht immer, wenn er ein Buch liest.<br />

Hän savutaa aina lukiessaan kirjan.<br />

Als wir im Hafen ankamen, war das Schiff schon ausgelaufen.<br />

Tullessamme satamaan laiva oli jo lähtenyt.<br />

In der Umgangssprache kommen diese Varianten viel mehr vor:<br />

Kuin olimme metsässä alkoi sataa.<br />

Kuin minä jöin kahvia Leena soitti minulle.<br />

Hän savutaa aina kuin hän lukee kirjan.<br />

Kuin tulimme satamaan laiva oli jo lähtenyt.<br />

Noch komplizierter wird es, wenn der Infinitiv II mit einem Instruktiv<br />

verwendet wird, aber es gibt wenigstens die oben erwähnte Regel, dass<br />

261


die Infinitiv-Endungen (-a, -ä, -aa, -ää) durch „-en“ sowie jene, die auf „-<br />

ea“ <strong>und</strong> „-eä“ enden, durch „-ien“ ersetzt werden:<br />

Wir kamen lachend nach Hause, aber nur Leena weinend.<br />

Me tulimme nauraen kotiin, mutta vain Leena itkien.<br />

(lachen = nauraa, weinen = itkeä)<br />

Wenn der Sommer kommt/kam, ziehen/zogen wir aufs Land.<br />

Kesän tullen muutamme/muutoimme maalle.<br />

(„Kesän“ steht auch hier im Genitiv. „Tullen“ kann in verschiedenen Zeiten<br />

stehen, dieses Wort ist mit dem Potentialis der ersten Person Einzahl<br />

identisch.)<br />

Ihr neuer Hut war offen gesagt furchtbar.<br />

Hänen uusi hattunsa oli suoraan sanoen kauhea.<br />

Auch mit einem Passiv ist der Infinitiv II möglich:<br />

Die Waren werden auf Wunsch nach Hause geliefert.<br />

Tavarat tuodaan haluttaessa kotiin.<br />

In der Umgangssprache könnte es so heissen:<br />

Me tulimme kotiin ja naurimme, mutta vain Leena itki.<br />

Kuin kesä tulee/tuli muutamme/muutoimme maalle.<br />

Hänen uusi hattunsa (auch: hattu) oli todella kauhea.<br />

(todella: Adverb von „todellinen“ = wirklich)<br />

Für die Fremdsprachigen ist die Verwendung <strong>des</strong> Infinitivs II nicht zu<br />

empfehlen, weil dieser eindeutig am schwersten zu meistern ist.<br />

262


Der Infinitiv III<br />

Dieser Infinitiv kommt auch namenlos im <strong>Estnischen</strong> ebenfalls vor <strong>und</strong><br />

wird in beiden Sprachen im Illativ, Inessiv, Elativ <strong>und</strong> Abessiv verwendet,<br />

das heisst also, dass die entsprechenden Endungen, die ich weiter oben<br />

im Kapitel über die verschiedenen Kasus aufgeführt habe, auch hier<br />

vorkommen.<br />

a) Da der Illativ im estnischen „ma-Infinitiv“ bereits enthalten ist, stelle ich<br />

diese Variante in beiden Sprachen zuerst vor:<br />

D: Ich gehe schwimmen. Ich ging schwimmen.<br />

E: Mina lähen ujuma. Mina läksin ujuma.<br />

F: Minä menen uidaan. Minä menin uidaan.<br />

Infinitive: ujuma/ujuda (E), uida (F) - im F. auch „uima“ (Umgangssprache)<br />

also: Mä menen uimaan, mä menin uimaan.<br />

b) Im Inessiv kommt auch das Estnische wieder voll zum Zug, wobei auch<br />

hier vom „ma-Infinitiv“ ausgegangen wird:<br />

D: Ich bin am Schwimmen. Ich war am Schwimmen.<br />

E: Mina olen ujumas. Mina olin ujumas.<br />

F: Minä olen uidassa. Minä olin uidassa.<br />

(Mä olen uimassa.)<br />

(Mä olin uimassa.)<br />

Auch in solchen Sätzen, die immer eine gleichzeitig stattfindende<br />

Handlung ausdrücken, kann der Inessiv <strong>des</strong> Infinitivs II vorkommen:<br />

D: Wir waren gerade am Schwimmen, als er kam.<br />

E: Me olime ujumas, kui tema tulib.<br />

F: Me olimme uidassa, kuin hän tuli.<br />

(Olimme uimassa, kuin hän tuli.)<br />

263


c) Im Elativ sieht es so aus:<br />

D: Wir kommen vom Schwimmen. Wir kamen vom Schwimmen.<br />

E: Me tuleme ujumast. Me tulime ujumast.<br />

F: Me tulemme uidasta. Me tulimme uidasta.<br />

(Tulemme uimasta.)<br />

(Tulimme uimasta.)<br />

d) Schliesslich auch noch der Abessiv:<br />

D: Die Arbeit blieb ungetan. Er kam, ohne eingeladen zu sein.<br />

E: Töö jäi tegemata. Tema tulib kutsumata.<br />

F: Työ jäi tekemättä. Hän tuli kutsuatta.<br />

Infinitive: tegema, kutsuma (E); tehdä, kutsua (F)<br />

e) Daneben gibt es im <strong>Finnischen</strong> auch noch den A<strong>des</strong>siv:<br />

D: Eine Sprache lernst du durch Sprechen <strong>und</strong> Lesen.<br />

F: Sinä oppit kielen puhumalla ja lukemalla.<br />

Wie wir sehen können, überschneiden sich hier der Illativ <strong>und</strong> der Inessiv<br />

teilweise mit den Aussagesätzen im Infinitiv II, aber um die Feinheiten<br />

richtig unterscheiden zu können, braucht es sehr viel Übung <strong>und</strong> damit<br />

auch einen längeren Aufenthalt im Land oder viel Konversation mit Exil-<br />

Finnen. Gerade auch <strong>des</strong>halb ist die Umschreibung vor allem mit „kun“<br />

(als, wenn) viel mehr zu empfehlen.<br />

264


Der Infinitiv IV<br />

Dieser Infinitiv, der auch im <strong>Estnischen</strong> vorkommt <strong>und</strong> mit dem im<br />

<strong>Finnischen</strong> sogar fast identisch ist, bildet die substantivierte Form eines<br />

Infinitivs <strong>und</strong> kann verwendet werden, wenn eine Möglichkeit oder<br />

Verpflichtung ausgedrückt wird, aber auch in gewöhnlichen<br />

Aussagesätzen. Im Gegensatz zu den anderen „Infinitiven“ wird dieser<br />

auch in anderen Kasus verwendet:<br />

D: (Das) Lesen ist oft schwer. Das Lernen von Sprachen.<br />

E: Lugemine on sageli raske. Keele<strong>des</strong> õppimine.<br />

F: Lukeminen on usein raskas. Kielten oppiminen. (mit Partitiv)<br />

D: Nach der Gründung dieser Stadt.<br />

E: Selle linna rajamined pärast. („rajamine“ im Partitiv vor „pärast“)<br />

F: Tämän kaupungin perustamisen jälkeen. („perustaminen“ im Genitiv)<br />

Voll durchdekliniert sehen die fast identischen „lugemine“ <strong>und</strong> „lukeminen“<br />

so aus:<br />

E: lugemine, lugemined, lugemint, lugemines, lugeminesse,<br />

lugeminest, lugeminel, lugeminele, lugeminelt, lugeminena,<br />

lugemineks, lugemineta, lugeminega, lugemineni<br />

F: lukeminen, lukemisen, lukemista, lukemisessä, lukemiseen,<br />

lukemisestä, lukemisellä, lukemiselle, lukemiseltä, lukemisenä,<br />

lukemiseksi, lukemisettä<br />

(kein Komitativ <strong>und</strong> Instruktiv)<br />

265


Der Infinitiv V<br />

Dieser kommt nur im <strong>Finnischen</strong> vor <strong>und</strong> auch dort nur selten. Er wird dann<br />

verwendet, wenn eine gerade stattfindende Handlung beschrieben wird,<br />

wobei es auf die Zeit nicht ankommt.<br />

Die Formel lautet so: Konjugierte Form von „olla“ + Infinitiv minus „a“ oder<br />

„ä“ + „maisi“ oder „mäisi“ + A<strong>des</strong>siv (+ Possessivpronomen):<br />

Er kauft sich gerade einen Hut.<br />

Hän ole ostamaisillaan hatun.<br />

(osta-maisi-llaan)<br />

Er kaufte sich gerade einen Hut.<br />

Hän oli ostamaisillaan hatun.<br />

Ich gehe gerade aus dem Haus.<br />

Minä olen menemäisilläni talosta.<br />

(mene-mäisi-llä-ni)<br />

Ich ging gerade aus dem Haus.<br />

Minä olin menemäisilläni talosta.<br />

In der finnischen Umgangssprache kommen die Instruktivformen der<br />

Infinitive II <strong>und</strong> der Infinitiv V praktisch nie vor, aber auffallend häufig die<br />

Infinitive I, III <strong>und</strong> IV <strong>und</strong> manchmal auch die Inessiv- <strong>und</strong> Illativformen <strong>des</strong><br />

Infinitivs II. Von den Fremdsprachigen wird sowieso nicht erwartet, dass<br />

sie diese alle beherrschen, <strong>und</strong> nur die wenigsten lesen Zeitungen wie die<br />

bekannte „Helsingin Sanomat“ oder Bücher der gehobenen Literatur. Ich<br />

habe diese verschiedenen „Infinitive“, die eigentlich gar keine solchen<br />

sind, auch hier nur aufgeführt, damit das Gesamtbild abger<strong>und</strong>et wird.<br />

266


Weitere grammatikalische Feinheiten<br />

Da es allein mit diesen möglich wäre, ein weiteres eigenes Buch zu<br />

schreiben, beschränke ich mich hier auf die häufigsten <strong>und</strong> nur auf das<br />

Finnische, das ich schon wegen meiner Herkunft nun einmal viel besser<br />

kenne als das Estnische, das abgesehen von den je zwei Infinitiven für<br />

alle Verben <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen Zusatzpartizipien nicht so viele<br />

Verfeinerungen aufweist wie die Schwestersprache nördlich <strong>des</strong><br />

<strong>Finnischen</strong> Meerbusens.<br />

1. Diese drei durchdeklinierten Varianten kommen häufig vor:<br />

ellen, ellet, ellei, ellemme, ellette, elleivät<br />

jollen, jollet, jollei, jollemme, jollette, jolleivät/jolleivat<br />

etten, ettet, ettei, ettemme, ettette, etteivät<br />

Die beiden oberen haben die gleiche Bedeutung <strong>und</strong> können solche<br />

verneinten Sätze verkürzen:<br />

Falls ich nicht komme.<br />

Jos en tule.<br />

Ellen tule.<br />

Jollen tule.<br />

Falls ich nicht kommen kann.<br />

Jos en voi tulla.<br />

Ellen voi tulla.<br />

Jollen voi tulla.<br />

Die Variante auf der dritten Linie (etten, ettet usw.) bedeutet „dass ich<br />

nicht“ usw. <strong>und</strong> „damit ich nicht“ usw. <strong>und</strong> ersetzt oft die Variante mit „et…“:<br />

Ich will, dass du nicht kommst.<br />

Minä haluan, sinä ettei tule.<br />

(Minä haluan, et sinä et tule.<br />

Minä tahdon, sinä ettei tule.<br />

(Minä tahdon, et sinä et tule.<br />

267<br />

Willst du, dass ich nicht komme?<br />

Haluatko, minä etten tule?<br />

Haluatko, et minä en tule?)<br />

Tahdotko, minä etten tule?<br />

Tahdotko, et minä en tule?)


Manchmal kann vor allem beim Verb „olla“ (sein) auch der Konjunktiv<br />

vorkommen, jedenfalls habe ich es so schon einmal gelesen:<br />

Wir tun alles, damit unser Land nicht wieder arm ist.<br />

Me tahdomme kaiken, maamme ettei olisi köyhää uudelleen.<br />

(…et maamme ei olisi…)<br />

(olisi = Konjunktiv, kyöhää = Partitiv, weil verneinter Satz)<br />

Im Zweifelsfall ist die Indikativ-Variante aber immer richtig, in diesem Satz<br />

also „ole“:<br />

Me tahdomme kaiken, maamme ettei ole köyhää uudelleen.<br />

(…et maamme ei ole…)<br />

2. Die Partizipialkonstruktion:<br />

Diese wird dadurch gebildet, dass die Infixe „-va-„ <strong>und</strong> „-vä-„ in ein Verb<br />

geschoben werden, um die Gleichzeitigkeit oder den baldigen Vollzug<br />

einer Handlung auszudrücken, wobei die Konstruktion auch bei einer<br />

Verneinung gleich bleibt:<br />

Leena sanoi tulevansa pian. = Leena sanoi, että hän tulee pian.<br />

Leena sagte, sie werde bald kommen.<br />

Leena sanoi ei tulevansa pian. = Leena sanoi, että hän ei tulee pian.<br />

Leena sagte, sie werde nicht bald kommen.<br />

Leena ei sanonut tulevansa pian. = L. ei sanonut, että hän tulee pian.<br />

Leena sagte nicht, sie werde bald kommen.<br />

Die vom Latein her bekannte „Consecutio temporum“, die im Englischen<br />

<strong>und</strong> in den romanischen Sprachen streng beachtet werden muss, kommt<br />

also nicht vor - auch <strong>des</strong>halb nicht, weil es formal ja kein Futur gibt <strong>und</strong><br />

der Konjunktiv nicht passen würde.<br />

Weitere Beispiele:<br />

Näin kupissa olevan vielä kahvia. = Näin, että oli vielä kahvia kupissa.<br />

268


Ich sah, dass in der Tasse noch Kaffee war.<br />

Näin kupissa ei olevan vielä kahvia. = Näin, että ei ollut kahvia kupissa.<br />

Ich sah, dass in der Tasse kein Kaffee war.<br />

En nähnyt kupissa olevan vielä kahvia. = En nähnyt, että oli vielä kahvia<br />

kupissa.<br />

Ich sah nicht, dass in der Tasse noch Kaffee war.<br />

Minä kuulin auton ajavan pihaan. = Minä kuulin, että auto ajoi pihaan.<br />

Ich hörte ein Auto in den Hof fahren.<br />

En kuullut auton ajavan pihaan. = En kuullut, että auto ajoi pihaan.<br />

Ich hörte kein Auto in den Hof fahren.<br />

Ursula kuuluu olevan ulkomailla. = He sanovat, että Ursula (ei) ole<br />

Ursula soll (nicht) im Ausland sein.<br />

ulkomailla.<br />

Hän kuuluu (ei) olevan ulkona. = He sanovat, että hän (ei) ole ulkona.<br />

Sie soll (nicht) draussen sein.<br />

Ilma tuntuu olevan kylmä. = Näyttää, että ilma ole kylmä.<br />

Das Wetter scheint kalt zu sein.<br />

Ilma tuntuu ei olevan kylmää. = Näyttää, että ilma ei ole kylmää.<br />

(Partitiv)<br />

Hänellä näyttää olevan hyvä sydän. = Näyttää, että hänellä ole hyvä sydä.<br />

Sie scheint ein gutes Herz zu haben.<br />

269


Hänellä näyttää ei olevan hyvää sydää. = Hänellä näyttää ei olevan hyvää<br />

Sie scheint kein gutes Herz zu haben.<br />

sydää. (Partitiv)<br />

Pussiset näkyvät ostaneen uuden auton.<br />

= Näyttää, että Pussiset ovat ostaneet uuden auton.<br />

Es scheint, dass die Pussinens einen neuen Wagen gekauft haben.<br />

Pussiset näkyvät ei ostaneen uutta autoa. (Partitiv)<br />

= Näyttää, että Pussiset ei olleet ostaneet uutta autoa.<br />

Daneben gibt es noch eine Partizipialkonstruktion, bei der das Infix „-ee“-<br />

in ein Verb geschoben wird, um die Vorzeitigkeit einer Handlung<br />

auszudrücken:<br />

Tiesin hänen puhuneen totta. = Tiesin, että hän oli puhunut totta.<br />

Ich wusste, dass sie die Wahrheit gesagt hatte.<br />

Tiesin hänen ei puhuneen totta. = Tiesin, että hän ei oli puhunut totta.<br />

Ich wusste, dass sie nicht die Wahrheit gesagt hatte.<br />

En tehnyt hänen puhuneen totta. = En tehnyt, että hän oli puhunut totta.<br />

Ich wusste nicht, dass sie die Wahrheit gesagt hatte.<br />

En tehnyt hänenkö puhuneen totta. = En tehnyt hänen puhuneenkö totta.<br />

Ich wusste nicht, ob sie die Wahrheit gesagt hatte.<br />

(Zur Erinnerung: Die Fragepartikel „-kö“ bedeutet hier „ob“.)<br />

Uskotteko olleenne tarpeeksi varonainen?<br />

= Uskotteko, että olette ollut tarpeeksi varonainen?<br />

Glauben Sie, vorsichtig genug gewesen zu sein?<br />

Ettekö usko olleenne tarpeeksi varonainen?<br />

270


= Ettekö usko, että olette ollut tarpeeksi varonainen?<br />

Glauben Sie nicht, vorsichtig genug gewesen zu sein?<br />

Wer Latein gelernt hat, erinnert sich bestimmt daran, dass solche<br />

Konstruktionen mit dem sogenannten ACI (Accusativus cum Infinitivo)<br />

auch dort möglich waren, aber nur in der Schriftsprache verwendet<br />

wurden.<br />

Drei der obigen Beispielsätze sehen so aus:<br />

Leena sagte, sie werde kommen.<br />

Lena eam venire dixit.<br />

(Vulgärlatein: Lena dixit, ut veniet.<br />

L. sagte nicht, sie werde kommen.<br />

Lena eam venire non dixit.<br />

Lena non dixit, ut veniet.)<br />

Sie scheint ein gutes Herz zu haben. Sie scheint kein gutes H. zu haben.<br />

Ei bonus cor essi apparitur. Ei bonus cor non essi apparitur.<br />

(VL: Apparitur, ut ei est bonus cor. Apparitur, ut ei non est bonus cor.<br />

Apparitur, ut ea habet un Apparitur, ut ea non habet un<br />

bonum cor.<br />

bonum cor.)<br />

Ich wusste, dass sie die Wahrheit (nicht) gesagt hatte.<br />

Sapiebam eam veritatem (non) dixisse.<br />

VL: Sapiebam, ut ea (non) habeba dictum veritatem.<br />

3. Die Temporalkonstruktion:<br />

Diese wird dadurch gebildet, dass die Infixe „-tu-„ oder „-ttu-„ in ein Verb<br />

geschoben werden, <strong>und</strong> unterscheidet sich von der zweiten Variante der<br />

Partizipialkonstruktion vor allem durch den Grad ihrer Aussage: Sie gilt<br />

nur als ein Nebensatz <strong>und</strong> muss immer vor dem stehen, was als Hauptsatz<br />

empf<strong>und</strong>en wird.<br />

Isän tultua kotiin syömme päivällistä.<br />

271


= Kun isä on tullut kotiin syömme päivällistä.<br />

Wenn Vater nach Hause gekommen ist, essen wir zu Mittag.<br />

Ilkka tuli iloiseksi saatuaan Ursulan kirjeen.<br />

= Ilkka tuli iloiseksi, kun oli saanut Ursulan kirjeen.<br />

Ilkka wurde froh, als er Ursulas Brief bekommen hatte.<br />

Hänen muutettuaan Helsingiin Leena ei ollut kirjoittanut mitään.<br />

= Kun hän oli muuttunut Helsingiin Leena ei ollut kirjoittanut mitään.<br />

Als/nachdem er/sie nach Helsinki gezogen war, hatte Leena nichts<br />

geschrieben (er oder sie = besser einen Namen verwenden).<br />

Minun annettuani lapsille rahaa he juoksivat heti kioskille.<br />

= Kun olin antanut lapsille rahaa he juoksivat heti kioskille.<br />

Als/nachdem ich den Kindern Geld gegeben hatte, rannten sie sofort zum<br />

Kiosk.<br />

Wie das letzte Beispiel mit „annettuani“ zeigt, können also auch bei der<br />

Temporalkonstruktion genauso wie beim Inifix „-ee-„ der<br />

Partizipialkonstruktion die Endungen der entsprechenden<br />

Personalpronomina angehängt werden.<br />

Da solche Ausdrücke nur in der Schriftsprache vorkommen, habe ich die<br />

Partizipial- <strong>und</strong> Temporalkonstruktionen hier nur aufgeführt, damit das<br />

Gesamtbild auch hier abger<strong>und</strong>et wird. Allerdings können vor allem mit<br />

„olevan“ solche Sätze auch in der Umgangssprache vorkommen, wenn<br />

sie nicht allzu lang geraten:<br />

Leena kuuluu olevan täällä.<br />

Leena scheint hier zu sein.<br />

272


4. Weitere Spezialkonstruktionen:<br />

a) Eine andauernde Handlung kann dadurch gebildet werden, dass nach<br />

dem Prädikat, also nach der eigentlichen Satzaussage, das gleiche Verb<br />

wiederholt wird, indem noch der Elativ <strong>und</strong> das entsprechende<br />

Possessivpronomen angehängt werden:<br />

Ich lief <strong>und</strong> lief.<br />

Minä juoksin juoksemistaani.<br />

Das Mädchen lacht <strong>und</strong> lacht.<br />

Tyttö nauraa nauramistaan.<br />

Wir singen <strong>und</strong> singen (ununterbrochen).<br />

Me laulamme laulamistaamme.<br />

b) Für „beginnen“ gibt es zwei Infinitive, von denen der eine mit dem<br />

Infinitiv I <strong>und</strong> der andere mit dem Infinitiv III verb<strong>und</strong>en werden:<br />

Sie beginnen zu singen.<br />

He alkavat laulaa.<br />

He rupevat laulamaan.<br />

(Infinitive: alkaa, ruveta = Stufenwechsel)<br />

Sie begannen zu singen.<br />

He alkoivat laulaa.<br />

He rupesivat laulamaan.<br />

Dazu gibt es für „beginnen“ noch einen dritten Infinitiv, der immer dann<br />

verwendet wird, wenn das Verb mit einem Substantiv verb<strong>und</strong>en wird:<br />

Sie fangen mit dem Bauen an.<br />

He aloittavat rakentaminen.<br />

Sie fingen mit der Lektüre an.<br />

He aloittivat lukeminen. (Inf. aloittaa)<br />

Obwohl ich bis hierher Dutzende von grammatikalischen Feinheiten<br />

aufgeführt habe, machen sie höchstens drei Viertel von dem aus, was die<br />

estnische <strong>und</strong> finnische Sprache bieten. Um wirklich alles behandeln zu<br />

können, würde ein einziges Buch nicht ausreichen, vor allem nicht dann,<br />

wenn nicht nur eine Sprache vermittelt wird, sondern deren zwei, die sich<br />

halt doch in vielen Punkten deutlich voneinander unterscheiden. Immerhin<br />

habe ich in diesem Buch das Wichtigste aufgeführt, das auch statistisch<br />

gesehen viel häufiger vorkommt als das, was ich hier „unterschlage“.<br />

273


Die Ableitungssuffixe<br />

Auch das ist ein unerschöpfliches Kapitel für sich - <strong>und</strong> im Gegensatz zu<br />

den oben vorgestellten Ausdrucksvarianten (Modus obliquus, Potentialis,<br />

Infinitive I bis V, Partizipial- <strong>und</strong> Temporalkonstruktion) kommen diese<br />

nicht nur in den beiden Schriftsprachen, sondern auch in den beiden<br />

Umgangssprachen häufig vor. Da es sowohl im <strong>Estnischen</strong> als auch im<br />

<strong>Finnischen</strong> mehr als zwanzig solche Suffixe gibt, beschränke ich mich auf<br />

die häufigsten <strong>und</strong> vor allem auf jene, die in beiden Sprachen fast<br />

identisch sind - <strong>und</strong> die zudem nicht allzu schwer zu bilden sind.<br />

Fast identische Suffixe<br />

1. Die häufigsten <strong>und</strong> auch auffallendsten sind diese, die für die<br />

Bezeichnung einer Nationalität <strong>und</strong> zugleich als Adjektive verwendet<br />

werden:<br />

Estnisch: -lane (Einzahl), -lased (Mehrzahl)<br />

Finnisch: -lainen (Einzahl), -laiset (Mehrzahl)<br />

D: Este, Finne, Lette, Litauer, Schwede, Norweger, Däne, Deutscher,<br />

Russe, Same (Lappe) - estnisch, finnisch, lettisch, litauisch usw.<br />

E: eestlane, soomlane, lätlane, leedulane, rootslane, norralane, taanlane,<br />

sakslane, venelane/venemaalane, laplane<br />

F: virolainen/eestiläinen, suomalainen, latvialainen, liettualainen,<br />

ruotsilainen, norjalainen, tanskalainen, saksalainen, venäläinen/ryssä,<br />

lappilainen<br />

D: Esten, Finnen, Letten, Litauer, Schweden, Norweger, Dänen,<br />

Deutsche, Russen, Samen (Lappen)<br />

E: eestlased, soomlased, lätlased, leedulased, rootslased, norralased,<br />

taanlased, sakslased, venelased/venemaalased, laplased<br />

274


F: virolaiset/eestiläiset, suomalaiset, latvialaiset, liettualaiset, ruotsilaiset,<br />

norjalaiset, tanskalaiset, saksalaiset, venäläiset/ryssät, lappilaiset<br />

Die finnischen Wörter „ryssä“ <strong>und</strong> „ryssät“, die zudem noch komplizierter<br />

zu deklinieren sind, sollten besser nicht verwendet werden, weil sie einen<br />

eher negativen Sinn beinhalten, erst recht seit den beiden Kriegen gegen<br />

die Sowjets zwischen 1939 <strong>und</strong> 1944.<br />

Es braucht nicht mehr besonders betont zu werden, dass auch diese<br />

Wörter voll durchdekliniert werden.<br />

Auch bei den Ortsnamen werden die gleichen Endungen verwendet:<br />

D: Tallinner. Helsinkier. Berliner. Hamburger.<br />

E: Tallinnlane. Helsingilane. Berliinlane. Hamburglane.<br />

F: Tallinnilainen. Helsinkiläinen. Berliinilainen. Hamburgilainen.<br />

Im <strong>Finnischen</strong> steht vor der Endung im Gegensatz zum <strong>Estnischen</strong> also<br />

noch ein „i“.<br />

2. Ebenfalls viel verwendet werden diese Ableitungssuffixe:<br />

Estnisch: -gi, -ki<br />

Finnisch: -kin<br />

Sie bedeuten „auch“ <strong>und</strong> ersetzen oft das estnische „ka“ <strong>und</strong> das finnische<br />

„myös“, vor allem dann, wenn sie am Schluss eines Satzes stehen:<br />

D: Er kommt auch.<br />

E: Tema tuleb ka. Tema tulebki.<br />

F: Hän tulee myös. Hän tuleekin.<br />

275


D: Auch er kommt.<br />

E: Tema ka tuleb. Temagi tuleb.<br />

F: Hän tulee myös. Hänkin tulee.<br />

D: Sie sind auch hier.<br />

E: Nemad ka on siin. Nemadki on siin. Nemad on siingi.<br />

F: He ovat myös täällä. Hekin ovat täällä. He ovat täällä myös.<br />

Der Unterschied zwischen „-gi“ <strong>und</strong> „-ki“ besteht im <strong>Estnischen</strong> darin:<br />

-gi: nach Vokalen <strong>und</strong> diesen Konsonanten: j, l, m, n, r, v<br />

-ki: nach diesen Konsonanten: b, d, g, h, k, p, s, t<br />

Da „gi“ <strong>und</strong> „ki“ zu fast h<strong>und</strong>ert Prozent gleich ausgesprochen werden -<br />

erst recht in einem schnellen Alltagsgespräch -, kommt es nur im<br />

schriftlichen Gebrauch darauf an, dass richtig geschrieben wird; immerhin<br />

wird in den Schulen immer noch auf diesen Unterschied geschaut.<br />

Sowohl „gi“ <strong>und</strong> „ki“ als auch „kin“ können beliebig eingesetzt werden, nur<br />

an Fragewörter werden sie nicht direkt angehängt:<br />

D: Kommt er auch? Kommt auch er?<br />

E: Kas temagi tuleb? Kas tema tulebki?<br />

F: Onko hän tuleekin? Onko hänkin tulee?<br />

D: Hat er auch dieses Buch gekauft? Hat auch er dieses Buch gekauft?<br />

E: Kas tema ostsis seed raamatutki? Kas temagi ostsis seed raamatut?<br />

F: Ostiko hän tämän kirjakin? Ostiko hänkin tämän kirjan?<br />

276


3. Für die Bildung eines Substantivs aus einem Verb oder umgekehrt:<br />

Estnisch: -ja<br />

Finnisch: -ja, -jä<br />

D: Käufer Lehrer Sänger Verkäufer<br />

E: ostaaja õpetaja laulja müüja<br />

F: ostaaja opettaja laulaja myyjä<br />

Die Verben sind diese: ostama/osta - ostaa, õpetama/õpetada - opettaa,<br />

laulama/laulma - laulaa, müüma/müüa - myydä<br />

4. Für die Bildung der weiblichen Form aus einem Verb oder Substantiv:<br />

Estnisch: -tar, -nna<br />

Finnisch: -tar, -tär<br />

D: Käufer - Käuferin, Lehrer - Lehrerin, Sänger - Sängerin<br />

E: ostaaja - ostaajatar, õpetaja - õpetajatar, laulja - lauljatar<br />

F: ostaaja - ostaajatar, opettaja - opettajatar, laulaja - laulajatar<br />

D: Fre<strong>und</strong> - Fre<strong>und</strong>in, König - Königin, Gott - Göttin<br />

E: sõber - sõbratar/sõbranna, kuningas - kuningatar/kuninganna,<br />

jumal - jumalanna<br />

F: ystävä - ystävätär/tyttöystävä, kuningas - kuningatar, jumala - jumalatar<br />

Im <strong>Estnischen</strong> können auf diese Weise auch bei den Nationalitäten <strong>und</strong><br />

Ortsbezeichnungen fast alle weiblichen Varianten gebildet werden:<br />

D: Este - Estin, Finne - Finnin, Deutscher - Deutsche, Berliner - Berlinerin<br />

277


E: eestlane - eestlanna, soomlane - soomlanna, sakslane - sakslanna,<br />

berliinlane - berliinlanna<br />

Zu den wenigen Ausnahmen gehören diese Wörter:<br />

D: Pole - Polin<br />

E: poolakas - poolatar<br />

5. Für die Bildung von Ortsbezeichnungen aus Substantiven, Adjektiven<br />

oder Verben:<br />

Estnisch: -la<br />

Finnisch: -la<br />

D: Gefangener - Gefängnis krank - Krankenhaus<br />

E: vang - vangla haige - haigla<br />

F: vanki - vankila sairas - sairaala<br />

6. Für die Bildung von Adjektiven aus Substantiven:<br />

Estnisch: -line<br />

Finnisch: -llinen<br />

D: Farbe - farbig Sprache - sprachlich<br />

E: värv - värviline keel - keeleline<br />

F: väri - värillinen kieli - kielellinen<br />

Es wird also meistens von der Genitivform ausgegangen:<br />

värv, värvi - keel, keele - kieli, kielen<br />

278


7. Für die Bildung von Substantiven <strong>und</strong> Adjektiven mit positiver<br />

Bedeutung:<br />

Estnisch: -kas<br />

Finnisch: -kas, -käs<br />

D: Farbe - farbenreich Geist - geistreich<br />

E: värv - värvikas vaim - vaimukas<br />

F: väri - värikäs henki - hengekäs<br />

D: Spass, Witz - spassig, witzig Sprache - sprachbegabt<br />

E: nali - naljakas keel - keelekas<br />

F: leikki - leikikäs kieli - kielekäs<br />

pila - pilakas<br />

Auch hier wird von der Genitivform ausgegangen, wobei zum Teil<br />

Unregelmässigkeiten zu beachten sind: vaim - vaimukas, henki -<br />

hengekäs, nali - naljakas, leikki - leikikäs.<br />

8. Für die Bildung von Substantiven <strong>und</strong> Adjektiven mit negativer<br />

Bedeutung:<br />

Estnisch: -tu<br />

Finnisch: -ton, -tön<br />

D: Farbe - farblos Gefühl - gefühllos Ruhe - ruhelos<br />

E: värv - värvitu tunne - tunnetu rahu - rahutu<br />

F: väri - väritön tunne - tunteeton, rauha - rauhaton<br />

tunto - tunnoton lepo - levoton<br />

279


D: Schutz - schutzlos Sprache - sprachlos<br />

E: kaitse - kaitsetu keel - keeletu<br />

F: suoja - suojaton kieli - kieletön<br />

turva - turvaton<br />

Auch hier wird von der Genitivform ausgegangen, wobei im <strong>Finnischen</strong> die<br />

zum Teil durch Stufenwechsel entstehenden Unregelmässigkeiten zu<br />

beachten sind:<br />

tunne - tunteeton, tunto - tunnoton, lepo - levoton<br />

9. Für die Bildung eines Substantivs aus einem Verb:<br />

E: -mine<br />

F: -minen<br />

Diese beiden Ableitungssuffixe, die mit „-line“ <strong>und</strong> „-llinen“ fast identisch<br />

sind, habe ich weiter oben im Kapitel „Die Infinitive I bis V“ bereits näher<br />

vorgestellt, aber es kann nicht schaden, sie hier noch einmal zu erwähnen:<br />

D: kaufen - das Kaufen lesen - das Lesen<br />

E: ostma/osta - ostamine lugema/lugeda - lugemine<br />

F: ostaa - ostaminen lukea - lukeminen<br />

10. Für die Bezeichnung einer andauernden oder wiederholten Handlung<br />

aus einem Verb in Form eines Infixes:<br />

E: -le<br />

F: -ele<br />

D: sich erinnern wir erinnern uns<br />

E: mäletama/mäletada meie mäletame<br />

F: muistaa me muistamme<br />

280


D: gedenken wir gedenken<br />

E: mäletlema/mäletleda meie mäletleme<br />

F: muistella me muistelemme<br />

„Le“ <strong>und</strong> „ele“ sind grammatikalisch zwar keine Suffixe, sondern Infixe,<br />

also Silben, die in der Mitte eines Wortes eingefügt werden, aber ich führe<br />

sie hier noch einmal auf, weil auch sie zum Inhalt dieses Kapitels gehören.<br />

Nur estnische Suffixe<br />

-kond: Das kommt besonders viel vor <strong>und</strong> wird vor allem für die Bildung<br />

eines Kollektivs verwendet, wenn es sich um Menschen handelt:<br />

Familie - gesamte Familie Leiter - Leitung, Direktion<br />

pere - perekond<br />

juht - juhtkond<br />

Mensch - Menschheit<br />

inimene - inimkond<br />

Student - Studentenschaft<br />

üliõpilane - üliõpilaskond<br />

Manchmal wird wie bei „inimene“ der letzte Vokal von diesem „-kond“<br />

verschluckt oder wie bei „üliõpilane“ noch ein „s“ dazwischengeschoben.<br />

-stik: Das wird für die Bildung eines Kollektivs verwendet, wenn es sich<br />

nicht um Menschen handelt:<br />

Berg - Gebirge Schiff - Flotte Wort - Wörterverzeichnis<br />

mägi - mäestik laev - laevastik sõna - sõnastik<br />

-lik: Damit wird ein wesenseigenes Merkmal in positivem Sinn bezeichnet:<br />

Kind - kindlich Optimist - optimistisch Ruhe, Stille - ruhig, still<br />

281


laps - lapselik optimist - optimistlik rahu - rahulik<br />

-ke, -kene: Damit wird jemand oder etwas zu einem Diminutiv verändert,<br />

also verkleinert:<br />

Blume - Blümchen, Blümlein<br />

lill - lilleke, lillekene<br />

Junge, Knabe - Bübchen, Knäblein<br />

poiss - poisik, poisikne<br />

Mutter, Mütterchen, Mamma<br />

ema - emake, emakene<br />

-ne: Damit wird aus einem Substantiv ein Adjektiv gebildet, das eine<br />

materielle Beschaffenheit bezeichnet:<br />

Eisen - eisern Stein - steinern, steinig Wasser - wässerig<br />

raud - raudne kivi - kivine vesi - vesine<br />

-nik, -ur: Damit wird aus einem Substantiv eine Berufsbezeichnung<br />

gebildet:<br />

Fisch - Fischer(in)<br />

Flug - Flieger(in)<br />

kala - kalur(tar)<br />

lend - lendur(tar)<br />

Garten - Gärtner(in)<br />

kala - kalur(tar)<br />

Krieg - Krieger(in)<br />

sõda - sõdur(tar)<br />

Kunst - Künstler(in)<br />

kunst - kunstnik(tar)<br />

Schrift - Schriftsteller(in)<br />

kiri - kirjanik(tar)<br />

282


eba-: Es gibt im <strong>Estnischen</strong> auch noch ein Affix, das im Gegensatz zum<br />

Suffix vorn angehängt wird <strong>und</strong> im Sinn von „un-„ etwas Negatives<br />

bezeichnet:<br />

Glück - Unglück<br />

õnn - ebaõnn<br />

Klarheit - Unklarheit<br />

selgus - ebaselgus<br />

genau - ungenau<br />

täpne - ebatäpne<br />

sicher - unsicher<br />

kindel - ebakindel<br />

Nur finnische Suffixe<br />

-in: Damit wird aus einem Verb ein Substantiv gebildet:<br />

plaudern - Telefon<br />

puhella - puhelin<br />

-inen: Damit wird aus einem Substantiv das entsprechende Adjektiv<br />

gebildet:<br />

Gold - golden, goldig Silber - silbern, silbrig Bronze - aus Bronze<br />

kulta - kultainen hopea - hopeinen pronssi - pronssilainen<br />

(Ausfall von „a“)<br />

Farbe - farbig Fett - fettig Friede, Ruhe -<br />

väri - värillinen rasva - rasvainen friedlich, ruhig<br />

rauha - rauhallinen<br />

Glück - glücklich Regen - regnerisch Salz - salzig<br />

onni - onnellinen sade - sateinen suola – suolainen<br />

283


-ton, -tön: Diese Endungen haben den gegenteiligen Sinn der obigen<br />

Beispiele:<br />

Gold - goldlos Silber - silberlos Bronze - bronzelos<br />

kulta - kultaton hopea - hopeaton pronssi - pronssiton<br />

Farbe - farblos Fett - fettlos Friede, Ruhe -<br />

väri - väritön rasva - rasvaton friedlos, ruhelos<br />

rauha - rauhaton<br />

Glück - glücklos, Regen - regenlos Salz - salzlos, fade<br />

unglücklich sade - sateeton suola - suolaton *<br />

* Für „fade“ gibt es eigentlich noch die Wörter „laimea“ <strong>und</strong> „mauton“, wenn<br />

sie sich auf das Essen beziehen, <strong>und</strong> „pitkäveteinen“, wenn es sinnbildlich<br />

gemeint ist. Mit diesen beiden Suffixen (-ton, -tön) kann fast je<strong>des</strong><br />

bekannte Wort ins Gegenteil verkehrt werden, wenn die anderen einem<br />

gerade entfallen oder sonstwie unbekannt sind.<br />

-mainen, -mäinen: Auch damit wird aus einem Substantiv ein Adjektiv<br />

gebildet, das artbestimmenden Charakter hat:<br />

Mädchen - mädchenhaft<br />

tyttö - tyttömäinen<br />

Josef - wie Josef<br />

Seppo - seppomainen<br />

-maton, -mätön: Wie das estnische Affix „eba-„ hat es den Sinn von „un-„:<br />

kennen - unbekannt<br />

wohnen - unbewohnt<br />

tuntea - tuntematon<br />

asua - asumaton<br />

-mo, -mö: Das bezeichnet den Ort einer Handlung:<br />

284


eparieren - Reparaturwerkstatt<br />

korjata - korjaamo<br />

-nen: Damit kann etwas verkleinert werden:<br />

Augenblick, Weile - Moment Blume - Blümlein Vogel - Vöglein<br />

hetki - hetkinen kukka - kukkanen lintu - lintunen<br />

Vor allem das Wort „hetkinen!“ (einen Moment bitte!) ist in den<br />

Alltagsgesprächen oft zu hören.<br />

-nta, -ntä, -nti, -o, -ö: Auch damit wird aus einem Verb ein Substantiv<br />

gebildet, wobei dieses im Gegensatz zu „-in“ (plaudern, Telefon) noch<br />

direkter die entsprechende Handlung anzeigt:<br />

abfahren - Abfahrt<br />

lähteä - lähtö<br />

ausführen - Ausfuhr<br />

viedä - vienti<br />

wählen - Wahl, Wählen<br />

valita - valinta<br />

Deklination von „vienti“ <strong>und</strong> „valinta“:<br />

vienti, viennin, vientiä, vientejä (Partitiv Mehrzahl)…<br />

valinta, valinnan, valintaa, valintoja (Partitiv Mehrzahl)…<br />

-ri, -uri, -yri: Auch damit wird aus einem Verb ein Substantiv gebildet:<br />

backen - Bäcker saugen - Staubsauger<br />

leipoa - leipuri<br />

imeä - imuri (auch „pölynimuri)<br />

285


-s, -us, -ys: Damit wird aus einem Verb die Handlung oder das Ergebnis<br />

einer Handlung gebildet:<br />

backen - Törtchen<br />

leipoa - leivos<br />

(leivos, leivoksen,<br />

leivosta, leivoksia<br />

erziehen - Erziehung<br />

kasvattaa - kasvatus<br />

kasvatus, kasvatuksen, kasvatusta)<br />

-sto, -stö: Das wird wie das estnische Suffix „-stik“ für die Bildung eines<br />

Kollektivs verwendet, wenn es sich nicht um Menschen handelt:<br />

Berg - Gebirge Buch - Bibliothek Luft, Wetter - Klima<br />

vuori - vuoristo kirja - kirjasto ilma - ilmasto<br />

Zimmer - Wohnung<br />

huone - huoneisto (Achtung, mit einem „i“ dazwischen!)<br />

-us, -ys, -uus, -yys: Damit wird aus einem Adjektiv das entsprechende<br />

Substantiv gebildet:<br />

gut - Güte<br />

hyvä - hyvyys<br />

(hyvyys, hyvyyden,<br />

hyvyyttä, hyvyyttiä<br />

krank - Krankheit<br />

sairas - sairaus<br />

(sairaus, sairauden,<br />

sairautta, sairauksia)<br />

Das Wort „ystävyys“ (Fre<strong>und</strong>schaft) stammt von „ystävä“ (Fre<strong>und</strong>) ab.<br />

-tta, -ttä: Mit diesem Suffix, das formal mit dem Abessiv identisch ist <strong>und</strong><br />

manchmal auch diesen Sinn hat, werden Handlungen ausgedrückt, die in<br />

der Fachsprache als faktitiv <strong>und</strong> kausativ bezeichnet werden:<br />

bleiben - lassen, verlassen<br />

jäädä - jättää<br />

286<br />

schlafen - einschläfern<br />

nukkua - nukuttaa


u-, -y-, -utu, -yty: Neben dem Infix „-ele-„, das wie oben gesehen auch im<br />

<strong>Estnischen</strong> vorkommt, gibt es im <strong>Finnischen</strong> noch ein weiteres Infix, das<br />

eine reflexive oder translative Handlung ausdrückt:<br />

fortsetzen - weitergehen, fortgesetzt werden waschen - sich waschen<br />

jatkaa - jatkua<br />

(minä jatkan, minä jatkuan;<br />

me jatkamme, me jatkuamme<br />

pestä - peseytyä<br />

minä pesän, minä peseyn;<br />

me pesämme/peseymme)<br />

Mit all diesen Affixen, Infixen <strong>und</strong> Suffixen ist es also möglich, ins<br />

Estnische <strong>und</strong> Finnische tiefer einzudringen <strong>und</strong> sie sogar zu bereichern,<br />

<strong>und</strong> sie sind auch ein Gradmesser dafür, wie gut jemand diese beiden<br />

Sprachen schon kennt.<br />

287


Die Zahlen<br />

Nach allem, was bis jetzt vorgekommen ist, kann es nicht mehr erstaunen,<br />

dass auch die Zahlen durchdekliniert werden, <strong>und</strong> zwar sowohl die<br />

Kardinalzahlen (Gr<strong>und</strong>zahlen) als auch die Ordinalzahlen<br />

(Ordnungszahlen).<br />

Die Kardinalzahlen (Gr<strong>und</strong>zahlen)<br />

Zuerst kommen die Kardinalzahlen, bei denen in Klammern auch noch der<br />

Genitiv <strong>und</strong> der Partitiv stehen:<br />

Estnisch:<br />

Finnisch:<br />

0 null (nulle, nulli) nolla (nollan, nollaa)<br />

1 üks (ühe, ühte) * yksi (yhden, yhtä)<br />

2 kaks (kahe, kahte) * kaksi (kahden, kahta)<br />

3 kolm (kolme, kolme) kolme (kolmen, kolmea)<br />

4 neli (nelja, neljad) neljä (neljän, neljää)<br />

5 viis (viie, viit) viisi (viiden, viitä)<br />

6 kuus (kuue, kuut) kuusi (kuuden, kuuta)<br />

7 seitse (seitsme, seitset) seitsemän (seitsmesän,<br />

seitsmesäntä)<br />

8 kaheksa (kaheksa, kaheksat) kahdeksan (kahdeksasen,<br />

kahdeksanta)<br />

9 üheksa (üheksa, üheksat) yhdeksän (yhdeksäsen,<br />

yhdeksäntä)<br />

10 kümme (kümne, kümmet) kymmenen (kymmesen,<br />

kymmenentä)<br />

288


* Bei „ühte“ <strong>und</strong> „kahte“ im Partitiv entfällt das „e“, wenn direkt dahinter ein<br />

Vokal folgt.<br />

11 üksteist (üheteist, ühteteist) yksitoista (yhdentoista,<br />

yhtätoista)<br />

12 kaksteist (kaheteist, kahteteist) kaksitoista (kahdentoista,<br />

kahtatoista)<br />

13 kolmteist (kolmeteist, kolmetoista (kolmentoista,<br />

kolmeteist)<br />

kolmeatoista)<br />

14 neliteist (neljateist, neljatest) neljätoista (neljäntoista,<br />

neljäätoista)<br />

15 viisteist (viieteist, viiteist) viisitoista (viidentoista,<br />

viitätoista)<br />

16 kuusteist (kuueteist, kuuteist) kuusitoista (kuudentoista,<br />

kuutatoista)<br />

17 seitseteist (seitsmeteist, seitsemäntoista<br />

seitseteist)<br />

(seitsmesäntoista,<br />

seitsmesäntätoista)<br />

18 kaheksateist (kaheksateist, kahdeksantoista<br />

kaheksateist) (kahdeksasentoista,<br />

kahdeksantatoista)<br />

19 üheksateist (üheksateist, yhdeksäntoista<br />

üheksateist) (yhdeksäsentoista,<br />

yhdeksäntätoista)<br />

20 kakskümmend (kahekümmend, kaksikymmentä<br />

kahedkümmend) (kahdenkymmentä,<br />

kahtakymmentä)<br />

289


21 kakskümmend üks kaksikymmentäyksi<br />

(kahekümmend ühe,<br />

(kahdenkymmentäyhden,<br />

kahedkümmend ühte)<br />

kahtakymmentäyhtä)<br />

22 kakskümmend kaks kaksikymmentäkaksi<br />

(kahekümmend kahe,<br />

(kahdenkymmentäkahden,<br />

kahedkümmend kahte)<br />

kahtakymmentäkahta)<br />

usw.<br />

usw.<br />

30 kolmkümmend kolmekymmentä<br />

40 nelikümmend neljäkymmentä<br />

50 viiskümmend viisikymmentä<br />

60 kuuskümmend kuusikymmentä<br />

70 seitsekümmend seitsemämkymmentä<br />

80 kaheksakümmend kahdeksankymmentä<br />

90 üheksakümmend yhdeksänkymmentä<br />

100 (üks) sada (yksi) sata<br />

101 (üks) sada üks (yksi) satayksi<br />

102 (üks) sada kaks (yksi) satakaksi<br />

110 (üks) sada kümme (yksi) satakymmenen<br />

111 (üks) sada üksteist (yksi) satayksiktoista<br />

112 (üks) sada kaksteist (yksi) satakaksitoista<br />

120 (üks) sada kakskümmend (yksi) satakaksikymmentä<br />

121 (üks) sada kakskümmend üks (yksi) satakaksikymmentäyksi<br />

122 (üks) sada kakskümmend kaks (yksi) satakaksikymmentäkaksi<br />

200 kaks sada kaksisataa<br />

201 kaks sada üks kaksisataayksi<br />

202 kaks sada kaks kaksisataakaksi<br />

210 kaks sada kümme kaksisataakymmenen<br />

290


211 kaks sada üksteist kaksisataayksitoista<br />

212 kaks sada kaksteist kaksisataakaksitoista<br />

300 kolm sada kolmesataa<br />

400 neli sada neljäsataa<br />

500 viis sada viisisataa<br />

600 kuus sada kuusisataa<br />

700 seitse sada seitsemänsataa<br />

800 kaheksa sada kahdeksansataa<br />

900 üheksa sada yhdeksänsataa<br />

1‘000 (üks) tuhat (yksi) tuhat<br />

1001 tuhat üks tuhatyksi<br />

1002 tuhat kaks tuhatkaksi<br />

1‘100 tuhat üks sada tuhatsataa<br />

2‘000 kaks tuhat kaksituhatta<br />

10‘000 kümme tuhat kymmenentuhatta<br />

100‘000 sada tuhat satatuhatta<br />

1 Million (üks) miljon (yksi) miljoona<br />

1 Milliarde (üks) miljard (yksi) miljarda<br />

Die beiden Wörter „teist“ <strong>und</strong> „toista“ sowie „kümmend“ <strong>und</strong> „kymmentä“<br />

bleiben immer unverändert, während alle anderen Zahlen davor <strong>und</strong><br />

dahinter immer dekliniert werden müssen, aber mit ein bisschen Übung<br />

lassen sich auch diese Schwierigkeiten bald meistern, weil sogar bei den<br />

Zahlen fast alles regelmässig ist.<br />

Während im <strong>Estnischen</strong> die Einer-, Zehner- <strong>und</strong> H<strong>und</strong>erterzahlen immer<br />

getrennt geschrieben werden, trifft im <strong>Finnischen</strong> das Gegenteil zu.<br />

Im <strong>Estnischen</strong> steht „tuhat“ immer im Nominativ Einzahl, während im<br />

<strong>Finnischen</strong> der Partitiv verwendet wird.<br />

291


Dekliniert sehen die Zahlen 1 <strong>und</strong> 2 in beiden Sprachen so aus:<br />

E: üks, ühe, üht(e), ühes, ühesse, ühest, ühel, ühele, ühelta, ühena,<br />

üheks, üheta, ühega, üheni (also in allen 14 Fällen!)<br />

F: yksi, yhden, yhtä, yh<strong>des</strong>sä, yhdeen, yh<strong>des</strong>tä, yhdellä, yhdelle,<br />

yhdeltä, yhdenä, yhdeksi, yhdettä (also „nur“ in 12 Fällen, weil der<br />

Komitativ <strong>und</strong> der Instruktiv hier fehlen)<br />

E: kaks, kahe, kaht(e), kahes, kahesse, kahest, kahel, kahele, kahelta,<br />

kahena, kaheks, kaheta, kahega, kaheni<br />

F: kaksi, kahden, kahta, kah<strong>des</strong>sa, kahteen, kah<strong>des</strong>ta, kahdella,<br />

kahdelle, kahdelta, kahdena, kahdeksi, kahdetta<br />

Diese vielen Fälle können auf den ersten Blick zwar abschreckend wirken,<br />

aber sie werden nur dann verwendet, wenn ein Zahlwort für sich allein<br />

steht, was in den Alltagsgesprächen nicht oft vorkommt:<br />

D: Warst du schon in vielen Ländern? Ja, in fünfzehn.<br />

E: Kas sina olid juba palju maas? Jah, viiesteist.<br />

F: Olitko jo paljon maassa? Kyllä, vii<strong>des</strong>sätoista.<br />

Bemerkenswert ist hier, dass nach „palju“ <strong>und</strong> „paljon“ (viel) nicht der<br />

Partitiv, sondern genauso wie bei der Zahl 15 der Inessiv steht, was nach<br />

der Denkweise ja auch korrekt ist.<br />

Wenn ein Substantiv, ein Adjektiv oder ein Eigenname mit einem Zahlwort<br />

im Nominativ verb<strong>und</strong>en wird, steht in beiden Sprachen der Partitiv, <strong>und</strong><br />

zwar in der Einzahl:<br />

D: Ich habe vier (gute) Fre<strong>und</strong>e.<br />

E: Mul on neli (head) sõpra.<br />

F: Minulla on neljä (hyvää) ystävää.<br />

D: Jakob hatte zwei Ehefrauen: Lea <strong>und</strong> Rahel.<br />

292


E: Jaakobul oli kaks abikaasat: Lea ja Rahel.<br />

F: Jaakobulla oli kaksi vaimoa: Lea ja Rahel.<br />

In Verbindung mit einem anderen Kasus richtet sich das betreffende<br />

Substantiv oder Adjektiv oder der Eigenname immer nach diesem Kasus;<br />

dabei steht das Substantiv oder Adjektiv auch dann im Partitiv Einzahl,<br />

aber das Zahlwort im Genitiv:<br />

D: Ich reise zu fünf (guten) Fre<strong>und</strong>en nach Deutschland.<br />

E: Mina reisin viie (heale) sõbrale Saksamaasse.<br />

F: Minä matkustan viiden (hyvälle) ystävälle Saksaan.<br />

D: Ilkka kommt zu seinen zwei (guten) Fre<strong>und</strong>en in die Schweiz.<br />

E: Ilkka tuleb tema kahe (heale) sõbrale Shveitsemaasse.<br />

F: Ilkka tulee hänen kahden (hyvälle) ystävällensä Sveitsiin.<br />

Im <strong>Finnischen</strong> gibt es für 1 bis 10 noch Spezialzahlen, die wie Substantive<br />

verwendet <strong>und</strong> dementsprechend auch als solche empf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> im<br />

Deutschen als „die Eins“, „die Zwei“ usw. bezeichnet werden - <strong>und</strong><br />

natürlich werden auch diese dekliniert:<br />

1: ykkönen, ykkösen, ykköstä, ykkösessä, ykköseen, ykkösestä usw.<br />

2: kakkonen, kakkosen, kakkosta, kakkosessa, kakkoseen usw.<br />

3: kolmonen, kolmosen, kolmosta, kolmosessa, kolmoseen usw.<br />

4: nelonen, nelosen, nelosta, nelosessa, neloseen, nelosesta usw.<br />

5: viitonen, viitosen, viitosta, viitosessa, viitoseen, viitosesta usw.<br />

6: kuutonen, kuutosen, kuutosta, kuutosessa, kuutoseen, kuutosesta usw.<br />

7: seitonen, seitosen, seitosta, seitosessa, seitoseen, seitosesta usw.;<br />

seitsikko, seitsikon, seitsikkoa, seitsikossa, seitsikoseen usw.<br />

8: kahdeksikko, kahdeksikon, kahdeksikkoa, kahdeksikossa usw.<br />

293


9: yhdeksikkö, yhdeksikön, yhdeksikköä, yhdeksikössä, yhdeksiköseen<br />

usw.<br />

10: kymppi, kympin, kymppiä, kympissä, kympiseen, kympistä usw.<br />

Für die Ziffer 7 gibt es also zwei Varianten, wobei die untere mehr<br />

verwendet wird. Die Ziffer 10 (kymppi) kommt auch in der<br />

Umgangssprache, auf die ich weiter unten noch näher eingehe, ebenfalls<br />

viel vor.<br />

Diese Ziffern werden oft für den Verkehr <strong>und</strong> die Schule verwendet:<br />

Die 5 (Bus Nummer fünf) kommt bald.<br />

Viitonen tulee pian.<br />

Ich habe eine 1 bekommen (die beste Note in Deutschland <strong>und</strong> Österreich,<br />

aber die schlechteste in der Schweiz).<br />

Olen saanut ykkönen. (Nominativ <strong>und</strong> Akkusativ identisch)<br />

Ich habe eine 6 bekommen (die schlechteste Note in Deutschland <strong>und</strong><br />

Österreich, aber die beste in der Schweiz).<br />

Olen saanut kuutonen.<br />

Ein bisschen Arithmetik:<br />

2 + 3 = 5 E: Kaks ja/plus kolm on viis.<br />

F: Kaksi ja/plus kolme on viisi.<br />

8 - 5 = 3 E: Kaheksa miinus viis on kolm.<br />

F: Kahdeksan miinus viisi on kolme.<br />

4 x 6 = 24 E: Nelja korda kuus on kahekümmend nelja.<br />

F: Neljä kertaa kuusi on kaksikymmentäneljä.<br />

12 : 3 = 4 E: Kaksteist jagatud kolmega on neli.<br />

F: Kaksitoista jaettuna kolmella on neljä.<br />

294


12 : 4 = 3 E: Kaksteist jagatud neljaga on kolm.<br />

F: Kaksitoista jaettuna neljällä on kolme.<br />

Die einzige kleine Schwierigkeit bietet so wie in allen anderen Sprachen<br />

auch hier eigentlich nur das Teilen. Dabei muss beachtet werden, dass im<br />

<strong>Estnischen</strong> die Zahl, die zum Teilen verwendet wird, im Komitativ <strong>und</strong> im<br />

<strong>Finnischen</strong> im A<strong>des</strong>siv steht, <strong>und</strong> auch hier gilt die Vokalharmonie:<br />

Kolmella, neljällä.<br />

Weitere Kombinationen mit den Gr<strong>und</strong>zahlen:<br />

D: einmal zweimal dreimal viermal<br />

E: üks kord kaks korda kolm korda neli korda usw.<br />

F: yhden kerran kah<strong>des</strong>ti, kolme kertaa neljä kertaa usw.<br />

kaksi kertaa<br />

D: einmal im Tag zweimal in der Woche/pro Woche<br />

E: üks korda päevas kaks korda nädalas<br />

F: yhden kerran päivässä kaksi kertaa viikkossa<br />

D: dreimal im Monat viermal im Jahr<br />

E: kolm korda kuus neli korda aastas<br />

F: kolme kertaa kuukau<strong>des</strong>sa neljä kertaa vuo<strong>des</strong>sa<br />

D: je zwei je drei je vier je fünf<br />

E: kaks kumbagi kolm igaüks neli igaüks viis igaüks<br />

F: kaksi kutakin kolme kutakin neljä kutakin viisi kutakin<br />

295


D: zu zweit zu dritt zu viert zu fünft<br />

E: kahekesi, kolmekesi neljakesi, viiekesi,<br />

kahele neljas rühmas viis inimest<br />

F: kahdelle kolmelle neljän ryhmässä viisi ihmistä<br />

Die Ordinalzahlen (Ordnungszahlen)<br />

Bei den Ordinalzahlen gibt es für beide Sprachen einen kleinsten<br />

gemeinsamen Nenner: Den Konsonanten „s“, der mit Ausnahme der<br />

Ziffern 1 <strong>und</strong> 2 immer hinten angehängt wird. Dabei bleiben „teist“ <strong>und</strong><br />

„toista“ sowie „kümmend“ <strong>und</strong> „kymmentä“ unverändert, wenn hinter ihnen<br />

ein weiteres Zahlwort steht, ansonsten kommen die beiden gleich<br />

ausgesprochenen „kümmenes“ <strong>und</strong> „kymmenes“ zum Zug:<br />

Estnisch:<br />

Finnisch:<br />

1 esimene ensimmäinen<br />

2 teine toinen<br />

3 kolmas kolmas<br />

4 neljas neljäs<br />

5 viies vii<strong>des</strong><br />

6 kuues kuu<strong>des</strong><br />

7 seitsmes seitsemäs<br />

8 kaheksas kahdeksas<br />

9 üheksas yhedksäs<br />

10 kümnes kymmenes<br />

11 ühesteist yh<strong>des</strong>toista<br />

12 kahesteist kah<strong>des</strong>toista<br />

13 kolmasteist kolmastoista<br />

14 neljasteist neljästoista<br />

296


15 viiesteist vii<strong>des</strong>toista<br />

16 kuuesteist kuu<strong>des</strong>toista<br />

17 seitsmesteist seitsemästoista<br />

18 kaheksasteist kahdeksastoista<br />

19 üheksasteist yhdeksästoista<br />

20 kaheskümmenes kah<strong>des</strong>kymmenes<br />

21 kahedkümmend esimene kah<strong>des</strong>kymmentä yh<strong>des</strong><br />

22 kaheskümmend teine kah<strong>des</strong>kymmentä kah<strong>des</strong><br />

23 kaheskümmend kolmas kah<strong>des</strong>kymmentä kolmas<br />

usw.<br />

usw.<br />

30 kolmaskümmenes kolmaskymmenes<br />

40 neljaskümmenes neljäskymmenes<br />

50 viieskümmenes vii<strong>des</strong>kymmenes<br />

60 kuueskümmenes kuu<strong>des</strong>kymmenes<br />

70 seitsmeskümmenes seitsemäskymmenes<br />

80 kaheksaskümmenes kahdeksaskymmenes<br />

90 üheksaskümmenes yhdeksäskymmenes<br />

100 sadas sadas<br />

101 sadas esimene sadasyh<strong>des</strong><br />

102 sadas teine sadaskah<strong>des</strong><br />

103 sadas kolmas sadaskolmas<br />

usw.<br />

usw.<br />

Es fällt auf, dass die finnischen Wörter „yh<strong>des</strong>“ <strong>und</strong> „kah<strong>des</strong>“ bei<br />

zusammengesetzten Zahlwörtern verwendet werden, während<br />

„ensimmäinen“ <strong>und</strong> „toinen“ nur dann zum Zug kommen, wenn sie für sich<br />

allein stehen. Dementsprechend hiess es früher bei sportlichen<br />

Siegerehrungen immer: Ensimmäinen, toinen, kolmas. Heute verhält es<br />

297


sich umgekehrt, weil zuerst immer der oder die Dritte das Po<strong>des</strong>t<br />

besteigen darf.<br />

Dekliniert sehen die Ordinalzahlen (1. + 2.) in beiden Sprachen so aus:<br />

E: esimene, esimese, esimest, esimenes, esimenesse, esimenest,<br />

esimenel, esimenele, esimenelt, esimenena, esimeneks, esimeneta,<br />

esimenega, esimeneni (wieder in allen 14 Fällen)<br />

F: ensimmäinen, ensimmäisen, ensimmäisiä, ensimmäisessä,<br />

ensimmäiseen, ensimmäisestä, ensimmäisellä, ensimmäiselle,<br />

ensimmäiseltä, ensimmäisenä, ensimmäiseksi, ensimmäisettä<br />

(Nom. + Akk. identisch, der Komitativ <strong>und</strong> der Instruktiv fehlen auch hier)<br />

E: teine, teise, teist, teines, teinesse, teinest, teinel, teinele, teinelt,<br />

teinena, teineks, teineta, teinega, teineni<br />

F: toinen, toisen, toisea, toisessa, toiseen, toisesta, toisella, toiselle,<br />

toiselta, toisena, toiseksi, toisetta (Nom. + Akk. identisch)<br />

In der Mehrzahl sieht es so aus:<br />

E: esimened, esimenede, esimenid, esimene<strong>des</strong>, esimene<strong>des</strong>se,<br />

esimene<strong>des</strong>t, esimenedel, esimenedele, esimenedelt, esimenedena,<br />

esimenedeks, esimenedeta, esimenega, esimenedeni<br />

F: ensimmäinet, ensimmäisien, ensimmäisejä, ensimmäisissä,<br />

ensimmäisiihiin, ensimmäisistä, ensimmäisillä, ensimmäisille,<br />

ensimmäisiltä, ensimmäisinä, ensimmäisiksi, ensimmäisittä<br />

(Nom. + Akk. identisch)<br />

E: teined, teinede, teinid, teine<strong>des</strong>, teine<strong>des</strong>se, teine<strong>des</strong>t, teinedel,<br />

teinedele, teinedelt, teinedena, teinedeks, teinedeta, teinedega,<br />

teinedeni<br />

298


F: toinet, toisien, toisia, toisissa, toisiihiin, toisista, toisilla, toisille,<br />

toisilta, toisina, toisiksi, toisitta (Nom. + Akk. identisch)<br />

Von 3 an aufwärts werden die Ordinalzahlen vom Endungs-s ausgehend<br />

gebildet, indem dieses „s“ ausgelassen <strong>und</strong> durch die entsprechenden<br />

Kasus-Endungen ersetzt wird:<br />

3: kolmas, kolmanda, kolmandat (kolmat) usw.<br />

kolmas, kolmannen, kolmatta usw.<br />

4: neljas, neljanda, neljandat usw.<br />

neljäs, neljännen, neljättä usw.<br />

5: viies, viienda, viiendat usw.<br />

vii<strong>des</strong>, viidennen, viidennettä usw.<br />

6: kuues, kuuenda, kuuendat<br />

kuu<strong>des</strong>, kuudennen, kuudetta usw.<br />

7: seitsmes, seitsmenda, seitsmendat usw.<br />

seitsemäs, seitsemännen, seitsemättä usw.<br />

8: kaheksas, kaheksanda, kaheksandat usw.<br />

kahdeksas, kahdeksannen, kahdeksatta usw.<br />

9: üheksas, üheksanda, üheksandat usw.<br />

yhdeksäs, yhdeksännen, yhdeksättä usw.<br />

10: kümnes, kümnenda, kümnendat usw.<br />

kymmenes, kymmenennen, kymmenettä usw.<br />

Da die Ordinalzahlen sich im <strong>Estnischen</strong> von 11 an aufwärts zum Teil mit<br />

den Kardinalzahlen überschneiden, führe ich von hier an nur noch die<br />

finnischen auf, die deutlicher als solche zu erkennen sind:<br />

11. yh<strong>des</strong>toista, yhdennentoista, yhdettätoista usw.<br />

12: kah<strong>des</strong>toista, kahdennentoista, kahdettatoista usw.<br />

299


20: kah<strong>des</strong>kymmenes, kahdennenkymmennennen, kahdettakymmenettä<br />

32: kolmaskymmeneskah<strong>des</strong>, kolmannenkymmenennenkahdennen usw.<br />

100: sadas, sadannen, sadatta, sadassa, sadaan, sadasta usw.<br />

1000: tuhannes, tuhannennen, tuhannetta usw.<br />

1'000'000: miljoonas, miljoonannen, miljoonatta usw.<br />

Soweit die Theorie, aber in Wirklichkeit werden vor allem die grossen<br />

Zahlen in beiden Sprachen so weit wie möglich umgangen <strong>und</strong> auch so<br />

geschrieben, zum Beispiel 2345. oder 2345.<br />

Mit diesem System im Kopf wäre es also möglich, alles<br />

durchzudeklinieren, doch da die Ordinalzahlen von 3 an aufwärts für die<br />

Fremdsprachigen an der Grenze <strong>des</strong> Zumutbaren liegen, empfehle ich<br />

den schon fast profanen Gebrauch von „Nummer + Gr<strong>und</strong>zahl“:<br />

D: Das ist das Haus meiner dritten Ehefrau.<br />

E: See on minu abikaasa maja number kolm.<br />

F: Tämä on (minun) vaimoni talo numero kolme.<br />

D: Das sind die Häuser meines vierten Kin<strong>des</strong>.<br />

E: Need on minu lapsede majade number neli.<br />

F: Nämä ovat (minun) lapseni talot numero neljä.<br />

Dabei ist in Sätzen mit mehr als einem Substantiv jedoch nicht klar, ob<br />

zum Beispiel die Nummer drei sich auf das Haus oder auf die Ehefrau<br />

bezieht.<br />

Natürlich sind solche Sätze nicht ganz sauber, aber sie sind<br />

grammatikalisch nicht weniger korrekt als die in der Umgangssprache, <strong>und</strong><br />

die Hauptsache ist, dass auch so eine Verständigung möglich ist.<br />

Im <strong>Finnischen</strong> wird in der Umgangssprache vor allem bei den<br />

Gr<strong>und</strong>zahlen einiges abgekürzt, aber ich gehe erst weiter unten noch<br />

näher darauf ein.<br />

300


Die Bruchzahlen<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

die Hälfte, halb pool puoli<br />

ein Drittel kolmandik kolmasosa, kolmannes<br />

ein Viertel neljandik, veerand neljäsosa, neljännes<br />

ein Fünftel viiendik vii<strong>des</strong>osa<br />

ein Sechstel kuuendik kuu<strong>des</strong>osa<br />

ein Siebtel seitsmäs seitsemäs<br />

ein Achtel kaheksas kahdeksas<br />

ein Neuntel üheksas yhdeksäs<br />

ein Zehntel kümnendik kymmenesosa<br />

ein Zwanzigstel kahekümnes kah<strong>des</strong>kymmenes<br />

ein H<strong>und</strong>ertstel sajandik sadasosa<br />

ein Tausendstel tuhandik tuhatosa<br />

Das finnische „osa“ heisst Teil, also ist zum Beispiel „kolmasosa“ der dritte<br />

Teil von etwas.<br />

301


Die Uhrzeit<br />

Nach allem, was wir bis jetzt gesehen haben, wird es wieder erfrischend<br />

einfach, obwohl wir auch hier um den schon altbekannten Partitiv zum Teil<br />

nicht herumkommen:<br />

D: Wie spät ist es jetzt? Es ist genau ein Uhr. Es ist zwei Uhr.<br />

E: Mis kell on? Kell on täpselt üks. Kell on kaks.<br />

Kui palju kell on?<br />

F: Paljonko kello on ? Kello on tarkka yksi. Kello on kaksi.<br />

Kello on tasan yksi.<br />

(eigentlich: Die St<strong>und</strong>e ist genau eins, die St<strong>und</strong>e ist zwei)<br />

D: Es ist zwei Uhr zwanzig. Es ist acht Uhr dreissig.<br />

Es ist halb neun Uhr.<br />

E: Kell on kakskümmend peale kahte. Kell on pool üheksa.<br />

F: Kello on kaksikymmentä yli kahta. Kello on puoli yhdeksän.<br />

D: Es ist Viertel vor fünf. Es ist Viertel nach fünf.<br />

E: Kell on kolmveerand neli. Kell on veerand kuus.<br />

(drei Viertel nach vier)<br />

(ein Viertel von sechs)<br />

F: Kello on varttia vailla viisi. Kello on varttia yli viisi.<br />

D: Es ist fünf nach vier. Es ist fünf vor vier.<br />

Es ist vier Uhr fünf.<br />

E: Kell on viis peale nelja. Kell on viis enne nelja.<br />

F: Kello on viisi yli neljää. Kello on viittä vailla neljä.<br />

302


D: Es ist ungefähr zwölf Uhr.<br />

E: Kell on paiku kaksteist. Kell on umbes kaksteist.<br />

F: Kello on noin kaksitoista. Kello on suunnilleen kaksitoista.<br />

Die beiden Varianten (paiku - umbes, noin - suunnilleen) unterscheiden<br />

sich so wie im Deutschen „etwa“ <strong>und</strong> „ungefähr“, sie sind also praktisch<br />

identisch.<br />

Hier ist das Estnische ein wenig schwieriger, weil die Angabe einer<br />

Viertelst<strong>und</strong>e sich einerseits nach der angebrochenen St<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

andererseits nach der bald vollendeten St<strong>und</strong>e richtet.<br />

D: Sek<strong>und</strong>e Minute Viertelst<strong>und</strong>e St<strong>und</strong>e<br />

E: sek<strong>und</strong> minut veerand t<strong>und</strong>i t<strong>und</strong><br />

F: sekunti minuutti varttitunti, tunti<br />

neljännestunti<br />

D: vor zwei Sek<strong>und</strong>en/Minuten/St<strong>und</strong>en<br />

E: kaks sek<strong>und</strong>it tagasi/kaks minutit tagasi/kaks t<strong>und</strong>i tagasi<br />

F: kaksi sekuntia sitten/kaksi minuuttia sitten/ kaksi tuntia sitten<br />

D: in zwei Sek<strong>und</strong>en/Minuten/St<strong>und</strong>en<br />

D: kahe sek<strong>und</strong>iga/kahe minutiga/kahe tunni pärast<br />

F: kah<strong>des</strong>sa sekunnissa/kah<strong>des</strong>sa minuutissa/kah<strong>des</strong>sa tunnissa<br />

Während bei „vor“ in beiden Sprachen die Zahl unverändert im Nominativ<br />

bleibt <strong>und</strong> die Zeitangabe im Partitiv steht, gehen sie bei „in“ auf<br />

getrennten Wegen: Im <strong>Estnischen</strong> steht die Zeitangabe im Komitativ,<br />

wobei die Zahl im Genitiv steht (kahe), während im <strong>Finnischen</strong> in beiden<br />

Teilen der Inessiv verwendet wird.<br />

303


Die Wochentage<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

Sonntag pühapäev sunnuntai<br />

Montag esmaspäev maanantai<br />

Dienstag teisipäev tiistai<br />

Mittwoch kolmapäev, keskiviikko<br />

kesknädal<br />

Donnerstag neljapäev torstai<br />

Freitag reede perjantai<br />

Samstag laupäev lauantai<br />

Auch hier zeigen sich erstaunliche Unterschiede: Während im <strong>Estnischen</strong><br />

zum Teil noch gezählt wird (Montag = erster Tag, Dienstag = zweiter Tag,<br />

Mittwoch = dritter Tag, Donnerstag = vierter Tag), stammen die meisten<br />

finnischen Namen vom Schwedischen ab; zudem wird der Sonntag im<br />

<strong>Estnischen</strong> immer noch als ein heiliger Tag bezeichnet. Gemeinsam ist<br />

beiden Sprachen der Ausdruck „Mitte-der-Woche“ für den Mittwoch <strong>und</strong><br />

den Samstag, der locker als „Entspannungstag“ übersetzt werden kann.<br />

Tatsächlich ist dieser Tag für die meisten nach der anstrengenden<br />

Arbeitswoche der erste, an dem man sich entspannen <strong>und</strong> auf den<br />

Sonntag freuen kann. Deshalb gehen gerade am Samstagabend<br />

auffallend viele in die Sauna, um sich dort zu entspannen;<br />

dementsprechend gibt es im <strong>Finnischen</strong> die beiden Wörter „laude“<br />

(Saunabank) <strong>und</strong> „laueta“ (sich entladen, sich lösen).<br />

Auch bei der Anwendung der Wochentage wandeln die beiden Sprachen<br />

auf verschiedenen Wegen. Während im <strong>Estnischen</strong> der A<strong>des</strong>siv steht,<br />

kommt im <strong>Finnischen</strong> der Essiv zum Zug:<br />

D: Kommst du am Sonntag? Nein, ich komme nur am Montag.<br />

304


E: Kas sina tuleb pühapäeval? Ei, mina tulen ainult esmaspäeval.<br />

F: Tuletko sunnuntaina? Ei, minä tulen vain maanantaina.<br />

D: Am Sonntag gehen wir in die Kirche.<br />

E: Pühapäeval läheme kirikusse.<br />

F: Sunnuntaina menemme kirkkoon.<br />

Die Monatsnamen<br />

Während im heutigen <strong>Estnischen</strong> nur noch die international bekannten<br />

Namen verwendet werden, kommen die alten nebenan nur noch in<br />

literarischen Texten vor, <strong>und</strong> auch dort gehen sie immer mehr zurück.<br />

Dagegen sind die alten finnischen Monatsnamen nach wie vor im<br />

Gebrauch; die neuen werden zwar dadurch, dass Schwedisch <strong>und</strong><br />

Englisch <strong>und</strong> teilweise auch noch Deutsch unterrichtet werden, ebenfalls<br />

verstanden, aber sie haben sich als Teil einer modernisierten finnischen<br />

Sprache bis heute noch nie durchsetzen können.<br />

Estnisch, modern: Estnisch, alt: Finnisch:<br />

jaanuar südakuu tammikuu<br />

(Herz-Monat) (Achsenmonat,<br />

Eichenmonat,<br />

Kernmonat, aber auch<br />

Herz-Monat; tammi =<br />

uraltes Wort für Herz)<br />

veebruar radokuu helmikuu<br />

(Schneegestöber- Perlenmonat,<br />

Monat)<br />

helmi = Perle)<br />

305


märts urbekuu maaliskuu<br />

(Weidenkätzchen- Bodenmonat, Erdmonat;<br />

Monat)<br />

maallinen = erdig)<br />

aprill mahlakuu huhtikuu<br />

(Pflanzensaft-Monat) (Waldrodungs-Monat,<br />

huhta = gerodetes<br />

Waldstück)<br />

mai lehekuu toukokuu<br />

(Blätter-Monat) (Aussaat- <strong>und</strong><br />

Pflanzungsmonat,<br />

touko = Aussaat,<br />

Pflanzung)<br />

juuni, juunikuu pärnakuu kesäkuu<br />

(Linden-Monat) (Sommermonat,<br />

Brach-Monat,<br />

Pflügen-Monat;<br />

kesanto = Brachland)<br />

juuli heinakuu heinäkuu<br />

(Heu-Monat)<br />

(Heu-Monat)<br />

august põimukuu elokuu<br />

(Ernte-Monat)<br />

(Ernte-Monat,<br />

Lebensmonat;<br />

elo = Leben, Getreide)<br />

september sügiskuu syyskuu<br />

(Herbst-Monat) (Herbstmonat,<br />

syys = uraltes Wort für<br />

Herbst)<br />

306


oktoober porikuu lokakuu<br />

(Matsch-Monat) (Matsch-Monat,<br />

loka = Matsch, Kot,<br />

Schmutz)<br />

november kooljakuu marraskuu<br />

(Toten-Monat)<br />

(Toten-Monat,<br />

marras = uraltes Wort<br />

für „tot“, vom lat. „mors“<br />

abgeleitet)<br />

detsember joulukuu joulukuu<br />

(Weihnachts-Monat) (Weihnachts-Monat)<br />

Während alle Monatsnamen mit Ausnahme <strong>des</strong> Januars auf<br />

Naturereignisse zurückzuführen sind, bezieht sich der Ausdruck „Toten-<br />

Monat“ für den November nicht nur auf den Tag der Allerheiligen, der auch<br />

im Norden gefeiert wird - allerdings weniger ausgeprägt als bei den<br />

Katholiken weiter südlich -, sondern auch auf die allgemeine Stimmung.<br />

Nach dem Matschmonat (Oktober), in dem alles matschig <strong>und</strong> schmutzig<br />

wird, kommen bei vielen auch noch seelische Depressionen dazu. Sowohl<br />

das estnische „südakuu“ als auch das finnische „tammikuu“ drücken aus,<br />

dass der Januar in der Mitte der kalten Jahreszeit ist, die im Oktober<br />

beginnt <strong>und</strong> im März allmählich endet. Da der Kern das Herz einer Frucht<br />

ist, hat sich dieser Monatsname ergeben. Zudem bedeutet „tammi“ neben<br />

einem Herzen, einem Kern <strong>und</strong> einem Mittelpunkt im allgemeinen auch<br />

noch eine Achse <strong>und</strong> eine Eiche; <strong>des</strong>halb heisst der Januar auch Achsenoder<br />

Eichenmonat.<br />

Daneben gibt es im <strong>Estnischen</strong> auch noch andere alte Namen, von denen<br />

nur der Mai, der Juli <strong>und</strong> der Dezember mit der obigen Liste identisch sind:<br />

Januar: näärikuu (Drüsen-Monat) - Februar: küünlakuu (Kerzen-Monat) -<br />

März: paastukuu (Fasten-Monat) - April: jürikuu (Bedeutung unklar) - Mai:<br />

lehekuu (Blätter-Monat) - Juni: jaanikuu (Janis-Monat) - Juli: heinakuu<br />

(Heu-Monat) - August: lõikuskuu (Ernte-Monat) - September: mihklikuu<br />

307


(Bedeutung unklar) - Oktober: viinakuu (Wein-Monat) - November:<br />

talvekuu (Winter-Monat) - Dezember: joulukuu (Weihnachts-Monat).<br />

„Jaanikuu“ (Janis-Monat) bezieht sich auf das Mittsommerfest am 21. Juni,<br />

das im ganzen Baltikum <strong>und</strong> in ganz Nordeuropa zu den wichtigsten<br />

Festen zählt <strong>und</strong> auch eine Art Zeitenwende einläutet (<strong>des</strong>halb dieser<br />

Name), während „viinakuu“ auf die letzte Weinernte im Jahr <strong>und</strong><br />

„talvekuu“ auf den beginnenden Winter anspielen; dieser beginnt im<br />

Gegensatz zum nördlicheren Finnland nicht schon im Oktober, sondern<br />

eben erst im November. Wie wichtig dieser Janis ist, zeigt sich auch daran,<br />

dass er im benachbarten Lettischen, das wie oben erwähnt nicht wenige<br />

finno-ugrische Wörter übernommen hat (laiva = Schiff, maja = Haus,<br />

maksât = bezahlen, puika =Junge) zu den häufigsten Vornamen gehört.<br />

Wie wir sehen, sind die alten estnischen Monatsnamen also nur im Juli<br />

(Heumonat) <strong>und</strong> Dezember (Weihnachtsmonat) mit dem <strong>Finnischen</strong><br />

identisch. Dass gerade der Juli auch in anderen Sprachen - so in den<br />

Bündner Bergen in der Schweiz, im Surselvischen als „fenadur“ <strong>und</strong> im<br />

Surmeirischen als „fanadour“ - so bezeichnet wird, ist kein Zufall, weil<br />

gerade in diesem Monat der grösste <strong>und</strong> letzte Teil <strong>des</strong> Heus eingefahren<br />

wird. In der ersten Hälfte <strong>des</strong> Monats August wäre das zwar auch noch<br />

möglich, aber ab der zweiten Hälfte fängt in Nordeuropa schon die<br />

nordische Dunkelheit an, die bis zum nächsten Frühling anhält. Während<br />

es im Sommer bekanntlich viel länger hell ist als in Mitteleuropa, so dass<br />

ganz oben im Norden zumin<strong>des</strong>t bis Ende Juli noch die Mitternachtssonne<br />

gesehen werden kann <strong>und</strong> es auch noch in Helsinki oder Tallinn nie richtig<br />

dunkel wird, beginnt die Nacht ganz oben im Norden schon ab dem<br />

September schon um etwa vier Uhr nachmittags.<br />

Wie sehr das alte germanische Denken mit dem finno-ugrischen verwandt<br />

ist, zeigt sich bei den alten Monatsnamen, die heute wie oben gesehen<br />

nur noch im <strong>Finnischen</strong> verwendet werden:<br />

Januar<br />

Februar<br />

März<br />

April<br />

Hartung (alles in diesem Monat hart gefroren)<br />

Hornung (horen = sich paaren, vor allem in der Tierwelt)<br />

Lenzing (erste Anzeichen für den Frühling = Lenz)<br />

Ostermond, Ostermonat (Ostara = Göttin der Morgenröte<br />

<strong>und</strong> <strong>des</strong> aufsteigenden Sonnenlichts)<br />

308


Mai<br />

Juni<br />

Juli<br />

August<br />

September<br />

Oktober<br />

November<br />

Dezember<br />

Wonnemond, Wonnemonat<br />

(winne = weiden, das Vieh kann wieder draussen weiden)<br />

Brachet (Brachmonat, brachen = pflügen)<br />

Heuert (Heumonat, von da stammt heuer = in diesem Jahr)<br />

Ernting (Erntemonat)<br />

Scheiding (Scheidemonat, Abschied vom Sommer, erste<br />

Vorbereitungen auf den Winter)<br />

Gilbhart (gilb = gelb, alles welkt <strong>und</strong> vergilbt <strong>und</strong> fällt von den<br />

Bäumen)<br />

Nebelung (Nebelmonat, auffallend viel Nebel <strong>und</strong> Dunkelheit)<br />

Julmond, Julmonat (Jul = Weihnachten auf Dänisch,<br />

Schwedisch <strong>und</strong> Norwegisch)<br />

Dass diese alten germanischen Namen, die nicht einmal die einzigen,<br />

aber die häufigsten waren, keineswegs vergessen gingen, zeigte sich<br />

noch vor neunzig Jahren in der NS-Zeit, als versucht wurde, diese wieder<br />

neu einzuführen, aber sie konnten sich gegen die bereits bewährten<br />

internationalen Namen, die zudem im verbündeten Italien ebenfalls<br />

verwendet wurden, auf die Dauer nicht durchsetzen. Wenn es diese nicht<br />

schafften, dann erst recht nicht auch solche Wörter wie „Gesichtserker“<br />

(Nase) oder „Schlauchapfel“ (Banane).<br />

Immerhin wurde nicht so wie in Frankreich nach der sogenannten<br />

Revolution von 1789, die keineswegs so spontan kam, wie das in der<br />

Geschichte noch heute gelehrt wird, sondern schon lange Zeit vorher von<br />

„aufgeklärten“ religiösen Kreisen vorbereitet worden war, keine neue<br />

Zeitrechnung ab dem Jahr 0 eingeführt. Noch lächerlicher war, dass die<br />

Monate nicht nur ebenfalls neue Namen bekamen, sondern sich auch<br />

nicht mehr nach der bisherigen Anzahl von 30 oder 31 Tagen mit<br />

Ausnahme <strong>des</strong> Februars richteten <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb abenteuerliche<br />

Zeitabschnitte hatten. Dazu gehörte auch, dass das Christentum mit der<br />

neuen Zeitrechnung offiziell abgeschafft wurde <strong>und</strong> dass den Kirchen alle<br />

Rechte genommen <strong>und</strong> Tausende von Kirchenleuten - Bischöfe, Priester,<br />

Mönche <strong>und</strong> Nonnen <strong>und</strong> anderswie dort Tätige - vom Mob gelyncht <strong>und</strong><br />

309


guillotiniert wurden, <strong>und</strong> das bereits unter Georges Danton, der noch<br />

heute als ein guter Revolutionär <strong>und</strong> sogar als ein Freiheitskämpfer gilt.<br />

Wer mit diesem Revolutions-Firlefanz schliesslich aufräumte <strong>und</strong> damit<br />

den Kirchen ihre alten Rechte wieder zurückgab <strong>und</strong> zugleich die alte<br />

Zeitrechnung wieder einführte, war kein Geringerer als Napoleon, der<br />

ursprünglich gute politische Ideen hatte <strong>und</strong> tatsächlich als einer der<br />

allergrössten Staatsmänner in die Geschichte hätte eingehen können,<br />

wenn er nicht mehr als die Hälfte Europas mit Kriegen überzogen hätte.<br />

Interessanterweise hat das Estnische auch in diesem Bereich mit dem<br />

benachbarten Lettischen, mit dem es sonst hinten <strong>und</strong> vorn nicht verwandt<br />

ist, etwas gemeinsam: Auch dort gibt es noch alte Monatsnamen, die aber<br />

im Gegensatz zum Litauischen, wo sie immer noch im Gebrauch sind, nur<br />

noch in literarischen Texten vorkommen, <strong>und</strong> auch dort gehen sie immer<br />

mehr zurück.<br />

Im Gegensatz zu den Wochentagen verwenden beide Sprachen bei<br />

Zeitangaben den Inessiv, wenn die Monatsnamen allein stehen:<br />

D: Mein Geburtstag ist im November.<br />

E: Minu sünnipäev on novembris/kooljakuus/talvekuus.<br />

F: Minun syntymäpäiväni on marraskuussa.<br />

Wenn das Datum genau angegeben wird, gehen die beiden Sprachen<br />

aber wieder getrennte Wege:<br />

D: Welches Datum haben wir heute?<br />

E: Mis kuupäev täna on?<br />

F: Mikä päivämäärä tänään on?<br />

D: Heute ist der 15. Oktober.<br />

E: Täna on viisteist oktoober/porikuu/viinakuu.<br />

F: Tänään on lokakuun vii<strong>des</strong>toista päivä (<strong>des</strong> Oktobers 15. Tag).<br />

Bei „am“ steht in beiden Sprachen jedoch der A<strong>des</strong>siv:<br />

310


D: Mein Geburtstag ist am 19. November.<br />

E: Minu sünnipäev on üheksalteist novembril/kooljakuul/talvekuul.<br />

F: Minun syntymäpäiväni on yhdeksällätoista marraskuulla.<br />

Die Jahreszeiten<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

Frühling kevad kevät<br />

Sommer suvi kesä<br />

Herbst sügis syksy<br />

Winter talv talvi<br />

im Frühling kevadel keväällä<br />

im Sommer suvel kesällä<br />

im Herbst sügisel syksyllä<br />

im Winter talvel talvella<br />

Auch hier verwenden beide Sprachen den A<strong>des</strong>siv, wobei die<br />

Lautverschiebungen von „i“ zu „e“ beachtet werden müssen.<br />

311


Zeitausdrücke<br />

D: Morgen Vormittag Mittag Nachmittag Abend Nacht<br />

E: hommik ennelõuna lõuna pärastlõuna õhtu öö<br />

F: aamu aamupäivä keskipäivä iltapäivä ilta yö<br />

Bei den Ausdrücken „am Morgen“ usw. verwenden beide Sprachen den<br />

A<strong>des</strong>siv:<br />

E: hommikul, ennelõunal, lõunal, pärastlõunal, õhtul, öösel<br />

F: aamulla, aamupäivällä, keskipäivällä, iltapäivällä, illalla, yöllä<br />

(Stufenwechsel bei „ilta“)<br />

Von jetzt an kommen im <strong>Finnischen</strong> aber auch noch der Inessiv <strong>und</strong> der<br />

Essiv vor:<br />

D: heute morgen übermorgen gestern vorgestern<br />

E: täna homme ülehomme eile üleeile<br />

F: tänään huomenna ylihuomenna eilen toissapäivänä<br />

D: Woche Monat Vierteljahr Jahr<br />

E: nädal kuu kord kvartalis aasta<br />

F: viikko kuukausi neljännesvuosi vuosi<br />

D: Jahrzehnt Jahrh<strong>und</strong>ert Jahrtausend<br />

E: kümnend sajandil aastatuhandet<br />

F: vuosikymmen vuosisada vuosituhat<br />

D: in dieser Woche in der letzten Woche in der vorletzten Woche<br />

E: sel nädalal viimase nädala jooksul eelviimasel nädalal<br />

312


F: tällä viikolla viime viikolla viimeisellä viikolla<br />

D: in der nächsten Woche in der übernächsten Woche<br />

E: järgmisel nädalal järgmise nädala jooksul<br />

F: ensi viikolla ensi viikolla (nur mit „ensi“)<br />

D: in diesem Monat im letzten Monat im vorletzten Monat<br />

E: sel kuul viimase kuu jooksul kuu enne viimast<br />

F: tässä kuussa viime kuussa kuukautta ennen viimeistä<br />

D: im nächsten Monat im übernächsten Monat<br />

E: järgmisel kuul järgmise kuu jooksul<br />

F: ensi kuussa seuraavan kuukauden aikana<br />

D: in diesem Jahr im letzten Jahr im vorletzten Jahr<br />

E: sel aastal eelmisel aastal eelmisel aastal (gleich)<br />

F: tänä vuonna viime vuonna edillesenä vuonna<br />

D: im nächsten Jahr im übernächsten Jahr<br />

E: järgmisel aaltal aasta pärast järgmist<br />

F: ensi vuonna seuraavana vuonna<br />

D: in diesem Jahrzehnt im letzten Jahrzehnt<br />

E: sel kümnendil viimasel kümnendil<br />

F: tällä vuosikymmenellä viimeisen kymmenen aikana<br />

313


D: im vorletzten Jahrzehnt<br />

E: eelviimasel kümnendil<br />

F: viimeisen viimeisen kymmenen aikana<br />

D: im nächsten Jahrzehnt im übernächsten Jahrzehnt<br />

E: järgmisel kümnendil järgmisel kümnendil (gleich)<br />

F: seuraavan vuosikymmenen aikana (gleich wie links)<br />

D: in diesem Jahrh<strong>und</strong>ert im letzten Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

E: sellel sajandil eelmisel sajandil<br />

F: tällä vuosisadalla viime vuosisadalla<br />

D: im vorletzten Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

E: eelviimasel sajandil<br />

F: viimeisellä vuosisadalla<br />

D: im nächsten Jahrh<strong>und</strong>ert im übernächsten Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

E: järgmisel sajandil (gleich wie links)<br />

F: seuraavalla vuosisadalla (gleich wie links)<br />

D: in diesem Jahrtausend im letzten Jahrtausend<br />

E: sel aastatuhandel viimasel aastatuhandel<br />

F: tällä vuosituhannella viime vuosituhannella<br />

D: im vorletzten Jahrtausend<br />

E: eelviimasel aastatuhandel<br />

F: viimeisellä vuosituhannella<br />

314


D: im nächsten Jahrtausend im übernächsten Jahrtausend<br />

E: järgmisel aastatuhandel aastatuhandel pärast järgmist<br />

F: seuraavalla vuosituhannella seuraavana vuosituhannena<br />

D: vor Tagen/Wochen/Monaten/Jahren/Jahrzehnten<br />

E: päeva/nädalaid/kuud/aastat/aastakümneid tagasi<br />

F: päivää/viikkoa/kuukautta/vuosia/vuosikymmeniä sitten<br />

D: vor Jahrh<strong>und</strong>erten/Jahrtausenden<br />

E: sajandeid tagasi/aastatuhandeid tagasi<br />

F: vuosisatoja sitten/tuhansia vuosia sitten<br />

D: in Tagen/Wochen/Monaten/Jahren/Jahrzehnten<br />

E: päeva<strong>des</strong>/nädalatega/kuu<strong>des</strong>/aastatel/aastakümnetel<br />

F: päivinä/viikkoina/kuukausina/vuosina/vuosikymmeninä<br />

D: in Jahrh<strong>und</strong>erten/Jahrtausenden<br />

E: sajanditel/tuhandete aastate jooksul<br />

F: tuhansina vuosina/vuosisatojen ajan<br />

D: vor zwei Tagen/Wochen/Monaten<br />

E: kaks päeva tagasi/kaks nädalat tagasi/kaks kuud tagasi<br />

F: kaksi päivää sitten/kaksi viikkoa sitten/kaksi kuukautta sitten<br />

D: vor zwei Jahren/Jahrzehnten/Jahrh<strong>und</strong>erten/Jahrtausenden<br />

E: kaks aastat tagasi/kaks aastakümnet tagasi/kaks sajandit tagasi/<br />

kaks aastatuhandet tagasi<br />

315


F: kaksi vuotta sitten/kaksi vuosikymmentä sitten/kaksi vuosisataa sitten/<br />

kaksi vuosituhatta sitten<br />

D: in zwei Tagen/Wochen/Monaten/Jahren<br />

E: kahe päeva pärast/kahe nädala pärast/kahe kuu pärast/<br />

kahe aastat pärast<br />

F: kah<strong>des</strong>sa päivässä/kah<strong>des</strong>sa viikossa/kahden kuukauden kuluttua/<br />

kah<strong>des</strong>sa vuo<strong>des</strong>sa<br />

D: in zwei Jahrzehnten/Jahrh<strong>und</strong>erten/Jahrtausenden<br />

E: kahe aastakümne pärast/kahe sajandi jooksul/kahe aastatuhande<br />

pärast<br />

F: kah<strong>des</strong>sa vuosikymmenessä/kah<strong>des</strong>sa vuosisadassa/<br />

kah<strong>des</strong>sa vuosituhannessa<br />

Bei „vor“ stehen die Zahl immer im Nominativ <strong>und</strong> der Zeitausdruck immer<br />

im Partitiv, während bei „in“ im <strong>Estnischen</strong> beide Male der Genitiv <strong>und</strong> im<br />

<strong>Finnischen</strong> beide Male der Inessiv verwendet werden.<br />

Im <strong>Finnischen</strong> gibt es bei der Ziffer 3 von der Woche an aufwärts eine<br />

andere Konstruktion:<br />

in drei Sek<strong>und</strong>en/Minuten/St<strong>und</strong>en/Tagen:<br />

kolmessa sekunnissa/minuutissa/tunnissa/päivässä<br />

in drei Wochen: kolmen viikon kuluttua<br />

in drei Monaten: kolmen kuukauden sisällä<br />

in drei Jahren: kolmen vuoden kuluttua<br />

in drei Jahrzehnten: kolmen vuosikymmenen aikana<br />

in drei Jahrh<strong>und</strong>erten: kolmen vuosisadan aikana<br />

in drei Jahrtausenden: kolmen vuosituhannen aikana<br />

316


Länder, Regionen, Nationalitäten <strong>und</strong> Sprachen<br />

Da es heute fast 200 unabhängige Staaten <strong>und</strong> obendrein Dutzende von<br />

teilautonomen Ländern sowie Inseln gibt, die rein formal einem<br />

unabhängigen Staat gehören, könnte ich allein mit diesen Namen die<br />

Hälfte eines solchen Buches füllen, das ich hier geschrieben habe.<br />

Deshalb beschränke ich mich hier darauf, nur von Europa alle Länder<br />

aufzuführen, während ich von den anderen Kontinenten nur die<br />

bekanntesten berücksichtige. Wer wirklich daran interessiert ist, auch in<br />

diesem Bereich alles zu wissen, sei auf die Webseite „Armenian<br />

Lexilogos“ hingewiesen, das ich selber für den weltweit besten<br />

Sprachencomputer halte, weil dort in mehr als h<strong>und</strong>ert Sprachen quer<br />

über das Kreuz alles Mögliche übersetzt werden kann. Während bei den<br />

Sätzen Vorsicht geboten ist, weil hier das menschliche Auge immer noch<br />

überlegen ist <strong>und</strong> den einen oder anderen Fehler entdecken kann, sind<br />

die Wörter zu fast h<strong>und</strong>ert Prozent immer korrekt, wenn sie allein gesucht<br />

werden, also auch die Namen für Länder <strong>und</strong> Inseln.<br />

Die aus estnischer <strong>und</strong> finnischer Sicht wichtigsten Länder <strong>und</strong> Völker sind<br />

diese, wobei oben immer der Ländername <strong>und</strong> unten die Nationalität steht,<br />

die im <strong>Finnischen</strong> immer <strong>und</strong> im <strong>Estnischen</strong> wenigstens fast immer auch<br />

dem entsprechenden Adjektiv entspricht:<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

Estland Eesti, Eestimaa Viro, Eesti<br />

Este, Estin eestlane virolainen, eestiläinen<br />

(Mehrzahl eestlased virolaiset, eestiläiset)<br />

Finnland Soomemaa Suomi<br />

Finne, Finnin soomlane suomalainen<br />

(Mehrzahl soomlased suomalaiset)<br />

Karelien Karjalamaa Karjala<br />

Karelier(in) karjalmaalane karjalainen<br />

Alands-Inseln Ahvenamaa Ahvenanmaa<br />

Aländer(in) ahvenamaalane ahvenanmaalainen<br />

317


Lappland Lapimaa, Saamimaa Lappi, Saamenmaa<br />

Lappe, Lappin laplane, saamlane lappilainen,<br />

(Same, Samin)<br />

saamilainen<br />

Schweden Rootsi Ruotsi<br />

Schwede, Schwedin rootslane ruotsilainen<br />

Norwegen Norra Norja<br />

Norweger(in) norralane norjalainen<br />

Dänemark Taani Tanska<br />

Däne, Dänin taanlane tanskalainen<br />

Island Island Islanti<br />

Isländer(in) islandilane islantilainen<br />

Lettland Läti, Lätimaa Latvia<br />

Lette, Lettin lätlane latvialainen,<br />

lättiläinen<br />

Litauen Leedumaa Liettua<br />

Litauer(in) leedulane liettualainen<br />

Russland Venemaa Venäjä<br />

Russe, Russin venelane, venäläinen,<br />

venemaalane venäjän, ryssä *<br />

Ungarn Ungari Unkari<br />

Ungar(in) ungarlane unkarilainen<br />

Deutschland Saksamaa Saksa<br />

Deutsche(r) sakslane saksalainen<br />

* Das Wort „ryssä“ (Mehrzahl: ryssät) sollte wie weiter oben bereits<br />

erwähnt besser nicht verwendet werden, weil es sowieso viel schwerer zu<br />

deklinieren ist <strong>und</strong> zudem schon immer einen negativen Beiklang hatte,<br />

erst recht seit den beiden Kriegen gegen die Sowjets von 1939 bis 1944.<br />

318


Das Gleiche gilt auch für „valko-ryssä“ (Weissrusse), das grammatikalisch<br />

möglich wäre; erstens haben die Finnen gegen die Weissrussen eigentlich<br />

nichts <strong>und</strong> zweitens fühlen sich auch die Russen keineswegs<br />

geschmeichelt, weil sie immer ein wenig auf die Weissrussen<br />

hinuntergeschaut haben, genauso wie auch auf die Ukrainer, die für viele<br />

heissblütige Nationalisten immer noch „Kleinrussen“ sind. So sind vor<br />

allem in diesen Kreisen immer noch Stimmen zu vernehmen, dass die<br />

Ukraine, Belarus (Weissrussland) <strong>und</strong> das ganze Baltikum lieber heute als<br />

morgen wieder „heimgeholt“ werden sollten.<br />

Die estnischen Adjektive sind mit den Ländernamen identisch, wenn diese<br />

auf einem Vokal enden, während nach einem Konsonanten noch ein „i“<br />

dazwischengeschoben wird:<br />

Estland - die estnische Sprache - der estnische Staat<br />

Eesti - Eesti keel - Eesti Vabariik<br />

Finnland - die finnische Sprache - der finnische Staat<br />

Soomemaa - Soome keel (ohne „maa“) - Soome Vabariik<br />

Schweden - die schwedische Sprache - der schwedische Staat<br />

Rootsi - Rootsi keel - Rootsi Vabariik<br />

Island - die isländische Sprache - der isländische Staat<br />

Island - Islandi keel - Islandi Vabariik<br />

Eine zweite mögliche Variante ist im <strong>Estnischen</strong> die Suffixendung „-lik“,<br />

die ich oben im entsprechenden Kapitel als eine solche aufgeführt habe<br />

<strong>und</strong> die eine bestimmte Beschaffenheit anzeigt:<br />

estnisch - eestilik<br />

finnisch - soomelik<br />

schwedisch - rootsilik<br />

deutsch - saksalik<br />

319


Im <strong>Finnischen</strong> können als Adjektive zwar immer die oben aufgeführten<br />

Varianten verwendet werden, aber bei politischen <strong>und</strong> auch kulturellen<br />

<strong>und</strong> kulinarischen Begriffen wird der Genitiv der Ländernamen bevorzugt,<br />

weil das „offizieller“ klingt:<br />

Die finnische Sprache<br />

Der finnische Staat<br />

Die finnische Literatur<br />

Die finnische Musik<br />

Die finnischen Getränke<br />

suomalainen/Suomen kieli<br />

suomalainen/Suomen Tasavalta<br />

suomalainen/Suomen kirjallisuus<br />

suomalainen/Suomen musiikki<br />

suomalaiset/Suomen juomat<br />

Die übrigen Länder, Regionen <strong>und</strong> Inseln in Europa sind in alfabetischer<br />

Reihenfolge diese:<br />

Europa Euroopa Eurooppa<br />

Europäer(in) eurooplane eurooppalainen<br />

Albanien Albaania Albania<br />

Albaner(in) albaanlane albanialainen<br />

Andalusien * Andaluusia Andalusia<br />

Andalusier(in) andaluuslane andalusialainen<br />

Andorra Andorra Andorra<br />

Andorraner(in) andorralane andorralainen<br />

Armenien ** Armeenia Armenia<br />

Armenier(in) armeenlane armenialainen<br />

Aserbaidschan ** Aserbaidzhaan Azerbaidzhaan<br />

Aserbaidschaner(in) aserbaidzhaanlane azerbaidzhaanilainen<br />

Asturien * Asturia Asturia<br />

Asturianer(in) asturlane asturialainen<br />

Azoren * Asoorid Azorit<br />

Azorer(in) asoorlane azorilainen<br />

320


Balearen * Baleaarid Baleaarit<br />

Balearer(in) baleaarlane baleaarilainen<br />

Baskenland * Baskimaa Baskimaa<br />

Baske, Baskin baskimaalane baskimaalainen<br />

Bayern * Baieri Baijeri<br />

Bayer(in) baierlane baijerilainen<br />

Belgien Belgia Belgia<br />

Belgier(in) belglane belgialainen<br />

Bosnien Bosnia Bosnia<br />

Bosnier(in) bosnialane bosnialainen<br />

Brabant * Brabant Brabanti<br />

Brabanter(in) brabantlane brabantilainen<br />

Bretagne * Bretagne Bretagne<br />

Bretone, Bretonin bretoonlane bretagnelainen<br />

Bulgarien Bulgaaria Bulgaria<br />

Bulgare, Bulgarin bulgaarlane bulgarialainen<br />

England * Inglismaa Englanti<br />

Engländer(in) inglane englantilainen<br />

Färöer-Inseln * Fääri Saared Färsaaret<br />

Färe, Färin fäärlane färiläinen<br />

Flandern * Flandria Flanderi<br />

Flame, Flämin flaamlane flaamilainen<br />

Frankreich Prantsusmaa Ranska<br />

Franzose, Französin prantslane ranskalainen<br />

Friesland * Friisia Frisia<br />

Friese, Friesin friislane frisialainen<br />

321


Galicien * Galicia Galicia<br />

Galicier(in) galicialane galicialainen<br />

Georgien ** Gruusia Georgia, Gruusia<br />

Georgier(in) gruusinlane georgialainen,<br />

gruusialainen<br />

Gibraltar * Gibraltar Gibraltar<br />

Gibraltarer(in) gibraltarlane gibraltarilainen<br />

Gotland * Gotland Gotlanti<br />

Gotländer(in) gotlandlane gotlantilainen<br />

Griechenland Kreeka Kreikka<br />

Grieche, Griechin kreeklane kreikkalainen<br />

Grönland * Gröönimaa Grönlanti<br />

Grönländer(in) gröönlane grönlantilainen<br />

Grossbritannien Suurbritannia Iso-Britannia<br />

Brite, Britin britanlane britannialainen<br />

Hercegovina Hertsegoviina Hercegovina<br />

Hercegoviner(in) hertsegoviinlane hercegovinalainen<br />

Holland * Holland Hollanti<br />

Holländer(in) hollandlane hollantilainen<br />

Ibiza * Ibiza Ibiza<br />

Ibizianer(in) ibizlane ibizalainen<br />

Irland Iirimaa Irlanti<br />

Ire, Irin iirlane irlantilainen<br />

Italien Itaalia Italia<br />

Italiener(in) itaallane italialainen<br />

Jütland * Jüütimaa Jyllanti<br />

Jütländer(in) jüütimaalane jyllantilainen<br />

322


Kalabrien * Kalabria Kalabria<br />

Kalabrier(in) kalabrialane kalabrialainen<br />

Kanarische Inseln * Kanaari Saared Kanarian Saaret<br />

Kanarer(in) kanaarlane kanarilainen<br />

Kasachstan ** Kasahstan Kazakstan<br />

Kasache, Kasachin kasahstanlane kazakstanilainen<br />

Katalonien * Kataloonia Katalonia<br />

Katalane, Katalanin kataloonlane katalonialainen<br />

Korsika * Korsika Korsika<br />

Korse, Korsin korsiklane korsikalainen<br />

Kosovo Kosovo Kosovo<br />

Kosovare, Kosovarin kosovlane kosovolainen<br />

Kreta * Kreeta Kreeta<br />

Kreter(in) kreetlane kreetalainen<br />

Kroatien Horvaatia, Kroaatia Kroatia<br />

Kroate, Kroatin horvaatlane, kroaati,<br />

kroaatlane<br />

kroatialainen<br />

Kurland (Lettland) * Kuramaa, Kuramaa,<br />

Kurland<br />

Kurlanti<br />

Kurländer(in) kuramaalane, kuramaalainen,<br />

kurlandlane<br />

kurlantilainen<br />

Lettgallen (Lettland) * Latgale Latgallia<br />

Lettgalle, Lettgallin latgallane latgallialainen,<br />

latgalilainen<br />

Liechtenstein Liechtenstein Liechtenstein<br />

Liechtensteiner(in) Liechtensteini mees Liechtensteinin mies<br />

Limburg * Limburg Limburg<br />

323


Limburger(in) limburglane limburgilainen<br />

Livland (Lettland) * Livland Livlanti<br />

Livländer(in) livlandlane livlantilainen<br />

Lombardei * Lombardia Lombardia<br />

Lombarde (-in) lombardlane lombardialainen<br />

Luxemburg Luksemburg Luxemburg<br />

Luxemburger(in) Luksemburgi mees Luxemburgin mies<br />

Madeira * Madeira Madeira<br />

Madeirer(in) madeirlane madeiralainen<br />

Mallorca * Mallorca Mallorca<br />

Mallorquiner(in) mallorclane mallorcalainen<br />

Malta Malta Malta<br />

Malteser(in) maltalane maltalainen<br />

Mazedonien Makedoonia Makedonia<br />

Mazedonier(in) makedoonlane makedonialainen<br />

(Nordmazedonien Põhja-Makedoonia Pohjois-Makedonia<br />

Nord-Mazedonier(in) põhja-makedoonlane, pohjoismakedonialainen)<br />

Menorca * Menorca Menorca<br />

Menorquiner(in) menorclane menorcalainen<br />

Moldawien Moldaavia, Moldavia,<br />

Moldova<br />

Moldova<br />

Moldawier(in) moldaavlane, moldavialainen,<br />

moldovlane<br />

moldovalainen<br />

Monaco Monaco Monaco<br />

Monegasse (-in) monaclane monacolainen<br />

Montenegro Montenegro Montenegro<br />

324


Montenegriner(in) montenegrolane montenegrolainen<br />

Niederlande Holland, Nederland Alankomaat<br />

Niederländer(in) hollandlane, alankomaalainen<br />

nederlandlane<br />

Nordirland * Põhja-Iirimaa Pohjois-Irlanti<br />

Nordire, Nordirin põhja-iirimaalane pohjois-irlantilainen<br />

Österreich Austria Itävalta<br />

Österreicher(in) austerlane itävaltalainen<br />

Piemont * Piemonte Piemonte<br />

Piemonteser(in) piemontlane piemontiläinen<br />

Polen Poola, Poolamaa Puola<br />

Pole, Polin poollane puolalainen<br />

Pommern * Pommerimaa Pommeri<br />

Pommeraner(in) pommerimaalane pommerilainen<br />

Preussen * Preisimaa Preussi<br />

Preusse, Preussin preisimaalane preussilainen<br />

Rumänien Rumeenia Romania<br />

Rumäne, Rumänin rumeenlane romanialainen<br />

Sachsen * Saksimaa Saksimaa<br />

Sachse, Sächsin saksimaalane saksimaalainen<br />

San Marino San Marino San Marino<br />

Sanmarineser(in) sanmarinlane sanmarinolainen<br />

Sardinien * Sardiinia Sardinia<br />

Sarde, Sardin sardiinlane sardinialainen<br />

Schlesien * Sileesia Silesia<br />

Schlesier(in) sileeslane silesialainen<br />

Schottland * Shotimaa *** Skotlanti<br />

325


Schotte, Schottin shotimaalane, skotlantilainen<br />

shotlane<br />

Schweiz Shveits *** Sveitsi<br />

Schweizer(in) shveitslane *** sveitsiläinen<br />

Serbien Serbia Serbia<br />

Serbe, Serbin serblane serbialainen<br />

Sizilien * Sitsiilia Sisilia<br />

Sizilianer(in) sitsiillane sisilialainen<br />

Slowakei Slovakkia Slovakia<br />

Slowake, Slowakin slovakklane slovakialainen<br />

Slowenien Sloveenia Slovenia<br />

Slowene, Slowenin sloveenlane slovenialainen<br />

Spanien Hispaania Espanja<br />

Spanier(in) hispaanlane espanjalainen<br />

Thüringen * Tüüringi(maa) Thüringen<br />

Thüringer(in) tüüringi(maa)lane thüringeniläinen<br />

Tirol * Tirool Tirol<br />

Tiroler(in) tiroollane tirolilainen<br />

(Südtirol Lõuna-Tirool Etelä-Tirol<br />

Südtiroler(in) lõuna-tiroollane etelä-tirolilainen)<br />

Toskana * Toscana Toscana<br />

Toskaner(in) toscanlane toscanalainen<br />

Tschechien Tshehhi Vabariik *** Tshekin Tasavalta<br />

Tscheche, Tschechin tshehhi tshekki(läinen)<br />

Türkei Türgi, Türgimaa Turkki<br />

Türke, Türkin türglane turkkilainen<br />

Ukraine Ukraina Ukraina<br />

326


Ukrainer(in) ukrainlane ukrainalainen<br />

Vatikanstadt Vatikan Vatikaani(valtio)<br />

Einwohner(in) von V. vatikanlane vatikaanilainen<br />

Wales * Kümrimaa, Kymri, Kymrimaa,<br />

Walesi maa, Walesi riik Walesin maa<br />

Waliser(in) kümrimaalane, kymriläinen,<br />

walesimaalane,<br />

walesilainen<br />

walesi mees/naine<br />

Wallonien * Valloonia Vallonia<br />

Wallone, Wallonin valloonlane vallonialainen<br />

Weissrussland Valgevene, Valko-Venäjä,<br />

Valgevenemaa<br />

Bylelorussa<br />

Weissrusse, valgevenelane, valko-venäjän,<br />

Weissrussin valgevenemaalane valko-venäläinen<br />

Zypern Küpros Kypros<br />

Zypriote (-in) küproslane kyproslainen<br />

* Das sind zwar keine unabhängigen Staaten, aber politische <strong>und</strong><br />

kulturelle Begriffe.<br />

** Seit dem offiziellen Ende der Sowjetunion zählen Armenien,<br />

Aserbaidschan, Georgien <strong>und</strong> Kasachstan nicht mehr zu Asien, sondern<br />

zu Europa.<br />

*** Der Doppelkonsonant „sh“ wird wie oben erwähnt nur in diesem Buch<br />

so geschrieben.<br />

Ehemalige europäische Länder <strong>und</strong> Regionen:<br />

Gallien Gallia Gallia<br />

Gallier(in) gallialane gallialainen<br />

327


Germanien Germaania Germania<br />

Germane, Germanin germaanlane germanialainen<br />

Illyrien Illüüria Illyria<br />

Illyrer(in) illüürlane illyrialainen<br />

Jugoslawien Jugoslaavia Jugoslavia<br />

Jugoslawe, Jugoslawin jugoslaavlane jugoslavialainen<br />

Kelte, Keltin keldi (Pl. keldid) keltti (Pl. keltit)<br />

Lusitanien Lusitaania Lusitania<br />

Lusitanier(in) lusitaanlane lusitanialainen<br />

Römisches Reich Rooma Impeerium, Rooman Imperiumi,<br />

Rooma Riik<br />

Rooman Valtakunta<br />

Römer(in) roomlane roomalainen<br />

Sowjetunion Nõukogude Liit Neuvostoliitto<br />

Sowjet, Sowjetfrau Nõukogude mees/ Neuvostoliiton mies/<br />

naine<br />

nainen,<br />

neuvostoliittolainen<br />

Die bekanntesten Länder, Regionen <strong>und</strong> Inseln in Asien:<br />

Asien Aasia Aasia<br />

Asiate, Asiatin aasialane aasialainen<br />

Eurasien Euraasia Euraasia<br />

Eurasier(in) euraaslane euraasialainen<br />

Afghanistan Afganistan Afganistan<br />

Afghane, Afghanin afganistanlane, afganistanilainen<br />

afgaanlane<br />

Andamanen * Andamaanid Andamanit<br />

Andamaner(in) andamaanlane andamanilainen<br />

328


Bahrain Bahrein Bahrain<br />

Bahrainer(in) bahreinlane bahrainilainen<br />

Bali * Bali Bali<br />

Balinese, Balinesin balilane balilainen<br />

Bangla<strong>des</strong>ch Bangla<strong>des</strong>h Bangla<strong>des</strong>h<br />

Bangla<strong>des</strong>chi(n) banga<strong>des</strong>hlane bangla<strong>des</strong>hilainen<br />

Bhutan Bhutan Bhutan<br />

Bhutaner(in) bhutanlane bhutanilainen<br />

Birma (Burma) Birma Burma<br />

Birmane, Birmanin birmalane burmalainen<br />

(Burmese, Burmesin)<br />

Borneo * Borneo Borneo<br />

Einwohner(in) von B. borneolane borneolainen<br />

China Hiina, Kiina Kiina<br />

Chinese, Chinesin hiinalane, kiinalainen<br />

kiinalane<br />

Indien India Intia<br />

Inder(in) indiaanlane intialainen<br />

Indonesien Indoneesia Indonesia<br />

Indonesier(in) indoneeslane indonesialainen<br />

Irak Iraak Irak<br />

Iraker(in) iraaklane irakilainen<br />

Iran Iraan Iran<br />

Iraner(in) iraanlane iranilainen<br />

Israel Iisrael Israel<br />

Israeli(n) iisraellane israelilainen<br />

Japan Jaapan Japani<br />

329


Japaner(in) jaapanlane japanilainen<br />

Java * Jaava Jaava<br />

Javaner(in) jaavlane jaavalainen<br />

Jemen Jeemen Jemen<br />

Jemeniter, Jemenitin jeemenlane jemeniläinen<br />

Jordanien Jordaania Jordania<br />

Jordanier(in) jordaanlane jordanialainen<br />

Kambodscha Kambodzha Kambodzha<br />

Kambodschaner(in) kambodzhlane kambodzhalainen<br />

Katar Katar Qatar<br />

Katarer(in) katarlane qatarilainen<br />

Kirgisistan Kõrgõstan Kirgisia<br />

Kirgise, Kirgisin kõrgõstanlane kirgisialainen<br />

Korea Korea Korea<br />

Koreaner(in) korealane korealainen<br />

(Nordkorea Põhja-Korea Pohjois-Korea<br />

Nordkoreaner(in) põhja-korealane pohjois-korealainen<br />

Südkorea Lõuna-Korea Etelä-Korea<br />

Südkoreaner(in) lõuna-korealane etelä-korealainen)<br />

Kurdistan * Kurdistan Kurdistan<br />

Kurde, Kurdin kurdi (Pl. kurdid) kurdi (Pl. kurdit)<br />

Laos Laos Laos<br />

Laote, Laotin laoslane laosilainen<br />

Libanon Liibanon Libanon<br />

Libanese, Libanesin liibanonlane libanonilainen<br />

Malaysia Malaisia Malesia<br />

Malaysier(in) malaisialane malesialainen<br />

330


Malediven Maldiivid Malediivit<br />

Malediver(in) maldiivlane malediivilainen<br />

Mandschurei * Mandzhuuria Mantsuria<br />

Mandschure (-in) mandzhuurlane mantsurialainen<br />

Molukken(-Inseln) * Molukani saared Molukkan saaret<br />

Molukker(in) molukanlane molukkanilainen<br />

Mongolei Mongoolia Mongolia<br />

Mongole, Mongolin mongoollane mongolialainen<br />

Nepal Nepaal Nepal<br />

Nepalese, Nepalesin nepaallane nepalilainen<br />

Oman Omaan Oman<br />

Omaner(in) omaanlane omanilainen<br />

Ost-Timor (Osttimor) Ida-Timor Itä-Timor<br />

Ost-Timoraner(in) ida-timorlane itä-timorilainen<br />

Pakistan Pakistan Pakistan<br />

Pakistaner(in) pakistanlane pakistanilainen<br />

Palästina Palestiina Palestiina<br />

Palästinenser(in) palestiinlane palestiinalainen<br />

Philippinen Filipiinid Filippiinit<br />

Philippiner(in) filipiinlane filippiiniläinen<br />

Saudi-Arabien Saudi Araabia Saudi-Arabia<br />

Saudi-Araber(in) saudi araablane saudi-arabialainen<br />

Seychellen Seishellid Seychellit<br />

Seycheller(in) seishellilane seychelliläinen<br />

Sibirien * Siber Siperia<br />

Sibirier(in) siberlane siperialainen<br />

Singapur Singapur Singapore<br />

331


Singapurer(in) singapurlane singaporelainen<br />

Sinkiang * Sinkiang Sinkiang<br />

Sinkiangese (-in) sinkianglane sinkiangilainen<br />

Sri Lanka Sri Lanka Sri Lanka<br />

Srilanker(in) srilanklane srilankalainen<br />

Sulawesi * Sulawesi Sulawesi<br />

Sulawesier(in) sulaweslane sulawesilainen<br />

Sumatra * Sumatra Sumatra<br />

Sumatraner(in) sumatralane sumatralainen<br />

Syrien Süüria Syyria<br />

Syrer(in) süürlane syyrialainen<br />

Tadschikistan Tadzhikistan Tadzhikistan<br />

Tadschike, Tadschikin tadzhikistanlane tadzhikistanilainen<br />

Taiwan Taivan, Taiwan Taivan, Taiwan<br />

Taiwaner(in) taivanlane, taivanilainen,<br />

taiwanlane<br />

taiwanilainen<br />

Thailand Tai, Taimaa Thaimaa<br />

Thailänder(in) tai(lane), taimaalane thaimaalainen<br />

Tibet * Tiibet Tiibet<br />

Tibeter(in) tiibeti tiibetiläinen<br />

Timor * Timor Timor<br />

Einwohner(in) von T. timorlane timorilainen<br />

Turkmenistan Türkmenistan Turkmenistan<br />

Turkmene, Turkmenin türkmeene turkmenialainen<br />

Usbekistan Usbekistan Uzbekistan<br />

Usbeke, Usbekin usbekistanlane uzbekistanilainen<br />

Vietnam Vietnam Vietnam<br />

332


Vietnamese (-in) vietnamlane vietnamilainen<br />

West-Neuguinea * Lääne-Uusguinea Länsi-Uusguinea<br />

West-Neuguineaner(in) lääne-uusguinealane<br />

länsi-uusguinealainen<br />

Ehemalige asiatische Länder <strong>und</strong> Regionen:<br />

Assyrien Assüüria Assyria<br />

Assyrer(in) assüürlane assyrialainen<br />

Babylon Babüloonia Babylonia<br />

Babylonier(in) babüloonlane babylonialainen<br />

Indochina (als Indohiina, Indokiina<br />

französische Kolonie) Indokiina<br />

Indochinese (-in) indohiinlane, indokiinalainen<br />

indokiinlane<br />

Medien Meedia Meedia<br />

Meder(in) meedlane meedialainen<br />

Mesopotamien Mesopotaamia Mesopotamia<br />

Mesopotamier(in) mesopotaamlane mesopotamialainen<br />

Persien Pärsia Persia<br />

Perser(in) pärsialane, persialainen<br />

pärslane<br />

Die bekanntesten Länder, Regionen <strong>und</strong> Inseln in Afrika:<br />

Afrika Aafrika Afrikka<br />

Afrikaner(in) aafriklane afrikkalainen<br />

Ägypten Egiptus Egypti<br />

Ägypter(in) egiptlane egyptiläinen<br />

333


Algerien Alzheeria Algeria<br />

Algerier(in) alzheerlane algerialainen<br />

Angola Angoola Angola<br />

Angolaner(in) angoolane angolalainen<br />

Äthiopien Etioopia Etiopia<br />

Äthiopier(in) etiooplane etiopialainen<br />

Benin Benin Benin<br />

Beniner(in) beninlane beninilainen<br />

Botswana Botswaana Botswana<br />

Botswaner(in) botswaanlane botswanalainen<br />

Burkina Faso Burkina Faso Burkina Faso<br />

Einwohner(in) von B. F. burkinafaslane burkinafasolainen<br />

Bur<strong>und</strong>i Bur<strong>und</strong>i Bur<strong>und</strong>i<br />

Bur<strong>und</strong>ier(in) bur<strong>und</strong>lane bur<strong>und</strong>ilainen<br />

Elfenbeinküste Elevandiluurannik Norsunluurannikko<br />

Ivorer(in) elevandiluurane norsunluuranainen<br />

Eritrea Eritrea Eritrea<br />

Eritreer(in) eritrealane eritrealainen<br />

Eswatini Eswatini Eswatini<br />

Eswatiner(in) eswatinlane eswatinilainen<br />

Gabun Gabon Gabon<br />

Gabuner(in) gabonlane gabonilainen<br />

Gambia Gambia Gambia<br />

Gambier(in) gambialane gambialainen<br />

Ghana Ghana Ghana<br />

Ghanaer(in) ghanalane ghanalainen<br />

Guinea Guinea Guinea<br />

334


Guineaner(in) guinealane guinealainen<br />

Guinea-Bissau Guinea-Bissau Guinea-Bissau<br />

Guinea-Bissauer(in) guinea-bissaulane guinea-bissaulainen<br />

Kamerun Kamerun Kamerun<br />

Kameruner(in) kamerunlane kamerunilainen<br />

Kap Verde-Inseln Cabo Verde saared, Kap Verde saaret<br />

Roheneemesaared<br />

Einwohner(in) der K. V. I. cabover<strong>des</strong>aarlane, kapver<strong>des</strong>aarilainen<br />

roheneemesaarlane<br />

Kenia Keenia Kenia<br />

Kenianer(in) keenialane kenialainen<br />

Komoren Komoorid Komorit<br />

Komoraner(in) komoorlane komorilainen<br />

Kongo Kongo Kongo<br />

Kongolese, Kongolesin kongolane kongolainen<br />

Lesotho Lesoto Lesoto<br />

Lesother(in) lesotlane lesotolainen<br />

Liberia Libeeria Liberia<br />

Liberianer(in) libeerialane liberialainen<br />

Libyen Liibüa, Liibia * Libya, Libia *<br />

Libyer(in) liibüalane * libyalainen,*<br />

liibialane<br />

libialainen<br />

Madagaskar Madagaskar Madagaskar<br />

Madagasse (-in) madagaskarlane madagaskarilainen<br />

Malawi Malaawi Malawi<br />

Malawier(in) malaawlane malawilainen<br />

Mali Maali Mali<br />

335


Malier(in) maalilane malilainen<br />

Marokko Maroko Marokko<br />

Marokkaner(in) maroklane marokkolainen<br />

Mauretanien Mauretaania Mauretania<br />

Mauretanier(in) mauretaanlane mauretanialainen<br />

Mauritius Mauritius Mauritius<br />

Mauritier(in) mauritiuslane mauritiuslainen<br />

Mosambik Mosambiik Mosambik<br />

Mosambikaner(in) mosambiiklane mosambikilainen<br />

Namibia Namiibia Namibia<br />

Namibier(in) namiiblane namibialainen<br />

Niger Niger Niger<br />

Nigerer(in) nigerlane nigerilainen<br />

Nigeria Nigeeria Nigeria<br />

Nigerianer(in) nigeerialane nigerialainen<br />

Ruanda Ruanda Ruanda<br />

Ruander(in) ruandlane ruandalainen<br />

Sambia Sambia Sambia<br />

Sambier(in) samblane sambialainen<br />

Senegal Senegal Senegal<br />

Senegalese (-in) senegallane senegalilainen<br />

Sierra Leone Sierra Leone Sierra Leone<br />

Einwohner(in) von S. L. sierra-leonlane sierra-leoneläinen<br />

Simbabwe Zimbabwe Zimbabwe<br />

Simbabwer(in) zimbabwelane zimbabwelainen<br />

Somalia Somaalia Somalia<br />

Somalier(in) somaallane somalialainen<br />

336


Somaliland Somaaliland Somalimaa<br />

Somaliländer(in) somaalilandlane somalimaalainen<br />

Sudan Sudaan Sudan<br />

Sudanese, Sudanesin sudaanlane sudanilainen<br />

Südsudan Lõuna-Sudaan Etelä-Sudan<br />

Südsudanese (-in) lõuna-sudaanlane etelä-sudanilainen<br />

Südafrika Lõuna-Aafrika, Etelä-Afrikka,<br />

Lõuna-Aafrika<br />

Etelä-Afrikan<br />

Vabariik<br />

Tasavalta<br />

Südafrikaner(in) lõuna-aafriklane etelä-afrikkalainen<br />

Tansania Tansaania Tansania<br />

Tansanier(in) tansaanlane tansanialainen<br />

Togo Togo Togo<br />

Togolese, Togolesin togolane togolainen<br />

Tschad Tshaad Tshad<br />

Tschader(in) tshaadlane tshadilainen<br />

Tunesien Tuneesia Tunisia<br />

Tunesier(in) tuneeslane tunisialainen<br />

Uganda Uganda Uganda<br />

Ugander(in) ugandlane ugandalainen<br />

Zentralafrikanische Kesk-Aafrika Keski-Afrikan<br />

Republik Vabariik Tasavalta<br />

Zentralafrikaner(in) kesk-aafriklane keski-afrikkalainen<br />

* Die zweiten Varianten (Liibia, Libia - liibialane, libialainen) werden nur so<br />

ausgesprochen, aber nicht so geschrieben, also ähnlich wie im Deutschen<br />

(Libyen, libysch, Libyer, Libyerin).<br />

337


Ehemalige afrikanische Länder <strong>und</strong> Regionen:<br />

Abessinien Abessiinia Abessinia<br />

(heute Äthiopien)<br />

Abessinier(in) abessiinlane abessinialainen<br />

Deutsch-Ostafrika Saksamaa Saksan<br />

(heute Tansania) Ida-Aafrika, Itä-Afrikka<br />

Saksamaa<br />

Ost-Aafrika<br />

Deutsch-Ostafrikaner(in) Saksamaa Saksan itä-afrikkalainen<br />

ida-aafriklane,<br />

Saksamaa<br />

ost-aafriklane<br />

Deutsch-Südwestafrika Saksamaa Saksan Lounas-Afrikka<br />

(heute Namibia) Edel-Aafrika<br />

Deutsch-Südwestafri- Saksamaa Saksan<br />

kaner(in) edel-aafriklane lounas-afrikkalainen<br />

Rho<strong>des</strong>ien Rodeesia Ro<strong>des</strong>ia<br />

(heute Simbabwe)<br />

Rho<strong>des</strong>ier(in) rodeeslane ro<strong>des</strong>ialainen<br />

Swasiland Swasiland Swasilanti<br />

(heute Eswatini)<br />

Swasiländer(in) swasilandlane swasilantilainen<br />

Die vor allem für die Afrikaner verwendeten Wörter „Neger“ <strong>und</strong> „Negerin“,<br />

die heute nicht mehr verwendet werden dürfen, gibt es auch im <strong>Estnischen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong>, wobei sie im ersteren sogar genau gleich ausgesprochen<br />

werden: neeger (E) - neekeri (F).<br />

Dieses Problem kann auch in diesen beiden Sprachen dadurch umgangen<br />

338


werden, dass eines der verschiedenen Wörter für „schwarz“ verwendet<br />

wird. Es trifft sich gut, dass es eine grössere Auswahl gibt, weil das Wort<br />

„mustalaiset“, das von „musta“ abgeleitet wird, in Finnland ein Schimpfwort<br />

für die Zigeuner ist, die so eigentlich auch nicht mehr bezeichnet werden<br />

dürfen. Dieses Schimpfwort ist umso erstaunlicher, als diese sich zwar<br />

anders kleiden, um sich bewusst von den anderen zu unterscheiden, aber<br />

sonst zu den Bestintegrierten in ganz Europa gehören, <strong>und</strong> zudem<br />

sprechen auch sie fliessend <strong>und</strong> akzentfrei Finnisch. Bei meinen nicht<br />

wenigen Schiffsreisen zwischen Stockholm <strong>und</strong> Turku, bei denen viele von<br />

ihnen zu sehen waren, weil sie Verwandte im jeweils anderen Land<br />

besuchten, konnte ich mich immer wieder davon überzeugen.<br />

Die bekanntesten Länder, Regionen <strong>und</strong> Inseln in Amerika:<br />

Amerika Ameerika Amerikka<br />

Amerikaner(in) ameeriklane amerikkalainen<br />

Nordamerika Põhja-Ameerika Pohjois-Amerikka<br />

Nordamerikaner(in) põhja-ameeriklane pohjois-amerikkalainen<br />

Mittelamerika Kesk-Ameerika Keski-Amerikka<br />

Mittelamerikaner(in) kesk-ameeriklane keski-amerikkalainen<br />

Südamerika Lõuna-Ameerika Etelä-Amerikka<br />

Südamerikaner(in) lõuna-ameeriklane etelä-amerikkalainen<br />

Alaska * Alaska Alaska<br />

Einwohner(in) von A. alasklane alaskalainen<br />

Argentinien Argentiina Argentiina<br />

Argentinier(in) argentiinlane argentiinalainen<br />

Bahamas Bahama Bahama<br />

Bahamer(in) bahamlane bahamalainen<br />

Belize Belize Belize<br />

Belizer(in) belizlane belizeläinen<br />

Bermuda * Bermuda Bermuda<br />

339


Bermudaner(in) bermudlane bermudalainen<br />

Bolivien Boliivia Bolivia<br />

Bolivianer(in) boliivlane bolivialainen<br />

Brasilien Brasiilia Brasilia<br />

Brasilianer(in) brasiillane brasilialainen<br />

Chile Tshiili Chile<br />

Chilene, Chilenin tshiillane chileläinen<br />

Costa Rica Costa Rica, Costa Rica,<br />

Kosta Riika<br />

Kosta Riikka<br />

Costaricaner(in) costariclane, costaricalainen,<br />

kostariiklane kostariikkalainen<br />

Dominikanische Dominikaani Dominikaaninen<br />

Republik Vabariik Tasavalta<br />

Dominikaner(in) dominiklane dominikalainen<br />

Ecuador Ecuador Ecuador<br />

Ecuadorianer(in) ecuadorilane ecuadorilainen<br />

El Salvador El Salvador El Salvador<br />

Salvadorianer(in) salvadorlane salvadorilainen<br />

Falkland-Inseln * Falklandi saared Falkland saaret<br />

Falkländer(in) falklandlane, falklandilainen<br />

falklandilane<br />

Florida * Florida Florida<br />

Einwohner(in) von F. floridalane floridalainen<br />

Guatemala Guatemala Guatemala<br />

Guatemalteke (-in) guatemallane guatemalalainen<br />

Guayana Guajaana Guayana<br />

Guayaner(in) guajaanlane guayanalainen<br />

340


Haiti Haiti Haiti<br />

Haitianer(in) haitlane haitilainen<br />

Honduras Honduras Honduras<br />

Honduraner(in) honduraslane hondurasilainen<br />

Jamaika Jamaika Jamaika<br />

Jamaikaner(in) jamaiklane jamaikalainen<br />

Kalifornien * Kalifornia Kalifornia<br />

Kalifornier(in) kalifornialane kalifornialainen<br />

Kanada Kanada Kanada<br />

Kanadier(in) kanadalane kanadalainen<br />

Kolumbien Kolumbia Kolumbia<br />

Kolumbianer(in) kolumbialane kolumbialainen<br />

Kuba Kuuba Kuuba<br />

Kubaner(in) kuubalane, kuublane kuubalainen<br />

Mexiko Mehhiko Meksiko<br />

Mexikaner(in) mehhiklane meksikolainen<br />

New York * Uus-Jork Uusi-York, Uusi-Jork<br />

New Yorker(in) uusjorklane uusiyorkkilainen,<br />

uusijorkkilainen<br />

Nicaragua Nicaragua Nicaragua<br />

Nicaraguaner(in) nicaragualane nicaragualainen<br />

Panama Panama Panama<br />

Panameser (-in) panamlane panamalainen<br />

Paraguay Paraguay Paraguay<br />

Paraguayer(in) paraguaylane paraguaylainen<br />

Patagonien * Patagoonia Patagonia<br />

Patagonier(in) patagoonlane patagonialainen<br />

341


Peru Peru Peru<br />

Peruaner(in) peruulane perulainen<br />

Puerto Rico Puerto Rico Puerto Rico<br />

Puertoricaner(in) puertoriclane puertoricalainen<br />

Surinam Surinam Surinam<br />

Surinamer(in) surinamlane surinamilainen<br />

Texas * Texas, Teksas Texas<br />

Texaner(in) texaslane, texanilainen<br />

teksaslane<br />

Tobago Tobago Tobago<br />

Tobagoleser(in) tobagolane, tobagolainen<br />

tobaglane<br />

Trinidad Trinidad Trinidad<br />

Trinidader(in) trinidadlane trinidadilainen<br />

Uruguay Uruguay Uruguay<br />

Uruguayer(in) uruguaylane uruguaylainen<br />

USA (Ameerika) (Amerikan)<br />

Ühendriigid<br />

Yhdysvallat<br />

US-Amerikaner(in) ameeriklane amerikkalainen<br />

Venezuela Venetsueela Venezuela<br />

Venezolaner(in) venetsueellane venezuelalainen<br />

Die bekanntesten Länder, Regionen <strong>und</strong> Inseln in Australien <strong>und</strong><br />

Ozeanien:<br />

Australien Austraalia Australia<br />

Australier(in) austraallane australialainen<br />

Ozeanien Okeaania Oseania<br />

342


Ozeanier(in) okeaanlane oseanialainen<br />

Guam * Guam Guam<br />

Guamer(in) guamlane guamilainen<br />

Hawaii * Havaii, Hawaii Havaiji<br />

Hawaiianer(in) havaiilane, havaijilainen<br />

hawaiilane<br />

Mikronesien * Mikroneesia Mikroneesia<br />

Mikronesier(in) mikroneeslane mikroneesialainen<br />

Nauru Nauru Nauru<br />

Nauruaner(in) naurulane naurulainen<br />

Neu-Guinea * Uus-Guinea Uusi-Guinea<br />

Neu-Guineaner(in) uusguinealane uusiguinealainen<br />

Neu-Kaledonien * Uus-Kaledoonia Uusi-Kaledonia<br />

Neu-Kaledonier(in) uuskaledoonlane uusikaledonialainen<br />

Neuseeland Uus-Meremaa Uusi-Seelanti<br />

Neuseeländer(in) uusmeremaalane uusiseelantilainen<br />

Papua-Neuguinea Papua-Uusguinea Papua-Uusiguinea<br />

Papua-Neuguineaner(in) papua-uusguinealane<br />

papua-uusiguinealainen<br />

Polynesien * Polineesia Polineesia<br />

Polynesier(in) polineeslane polineesialainen<br />

Samoa Samoa Samoa<br />

Samoaner(in) samolane, samoalainen<br />

samoalane<br />

Tahiti * Tahiti Tahiti<br />

Tahitianer(in) tahitilane tahitilainen<br />

Tasmanien * Tasmaania Tasmania<br />

343


Tasmanier(in) tasmaanlane tasmanialainen<br />

Tonga Tonga Tonga<br />

Tonganer(in) tongalane tongalainen<br />

Es fällt auf, dass die Ländernamen im <strong>Estnischen</strong> im Gegensatz zum<br />

<strong>Finnischen</strong> mit langen Vokalen dazwischen geschrieben werden, wie man<br />

sie auch in den Originalsprachen sagt, während im <strong>Finnischen</strong> meistens<br />

die Schreibweise verwendet wird, die in den romanischen Sprachen<br />

vorherrscht, <strong>und</strong> dementsprechend sehen auch die<br />

Nationalitätsbezeichnungen so aus:<br />

E: Bulgaaria Itaalia F: Bulgaria Italia<br />

bulgaarlane itaallane bulgarialainen italialainen<br />

Dagegen: Kuuba (E+F), kuubalane (E), kuubalainen (F)<br />

Weiter fällt auf, dass im <strong>Estnischen</strong> bei fast jedem Ländernamen, der auf<br />

„-ia“ endet, diese Endung ausfällt <strong>und</strong> direkt „-lane“ angehängt wird,<br />

während sie im <strong>Finnischen</strong> beibehalten wird:<br />

Bulgaaria - Itaalia - Austraalia<br />

Bulgaria - Italia - Australia<br />

bulgaarlane - itaallane - bulgarialainen - italialainen -<br />

austraallane<br />

australialainen<br />

Bei Ländernamen, die genauso wie „Kuuba“ nicht auf „-ia“ enden, gibt es<br />

jedoch keine Veränderungen:<br />

Nauru (E+F) - naurulane, naurulainen<br />

Tahiti (E+F) - tahitilane, tahitilainen<br />

Wenn ein Ländername auf einem Konsonanten endet, wird im <strong>Estnischen</strong><br />

meistens ebenfalls nur „-lane“ angehängt, während im <strong>Finnischen</strong><br />

meistens noch ein „i“ dazwischengeschoben wird:<br />

Benin - beninlane<br />

Benin - beniniläinen<br />

344


Omaan - omaanlane<br />

Oman - omanilainen<br />

Bei Ländernamen, die nur eine Mehrzahlform haben, werden die<br />

Endungen „-id“ <strong>und</strong> „-it“ ausgelassen, wobei im <strong>Finnischen</strong> das „i“<br />

beibehalten wird:<br />

Balearen - Baleaarid - Baleaarit<br />

Balearer(in) - baleaarlane - baleaarilainen<br />

Komoren - Komoorid - Komorit<br />

Komoraner(in) - komoorlane - komorilainen<br />

Bei den Seychellen wird im <strong>Estnischen</strong> jedoch das „i“ beibehalten, damit<br />

nicht drei „l“ aufeinanderfolgen:<br />

Seishellid - Seychellit<br />

seishellilane - seychelliläinen<br />

Zu diesem Kapitel gehören auch noch die Himmelsrichtungen, die ja oft<br />

zusammen mit einem Ländernamen gesagt <strong>und</strong> geschrieben werden:<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

Norden põhja, põhjakaar pohjoinen<br />

Nordosten kirre koillinen<br />

Osten ida, idakaar, ost itä, itäosa<br />

Südosten kagu kaakko<br />

Süden lõuna etelä<br />

Südwesten edel, edelakaar lounas, lounainen<br />

Westen lääs länsi<br />

Nordwesten loe luode<br />

Interessant ist, dass der Süden <strong>und</strong> der Südwesten sich in beiden<br />

345


Sprachen kreuzen, also jeweils das Gegenteil aussagen.<br />

Es gibt auch noch mehrere Nuancen, mit denen von diesen Wörtern<br />

ausgehend Adjektive <strong>und</strong> Adverbien gebildet werden, aber die obigen sind<br />

die wichtigsten <strong>und</strong> häufigsten.<br />

Bei Begriffen <strong>und</strong> geographischen Bezeichnungen stehen meistens, aber<br />

eben nicht immer nur Substantive zusammen:<br />

Norddeutschland Põhja-Saksamaa Pohjois-Saksa<br />

Ostdeutschland Ida-Saksamaa Itä-Saksa<br />

Süddeutschland Lõuna-Saksamaa Etelä-Saksa<br />

Westdeutschland Lääne-Saksamaa Länsi-Saksa<br />

Nordrhein-Westfalen Põhja-Rhein-Westfalen Pohjois-Rein-Westfalen<br />

Nordmeer Põhjameri Pohjoinen meri<br />

Nordsee Põhjameri Pohjanmeri<br />

Südsee Lõunameri Eteläinen meri<br />

Nordatlantik Põhja-Atlandi Pohjoinen Atlantin<br />

Ookean<br />

Valtameri (= Ozean)<br />

Südatlantik Lõuna-Atlandi Eteläinen Atlantin<br />

Ookean<br />

Valtameri<br />

Nordpazifik Vaikse Ookean Pohjoinen<br />

Põhjaosa<br />

Tyynenmeren<br />

Valtameri<br />

Südpazifik Vaikse Ookean Eteläinen<br />

Lõunaosa<br />

Tyynenmeren<br />

Valtameri<br />

Indischer Ozean India Ookean Intian Valtameri<br />

Mittelmeer Vahemeri Välimeri<br />

346


Während die Substantive immer durch einen Querstrich getrennt werden,<br />

trifft das nicht immer zu, wenn die entsprechenden<br />

Nationalitätsbezeichnungen gebildet werden; jedenfalls habe ich beide<br />

Schreibvarianten schon so gesehen:<br />

D: Nordamerika - Nordamerikaner(in), nordamerikanisch<br />

E: Põhja-Ameerika - põhja-ameeriklane, põhjaameeriklane<br />

F: Pohjois-Amerikka - pohjois-amerikkalainen, pohjoisamerikkalainen<br />

D: Süddeutschland - Süddeutsche(r), süddeutsch<br />

E: Lõuna-Saksamaa - lõuna-sakslane, lõunasakslane<br />

F: Etelä-Saksa - etelä-saksalainen, eteläsaksalainen<br />

D: Zentralafrika - Zentralafrikaner(in), zentralafrikanisch<br />

E: Kesk-Aafrika - kesk-aafriklane, keskaafriklane<br />

F: Keski-Afrikka - keski-afrikkalainen, keskiafrikkalainen<br />

Die Schreibvariante mit dem Querstrich ist natürlich viel besser, weil so<br />

beide Wortteile auch besser eingeprägt werden können.<br />

Dagegen werden bei den Wörtern „alt“ <strong>und</strong> „neu“ beide Teile bei der<br />

Nationalitätsbezeichnung fast immer zusammengeschrieben:<br />

D: Alt-England - Alt-Engländer(in), alt-englisch<br />

E: Vana-Inglismaa - vanainglane (vana-inglane)<br />

F: Vanha-Englanti - vanhaengantilainen (vanha-englantilainen)<br />

D: Neuseeland - Neuseeländer(in), neuseeländisch<br />

E: Uus-Meremaa - uusmeremaalane<br />

F: Uusi-Selanti - uusiselantilainen<br />

347


Das gilt auch für zwei Teile, bei denen beide ein Eigenname sind:<br />

D: Sri Lanka - Srilanker(in), srilankisch Burkina Faso<br />

E: Sri Lanka - srilanklane burkinafaslane<br />

F: Sri Lanka - srilankalainen burkinafasolainen<br />

Allerdings gilt es nicht als schwerwiegend, wenn auch hier beide Teile mit<br />

einem Querstrich getrennt werden.<br />

Noch zwei Beispielsätze, die dieses Kapitel abr<strong>und</strong>en:<br />

D: Wir kommen aus Estland <strong>und</strong> Finnland, also vom Norden, <strong>und</strong> reisen<br />

nach Italien, also nach dem Süden.<br />

E: Meie tuleme Eestimaast ja Soomemaast, nii põhjast, ja reisime<br />

Itaaliasse, nii lõunasse.<br />

F: Me tulemme Virosta ja Suomesta, niin pohjoisesta, ja matkustamme<br />

Italiaan, niin etelään.<br />

D: Und ich komme vom Osten, aber jetzt wohne ich im Westen.<br />

E: Ja mina tulen idast, aga nüüd mina elan lääses.<br />

F: Ja minä tulen itästä, mutta nyt minä asun länsessä.<br />

Bei den Sprachen zeigen sich wieder deutliche Unterschiede: Während im<br />

<strong>Estnischen</strong> das entsprechende Adjektiv oder sogar der Ländername<br />

selber mit dem Partitiv von “keel“ (Sprache) verb<strong>und</strong>en wird, steht im<br />

<strong>Finnischen</strong> der Partitiv allein, der fast immer vom Ländernamen<br />

ausgehend gebildet wird:<br />

D: Ich spreche Deutsch, Englisch, Französisch, Estnisch <strong>und</strong> Finnisch.<br />

E: Mina räägin saksa, inglise, prantsuse, eesti ja soome kelt.<br />

F: Minä puhun saksaa, englantia, ranskaa, viron kieltä ja suomea.<br />

348


Gerade „viron kieltä“ (Estlands Sprache, in solchen Sätzen wird auch<br />

„viron“ klein geschrieben) zeigt, dass auch Ausnahmen vorkommen, für<br />

deren Bildung es keine bestimmten Regeln gibt.<br />

Nominativ: keel (E), kieli (F)<br />

Partitiv<br />

: keelt (E), kieltä (F)<br />

Natürlich kann im <strong>Finnischen</strong> auch die zweite mögliche Variante gesagt<br />

<strong>und</strong> geschrieben werden:<br />

Minä puhun Saksan, Englannin, Ranskan, Viron ja Suomen kieltä.<br />

(Partitiv Einzahl wie im <strong>Estnischen</strong>!)<br />

Es gibt im <strong>Estnischen</strong> zum Teil deutliche Unterschiede:<br />

Engländer - englisch (Sprache)<br />

inglane - inglise keel<br />

Franzose - französisch (Sprache)<br />

prantslane - prantsuse keel<br />

Um sich von allen möglichen Varianten möglichst viel richtig einprägen zu<br />

können, gilt auch hier, was ich ganz oben mehrmals geschrieben habe:<br />

So viel wie möglich lesen, was im heutigen Internet-Zeitalter viel leichter<br />

ist als früher. Das gilt vor allem für das Estnische, für das es wie oben im<br />

Vorwort geschrieben bis zum Jahr 1991, als dieses Land zum zweiten Mal<br />

unabhängig wurde, im Westen so gut wie nichts zu lesen gab.<br />

Zum Schluss gibt es noch ein wenig Geografie, aber das betrifft nur die<br />

vier grössten Wüstengebiete der Welt von West nach Ost, weil die Namen<br />

der bekanntesten Flüsse <strong>und</strong> Berge im oben angegebenen Wörterbuch<br />

„Armenian Lexilogos“ nachgeschaut werden können:<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

Wüste Atacama Atacama kõrb Atacama-aavikko<br />

Wüste Sahara Sahara kõrb Sahara-aavikko<br />

Wüste Kalahari Kalahari kõrb Kalahari-aavikko<br />

Wüste Gobi Gobi kõrb Gobi-aavikko<br />

349


Weitere finnische Wörter für eine Wüste: Autiomaa, erämaa.<br />

Die Namen für die Wüste können in beiden Sprachen auch hinten stehen.<br />

Auch für den Wilden Westen sowie für den Nahen, Mittleren <strong>und</strong> Fernen<br />

Osten gibt es eigene Ausdrücke:<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

Wilder Westen Metsik Lääs Villi Länsi<br />

Naher Osten Lähis-Ida Lähi-Itä<br />

Mittlerer Osten Kesk-Ida Keski-Itä<br />

Ferner Osten Kaug-Ida Kauko-Itä<br />

Hier ist noch zu ergänzen, dass es allein für das Wort „wild“ im <strong>Estnischen</strong><br />

nicht weniger als zehn <strong>und</strong> im <strong>Finnischen</strong> sogar elf verschiedene Wörter<br />

gibt, aber die beiden obigen (metsik, villi) kommen eindeutig am<br />

häufigsten vor.<br />

350


Die estnische Umgangssprache<br />

Obwohl ich diese nur am Rand kenne, weil ich noch nie für längere Zeit in<br />

Estland war, kann ich hier wenigstens das Wichtigste aufführen, in erster<br />

Linie die häufig vorkommenden verneinten Konjugationen von „ich bin<br />

nicht…“ <strong>und</strong> „ich war nicht…“, wobei diesmal die Varianten in der<br />

Schriftsprache hinten in Klammern stehen:<br />

ich bin nicht<br />

du bist nicht<br />

er/sie/es ist nicht<br />

wir sind nicht<br />

ihr seid nicht<br />

sie sind nicht<br />

Sie sind nicht<br />

ma pole (mina ei ole)<br />

sa pole (sina ei ole)<br />

ta pole (tema ei ole)<br />

me pole (meie ei ole)<br />

te pole (teie ei ole)<br />

ne pole (nemad ei ole)<br />

Te pole (Teie ei ole)<br />

ich war nicht<br />

du warst nicht<br />

er/sie/es war nicht<br />

wir waren nicht<br />

ihr wart nicht<br />

sie waren nicht<br />

Sie waren nicht<br />

ma polnud (mina ei olnud)<br />

sa polnud (sina ei olnud)<br />

ta polnud (tema ei olnud)<br />

me polnud (meie ei olnud)<br />

te polnud (teie ei olnud)<br />

ne polnud (nemad ei olnud)<br />

Te polnud (Teie ei olnud)<br />

Wie ich es oben im Kapitel über den Partitiv geschrieben habe, wird in der<br />

allgemeinen Umgangssprache beim Verb „sein“ auch bei einer<br />

Verneinung meistens nur der Nominativ verwendet:<br />

Du bist nicht gut.<br />

Sa pole hea.<br />

Manchmal werden „ma pole“ usw. auch zusammengeschrieben, also<br />

„mapole“ usw.<br />

351


-----------------------------------------------<br />

Ein weiteres Kennzeichen der estnischen Umgangssprache ist die<br />

alleinige Verwendung <strong>des</strong> Wortes der dritten Person Einzahl für alle<br />

Verben im Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv auch dann, wenn keine Verneinung<br />

vorkommt:<br />

ich wäre du wärst er/sie wäre wir wären ihr wäret sie wären<br />

ma oleks sa oleks ta oleks me oleks te oleks nad oleks<br />

ich wäre gewesen, du wärst gewesen usw.<br />

ma oleks olnud, sa oleks olnud, ta oleks olnud, me oleks olnud,<br />

te oleks olnud, nad oleks olnud<br />

ich würde essen, du wür<strong>des</strong>t essen usw.<br />

ma sööks, sa sööks, ta sööks, me sööks, te sööks, nad sööks<br />

ich hätte gegessen, du hättest gegessen usw.<br />

ma oleks söönud, sa oleks söönud, ta oleks söönud, me oleks söönud,<br />

te oleks söönud, nad oleks söönud<br />

ich würde trinken, du wür<strong>des</strong>t trinken usw.<br />

ma jooks, sa jooks, ta jooks, me jooks, te jooks, nad jooks<br />

ich hätte getrunken, du hättest getrunken usw.<br />

ma oleks joonud, sa oleks joonud, ta oleks joonud, me oleks joonud,<br />

te oleks joonud, nad oleks joonud<br />

Bei einer Verneinung wird auch hier überall ein „ei“ davorgesetzt, ohne<br />

dass sich etwas ändert:<br />

352


ich wäre nicht = ma ei oleks<br />

ich wäre nicht gewesen = ma ei oleks olnud<br />

ich würde nicht essen = ma ei sööks<br />

ich hätte nicht gegessen = ma ei oleks söönud<br />

ich würde nicht trinken = ma ei jooks<br />

ich hätte nicht getrunken = ma ei joonud<br />

An Stelle von „ei“ ist manchmal auch das längere „mitte“ zu hören, das in<br />

Verbindung mit anderen Wörtern viele Varianten ausdrücken kann<br />

(Beispiel: üldse mitte - gar nicht), aber fast nur allein stehend <strong>und</strong> als<br />

Antwort auf eine Frage:<br />

Kas sa tuled?<br />

Kommst du?<br />

Mitte.<br />

Nein.<br />

---------------------------------------------<br />

Gerade bei den Fragen gibt es noch eine vom Deutschen <strong>und</strong><br />

Schwedischen beeinflusste Variante, bei der das Personalpronomen <strong>und</strong><br />

das Verb einfach umgestellt werden, also auf das offizielle Fragewort „kas“<br />

verzichtet wird.<br />

Kommst du?<br />

Kommer du? (Schwedisch)<br />

Kas sina tuled? (Schriftsprache)<br />

Kas sa tuled? (Schrift- <strong>und</strong> Umgangssprache)<br />

Tuled sa? (nur Umgangssprache)<br />

Sogar bei der Verneinung ist dieser estnische Slang zu hören, obwohl<br />

diese Variante nicht als korrekt gilt:<br />

Kommst du nicht?<br />

Kas sina ei tuled? (Schriftsprache)<br />

Kommer du inte? (Schwedisch)<br />

Kas sa ei tuled? (Schrift- <strong>und</strong> Umgangssprache)<br />

Ei tuled sa? Ei sa tuled? (nur Umgangssprache)<br />

353


Bist du gekommen?<br />

Har du kommit?<br />

Kas sina oled tulnud?<br />

Kas sa oled tulnud?<br />

Oled sa tulnud?<br />

Bist du nicht gekommen?<br />

Har du inte kommit?<br />

Kas sina ei ole tulnud?<br />

Kas sa ei ole tulnud?<br />

Ei ole sa tulnud?<br />

Da diese saloppen Ausdrücke ohne das Fragewort „kas“ manchmal<br />

Gratwanderungen sein können, ist die Mitverwendung <strong>des</strong> Frageworts<br />

„kas“ mehr zu empfehlen.<br />

------------------------------------------<br />

Obwohl die estnischen Zahlen insgesamt kürzer sind als die finnischen,<br />

ist anzunehmen, dass auch in diesem Bereich einiges abgekürzt wird,<br />

doch da ich selber das nie richtig gehört habe, lasse ich es dabei<br />

bewenden. Wer sich in die heutige estnische Umgangssprache richtig<br />

einhören will, aber nicht längere Zeit dort verbringen kann, hat im heutigen<br />

Internet-Zeitalter die Möglichkeit, im YouTube <strong>und</strong> in anderen Kanälen<br />

moderne estnische Spielfilme zu schauen. Auch die älteren sind zu<br />

empfehlen, obwohl in diesen noch nicht so „modern“ gesprochen wurde<br />

wie heute.<br />

------------------------------------------<br />

Noch etwas zur Beziehung zwischen dem <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> Lettischen, also<br />

der Sprache der südlichen Nachbarn, mit denen sie zwar hinten <strong>und</strong> vorn<br />

nicht verwandt sind, mit denen sie jedoch eine jahrh<strong>und</strong>ertelange<br />

gemeinsame Geschichte teilen. Das drückt sich auch in den beiden<br />

Sprachen aus, wobei das Estnische, das schon immer von viel weniger<br />

Menschen gesprochen wurde als das Lettische, das heute ziemlich genau<br />

doppelt so viele Sprecher hat, die Nachbarsprache erstaunlicherweise viel<br />

mehr beeinflusst hat als umgekehrt. So wird heute im Lettischen<br />

abgesehen von wenigen Ausnahmen ebenfalls je<strong>des</strong> Wort auf der ersten<br />

Silbe betont <strong>und</strong> zudem sind mehrere estnische Wörter ins Lettische<br />

eingedrungen <strong>und</strong> haben dort die uralten baltischen Wörter verdrängt:<br />

bezahlen = maskama/maksata (E), maksât (L)<br />

Boot, Schiff = laev (E), laiva (L)<br />

354


Haus = maja (E), mâja (L)<br />

Junge = poeg (E), puika (L)<br />

Allerdings könnte das estnische „maja“ auch vom lettischen „mâja“<br />

abstammen, weil es von diesen vier Wörtern als einziges ausschert,<br />

während die drei anderen mit den entsprechenden finnischen fast<br />

identisch sind (maksaa, poika, laiva). Auch das lettische „grâmata“ für ein<br />

Buch stammt vom <strong>Estnischen</strong> „raamat“ ab <strong>und</strong> hat nichts mit Grammatik<br />

zu tun, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Andererseits hat das<br />

Lettische die nördliche Nachbarsprache dahingehend beeinflusst, dass<br />

auch dort in der Umgangssprache selbst dann, wenn es nicht unbedingt<br />

nötig ist, das Personalpronomen in Verbindung mit einem Verb immer<br />

mitverwendet wird.<br />

Im Lettischen, das genauso wie das Estnische vom Deutschen <strong>und</strong><br />

Schwedischen, also von den Sprachen der jahrh<strong>und</strong>ertelangen Herrscher,<br />

stark beeinflusst wurde, lauten die Personalpronomina im Nominativ so:<br />

ich = es, du = tu, er = vinsh, sie = vinja, wir = mûsu, ihr = jûs,<br />

sie (m.) = vini, sie (f.) = vinjas, Sie = Jûs<br />

Wie sehr sich das Estnische <strong>und</strong> Finnische von den baltischen Sprachen<br />

unterscheiden, zeigt sich am deutlichsten in der Anzahl der Fälle: Im<br />

heutigen Lettischen gibt es nur noch fünf, neben den vier auch im<br />

Deutschen bekannten noch den Lokativ. Dagegen kommt im Litauischen<br />

noch ein Instrumental vor, der im <strong>Estnischen</strong> am ehesten mit dem<br />

Komitativ <strong>und</strong> im <strong>Finnischen</strong> mit dem Instruktiv verglichen werden kann,<br />

<strong>und</strong> als Zugabe genauso wie im Latein, im Rumänischen <strong>und</strong> in den<br />

meisten slawischen Sprachen auch noch ein Vokativ, der immer dann<br />

verwendet wird, wenn jemand angesprochen <strong>und</strong> jemandem zugerufen<br />

wird; allerdings gibt es diesen Vokativ genauso wie im Latein, aber im<br />

Gegensatz zum Rumänischen <strong>und</strong> zu den slawischen Sprachen nur beim<br />

männlichen Geschlecht.<br />

Es ist hier noch zu ergänzen, dass das Livische, von dem ich oben im<br />

Vorwort geschrieben habe <strong>und</strong> das offiziell noch bis zum Jahr 2013 in<br />

Lettland selber gesprochen wurde, bis der letzte alte Fischer, der es noch<br />

beherrschte, gestorben war, das Lettische min<strong>des</strong>tens so stark beeinflusst<br />

355


hat wie das Estnische, zum Teil sogar noch stärker. Das genauer zu<br />

erforschen, wäre eine Aufgabe für Spezialisten, die auch das Livische sehr<br />

gut kennen, was bei mir eben nicht zutrifft. Dank <strong>des</strong> YouTube ist es zwar<br />

möglich, diese Sprache noch zu hören, aber schriftliche Belege sind nur<br />

in Lettland selber zu bekommen, was auch noch heute von Mitteleuropa<br />

aus in Form einer Bestellung zwar nicht ganz unmöglich, aber ziemlich<br />

kompliziert ist.<br />

Übrigens heisst die lettische Hauptstadt Riga, die wegen ihrer Grösse<br />

(etwa 700‘000 Einwohner, zusammen mit der Agglomeration sogar mehr<br />

als eine Million) inoffiziell das eigentliche Zentrum <strong>des</strong> Baltikums ist, auf<br />

Estnisch „Riia“ <strong>und</strong> nicht „Riiga“, das viel naheliegender wäre. Allerdings<br />

ist es nicht tragisch, wenn einem das letztere herausrutscht, <strong>und</strong> auch ich<br />

erlaube mir, dieses zu verwenden. Was das finnische Wort betrifft, heisst<br />

es dort „Riika“, <strong>und</strong> da der Konsonant „k“ bekanntlich wie ein „g“<br />

ausgesprochen wird, geht die Rechnung auf, so dass es keine<br />

Kollisionsprobleme geben kann.<br />

356


Die finnische Umgangssprache<br />

Erst jetzt, da ich auch die Zahlen <strong>und</strong> die damit entsprechenden Bereiche<br />

(Wochentage, Monate <strong>und</strong> Jahreszeiten) vorgestellt habe, kann ich näher<br />

auf die finnische Umgangssprache eingehen, auf die ich schon mehrmals<br />

hingewiesen habe. Da ich diese viel besser als die estnische kenne, kann<br />

ich auch viel mehr Einzelheiten aufführen. Dank meinem oben erwähnten<br />

Onkel, den ich immer nur seinen westkarelischen Dialekt sprechen hörte,<br />

habe ich die lockere Umgangssprache, die jedoch nicht ganz die gleiche<br />

ist wie ein Dialekt, schon seit frühester Kindheit teilweise schon im Ohr, so<br />

dass ich hier einen kleinen Wettbewerbsvorteil habe.<br />

----------------------------------------------<br />

Ein besonderes Wort der Umgangssprache, das naturgemäss sehr viel zu<br />

hören ist, habe ich oben schon mehrmals erwähnt: Syömää (essen), das<br />

meistens an Stelle von „syödää“ gesagt wird, <strong>und</strong> dementsprechend<br />

lauten die beiden Partizipien oft auch „syömyt“ <strong>und</strong> „syömeet“ an Stelle<br />

von „syönyt“ <strong>und</strong> „syöneet“. In den Konjugationen der drei einfachen<br />

Zeiten drückt sich dieser Unterschied aber nicht aus:<br />

mä syön (ich esse), mä söin (ich ass), mä söisin (ich würde essen);<br />

me syömme (wir essen), me söimme (wir assen), me söisimme<br />

(wir würden essen)<br />

-----------------------------------------------------<br />

Am meisten fällt auf, dass bei allen Generationen an Stelle von „kiitos!“<br />

(Danke!) fast nur noch „kiitoksia!“ gesagt wird, was eine Abkürzung der<br />

längeren Variante „paljon kiitoskia!“ (Vielen Dank!) ist. Zudem wird bei<br />

Begrüssungen das „hyvää“ meistens ausgelassen, wobei der Partitiv<br />

trotzdem weiter verwendet, also nicht durch den Nominativ ersetzt wird:<br />

(Hyvää) huomenta!<br />

(Hyvää) päivää!<br />

(Hyvää) iltaa!<br />

Guten Morgen!<br />

Guten Tag!<br />

Guten Abend!<br />

Dazu gehört auch das lockere „Hei!“, mit dem heute alle K<strong>und</strong>innen <strong>und</strong><br />

K<strong>und</strong>en in den Läden begrüsst werden, wenn sie an der Kasse<br />

357


drankommen, aber auch auf den Strassen ist das oft zu hören. Es wirkt<br />

viel näher als das schweizerische „Grüezi!“ oder das österreichische<br />

„Servus!“, das schon seit Jahrzehnten mein bevorzugter Gruss ist, weil<br />

sich das erstere für meinen Geschmack nicht für alle Personen eignet.<br />

Daran hat sich auch nichts geändert, als ich einmal eine spanische<br />

Kollegin auf diese Weise locker begrüsste, sie aber säuerlich reagierte<br />

<strong>und</strong> unwirsch sagte: „Hier sind wir nicht in Austria!“ Natürlich hat sie damit<br />

Österreich gemeint.<br />

Gerade im Zusammenhang mit diesem „Hei!“ fällt ebenfalls auf, dass<br />

heute genauso wie in allen anderen nordischen Ländern im allgemeinen<br />

geduzt wird <strong>und</strong> wie oben erwähnt nur noch sogenannte<br />

Respektspersonen gesiezt werden. So wird heute für „bitte!“ nur noch „ole<br />

hyvä!“ <strong>und</strong> nicht auch noch „olkaa hyvä!“ als Höflichkeitsform gesagt. Als<br />

ich das bei meinem letzten Besuch einmal tat, bekam ich die<br />

bemerkenswerten Worte zu hören, dass so noch vor einem halben<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert geredet wurde - aber so habe ich das in den 60er-Jahren als<br />

Kind eben noch gelernt.<br />

--------------------------------------------------<br />

Ein besonderes Wort, von dem es schon seit Jahrzehnten heisst, es sei<br />

ein Gradmesser für Bildung, das jedoch auch immer wieder sogenannten<br />

gehobenen Personen herausrutscht, ist „täh!“. Das lässt sich mit unserem<br />

„hä?“ übersetzen <strong>und</strong> wird immer wieder gesagt, wenn etwas nicht<br />

deutlich verstanden wird. Das elegante Wort dafür wäre „mitä?“, das zwar<br />

„was?“ bedeutet, aber auch locker mit „wie bitte?“ übersetzt werden kann,<br />

aber so viel Zeit haben viele Leute vor lauter Stress nie, obwohl „mitä?“<br />

nur eine Silbe mehr hätte. Das erinnert mich an die Worte eines<br />

Bekannten, der mir einmal sagte, es sei jemand an ihm vorbeigegangen,<br />

<strong>und</strong> als er ihm ein einfaches „Guten Tag!“ zurief, antwortete dieser, indem<br />

er an ihm vorbeihastete: „Ich habe keine Zeit, dir ‚guten Tag‘ zu sagen.“<br />

Ich selber finde dieses „täh!“ ein hässliches Wort, das eigentlich nur für die<br />

Muttersprachler reserviert ist; für die Fremdsprachigen, zu denen ich auch<br />

gehöre, ziemt sich also viel mehr „mitä?“.<br />

-------------------------------------------<br />

Immerhin gibt es genauso wie im <strong>Estnischen</strong> den fre<strong>und</strong>lichen Ausruf<br />

„Jeesus!“, der locker mit unserem „Jesses nei!“ übersetzt <strong>und</strong> immer<br />

wieder gehört werden kann, aber immer im positiven Sinn gemeint ist.<br />

358


Meistens wird damit ein Erstaunen über etwas ausgedrückt, das sich<br />

gerade ereignet oder vor kurzem ereignet hat.<br />

Zwei weitere Wörter, die gleich mehrere Bedeutungen haben, sind sehr<br />

oft zu hören: „Jumalauda!“ <strong>und</strong> „Perkele!“<br />

„Jumalauda!“ bedeutet in alfabetischer Reihenfolge vor allem dies:<br />

Aber, aber! Herrgott nochmal! Himmel nochmal!<br />

Hör auf! Ja, erzähl jetzt! Ja, sag aber auch!<br />

Jetzt hör schon auf! Nein, aber auch! Nicht möglich!<br />

Spinnst du? Spinnen Sie? Unglaublich!<br />

Unmöglich! Was du nicht sagst! Was Sie nicht sagen!<br />

Es ist also ein Ausruf <strong>des</strong> Erstaunens, der eigentlich immer <strong>und</strong> überall<br />

gesagt werden darf, ohne dass dafür jemand „beleidigt“ werden kann.<br />

„Perkele!“ hat zwei Bedeutungen, die auf den ersten Blick zwei<br />

Gegensätze ausdrücken: Einerseits hat es mit dem Teufel zu tun -<br />

allerdings gibt es dafür noch zwei andere Wörter - <strong>und</strong> wird<br />

dementsprechend als Schimpfwort viel verwendet, vor allem in den nicht<br />

wenigen Kriegsfilmen, die in Finnland hergestellt worden sind.<br />

Andererseits kann es aber auch Anerkennung <strong>und</strong> Bew<strong>und</strong>erung<br />

ausdrücken. Als ich im Jahr 2004 dem einzigen finnischen Cousin, zu dem<br />

ich regelmässig Kontakt hatte, schreiben konnte, dass ich endlich mein<br />

erstes Buch hatte veröffentlichen können, war seine Antwort „Perkele!“.<br />

Auch als die Finnen im Jahr 2019 zuerst Eishockey-Weltmeister wurden<br />

<strong>und</strong> wenige Monate später sogar die Fussball-Nationalmannschaft sich<br />

zum ersten Mal für ein internationales Turnier qualifizieren konnte, machte<br />

dieses „Perkele!“ die R<strong>und</strong>e.<br />

Auch der Ausruf „Saatana!“, <strong>des</strong>sen Bedeutung klar ist, kommt in der<br />

finnischen genauso wie in der estnischen Umgangssprache ziemlich oft<br />

vor, wobei es nicht einmal immer bös gemeint ist. So kann es durchaus<br />

vorkommen, dass ein Journalist jemanden auf der Strasse fragt, ob er<br />

dieses oder jenes weiss, <strong>und</strong> er diese Antwort bekommt: „Ei Saatana!“ Für<br />

Fremdsprachige ist dieses Wort genauso wie „Perkele!“ jedoch nicht zu<br />

empfehlen, während die Anwendung von „Jumalauda!“ in durchaus<br />

359


positivem Sinn so gedeutet werden kann, dass schon gute Finnisch-<br />

Kenntnisse vorhanden sind.<br />

Auf weitere Spezialwörter <strong>und</strong> erst recht auf die vielen Schimpfwörter, die<br />

in anderen Wörterlisten nachgeschaut werden können, verzichte ich in<br />

diesem Buch - die beiden oben erwähnten <strong>und</strong> erklärten genügen wirklich.<br />

-----------------------------------------------<br />

Nicht nur bei den Personalpronomina <strong>und</strong> beim Verb „olla“ wird vor allem<br />

bei der jüngeren Generation salopp abgekürzt, sondern auch überall dort,<br />

wo es irgendwie möglich ist.<br />

Hier führe ich noch einmal die Konjugationen von „sein“ <strong>und</strong> „haben“ im<br />

Präsens auf, wobei diesmal die Schriftsprache in Klammern steht:<br />

mä oon (minä olen)<br />

sä oot (sinä olet)<br />

hän on<br />

me ollaan (me olemme)<br />

te ootte (te olette)<br />

ne on (he ovat)<br />

mulla on (minulla on)<br />

sulla on (sinulla on)<br />

sillä on (hänellä on)<br />

meillä on<br />

teillä on<br />

niillä on (heillä on)<br />

Wie ich es oben angedeutet habe, steht die finnische Umgangssprache<br />

dem <strong>Estnischen</strong> bei den Personalpronomina der ersten <strong>und</strong> zweiten<br />

Person Einzahl besonders nahe.<br />

Auch bei der Verneinung von „sein“ <strong>und</strong> „haben“ wird im Präsens fleissig<br />

abgekürzt:<br />

ma en oo (minä en ole)<br />

sa et oo (sinä et ole)<br />

hän ei oo (hän ei ole)<br />

emme oo (emme ole)<br />

ette oo (ette ole)<br />

eivät oo (eivät ole)<br />

mulla ei oo (minulla ei ole)<br />

sulla ei oo (sinulla ei ole)<br />

sillä ei oo (hänellä ei ole)<br />

meillä ei oo (meillä ei ole)<br />

teillä ei oo (teillä ei ole)<br />

niillä ei oo (heillä ei ole)<br />

360


Im Potentialis wird „lienee“ oft zu „lie“ abgekürzt:<br />

Tämä lie hyvä.<br />

Tämä lie ollut hyvä.<br />

Tämä ei lie hyvää.<br />

Tämä ei lie ollut hyvää.<br />

Das dürfte/wird wohl gut sein.<br />

Das dürfte/wird wohl gut gewesen sein.<br />

Das dürfte/wird wohl nicht gut sein.<br />

Das dürfte/wird wohl nicht gut gewesen sein.<br />

-----------------------------------------------------------------<br />

Wie oben erwähnt wird die Possessivendung meistens weggelassen,<br />

wobei dann der Genitiv, der eigentlich die vordere Hälfte der Verneinung<br />

ist, aber auch schriftlich nicht immer vorkommt, immer vorn steht:<br />

mein Haus<br />

minun talo,<br />

mun talo (taloni)<br />

dein Haus<br />

sinun talo,<br />

sun talo (talosi)<br />

meine Häuser<br />

minun talot, (taloni)<br />

mun talot<br />

deine Häuser<br />

sinun talot, (talosi)<br />

sun talot<br />

Durchdekliniert sieht es in der ersten Person Einzahl so aus:<br />

minun talo/talot, minun talon/talojen, minun taloa/taloja,<br />

minun talossa/taloissa, minun taloon/taloihin, minun talosta/taloista,<br />

minun talolla/taloilla, minun talolle/taloille, minun talolta/taloilta,<br />

minun talona/taloina, minun taloksi/taloiksi, minun talotta/taloitta<br />

(kein Komitativ <strong>und</strong> Instruktiv vorhanden)<br />

Auch hier kommt die finnische Umgangssprache dem <strong>Estnischen</strong> also<br />

nahe.<br />

-------------------------------------------------------<br />

Wenn „was ist hier los?“ <strong>und</strong> ähnliches gefragt wird, ist meistens „mitäs<br />

täällä?“ zu hören; also wird „on“ ausgelassen <strong>und</strong> dieses durch „s“ ersetzt,<br />

das an „mitä“ angehängt wird.<br />

361


Auch solche Sätze kommen vor: Kuinkas menee? (Wie geht es?)<br />

Otas lisää! (Nimm ruhig noch mehr!)<br />

Onkos tämä uusi? (Ist das neu?)<br />

Dabei kann der dritte Satz sogar noch weiter abgekürzt werden, indem<br />

auch noch das Demonstrativpronomen verkürzt wird:<br />

Onkos tämä uusi? = Onks tää uusi?<br />

--------------------------------------<br />

„-Han“ <strong>und</strong> „-hän“ ergeben hinten angehängt eine besondere Betonung:<br />

Tulehan tänne! (Komm doch mal her!)<br />

Sehän on kumma! (Das w<strong>und</strong>ert mich sehr!)<br />

„-Ka“ <strong>und</strong> „-kä“ ersetzen bei zwei Aussagen im gleichen Satz oft „ja“ (<strong>und</strong>):<br />

Ich habe nichts gefragt <strong>und</strong> (auch) nichts gesagt.<br />

En kysynyt enkä sanonut mitään.<br />

(An Stelle von: En kysynyt ja en sanonut mitään.)<br />

„-Pa“ <strong>und</strong> „-pä“ ergeben hinten angehängt ebenfalls eine besondere<br />

Betonung <strong>und</strong> kommen bei Gefühlsausdrücken mehr vor als die beiden<br />

oben erwähnten:<br />

Sepä on kaunis! (Das ist aber schön!)<br />

Mitäpä tiedät? (Was gibt’s Neues?<br />

wörtlich: Was weisst du?)<br />

------------------------------------<br />

Sowohl bei bejahenden als auch bei verneinten Fragen werden die<br />

Endungen „-ko“ <strong>und</strong> „-kö“ oft zu „k“ abgekürzt oder ganz ausgelassen:<br />

Tuuk sä myös? Tuut sä myös? (Tuletko sinä myös?)<br />

Kommst du auch?<br />

362


Oot sä suomalainen? (Oletko sinä suomalainen?)<br />

Bist du ein Finne/eine Finnin?<br />

Saaks täällä polttaa? (Saako täällä polttaa?)<br />

Darf man hier rauchen?<br />

Poltak sä? (Poltatko sinä?)<br />

Rauchst du?<br />

Poltatte? (Poltattekö?)<br />

Raucht ihr? Rauchen Sie?<br />

Ymmärrät sä? (Ymmärrätkö?)<br />

Verstehst du?<br />

Ymmärrätte? (Ymmärrättekö?)<br />

Versteht ihr? Verstehen Sie?<br />

Puhut sä saksaa? (Puhutko saksaa?) Puhutte saksaa? (Puhuttekö s.?)<br />

Sprichst du Deutsch?<br />

Sprecht ihr Deutsch? Sprechen Sie<br />

Deutsch?<br />

Mihin sä meet? (Mihin menetkö?)<br />

Wohin gehst du?<br />

Mistä sä tuut? (Mistä sinä tulet?)<br />

Woher kommst du?<br />

Mikä sun nimes on? (Mikä sinun nimesi on?)<br />

Wie heisst du? Wie ist dein Name?<br />

Eiks sulla oo maitoa? (Eikö sinulla ole maitoa?)<br />

Hast du keine Milch?<br />

Eiks kellään oo aikaa? (Eikö kellään ole aikaa?)<br />

Hat niemand Zeit?<br />

363


Bemerkenswert ist, dass die Partitivformen (maitoa, aikaa) auch in der<br />

Umgangssprache beibehalten werden.<br />

-----------------------------------------------------<br />

Bei Aufforderungen werden in der ersten Person Mehrzahl fast immer die<br />

Endungen „-aan“ <strong>und</strong> „-ään“ verwendet, bei einer Verneinung wird einfach<br />

nur „älä“ <strong>und</strong> manchmal sogar „ei“ vorangestellt:<br />

Mennään! (Menkäämme!)<br />

Gehen wir!<br />

Älä mennään! (Älkäämme menkö!)<br />

Ei mennään!<br />

Gehen wir nicht!<br />

Tulkaan! (Tulkaamme!)<br />

Kommen wir!<br />

Älä tulkaan! (Älkäämme tulko!)<br />

Ei tulkaan!<br />

Kommen wir nicht!<br />

Tehdään niin! (Tehdäämme!) Älä tehdään niin! (Älkäämme tehdö!)<br />

Machen wir es so!<br />

Ei tehdään niin!<br />

Machen wir es nicht so!<br />

Soitellaan! (Soittakaamme!) Älä soitellaan! (Älkäämme soittako!)<br />

Ei soitellaan!<br />

Hören wir wieder voneinander! Hören wir lieber nicht mehr voneinander!<br />

Auch dieser saloppe Ausdruck ist oft zu hören:<br />

Näemään! (Näekäämme!)<br />

Man sieht sich (wieder)!<br />

----------------------------------------------------------<br />

Was im Deutschen Male für Mallorca ist, das ist im <strong>Finnischen</strong> Hesa für<br />

Helsinki:<br />

364


Meet sä Hesaan? (Menetkö Helsingiin?)<br />

Gehst du nach Helsinki?<br />

Tuut sä Hesasta? (Tuletko Helsingistä?)<br />

Kommst du aus Helsinki?<br />

Natürlich wird auch dieses Wort dekliniert:<br />

Hesa, Hesan, Hesaa, Hesassa, Hesaan, Hesasta, Hesalla, Hesalle,<br />

Hesalta (tatsächlich verwendet);<br />

Hesana, Hesaksi, Hesatta (nur theoretisch, im Komitativ <strong>und</strong> Instruktiv<br />

kommt es sowieso nicht vor)<br />

Andere Abkürzungen von Städten <strong>und</strong> Dörfern sind mir nicht bekannt.<br />

-------------------------------------<br />

Ein anderes Wort, das ein ziemlich lässiger Teil der Umgangssprache<br />

geworden ist, heisst „leffa“ <strong>und</strong> meint damit sowohl einen Film als auch ein<br />

Kino:<br />

Mennäänkö leffaan? (Menemmekö elokuviin?) Mikä leffa tulee?<br />

Gehen wir ins Kino?<br />

Welcher Film kommt?<br />

Kesärakkaus Suomessa.<br />

Sommerliebe in Finnland.<br />

Kyllä, tämän leffan mä tahdon nähdä.<br />

Ja, diesen Film will ich sehen.<br />

--------------------------------------------<br />

Vor allem bei längeren Wörtern wird oft nach eigenem Geschmack <strong>und</strong><br />

ohne bestimmte Regeln abgekürzt:<br />

Tuut sä mun synttäreille? (Tuletko minun syntymäpäivälleni?)<br />

Kommst du zu meinem Geburtstag?<br />

Im schweizerdeutschen Slang verhält es sich ähnlich - <strong>und</strong> für einmal ist<br />

diese Frage in fast allen immer noch mehr als h<strong>und</strong>ert Dialekten identisch:<br />

365


D: Kommst du zu meinem Geburtstag?<br />

S: Chunsch zu mim Geburi?<br />

Oft wird auch salopp „Geburifeetz“ gesagt - vor allem natürlich unter den<br />

jungen Leuten -, wobei „Feetz“ für ein Fest steht.<br />

-------------------------------------------<br />

In der Umgangssprache gibt es sogar fünf eigene Wörter, die von denen<br />

in der Schriftsprache nicht direkt abstammen:<br />

schriftlich:<br />

mündlich:<br />

millainen mimmonen was für eine(r)<br />

tällainen tämmönen so eine(r), so wie diese(r)<br />

tuollainen tommonen solch eine(r), so wie das da<br />

tuommoinen tommoinen solch eine(r), so wie das da<br />

sellainen semmonen solch eine(r), so wie jene(r)<br />

Mimmosen kirjan sä ostit? (Millaisen kirjan sinä ostit?)<br />

Was für ein Buch hast du gekauft?<br />

(Zu beachten: Genitiv von „mimmonen“, zudem das Imperfekt an Stelle<br />

<strong>des</strong> Perfekts)<br />

Mitä tommonen maksaa? (Mitä tuollainen maksaa?)<br />

Was kostet so eine(r)?<br />

Das bekannteste Beispiel für diese Wörter kommt im Spielfilm<br />

„Tuntematon Sotilas“ (lockere Übersetzung: Kreuze in Karelien) vor, der<br />

im Jahr 1955 nach dem noch heute viel gelesenen Roman von Väinö<br />

Linna gedreht wurde. Nachdem sich ein Zug, also die rangniedrigere<br />

Einheit nach der Kompanie, versammelt hat, <strong>und</strong> ein Korporal es wagt,<br />

den Zugführer zu fragen, wohin sie gehen, nachdem er ihnen gesagt hat,<br />

sie müssten sich alle kriegsmässig ausrüsten, antwortet dieser:<br />

366


„Sitä minä en tiedä, semmonen on käsky.“<br />

(„Das weiss ich nicht, so ist der Befehl.“)<br />

Das Schlüsselwort ist also „semmonen“, das an Stelle von „sellainen“<br />

gesagt wird - <strong>und</strong> dieses wiederum wird im Film von einem Minister<br />

gesagt, weil es sich für jemanden in einer so hohen Position nicht ziemt,<br />

in einer politischen Rede diesen „gewöhnlichen“ Volksausdruck zu<br />

verwenden.<br />

Dieser Spielfilm ist noch heute so populär, dass er an jedem 6. Dezember,<br />

also am finnischen Nationalfeiertag, abends im Fernsehen gezeigt wird,<br />

<strong>und</strong> dass es sogar ein Kartenspiel gibt, bei dem jeder einzelne Offizier,<br />

Unteroffizier <strong>und</strong> Soldat, der in diesem Film namentlich vorkommt, auf<br />

einer eigenen Karte abgebildet wird, obwohl die meisten im Verlauf der<br />

Kämpfe umkommen. Mehrere von ihnen haben es sogar in den finnischen<br />

Sprachgebrauch geschafft, was weltweit für einen Film sicher einmalig ist:<br />

Ein Rokka (der im Film verletzt überlebt) ist einer, der sich nie unterkriegen<br />

<strong>und</strong> sich den M<strong>und</strong> nie verbieten lässt, der aber auch dann, wenn es<br />

wirklich darauf ankommt, voll auf dem Posten ist, was auch von den<br />

Vorgesetzten anerkannt wird.<br />

Ein Priha (eigentlich heisst er Vanhala - auch er überlebt den Krieg, <strong>und</strong><br />

sogar unverletzt) ist einer, der bei jeder Gelegenheit grinst <strong>und</strong> manchmal<br />

sogar offen lacht, sogar wenn die Lage kritisch ist <strong>und</strong> es r<strong>und</strong> herum<br />

nichts zu lachen gibt.<br />

Ein Rahikainen (der ebenfalls unverletzt überlebt) ist einer, der immer für<br />

einen lockeren <strong>und</strong> humorvollen Spruch gut ist, der sich aber auch <strong>des</strong>halb<br />

immer gut anpassen kann, ohne irgendwo zu schleimen, <strong>und</strong> überall -<br />

sogar in den schmutzigsten Gräben - seine Tauschgeschäftlein abwickeln<br />

kann.<br />

Ein Hietanen (der als Erblindeter auf besonders tragische Weise<br />

umkommt) ist einer, der immer gut gelaunt <strong>und</strong> zu allen nett ist, der als<br />

Unteroffizier immer zu seinen Untergebenen steht <strong>und</strong> wenn nötig auch<br />

bei den Offizieren für ihre Anliegen zu kämpfen weiss <strong>und</strong> dabei genauso<br />

wie Rahikainen nie schleimen muss.<br />

Ein Kariluoto oder ein Koskela (beide sind Offiziere, die im Kampf fallen)<br />

sind Sinnbilder für tapfere <strong>und</strong> aufrechte Offiziere, die bis zum Schluss an<br />

367


das Gute ihrer Sache glauben.<br />

Ein Lehto (der als Unteroffizier ebenfalls umkommt) steht für das, was im<br />

Deutschen als harter H<strong>und</strong> bezeichnet wird: Kaltherzig <strong>und</strong> manchmal<br />

auch gemein, der aber wenigstens nie schleimt. Sein Ende entspricht<br />

seinem Leben: Allein <strong>und</strong> letztlich von niemandem bedauert.<br />

Ein Riitaoja (der wenige Minuten nach Lehto umkommt) ist einer, der<br />

immer <strong>und</strong> überall Angst empfindet, auch wenn es dafür keinen Gr<strong>und</strong><br />

gibt, <strong>und</strong> am Schluss auch ein Opfer dieser übertriebenen Angst wird.<br />

Ein Honkajoki (der wie Vanhala <strong>und</strong> Rahikainen unverletzt überlebt) ist<br />

einer, der in seiner eigenen Traumwelt lebt <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb immer komisch<br />

redet. Geradezu legendär ist sein sogenannter Ewigkeitsflitzer, also sein<br />

selbst entwickelter Pfeilbogen, den er auf dem Feld mitsamt ein paar<br />

Pfeilen immer auf sich trägt <strong>und</strong> mit dem er wenn nötig ebenfalls schiessen<br />

will.<br />

Ein Hauhia oder ein Asumaniemi (der erstere betritt zusammen mit<br />

Honkajoki die Szene, während der letztere erst kurz vor Schluss auftaucht<br />

- beide kommen ebenfalls um) ist einer der sehr Jungen, die sich viel zu<br />

sorglos verhalten <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb auch viel zu fahrlässig handeln <strong>und</strong> ihre<br />

eigene Deckung vernachlässigen; <strong>des</strong>halb werden sie gerade dann<br />

getötet, wenn es zu vermeiden wäre. Auch im wirklichen Leben sind die<br />

beiden Schauspieler, die diese Figuren verkörperten, früh gestorben.<br />

Ein Lammio steht für einen arroganten Offizier aus einem sogenannten<br />

guten Haus. Der Autor Väinö Linna liess offen, ob dieser, der nach dem<br />

Tod <strong>des</strong> ersten Kompanie-Kommandanten schon am ersten Kriegstag die<br />

Kompanie übernehmen konnte <strong>und</strong> kurz vor dem Ende <strong>des</strong> Buches noch<br />

zu einem Major <strong>und</strong> damit auch zum Kommandanten eines Bataillons<br />

weiter hinten befördert wurde, den Krieg überlebt hat. Er übte am Schluss<br />

also vermutlich die Funktion aus, die in der Schweizer Armee als<br />

Stabsoffizier bezeichnet wurde; also kam er in den Verein, den wir im Feld<br />

draussen immer beneideten, denn wenn es einem gelang, in den Stab<br />

aufgenommen zu werden, befand er sich schon halbwegs auf dem Weg<br />

zu Gott, wie es einer so ähnlich formuliert hat.<br />

Ein Sarastie, der im Film als Major der Ranghöchste ist <strong>und</strong> gegen das<br />

Ende <strong>des</strong> Kriegs ebenfalls noch fällt, steht für einen übertrieben korrekten<br />

Offizier, der noch viel mehr als die oben Erwähnten sozusagen als<br />

Mannerheims verlängerter Arm an die Berechtigung <strong>und</strong> Korrektheit<br />

368


dieses Kriegs glaubt <strong>und</strong> auch nicht davor zurückschreckt, wenn nötig<br />

auch angebliche Feiglinge standrechtlich erschiessen zu lassen oder<br />

gleich selber über den Haufen zu schiessen.<br />

Die Einzigen von denen, die ich hier erwähnt habe <strong>und</strong> die den Krieg<br />

überleben, sind also Rokka, Vanhala, Rahikainen <strong>und</strong> Honkajoki <strong>und</strong> wohl<br />

auch noch Lammio, aber im Film selber wird von denen, die von Anfang<br />

an bis zum Schluss dabei waren <strong>und</strong> überlebt haben, nur Vanhala gezeigt.<br />

Insgesamt werden in diesem Spielfilm mehr als dreissig namentlich<br />

erwähnt - sonst hätte sich ja kein Kartenspiel ergeben können -, aber die<br />

oben Erwähnten stehen eher sinnbildlich für eine Figur als die meisten<br />

nicht Erwähnten, von denen ebenfalls nur eine Hand voll überlebt. Viele<br />

Schauspieler, die in diesem Film von 1955 mitwirkten, hatten in den<br />

Kriegsjahren aktiv mitgekämpft <strong>und</strong> waren bei den Dreharbeiten bereits<br />

nationale Filmstars, <strong>und</strong> dazu gesellte sich noch der Sänger, der den<br />

Major Sarastie spielte. Dagegen war dieser Film für „Rokka“ der erste <strong>und</strong><br />

nachher ist er nie mehr in eine Rolle geschlüpft. Später wanderte er, ein<br />

gelernter Agronom, nach Australien aus, weil er dort für sich die besseren<br />

beruflichen Möglichkeiten sah, <strong>und</strong> später von dort nach Südafrika, wo er<br />

ebenfalls früh starb - genau gleich wie der Komiker, der Hietanen spielte,<br />

aber immer in Finnland geblieben ist. Heute lebt keiner mehr von denen,<br />

die in diesem Film mitgewirkt haben, aber es ist mir zusätzlich aufgefallen,<br />

dass fast alle von ihnen gleich einem bösen stalinistischen Omen früh<br />

gestorben sind, das heisst kaum sechzig Jahre erreicht haben, <strong>und</strong> nur<br />

wenige sind ein wenig älter geworden.<br />

Heute werden diese Charaktere im Volksm<strong>und</strong> nicht mehr so häufig<br />

genannt wie früher, aber Rokka ist mit Sicherheit noch geblieben; <strong>des</strong>halb<br />

habe ich ihn hier auch zuerst genannt. Trotz der vielen Jahrzehnte seit der<br />

ersten Verfilmung - in den Jahren 1985 <strong>und</strong> 2017 kamen noch zwei<br />

weitere, die aber nicht als gleich gut gelten, weil im Jahr 1955 die<br />

Erinnerungen an die Kriegszeit natürlich viel frischer waren - ist Väinö<br />

Linnas Buch in Finnland noch heute das meistgelesene, das von einem<br />

Finnen selber geschrieben worden ist. Damit steht er immer noch vor dem<br />

oben erwähnten Frans Eemil Sillanpää <strong>und</strong> sogar vor dem weltbekannten<br />

Mika Waltari, <strong>des</strong>sen Jahrh<strong>und</strong>ert-Roman „Sinuhe der Ägypter“ ebenfalls<br />

in der Mitte der Fünfzigerjahre mit mehreren damals hochkarätigen<br />

Hollywood-Schauspielern verfilmt worden ist.<br />

Anzumerken ist auch noch, dass Väinö Linna dieses Buch nach den<br />

Worten meiner Mutter in mehreren Dialekten geschrieben hat - je<br />

369


nachdem woher jeder Einzelne stammte, zum Beispiel Rokka von Karelien<br />

-, aber das können die Fremdsprachigen in den Übersetzungen natürlich<br />

nicht erkennen. Wie unterschiedlich die Dialekte in dieser Zeit noch waren<br />

- heute gerade auch wegen dieser allgemeinen Umgangssprache nicht<br />

mehr -, erlebte sie selber, nachdem ihre Familie <strong>und</strong> alle Verwandten im<br />

Jahr 1940 nach dem Verlust von West-Karelien in den Westen Finnlands<br />

umgesiedelt worden waren. Der Ort, wo sie untergebracht wurden, heisst<br />

Kauhajoki <strong>und</strong> liegt von den bekannten Städten am nächsten von Wasa<br />

oder Vaasa, wie es auf Finnisch geschrieben wird. In den ersten paar<br />

Wochen hatten sie Mühe, die Einheimischen richtig zu verstehen, <strong>und</strong> es<br />

erging vielen Kareliern ähnlich wie ein paar Jahre später zahlreichen<br />

Deutschen aus dem verloren gegangenen Osten: Sie waren nicht überall<br />

willkommen, ja, manchmal wurden sie sogar als „Russen“ beschimpft, so<br />

wie viele Ostdeutsche von jenseits der Oder <strong>und</strong> der Neisse im Westen<br />

als „Polacken“ bezeichnet wurden.<br />

Ich bin auch <strong>des</strong>halb auf diesen Spielfilm <strong>und</strong> die dort vorkommenden<br />

Figuren etwas näher eingegangen, weil dieser Krieg der Einzige ist, in<br />

dem Männer mitgekämpft haben, die Verwandte von mir waren <strong>und</strong> von<br />

denen ich zwei erst noch persönlich kennen lernte. Alle drei haben den<br />

Krieg überlebt, aber nur der letztgenannte unversehrt. Dagegen haben die<br />

beiden anderen, die Brüder meiner Mutter waren, Verw<strong>und</strong>ungen erlitten,<br />

von denen sie ihr Leben lang nie ganz geheilt wurden: Der ältere, den ich<br />

im Gegensatz zu den beiden anderen nicht kennen lernen konnte, blieb<br />

auf einem Ohr taub, während der jüngere eine ganze Ladung<br />

Granatsplitter in die Brust abbekam, die nie ganz herausoperiert werden<br />

konnten. Zudem war der ältere auch noch eine Zeit lang in<br />

Gefangenschaft; ich bekam sogar eine Aufnahme zu sehen, auf der er mit<br />

einem sowjetischen Soldaten abgebildet wurde. Ich habe nie genau<br />

erfahren, warum er bald freigelassen wurde, aber ich vermute, dass es an<br />

seinen guten Sprachenkenntnissen lag, weil er neben Deutsch, das<br />

verbürgt war, vermutlich auch etwas Russisch konnte. Der jüngere Bruder<br />

war im Winterkrieg noch nicht dabei, weil er dafür noch zu jung war, aber<br />

dafür umso mehr im Fortsetzungskrieg; so zeigte er mir einmal eine<br />

sogenannte Tapferkeitsmedaille, die er vom Generalfeldmarschall<br />

Mannerheim persönlich bekommen hatte. Diese Wörter habe ich in<br />

späteren Zeiten bei meinen Besuchen, wenn ich mit meinen Onkeln zu tun<br />

hatte <strong>und</strong> sie mir andere Männer vorstellten, immer wieder gehört: Hän oli<br />

sotatoveri - he was a war comrade. Die schwedische Variante „han var en<br />

370


krigskamrat“ bekam ich <strong>des</strong>halb nie zu hören, weil von den Verwandten<br />

mit Ausnahme einer Tante, die später nach Schweden auswanderte <strong>und</strong><br />

dort einen Einheimischen heiratete, kein Einziger Schwedisch konnte.<br />

----------------------------------------------<br />

Zum Schluss dieses Kapitels kommt noch das, was ich oben bei den<br />

Zahlen schon erwähnt habe: Auch hier wird überall abgekürzt, wo es nur<br />

geht, so dass sie auch hier dem <strong>Estnischen</strong> mit seinen insgesamt kürzeren<br />

Wörtern nahekommen:<br />

1 - 10: yks (yksi), kaks (kaksi), kol/kolm (kolme), nel/neli (neljä), viis (viisi),<br />

kuus (kuusi), seit/seitse (seitsemän); kaheksa, kaheksan (kahdeksan),<br />

yheksä, yheksän (yhdeksän), kymppi (kymmenen) *<br />

11: ykstoista/ykstoist (yksitoista),<br />

12: kakstoista/kakstoist (kaksitoista),<br />

13: koltoista/koltoist/kolmtoista/kolmtoist (kolmetoista),<br />

14: neltoista/neltoist/nelitoista/nelistoist (neljätoista),<br />

15: viistoista/viistoist (viisitoista),<br />

16: kuustoista/kuustoist (kuusitoista),<br />

17: seitstoista/seitstoist/seitsetoista/seitsetoist (seitsemäntoista),<br />

18: kaheksatoista/kaheksatoist/kaheksantoista/kaheksantoist<br />

(kahdeksantoista)<br />

19: yheksätoista/yheksätoist/yheksäntoista/yheksäntoist (yhdeksäntoista)<br />

20: kakskyt, kakskymppi, kaksikymppi (kaksikyymentä)<br />

30: kolkyt, kolmkyt, kolkymppi, kolmkymppi,<br />

kolmekymppi (kolmekymmentä)<br />

40: nelkyt, nelikyt, nelikymppi, neljäkymppi (neljäkymmentä)<br />

50: viiskyt, viiskymppi, viisikymppi (viisikymmentä)<br />

60: kuuskyt, kuuskymppi, kuusikymppi (kuusikymmentä)<br />

70: seitskyt, seitsekyt, seitskymppi, seitsekymppi (seitsemänkymmentä)<br />

371


26: kakskymppikuus (kaksikymmentäkuusi)<br />

82: kaheksakymppikaks (kahdeksankymmentäkaksi)<br />

Allerdings werden „kakskyt“ usw., also die Zehnerzahlen, mehr in<br />

Zusammensetzungen mit Einerzahlen verwendet; allein stehend werden<br />

die zweiten Varianten gesagt, hier also „kakskymppi“, „kolmkymppi“ usw.<br />

* Bei der Zahl 8 ist oft auch „khadeksan“, „kahedeksan“ <strong>und</strong> sogar<br />

„kahereksan“ zu hören, vor allem bei Sportreportagen, wenn es sowieso<br />

immer eilt <strong>und</strong> damit für die sogenannte gepflegte Sprache keine Zeit<br />

bleibt. Wer diese Varianten einmal hören will, muss ein Eishockeyspiel mit<br />

der finnischen Nationalmannschaft oder einen Leichtathletik-Lauf<br />

schauen. Obwohl die Finnen im letzteren schon seit langem nicht mehr<br />

zur Weltklasse gehören, ist die Begeisterung für diesen Bereich <strong>des</strong><br />

Sports immer noch gross, am meisten für das Speerwerfen, wo sowohl bei<br />

den Männern als auch bei den Frauen immer wieder jemand den Sprung<br />

zu den Weltbesten schafft. Das Gleiche gilt auch für die Formel 1, die<br />

Rallye-Rennen, das Motocross <strong>und</strong> die Motorradrennen, die auch dank<br />

solcher Fahrer wie Mika Häkkinen, Kimi Räikkönen, Valtteri Bottas, Juha<br />

Kankkunen <strong>und</strong> dem noch jung tödlich verunglückten Motorrad-<br />

Weltmeister Jarno Saarinen ungeheuer populär sind. So habe ich im Jahr<br />

1965 bei Hynvinkää nördlich von Helsinki selber ein Motocross-Rennen<br />

gesehen - genauer zwei, die beide vom mehrfachen Weltmeister Torsten<br />

Hallman aus Schweden gewonnen wurden, wie ich noch heute weiss. Im<br />

gleichen Jahr erreichte der Sohn <strong>des</strong> oben erwähnten Onkels, der den<br />

Krieg unverletzt überlebte, bei der nationalen Meisterschaft den vierten<br />

Platz, was ich selber in einer Zeitung lesen konnte. Natürlich müsste ich<br />

hier nicht noch besonders erwähnen, dass auch der Langlauf <strong>und</strong> das<br />

Skispringen schon seit vielen Jahrzehnten zu den populärsten Sportarten<br />

gehören - das versteht sich fast von selbst.<br />

Auch bei den Zeitangaben wird fleissig abgekürzt:<br />

Es ist ein/zwei/drei/vier/fünf/sechs/sieben/acht/neun/zehn Uhr.<br />

Kell on yks/kaks/kolm/neli/viis/kuus/seitse/kaheksa/yheksä/kymppi.<br />

Damit sind diese Abkürzungen mit den offiziellen Angaben im <strong>Estnischen</strong><br />

praktisch identisch:<br />

372


Kell on üks/kaks/kolm/neli/viis/kuus/seitse/kaheksa/üheksa/kümme.<br />

Es ist 11/12/13/14/15/16/17/18/19/20/21/22/23/24 Uhr.<br />

Kell on ykstoist/kakstoist/kolmtoist/nelitoist/viistoist/kuustoist/seitsetoist/<br />

kaheksatoist/yheksatoist/kakskymppi/kakskymppiyks (kakskyytyks)/<br />

kakskymppikaks (kakskyytkaks)/kakskymppikolm (kakskyytkolm)/<br />

kakskymppineljä (kakskyytneljä).<br />

Auch hier ist es im <strong>Estnischen</strong> fast deckungsgleich:<br />

Kell on üksteist/kakstoist/kolmteist/neliteist/viisteist/kuusteist/seitseteist/<br />

kaheksateist/üheksateist/kakskümmend/kakskümmend üks/<br />

kakskümmend kaks/kakskümmend kolm/kakskümmend neli.<br />

Es ist 2 Uhr 35. Es ist 5 Uhr 18.<br />

Se on kaks kolmkyytviis.<br />

Se on viis kaheksatoist.<br />

Se on kaks kolmkymmpiviis.<br />

(Se on kaksi kolmekymmentäviisi.) (Se on viisi kahdeksantoista.)<br />

Es ist nicht 5 Uhr 42, sondern 6 Uhr 42.<br />

Se ei oo viis nelikyytkaks, mutta kuus nelikyytkaks.<br />

Se ei oo viis nelikymppikaks, mutta kuus nelikymppikaks.<br />

(Se ei ole viisi neljäkymmentäkaksi, mutta kuusi neljäkymentäkaksi.)<br />

Im Gegensatz zur Schriftsprache, in der bei den langen Zahlen eigentlich<br />

alle Bestandteile dekliniert werden müssten, was aber ebenfalls nicht<br />

immer vorkommt <strong>und</strong> durch das Schreiben von Ziffern umgangen wird,<br />

steht in der Umgangssprache meistens nur der letzte Teil in einem Kasus,<br />

während die vorderen Teile abgekürzt werden:<br />

Ich bin im Jahr 1953 geboren.<br />

Mä oon syntynyt tuhatyheksäsataaviiskyytkolmas vuonna.<br />

373


(Minä olen syntynyt tuhatanyhdeksässatanvii<strong>des</strong>kymmeneskolmas<br />

vuonna.)<br />

Die Zahl steht also im Genitiv <strong>und</strong> das Jahr im Essiv, aber in der<br />

Umgangssprache wie oben erwähnt nur der letzte Teil.<br />

Von allen 125 Frauen, die ich kenne…<br />

Kaikesta sadakakskyytvii<strong>des</strong>tä rouvasta, jotka tunnen…<br />

(Kaikesta sadastakah<strong>des</strong>takymmenestävii<strong>des</strong>tä rouvasta, jotka<br />

tunnen…)<br />

Bei den Ordinalzahlen haben sich zwei Wörter herausgebildet, die häufig<br />

vorkommen:<br />

eka (Abkürzung von „ensimmäinen“) = erster, erste, erstes<br />

(Deliniert: eka, ekan, ekaa, ekassa, ekaan, ekasta, ekalla, ekalle, ekalta,<br />

ekana, ekaksi, ekatta; kein Komitativ <strong>und</strong> Instruktiv vorhanden)<br />

toka (Abkürzung von „toinen“) = zweiter, zweite, zweites<br />

(Dekliniert: toka, tokan, tokaa, tokassa, tokaan, tokasta, tokalla, tokalle,<br />

tokalta, tokana, tokaksi, tokatta; kein Komitativ <strong>und</strong> Instruktiv vorhanden)<br />

---------------------------------------------<br />

Für die Fremdsprachigen ist die Verwendung der Schriftsprache natürlich<br />

mehr zu empfehlen, um nicht peinlich zu wirken <strong>und</strong> zu riskieren, dass nur<br />

noch auf Englisch geantwortet wird, es sei denn, jemand kennt sich in der<br />

Umgangssprache schon gut genug aus, aber das bedingt einen längeren<br />

Aufenthalt im Land selber oder wenigstens einen engen Kontakt mit Exil-<br />

Finnen.<br />

374


Wörterliste Deutsch - Estnisch - Finnisch<br />

Gegen den Schluss führe ich noch eine Wörterliste auf, die genauso wie<br />

das ganze Buch eine Pionierarbeit ist, weil es kein Wörterbuch der<br />

üblichen Art ist. Von diesen gibt es auf dem Markt bereits genügend, vor<br />

allem für das Finnische. Ich berücksichtige auf dieser Liste, die knapp<br />

unter 200 Wörter enthält, nur solche, bei denen im <strong>Estnischen</strong> deutlich zu<br />

erkennen ist, dass sie vom Deutschen <strong>und</strong> Schwedischen abstammen,<br />

während es im <strong>Finnischen</strong> immer noch die eigenen alten Wörter gibt.<br />

Diese Liste lässt so richtig erkennen, warum vor allem die Esten viel mehr<br />

Mühe haben, Finnisch zu verstehen, als es umgekehrt zutrifft, weil in<br />

Finnland die international verwendeten Wörter natürlich ebenfalls bekannt<br />

sind. Es kommen hier also keine Wörter vor, die in beiden Sprachen die<br />

germanische Herkunft nicht verbergen können.<br />

Ein paar Beispiele:<br />

D: Alkohol Auto Benzin Bus Gas<br />

E: alkohol auto bensiin buss gaas<br />

F: alkoholi auto bensiini bussi kaasu<br />

D: Hotel Karte Kasse Tablette Theater<br />

E: hotell kaart kassa tablett teater<br />

F: hotelli kortti kassa tabletti teatteri<br />

Allerdings ist noch eine kleine Einschränkung anzubringen: Da im<br />

<strong>Finnischen</strong> neben den althergebrachten Wörtern zum Teil ebenfalls<br />

internationale verwendet werden, die mit dem <strong>Estnischen</strong> fast identisch<br />

sind, führe ich beide auf, indem ich sie so kennzeichne:<br />

Deutsch Estnisch Finnisch<br />

Film film elokuva (a. filmi)<br />

Kuchen kook leivos (a. kakku)<br />

375


Mit dem „a.“ ist natürlich „auch“ gemeint.<br />

Im Gegensatz zu den meisten anderen Estnisch- <strong>und</strong> Finnisch-<br />

Wörterbüchern gebe ich auch nicht die Genitiv-Endungen an, von denen<br />

ausgehend alle anderen Fälle gebildet werden, weil das Gesamtbild auf<br />

diese Weise viel übersichtlicher ist.<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch:<br />

Abteil (im Zug) kupee osasto<br />

Adresse aadress osoite<br />

Anlageplatz, kai laituri, maihinlaskupaikka,<br />

Anlagestelle<br />

satamalaituri<br />

(Kai, Quai)<br />

April aprill huhtikuu<br />

Arzt arst lääkäri<br />

August august elokuu<br />

Auskunft informatsioon, tiedo, tiedonanto,<br />

info<br />

tiedotus<br />

Ausweis dokument todistus<br />

Autor autor tekijä<br />

Bahnsteig (Perron) perroon laituri, asemalaituri<br />

Basis baas perusta, pohja<br />

Bassin bassein uimahalli<br />

(Schwimmbad,<br />

Schwimmbecken)<br />

Bibel piibel raamattu<br />

(Buch raamat kirja)<br />

Bild pilt kuva, taulu<br />

376


Birne pirn päärynä (auch germanisch,<br />

aber nicht so deutlich)<br />

Bleistift pliiats lyijykynä<br />

Boot paat vene<br />

Botanik botaanika kasvitiede<br />

braun pruun ruskea<br />

Brille prillid silmälasit<br />

Büchse püss kivääri, rasia, tölkki<br />

Büro büroo toimisto<br />

Camping(platz) kämping leirintä<br />

Decke (Schiff) tekk kansi<br />

Decke tekki peitto, vuodepeitto<br />

Dessert <strong>des</strong>sert jälkiruoka<br />

(Nachtisch) (a. järelroog,<br />

magustoit)<br />

Dezember detsember joulukuu<br />

Diafilm diafilm diavalokuva<br />

Dialekt dialekt (a. murre) murre<br />

Dokument dokument asiakirja<br />

Dusche dush suihku<br />

echt ehtne aito, oikea<br />

Elektriker elektrik sähkömies,<br />

sähköteknikko<br />

Elektroherd elektripliit sähköliesi<br />

Export eksport vienti<br />

Fabrik vabrik tehdas<br />

Fahrkarte pilet, sõidupilet lippu, matkalippu<br />

377


Fahrkartenkontrolle piletkontroll, matkalipputarkastus,<br />

sõidupiletkontroll matkalippuvalvonta<br />

Fahrkartenschalter piletikassa lippuluukku<br />

Fahrplan sõiduplaani aikataulu<br />

Februar veebruar helmikuu<br />

Film film elokuva (a. filmi)<br />

Filmkamera filmikaamera elokuvakamera<br />

(a. filmikamera)<br />

Forelle forell purotaimen (a. forelli)<br />

Formular formular kaavake<br />

Foto foto valokuva<br />

Fotoalbum fotoalbum valokuva-albumi<br />

Fotoapparat fotoaparaat valokuvauskone<br />

(a. kamera)<br />

Fotogeschäft fotoäri valokuvatarvikeliike,<br />

valokuvausliike<br />

Fotograf fotograaf valokuvaaja<br />

Fotografie fotograafia valokuva, valokuvaus<br />

Fotokopie fotokoopia valokopio<br />

Fotomodell fotomodell valokuvamalli<br />

Gabel kahvel haarukka<br />

Garage garaazh autotalli<br />

(eigentlich Autostall)<br />

Gaststätte restoran ravintola<br />

genial geniaalne nerokas<br />

Genie, Genius geenius nero<br />

Geographie geograafia maantiede<br />

378


Gewürz vürts mauste<br />

Grammatik grammatika kielioppi<br />

Gruppe grupp joukko, ryhmä<br />

Gymnasium gümnaasium lukio, oppikoulu<br />

Hering (Fisch) heeringas silakka, silli<br />

Hütte hütt mökki<br />

Import import tuonti, maahantuonti<br />

Information, Info informatsioon, tiedo, tiedonanto,<br />

info<br />

tiedotus<br />

Insekt insekt hyönteinen<br />

intelligent intelligentne älykäs<br />

international internatsionaalne kansainvälinen<br />

Januar jaanuar tammikuu<br />

Journalist zhurnalist lehtimies,<br />

sanomalehtimies<br />

Juli juuli heinäkuu<br />

Juni juuni kesäkuu<br />

Kabine kabiin, kajut hytti<br />

(eigentlich Koje)<br />

Kai (Quai) kai laituri, maihinlaskupaikka,<br />

satamalaituri<br />

Kartoffel kartul peruna<br />

Kino kino elokuvateatteri (eigentlich<br />

Filmtheater)<br />

Klavier klaver piano<br />

Kleid kleit leninki, mekko, puku<br />

Koffer kohver matkalaukku<br />

379


Kofferradio kohverraadio matkaradio<br />

Koje kajut makuupaikka (a. koju)<br />

Komma koma pilkku<br />

Kontrolle kontroll tarkastus, valvonta<br />

Korrespondent korrespondent kirjeenvaihtaja<br />

Kostüm kostüüm puku<br />

Kragen krae kaulus<br />

Kreuzfahrt kruiis risteily<br />

Kuchen kook leivos (a. kakku)<br />

Kunst kunst taide, taito<br />

Künstler kunstnik taiteilija<br />

künstlich kunstlik keinotekoinen,<br />

tekotekoinen<br />

Lift lift hissi<br />

Literatur literatuur kirjallisuus<br />

(a. kirjandus)<br />

Magen magu vatsalaukku, vatsa<br />

Mai mai toukokuu<br />

Mantel mantel takki, päällystakki<br />

März märts maaliskuu<br />

Medien meediumid tiedotusvälineet<br />

Medikament medikament lääke<br />

Mineralien mineraalid kivennäiset<br />

Mineralöl mineraalõli vuoriöljy<br />

Mineralwasser mineraalvesi kivennäisvesi<br />

Möbel mööbel huonekalut<br />

Modell modell malli<br />

380


Mütze müts lakki (a. myssy)<br />

Nachtisch <strong>des</strong>sert jälkiruoka<br />

(Dessert)<br />

(a. järelroog, magustoit)<br />

November november marraskuu<br />

Oktober oktoober lokakuu<br />

Organ organ elin<br />

Organisation organisatsioon järjestö<br />

(a. organisointi)<br />

organisieren organiseerima, järjestää<br />

organiseerida<br />

Ozean ookean valtameri<br />

Park park puisto<br />

parken parkima, parkida pysäköidä<br />

Parkplatz parkla pysäköintipaikka<br />

Patient(in) patsient potilas<br />

Pause paus tauko,väliaika<br />

Pensionär pensionär eläkeläinen<br />

Perron (Bahnsteig) perroon laituri, asemalaituri<br />

Plan plaan pohjapiirros,<br />

suunnitelma<br />

planen planeerima, suunnitella<br />

planeerida<br />

Platzkarte platskaart paikkalippu<br />

Porzellan portselan posliini<br />

privat privaatne henkilökohtainen,<br />

yksityinen<br />

Privatgr<strong>und</strong>stück privaat yksityisomaisuus<br />

381


Problem probleem ongelma<br />

Produkt produkt tuote, valmiste<br />

Produktion produktsioon tuotanto (a. produktio)<br />

Produzent produtsent ohjaaja, tuottaja,<br />

valmistaja<br />

produzieren produtseerima/ tuottaa<br />

produtseerida<br />

Programm programm ohjelma<br />

Prospekt prospekt esite<br />

Qualität kvaliteet laatu, laji<br />

Quantität kvantiteet määrä, paljous<br />

Raum (allgemein) ruum tila<br />

Raum (Zimmer) ruum huone<br />

Regisseur rezhissöör ohjaaja<br />

registrieren registreerima, luetteloida<br />

registreerida<br />

(a. rekisteröidä)<br />

Reise reis matka<br />

Reisebüro reisibüroo matkatoimisto<br />

reisen reisima, reisida matkustaa<br />

Rentner pensionär eläkeläinen<br />

Reservation reservatsioon varaus<br />

reservieren reserveerima, varata<br />

reserveerida<br />

Restaurant restoran ravintola<br />

rosa roosa vaaleanpunainen<br />

Salbe salv voide<br />

Schal sall kaulahuivi<br />

382


Schere käärid sakset<br />

Schlips lips solmio<br />

schmutzig must likainen, lokainen<br />

Sekretär(in) sekretär sihteeri<br />

September september syyskuu<br />

Socke sokk nilkkasukka,<br />

puolisukka<br />

Speisewagen restoranvagun ravintolavaunu<br />

Spezialist spetsialist erikoistuntija<br />

Sport sport urheilu<br />

Sportler sportlane urheilija<br />

Sportlerin sportlanetar, urheilijatar,<br />

spordinaine<br />

naisurheilija<br />

Sportplatz spordiväljak urheilukenttä<br />

Stil (Kunst) stiil tapa (a. tyyli)<br />

Strassenbahn tramm raitiotie<br />

Stück tükk kappale, pala,<br />

palanen<br />

Student(in) tudeng opiskelija,<br />

ylioppilas<br />

Sturm torm myrsky<br />

Sülze sült kalahyytelö<br />

(a. syltty)<br />

Summe summa määrä<br />

(a. summa)<br />

Suppe supp keitto<br />

Telefon telefon puhelin<br />

383


Telefonbuch telefoniraamat puhelinluettelo<br />

Telefonnummer telefoninumber puhelinnumero<br />

Telefonzentrale telefonikeskus puhelinkeskus<br />

Telegramm telegramm sähke,<br />

sähkösanoma<br />

Toilette tualett käymälä<br />

Toilettenpapier tualettpaberit käymäläpaperi<br />

Torte tort täytekakku<br />

(a. torttu)<br />

Tradition traditsioon perinne<br />

Tram (Strassenbahn) tramm raitiotie<br />

Treppe trepp portaat, rappuset<br />

Urk<strong>und</strong>e dokument asiakirja<br />

Vorwahlnummer indeks suuntanumero<br />

Wanne vann amme<br />

Watte vatt vanu<br />

Weste vest liivi, liivit<br />

(Sg.+Pl.)<br />

Wohnung korter asunto,<br />

(von Quartier)<br />

huoneisto<br />

Wurst vorst makkara<br />

Zahnarzt hambaarst hammaslääkäri<br />

Zahnpasta hambapasta hammastahna<br />

Ziege kits (von Kitz) vuohi<br />

Zigarette sigaret savuke<br />

384


Ergänzende Informationen<br />

Was ich oben über die estnischen <strong>und</strong> finnischen Spielfilme <strong>und</strong> die darin<br />

verwendeten Umgangssprachen geschrieben habe, gilt in beiden Ländern<br />

nicht nur für die heutigen Filme <strong>und</strong> in Estland nicht nur für einen Film, der<br />

noch in der Mitte der 60er-Jahre gedreht wurde <strong>und</strong> in dem<br />

erstaunlicherweise auch das dritte bekannte Nationallied „Jää vabaks<br />

Eesti meri“ gesungen werden durfte, sondern auch für den Film „1944“,<br />

der erst im Jahr 2014, also vor wenigen Jahren hergestellt wurde. Was<br />

„Tuntematon Sotilas“ <strong>und</strong> „Talvisota“ (der Spielfilm „Winterkrieg“, der im<br />

Jahr 1989 gedreht wurde) für Finnland sind, ist „1944“ für Estland. Da wird<br />

auf eindrückliche Weise gezeigt, wie gespalten die Esten waren <strong>und</strong> auch<br />

wurden, weil nicht nur Zehntausende freiwillig auf der Seite der Faschisten<br />

kämpften, wie das nachher von der Gulag-Sowjetunion <strong>und</strong> ihren<br />

unzähligen roten Fre<strong>und</strong>en im Osten <strong>und</strong> auch Westen behauptet wurde,<br />

sondern weil viele auch zum Kriegsdienst an der Seite der Deutschen<br />

gezwungen wurden, aber auch auf der sowjetischen Seite, also auf der<br />

Seite der Besatzer, wurden Tausende dazu gezwungen. Besonders<br />

eindrücklich ist die Szene, als es sich ergibt, dass Esten auf Esten<br />

schiessen, bis sie aufgr<strong>und</strong> der Befehle <strong>und</strong> Zurufe hören, dass es<br />

Landsleute sind; als sie das erkennen, ziehen beide Seiten sofort ab.<br />

Eine andere eindrückliche Szene ist, als ein „roter“ Este in brau-grüner<br />

Uniform kurz vor der oben beschriebenen Szene einen „Weissen“ in<br />

grauer Uniform erschiesst, weil er glaubt, er sei ein Deutscher, <strong>und</strong> als er<br />

ihn durchsucht <strong>und</strong> erkennt, dass es ein Este war, nimmt er Kontakt zu<br />

<strong>des</strong>sen Schwester auf, mit der ihm sogar eine Beziehung gelingt. Auch ihn<br />

ereilt jedoch das tödliche Schicksal, als er versucht, fünf „weisse“<br />

Jugendliche, die erst vor wenigen Tagen von den Deutschen in eine<br />

Uniform gesteckt wurden, noch vor Ort selber mitten in einem Wald bei<br />

einem Bach vor dem Standgericht zu retten. Da er sich weigert, diesen<br />

Befehl <strong>des</strong> roten estnischen Kommandanten auszuführen, von denen es<br />

leider auch welche gab, wird er von diesem über den Haufen geschossen,<br />

<strong>und</strong> als seine Kameraden das Gleiche mit ihm versuchen wollen, sagt er<br />

diese bemerkenswerten Worte mit kaum verstecktem Hohn: „Tötet mich -<br />

<strong>und</strong> eure Familien <strong>und</strong> Verwandten landen alle im Gulag!“ Schliesslich ist<br />

es ein Russe, der das besorgt, noch bevor der bolschewistische Offizier<br />

einen weiteren, der nach dem soeben Ermordeten der zweithöchste im<br />

Kommando ist, erschiessen kann. Da er mit dem soeben Ermordeten<br />

385


efre<strong>und</strong>et war - tatsächlich gab es auch zwischen Esten <strong>und</strong> Russen<br />

Fre<strong>und</strong>schaften - <strong>und</strong> das Ganze von nahem beobachtet hat, kann er<br />

nachher nicht angeklagt werden. Das einzige Gute an dieser Szene, die<br />

sich auf diese Weise in Wirklichkeit viele Male so abgespielt hat, ist die<br />

Freilassung der fünf Jugendlichen so kurz vor dem Kriegsende.<br />

Gerade dieser Spielfilm zeigt eindrücklich, wie gespalten neben Finnland,<br />

wo der Bürgerkrieg von 1918 zwischen den Roten <strong>und</strong> Weissen noch<br />

heute nicht ganz vergessen ist, auch Estland war. Zudem wird auch dies<br />

gut gezeigt: Neben Esten lebten jahrh<strong>und</strong>ertelang auch noch Russen im<br />

Land, <strong>und</strong> das galt auch für Lettland, wo sich während <strong>des</strong> Zweiten<br />

Weltkriegs ähnliche Geschichten abspielten wie im Spielfilm „1944“, wo<br />

also auch Letten auf Letten schossen, die zum Teil ebenfalls auf beiden<br />

Seiten zum Kriegsdienst gezwungen worden waren. Die andere positive<br />

Seite ist jedoch, dass sowohl beim Unabhängigkeitskrieg vor h<strong>und</strong>ert<br />

Jahren als auch beim Befreiungskrieg gegen die sowjetischen Besatzer<br />

Esten <strong>und</strong> Letten, deren Sprachen hinten <strong>und</strong> vorn nicht miteinander<br />

verwandt sind <strong>und</strong> die sich <strong>des</strong>halb nur auf Deutsch oder Russisch<br />

verständigen konnten - heute wäre es das Englische -, zum Teil sogar<br />

innerhalb einer Kompanie Seite an Seite kämpften; dabei waren die<br />

meisten Offiziere Deutsche <strong>und</strong> vor allem Deutschbalten, die entweder in<br />

Estland oder Lettland aufgewachsen waren <strong>und</strong> in dieser Zeit noch als<br />

Baltendeutsche bezeichnet wurden. Noch weniger bekannt ist, dass vor<br />

h<strong>und</strong>ert Jahren an der Seite der Esten <strong>und</strong> Letten, die mit Unterstützung<br />

von Deutschen <strong>und</strong> sogar ein paar H<strong>und</strong>ert Finnen, die auf irgendeine<br />

Weise nach Estland herübergekommen waren, auch noch zaristische<br />

Truppen kämpften. Diese setzten sich zwar fast nur aus Russen<br />

zusammen, doch da sie immer noch damit rechneten, dass sie die nicht<br />

allzu weit liegende Stadt St. Petersburg, die damals noch die russische<br />

Hauptstadt war, wieder zurückerobern konnten, brauchten sie auch die<br />

Hilfe der eigentlich ungeliebten Balten <strong>und</strong> Deutschen.<br />

Tatsächlich sind die emotionalen <strong>und</strong> kulturellen Bindungen zwischen den<br />

Esten <strong>und</strong> Letten min<strong>des</strong>tens so stark wie zwischen den Esten <strong>und</strong> Finnen<br />

<strong>und</strong> ganz bestimmt noch stärker als zwischen den Letten <strong>und</strong> Litauern, die<br />

zwar verwandt sind, sich von ihnen aber vor allem durch eine ganz andere<br />

Geschichte <strong>und</strong> Religion unterscheiden. Während die römischkatholischen<br />

Litauer, wie sie es heute noch sind, im Mittelalter zusammen<br />

mit den ebenfalls grösstenteils katholischen Polen eine europäische<br />

Mittelmacht bildeten, die zeitweise sogar bis zum Schwarzen Meer reichte,<br />

386


standen die Letten <strong>und</strong> Esten bis zum Jahr 1918 immer unter der 385<br />

Herrschaft von Fremden - zuerst die Deutschen oder genauer die<br />

Hansestädte, dann die Schweden, dann die Russen…<strong>und</strong> nach 1940 die<br />

Sowjets, zum Teil leider auch mit Hilfe von einheimischen Kommunisten,<br />

deren Anführer nach der Unterzeichnung <strong>des</strong> Hitler-Stalin-Paktes im<br />

August 1939 in Moskau nur noch darauf warteten, dass sie zu „Hilfe“<br />

gerufen wurden, wie das nachher während Jahrzehnten nicht nur in der<br />

kommunistischen Staatenwelt so verbreitet <strong>und</strong> sogar in den Schulen<br />

gelehrt wurde, sondern auch im Westen in den roten Kreisen. Das Gleiche<br />

traf auf den finnischen Kommunistenführer Otto Wille Kuusinen zu, mit<br />

dem ich weit draussen sogar verwandt bin, wie ich über das Internet<br />

herausgef<strong>und</strong>en habe. Nachdem es ihm gelungen war, nach dem<br />

verlorenen Bürgerkrieg nach Moskau zu fliehen <strong>und</strong> dort in der KPdSU<br />

eine steile Karriere hinzulegen, wäre er mit Sicherheit auch der<br />

sowjetische Statthalter geworden, wenn Finnland tatsächlich besetzt<br />

worden wäre, aber nach den beiden verlustreichen Kriegen, die mehr als<br />

eine Million gefallene Rotarmisten gefordert hatten - allerdings auch fast<br />

100‘000 Gefallene <strong>und</strong> Schwerverletzte unter den Finnen -, hielt es sogar<br />

der berufsmässige Menschenvernichter Stalin für besser, dieses Land<br />

fortan in Ruhe zu lassen. Allerdings liess er es sich nicht nehmen, sich<br />

nachher noch in die finnische Innenpolitik einzumischen, aber ich gehe<br />

erst weiter unten näher darauf ein.<br />

Wie eng die Bindungen zwischen den Esten <strong>und</strong> Letten schon immer<br />

waren, zeigt sich auch darin, dass sich in beiden Ländern der Begriff<br />

„Marienland“ (auf Estnisch „Marjamaa“ <strong>und</strong> auf Lettisch „Marijazeme“)<br />

gehalten hat. Dieser hat bei den einst zu mehr als vier Fünfteln<br />

evangelischen Esten <strong>und</strong> Letten nichts mit der heiligen Jungfrau Maria zu<br />

tun, die für die Litauer <strong>und</strong> Polen immer noch eine starke Bedeutung hat,<br />

sondern stammt aus der Zeit im späten Mittelalter, als sie gemeinsam in<br />

der sogenannten Livländischen Konföderation lebten - weitestgehend<br />

innerhalb der heutigen Lan<strong>des</strong>grenzen (nur südlich <strong>des</strong> Pejpus-Sees<br />

musste ein kleiner Landstrich später an Russland abgetreten werden),<br />

aber unter der Herrschaft von Fremden, die dieses Gebiet in mehrere<br />

Bistümer aufteilten, was diesen frommen Begriff erklärt.<br />

Geradezu symbolisch für die enge Verb<strong>und</strong>enheit zwischen den Esten<br />

<strong>und</strong> Letten steht die ursprünglich von Deutschen gegründete Kleinstadt<br />

Walk, die auf Estnisch Valga <strong>und</strong> auf Lettisch Valka heisst. Sie liegt genau<br />

an der Grenze <strong>und</strong> wird vom nicht allzu breiten Fluss Pedele (Deutsch <strong>und</strong><br />

387


Lettisch) oder Pedeli (Estnisch) in zwei Hälften geteilt, wobei die estnische<br />

viel grösser ist. Da dieser Fluss ausgerechnet hier seine Richtung<br />

wechselt <strong>und</strong> nicht mehr vom Osten nach dem Westen fliesst, sondern<br />

nach dem Norden abbiegt, gibt es nicht eine südliche <strong>und</strong> nördliche Hälfte,<br />

sondern eine westliche <strong>und</strong> eine östliche. Solange diese Stadt, in der<br />

neben Deutsch, Lettisch <strong>und</strong> Estnisch auch noch Russisch <strong>und</strong> Jiddisch<br />

gesprochen wurden, unter der Herrschaft von Fremden stand, kam es<br />

nicht darauf an, wo die einen oder anderen wohnten. Das änderte sich<br />

erst, als Estland <strong>und</strong> Lettland im Jahr 1918 unabhängig wurden. Infolge<br />

<strong>des</strong> Streits wegen der Diskussionen, wem diese Stadt, die weit im<br />

Lan<strong>des</strong>inneren strategisch wegen der Eisenbahnlinie von Riga nach Tartu<br />

wichtig war, zufallen sollte, kam es fast zu einem Krieg. Dank der<br />

Vermittlung eines ranghohen britischen Offiziers <strong>und</strong> Diplomaten namens<br />

Stephen Tallents, der seinen Sitz gerade in Riga hatte, wurde der<br />

Kompromiss beschlossen, die Stadt zu teilen, wodurch aber der grössere<br />

Teil mitsamt dem Bahnhof <strong>und</strong> dem eigentlichen Stadtzentrum zu Estland<br />

kam. Man kann ja viel gegen den früheren britischen Imperialismus<br />

einwenden, aber min<strong>des</strong>tens hier ist dank der Briten ein Bruderkrieg<br />

verhindert worden, nachdem kurz zuvor noch Esten <strong>und</strong> Letten zum Teil<br />

innerhalb von gleichen Kompanien gegen die Roten gekämpft hatten, zu<br />

denen allerdings auch viele Letten selber gehörten. Das ist auch eine<br />

Erklärung dafür, warum die Beziehungen vor allem zwischen den Esten<br />

<strong>und</strong> Briten seit dieser Zeit immer gut gewesen sind, <strong>und</strong> hat mit dazu<br />

beigetragen, dass die Annexion <strong>des</strong> Baltikums durch die Sowjets von<br />

Grossbritannien offiziell nie anerkannt worden ist, genauso wenig wie von<br />

den USA, Kanada, Frankreich <strong>und</strong> dem franquistischen Spanien,<br />

jedenfalls soweit das bekannt geworden ist. Da die Grenzen in den 22<br />

Jahren der Unabhängigkeit bis zum Jahr 1940 geschlossen waren,<br />

mussten sich die Letten dort wegen <strong>des</strong> fehlenden Bahnhofs <strong>und</strong> eines<br />

Stadtzentrums eine neue wirtschaftliche Infrastruktur aufbauen, aber nach<br />

der Annexion durch die Sowjets wurde diese Grenze wieder aufgehoben.<br />

In den 13 ersten Jahren der neuen Unabhängigkeit bestand diese Grenze<br />

wieder, <strong>und</strong> erst seit dem gemeinsamen Beitritt zur Europäischen Union<br />

im Jahr 2004 <strong>und</strong> erst recht zum Schengen-Raum drei Jahre später ist es<br />

wieder so wie während Jahrh<strong>und</strong>erten bis zum Jahr 1918.<br />

Valga oder Valka ist <strong>des</strong>halb bemerkenswert, weil dieser Grenzort schon<br />

seit dem Mittelalter als einziger offiziell zweisprachig ist, <strong>und</strong> da dort seit<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten auch noch Deutsche <strong>und</strong> Russen wohnen - wenn auch nur<br />

388


wenige -, ist diese Stadt eigentlich viersprachig, <strong>und</strong> bis zum Zweiten<br />

Weltkrieg lebten dort wie oben mit dem Jiddischen angedeutet auch noch<br />

Juden. Obwohl während dieses Kriegs nicht allzu weit von dort ein KZ<br />

stand, in dem nachher auch deutsche Kriegsgefangene untergebracht<br />

wurden, sind die Kontakte zwischen den Angehörigen dieser Völker nie so<br />

spannungsgeladen gewesen wie anderswo, zum Beispiel in Riga, wo die<br />

Russen immer noch eine knappe Mehrheit stellen, aber von den Letten<br />

als Nachfahren der Besetzer gesehen werden. Tatsächlich gab es in<br />

Valga oder Valka vor dem Jahr 1918 sogar noch zweisprachige Schulen,<br />

in denen auf Estnisch <strong>und</strong> Lettisch unterrichtet wurde, <strong>und</strong> die heutige<br />

Städtepartnerschaft ist besonders eng, noch viel enger als in Frankfurt an<br />

der Oder, <strong>des</strong>sen östlicher Teil heute Slubice heisst, <strong>und</strong> in Görlitz, <strong>des</strong>sen<br />

östlicher Teil heute den Namen Zgorzelec trägt; bis zum Zweiten Weltkrieg<br />

haben diese beiden östlichen Stadtteile an der Oder <strong>und</strong> Neisse<br />

bekanntlich noch zu Deutschland gehört. Das Besondere daran ist, dass<br />

die Gebiete östlich dieser beiden Flüsse, die noch heute von<br />

nationalistischen Kreisen als deutsche Ostgebiete bezeichnet werden,<br />

früher von nationalistischen Kreisen in Polen als polnische Westgebiete<br />

bezeichnet wurden, weil diese Gebiete in der Epoche, als dieses Land<br />

noch eine europäische Mittelmacht war, zum Teil ebenfalls zu Polen<br />

gehört hatten.<br />

Zu den Beherrschten auf dem Gebiet der Livländischen Konföderation<br />

gehörten neben den eigentlichen Esten <strong>und</strong> Letten sowie den im Vorwort<br />

erwähnten Liven an der Küste <strong>und</strong> mehreren kleinen finno-ugrischen <strong>und</strong><br />

baltischen Völkern, die seitdem mit den Esten <strong>und</strong> Letten buchstäblich<br />

verschmolzen sind, auch noch die römisch-katholischen Lettgallen im<br />

Südosten Lettlands, die diese Religion annahmen, als dort noch die<br />

Litauer <strong>und</strong> Polen herrschten. Ihre Sprache, die heute noch von etwa<br />

150‘000 Menschen gesprochen wird - also noch von weniger als Russisch<br />

allein innerhalb von Lettland -, steht etwa in der Mitte zwischen Lettisch<br />

<strong>und</strong> Litauisch <strong>und</strong> wird heute von einem Teil der Sprachwissenschaftler<br />

sogar als eine eigenständige Sprache bezeichnet. Da ich das Lettgallische<br />

im Gegensatz zum Lettischen <strong>und</strong> Litauischen nicht kenne, lasse ich diese<br />

Aussage so stehen. Immerhin darf diese Sprache jetzt in den Schulen<br />

verwendet werden, aber den Status einer zweiten lettischen<br />

Lan<strong>des</strong>sprache wird auch sie wohl nie erreichen, ohne dass es dafür wie<br />

seinerzeit im Jahr 2012 eine Volksabstimmung braucht. Da drei Viertel<br />

gegen die Anerkennung <strong>des</strong> Russischen als zweite Amtssprache waren,<br />

389


wobei nur sogenannte „Bürger“ stimmberechtigt waren - also keine<br />

Russischstämmigen, die den lettischen Pass nicht oder genauer noch<br />

nicht hatten -, ist dieses Thema vorläufig nicht mehr aktuell.<br />

Was Estland betrifft, das in dieser Beziehung eine ähnliche Geschichte<br />

wie Lettland vorzuweisen hat, wird es wohl kaum jemals zu einer solchen<br />

Abstimmung kommen, <strong>und</strong> im bevölkerungsreicheren Litauen, wo die<br />

Russen zwar fast 200‘000 Köpfe zählen, aber im Vergleich zu den beiden<br />

anderen baltischen Staaten eine kleine Minderheit stellen <strong>und</strong> sogar noch<br />

hinter den Polen stehen, war das sowieso nie ein Thema - erst recht nicht,<br />

wenn an „Sausio 13“ zurückgedacht wird. Damit ist der 13. Januar 1991<br />

gemeint, als sowjetische Panzer bei einem Putschversuch eine<br />

Menschenmenge überrollten, die das Fernsehstudio umstellt hatte, um es<br />

vor der Schliessung zu bewahren, <strong>und</strong> dabei fast zwanzig Personen<br />

umbrachten, ohne dass dafür jemand zur Rechenschaft gezogen wurde.<br />

Das Gleiche geschah auch wenige Monate später, als sowjetische<br />

Truppen aus Wut darüber, dass sie das Land verlassen mussten, beim<br />

Vorbeifahren noch mehrere litauische Grenzsoldaten erschossen. Welche<br />

Rolle der im Westen stets gefeierte letzte KP-Chef Gorbatschow bis zur<br />

Wende spielte, ist beim letzteren Fall ungeklärt, aber sicher ist, dass der<br />

Befehl zum Überrollen der Menschenmenge mit Panzern von ihm<br />

höchstpersönlich kam, weil auch er wie so viele andere noch an ein<br />

Weiterbestehen dieses Weltreiches glaubte <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb die sowjetische<br />

„Ordnung“ wiederherstellen wollte. Immerhin hat die atheistische,<br />

menschenverachtende bolschewistische Weltanschauung, die auch im<br />

Westen immer erstaunlich viele Anhänger hatte - so sah ich einmal in<br />

Zürich bei einer Demonstration am 1. Mai nicht nur ein grosses Porträt von<br />

Lenin, sondern auch eines von Stalin -, in einem Punkt doch noch<br />

„gewonnen“: Im Gegensatz zu den Litauern, von denen die meisten noch<br />

heute tiefgläubige Katholiken sind <strong>und</strong> die mit ihrem Glauben mit dazu<br />

beigetragen haben, dass die Gulag-Sowjetunion zusammenfiel - so hat<br />

Litauen seinerzeit schon im März 1990 als erste Sowjetrepublik ihre<br />

Unabhängigkeit erklärt -, sind die Letten <strong>und</strong> Esten heute nicht dafür<br />

bekannt, dass sie besonders gläubig sind. Deshalb erstaunt es nicht, dass<br />

fast die Hälfte der Letten <strong>und</strong> sogar weitaus mehr als die Hälfte der Esten<br />

sich als konfessionslos bezeichnen, was eindeutig auf die jahrzehntelange<br />

bolschewistische Wühlarbeit zurückzuführen ist, weil die meisten Russen,<br />

die nach der Besetzung <strong>des</strong> Baltikums neu angesiedelt wurden, nicht nur<br />

Atheisten, sondern teilweise auch noch treue KP-Mitglieder waren.<br />

390


Dieses ganze Wissen darüber, das über die Tourismus-Prospekte<br />

hinausgeht, in dem fast nur über billige Reisen <strong>und</strong> schöne Seen berichtet<br />

wird, gehört ebenfalls zum Rüstzeug, wenn jemand Finnland <strong>und</strong> das<br />

Baltikum bereisen will. Wer das weiss, kann sich eben gut vorstellen,<br />

warum das Russische, das bis zum Jahr 1991 so dominierend war, dass<br />

sogar in Tallinn <strong>und</strong> Riga jemand in vielen Geschäften nicht bedient<br />

wurde, wenn er oder sie nicht Russisch sprach, immer noch keine offizielle<br />

Anerkennung gef<strong>und</strong>en hat. Ich selber wäre zwar dafür, aber nur mit der<br />

Auflage verb<strong>und</strong>en, dass jemand, der eine Staatsstelle <strong>und</strong> erst recht eine<br />

politische oder militärische Karriere anstrebt, auch die entsprechende<br />

Lan<strong>des</strong>sprache gut spricht <strong>und</strong> schreibt <strong>und</strong> vor allem sich zum Land<br />

bekennt, ohne ständig in Richtung Osten über die Grenze zu schielen <strong>und</strong><br />

sogar an eine „Heimholung“ durch Russland zu denken, was dort von<br />

nationalistischen Kreisen noch heute gefordert wird. Estnisch ist zwar<br />

sicher schwerer als Russisch, aber die beiden baltischen Sprachen sind<br />

im Vergleich dazu kinderleicht zu lernen, vor allem das Lettische, also ist<br />

das zumutbar.<br />

Es könnte zwar eingewendet werden, dass eine Anerkennung <strong>des</strong><br />

Russischen als offizielle Lan<strong>des</strong>sprache in Estland <strong>und</strong> Lettland dem<br />

grossen Nachbarn im Osten doch noch eine Tür dafür öffnen würde, dass<br />

seine Hauptsprache auch in der EU Verwendung findet, wo sie bis jetzt<br />

noch nicht einmal als eine inoffizielle Arbeitssprache anerkannt ist wie zum<br />

Beispiel das Katalanische, in dem zwar keine Rede gehalten werden darf,<br />

in das jedoch alle Dokumente ebenfalls übersetzt werden. Andererseits<br />

könnte dieser Schritt ein Zeichen dafür sein, dass auch im Westen sehr<br />

wohl zur Kenntnis genommen wird, dass Russland zu Europa gehört - <strong>und</strong><br />

das Russische ist immerhin die meistgesprochene Sprache in diesem<br />

Kontinent <strong>und</strong> die Einzige, die allein in Europa mehr als h<strong>und</strong>ert Millionen<br />

Sprecher hat. In Litauen selber ist eine solche Anerkennung <strong>des</strong>halb nicht<br />

möglich, weil dann auch die noch zahlreicheren Polen, die ebenfalls für<br />

ihre Minderheitenrechte kämpfen, in diesen Genuss kommen müssten.<br />

Zudem wird immer noch darüber gestritten, ob die Hauptstadt Vilnius, die<br />

auf Deutsch noch heute Wilna genannt wird, rechtlich den Litauern oder<br />

doch den Polen gehört, wie das zwischen 1919 <strong>und</strong> 1939, als die neue<br />

Unabhängigkeit dieses Staates von deutschen <strong>und</strong> sowjetischen Truppen<br />

wieder zerschlagen wurde, schon einmal so war.<br />

Auch wenn ihre Sprache immer noch nicht als zweite Amtssprache neben<br />

Estnisch <strong>und</strong> Lettisch anerkannt ist, haben die heutigen jungen Russen<br />

391


eine viel freiere Einstellung zum Land, in dem sie wohnen, als ihre Eltern<br />

<strong>und</strong> erst recht ihre Gross- <strong>und</strong> Urgrosseltern, ja, viele identifizieren sich<br />

sogar derart, dass sie keine Mühe haben, in einem estnischen oder<br />

lettischen Nationalteam zu spielen, sei es im Fussball, Eishockey, Basketoder<br />

Volleyball. Obwohl viele von ihnen immer noch Verwandte in<br />

Russland haben, woher Zehntausende nach der Verschleppung <strong>und</strong><br />

Ermordung etwa eines Viertels der Balten neu eingewandert sind, ziehen<br />

es die meisten vor, im Baltikum zu bleiben, wo der Lebensstandard nun<br />

einmal viel höher ist. Zudem bietet sich für all jene, die bereits den Status<br />

von „Bürgern“ (also Eingebürgerten nach einem entsprechenden<br />

Sprachentest) haben, die nicht zu unterschätzende Möglichkeit, sich auch<br />

in anderen EU-Ländern niederzulassen.<br />

Es ist zu Recht schon viel vom Völkermord an den Juden, an den Sinti <strong>und</strong><br />

Roma, wie die Zigeuner heute genannt werden müssen, sowie an den<br />

Armeniern <strong>und</strong> den fast vergessenen aramäischsprachigen Assyrern <strong>und</strong><br />

nicht zuletzt an den Tutsi in Bur<strong>und</strong>i geschrieben worden, aber noch bis<br />

heute fast nichts vom Völkermord an den Balten. Diesem ist immerhin<br />

min<strong>des</strong>tens ein Viertel zum Opfer gefallen, von den Hauptstädten Tallinn<br />

<strong>und</strong> Riga wurde sogar je ein Drittel umgebracht oder in die Gulag-<br />

Sowjetunion verschleppt. Das ist auch eine Erklärung dafür, dass in Riga<br />

die Russen noch heute eine knappe Mehrheit stellen, aber immerhin<br />

verbindet sie mit den Letten die gleiche leidenschaftliche Liebe zum<br />

Eishockeyverein Dinamo Riga. Es erstaunt mich noch heute, dass dieser<br />

Völkermord, den ich als fast Einzigen auch schon öffentlich so genannt<br />

habe, noch bis heute in den Medien, geschweige denn in der UNO nie ein<br />

Thema war, <strong>und</strong> keineswegs nur in den linken, sondern auch in den<br />

bürgerlichen Kreisen.<br />

Gerade auch hier zeigt es sich, wie wichtig es ist, auf der Seite der<br />

sogenannten Gewinner eines Kriegs zu stehen, <strong>und</strong> die Balten gehörten<br />

nun einmal genauso wie die Deutschen zu den Verlierern. Daran konnten<br />

auch die „Waldbrüder“, die auf Estnisch „metsavennad“ heissen <strong>und</strong> noch<br />

bis zu den 50er-Jahren gegen die sowjetischen Besetzer Widerstand<br />

leisteten, nicht viel ändern, aber es wurde ihnen wenigstens im YouTube<br />

mit vielen alten Aufnahmen von Liedern <strong>und</strong> Fotos von Kriegern ein<br />

Denkmal für die Ewigkeit gesetzt. Auch in einem anderen Bereich zeigt es<br />

sich, wie wichtig es ist, zu den „Gewinnern“ eines Kriegs zu gehören:<br />

Während die „Waldbrüder“ nicht nur in der Gulag-Sowjetunion <strong>und</strong> in ihren<br />

Vasallenstaaten, sondern auch in roten Kreisen im Westen als Banditen<br />

392


ezeichnet wurden, sofern sie von ihnen überhaupt wussten, gelten die<br />

Partisanen im Zweiten Weltkrieg von Frankreich mit der Résistance über<br />

Norwegen, Italien <strong>und</strong> Jugoslawien bis Russland noch heute als Helden,<br />

obwohl sie mit ihrer Gesinnung, möglichst viele umzubringen, um keinen<br />

Deut besser waren als diejenigen, die sie bekämpften. Die Einzigen, die<br />

einen Krieg zwar militärisch verloren, aber nicht zuletzt auch durch<br />

weltbekannte Schriftsteller wie Ernest Hemingway wenigstens medial<br />

gewonnen haben, sind die Republikaner in Spanien, die genauso wie die<br />

sowjetischen Rotarmisten jahrzehntelang als Helden gefeiert wurden.<br />

Heute ist es allgemein bekannt, dass diese um keinen Deut besser waren<br />

als die Nationalen <strong>und</strong> genauso viele Massaker verübten - zum Teil sogar<br />

an Mitgliedern der Internationalen Brigaden, die <strong>des</strong>illusioniert<br />

fahnenflüchtig wurden -, <strong>und</strong> es ist nicht daran zu zweifeln, dass sie nach<br />

einem „Sieg“ gegen die Verlierer genauso unbarmherzig vorgegangen<br />

wären, wie es die Nationalen mit denen taten, denen die Flucht ins<br />

Ausland nicht mehr gelang…<strong>und</strong> die Geflohenen wurden nach der<br />

Besetzung Frankreichs durch die Deutschen zum grössten Teil doch noch<br />

aufgespürt, verhaftet <strong>und</strong> ans franquistische Spanien ausgeliefert.<br />

Der Völkermord an den Balten ist keineswegs der einzige Bereich der<br />

Vergangenheit, in dem sich die Kommunisten unzähliger Verbrechen<br />

schuldig gemacht haben. Während die letzten Nazi-Kriegsverbrecher, wie<br />

sie immer bezeichnet wurden, auch noch dann gejagt wurden, als sie<br />

bereits mehr als 90-jährig waren, obwohl die meisten von ihnen damals<br />

noch junge <strong>und</strong> unerfahrene Burschen gewesen waren <strong>und</strong> nur Befehle<br />

befolgt <strong>und</strong> sich keineswegs allesamt an Massakern beteiligt hatten, wie<br />

das vor allem von linker Seite immer behauptet wurde, ist noch bis heute<br />

eine Vergangenheitsbewältigung <strong>des</strong> Kommunismus ausgeblieben - mit<br />

der allzu durchschaubaren Behauptung, die Wende liege jetzt auch schon<br />

mehr als dreissig Jahre zurück. So ist noch bis heute von Kuba, <strong>des</strong>sen<br />

Castro-Truppen in der Mitte der Siebzigerjahre in Angola mehr als 10‘000<br />

Zivilisten massakrierten, ohne dass dies in der UNO <strong>und</strong> in anderen<br />

internationalen Organisationen jemals ein Thema war, über Ost-Berlin <strong>und</strong><br />

Moskau bis China <strong>und</strong> Nordkorea noch kein Einziger wirklich verurteilt<br />

worden, also nicht nur mit einer kurzen Gefängnisstrafe. Die einzige<br />

Ausnahme war der rumänische Diktator, der nach den Aussagen von<br />

einem der Beteiligten, der viele Jahre später darüber sprach, zusammen<br />

mit seiner Ehefrau <strong>des</strong>halb beseitigt wurde, weil sie damit rechneten, dass<br />

die Truppen der Securitate, also <strong>des</strong> rumänischen Geheimdienstes,<br />

393


versuchen würden, die beiden zu befreien, <strong>und</strong> dass dann sie selber<br />

erschossen worden wären, wenn ihnen das gelungen wäre. Tatsächlich<br />

kämpften nach dem Sturz <strong>des</strong> „Conducator“ (Führer), wie er sich selber<br />

nannte, immer noch Securitate-Einheiten, die mit den parteieigenen<br />

Kampftruppen der SED verglichen werden konnten <strong>und</strong> nur <strong>des</strong>halb<br />

besiegt wurden, weil immer mehr Angehörige der offiziellen Armee zu den<br />

Aufständischen überliefen.<br />

Was die ehemalige DDR betrifft, deren Machthaber dem rumänischen<br />

Diktator für sein stets hartes Vorgehen bis zu seinem Sturz noch gratuliert<br />

<strong>und</strong> ihm noch im Jahr 1988 den Karl-Marx-Orden, also die höchstmögliche<br />

Auszeichnung in diesem Staat, verliehen hatten, sind ausser ein paar<br />

Bauernopfern, die nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen<br />

Staaten für eine kurze Zeit einsitzen mussten, alle anderen straffrei<br />

davongekommen. So durfte auch jener, der als der Hauptorganisator <strong>des</strong><br />

Mauerbaus von Berlin galt <strong>und</strong> trotz der Vertuschungsversuche den<br />

Schiessbefehl an der Grenze nach dem Errichten der<br />

Selbstschussanlagen ausdrücklich nochmals erneuerte, zusammen mit<br />

seiner Ehefrau, die trotz eines auffallend dünnen Schulsacks zur<br />

sogenannten Ministerin für Volksbildung ernannt wurde <strong>und</strong> als<br />

Hauptverantwortliche für die Wegnahme <strong>und</strong> Zwangsadoption von<br />

Kindern von angeblichen Republikflüchtlingen ebenfalls viel Schuld auf<br />

sich geladen hatte, wegen angeblicher Haftunfähigkeit nach Chile<br />

ausreisen, woher ihr Schwiegersohn stammte. Das passte aber gut zum<br />

Gesamtbild, denn gerade in der Zeit, als die „Unidad Popular“ dort regierte<br />

<strong>und</strong> zum Teil tatsächlich positive Reformen eingeleitet hatte, die sich<br />

jedoch auf die Seite der kommunistischen Staatenwelt gestellt hatte -<br />

davon konnte oder musste ich mich bei einem Besuch der<br />

Weltjugendspiele in Ost-Berlin im August 1973 vor Ort selber überzeugen<br />

-, waren die Verbindungen aufgebaut worden, von denen die zwei<br />

Ceausescus der DDR, wie ich sie immer genannt habe, später profitieren<br />

konnten. Allerdings war ihr Darben <strong>und</strong> Ableben im fernen Exil <strong>und</strong> erst<br />

noch in einem weit entfernten Kontinent ebenfalls eine Art Strafe,<br />

wenigstens ist damit eine weitere Pilgerstätte für die europäischen<br />

Genossinnen <strong>und</strong> Genossen verhindert worden. Hätte sich nicht ein<br />

westlicher evangelischer Pfarrer - also aus dem Bereich <strong>des</strong><br />

„Klassenfein<strong>des</strong>“ - nicht der beiden Ceausescus der DDR erbarmt, als sie<br />

nach dem Mauerfall nach Moskau geflohen <strong>und</strong> von dort sofort wieder<br />

zurückgeschickt worden waren, hätten sie selber persönlich erfahren, wie<br />

es sich anfühlte, plötzlich obdachlos zu werden, wie das zuvor mehrere<br />

394


100‘000 von anderen auch durch ihre Mitschuld hatten erfahren müssen.<br />

Trotzdem ist bis heute ein bitterer Nachgeschmack geblieben, den die<br />

Mutter von Chris Gueffroy, der im Februar 1989 noch kurz vor der Wende<br />

als Letzter an der Mauer erschossen wurde <strong>und</strong> neben dem schon fast<br />

legendären Peter Fechter noch heute das bekannteste Maueropfer ist, im<br />

Jahr 1990 treffend ausgedrückt hat: „Mein Sohn durfte nur zwanzig Jahre<br />

alt werden, während dieser straffrei davonkommt.“ Damit meinte sie eben<br />

den Mauerbauer <strong>und</strong> Chile-Flüchtling, über den der ehemalige<br />

Bun<strong>des</strong>kanzler Helmut Schmidt später sagte, er sei für die deutsche<br />

Geschichte derart unbedeutend, dass er bald in Vergessenheit geraten<br />

werde, <strong>und</strong> er hat Recht bekommen. Allerdings sprach ausgerechnet<br />

Schmidt, der sich mit ihm nicht gut verstanden haben soll, wie es immer<br />

hiess, die verhängnisvolle Einladung zu einem Staatsbesuch aus, die sein<br />

Nachfolger Helmut Kohl aus verschiedenen Gründen nicht mehr<br />

rückgängig machen konnte, <strong>und</strong> als dieser im Jahr 1987 tatsächlich mit<br />

militärischen Pauken <strong>und</strong> Trompeten sowie dem Abspielen der in beiden<br />

Teilen Deutschlands gleichermassen unbeliebten <strong>und</strong> verhassten<br />

sogenannten Nationalhymne empfangen wurde, hatte die Bewegung <strong>des</strong><br />

Weltkommunismus nicht nur nach meiner Meinung ihren Höhepunkt<br />

erreicht - <strong>und</strong> ich erinnere mich noch gut daran, dass auch in der Schweiz<br />

in den linken Kreisen, zu denen die meisten sogenannten<br />

Kulturschaffenden ebenfalls zählten, auffallend laut gejubelt wurde. Daran<br />

änderte auch der Zerfall der DDR nur zwei Jahre später nichts mehr, der<br />

Mauerbauer hatte sein letztes grosses Ziel geschafft <strong>und</strong> befand sich auf<br />

dem Höhepunkt seiner politischen Laufbahn. Ich erinnere mich aber<br />

ebenso gut daran, wie entsetzt sowohl in Deutschland als auch in der<br />

Schweiz die meisten Linken sogar unter gemässigten Sozialdemokraten<br />

<strong>und</strong> dazu auch sehr viele sogenannte Kulturschaffende waren, als im<br />

November 1989 die Mauer fiel. Es fand sich in ihren Reihen kaum jemand,<br />

der offene Freude zeigte, obwohl der Mauerfall gerade auch für die<br />

Arbeiterbewegung eine Befreiung war. Dazu gehörte ebenfalls, dass auch<br />

unter den Grünen, die seit dem Beginn der Achtzigerjahre neu die Szene<br />

betraten <strong>und</strong> immer wieder betonten, dass sie sich von den Roten<br />

unterschieden, in die gleichen Trompeten stiessen. Das Entsetzen vor<br />

allem unter den Linken darüber, dass sie den ideologischen Krieg verloren<br />

hatten, überwog diese Freude <strong>und</strong> hallt noch bis heute nach.<br />

Was für widerliche Figuren der Mauerbauer <strong>und</strong> auch der vor allem als<br />

doppelter Polizistenmörder bekannt gewordene Stasi-Chef waren, die wie<br />

395


durch ein böses Omen auch noch den gleichen Vornamen trugen - ich<br />

nenne ihre Namen nicht, weil ich mit ihnen dieses Buch nicht noch<br />

zusätzlich beschmutzen will; ich muss das schon mit anderen tun, deren<br />

Namensnennung unumgänglich ist -, zeigte sich auch darin, dass beide<br />

eigene Wälder besassen, in denen sie mit ihrem Speichel leckenden<br />

Hofstaat regelmässig ihre sogenannten Staatsjagden durchführten. Dabei<br />

sagte der Hauptorganisator <strong>des</strong> Mauerbaus einmal vor laufenden<br />

Kameras voller Stolz, er habe bei einer Jagd, die nicht immer nur einen<br />

Tag lang dauerte, mehr als tausend Tiere geschossen. Ein solcher<br />

Widerling wurde hofiert <strong>und</strong> noch in den Achtzigerjahren von Helmut<br />

Hubacher, dem damaligen Vorsitzenden der Schweizer<br />

Sozialdemokraten, offiziell besucht! Es war sowieso ein Treppenwitz der<br />

Geschichte, dass der Mauerbauer, der nie Dienst geleistet hatte, bei den<br />

Paraden immer militärisch grüsste - aber wenigstens nicht stets<br />

uniformiert wie sein Gesinnungskumpel auf Kuba, der sich ungeniert als<br />

„Máximo Líder“ bezeichnete, also als grösster Führer, ein Titel, den nicht<br />

einmal Hitler sich gegeben hatte -, <strong>und</strong> dass der Stasi-Chef, der im<br />

Spanischen Bürgerkrieg zwar mitgekämpft hatte, wie nachher von den<br />

Roten immer behauptet wurde, sich an seiner Seite immer uniformiert <strong>und</strong><br />

mit so vielen Orden auf der Brust zeigte, dass es für anderes keinen Platz<br />

mehr hatte. Wenn solche wenig gebildeten Proleten-Minister einen Staat<br />

führten <strong>und</strong> der Uniformierte nach seinem Doppelmord <strong>und</strong> seiner<br />

gelungenen Flucht nach Moskau bei den Kommunisten bald eine steile<br />

Laufbahn einschlagen konnte, dürfen wir uns nicht w<strong>und</strong>ern, warum diese<br />

DDR genau vierzig Jahre nach ihrer Gründung bankrott ging. Es waren<br />

keineswegs die bösen Kapitalisten im Westen, wie das noch heute<br />

teilweise behauptet wird, sondern die eigene Bevölkerung, die sich von<br />

der jahrzehntelangen Unterdrückung auch der Arbeiterklasse befreit hat.<br />

Ich bezweifle noch heute, dass die obersten Vertreter <strong>des</strong> Westens auch<br />

so sanft behandelt worden wären, wenn die andere Seite den Kalten Krieg<br />

nicht nur ideologisch, sondern auch mit Waffen gewonnen hätte, wie das<br />

im Westen nicht ganz ohne Gr<strong>und</strong> jahrzehntelang für möglich gehalten<br />

wurde. Immerhin bestätigte ein übergelaufener Offizier der NVA (also der<br />

Nationalen Volksarmee), der fast erschossen wurde, aber vom Westen so<br />

wie üblich gerade noch teuer freigekauft werden konnte, dass es im<br />

Warschauer Pakt, dem ehemaligen Militärbündnis der Ostbock-Staaten,<br />

tatsächlich auch nukleare Angriffspläne gab. Wer solche Absichten<br />

bestreitet, muss sich wieder einmal hinter die Geschichtsbücher klemmen<br />

<strong>und</strong> nachlesen, was im neuen Machtbereich <strong>des</strong> Kommunismus nicht nur<br />

396


vor dem Zweiten Weltkrieg in Russland, sondern auch nachher mit fast<br />

allen von denen geschehen ist, die ein wenig mehr als die anderen hatten.<br />

Nicht alle waren böse Kapitalisten <strong>und</strong> Grossgr<strong>und</strong>besitzer, wie das<br />

kurzsichtig behauptet wurde, zumal im Vergleich zum Westen fast keine<br />

Industrie vorhanden war, sondern es gab vor allem auf dem Land auch<br />

tatsächlich viele gut gesinnte Herren, die zum Zeil sogar Adlige waren <strong>und</strong><br />

für die einfachen Arbeiter <strong>und</strong> Bauern schauten <strong>und</strong> sie gut versorgten.<br />

Das kann ich nicht nur aus finnischer <strong>und</strong> baltischer, sondern auch aus<br />

deutscher Sicht so sagen. Als dann der Zwangskollektivismus eingeführt<br />

wurde, erging es den meisten auf jeden Fall nicht besser als vorher, ja, ich<br />

habe einmal sogar vernommen, dass jemand, der eigentlich in der DDR<br />

lebte <strong>und</strong> etwas kritisierte, keineswegs ins KZ Bautzen kam, wie das<br />

Staatsgefängnis im Volksm<strong>und</strong> hiess, sondern in ein Lager der Gulag-<br />

Sowjetunion verschleppt wurde, von dem er aber nach Stalins Ableben<br />

wenigstens wieder freikam.<br />

Es muss an dieser Stelle wieder einmal betont werden, dass nicht nur die<br />

obersten Vertreter der Länder <strong>des</strong> sogenannten real existierenden<br />

Sozialismus zu fast h<strong>und</strong>ert Prozent ungestraft davonkamen, sondern<br />

auch ihre unzähligen Helferinnen <strong>und</strong> Helfer im Westen. So ist es heute<br />

bekannt, dass zum Beispiel meine Geburtsstadt Zürich eine der<br />

westlichen Schaltzentralen <strong>des</strong> MfS war, wie das Ministerium für<br />

Staatssicherheit, also die Stasi oder die DDR-Gestapo, wie ich sie immer<br />

genannt habe, offiziell hiess, <strong>und</strong> dass es eine Zusammenarbeit zwischen<br />

Stasi-Agenten <strong>und</strong> einem Teil der Linksextremen gab. Diese führte auch<br />

dazu, dass der bekannte Fluchthelfer Hans Ulrich Lenzlinger, über den ich<br />

seit vielen Jahren fast als Einziger schreibe, in Zürich selber von solchen<br />

ermordet wurde. Ohne logistische Hilfe der einheimischen Roten wäre das<br />

nicht möglich gewesen, aber noch heute schweigen jene, die noch leben,<br />

wie ein Grab, genauso wie die noch existierenden Mitglieder der<br />

ehemaligen RAF-Terroristen <strong>und</strong> der ebenso untergegangenen Roten<br />

Brigaden in Italien wie durch ein marxistisch-leninistisches<br />

Schweigegelübde.<br />

Wie effektiv die Stasi-Agenten vorgingen, zeigte sich auch daran, dass<br />

jemand, dem die Flucht in den Westen gelungen war, sich keineswegs<br />

sicher fühlen konnte, vor allem wenn jemand bekannt war. So wurde nicht<br />

nur der bekannte Fussballer Lutz Eigendorf, der im Westfernsehen<br />

ungeniert sagte, er wolle sich jetzt in der BRD ein neues Leben aufbauen,<br />

auf Befehl <strong>des</strong> Stasi-Chefs selber, der nach der Wende angeblich nur<br />

397


eschränkt haftfähig war <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb allzu früh wieder freigelassen<br />

wurde, durch einen fingierten Autounfall beseitigt, sondern wohl auch<br />

Conrad Schumann, der im August 1961 der Soldat war, <strong>des</strong>sen Sprung<br />

über den Stacheldraht direkt gefilmt wurde. Nach seinen Worten fühlte er<br />

sich erst nach der Wende von 1989 wirklich frei - <strong>und</strong> trotzdem musste er<br />

sich weiter verstecken, weil er von alten NVA- <strong>und</strong> Stasi-Seilschaften<br />

immer noch bedroht wurde. Sein Ableben wurde zwar als ein Selbstmord<br />

dargestellt, aber ich habe das immer bezweifelt. Was mein Vater über die<br />

Nazis sagte, bekräftige ich heute in Bezug auf die radikalen Kommunisten<br />

<strong>und</strong> Sozialisten in Ost <strong>und</strong> West: Es ist gut, dass diese Generation bald<br />

ausstirbt. Dementsprechend muss sich heute niemand mehr vor den alten<br />

NVA- <strong>und</strong> Stasi-Seilschaften fürchten, weil die wenigen, die es noch gibt,<br />

für solche Mordkomplotte unter<strong>des</strong>sen viel zu alt geworden sind <strong>und</strong><br />

<strong>des</strong>halb bald auch unter dem Boden versorgt sein werden.<br />

Wenn also noch heute von Kriegsverbrechen durch Balten die Rede ist,<br />

die in ihrer Mehrheit angeblich auf der Seite <strong>des</strong> Deutschen Reiches<br />

standen, obwohl das nicht stimmte <strong>und</strong> nur ein kleiner Teil freiwillig auf der<br />

Seite der Wehrmacht kämpfte, um die sowjetischen Besetzer wieder zu<br />

vertreiben, kann auch diesen Kritikern <strong>und</strong> vor allem auch den<br />

Schreibenden, von denen die meisten schon immer links gerichtet waren,<br />

so geantwortet werden: Wischt endlich einmal vor euren eigenen<br />

schmutzigen roten Türen! Damit meine ich auch jene, die nicht einmal alle<br />

stramme Kommunisten waren <strong>und</strong> trotzdem die sowjetischen Rotarmisten<br />

immer als Befreier von Europa bezeichnet haben. Allein wenn ich daran<br />

denke, dass viele von denen nicht einmal davor zurückschreckten, sogar<br />

80-jährige Frauen zu vergewaltigen, <strong>und</strong> nach dem Krieg nicht nur in ganz<br />

Osteuropa, sondern auch im besetzten Teil von Österreich bis 1955, dem<br />

Jahr ihres Abzugs, eine Terrorherrschaft ausübten, finde ich nur diese<br />

Worte: Armes Europa, das von solchen Monstern „befreit“ wurde!<br />

Dazu kommt noch dies: Es kann über Stalin zwar vieles geschrieben<br />

werden, aber er war nicht dumm <strong>und</strong> wusste im Gegensatz zu seinem<br />

drogensüchtigen <strong>und</strong> abergläubischen Antipoden in Berlin, der genauso<br />

wie die meisten seiner engsten Mitarbeiter einem okkulten Kult frönte -<br />

allerdings war <strong>und</strong> ist auch der Marxismus-Leninismus ein solcher, ohne<br />

dass seine Anhängerschaft das jemals gemerkt hat -, immer sehr genau,<br />

was er tat. So verlangte er nach der Besetzung <strong>des</strong> Baltikums <strong>und</strong> der<br />

Installierung als Statthalter der drei einheimischen Genossen, die in<br />

Moskau bereits auf die „Befreiung“ gewartet hatten, von der schwedischen<br />

398


Regierung die Herausgabe <strong>des</strong> sogenannten Baltengol<strong>des</strong>, also der<br />

Goldreserven, welche die drei baltischen Staaten zusammen in einer<br />

Stockholmer Bank gelagert hatten. So feige, wie die damals Regierenden<br />

waren, taten sie sofort wie geheissen, <strong>und</strong> diese Feigheit zeigte sich auch<br />

nach dem Kriegsende, als auf Stalins Befehl hin Tausende von Deutschen<br />

<strong>und</strong> Balten, die nach Schweden geflüchtet waren, an die Gulag-<br />

Sowjetunion ausgeliefert wurden. Allerdings muss zur Ehrenrettung<br />

dieses Lan<strong>des</strong> gesagt werden, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen<br />

dieses Kuscheln war, weil die schwedisch-baltischen Beziehungen schon<br />

seit Jahrh<strong>und</strong>erten eng waren, <strong>und</strong> dass viele Armee-Offiziere sich<br />

weigerten, diesen Befehl auszuführen, so dass die Polizei mit diesem<br />

Auftrag beordert werden musste.<br />

Die Aktion der schwedischen Regierung war auch <strong>des</strong>halb feige, weil sie<br />

nicht unter dem gleichen Zugzwang stand wie die britischen <strong>und</strong> USamerikanischen<br />

Machthaber, die nach dem Krieg neben dem noch heute<br />

bekannten russischen General Andrej Wlassow zusammen mit mehreren<br />

anderen Generälen <strong>und</strong> mehreren Millionen von anderen ehemaligen<br />

sowjetischen Soldaten, die in Gefangenschaft geraten waren <strong>und</strong> zum Teil<br />

auf der Seite der Wehrmacht gekämpft hatten, um nicht in den Lagern zu<br />

verhungern, auf Stalins Geheiss hin an die Gulag-Sowjetunion<br />

ausgeliefert wurden. Das wurde später zwar immer wieder kritisiert, aber<br />

es ist im Westen nie so richtig bekannt geworden, dass der rote Diktator,<br />

der um keinen Deut besser war als sein geistiger Zwillingsbruder aus<br />

Braunau <strong>und</strong> dem es sein Leben lang nie gelang, seinen georgischen<br />

Akzent loszuwerden, wenn er Russisch sprach, ein nicht zu<br />

unterschätzen<strong>des</strong> Faustpfand hatte: Das waren etwa 100‘000 USamerikanische,<br />

kanadische <strong>und</strong> britische Kriegsgefangene, die von den<br />

Deutschen nach dem Osten <strong>des</strong> Reiches transportiert worden waren <strong>und</strong><br />

nach ihrer Befreiung dort hängen blieben. Es ist nicht daran zu zweifeln,<br />

dass Stalin diese so lange zurückbehalten hätte, bis seine Forderung der<br />

Auslieferung in Washington, Ottawa <strong>und</strong> London erfüllt würde, <strong>und</strong> wenn<br />

das auch viele Jahre lang gedauert hätte.<br />

Was übrigens später aus dem Baltengold wurde, das die schwedische<br />

Regierung so grosszügig an Stalin auslieferte, ist nie richtig bekannt<br />

geworden, aber es würde mich nicht erstaunen, wenn es eines Tages<br />

heissen würde, es sei schon seit Jahrzehnten in einem Keller einer der<br />

beiden Schweizer Grossbanken gelagert - oder sogar brüderlich aufgeteilt<br />

in Kellern bei beiden. Das alte Bankgeheimnis, mit dem sich die Schweiz<br />

399


unter den schwerreichen Verbrechern in der ganzen Welt einen guten Ruf<br />

geschaffen hat, ist zwar aufgehoben, wie es immer wieder heisst, aber es<br />

verhält sich gleich wie mit den Tiefen der Ozeane, wie es einmal ein<br />

Naturwissenschaftler treffend ausgedrückt hat: Wir wissen auch heute<br />

noch längst nicht alles, was sich dort unten verbirgt.<br />

Das würde auch zum Gesamtbild gehören, dass die Schweizer Politik sich<br />

genauso wie die schwedische in jener Zeit immer überall gut anpassen<br />

konnte. Auf die erstere trifft das im Namen einer oft fadenscheinig<br />

vorgebrachten Neutralität noch heute zu, während in Schweden in der<br />

heutigen Zeit immerhin ein Umdenken begonnen hat. So anerkannten die<br />

Schweizer Politiker als Preis für die Aufnahme diplomatischer<br />

Beziehungen mit der Gulag-Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

nicht nur genauso wie Schweden die Annektierung <strong>des</strong> Baltikums,<br />

sondern wenige Jahre später auch fast als Erste im Westen die neue<br />

Regierung der sogenannten Volksrepublik China, <strong>und</strong> auch die kurz<br />

darauf erfolgende Besetzung <strong>des</strong> bisher unabhängigen Tibet änderte<br />

nichts mehr daran. Die Begründung für diese opportunistische<br />

diplomatische Anerkennung war allzu leicht zu durchschauen: Man<br />

brauche eben auch in Ost-Asien ein Standbein - als wäre die japanische<br />

Hauptstadt Tokio, die ein min<strong>des</strong>tens so grosses politisches <strong>und</strong><br />

kulturelles Zentrum wie Peking war <strong>und</strong> immer noch ist, dafür nicht gut<br />

genug gewesen.<br />

Ich rechne es der US-amerikanischen, kanadischen, britischen <strong>und</strong><br />

französischen Politik noch heute hoch an, dass sie die Annektierung <strong>des</strong><br />

Baltikums durch die Sowjets nie anerkannt haben <strong>und</strong> in ihren<br />

Hauptstädten Exil-Botschaften zuliessen, die zwar nichts bewirken<br />

konnten, aber viel Symbolkraft ausstrahlten. Dabei spielte sicher auch mit,<br />

dass vor allem die estnisch-britischen Beziehungen seit dem Ende <strong>des</strong><br />

Ersten Weltkriegs, als die Briten wie oben erwähnt bei der Ausrufung der<br />

neuen Unabhängigkeit für einmal in einem positiven Sinn mitgewirkt<br />

hatten, sehr gut waren. Darin unterschieden sich die oben Erwähnten von<br />

den unzähligen „Progressiven“ im Westen, die diese Annektierung für<br />

normal hielten, ja, in einem Gespräch mit einem Linksextremen in den<br />

Siebzigerjahren sagte mir dieser ungeniert, dass das Baltikum schon<br />

immer zu Russland gehört habe <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb ein natürlicher Bestandteil<br />

sei, so wie es auch immer viele Linke gab, die das Tibet als einen<br />

natürlichen Bestandteil Chinas nannten. Dass Leute, die keine<br />

Nordeuropäer oder Balten waren <strong>und</strong> sich <strong>des</strong>halb in der Geschichte nicht<br />

400


so gut auskannten, solche Aussagen machten, erstaunte mich nicht, aber<br />

es war eine riesige Enttäuschung, dass ausgerechnet von den erstaunlich<br />

zahlreichen finnischen Kommunisten, die schon kurz nach dem<br />

Kriegsende wieder ihre Hass-Parolen hinausschreien konnten, nie<br />

irgendein unterstützen<strong>des</strong> Wort zugunsten der besetzten <strong>und</strong><br />

unterdrückten Balten <strong>und</strong> vor allem der nahe verwandten Esten kam. Sie<br />

stellten nach den Italienern <strong>und</strong> Franzosen sogar die drittgrösste<br />

kommunistische Partei in Westeuropa, <strong>und</strong> im Gegensatz zu diesen<br />

standen sie genau gleich wie die portugiesische, die es in den Jahren<br />

1974 <strong>und</strong> 1975 nach dem Sturz der faschistischen Diktatur sogar fast<br />

schaffte, aus ihrem Land einen sowjetischen Stützpunkt zu machen, auf<br />

der Seite Moskaus.<br />

Allerdings gab es genau genommen in Finnland zwei kommunistische<br />

Parteien: Die grössere, die sich aus Moskautreuen zusammensetzte <strong>und</strong><br />

der formal nicht nur der verhinderte Statthalter von 1939, sondern auch<br />

seine Ehefrau <strong>und</strong> Tochter angehörten, <strong>und</strong> eine kleinere, die sich sogar<br />

nationalistische Töne wie diese erlaubte: Suomi suomalaisille! (Finnland<br />

den Finnen!) Ich weiss das <strong>des</strong>halb so gut, weil der karelische Onkel, den<br />

ich bereits erwähnt habe, zusammen mit seiner Ehefrau eine Zeit lang<br />

dieser Partei angehörte. Immerhin wurde das so bekannt, dass sie bei der<br />

ersten gemeinsamen Reise, die sie nach Karelien machen konnten - ab<br />

den Achtzigerjahren wurde das möglich -, zum Teil Schwierigkeiten<br />

hatten, aber sie kamen gerade noch einmal davon.<br />

Allerdings muss auch dies gesagt werden: Nach den Worten meiner<br />

Mutter gab es im Jahr 1918, als der Bürgerkrieg wütete <strong>und</strong> die Roten ein<br />

paar Monate lang neben Helsinki sogar einen grossen Teil <strong>des</strong> Südens<br />

beherrschten, nur Reiche <strong>und</strong> Arme - also genau gleich wie in der ganzen<br />

Welt. Die Entstehung der Arbeiterbewegung, die für mehr <strong>und</strong> bessere<br />

Rechte kämpfte, hatte also durchaus ihre Berechtigung, was sich auch in<br />

der Schweiz zeigte, als 1918 <strong>und</strong> 1932 auf Arbeiter geschossen wurde,<br />

weil sie für das Grossbürgertum zu gefährlich geworden waren.<br />

Tatsächlich gab es vor, während <strong>und</strong> nach dem Bürgerkrieg auch unter<br />

den finnischen Weissen zahlreiche Verbrecher, die nach dem Krieg<br />

Zehntausende von Roten mitsamt ihren Angehörigen in KZ einsperrten,<br />

so dass mehrere Tausend verhungerten. Gerade in dieser Zeit bekam der<br />

noch heute so gross verehrte „Übervater“ Marschall Mannerheim aus dem<br />

finnlandschwedischen Hochadel, der sein Leben lang nie richtig Finnisch<br />

konnte <strong>und</strong> seine militärische Laufbahn sehr anpassungsfähig im<br />

401


zaristischen Heer begonnen hatte, den Übernamen „der blutige Baron“.<br />

Daran änderte sich auch nichts, dass er für diese KZ-Zustände angeblich<br />

nicht direkt verantwortlich war, aber er wusste sicher davon <strong>und</strong><br />

unternahm nichts dagegen.<br />

Trotzdem hielten sich die Verbrechen, die auch von Weissen verübt<br />

wurden, im Vergleich zu denen der Roten vor allem ausserhalb von<br />

Finnland noch in einem überblickbaren Rahmen. Gerade <strong>des</strong>halb, weil es<br />

sich schon kurz nach der sogenannten Oktoberrevolution in Russland<br />

zeigte, dass es den Arbeitern <strong>und</strong> Bauern, für welche die Bolschewisten<br />

angeblich gekämpft hatten, nicht wirklich besser ging als unter der<br />

zaristischen Herrschaft, <strong>und</strong> dass nachher gerade von ihnen die meisten<br />

Opfer durch millionenfache Erschiessungen, Zwangskollektivierungen<br />

<strong>und</strong> Transporte in den Gulag gebracht werden mussten, habe ich jegliche<br />

Kumpanei mit den Bolschewisten <strong>und</strong> Kommunisten immer als einen<br />

Verrat an der Arbeiterklasse bezeichnet. In dieser Beziehung waren die<br />

deutschen Sozialdemokraten, die sich noch bis zu Hitlers Machtergreifung<br />

im Januar 1933 standhaft weigerten, mit ihnen zusammenzuarbeiten,<br />

wenigstens konsequent, auch wenn diese Spaltung dem Bürgertum<br />

natürlich immer entgegenkam <strong>und</strong> sie mit dazu beitrug, dass die Gegner<br />

der Nazis geschwächt wurden, was der SPD denn auch immer<br />

vorgeworfen wurde. Die Diktatur <strong>des</strong> Proletariats, wie es einst formuliert<br />

wurde, war in Wirklichkeit von Anfang an die Diktatur einer neuen Klasse,<br />

wo auch immer es war, ob in der DDR, in der Gulag-Sowjetunion, in China<br />

oder auf Kuba mit den Castros <strong>und</strong> in Nordkorea mit dem Kim-Clan, die<br />

schon seit mehr als 60 (auf Kuba) <strong>und</strong> sogar 70 (!) Jahren (in Nordkorea)<br />

an der Macht sind.<br />

Wenn also wie im Jahr 1982 geschehen Helmut Hubacher, der damalige<br />

Vorsitzende der Schweizer Sozialdemokraten, im Wissen, welche<br />

Verbrechen sich diese geleistet hatten, den noch amtierenden SED-<br />

Vorsitzenden <strong>und</strong> Hauptorganisator <strong>des</strong> Mauerbaus fast mit Pauken <strong>und</strong><br />

Trompeten besuchte, war das für mich der schlimmste <strong>und</strong> charakterlich<br />

auch niederträchtigste von einem Schweizer Arbeitervertreter begangene<br />

Verrat an den Arbeitern, die gerade auch dort unterdrückt wurden.<br />

Wenigstens kann ihm, der mit diesem Besuch vor allem die Bürgerlichen<br />

provozieren wollte <strong>und</strong> dementsprechend von diesen auch schwer<br />

kritisiert wurde, positiv angerechnet werden, dass er sich nicht noch dazu<br />

hingab, mit diesem Widerling den sogenannten „Bruderkuss“<br />

auszutauschen, mit dem sich die KP-Vorsitzenden weltweit zu begrüssen<br />

402


pflegten, allerdings fast nur unter den Weissen <strong>und</strong> nur selten unter den<br />

Asiaten <strong>und</strong> Afrikanern, denen so etwas sogar als Kommunisten <strong>und</strong><br />

Sozialisten in ihrem Wesen völlig fremd war. Zu diesem Besuch<br />

Hubachers gehörte auch, dass er dabei ausgerechnet vom Berner<br />

Nationalrat Peter Vollmer begleitet wurde, der als einer der<br />

Hauptverantwortlichen dafür, dass die Beziehungen zwischen der DDR<br />

<strong>und</strong> den schweizerischen Linken immer mehr vertieft wurden, ständig<br />

zwischen Bern <strong>und</strong> Ost-Berlin hin- <strong>und</strong> herpendelte…<strong>und</strong> der noch kurz<br />

vor der Jahrtausendwende bei einem Besuch in Nordkorea nichts<br />

Gescheiteres zu sagen wusste, als dass die dortigen Berge ihn ans<br />

Emmental erinnerten. Dass gerade auf diesen Bergen mehrere 100‘000<br />

Soldaten auf beiden Seiten im Krieg gefallen waren, der von den<br />

nordkoreanischen Genossen vom Zaun gerissen worden war, unterschlug<br />

er bewusst. Zu diesem Kapitel gehört auch noch, dass die Besetzung <strong>des</strong><br />

Tibet durch die Truppen der „brüderlichen“ Volksrepublik China <strong>und</strong> die<br />

brutale Niederschlagung der Studentenbewegung im Jahr 1989 auf dem<br />

Pekinger Tiananmen-Platz für die Schweizer Sozialdemokraten nie ein<br />

Thema waren, <strong>und</strong> es passte ebenfalls, dass sie - nach wie vor unter<br />

Hubachers Kommando - vor dem letzten Parteikongress der rumänischen<br />

Kommunisten noch kurz vor deren Sturz „brüderliche“ Grüsse<br />

ausrichteten, obwohl bereits genügend bekannt war, wie schlimm die<br />

Zustände in Rumänien waren, unter denen gerade auch die Arbeiterklasse<br />

am meisten litt.<br />

Das einzige Gute an den kommunistischen Staaten war die Tatsache,<br />

dass es auch wenig gebildeten Proletariern möglich war, weit aufzusteigen<br />

- aber eben nur dann, wenn auch sie spurten <strong>und</strong> gehorsame Parteigänger<br />

waren. So wurde als bekanntestes Beispiel gerade die DDR<br />

jahrzehntelang von solchen regiert, die ihre politische Karriere als<br />

Handwerker begonnen hatten <strong>und</strong> viel von Gewalt, aber wenig bis nichts<br />

von Wirtschaft verstanden, was mit dazu beitrug, dass die roten<br />

„Paradiese“ östlich <strong>des</strong> Eisernen Vorhangs bald zusammenbrachen. Wie<br />

weit ihr schon in der frühesten Kindheit eingeimpfter Klassenhass auf den<br />

Westen reichte, zeigte sich auch daran, dass sie den meisten RAF-<br />

Terroristen Unterschlupf gewährten. Diese wurden zwar nach der<br />

Wiedervereinigung aufgespürt <strong>und</strong> verhaftet, aber genauso wie die<br />

ranghöchsten Vertreter <strong>des</strong> untergegangenen Arbeiter- <strong>und</strong><br />

Bauernstaates zu lächerlich geringen Gefängnisstrafen verurteilt, sofern<br />

es überhaupt so weit kam.<br />

403


Eigentlich muss jemand in Deutschland für einen vorsätzlich begangenen<br />

Mord min<strong>des</strong>tens fünfzehn Jahre hinter Gitter, aber diese verstanden es<br />

sogar dann noch, sich als politische Gefangene darzustellen, <strong>und</strong> die<br />

immer noch existierenden Zehntausenden von Sympathisanten, die in den<br />

Siebzigerjahren auf den Strassen für die sogenannte erste Generation der<br />

RAF-Terroristen demonstriert hatten, gaben ihnen noch einmal Recht. Die<br />

deutsche Justiz hat ihre Pflicht gleich zweimal verschlafen: Direkt nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg auch <strong>des</strong>halb, weil H<strong>und</strong>erte von Nazi-Richtern,<br />

die ihre Sporen im Dritten Reich abverdient hatten, immer noch in ihren<br />

Ämtern bleiben durften, <strong>und</strong> weil unzählige NS-Verbrecher, zu denen auch<br />

die gefürchteten Feldgendarmen gehörten, die in den letzten paar<br />

Kriegsmonaten noch Zehntausende <strong>und</strong> in Berlin sogar noch in den<br />

letzten Kriegstagen H<strong>und</strong>erte wegen sogenannter Fahnenflucht<br />

aufhängten, wegen angeblich fehlender Beweise nie verurteilt wurden, so<br />

dass sie weiter unbehelligt inmitten der Gesellschaft leben konnten - <strong>und</strong><br />

einer dieser Richter stieg später sogar zum Ministerpräsidenten eines<br />

Bun<strong>des</strong>lan<strong>des</strong> auf. Als zweites Versäumnis hat es 45 Jahre später die<br />

Kuscheljustiz der NS-Nachfolger ermöglicht, dass wiederum H<strong>und</strong>erte von<br />

roten Verbrechern, die um keinen Deut besser gewesen waren, praktisch<br />

ungeschoren davonkamen, <strong>und</strong> das gilt auch für die anderen Länder, die<br />

dem kommunistischen Block angehört hatten. Dabei waren sich beide<br />

Seiten in einem Punkt nochmals einig: Sowohl bei den Braunen als auch<br />

bei den Roten zeigten fast alle bis zu ihrem Ableben keine Reue für ihre<br />

Verbrechen <strong>und</strong> Morde, aber auch das passt zur Gedankenwelt dieser<br />

beiden okkulten Religionen, die sie so hingebungsvoll gepflegt hatten.<br />

Die Umsetzung der zum Teil berechtigten Anliegen der unteren Klassen<br />

war das eine, aber auch die weiter oben Eingestuften haben immer zum<br />

Volk gehört, was vor lauter Klassenkampf, den ich immer auch als einen<br />

Klassenhass bezeichnet habe, nicht gesehen wurde. Dazu gehörte auch<br />

die nicht vorhandene Unterstützung nicht nur durch die moskautreuen,<br />

sondern auch durch die gemässigten <strong>und</strong> mehr national gesinnten<br />

finnischen Kommunisten während der sogenannten singenden Revolution<br />

der Balten. Diese begann unter anderem auch mit einer Gruppe von<br />

jungen Leuten, die sich spontan zusammentaten, um ein neues Lied mit<br />

dem Titel „Ei ole üksi üksi maa“ (Locker übersetzt: Es ist nicht ein Land<br />

allein) öffentlich aufzuführen, <strong>und</strong> als bald darauf in Tallinn eine<br />

Menschenmenge aus mehreren Tausend Menschen die immer noch<br />

verbotene alte Nationalhymne sang, taten sie das inmitten von vielen<br />

404


sowjetischen Panzern. Unter Breschnew <strong>und</strong> Chruschtschow <strong>und</strong> erst<br />

recht unter Stalin wäre diese Menge sicher rücksichtslos niedergewalzt<br />

worden, aber es ist Gorbatschow zumin<strong>des</strong>t hier hoch anzurechnen, dass<br />

er im Gegensatz zum „Sausio 13“ den Befehl dazu nicht erteilte; allerdings<br />

konnte damals noch niemand wissen, dass das Ende der Gulag-<br />

Sowjetunion nur drei Jahre später erfolgen würde.<br />

Wie bitterernst im Jahr 1991 die allgemeine Lage kurz nach dem „Sausio<br />

13“ war, zeigte sich auch in Tallinn, als H<strong>und</strong>erte von Russen, von denen<br />

die meisten zudem Kommunisten waren <strong>und</strong> der sogenannten Interfront<br />

angehörten, wohl auch mit „Gorbis“ Unterstützung rechneten, als sie an<br />

einem Maitag dieses Jahres das Regierungsgebäude im Stadtteil<br />

Toompea (auf Deutsch Domberg) besetzten, um das gerade neu gebildete<br />

Ministerkabinett, das zum ersten Mal nur aus gebürtigen Esten bestand,<br />

abzusetzen <strong>und</strong> wieder die alte „Ordnung“ einzuführen, zu der gerade<br />

„Gorbi“ aufgerufen hatte. Als darauf der estnische Ministerpräsident über<br />

den R<strong>und</strong>funk um Hilfe rief, kamen spontan innerhalb von kürzester Zeit<br />

Tausende von Esten vorbei <strong>und</strong> umstellten das Gebäude. Es war ein<br />

Glück, dass der Domberg, wie die Deutschen diesen hoch gelegenen<br />

Stadtteil jahrh<strong>und</strong>ertelang nannten, noch heute nur zu Fuss erreichbar ist<br />

<strong>und</strong> damit auch Panzer, die weiter unten noch unter dem Kommando von<br />

Russen bereit standen, nicht hochfahren konnten. Erst nach zähen<br />

Verhandlungen waren die Interfrontisten bereit, ihren Putschversuch<br />

aufzugeben, <strong>und</strong> als das bekannt wurde, bildeten die Leute eine Gasse,<br />

um den verhinderten Putschisten den Abzug zu ermöglichen, <strong>und</strong> auch<br />

dann zeigten viele von ihnen die altbekannte Kommunistenfaust, die noch<br />

heute sogar von den Sozialdemokraten in Deutschland <strong>und</strong> in der Schweiz<br />

erhoben wird, wenn sie bei ihren Parteiversammlungen die<br />

„Internationale“ wie ein Kirchenlied singen. Ich erwähne das alles auch<br />

<strong>des</strong>halb, weil nicht einmal dann, als im Jahr 1988 in Tallinn die immer noch<br />

verbotene Nationalhymne gesungen wurde, die wie oben erwähnt die<br />

gleiche Melodie hat wie die finnische, <strong>und</strong> auch nicht im Mai 1991, als die<br />

Moskautreuen putschen wollten, von den finnischen Kommunisten beider<br />

Parteien auch nur ein unterstützen<strong>des</strong> Wort kam. Mein Vater hat es jedoch<br />

nicht nur einmal so formuliert: „Die Kommunisten waren schon immer eine<br />

ganz besondere Menschenrasse.“<br />

Allerdings muss erwähnt werden, dass in Finnland nicht nur die<br />

Kommunisten, sondern auch viele Sozialdemokraten <strong>und</strong> Grüne <strong>und</strong><br />

sogar Bürgerliche, die in dieser Beziehung noch am klarsten denken<br />

405


konnten, jegliche Unterstützung vermissen liessen; schliesslich wollte<br />

man den grossen Nachbarn im Osten nicht verärgern. Die viel zitierte<br />

Finnlandisierung, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter den drei<br />

Präsidenten Paasikivi, Kekkonen <strong>und</strong> Koivisto gehegt <strong>und</strong> gepflegt <strong>und</strong> zu<br />

einem internationalen Begriff wurde, wirkte sich noch bis in die<br />

Neunzigerjahre aus, <strong>und</strong> erst ab dem Jahr 1995, als die Mehrheit der<br />

Finnen es wagte, sich bei einer Volksabstimmung für den Beitritt zur EU<br />

zu entscheiden, <strong>und</strong> zugleich auch auf dem Gebiet der ehemaligen Gulag-<br />

Sowjetunion Veränderungen in Richtung Annäherung an den Westen<br />

aufkamen, entspannten sich die Beziehungen allmählich. Trotzdem habe<br />

ich meine Enttäuschung noch bis heute nicht vergessen, als ich im Januar<br />

1980, als weltweit davon die Rede war, man solle die Olympischen<br />

Sommerspiele von Moskau wegen <strong>des</strong> Einfalls von sowjetischen Truppen<br />

in Afghanistan boykottieren, gerade von einer Finnlandreise zurückkehrte<br />

<strong>und</strong> in der schwedischsprachigen Zeitung „Huvudstadsbladet“ (Das Blatt<br />

der Hauptstadt) diese Worte las: Wir werden auf jeden Fall teilnehmen.<br />

Man preschte also vor, noch bevor irgendjemand eine Entscheidung<br />

gefällt hatte, aber das passte zu dem, was ein halbes Jahr später in<br />

Moskau geschah: Neben den Schweden <strong>und</strong> Österreichern waren die<br />

Finnen unter den Europäern die Einzigen, die ihre Nationalfahnen zeigten<br />

<strong>und</strong> ihre Lan<strong>des</strong>hymnen nach einem Sieg abspielen liessen, während alle<br />

anderen westeuropäischen Nationen, die dort teilnahmen, <strong>und</strong> sogar die<br />

stets opportunistischen Schweizer nur die olympische Fahne zeigten <strong>und</strong><br />

eine Olympiahymne abspielen liessen. Im YouTube ist auf ein paar Filmen<br />

sogar zu sehen, wie neben anderen Athletinnen <strong>und</strong> Athleten auch solche<br />

aus der Schweiz sich mit einem Schritt, der an den preussischen<br />

Stechschritt erinnerte, ins Leichtathletikstadion führen liessen.<br />

Allerdings hatten auch sie ihre „Vorbilder“: Obwohl es im Jahr 1936, als<br />

die Olympischen Sommerspiele in Berlin durchgeführt wurden, bereits<br />

genügend bekannt war, dass nur ein Jahr zuvor die berüchtigten<br />

Nürnberger Rassengesetze eingeführt worden waren, liessen es sich<br />

Tausende von Athletinnen <strong>und</strong> Athleten nicht nehmen, zackig ins<br />

Olympiastadion einzumarschieren <strong>und</strong> zum Schirmherrn ihres Auftritts<br />

hochzuschauen. Dabei wurden mit Ausnahme der US-amerikanischen<br />

alle Nationalfahnen auch noch tief gehalten, als sie beim „Führer“<br />

vorbeimarschierten, <strong>und</strong> viele Delegationen marschierten sogar mit dem<br />

sogenannten Hitlergruss ein, der aber auch bei den antiken Römern üblich<br />

war <strong>und</strong> später als olympischer Gruss bezeichnet wurde. Auch im Jahr<br />

2008, als die Spiele in Peking abgehalten wurden, wurde gern übersehen,<br />

406


dass wenige Monate zuvor Unruhen in Tibet äusserst brutal<br />

niedergeschlagen worden waren <strong>und</strong> dieser Lan<strong>des</strong>teil für die Ausländer<br />

immer noch Sperrgebiet war. Es stimmt halt schon, was nicht nur ich<br />

schon seit vielen Jahren sage: Gerade unter den Sportlerinnen <strong>und</strong><br />

Sportlern, die zum Teil noch viel bekannter als die Politiker sind, so dass<br />

ihre Worte noch mehr Gewicht haben oder genauer hätten, waren die<br />

meisten schon immer opportunistische Feiglinge, die ihre Fahnen nach<br />

dem Wind hingen, <strong>und</strong> noch bis heute hat sich nichts daran geändert.<br />

Dazu gehört auch, dass höchstens eine Hand voll unter ihnen sich auch<br />

dort einsetzt, wo es wehtun kann, zum Beispiel beim Tierschutz oder bei<br />

einem Einsatz zugunsten der in aller Welt verfolgten Christen. Was vor<br />

vierzig Jahren geschah, als auch in der Schweiz heftig über eine<br />

Teilnahme oder Nicht-Teilnahme in Moskau diskutiert wurde, hat sich mir<br />

bis heute tief eingeprägt: Von Seiten der Sportwelt kann nichts erwartet<br />

werden, wenn es wirklich darauf ankommt, weil eine Medaille <strong>und</strong> vor<br />

allem eine sogenannte goldene, die in Wirklichkeit auch nur eine<br />

versilberte ist, <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en auch der eigene Marktwert viel mehr<br />

als alles andere zählen - Brot <strong>und</strong> Spiele wie im Altertum. Deshalb<br />

wiederhole ich hier die Worte, die ich schon vor vierzig Jahren gesagt<br />

habe: Um an Olympischen Spielen teilnehmen zu können, die eindeutig<br />

einen okkulten Hintergr<strong>und</strong> haben - das erklärt auch den ganzen Rummel<br />

r<strong>und</strong> um diesen weltweit grössten Sportanlass, der wie eine Religion<br />

zelebriert wird -, würden die meisten Sportlerinnen <strong>und</strong> Sportler nicht nur<br />

ihre zum Sprichwort gewordenen Grossmütter, sondern auch ihre eigenen<br />

Eltern, Kinder <strong>und</strong> Ehepartner an den Teufel verkaufen oder sie ihm sogar<br />

gratis schenken.<br />

Wieder zurück zu Finnland: Auch dort mischte der sowjetische Diktator<br />

sogar nach dem Ende <strong>des</strong> sogenannten Fortsetzungskriegs noch kräftig<br />

mit. Als Erstes verlangte er von den Finnen, dass sie sich jetzt gegen die<br />

Deutschen wendeten, mit denen schon seit langer Zeit enge Beziehungen<br />

bestanden, nicht nur wegen der früheren Herrschaft durch die<br />

Hansestädte, sondern vor allem wegen <strong>des</strong> Beistands im<br />

Unabhängigkeitskrieg von 1918 <strong>und</strong> auch im Fortsetzungskrieg. In<br />

diesem kämpften sie zwar nur am Rand mit, weil sie im besetzten<br />

Norwegen genug anderes zu tun hatten, aber sie unterstützten die Finnen<br />

im Gegensatz zum direkt benachbarten Schweden wenigstens mit<br />

Waffenlieferungen. Zuerst versuchten wegen der Fre<strong>und</strong>schaft, die sich<br />

zwischen vielen Offizieren auf beiden Seiten entwickelt hatte, zwar noch<br />

beide Seiten, nur den Anschein zu erwecken, als ob sie kämpfen würden,<br />

407


aber nachdem Stalin darüber informiert worden war <strong>und</strong> er wieder mit<br />

einem Angriff drohte, begannen die Finnen tatsächlich das, was später als<br />

Lapplandkrieg bekannt wurde, <strong>und</strong> auch dann wurde nachher<br />

Geschichtsverfälschung betrieben: Zwar machten die Deutschen im<br />

Verlauf ihres Rückzugs aus dem Land in Richtung Norwegen tatsächlich<br />

Rovaniemi, die Stadt beim Polarkreis, dem Erdboden gleich, aber es wird<br />

noch bis heute unterschlagen, dass zuvor die Russen einen Teil der<br />

Zerstörungsarbeit mit ständigen Luftangriffen eingeleitet hatten.<br />

Auf jeden Fall gelang es Stalin, die jahrh<strong>und</strong>ertelange deutsch-finnische<br />

Fre<strong>und</strong>schaft, die sich auch dadurch gezeigt hatte, dass vor dem Zweiten<br />

Weltkrieg noch viel mehr Deutsch als Englisch unterrichtet <strong>und</strong> gelernt<br />

wurde, gründlich zu zerstören, <strong>und</strong> da die auch dort links kontrollierte<br />

Presse dieses Feindbild genauso wie in anderen Ländern jahrzehntelang<br />

schürte, lernten die Finnen in den Schulen der Nachkriegszeit die<br />

Deutschen nur als die Bösen kennen. Es fehlte nur wenig, um den in der<br />

Nähe von Rovaniemi liegenden Soldatenfriedhof für etwa 2‘500 gefallene<br />

Deutsche zu schänden, aber diese waren nicht schuldiger als der<br />

finnische Oberkommandierende, der in diesem dritten Krieg auffallend<br />

viele Jugendliche gegen die kampferprobte Wehrmacht in die Schlacht<br />

schickte, so dass auf beiden Seiten vom „Kinderkreuzzug <strong>des</strong> Nordens“<br />

geredet wurde. Allerdings war es nicht mehr Mannerheim, weil dieser nach<br />

dem zweiten „verlorenen“ Krieg gegen die Sowjets das Oberkommando<br />

abgegeben hatte <strong>und</strong> während zwei Jahren noch als Staatspräsident<br />

wirkte, bevor er sich zurückzog <strong>und</strong> in den letzten Lebensjahren noch<br />

seine Memoiren schrieb. Dass Stalins Drohungen wirklich ernst<br />

genommen werden mussten, zeigt sich auch in einem Witz, den ein Soldat<br />

im oben erwähnten Roman „Tuntematon Sotilas“ sagt: „Wenn den Russen<br />

die Männer ausgehen, schicken sie einfach fünfzehn Millionen Frauen auf<br />

uns los.“ Diese Aussage war <strong>des</strong>halb nicht daneben, weil tatsächlich<br />

Millionen von Frauen in der Roten Armee mitkämpften, ja, es gab sogar<br />

reine Frauenbataillone, die zwar nicht gegen die Finnen, aber gegen die<br />

Deutschen eingesetzt wurden, <strong>und</strong> die meisten von ihnen haben diese<br />

Kämpfe nicht überlebt.<br />

Als zweite Massnahme verlangte Stalin noch einen persönlichen Tribut:<br />

Da es ihm auch dank der strategischen Fähigkeiten <strong>des</strong> Generals Karl<br />

Lennart Oesch, der ein Sohn von eingewanderten Schweizern war <strong>und</strong> in<br />

der finnischen Armee eine steile Karriere hingelegt hatte, nicht gelungen<br />

war, wie geplant bis nach West-Finnland vorzustossen, <strong>und</strong> er nachher<br />

408


den grössten Teil seiner Armee für die letzten Kriegsmonate gegen das<br />

Deutsche Reich brauchte, verlangte er ein Bauernopfer oder genauer<br />

zwei: Das eine war der im Krieg amtierende Staatspräsident Risto Ryti,<br />

der allzu deutlich mit den Deutschen paktiert hatte - schliesslich waren<br />

diese immer noch Waffenbrüder, die entscheidend mit dazu beigetragen<br />

hatten, dass das Land im Jahr 1918 unabhängig geworden war - <strong>und</strong> der<br />

zu vielen Jahren Gefängnis verurteilt, aber bald wieder freigelassen<br />

wurde, <strong>und</strong> im Gegensatz zum zweiten Bauernopfer wurde er noch zu<br />

seinen Lebenszeiten rehabilitiert. Der andere war eben dieser Schweizer<br />

General, der zwar ebenfalls bald wieder freigelassen, aber zu seinen<br />

Lebenszeiten nicht rehabilitiert wurde - auch dank <strong>des</strong> Einflusses <strong>des</strong><br />

Generalfeldmarschalls Mannerheim, dem nachher der ganze Ruhm zufiel<br />

<strong>und</strong> der noch bis heute ein unantastbares Denkmal geblieben ist. Dabei<br />

hatte er im Gegensatz zu Oesch, der nicht vom gehobenen Adel stammte,<br />

sondern der Sohn einer einfachen Käserfamilie war <strong>und</strong> seit seiner<br />

Rehabilitierung immer wieder als Retter Finnlands bezeichnet wird <strong>und</strong> es<br />

im Gegensatz zu diesem auch noch verstanden hatte, die Verlustraten so<br />

klein wie möglich zu halten, viel Schuld auf sich geladen. Es hatte zwar<br />

seine Berechtigung, die im Winterkrieg von 1939 <strong>und</strong> 1940 verlorenen<br />

karelischen Gebiete wieder zurückzuerobern, aber es bestand keine<br />

Motivation dafür, noch über die alten Lan<strong>des</strong>grenzen vorzustossen <strong>und</strong><br />

ein Gebiet zu erobern, das bis zum Onegasee östlich <strong>des</strong> Ladogasees<br />

reichte. Die Ost-Karelier sind zwar mit den Finnen verwandt, aber sie<br />

haben auch in der Zeit der schwedischen Oberherrschaft nie zu Schweden<br />

gehört, <strong>und</strong> zudem spielte auch eine Rolle, dass sie der russischorthodoxen<br />

oder genauer finnisch-orthodoxen Kirche, zu der sich noch<br />

heute viele Tausend bekennen, <strong>und</strong> nicht der evangelisch-lutherischen<br />

Kirche wie die „Westler“ angehörten. Meine Verwandten selber, die zum<br />

grössten Teil West-Karelier waren, also vom Gebiet stammten, das bis<br />

zum Jahr 1939 mitsamt der nördlichen Hälfte <strong>des</strong> Ladogasees zu Finnland<br />

gehört hatte, waren evangelisch-lutherisch, also ebenfalls westlich<br />

geprägt. Ich erwähne das auch <strong>des</strong>halb, weil die vor fast 1‘000 Jahren<br />

offiziell vollzogene Trennung zwischen der römisch-katholischen Kirche<br />

im Westen <strong>und</strong> der griechisch-orthodoxen im Osten, von der alle anderen<br />

orthodoxen Denominationen abstammen, sich noch bis heute auswirkt.<br />

Warum Mannerheim den Befehl erteilte, über die alten Lan<strong>des</strong>grenzen<br />

vorzustossen, damit auch Ost-Karelien „befreit“ <strong>und</strong> „heimgeholt“ wurde,<br />

lag sicher auch darin, dass in den Zwanziger- <strong>und</strong> Dreissigerjahren nach<br />

dem Erlangen der Unabhängigkeit in weiten Kreisen <strong>des</strong> gehobenen<br />

409


Bürgertums, das auch die meisten Armee-Offiziere stellte, von einem<br />

Gross-Finnland geträumt wurde, das eben bis zum Onegasee <strong>und</strong> sogar<br />

bis zum Weissen Meer reichen sollte, also bis dorthin, wo Karelisch<br />

gesprochen wurde. Es wurden sogar Karten angefertigt, auf denen nicht<br />

nur das ganze Gebiet östlich von Finnland bis zum Weissen Meer <strong>und</strong> die<br />

Halbinsel Kola mit den dort lebenden Samen sowie dem Militärhafen<br />

Murmansk <strong>und</strong> die wichtige Eisenbahnlinie dorthin als finnisches<br />

Territorium zu sehen waren, sondern auch noch Gebiete beim Ural-<br />

Gebirge, wo ebenfalls verwandte Völker lebten. Gerade auch <strong>des</strong>halb<br />

wurde im oben erwähnten Spielfilm „Tuntematon Sotilas“ die Szene<br />

gedreht, in der ein Soldat nach dem ersten Gefecht spottend sagt: „Jetzt<br />

wird es wohl nichts mit einem Marsch bis zum Ural.“ Tatsächlich hatte es<br />

finnische Politiker <strong>und</strong> vor allem Offiziere gegeben, die in solchen<br />

Träumen gebadet hatten.<br />

Aus russischer Sicht, für die es den einen grossen Krieg im Westen gegen<br />

die Deutschen <strong>und</strong> den anderen grossen Krieg im Norden gegen die<br />

Finnen gab, musste dieser Vorstoss wie eine schwere Provokation wirken,<br />

am meisten aber sicher die Militärparade, die in der ostkarelischen<br />

Hauptstadt abgehalten wurde, die am nordwestlichen Ufer <strong>des</strong><br />

Onegasees liegt <strong>und</strong> auf Finnisch Petroskoi <strong>und</strong> auf Russisch<br />

Petrosawodsk heisst. Spätestens nach der Stalingrad-Katastrophe aus<br />

Sicht der Deutschen <strong>und</strong> ihrer Verbündeten war es abzusehen, dass das<br />

Blatt sich bald wenden würde. So dauerte es nicht mehr allzu lange, bis<br />

die Sowjets mit ihrer zehn- bis zwanzigfachen Übermacht die Finnen<br />

wieder bis zu den neuen Grenzen von 1940 zurückdrängen konnten, <strong>und</strong><br />

gerade bei diesen Kämpfen sind die meisten Finnen gefallen - auch<br />

<strong>des</strong>halb, weil es in der finnischen Armee genauso wie in der Wehrmacht<br />

noch allzu viele „Durchhalte-Offiziere“ gab, die bis zum Schluss noch an<br />

eine Wende glaubten <strong>und</strong> solche erschossen, die angeblich defätistisches<br />

Gedankengut zur Wehrkraftzersetzung verbreiteten - <strong>und</strong> genauso wie im<br />

Nachkriegsdeutschland ist kaum einer von denen, die dann noch lebten,<br />

nachher zur Rechenschaft gezogen worden.<br />

Ohne diesen überflüssigen <strong>und</strong> auch aus historischer Sicht nicht zu<br />

rechtfertigenden Vorstoss nach Ost-Karelien hätten also noch zahlreiche<br />

Menschenleben gerettet werden können, aber das hat Mannerheim auch<br />

in seinen Memoiren nicht eingesehen. Was er über den Beginn <strong>des</strong><br />

Fortsetzungskriegs geschrieben hat, wonach die Sowjets alles getan<br />

hätten, um Finnland in den Krieg mit hineinzureissen, hält keiner einzigen<br />

410


historischen Überprüfung stand. Da der deutsche <strong>und</strong> der finnische Angriff<br />

auf das sowjetische Territorium am gleichen Tag, also am 22. Juni 1941<br />

erfolgten, sah das deutlich nach einer Absprache aus, <strong>und</strong> es war für die<br />

Sowjets zeitlich gar nicht möglich, die Finnen so weit zu provozieren, dass<br />

sie in den Krieg hineingerissen wurden. Zudem hatten sie die hohen<br />

Verluste von etwa einer Viertelmillion Soldaten gegen die Finnen im<br />

Winterkrieg, der erst ein Jahr zuvor zu Ende gegangen war <strong>und</strong> den sie<br />

nur wegen ihrer erdrückenden Übermacht „gewonnen“ hatten, noch nicht<br />

vergessen. Wie die Lage an diesem Tag wirklich aussah, wird auch im<br />

oben erwähnten Spielfilm „Tuntematon Sotilas“ gezeigt: Nachdem ein<br />

hoher Stabsoffizier dem Kompaniekommandanten Kaarna, der schon am<br />

ersten Kriegstag fällt, besorgt gesagt hat, dass die angeordnete<br />

Generalmobilmachung Krieg bedeuten würde, antwortet dieser: „Es geht<br />

auch darum, für die Seite der Sieger Partei zu ergreifen, <strong>und</strong> das sind jetzt<br />

die Deutschen.“<br />

Was die auffallend hohen Verlustraten in den Reihen der Roten Armee<br />

betrifft, die damals noch so genannt wurde, gibt es dafür gleich zwei<br />

Gründe. Der eine ist, dass Stalin nicht daran dachte, dass die klimatischen<br />

Bedingungen im Norden ganz anders waren als in seinem Heimatland<br />

Georgien, als er im Herbst <strong>des</strong> Jahres 1939 etwa eine halbe Million<br />

Rotarmisten vor der Grenze zu Finnland aufmarschieren liess. Da dort<br />

oben nicht Millionen von Russen <strong>und</strong> Angehörigen anderer Völker<br />

wohnten, mussten Zehntausende von südlichen Regionen der Gulag-<br />

Sowjetunion herantransportiert werden, <strong>und</strong> diese wussten nicht, was die<br />

Finnen eben wussten, weil sie dort oben aufgewachsen waren <strong>und</strong><br />

<strong>des</strong>halb ihre Wälder kannten: Wenn es im Winter so kalt ist, dass jeder<br />

Kompass einfriert <strong>und</strong> auch die meisten Panzer <strong>und</strong> Gewehre nicht mehr<br />

gebraucht werden können, kann trotzdem noch an den Bäumen erkannt<br />

werden, wo der Süden <strong>und</strong> der Norden sind. Da die Baumrinden auf der<br />

einen Seite viel heller waren als die auf der Gegenseite, konnten die<br />

Finnen sich leicht ausrechnen, dass es die südliche Seite war, wo die<br />

Sonne tagsüber viel stärker hinschien, <strong>und</strong> so war es ihnen möglich, nicht<br />

nur ganze Kompanien, sondern auch ganze Bataillone der Gegenseite,<br />

die nicht mehr wussten, wo sie sich befanden, einzukesseln <strong>und</strong> zu<br />

„vernichten“, wie das böse militärische Wort dafür lautet, das ich aber auch<br />

in der Schweizer Armee oft genug so gehört habe.<br />

Der andere Gr<strong>und</strong> dafür, dass die Finnen sich gegen die zehn- bis<br />

zwanzigfache Übermacht vor allem im halbjährigen Winterkrieg so lange<br />

411


gut halten konnten, war eine neue Erfindung, die dort im wahrsten Sinn<br />

<strong>des</strong> Wortes ihre Feuertaufe erlebte <strong>und</strong> zur „Vernichtung“ von Tausenden<br />

von Panzersoldaten führte: Das waren die sogenannten Molotow-<br />

Cocktails, die so bezeichnet wurden, weil es der damalige sowjetische<br />

Aussenminister Molotow war, der als Stellvertreter Stalins den<br />

berüchtigten Hitler-Stalin-Pakt unterzeichnet hatte, durch den Finnland<br />

genauso wie das Baltikum <strong>und</strong> Ost-Polen, das heute zu Weissrussland<br />

gehört, dem sowjetischen Interessenbereich zugeschlagen worden war,<br />

<strong>und</strong> weil er auch nachher immer wieder auf Befehl Stalins Drohungen<br />

gegen Finnland ausgestossen hatte. Meine Mutter sagte mir einmal, dass<br />

sie gegen diesen Molotow viel mehr Hass empfand als gegen Stalin<br />

selber, aber ich konnte das nie nachvollziehen, weil er ja nur Stalins<br />

Handlanger gewesen war. Wie wichtig es ist, auf der Seite der „Gewinner“<br />

eines Kriegs zu stehen, hat sich gerade auch hier gezeigt: Während der<br />

deutsche Aussenminister Ribbentrop, der den oben erwähnten Pakt als<br />

Hitlers Stellvertreter unterzeichnet hatte, nach dem Krieg als einer von<br />

mehreren Dutzend Kriegsverbrechern hingerichtet wurde, durfte Molotow<br />

in allen Ehren nicht nur alt, sondern gar sehr alt werden.<br />

Warum ich das alles geschrieben habe, liegt wie oben erwähnt darin, dass<br />

ein solches Wissen ebenfalls zum Rüstzeug gehört, wenn jemand die<br />

Sprache eines Volkes wirklich gut lernen will. Ohne dieses Wissen sind<br />

die Sprachenkenntnisse immer nur ein Stückwerk, aber eine Sprache ist<br />

nicht nur eine Sprache, sondern immer auch Politik. Das war auch in der<br />

Geschichte immer so: Wenn ein Land erobert wurde, zwangen die<br />

Eroberer den Eroberten <strong>und</strong> damit auch den neuen Unterdrückten nicht<br />

nur ihre Herrschaft, sondern immer auch ihre Sprache auf. Gerade in den<br />

drei baltischen Staaten hat sich das von 1940 bis 1991 deutlich <strong>und</strong><br />

schmerzlich genug gezeigt, aber auch in Finnland wurde das Finnische<br />

erst im Jahr 1902 nach jahrzehntelangen Kämpfen um die<br />

Gleichberechtigung als zweite offizielle Lan<strong>des</strong>sprache neben dem<br />

Schwedischen anerkannt. Dabei spielte für diesen langen Kampf sicher<br />

auch eine entscheidende Rolle, dass fast alle Finnen, die in dieser Zeit<br />

bekannt waren oder später bekannt wurden, keine „echten“ Finnen waren,<br />

sondern Finnlandschweden, die zudem teilweise auch der noch alles<br />

dominierenden Oberschicht angehörten, als bekannteste Beispiele der<br />

Nationaldichter Runeberg, der Komponist Sibelius, der erste Präsident<br />

Stahlberg <strong>und</strong> der spätere Generalfeldmarschall Mannerheim.<br />

412


Samisch <strong>und</strong> Ungarisch<br />

Zum Schluss dieses Buches kommt noch ein kleiner Überblick über die<br />

beiden Sprachen, die dem <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> am nächsten<br />

stehen <strong>und</strong> zumin<strong>des</strong>t im Westen auch die beiden einzigen anderen finnougrischen<br />

Sprachen sind, über die bisher Lehrbücher erschienen sind.<br />

Samisch<br />

Da das Samische oder Lappische, wie es früher genannt wurde, noch<br />

heute in nicht weniger als neun verschiedene Dialekte zerfällt - davon<br />

allein auf der Halbinsel Kola, also in Russland, in vier -, liegt es nahe, dass<br />

eine gegenseitige Verständigung nicht immer leichtfällt. Immerhin hat sich<br />

das Nordsamische, das im Norden von Finnland, Schweden <strong>und</strong><br />

Norwegen verbreitet ist, wie es sein Name aussagt, <strong>und</strong> von mehr als<br />

achtzig Prozent der zwischen 20‘000 <strong>und</strong> 50‘000 Samen gesprochen wird<br />

- es gibt darüber verschiedene Angaben, vor allem, was die<br />

Muttersprachler betrifft -, als gemeinsame Schriftsprache durchgesetzt.<br />

Diese wiederum ist Teil <strong>des</strong> aus drei Dialekten bestehenden<br />

Zentralsamischen, während das in zwei Dialekte zerfallende Südsamische<br />

nur noch von wenigen H<strong>und</strong>ert in Schweden <strong>und</strong> Norwegen gesprochen<br />

wird. Dagegen reicht vom Ostsamischen, das wie oben erwähnt aus nicht<br />

weniger als vier Dialekten besteht <strong>und</strong> fast nur auf der russischen<br />

Halbinsel Kola gesprochen wird, mit zwei Zipfeln auch nach Norwegen<br />

r<strong>und</strong> um die bekannte kleine Grenzstadt Kirkenes, wo ich auch einmal<br />

gewesen bin, <strong>und</strong> nach Nordost-Finnland beim Inarisee, dem drittgrössten<br />

See Finnlands; <strong>des</strong>halb wird der dort gesprochene Dialekt, den ebenfalls<br />

nur noch wenige H<strong>und</strong>ert verwenden, als Inarisamisch bezeichnet.<br />

Wie verschieden die Samen - oder Lappen, wie sie früher noch genannt<br />

werden durften - von ihren direkten Nachbarn im Süden gesehen werden,<br />

zeigt sich auch an ihren Bezeichnungen für das Land <strong>und</strong> die Menschen:<br />

Estland: Lapimaa, laplased<br />

Finnland: Lappi, lappilaiset<br />

Schweden: Lapland, samer<br />

413


Norwegen: Lappland, finner<br />

Russland: Laplándia, lapári<br />

Das finnische Wort „Lappi“ ist zugleich die Bezeichnung für die nördlichste<br />

politische Verwaltungseinheit mit Rovaniemi als Hauptstadt; im südlichen<br />

Teil wird nur Finnisch gesprochen.<br />

Die Samen selbst nennen ihr Land schlicht „Sápmi“, wovon das deutsche<br />

„Samiland“ stammt, <strong>und</strong> sich selbst bezeichnen sie als „Sápmelatschat“;<br />

in der Einzahl heisst es „Sápmelasch“.<br />

Die Samen werden in Norwegen auch <strong>des</strong>halb Finner genannt, weil sie<br />

zum grössten Teil in der sogenannten Finnmark leben, das locker<br />

übersetzt „Samenland“ bedeutet <strong>und</strong> die nördlichste politische Einheit<br />

dieses Lan<strong>des</strong> ist. Als Ergänzung ist noch anzufügen, dass die<br />

erstaunlicherweise immer noch bestehenden vier ostsamischen Dialekte,<br />

die auch die finstere Epoche der Gulag-Sowjetunion überlebt haben, auf<br />

dem russischen Gebiet auch <strong>des</strong>halb die besseren Überlebenschancen<br />

als früher haben, weil die Samen wieder mehr Bewegungsfreiheit<br />

geniessen.<br />

Und jetzt komme ich zu den entscheidenden Unterschieden zum<br />

<strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong>:<br />

1. Die Betonung fällt zwar ebenfalls immer auf die erste Silbe, aber sonst<br />

ist die Phonetik viel komplizierter <strong>und</strong> dazu kommen nicht weniger als<br />

sechs Konsonanten, die sich mit den im Westen üblichen Laptops nicht<br />

schreiben lassen.<br />

2. Im Samischen ist der Stufenwechsel zwar ebenfalls bekannt, aber es<br />

gibt wenigstens im Gegensatz zum <strong>Finnischen</strong> keine Vokalharmonie, also<br />

gleicht es hier dem <strong>Estnischen</strong> mehr.<br />

3. Im Gegensatz zum <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> gibt es nur acht Kasus,<br />

wobei der Genitiv <strong>und</strong> Akkusativ sowie der Dativ <strong>und</strong> Illativ identisch sind,<br />

also sind es rein formal nur sechs Kasus:<br />

Nominativ, Genitiv/Akkusativ, Lokativ, Dativ/Illativ, Komitativ <strong>und</strong> Essiv.<br />

Dabei sind die Einzahl <strong>und</strong> Mehrzahl im Essiv identisch.<br />

4. Bei der Deklination der Substantive, die genauso wie im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Finnischen</strong> keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern <strong>und</strong> keinen<br />

414


Unterschied zwischen einem bestimmten <strong>und</strong> einem unbestimmten Artikel<br />

kennen, wird in der Grammatik zwischen gleichsilbigen, ungleichsilbigen<br />

<strong>und</strong> kontrahierenden Wörtern unterschieden. Während die gleichsilbigen<br />

zwei oder vier Silben haben, weisen die ungleichsilbigen deren drei auf,<br />

<strong>und</strong> die kontrahierenden sind zwar gleich wie die gleichsilbigen, werden<br />

jedoch wie die ungleichsilbigen dekliniert. Entscheidend für die<br />

Unterteilung sind die Formen im Genitiv bzw. Akkusativ.<br />

Hier führe ich zwei kleine Listen von gleichsilbigen Wörtern auf, die ich mit<br />

meinem Laptop auch schreiben kann:<br />

Einzahl:<br />

Auto: Fisch: Kind: Brief: Herz: Krone:<br />

Nom. biila guolli mánná reive váibmu ruvdno<br />

Gen. biilla guoli máná reivve váimmu ruvnno<br />

Lok. biillas guolis mánás reivves váimmus ruvnnos<br />

Ill. biilli guollái mánnái reivii váibmui ruvdnui<br />

Kom. biillain guliin mánáin reivviin váimmuin ruvnnuin<br />

Es. biilan guollin mánnán reiven váibmun ruvdnon<br />

Mehrzahl:<br />

Autos: Fische: Kinder: Briefe: Herzen: Kronen:<br />

Nom. biillat guolit mánát reivvet váimmut ruvnnot<br />

Gen. biillaid guliid mánáid reivviid váimmuid ruvnnuid<br />

Lok. biillain guliin mánáin reivviin váimmuin ruvnnuin<br />

Ill. biillaide guliide mánáide reivviide váimmuide ruvnnuide<br />

Kom. biillaiguin guliiguin mánáiguin reivviiguin váimmuiguin<br />

ruvnnuiguin<br />

Es. biilan guollin mánnán reiven váibmun ruvdnon<br />

Hier kommen zwei weitere kleine Listen von je zwei ungleichsilbigen <strong>und</strong><br />

kontrahierenden Wörtern, wobei die beiden ersteren links stehen:<br />

415


Einzahl:<br />

H<strong>und</strong>: Motorschlitten: Rentier: Pfad:<br />

Nom. beana skohter boazu bálggis<br />

Gen. beatnaga skohtera bohcco bálgá<br />

Lok. beatnagis skohteris bohccos bálgás<br />

Ill. beatnagii skohterii bohccui bálgái<br />

Kom. beatnagin skohteriin bohccuin bálgáin<br />

Es. beanan skohterin boazun bálggisin<br />

Mehrzahl:<br />

H<strong>und</strong>e: Motorschlitten: Rentiere: Pfade:<br />

Nom. beatnagat skohterat bohccot bálgát<br />

Gen. beatnagiid skohteriid bohccuid bálgáid<br />

Lok. beatnagiin skohteriin bohccuin bálgáin<br />

Ill. beatnagiidda skohteriidda bohccuide bálgaide<br />

Kom. beatnagiiguin skohteriiguin bohccuiguin bálgaiguin<br />

Es. beanan skohterin boazun bálggisin<br />

Wer etwas genauer hinschaut, kann auch hier gewisse Regeln erkennen,<br />

aber auch wer sich in diese Sprache vertiefen will, kommt nicht um ein<br />

Pauken herum.<br />

Folgende Vokale, Doppellaute <strong>und</strong> Doppelkonsonanten, die auf diesen<br />

vier Tabellen vorkommen <strong>und</strong> vom Deutschen abweichen, werden so<br />

ausgesprochen:<br />

á = wie langes „a“ cc = wie starkes „ts“ v = wie „w“<br />

ea = wie kurzes „ä“ s = wie starkes „s“ z = wie „ds“<br />

Der Konsonant „h“ bleibt nie stumm, sondern wird vor einem Vokal immer<br />

so ausgesprochen, während vor einem Konsonanten wie „ch“ bei „ach“<br />

gesagt wird, aber nicht so kratzend wie im Tirolerischen, in den meisten<br />

416


schweizerdeutschen Dialekten <strong>und</strong> im Niederländischen: „Skochter“ bei<br />

„skohter“ oder „bochtsot“ bei „bohcot“.<br />

5. Die Adjektive werden im Gegensatz zum <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong><br />

nicht dekliniert, wenn sie direkt vor den Substantiven stehen, auf die sie<br />

sich beziehen, <strong>und</strong> zudem gibt es für die Einzahl <strong>und</strong> Mehrzahl nur ein<br />

Wort. Dagegen gibt es in einer attributiven Stellung, wenn sie hinten<br />

stehen, je eine Variante für die Einzahl <strong>und</strong> Mehrzahl, so dass es<br />

abgesehen von ein paar wenigen Ausnahmen, die nur ein Wort zur<br />

Verfügung haben, immer drei Adjektive zu lernen gibt.<br />

Samisch: Estnisch: Finnisch:<br />

ein grosses Haus stuora dállu suur maja suuri talo<br />

grosse Häuser stuora dálut suured majad suuret talot<br />

in einem grossen Haus stuora dálus suures majas suuressa talossa<br />

Dagegen in attributiver Stellung:<br />

Das Haus ist gross.<br />

Die Häuser sind gross.<br />

Dállu lea stuoris.<br />

Dálut leat stuorrát.<br />

6. Die Steigerung der Adjektive erfolgt ähnlich wie im <strong>Finnischen</strong>, sie wird<br />

also ebenfalls von der Mehrzahlform ausgehend gebildet. Auch hier wird<br />

zwischen gleichsilbig, ungleichsilbig <strong>und</strong> kontrahierend unterschieden. Als<br />

Beispiele genügen diese Adjektive:<br />

Gleichsilbig: buorre (gut) - buoret (Gr<strong>und</strong>form Mehrzahl)<br />

nuorra (jung) - nuorat<br />

Ungleichsilbig: boaris (alt) - boarrásat<br />

vielgat (weiss) - vielgadat<br />

Kontrahierend: stuoris (gross) - stuorrát<br />

Von der Mehrzahl-Gr<strong>und</strong>form wird der Komparativ der Einzahl gebildet,<br />

417


wobei er nur bei den gleichsilbigen Adjektiven mit der ersteren identisch<br />

ist. In den beiden anderen Gruppen kommt es schon bei der Einzahl zu<br />

Veränderungen, während der Komparativ der Mehrzahl überall durch<br />

neue Suffixe gebildet wird:<br />

Gr<strong>und</strong>wort: Gr<strong>und</strong>wort Mehrzahl: Komparativ Einzahl:<br />

buorre (gut) buoret (gute) buoret (besser)<br />

nuorra (jung) nuorat (junge) nuorat (jünger)<br />

boaris (alt) boarrásat (alte) boarráseabbo (älter)<br />

vielgat (weiss) vielgadat (weisse) vielgadeabbo (weisser)<br />

stuoris (gross) stuorrát (grosse) stuorát (grösser)<br />

Während bei den ungleichsilbigen die Endung „-at“ durch „eabbo“ ersetzt<br />

wird, kommt bei den kontrahierenden, von denen es nur ganz wenige gibt,<br />

wieder der Stufenwechsel zum Zug.<br />

Bei der Mehrzahl <strong>des</strong> Komparativs wird das Endungs-t bei den<br />

gleichsilbigen <strong>und</strong> kontrahierenden durch „-but“ ersetzt, während bei den<br />

ungleichsilbigen „-ppot“ an Stelle von „-bbo“ tritt:<br />

Komparativ Einzahl:<br />

buoret<br />

nuorat<br />

boarráseabbo<br />

vielgadeabbo<br />

stuorát<br />

Komparativ Mehrzahl:<br />

buorebut (die besseren)<br />

nuorabut (die jüngeren)<br />

boarráseappot (die älteren)<br />

vielgadeappot (die weisseren)<br />

stuorabut (die grösseren)<br />

Bei der Einzahl <strong>des</strong> Superlativs werden „t“ <strong>und</strong> „-bbo“ <strong>des</strong> Komparativs<br />

Einzahl je nach Dialekt durch „-mos“ oder „-mus“ ersetzt:<br />

buoret - buoremos, buoremus (der/die/das beste)<br />

nuorat - nuoramos, nuoramus (der/die/das jüngste)<br />

boarráseabbo - boarráseamos, boarráseamus (der/die/das älteste)<br />

vielgadeabbo - vielgadeamos, vielgadeamus (der/die/das weisseste)<br />

418


stuorát - stuorámos, stuorámus (der/die/das grösste)<br />

Bei der Mehrzahl <strong>des</strong> Superlativs werden die Endungen „-mos“ <strong>und</strong> „-mus“<br />

durch „-mosat“ oder „-musat“ sowie die Endungen „-eamos“ <strong>und</strong> „-eamus“<br />

durch „-epmosat“ oder „-epmusat“ ersetzt:<br />

buoremos, buoremus - buoremosat, buoremusat (die besten)<br />

nuoramos, nuoramus - nuoramosat, nuoramusat (die jüngsten)<br />

boarráseamos, boarráseamus - boarrásepmosat, boarrásepmusat<br />

(die ältesten)<br />

vielgadeamos, vielgadeamus - vielgadepmosat, vielgadepmusat<br />

(die weissesten)<br />

stuorámos, stuorámus - stuorámosat, stuorámusat (die grössten)<br />

Bei einem Vergleich ist das Wort „go“ (als) das, was im <strong>Estnischen</strong> „kui“<br />

<strong>und</strong> im <strong>Finnischen</strong> „kuin“ sind:<br />

Leena ist grösser als Ilkka.<br />

Leena lea stuorát go Ilkka.<br />

Ilkka ist jünger als Ursula.<br />

Ilkka lea nuorat go Ursula.<br />

Ilkka ist jünger als Matti.<br />

Ilkka lea nuorat go Máhtte.<br />

Ursula ist älter als Leena.<br />

Ursula lea boarráseabbo go Leena.<br />

Wie im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> ist es möglich, die Steigerung durch<br />

einen anderen Kasus auszudrücken; was im ersteren der Elativ <strong>und</strong> im<br />

letzteren der Partitiv sind, ist im Samischen der Genitiv/Akkusativ:<br />

Ilkka ist jünger als Matti.<br />

Ilkka lea Máhte nuorat.<br />

Ursula ist älter als Ilkka.<br />

Ursula lea Ilka boarráseabbo.<br />

(Stufenwechsel bei „Ilkka“)<br />

Während bei den Eigennamen, die auf „-a“ enden <strong>und</strong> zudem nicht<br />

419


samisch sind, keine Veränderung erfolgt, verwandelt sich das<br />

Nominativwort „Máhtte“ (Matti) durch den Stufenwechsel in „Máhte“.<br />

Eine dritte Steigerungsvariante besteht darin, dass an Stelle <strong>des</strong><br />

Genitivs/Akkusativs der Lokativ verwendet wird, wobei dieser dann hinter<br />

der Komparativform steht:<br />

Ilkka ist jünger als Matti.<br />

Ilkka lea nuorat Máhtes.<br />

Ursula ist älter als Ilkka.<br />

Ursula lea boarráseabbo Ilkas.<br />

(Stufenwechsel bei „Ilkka“)<br />

7. Die meisten Adverbien werden von der Genitivform <strong>des</strong> Adjektivs<br />

gebildet, indem hinten noch ein „t“ angehängt wird, <strong>und</strong> bei den<br />

ungleichsilbigen Wörtern wird das Endungs-a ein Endungs-i:<br />

stuoris (gross) - stuorrá (Genitiv) - stuorrát (Adverb)<br />

headju (schlecht) - heaju (Genitiv, Stufenwechsel) - heajut (Adverb)<br />

álki (einfach, leicht) - álki (Genitiv, wie Nominativ) - álkit (Adverb)<br />

johtil (schnell) - johtila (Genitiv) - johtilit (Adverb)<br />

Unregelmässig sind diese:<br />

buorre (gut) - bures (Adverb)<br />

bahá (bös) - bahás (Adverb)<br />

Gesteigert werden die Adverbien damit, dass „s“ <strong>und</strong> „t“ durch die gleichen<br />

Endungen wie bei den Adjektiven ersetzt werden:<br />

bures (gut) - buorebut (besser) - buoremosat, buoremusat (am besten)<br />

heajut (schlecht) - heajubut (schlechter) - heajumosat, heajumusat<br />

(am schlechtesten)<br />

johtilit (schnell) - johtileabbot (schneller) - johtilepmosit, johtilepmusit<br />

420<br />

(am schnellsten)


8. Bei den Personalpronomina gibt es im Gegensatz zum <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Finnischen</strong> auch noch einen Dual, den es auf diese Weise von den<br />

bekannten europäischen Sprachen nur noch im Sorbischen, das früher<br />

auch als Wendisch bezeichnet wurde, <strong>und</strong> im Slowenischen gibt. Ich<br />

schreibe „bekannte europäische Sprachen“ <strong>des</strong>halb, weil es allein<br />

innerhalb von Russland noch mehrere finno-ugrische, also verwandte<br />

Kleinsprachen gibt, die noch bis heute nur wenig erforscht sind. Dazu<br />

kommen noch ein paar, die auch östlich <strong>des</strong> Ural-Gebirges gesprochen<br />

werden.<br />

Die Deklination sieht so aus:<br />

ich du er, sie, es<br />

Nominativ mun don son<br />

Genitiv/ mu du su<br />

Akkusativ<br />

Lokativ mus dus sus<br />

Illativ/ munnje dutnje sutnje<br />

Dativ<br />

Komitativ muinna duinna suinna<br />

Einen Essiv gibt es hier im Samischen nicht.<br />

wir ihr sie<br />

Nominativ mii dii sii<br />

Genitiv/ min din sin<br />

Akkusativ<br />

Lokativ mis dis sis<br />

Illativ/ midjiide didjiide sidjiide<br />

Dativ<br />

Komitativ minguin dinguin singuin<br />

421


wir beide ihr beide sie beide<br />

Nominativ moai doai soai<br />

Genitiv/ munno dudno sudno<br />

Akkusativ<br />

Lokativ munnos dudnos sudnos<br />

Illativ/ munnuide dudnuide sudnuide<br />

Dativ<br />

Komitativ munnuin dudnuin sudnuin<br />

Da in Lappland neben Samisch <strong>und</strong> Finnisch auch viel Schwedisch <strong>und</strong><br />

Norwegisch gesprochen wird, können die Genitiv/Akkusativ-Formen der<br />

Mehrzahl (min, din, sin) leicht verwirren, wenn diese samischen Wörter<br />

nicht bekannt sind. Dementsprechend sind sie im Schwedischen <strong>und</strong><br />

Norwegischen viel zu hören:<br />

D: Er ist mein Sohn. Er ist dein Sohn. Er ist sein (eigener) Sohn.<br />

S: Han är min son. Han er din son. Han er sin son.<br />

N: Han er sönen min. Han er sönen din. Han er sönen sin.<br />

(Han er min sön. Han er din sön. Han er sin sön.)<br />

Das norwegische „ö“ wird heute genauso wie das dänische zwar mit einem<br />

„o“ <strong>und</strong> einem schrägen Querstrich darüber geschrieben, aber bis vor<br />

wenigen Jahrzehnten kam dieses „ö“ in ganz Skandinavien viel mehr vor,<br />

was auch in den alten Schriften gesehen werden kann. Die Varianten in<br />

Klammern können bei einer Betonung noch heute gehört werden, zudem<br />

kommen sie in der Bibel häufiger vor als die obere Variante.<br />

9. Die Possessivpronomina werden genauso wie im <strong>Estnischen</strong> durch die<br />

Genitivform <strong>des</strong> Personalpronomens ausgedrückt - <strong>und</strong> ebenfalls in allen<br />

Kasus:<br />

mu, du, su, min, din, sin, munno, dudno, sudno<br />

422


Er ist mein Ehemann.<br />

Sie ist meine Ehefrau.<br />

Er ist unser Sohn<br />

(von uns beiden).<br />

Sie ist eure Tochter<br />

(von euch beiden).<br />

Ich mag dich.<br />

Ich mag sie (beide).<br />

Ich liebe dich.<br />

Ich liebe meine Frau.<br />

Ich liebe meinen Mann.<br />

Ich gebe dir mein Herz.<br />

Son lea mu boadnji.<br />

Son lea mu áhkká.<br />

Son lea munno bárdni.<br />

Son lea dudno nieida.<br />

Mun liikon dutnje (Illativ/Dativ).<br />

Mun liikon sudnuide (Illativ/Dativ).<br />

Mun ráhkistan du (Genitiv/Akkusativ).<br />

Mun ráhkistan mu áhká.<br />

(Genitiv/Akkusativ mit Stufenwechsel)<br />

Mun ráhkistan mu boatnji.<br />

(Genitiv/Akkusativ mit Stufenwechsel)<br />

Mun attán dutnje mu váimmu.<br />

(dutnje = Dativ, váimmu = Akkusativ mit<br />

Stufenwechsel, Nominativ = váibmu)<br />

Wie im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> wird das Personalpronomen meistens<br />

mitverwendet, obwohl an den Endungen der konjugierten Verben<br />

eigentlich erkannt werden kann, wer gemeint ist.<br />

10. Auch im Samischen werden die Demonstrativpronomina in der Einzahl<br />

<strong>und</strong> Mehrzahl durchdekliniert:<br />

dat („tahht“) = dieser, diese, dieses; der da, die da, das da<br />

dát („taahht) = dieser hier, diese hier, dieses hier<br />

duot („duohht“) = jener dort, jene dort, jenes dort<br />

dot („tohht“) = jener weiter weg, jene weiter weg, jenes weiter weg<br />

423


Gerade <strong>des</strong>halb, weil das Samische phonetisch viel komplizierter ist als<br />

Estnisch <strong>und</strong> Finnisch - was gerade auch an diesen vier<br />

Demonstrativprononima erkannt werden kann -, gehe ich in diesem<br />

grammatikalischen Schnelldurchlauf nicht näher darauf ein.<br />

Durchdekliniert sehen diese vier Wörter so aus:<br />

Einzahl:<br />

Nominativ dat dát duot dot<br />

Genitiv/ dan dán duon don<br />

Akkusativ<br />

Lokativ das dás duos dos<br />

Illativ/Dativ dasa dása duosa dosa<br />

Komitativ dainna dáinna duoinna doinna<br />

Essiv danin dánin duonin donin<br />

Mehrzahl:<br />

Nominativ dat dát duot dot<br />

Genitiv/ daid dáid duoid doid<br />

Akkusativ<br />

Lokativ dain dáin duoinna doin<br />

Illativ/Dativ daidda dáidda duoidda doidda<br />

Komitativ daiguin dáiguin duoiguin doiguin<br />

Essiv danin dánin duonin donin<br />

Hier sind die Einzahl- <strong>und</strong> Mehrzahlformen <strong>des</strong> Nominativs mit denen im<br />

Essiv identisch. Beim Wort „duoinna“ kommt es zu einer Überschneidung,<br />

weil die Einzahl <strong>des</strong> Komitativs mit der Mehrzahl <strong>des</strong> Lokativs identisch<br />

ist.<br />

Ich liebe diese Frau.<br />

Mun ráhkistan dan/dát nissona. (Nom. nisu)<br />

424


Ich gebe es dieser Frau.<br />

Mun attán dan/dát dasa/dása nissonii.<br />

Bei den zwei häufigen Fragewörtern „gus?“ (wo, woher) <strong>und</strong> „gosa?“<br />

(wohin) steht das Samischen dem <strong>Estnischen</strong> näher: Kus? Kus kohast?<br />

Kuhu? Kus kohta?<br />

11. Die Konjugation von „leat“ (sein) sieht im Präsens so aus:<br />

ich bin<br />

mun lean<br />

du bist<br />

don leat<br />

er/sie ist<br />

son lea<br />

es ist<br />

dat/dát lea<br />

wir sind<br />

mii leat<br />

wir zwei sind moai letne<br />

ihr seid<br />

dii lehpet<br />

ihr zwei seid doai leahppi<br />

sie sind<br />

sii leat<br />

sie zwei sind soai leaba<br />

12. Da es auch im Samischen kein eigenes Verb für „haben“ gibt, wird es<br />

genauso wie im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> mit einem Kasus <strong>und</strong> dem<br />

Verb „sein“ umschrieben, doch nicht mit dem Illativ/Dativ, sondern mit dem<br />

Lokativ:<br />

mus lea, dus lea, sus lea, das/dás lea, mis lea, dis lea, sis lea, munnos<br />

lea, dudnos lea, sudnos lea<br />

13. Wenn ein Verb verneint wird, kommt auch im Samischen genauso wie<br />

im <strong>Finnischen</strong> eine Verneinungs-Konjugation zum Zug:<br />

in, it, ii, eat, ehpet, eai, ean, eahppi, eaba<br />

(Zur Erinnerung im <strong>Finnischen</strong>: en, et, ei, emme, ette, eivät)<br />

425


Im Gegensatz zum <strong>Finnischen</strong> können die Wörter der Verneinungs-<br />

Konjugation sowohl vor als auch hinter dem Personalpronomen stehen.<br />

Dabei wird ebenfalls eine Verkürzung wie bei „ole“ verwendet, aber<br />

ausgerechnet bei „sein“ steht als grosse Aussnahme gleich der ganze<br />

Infinitiv, der aber sowieso kurz ist:<br />

ich bin nicht<br />

du bist nicht<br />

er/sie ist nicht<br />

es ist nicht<br />

wir sind nicht<br />

wir zwei sind nicht<br />

ihr seid nicht<br />

ihr zwei seid nicht<br />

sie sind nicht<br />

sie zwei sind nicht<br />

mun in leat, in mun leat<br />

don it leat, it don leat<br />

son ii leat, ii son leat<br />

dat/dát ii leat, ii dat/dát leat<br />

mii eat leat, eat mii leat<br />

moai ean leat, ean moai leat<br />

dii ehpet leat, ehpet dii leat<br />

doai eahppi leat, eahppi doai leat<br />

sii eai leat, eai sii leat<br />

soai eaba leat, eaba soai leat<br />

Auch bei der Umschreibung von „haben“ können beide Varianten<br />

verwendet werden:<br />

ich habe nicht<br />

du hast nicht<br />

er/sie hat nicht<br />

es hat nicht<br />

wir haben nicht<br />

wir zwei haben nicht<br />

ihr habt nicht<br />

ihr zwei habt nicht<br />

sie haben nicht<br />

sie zwei haben nicht<br />

mus ii leat, ii mus leat<br />

dus ii leat, ii dus leat<br />

sus ii leat, ii sus leat<br />

das/dás ii leat, ii das/dás leat<br />

mis ii leat, ii mis leat<br />

munnos ii leat, ii munnos leat<br />

dis ii leat, ii dis leat<br />

dudnos ii leat, ii dudnos leat<br />

sis ii leat, ii sis leat<br />

sudnos ii leat, ii sudnos leat<br />

426


14. Da die Formen sowohl für „leat“ als auch für die anderen Verben <strong>und</strong><br />

zudem die Modalverben (dürfen, können, müssen, sollen, wollen) im<br />

Samischen viel unregelmässiger gebildet werden als im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Finnischen</strong>, verzichte ich darauf, hier näher einzugehen. Immerhin sei<br />

vermerkt, dass es auch im Samischen keine eigene Futur-Konstruktion<br />

gibt, aber dafür in Verbindung mit „leat“ eine sogenannte Verlaufsform in<br />

zwei möglichen Varianten. Auch das Englische <strong>und</strong> die meisten<br />

romanischen Sprachen kennen diese Konstruktion. Im Samischen wird sie<br />

dadurch gebildet, dass das Endungs-t der Verben - tatsächlich enden alle<br />

auf einem „t“, was diese Sprache vom <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> deutlich<br />

unterscheidet - ausfällt <strong>und</strong> durch „me“ oder „min“ ersetzt wird.<br />

Deutsch: Ich komme gerade, du kommst gerade.<br />

Englisch: I am coming, you are coming.<br />

Italienisch: Sto venendo, stai venendo.<br />

Spanisch: Estoy viniendo, estás viniendo.<br />

Samisch: Mun lean boahtime, mun lean boahtimin.<br />

Don leat boahtime, don leat boahtimin.<br />

(kommen = boahtit)<br />

Bei einer Verneinung läuft es gleich wie oben gezeigt:<br />

Mun in boahtime/boahtimin, in mun boahtime/boahtimin.<br />

Don it boahtime/boahtimin, it don boahtime/boahtimin.<br />

15. In Fragesätzen, die nicht mit einem Fragewort beginnen - also bei<br />

Entscheidungsfragen, wie es in der Fachsprache heisst -, steht das<br />

Samische wieder dem <strong>Finnischen</strong> nahe. Was dort die angehängten<br />

Partikel „-ko“ <strong>und</strong> „-kö“ sind, ist hier die Fragepartikel „-go“:<br />

Du kommst. Kommst du? Kommst du nicht?<br />

Son boadát. Boadátgo? Son it boadego?<br />

Itgo boadego?<br />

Finnisch: Tuletko? Etkö tule?<br />

427


Auf Fragen kann genauso wie im <strong>Finnischen</strong> auch nur mit der konjugierten<br />

Verneinungs-Variante geantwortet werden:<br />

Kommst du? Boadátgo? In.<br />

Tuletko?<br />

En.<br />

Ein eigenes Wort für „nein“ gibt es nicht, aber auch für „ja“ gibt es direkt<br />

übersetzt nur das Wort „juo“. Dem estnischen „nii“ <strong>und</strong> dem finnischen<br />

„niin“ entspricht das Wort „nu“, das aber nicht so wie in den beiden<br />

Schwestersprachen als Ja-Ersatz <strong>und</strong> manchmal sogar für „nein“<br />

verwendet wird. Neben „juo“ gibt es noch drei Wörter, die den Sinn einer<br />

Verstärkung haben.<br />

Kommst du? Ja, ich komme. Ja, dann komme ich.<br />

Boadátgo? Juo, de mun boádan. (wie nebenan)<br />

Jawohl, ich komme.<br />

Fal, mun boádan.<br />

Doch, ich komme.<br />

Gal, mun boádan.<br />

Allerdings sind die Grenzen zwischen diesen vier Wörtern fliessend.<br />

16. Wie im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> werden die Befehlsformen dadurch<br />

gebildet, dass die Infinitiv-Endungen wegfallen <strong>und</strong> durch die<br />

entsprechenden Personalendungen ersetzt werden:<br />

Gleichsilbige Verben:<br />

essen iss! esst! (zwei) esst! (mehr als zwei)<br />

borrat bora! borri! borret!<br />

kommen komm! kommt! (zwei) kommt! (mehr als zwei)<br />

boahtit boade! * boahtti! bohtet!<br />

wohnen wohne! wohnt! (zwei) wohnt! (mehr als zwei)<br />

orrut oro! orru! orrot!<br />

428


Ungleichsilbige Verben:<br />

erzählen erzähl! erzählt! (zwei) erzählt! (mehr als zwei)<br />

muitalit muital! muitaleahkki! muitalehket!<br />

sein sei! seid! (zwei) seid! (mehr als zwei)<br />

leat leage! leahkki! lehket!<br />

Kontrahierende Verben:<br />

abfahren fahr ab! fahrt ab! (zwei) fahrt ab! (mehr als zwei)<br />

vuoddját vuoddjá! vuoddjájeahkki! vuoddjájehket!<br />

In dieser kurzen Zusammenfassung ist das nicht zu erkennen, aber bei<br />

der Bildung der Befehlsformen zählt „leat“ (sein) zu den Ausnahmen.<br />

Bei einem verneinten Befehl werden auch im Samischen Wörter<br />

verwendet, die mit den estnischen <strong>und</strong> finnischen (ära, ärge, ärgem, ärgu<br />

- älä, älköön, älkää, älkäämme, älkööt) nahe verwandt sind:<br />

Komm nicht! Ale boadde! *<br />

Kommt nicht!<br />

Alli boadde (ihr zwei)! Alloset boadde (mehr als zwei)!<br />

* Bei „boade“ <strong>und</strong> „boadde“ werden das „d“ <strong>und</strong> das „dd“ wie das „th“ beim<br />

englischen „this“ ausgesprochen. Im Gegensatz zum <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Finnischen</strong> bleiben die Verbformen bei einem verneinten Befehl in allen<br />

Personen unverändert.<br />

17. Die Verhältniswörter werden gleich verwendet wie im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Finnischen</strong> <strong>und</strong> sind insofern leichter, als es nur Postpositionen gibt <strong>und</strong><br />

diese allesamt hinter dem Genitiv stehen:<br />

unter dem Auto = biilla vuolde (Nominativ: biila, Gen. mit Stufenwechsel)<br />

beim Haus<br />

= dálu luhtte (Nominativ: dállu, Gen. mit Stufenwechsel)<br />

429


18. Bei den Zahlen, auf die ich nicht näher eingehe, ist die Verwandtschaft<br />

zum <strong>Finnischen</strong> unübersehbar, aber nur von 0 bis 8:<br />

nolla, okta, guokte, golbma, njeallje, vihtta, guhtta, tschiedscha, gávtsi (7<br />

<strong>und</strong> 8 anders geschrieben als hier).<br />

Ähnlich mit dem <strong>Finnischen</strong> <strong>und</strong> auch <strong>Estnischen</strong> sind weiter oben nur<br />

noch „duhát“ (1‘000) <strong>und</strong> „miljovdna“ (eine Million), wobei die letztere dem<br />

samischen Denken, das noch nie in so hohen Dimensionen angesiedelt<br />

war, eigentlich völlig fremd ist.<br />

Erwähnenswert ist, dass im Samischen ein Substantiv oder ein Adjektiv in<br />

Verbindung mit einer Zahl ausser bei der 1 immer mit dem<br />

Genitiv/Akkusativ Einzahl verb<strong>und</strong>en wird, also im Gegensatz zum<br />

<strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong>, wo der Partitiv Einzahl steht:<br />

Deutsch: Estnisch: Finnisch: Samisch:<br />

ein Mann üks mees yksi mies okta boadnji *<br />

eine Frau üks naine yksi rouva okta nisu<br />

zwei Männer kaks meest kaksi miehiä guokte boatnji *<br />

zwei Frauen kaks naiset kaksi rouvaa guokte nissona<br />

Bei diesem Wort findet wieder ein Stufenwechsel von „boadnji“ zu „boatnji“<br />

statt.<br />

19. Auch bei den Wochentagen zeigt sich die Nähe zum <strong>Finnischen</strong>:<br />

Deutsch: Finnisch: Samisch:<br />

Sonntag sunnuntai sotnabeaivi<br />

Montag maanantai mánnodat<br />

Dienstag tiistai disdat<br />

Mittwoch keskiviikko gaskavahkku<br />

Donnerstag torstai duorastat<br />

Freitag perjantai bearjadat<br />

Samstag lauantai lávvordat<br />

430


Zur Erinnerung: Der Doppellaut „ea“ wird wie „ä“ ausgesprochen; <strong>des</strong>halb<br />

sind das estnische „päev“, das finnische „päivä“ <strong>und</strong> das samische<br />

„beaivi“ für „Tag“ fast identisch.<br />

Was im <strong>Estnischen</strong> der A<strong>des</strong>siv <strong>und</strong> im <strong>Finnischen</strong> der Essiv sind, ist im<br />

Samischen der Genitiv:<br />

am Montag, am Dienstag<br />

am letzten Montag/Dienstag<br />

am nächsten Montag/Dienstag<br />

mánnodaga, disdaga<br />

mannan mánnodaga/disdaga<br />

boahtte mánnodaga/disdaga<br />

(am kommenden M./D.)<br />

„Mannan“ <strong>und</strong> „boahtte“ sind ebenfalls immer unveränderlich.<br />

20. Bei den Monatsnamen ist ebenfalls eine ähnliche Denkweise wie im<br />

<strong>Finnischen</strong> zu erkennen:<br />

Deutsch: Finnisch: Samisch:<br />

Januar tammikuu oddajagemánnu<br />

(Neuahrsmonat)<br />

Februar helmikuu guovvamánnu<br />

(zweiter Monat)<br />

März maaliskuu njuktschamánnu<br />

(Schwanmonat)<br />

April huhtikuu tsuongosmánnu<br />

(Schneeflächemonat)<br />

Mai toukokuu miessemánnu<br />

(Kalbmonat)<br />

Juni kesäkuu geassemánnu<br />

(Sommermonat)<br />

431


Juli heinäkuu suoidnemánnu<br />

(Heumonat)<br />

August elokuu borgemánnu<br />

(Fellwechselmonat)<br />

September syyskuu tschaktschamánnu<br />

(Herbstmonat)<br />

Oktober lokakuu golggotmánnu<br />

(Erschöpfter<br />

Rentiermonat)<br />

November marraskuu skábmamánnu<br />

(Polarnachtmonat)<br />

Dezember joulukuu juovlamánnu<br />

(Weihnachtsmonat)<br />

Hier ist anzumerken, dass die Wörter für den Januar, März, April <strong>und</strong><br />

September nicht ganz so geschrieben werden, aber sie werden so<br />

ausgesprochen.<br />

Der Juni, Juli <strong>und</strong> Dezember (Sommermonat, Heumonat <strong>und</strong><br />

Weihnachtsmonat) sind also in beiden Sprachen identisch. Die meisten<br />

anderen Monatsnamen hängen mit dem Klima <strong>und</strong> der Rentierzucht<br />

zusammen:<br />

Im April schmilzt der Schnee, im Mai kommen besonders viele<br />

Rentierkälber zur Welt, im August wächst bei den Rentieren bereits das<br />

Winterfell <strong>und</strong> der September ist wie auch in Mitteleuropa der erste<br />

Herbstmonat. Der Oktober ist die Zeit der „Rentierscheidung“, bei der die<br />

Herde neu eingeteilt <strong>und</strong> ein kleiner Teil auch zum Schlachten aussortiert<br />

wird, <strong>und</strong> zugleich beginnt für viele Herden die Wanderung in südlichere<br />

Gebiete mit mehr Weideflächen im Winter. Der November ist der Monat,<br />

in dem die Polarnacht beginnt, die genauso wie die Zeit der<br />

Mitternachtssonne mehr als zwei Monate lang dauert.<br />

Daneben gibt es noch einen samischen Urkalender, der mit der<br />

432


Rentierzucht zusammenhängt <strong>und</strong> aus nicht weniger als acht Perioden<br />

besteht. Die längste dauert von Ende Dezember bis etwa Mitte März <strong>und</strong><br />

heisst „dálvi“ (Winter), während die anderen sieben einen bis eineinhalb<br />

Monate lang währen; die bekannteste heisst „geassi“ (Sommer) <strong>und</strong><br />

dauert von Ende Juni bis Ende Juli. Die nahe Verwandtschaft <strong>des</strong><br />

samischen „dálvi“ mit dem finnischen „talvi“ <strong>und</strong> dem estnischen „talv“ ist<br />

nicht zu übersehen, während „geassi“ auch noch dem finnischen „kesä“<br />

nahesteht.<br />

Bei den Zeitangaben stehen die Monatsnamen im Lokativ, also sind sie<br />

auch hier dem estnischen <strong>und</strong> finnischen Inessiv ähnlich:<br />

im Juni<br />

im Dezember<br />

im letzten Monat<br />

im nächsten Monat<br />

geassemánus<br />

juovlamánus<br />

mannan mánus<br />

boahtte mánus<br />

(im kommenden Monat)<br />

Da der Nominativ „mánnu“ lautet, findet auch hier ein Stufenwechsel statt.<br />

21. Die aus samischer Sicht wichtigsten westlichen Länder heissen so:<br />

Sápmi<br />

Lappland<br />

Suopma Finnland<br />

Ruotta<br />

Schweden<br />

(„tt“ wie starkes englisches „think“)<br />

Norga<br />

Norwegen<br />

Duiska<br />

Deutschland<br />

Nuortariika Österreich<br />

Shveitsa Schweiz<br />

(aber nicht so geschrieben)<br />

------------------------------------------------<br />

433


Als kleine Schlussbilanz dies: Obwohl vor allem beim Wortschatz die<br />

Verwandtschaft zum <strong>Finnischen</strong> teilweise gut gesehen werden kann, ist<br />

eine Verständigung zwischen den Finnen <strong>und</strong> Samen allein mit ihren<br />

beiden Sprachen unmöglich. Da ergeht es den ersteren gleich wie den<br />

Dänen, Schweden <strong>und</strong> Norwegern, die vom Färöischen <strong>und</strong> erst recht<br />

vom Isländischen auch nur den einen oder anderen Fetzen verstehen,<br />

aber eben nicht alles. Allerdings wachsen heute alle Samen min<strong>des</strong>tens<br />

zweisprachig auf, das heisst auch mit der Amtssprache <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>, in<br />

dem sie leben: Finnisch, Russisch, Norwegisch <strong>und</strong> Schwedisch. Da<br />

ergeht es ihnen also gleich wie heute den Rätoromanen in der Schweiz,<br />

den Sorben in der Lausitz <strong>und</strong> im Spreewald oder den Friesen in<br />

Deutschland <strong>und</strong> in den Niederlanden. Nicht wenige Samen wachsen<br />

sogar noch mit einer dritten Sprache auf, neben Samisch <strong>und</strong> Finnisch<br />

auch noch mit Schwedisch oder Norwegisch; dabei werden zwischen<br />

Schweden <strong>und</strong> Norwegen noch heute verschiedene Mischdialekte<br />

gesprochen, die in einer Zeit entstanden sind, als es die heutigen<br />

Lan<strong>des</strong>grenzen noch nicht gab.<br />

Zum Schluss ist noch anzufügen, dass innerhalb <strong>des</strong> Siedlungsgebiets der<br />

Samen noch zwei weitere Sprachen in Gebrauch sind, die mit dem<br />

<strong>Finnischen</strong> enger verwandt sind als das Samische, aber heute ebenso als<br />

eigenständige Sprachen gelten wie viele andere Kleinsprachen: In Nord-<br />

Norwegen das Kvenische, das etwas mehr als 10‘000 sprechen, <strong>und</strong> in<br />

Nord-Schweden das Tornedal-Finnische, das von den Einheimischen<br />

auch als „Meänkieli“ (unsere Sprache) bezeichnet wird <strong>und</strong> nördlich der<br />

Kleinstadt Haparanda <strong>und</strong> der etwas grösseren finnischen Stadt Tornio<br />

auf der anderen Seite <strong>des</strong> Tornio-Flusses nach verschiedenen Angaben<br />

immer noch zwischen 30‘000 <strong>und</strong> 70‘000 sprechen. Haparanda <strong>und</strong><br />

Tornio sind auf die gleiche Weise wie die oben erwähnte estnisch-lettische<br />

Grenzstadt Valga oder Valka als Zwillingsstädte verb<strong>und</strong>en, aber sie<br />

stellen im Gegensatz zu diesen auf beiden Seiten etwa gleich viele<br />

Einwohner.<br />

434


Ungarisch<br />

Jetzt stelle in Kurzform auch noch das Ungarische vor, das mit 13 bis 15<br />

Millionen Sprechern - es gibt verschiedene Angaben - von mehr als der<br />

Hälfte all derer gesprochen wird, die eine finno-ugrische Sprache reden.<br />

Beim ersten Hinhören klingt es zwar gleich wie Estnisch <strong>und</strong> Finnisch,<br />

aber wer sich mit dieser Sprache etwas näher befasst, stellt auch im<br />

Bereich der Phonetik bald fest, dass die beiden nördlichen Kusinen-<br />

Sprachen auffallend vokalreich sind <strong>und</strong> viele Doppelvokale haben,<br />

während im Ungarischen das genaue Gegenteil zutrifft: Dort sind die<br />

Vokale „geschlossener“ <strong>und</strong> zugleich kommen viel mehr Konsonanten <strong>und</strong><br />

Doppelkonsonanten vor.<br />

1. Der Vokal „ä“ kommt zwar nicht vor, aber diese Funktion übernimmt der<br />

Vokal „e“, während der Laut „e“ selber wie „é“ geschrieben <strong>und</strong> fast immer<br />

lang ausgesprochen wird. Wie im <strong>Estnischen</strong> gibt es zwei verschiedene<br />

„ö“ <strong>und</strong> als Zugabe auch noch zwei verschiedene „ü“, die ich auf meinem<br />

Laptop beide nicht schreiben kann. Sie unterscheiden sich dadurch, dass<br />

die schreibbaren „ö“ <strong>und</strong> „ü“ kurz ausgesprochen werden, während die<br />

beiden anderen lang sind.<br />

Diese Buchstaben weichen vom Deutschen ab:<br />

a<br />

á<br />

c<br />

cs<br />

e<br />

é<br />

gy<br />

í<br />

ly<br />

ny<br />

ó<br />

nie so klar wie im italienischen „cantare“, eher wie eine<br />

Kombination zwischen „a“ <strong>und</strong> „o“<br />

wie langes „a“<br />

wie „ts“<br />

wie „tsch“<br />

wie „ä“<br />

wie langes „e“<br />

wie „dj“ bei „Magyar“ (Ungar)<br />

wie langes „i“<br />

„l“ immer stumm (Gergely = Gergei, király = kirai = König)<br />

wie „nj“ bei „Kognak“<br />

wie langes „o“<br />

435


s<br />

ss<br />

sz<br />

ty<br />

ú<br />

v<br />

x<br />

y<br />

z<br />

zs<br />

wie „sch“ (in der Fachsprache „stimmlos“ genannt)<br />

wie starkes „sch“<br />

wie „s“ (ebenfalls stimmlos)<br />

wie „tj“ bei „tja“<br />

wie langes „u“<br />

wie „w“<br />

wie „ks“ (kommt nur in Fremdwörtern vor)<br />

wie „i“ (nur in alten Familiennamen <strong>und</strong> Fremdwörtern)<br />

wie schwaches „s“ (in der Fachsprache „stimmhaft“ genannt)<br />

wie „zh“ bei „journal“ (ebenfalls stimmhaft)<br />

2. Im Gegensatz zum <strong>Estnischen</strong>, <strong>Finnischen</strong> <strong>und</strong> Samischen wird je<strong>des</strong><br />

Wort ohne Ausnahme auf der ersten Silbe betont, <strong>und</strong> es gibt auch keine<br />

Zwischenbetonung wie im <strong>Finnischen</strong>. Das macht das Ungarische<br />

zumin<strong>des</strong>t in diesem Bereich einfacher als die beiden anderen Sprachen.<br />

3. Im Gegensatz zum <strong>Estnischen</strong>, <strong>Finnischen</strong> <strong>und</strong> Samischen gibt es<br />

keinen Stufenwechsel, aber genauso wie im <strong>Finnischen</strong> eine streng<br />

einzuhaltende Vokalharmonie, bei der zwischen sogenannten dunklen<br />

<strong>und</strong> hellen Vokalen unterschieden wird.<br />

Dunkel: a, á, o, ó, u, ú<br />

Hell<br />

: e, é, i, í, ö, ü (<strong>und</strong> das andere „ö“ <strong>und</strong> „ü“)<br />

4. Im Gegensatz zum <strong>Estnischen</strong>, <strong>Finnischen</strong> <strong>und</strong> Samischen wird im<br />

Ungarischen zwischen einem bestimmten <strong>und</strong> unbestimmten Artikel<br />

unterschieden:<br />

a = vor einem Konsonanten<br />

az = vor einem Vokal<br />

a ház = das Haus<br />

a házok = die Häuser<br />

az este = der Abend<br />

az esték = die Abende<br />

436


Wenn ein Substantiv oder Adjektiv auf einem Vokal endet, wird dieser in<br />

der Mehrzahl fast immer zu einem langen gedehnt:<br />

este = esték - jó estét! (guten Abend!)<br />

Dagegen: nap (Tag) - jó napot! (guten Tag)<br />

5. Der unbestimmte Artikel „egy“ muss nicht unbedingt immer verwendet<br />

werden, aber er kommt in den Alltagsgesprächen oft vor. In der<br />

Schriftsprache ist seine Anwendung zwar auch nicht vorgeschrieben, aber<br />

sie gilt als Ausdruck für einen gepflegteren Stil.<br />

6. Wie im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> gibt es auch im Ungarischen mehr<br />

als zehn Kasus, im ganzen sind es nicht weniger als siebzehn. Es könnte<br />

sogar noch einer mehr sein, wenn der Genitiv <strong>und</strong> der Dativ formal nicht<br />

identisch wären; dabei wird der erstere nicht als solcher empf<strong>und</strong>en, weil<br />

man ihn mit dem Dativ umschreibt. Das Hauptproblem besteht darin, dass<br />

es noch mehr als sechs Lokalfälle gibt <strong>und</strong> dass in den Alltagsgesprächen<br />

allergenaustens hingehört werden muss, damit vor allem diese<br />

auseinandergehalten werden können. Da es im Ungarischen ausser bei<br />

den vier Fällen, die vom Deutschen her bekannt sind (Nominativ, Genitiv,<br />

Dativ <strong>und</strong> Akkusativ) nicht üblich ist, die anderen Fälle mit einem Namen<br />

zu versehen, tue ich das hier auch nicht <strong>und</strong> führe die verschiedenen<br />

Kasus-Endungen so auf, wie sie auch in den Ungarisch-Lehrbüchern<br />

vorkommen.<br />

Als Beispiele für beide Bereiche der Vokalharmonie bringe ich die Wörter<br />

„ház“ (Haus) <strong>und</strong> „víz“ (Wasser), <strong>und</strong> in einer zweiten Tabelle führe ich die<br />

Mehrzahlformen für „házok“ (Häuser) <strong>und</strong> „vízek“ (Gewässer) auf:<br />

1. Nominativ das Haus a ház das Wasser a víz<br />

2. Akkusativ a házat a vízet<br />

3. Dativ dem Haus a háznak dem Wasser a víznek<br />

(Genitiv a háznak a víznek)<br />

4. -ban/-ben im Haus a házban im Wasser a vízben<br />

(drinnen)<br />

(drinnen)<br />

437


5. -ba/-be ins Haus a házba ins Wasser a vízbe<br />

(hinein)<br />

(hinein)<br />

6. -bol/-böl aus dem a házból aus dem a vízböl<br />

Haus heraus<br />

Wasser heraus<br />

7. -n/-on/ auf dem Haus, a házon auf dem Wasser, a vízen<br />

-en/-ön am Haus am Wasser<br />

8. -ra/-re auf das Haus a házra auf das Wasser a vízre<br />

(zu)<br />

(zu)<br />

9. -ról/-röl von dem Haus, a házról von dem Wasser, a vízröl<br />

über das Haus<br />

über das Wasser<br />

10. -nál/-nél beim Haus a háznál beim Wasser a víznél<br />

11. -hoz/ zum Haus (zu) a házhoz zum Wasser (zu) a vízhez<br />

-hez/-höz<br />

12. -tól/-töl vom Haus a háztól vom Wasser a víztöl<br />

(weg)<br />

(weg)<br />

13. -val/-vel mit dem Haus a házzal mit dem Wasser a vízzel<br />

14. -vá/-vé zu dem Haus a házzá zu Wasser a vízze<br />

15. -ért für das Haus, a házért für das Wasser, a vízért<br />

um das Haus<br />

um das Wasser<br />

16. -ig bis zum Haus a házig bis zum Wasser a vízig<br />

17. -ként als Haus házként als Wasser vízként<br />

Das „ö“ ist immer das mit dem Spezialzeichen darüber, wird also nicht mit<br />

zwei Punkten geschrieben <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb immer lang ausgesprochen. In<br />

den „Fällen“ 13 <strong>und</strong> 14 werden die Endungen „-val“ <strong>und</strong> „-vel“ sowie „-vá“<br />

<strong>und</strong> „-vé“ immer mit dem nachfolgenden Konsonanten verschmolzen.<br />

Der „Fall“ 16 kann mit dem estnischen Terminativ verglichen werden,<br />

während der „Fall“ 17 dem Essiv in allen drei nordischen Sprachen<br />

gleichkommt.<br />

438


Anzumerken ist noch, dass ich in den neun „Lokalfällen“ von 4 bis 12 nicht<br />

die gleiche Reihenfolge wie in anderen Lehrbüchern einhalte, weil es mir<br />

genauso wie im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> logischer scheint, dass in<br />

einem Dreierpaket zuerst das Naheliegendste, dann das Zugehende <strong>und</strong><br />

erst am Schluss das Weggehende aufgeführt werden. Während die „Fälle“<br />

4, 5 <strong>und</strong> 6 mit dem estnischen <strong>und</strong> finnischen Inessiv, Illativ <strong>und</strong> Elativ<br />

verglichen werden können, sind die „Fälle“ 7 bis 12 nicht immer leicht<br />

auseinanderzuhalten, aber es wird von den Fremdsprachigen auch nicht<br />

erwartet, dass sie diese meistern können; dafür wäre sowieso ein längerer<br />

Aufenthalt in Ungarn unumgänglich.<br />

Da es im Ungarischen keinen Stufenwechsel <strong>und</strong> auch keinen Partitiv gibt,<br />

wie in der obigen Tabelle gesehen werden kann, ist es möglich, alle<br />

Mehrzahlformen dadurch zu bilden, dass einfach nur ein „-ak-“, ein „-ek-„<br />

oder ein „-ok-„ dazwischengeschoben werden. Die einzigen Ausnahmen<br />

sind auch hier die „Fälle“ 13 <strong>und</strong> 14, wo die Endungen „-val“ <strong>und</strong> „-vel“<br />

sowie „vá“ <strong>und</strong> „vé“ immer mit dem direkt davorstehenden Konsonanten<br />

verschmelzen:<br />

a házak (die Häuser), a házakat, a házaknak, a házakban, a házakba, a<br />

házakból, a házakon, a házakra, a házakról, a házaknál, a házakhoz, a<br />

házaktól, a házakkal (mit den Häusern), a házakká (zu Häusern), a<br />

házakért, a házakig, házakként<br />

a vízek (die Gewässer), a vízeket, a vízeknek, a vízekbe, a vízekben, a<br />

vízekböl, a vízeken, a vízekre, a vízekröl, a vízeknél, a vízekhez, a<br />

vízektöl, a vízekkel (mit den Gewässern), a vízekké (zu Gewässern), a<br />

vízekért, a vízekig, vízekkén<br />

Da es im Ungarischen also keinen Stufenwechsel <strong>und</strong> keinen Partitiv wie<br />

im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> gibt, scheint diese Sprache auf den ersten<br />

Blick ein wenig leichter zu sein, aber dafür weist diese Sprache auf einer<br />

anderen Ebene besondere Schwierigkeitsgrade auf, welche die drei<br />

nordischen nicht haben.<br />

7. Für die Bildung <strong>des</strong> Genitivs haben alle, die Deutsch oder<br />

Niederländisch als Muttersprache haben, einen kleinen Vorteil, weil er<br />

genau gleich konstruiert wird, wie es in der Umgangssprache häufig zu<br />

hören ist:<br />

439


Peters Haus = dem Peter sein Haus<br />

Pieter’s huis = de Pieter zijn huis<br />

Im Ungarischen geht es so:<br />

A Péter háza (Peters Haus)<br />

A Péter autója (Peters Auto)<br />

Nach einem Vokal wird immer ein „j“ dazwischengeschoben.<br />

Während der eigentliche Besitzer unverändert bleibt, wird an das besitzte<br />

Objekt das Possessivpronomen der dritten Person Einzahl angehängt.<br />

Allerdings gilt das nur für die Einzahl; bei der Mehrzahl gibt es hinten noch<br />

besondere Veränderungen, auf die ich weiter unten noch näher eingehe.<br />

8. Genauso wie im Samischen bleiben die Adjektive in attributiver<br />

Stellung, also direkt vor dem Substantiv, auf die sie sich beziehen, immer<br />

unverändert, aber in prädikativer Stellung gibt es eine Mehrzahlendung,<br />

während das vorangestellte Adjektiv in der Einzahl das gleiche ist; es<br />

kommen also im Gegensatz zum Samischen nur zwei Adjektiv-Varianten<br />

vor. Die Mehrzahlendungen sind nach den Gesetzen der Vokalharmonie<br />

diese: -ak, -ek, -ok, -k (nach einem Vokal)<br />

rossz - rosszak (schlecht)<br />

idegen - idegenek (fremd)<br />

szabad - szabadok (frei)<br />

jó - jók (gut)<br />

egy jó férfi<br />

gute Männer<br />

a férfi jó van<br />

a férfik jók vannak<br />

a jó férfijért<br />

a jó férfikért<br />

ein guter Mann<br />

jó férfik<br />

der Mann ist gut<br />

die Männer sind gut<br />

für den guten Mann<br />

für die guten Männer<br />

440


In Verbindung mit einem Kasus steht auch bei einem Adjektiv die<br />

entsprechende Endung, wenn es allein steht:<br />

A jóban vagyok.<br />

A jóba megyek.<br />

A jóból jövök.<br />

Ich bin im guten (Haus).<br />

Ich gehe ins gute (Haus) hinein.<br />

Ich komme aus dem guten (Haus).<br />

9. Die Steigerung der Adjektive ist erfrischend einfach, weil es genügt,<br />

beim Komparativ hinten ein „-abb“ oder „-ebb“ anzuhängen, wenn ein Wort<br />

auf einem Konsonanten endet, oder nur durch „bb“ zu ergänzen, wenn es<br />

auf einem Vokal endet, <strong>und</strong> beim Superlativ kommt noch ein<br />

vorangestelltes „leg-„ hinzu:<br />

magas hoch mély tief<br />

a magasabb der höhere a mélyebb der tiefere<br />

a magasokabb die höheren a mélyekebb die tieferen<br />

a legmagasabb der höchste a legmélyebb der tiefste<br />

a legmagasokabb die höchsten a legmélekebb die tiefsten<br />

szabad frei olcsó billig<br />

a szabadabb der freiere az olcsobb der billigere<br />

a szabadokabb die freieren az olcsokobb die billigeren<br />

a legszabadabb der freieste a legolcsobb der billigste<br />

a legszabadokabb die freiesten a legolcsokobb die billigsten<br />

Bei den Adjektiven, die auf „-u“ <strong>und</strong> „-ü“ enden, entfallen diese, aber nur<br />

in der Einzahl:<br />

hosszú lang könnyü leicht<br />

a hosszabb der längere a könnyebb der leichtere<br />

a hosszukabb die längeren a könnyükebb die leichteren<br />

441


a leghosszabb der längste a legkönnyebb der leichteste<br />

a leghosszukabb die längsten a legkönnyükebb die leichtesten<br />

lassú<br />

a lassabb<br />

a lassukabb<br />

a leglassabb<br />

a leglassukabb<br />

langsam<br />

der langsamere<br />

die langsameren<br />

der langsamste<br />

die langsamsten<br />

Wenn die letzte Silbe einen langen Vokal enthält, wird dieser also wie<br />

oben immer verkürzt, aber meistens auch noch die vorderen langen<br />

Vokale:<br />

jó gut szép schön<br />

a jobb der bessere a szebb der schönere<br />

a jokobb die besseren a szepekebb die schöneren<br />

a legjobb der beste a legszebb der schönste<br />

a legjokobb die besten a legszepekebb die schönsten<br />

nehéz<br />

a nehezebb<br />

a nehezekebb<br />

a legnehezebb<br />

a legnehezekebb<br />

schwer<br />

der schwerere<br />

die schwereren<br />

der schwerste<br />

die schwersten<br />

Unregelmässig ist nur das Wort „sok“ (viel), aber nicht „kevés“ (wenig):<br />

sok viel kevés wenig<br />

több mehr kevesebb weniger<br />

legtöbb am meisten legkevesebb am wenigsten<br />

442


Was bei einem Vergleich im <strong>Estnischen</strong> „kui“ <strong>und</strong> im <strong>Finnischen</strong> „kuin“<br />

sind, ist im Ungarischen „mint“:<br />

D: Ursula ist grösser als Leena <strong>und</strong> Ilkka ist jünger als Matti.<br />

E: Ursula on suurem kui Leena ja Ilka on noorem kui Mati.<br />

F: Ursula on suurempi kuin Leena ja Ilkka on nuorempi kuin Matti.<br />

U: Urszula nagyobb mint Léna (van) és Ilkka fiatalobb mint Matti (van).<br />

Auch im Ungarischen ist es möglich, eine Steigerung als zweite Variante<br />

durch einen „Fall“ auszudrücken, <strong>und</strong> zwar gemäss der Vokalharmonie mit<br />

den Endungen „-nál“ <strong>und</strong> „-nél“, wie das im <strong>Estnischen</strong> mit dem Elativ <strong>und</strong><br />

im <strong>Finnischen</strong> mit dem Partitiv gemacht werden kann. Der gleiche Satz<br />

wie oben lautet also:<br />

E: Ursula on Leenast suurem ja Ilka on Matist noorem.<br />

F: Ursula on Leenaa suurempi ja Ilkka on Mattia nuorempi.<br />

U: Urszula Lénanál nagyobb (van) és Ilkka Mattinál fiatalobb (van).<br />

Bei den verschiedenen Kasus werden einfach die entsprechenden<br />

Endungen hinten angehängt, wenn hinten kein Substantiv folgt:<br />

a legszebb házban<br />

a legszebb házokban<br />

a legszebben vagyok<br />

a legszepekebben vagyok<br />

a legszebbhez megyek<br />

a legszepekhez megyek<br />

a legszebbtöl jövök<br />

a legszepektöl jövök<br />

im schönsten Haus<br />

in den schönsten Häusern<br />

ich bin im schönsten (Haus)<br />

ich bin in den schönsten (Häusern)<br />

ich gehe zum schönsten (Haus)<br />

ich gehe zu den schönsten (Häusern)<br />

ich komme vom schönsten (Haus)<br />

ich komme von den schönsten (Häusern)<br />

Im ungarischen „Inessiv“ (mit der Endung „-ben“) fällt also ein „b“ weg. Das<br />

Gleiche gilt auch für die „Fälle“ 5, 6, 13 <strong>und</strong> 14.<br />

443


10. Bei der Bildung <strong>des</strong> Adverbs gibt es zwar nur wenige Endungen, aber<br />

der Komparativ wird nicht immer regelmässig gebildet:<br />

-n, -an, -en; -ul, -ül<br />

szép (schön) - szépen<br />

rossz (schlecht) - rosszul<br />

Steigerung<br />

szebben, legszebben<br />

rosszabul, legrosszabul<br />

Drei Zeitausdrücke werden ebenfalls unregelmässig gesteigert:<br />

gyakran (oft) - gyakrabban (öfter, häufiger) - leggyakrabban<br />

(am häufigsten)<br />

korán (früh) - korábban (früher) - legkorábban (am frühesten)<br />

késön - (spät) - késöbb(en) (später) - legkésöbb(en) (am spätesten)<br />

11. Auch die Personalpronomina werden durchdekliniert:<br />

ich du er, sie, es<br />

1. Nom. én te ö<br />

2. Akk. engem téged öt (mich…)<br />

3. Dativ nekem neked neki (mir…)<br />

4. bennem benned benne (in mir drinnen…)<br />

5. belém beléd bele (in mich hinein…)<br />

6. belölem belöled belöle (aus/von mir heraus…)<br />

7. rajtam rajtad rajta (auf/an mir…)<br />

8. rám rád rá (auf/an mich…)<br />

9. rólam rólad róla (von mir, über mich…)<br />

10. nálam nálad nála (bei mir…)<br />

11. hozzám hozzád hozzá (zu mir hin…)<br />

12. tölem töled töle (von mir…)<br />

444


13. velem veled vele (mit mir…)<br />

14. értem érted érte (für mich…)<br />

wir ihr sie<br />

1. Nom. mi ti ök<br />

2. Akk. minket, titeket, öket (uns…)<br />

bennünket benneteket<br />

3. Dativ nekünk nektek nekik (uns…)<br />

4. bennünk bennetek bennük (in uns drinnen…)<br />

5. belénk belétek beléjük (in uns hinein…)<br />

6. belölünk belöletek belölük (aus/von uns<br />

heraus…)<br />

7. rajtunk rajtatok rajtuk (auf/an uns…)<br />

8. ránk rátok rájuk (auf/an uns…)<br />

9. rólunk rólatok róluk (von/über uns…)<br />

10. nálunk nálatok náluk (bei uns…)<br />

11. hozzánk hozzátok hozzájuk (zu uns hin…)<br />

12. tölünk töletek tölük (von uns…)<br />

13. velünk veletek velük (mit uns…)<br />

14. értünk értetek értük (für uns…)<br />

Bei den Personalpronomina fehlen also die beiden Endungen, die bei den<br />

Substantiven möglich sind:<br />

-ig, -ként<br />

Alle „ö“ enthalten auch auf diesen beiden Listen darüber das<br />

Sonderzeichen an Stelle der zwei Punkte, also werden sie lang<br />

ausgesprochen.<br />

445


12. Bei den Possessivpronomina wird nach den Gesetzen der<br />

Vokalharmonie genauso wie im <strong>Finnischen</strong> alles hinten angehängt:<br />

mein usw.<br />

dein usw.<br />

: -m, -am, -om, -em, -öm<br />

: -d, -ad, -od, -ed, -öd<br />

sein/ihr usw.: -ja, -je, -(j)a, -(j)je<br />

unser usw. : -nk, -unk, -ünk<br />

euer usw. : -tok, -tek, -tök; -atok, -otok, -etek, -ötök<br />

ihr usw.<br />

: -juk, -jük, -(j)uk, -(j)ük<br />

Beispiele in der Einzahl:<br />

mein Haus usw. mein Wasser usw. mein Abend usw. mein Auto usw.<br />

a házam a vízem az estém az autóm<br />

a házad a vízed az estéd az autód<br />

a háza a víze az estéje az autója<br />

a házunk a vízünk az esténk az autónk<br />

a házatok a vízetek az estétek az autótok<br />

a házuk a vízük az estéjük az autójuk<br />

Wie in mehreren romanischen Sprachen (Italienisch, Rumänisch,<br />

Friaulisch, Surmeirisch, Sardisch, Katalanisch <strong>und</strong> Portugiesisch) muss<br />

der bestimmte Artikel in Verbindung mit einem Possessivpronomen<br />

ausser bei Mitgliedern der eigenen Familie <strong>und</strong> Sippschaft - mio padre,<br />

mia mamma usw. - immer mitverwendet werden; dabei steht vor einem<br />

Konsonanten „a“ <strong>und</strong> vor einem Vokal „az“. In „modernen“ Ungarisch-<br />

Lehrbüchern, von denen es zwar immer noch nur wenige gibt, kommt es<br />

da <strong>und</strong> dort vor, dass vermittelt wird, der bestimmte Artikel sei nicht immer<br />

notwendig, aber das ist eindeutig nicht korrekt.<br />

Wenn ein Substantiv auf einem Vokal endet, wird in den beiden dritten<br />

Personen noch ein „j“ eingefügt, ganz gleich ob der Vokal kurz oder lang<br />

ist: esté, auto (beim Possesssivpronomen zu „autó“ verlängert).<br />

446


Da es in der Mehrzahl viel schwerer ist, führe ich hier nur die Varianten<br />

von „házok“ <strong>und</strong> „estéjek“ auf:<br />

meine Häuser usw.<br />

a házaim<br />

a házaid<br />

a házai<br />

a házaink<br />

a házaitok<br />

a házaik<br />

meine Abende usw.<br />

az estéim<br />

az estéid<br />

az estéi<br />

az estéink<br />

az estéitek<br />

az estéik<br />

Bei einer Betonung wird das entsprechende Personalpronomen im<br />

Nominativ dazwischen eingefügt:<br />

mein Haus a házam meine Häuser a házaim<br />

mein Haus az én házam meine Häuser az én házaim<br />

Ich bin in meinem Haus.<br />

Ich bin in meinem Haus.<br />

Ich bin in meinen Häusern.<br />

Ich bin in meinen Häusern.<br />

Ich gehe zu meinem Haus.<br />

Ich gehe zu meinem Haus.<br />

Ich gehe zu meinen Häusern.<br />

Ich gehe zu meinen Häusern.<br />

Ich komme aus meinem Haus.<br />

Ich komme aus meinem Haus.<br />

Ich komme aus meinen Häusern.<br />

Ich komme aus meinen Häusern.<br />

A házamban vagyok.<br />

Az én házamban vagyok.<br />

A házaimban vagyok.<br />

Az én házaimban vagyok.<br />

A házamhoz megyek.<br />

Az én házamhoz megyek.<br />

A házaimhoz megyek.<br />

Az én házaimhoz megyek.<br />

A házamból jövök.<br />

Az én házamból jövök.<br />

A házaimból jövök.<br />

Az én házaimból jövök.<br />

447


Im Gegensatz zum <strong>Finnischen</strong> steht im Ungarischen die Endung, die den<br />

„Fall“ anzeigt, also ganz hinten <strong>und</strong> ist nicht so wie dort ein Infix vor der<br />

Endung, der das entsprechende Possessivpronomen folgt:<br />

Ich bin in meinem Haus.<br />

A házamban vagyok.<br />

Minä olen talossani.<br />

Ich bin in meinen Häusern.<br />

A házaimban vagyok.<br />

Minä olen taloissani.<br />

Ich gehe zu meinem Haus.<br />

A házamhoz megyek.<br />

Minä menen talossaani.<br />

Ich gehe zu meinen Häusern.<br />

A házaimhoz megyek.<br />

Minä menen taloissaani.<br />

Ich komme aus meinem Haus.<br />

A házamból jövök.<br />

Minä tulen talostani.<br />

Ich komme aus meinen Häusern.<br />

A házaimból jövök.<br />

Minä tulen taloistani.<br />

Achtung vor einer möglichen Verwechslung beim Einschätzen der<br />

Distanzen:<br />

Ich bin bei meinem Haus.<br />

Ich komme von meinem Haus.<br />

A házamnál vagyok.<br />

Minä olen talollani.<br />

A házámtól jövök.<br />

Minä tulen taloltani.<br />

Bei einer Betonung mit dem Personalpronomen allein gibt es wieder<br />

eigene Formen:<br />

Das ist meines, deines usw.<br />

Ez az enyém.<br />

Ez az teyéd.<br />

Ez az övé.<br />

448<br />

Das sind meine, deine usw.<br />

Ez az enyéim.<br />

Ez az teyéid.<br />

Ez az övéi.


Ez az miénk.<br />

Ez az tiénk.<br />

Ez az övék.<br />

Ez az miéink.<br />

Ez az tiéink.<br />

Ez az övéik.<br />

Wie wir unten noch sehen, werden im Ungarischen die beiden Wörter<br />

„van“ <strong>und</strong> „vannak“ (ist, sind) fast immer weggelassen, aber für die<br />

Fremdsprachigen empfiehlt sich zum Vermeiden von Missverständnissen<br />

ihre Mitverwendung.<br />

13. Der schon vorgestellte bestimmte Artikel „az“, der zugleich „jene(r)“<br />

<strong>und</strong> „jenes“ bedeutet, also auch ein Demonstrativpronomen ist, <strong>und</strong> das<br />

andere Demonstrativpronomen „ez“, das „diese(r)“ <strong>und</strong> „dieses“ bedeutet,<br />

werden ebenfalls durchdekliniert:<br />

dieses Haus ez a ház jenes Haus, az a ház<br />

das Haus da<br />

Einzahl:<br />

Mehrzahl:<br />

Nom. ez a ház ezek a házak<br />

az a ház<br />

azak a házak<br />

Akk. ezt a házt ezeket a házakat<br />

azt a házt<br />

azakat a házakat<br />

Dativ eznek a háznak ezeknek a házaknak<br />

aznak a háznak azaknak a házaknak<br />

4. ebben a házban ezekben a házakban<br />

abban a házban azakban a házakban<br />

5. ebbe a házba ezekbe a házakba<br />

abba a házba azakba a házakba<br />

6. ebböl a házból ezekböl a házakból<br />

abbal a házból azakból a házakból<br />

449


7. ezen a házon ezeken a házakon<br />

azan a házon azakon a házakon<br />

8. erre a házra ezekre a házakra<br />

arra a házra<br />

azakra a házakra<br />

9. erröl a házról ezekröl a házakról<br />

arról a házról azakról a házakról<br />

10. ennél a háznál ezeknél a házaknál<br />

annál a háznál azaknál a házaknál<br />

11. ehhez a házhoz ezekhez a házakhoz<br />

ahhoz a házhoz azakhoz a házakhoz<br />

12. ettól a háztól ezektöl a házaktól<br />

attól a háztól azaktól a házaktól<br />

13. evvel a házzal ezekkel a házakkol<br />

avval a házzal azakkal a házakkol<br />

14. evve a házza ezekke a házakka<br />

avva a házza azakka a házakka<br />

15. ezért a házért ezekért a házakért<br />

azért a házert azakért a házakért<br />

16. ezig a házig ezekig a házakig<br />

azig a házig<br />

azakig a házakig<br />

17. ekként a házként ezekként a házakként<br />

akként a házként azakként a házakként<br />

Beim Anblick solcher Deklinationstabellen, die sicher nicht leichter als die<br />

estnischen <strong>und</strong> finnischen zu meistern sind, erinnert man sich auch hier<br />

wieder sehnsüchtig daran, wie einfach es zum Beispiel im Englischen ist:<br />

in this house, in that house, in these houses, in those houses<br />

to this house, to that house, to these houses, to those houses<br />

450


from this house, from that house, from these houses, from those houses<br />

for this house, for that house, for these houses, for those houses<br />

usw.<br />

14. Im Gegensatz zum <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong>, aber genau gleich wie<br />

im Samischen gibt es im Ungarischen keine Präpositionen, sondern nur<br />

Postpositionen:<br />

hinter dem Haus hinter meinem Haus hinter meinen Häusern<br />

a ház mögött a házam mögött a házaim mögött<br />

unter dem Haus unter meinem Haus unter meinen Häusern<br />

a ház alatt a házam alatt a házaim alatt<br />

Auch diese können mit einem Personalpronomen direkt verb<strong>und</strong>en<br />

werden:<br />

hinter mir mögöttem unter mir alattam<br />

hinter dir mögötted unter dir alattad<br />

hinter ihm/ihr mögötte unter ihm/ihr alatta<br />

hinter uns mögöttünk unter uns alattunk<br />

hinter euch mögöttötök unter euch alattatok<br />

hinter ihnen mögöttük unter ihnen alattuk<br />

15. Bei den Verben gibt es im Ungarischen im Gegensatz zum <strong>Estnischen</strong>,<br />

<strong>Finnischen</strong> <strong>und</strong> Samischen formal nur drei verschiedene Zeiten:<br />

Präsens, Imperfekt (das in den Ungarisch-Lehrbüchern Präteritum<br />

genannt wird) <strong>und</strong> Futur I (einfache Zukunft).<br />

Beim Verb „lenni“ (sein) sieht die Konjugation in diesen drei Zeiten so aus:<br />

ich bin usw. ich war usw. ich werde sein usw.<br />

451


vagyok voltám leszek<br />

vagy voltál leszel<br />

van volt lesz<br />

vagyunk voltunk leszünk<br />

vagytok voltatok lesztek<br />

vannak voltak lesznek<br />

Im Präsens können die Wörter „van“ <strong>und</strong> „vannak“ bei einer einfachen<br />

Aussage auch ausgelassen werden:<br />

Peter ist ein guter Junge.<br />

Sie sind gute Menschen.<br />

Péter (egy) jó fiú (van).<br />

Ök jó emberek (vannak).<br />

Dagegen müssen die entsprechenden Verbformen im Präteritum <strong>und</strong><br />

Futur (volt, voltak - lesz, lesznek) immer mitverwendet werden, sonst<br />

würde das zu Missverständnissen führen.<br />

Auch wenn „haben“ ausgedrückt wird, auf das ich gleich zu sprechen<br />

komme, darf „van“ genauso wie „volt“ <strong>und</strong> „lesz“ nie weggelassen werden.<br />

Im Präteritum <strong>und</strong> im Futur I bedeuten diese Konjugationen auch „ich<br />

wurde“ usw. <strong>und</strong> „ich werde“ usw.<br />

Daneben gibt es noch ein Konditional Präsens <strong>und</strong> ein Konditional<br />

Präteritum:<br />

ich wäre, ich würde sein usw.<br />

lennék, volnék<br />

lennél, volnál<br />

lenne, volna<br />

lennénk, volnánk<br />

lennétek, volnátok<br />

lennének, volnának<br />

ich wäre gewesen usw.<br />

lettem volna<br />

lettél volna<br />

lett volna<br />

lettünk volna<br />

lettetek volna<br />

lettek volna<br />

452


Das Konditional Präsens hat also zwei verschiedene Konjugationen, alle<br />

drei Konjugationen haben auch hier zugleich die Bedeutung von „werden“.<br />

Da es auch im Ungarischen kein eigenes Verb für „haben“ gibt, wird es<br />

genauso wie im <strong>Estnischen</strong>, <strong>Finnischen</strong> <strong>und</strong> Samischen mit „lenni“<br />

umschrieben, genauer mit den Formen der dritten Person Einzahl, aber<br />

an Stelle einer Kasus-Endung wird ans Substantiv oder Adjektiv nur die<br />

entsprechende Possessiv-Endung angehängt:<br />

Ich habe/hatte/hätte ein Haus.<br />

Házam van/volt/lenne/volna.<br />

Ich habe/hatte/hätte Häuser.<br />

Házaim van/volt/lenne/volna.<br />

Ich werde ein Haus haben.<br />

Házam lesz.<br />

Ich werde Häuser haben.<br />

Házaim lesz.<br />

Du hast/hattest/hättest ein Haus.<br />

Házad van/volt/lenne/volna.<br />

Du hast/hattest/hättest Häuser.<br />

Házaid van/volt/lenne/volna.<br />

Du wirst ein Haus haben.<br />

Házad lesz.<br />

Du wirst Häuser haben.<br />

Házaid lesz.<br />

Beim Konditional Präteritum entfällt die Possessivendung, weil diese in<br />

der Verbkonstruktion schon enthalten ist, aber dafür wird meistens noch<br />

der unbestimmte Artikel mitverwendet, der eigentlich nur bei einer<br />

Betonung obligatorisch ist:<br />

Ich hätte ein Haus gehabt.<br />

Ich hätte Häuser gehabt.<br />

Du hättest ein Haus gehabt.<br />

Du hättest Häuser gehabt.<br />

Egy ház lettem volna.<br />

Házok lettem volna.<br />

Egy ház lettél volna.<br />

Házok lettél volna.<br />

Bei einer Zahl steht das Substantiv so wie überall auch hier immer in der<br />

Einzahl:<br />

453


Ich habe/hatte/hätte zwei Häuser.<br />

Két házam van/volt/lenne/volna.<br />

Ich werde zwei Häuser haben.<br />

Két házam lesz.<br />

Ich hätte zwei Häuser gehabt.<br />

Két ház lettem volna.<br />

Du hast/hattest/hättest zwei Häuser.<br />

Két házad van/volt/lenne/volna.<br />

Du wirst zwei Häuser haben.<br />

Két házad lesz.<br />

Du hättest zwei Häuser gehabt.<br />

Két ház lettél volna.<br />

Gerade in solchen Sätzen wird das Personalpronomen im Nominativ, das<br />

sonst nur bei einer Betonung verwendet wird, in den Alltagsgesprächen<br />

häufig mitgesagt:<br />

En (két) házam van, én házaim van, én két ház lettem volna.<br />

Te (két) házad van, te házaid van, te két ház lettél volna.<br />

16. Das Verb „lenni“ ist das Einzige, das im Futur mit nur einem Wort<br />

gebildet wird; alle anderen müssen mit dem konjugierten Verb „fogni“, das<br />

ebenfalls „werden“ bedeutet, umschrieben werden:<br />

ich werde gehen usw.<br />

fogok menni<br />

fogsz menni<br />

fog menni<br />

fugunk menni<br />

fogtok menni<br />

fognak menni<br />

ich werde kommen usw.<br />

fogok jönni<br />

fogsz jönni<br />

fog jönni<br />

fogunk jönni<br />

fogtok jönni<br />

fognak jönni<br />

454


Gerade „menni“ <strong>und</strong> „jönni“, die so wie in allen anderen Sprachen zu den<br />

häufigsten gehören, werden unregelmässig konjugiert.<br />

Präsens:<br />

megyek<br />

jövök<br />

mész jössz *<br />

megy<br />

megyünk<br />

mentek<br />

mennek<br />

jön<br />

jövünk<br />

jöttök<br />

jönnek<br />

* Dieses Wort wird „jöss“ ausgesprochen.<br />

Wenn zwei oder mehr, die beide Subjekte eines Satzes <strong>und</strong> Substantive<br />

oder Adjektive sind, die gleiche Tätigkeit ausüben, kann auch die dritte<br />

Person Einzahl stehen:<br />

Ursula <strong>und</strong> Ilkka kommen <strong>und</strong> gehen immer zusammen.<br />

Urszula és Ilkka mindig együtt jön és megy.<br />

Die Roten <strong>und</strong> (die) Braunen glauben nicht an Gott.<br />

A pirosok és a barnák nem hisz Istenben.<br />

(rot = piros, braun = barna, glauben = hiszni)<br />

17. Bei einer Verneinung gibt es keine Verneinungs-Konjugation wie im<br />

<strong>Finnischen</strong> <strong>und</strong> Samischen, sondern wie im <strong>Estnischen</strong> für alle Zeiten <strong>und</strong><br />

Personen nur ein Wort: Nem. Dieses steht immer direkt vor dem Verb, auf<br />

das es sich bezieht, <strong>und</strong> im Gegensatz zu einer bejahenden Aussage<br />

ausser in der dichterischen Sprache nie am Satzende:<br />

Ich bin nicht. Ich war nicht. Ich werde nicht sein.<br />

Nem vagyok. Nem voltam. Nem leszek.<br />

455


Ich gehe nicht. Ich komme nicht. Ich werde nicht gehen/kommen.<br />

Nem megyek. Nem jövök. Nem fogok menni/jönni.<br />

Bei zwei verneinten Aussagen steht „sem“ an Stelle von „nem“, wenn<br />

„auch nicht“ ausgedrückt wird:<br />

Du gehst nicht <strong>und</strong> ich gehe auch nicht.<br />

Te nem megy és én sem megyek.<br />

Wenn in einem solchen Satz nur eine Person vorkommt, steht „nem is“:<br />

Ich lese nicht <strong>und</strong> schreibe auch nicht.<br />

Nem olvasok és nem is írok.<br />

Sowohl „és“ (<strong>und</strong>) als auch „is“ (auch) kommen sehr häufig vor, dabei wird<br />

„is“ im Satz immer betont.<br />

Bei der Umschreibung von „haben“ heisst es im Präsens in der Einzahl<br />

„nincs“ <strong>und</strong> in der Mehrzahl „nincsenek“:<br />

Ich habe kein Haus.<br />

Ich habe keine Häuser. Ich habe nicht zwei Häuser.<br />

Házam nincs. Házaim nincsenek. Két házam nincs.<br />

aber: Ich hatte/hätte kein Haus.<br />

Házam nem volt/lenne/volna.<br />

Ich werde kein Haus haben.<br />

Házam nem lesz.<br />

Ich hätte kein Haus gehabt.<br />

Házam nem lettem volna.<br />

Bei „auch nicht“ ersetzen „sincs“ <strong>und</strong> „sincsenek“ die beiden obigen Wörter<br />

„nincs“ <strong>und</strong> „nincsenek“:<br />

456


Ich habe auch kein Haus.<br />

Házam sincs.<br />

Ich habe auch keine Häuser.<br />

Házaim sincsenek.<br />

Ich habe auch keine zwei Häuser.<br />

Két házam sincs.<br />

In Verbindung mit einer Zahl werden also immer die Einzahlwörter „nincs“<br />

<strong>und</strong> „sincs“ verwendet.<br />

18. Bei Fragesätzen gibt es im Ungarischen kein Spezialfragewort wie<br />

„kas“ im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> keine Endungen wie „-ko“ <strong>und</strong> „-kö“ im <strong>Finnischen</strong><br />

<strong>und</strong> „-go“ im Samischen. Wie im Deutschen kommt es auf die Satzmelodie<br />

an, damit erkannt werden kann, ob gefragt wird oder nicht. Dabei gibt es<br />

nur ein „ja“, also nicht mehrere Varianten wie in den drei nordischen<br />

Sprachen:<br />

ja = igen<br />

Genauso wie im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> kann bei einer<br />

entsprechenden Frage einfach mit „nincs“ geantwortet werden, wenn nach<br />

einem Besitz gefragt <strong>und</strong> als Antwort verneint wird:<br />

D: Hast du ein Haus? Nein (habe ich nicht). Habt ihr Geld? Nein.<br />

E: Kas sinul on maja? Ei. Kas teil on rahat? Ei.<br />

F: Onko sinulla talo? Ei. Onko teillä on rahaa? Ei.<br />

U: Házad van? Nincs. Pénzetek van? Nincs.<br />

(Geld = pénz)<br />

19. Jetzt kommt der Grammatikteil, der im Ungarischen als der<br />

schwierigste gilt, obwohl dieser nach meiner Meinung leichter zu meistern<br />

ist als die vielen Deklinationstabellen. Genauso wie im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Finnischen</strong> wird bei einer Aussage, die mit einem Objekt verb<strong>und</strong>en wird,<br />

zwischen einer Teilmenge <strong>und</strong> einer vollen Menge unterschieden, aber im<br />

Gegensatz zu diesen beiden drückt sich das im Ungarischen nicht in den<br />

457


Kasus aus, sondern in den Verben. Es wird also zwischen einer<br />

intransitiven <strong>und</strong> einer transitiven Konjugation entschieden, <strong>und</strong> das gilt<br />

für alle Zeiten. Abgesehen von ein paar wenigen Ausnahmen gelten für<br />

alle Verben die gleichen Regeln.<br />

Was eine intransitive Konjugation ist - also eine Tätigkeit, die jemand an<br />

sich selber ausführt -, zeigen die beiden oben aufgeführten Verben<br />

„menni“ (gehen) <strong>und</strong> „jönni“ (kommen):<br />

megyek, mész, megy, megyünk, mentek, mennek<br />

jövök, jössz, jön, jövünk, jöttök, jönnek<br />

Bei Verben, die von ihrem Sinn her eine transitive Konjugation<br />

ermöglichen, gibt es also zwei Varianten, die aber mit dem Aspektsystem<br />

der slawischen Sprachen nichts zu tun haben, weil auch das Ungarische<br />

genauso wie das Finnische <strong>und</strong> Samische nur je einen Infinitiv kennt.<br />

Zwei kleine Beispiele zeigen den entscheidenden Unterschied:<br />

ich schreibe ich schreibe ein Buch ich schreibe zwei Bücher<br />

írok egy könyvet írok két könyvet írok<br />

ich schreibe das Buch/die Bücher<br />

a könyvet/a könyveket írom<br />

ich schreibe die zwei Bücher<br />

a két könyvet írom<br />

ich schreibe es (das Buch)/sie (die Bücher)<br />

írom<br />

Da auch „zwei Bücher“ als eine Teilmenge empf<strong>und</strong>en wird, steht hier<br />

ebenfalls die intransitive Konjugation. Das Gleiche gilt, wenn von einer<br />

Sprache die Rede ist oder auch wenn nur mit „was“ gefragt wird:<br />

Ich spreche Deutsch <strong>und</strong> Ungarisch.<br />

Németül és magyarul beszélek.<br />

(also nicht «beszélem»)<br />

458<br />

Was machst du?<br />

Mit csinál?<br />

(also nicht „csinád“)


Mit einem bestimmten Artikel <strong>und</strong> bei einer Aussage, die sich auf etwas<br />

gerade Gesagtes oder Geschriebenes bezieht (írom), wird immer die<br />

transitive Konjugation verwendet, aber auch in Sätzen, die sich auf etwas<br />

beziehen, das gleich folgen wird:<br />

Ich sage euch, dass…<br />

Mondom nektek, hogy…<br />

(also nicht „mondok“)<br />

Als Beispiele für alle Zeiten führe ich hier nicht die Verben „menni“ <strong>und</strong><br />

„jönni“ auf, weil diese unregelmässig gebildet werden, sondern die beiden<br />

transitiven Verben „adni“ (geben) <strong>und</strong> „kérni“ (bitten), die regelmässig sind<br />

<strong>und</strong> zudem in allen Ungarisch-Lehrbüchern an vorderster Stelle stehen:<br />

Präsens:<br />

ich gebe usw. ich gebe es usw. ich bitte usw. ich bitte darum usw.<br />

adok adom kérek kérem<br />

adsz adod kérsz kéred<br />

ad adja kér kéri<br />

adunk adjuk kérünk kérjük<br />

adtok adjátok kértek kéritek<br />

adnak adják kérnek kérik<br />

Präteritum:<br />

ich gab usw. ich gab es usw. ich bat usw. ich bat darum usw.<br />

adtam adtam kértem kértem<br />

adtál adtad kértél kérted<br />

adott adta kért kérte<br />

adtunk adtuk kértünk kértük<br />

adtatok adtátok kértetek kértétek<br />

adtak adták kértek kérték<br />

459


Konditional:<br />

ich würde geben ich würde es geben ich würde bitten ich würde<br />

usw. usw. usw. darum bitten<br />

adnék adnám kérnék kérném<br />

adnál adnád kérnél kérnéd<br />

adna adná kérne kérné<br />

adnánk adnánk kérnénk kérnénk<br />

adnátok adnátok kérnétek kérnétek<br />

adnának adnák kérnének kérnék<br />

Teilweise sind ein paar Verbformen identisch (adtam, kértém, adnánk,<br />

kérnénk, adnátok, kérnétek), aber es sind trotzdem ein paar<br />

Kennzeichen zu erkennen:<br />

zweite Person Einzahl: -sz/-l (intransitiv),<br />

-d (transitiv)<br />

erste Person Mehrzahl: -unk/ünk (intransitiv),<br />

-uk/ük (transitiv)<br />

Da auch die Ungarn wissen, wie schwer zwischen diesen beiden<br />

Ausdrucksvarianten unterschieden werden kann, erwarten sie von den<br />

Fremdsprachigen nicht, dass die gerade diesen Bereich beherrschen,<br />

aber es ist wichtig, davon zu wissen.<br />

20. Im Zusammenhang mit den transitiven Verben gibt es eine<br />

bemerkenswerte Ausnahme, die sich nicht darum schert, ob etwas als<br />

intransitiv oder als transitiv empf<strong>und</strong>en wird: Es sind die beiden Endungen<br />

„-lek“ <strong>und</strong> „-lak“, die einfach an den Infinitiv gehängt <strong>und</strong> immer dann<br />

verwendet werden, wenn das Objekt die zweite Person Einzahl oder<br />

Mehrzahl ist:<br />

lieben szeretni sehen látni<br />

460


ich liebe szeretek ich sehe látok<br />

ich liebe es szeretem ich sehe es látom<br />

ich liebe dich/euch szeretlek ich sehe dich/euch látlak<br />

ich liebe dich/ nem szeretlek ich sehe dich/ nem látlak<br />

euch nicht<br />

euch nicht<br />

Bei den obigen Verben sieht es so aus:<br />

adlak, kérlek (Präsens)<br />

adtalak, kértelek (Präteritum)<br />

adnálak, kérnélek (Konditional)<br />

21. Bei den Relativpronomina wird im Ungarischen genauso wie im<br />

<strong>Estnischen</strong>, aber nicht so wie im <strong>Finnischen</strong> zwischen Personen <strong>und</strong><br />

Sachen unterschieden, aber es kommt noch eine dritte Variante dazu, die<br />

meistens bei sogenannten abstrakten Begriffen oder ganzen<br />

Sachverhalten verwendet wird. Auch hier wird alles durchdekliniert:<br />

Das ist der Mann, der mich liebt. Das ist das Haus, das mir gehört.<br />

Ez (van) a férfi, aki engem<br />

szereti.<br />

Ez (van) a ház, ami az enyém (van).<br />

Ez (van) a ház, amely az enyém (van).<br />

Das ist der Mann, den ich liebe.<br />

Ez (van) a férfi, akit szeretem.<br />

Das ist das Haus, das ich sehe.<br />

Ez (van) a ház, amit látom.<br />

Das ist der Mann, dem ich alles gebe, für den ich alles mache <strong>und</strong> mit dem<br />

ich immer gehen werde.<br />

Ez (van) a férfi, akinak mindent adom, akiért mindent csinálom és akivel<br />

mindig fogok menni.<br />

Nach einem Relativpronomen wird also immer die transitive Konjugation<br />

verwendet.<br />

461


Während „aki“ für Personen <strong>und</strong> allenfalls auch noch für Tiere, die einem<br />

nahestehen, <strong>und</strong> Dinge, die als lebendig empf<strong>und</strong>en werden (Auto, Schiff<br />

usw.) verwendet wird, bestehen bei „ami“ <strong>und</strong> „amely“, das bei einer<br />

besonderen Betonung auch mit „amelyik“ ausgedrückt werden kann,<br />

selbst bei den gebürtigen Ungarn Unsicherheiten, welche Variante wirklich<br />

korrekt ist. Da „ami“ viel einfacher ist <strong>und</strong> vor allem leichter dekliniert<br />

werden kann, ist diese mehr zu empfehlen, obwohl gerade dieses<br />

ursprünglich nur bei sogenannten abstrakten Begriffen oder ganzen<br />

Sachverhalten verwendet wurde.<br />

22. Beim Imperativ gibt es im Gegensatz zum <strong>Estnischen</strong>, <strong>Finnischen</strong> <strong>und</strong><br />

Samischen auch noch eine Verbform für die erste Person Einzahl, <strong>und</strong><br />

zwar sowohl intransitiv als auch transitiv im Sinn von „soll ich…?“ <strong>und</strong> „soll<br />

ich nicht…?“.<br />

Bei den beiden Verben „adni“ <strong>und</strong> „kérni“ sieht die vollständige<br />

Konjugation so aus:<br />

intransitiv: transitiv: intransitiv: transitiv:<br />

adjak? adjam? kérjek? kérjem?<br />

adj! add! kérj! kérd!<br />

adjon! adja! kérjen! kérje!<br />

adjunk! adjuk! kérjünk! kérjük!<br />

adjatok! adjátok! kérjetek! kérjétek!<br />

adjanak! adják! kérjenek! kérjék!<br />

Bei genauem Hinschauen ist zu erkennen, dass das eigentliche<br />

Kennzeichen <strong>des</strong> Imperativs der Vokal „j“ ist, der fast überall vorkommt.<br />

Bei „menni“ <strong>und</strong> „jönni“ sieht der Imperativ so aus:<br />

menjek? menjek el?<br />

jöjjek?<br />

menj! menjel!<br />

jöjj! gyere!<br />

menjön! menjön el!<br />

jöjjön!<br />

462


menjünk! menjünk el!<br />

menjetek! menjeket el!<br />

menjenek! menjenek el!<br />

jöjjünk! gyerünk!<br />

jöjjetek! gyertek!<br />

jöjjenek!<br />

Bei „jönni“ kommen die drei Varianten, die mit „g“ beginnen (gyere,<br />

gyerünk, gyertek) viel mehr vor als die anderen. Bei „menni“ ist „el“ eine<br />

Partikel im Sinn von „weg“.<br />

Ein paar Beispiele:<br />

Kommst du, Peter? - Soll ich kommen? - Ja, komm auch!<br />

Jössz, Péter? - Jöjjek? - Igen, gyere is!<br />

Gehen wir jetzt? Nein, wir gehen heute nicht.<br />

Menjünk most? Nem, mi nem megyünk ma.<br />

(Wenn die Frage eine gewöhnliche ohne einen Befehlssinn dahinter ist,<br />

kann auch „megyünk“ verwendet werden, also wie in der Antwort.)<br />

Gib ihm das Buch! Er soll bitten, wenn er etwas will!<br />

Add neki a könyvet! Ö kérjen, ha valamit akar!<br />

(add = transitiv) (kérjen = intransitiv, Nom. von „valamit“ =<br />

valami)<br />

Beim verneinten Imperativ steht nicht „nem“, sondern „ne“ direkt vor dem<br />

Verb, aber sonst ändert sich nichts:<br />

Soll ich nicht kommen?<br />

Gib ihm das Buch nicht!<br />

Ne jöjjek?<br />

Ne add neki a könyvet!<br />

Bei «auch nicht» steht „se“ an Stelle von „sem“, aber hinter dem Verb, <strong>und</strong><br />

zudem wird es genauso wie „is“, „sincs“ <strong>und</strong> „sincsenek“ besonders<br />

betont:<br />

463


Komm auch nicht!<br />

Gib ihm das Buch auch nicht!<br />

Gyere se!<br />

Add se neki a könyvet!<br />

23. Von den zahlreichen Affixen, Infixen <strong>und</strong> Suffixen, die es auch im<br />

Ungarischen gibt, sind diese die auffallendsten:<br />

a) Mit der Nachsilbe „-i“ können viele Adjektive aus Substantiven gebildet<br />

werden:<br />

Budapest<br />

Frankfurt<br />

állat (Tier)<br />

ember (Mensch)<br />

orvos (Arzt)<br />

város (Stadt)<br />

Budapesti (Budapester)<br />

Frankfurti (Frankfurter)<br />

állati (tierisch)<br />

emberi (menschlich)<br />

orvosi (ärztlich)<br />

városi (städtisch)<br />

b) Mit den Infixen „-het-„ <strong>und</strong> „-hat-„ wird ausgedrückt, dass etwas getan<br />

werden darf oder kann. Es unterscheidet sich also völlig von den<br />

Modalverben der drei nordischen Sprachen:<br />

Ich liebe. Ich liebe dich. Ich sehe dich. Ich sehe. Ich sehe es.<br />

Szeretem. Szeretlek. Látlak. Látok. Látom.<br />

Ich kann lieben. Ich kann dich lieben. Ich kann dich sehen.<br />

Szerethetem. Szerethetlek. Láthatlak.<br />

Ich kann sehen.<br />

Láthatok.<br />

Ich kann es sehen.<br />

Láthatom.<br />

Er gibt. Er gibt es. Er kann geben. Er kann es geben.<br />

Ö ad. Ö adja. Ö adhat. Ö adhatja.<br />

464


Bei einer Verneinung steht ebenfalls nur ein „nem“ davor:<br />

Ich kann dich nicht lieben.<br />

Nem szerethetlek.<br />

Er kann es dir nicht geben.<br />

Nem neked adhatja.<br />

„Het“ <strong>und</strong> „hat“ werden immer direkt nach dem Verbstamm eingefügt, der<br />

zugleich die Form der dritten Person Einzahl ist <strong>und</strong> daran erkannt werden<br />

kann, dass diese in den Ungarisch-Lehrbüchern immer nach dem Infinitiv<br />

aufgeführt wird, ja, manchmal steht sogar nur diese Form:<br />

lieben = szeretni, szeret<br />

sehen = látni, lát<br />

geben = adni, ad<br />

schreiben = írni, ír<br />

c) Mit den Infixen „-at-“ <strong>und</strong> „-et-“ (nach einem Konsonanten) sowie mit „-<br />

tat-“ <strong>und</strong> „-tet-“ (nach einem Vokal) wird ausgedrückt, dass etwas<br />

veranlasst wird. Damit wird ein solches Verb zu dem gemacht, was in der<br />

Fachsprache ein faktitives Verb genannt wird:<br />

Er lässt geben. Er lässt es geben. Er lässt es dir geben.<br />

Ö adat. Ö adatja. Ö neked adatja.<br />

Er bestellt es. Er lässt es bestellen. Er lässt es für dich bestellen.<br />

Ö rendeli. Ö rendelteti. Ö érted rendelteti.<br />

Sogar solche Sätze sind möglich, obwohl sie soweit wie möglich mit<br />

anderen Worten ausgedrückt werden:<br />

Er kann es dir geben lassen.<br />

Ö neked adhatatja.<br />

Er kann es für dich bestellen lassen.<br />

Ö érted rendelhetteti.<br />

Dabei stehen „hat“ <strong>und</strong> „het“ immer vor „at“, „et“, „tat“ <strong>und</strong> „tet“.<br />

24. Es gibt im Ungarischen zwar formal keine Zeit, die dem estnischen<br />

<strong>und</strong> finnischen Perfekt <strong>und</strong> Plusquamperfekt entspricht, aber es ist<br />

465


trotzdem teilweise möglich, ähnlich wie in den slawischen Sprachen das<br />

auszudrücken, was dort als Aspektsystem bezeichnet wird, das ich in<br />

einem Kapitel weiter oben schon erklärt habe. Von einem einzigen Infinitiv<br />

ausgehend ist es also möglich, durch bestimmte Vorsilben im Imperfekt<br />

eine einmalige, vollendete Handlung auszudrücken:<br />

Nyitottam az ablakot.<br />

Ich öffnete das Fenster (immer wieder).<br />

Kinyitottam az ablakot.<br />

Ich habe das Fenster (einmal) geöffnet.<br />

Készítettem a reggelit.<br />

Ich bereitete das Frühstück zu (immer wieder).<br />

Elkészítettem a reggelit.<br />

Ich habe das Frühstück (einmal) vorbereitet.<br />

Auch im Konditional <strong>und</strong> Konjunktiv, die formal ja identisch sind, ist es<br />

möglich, einen vollendeten Aspekt auszudrücken:<br />

Nyitném az ablakot.<br />

Ich würde das Fenster öffnen.<br />

Kinyitném az ablakot.<br />

Ich hätte das Fenster geöffnet.<br />

Ha nyitném az ablakot.<br />

Wenn ich das Fenster öffnen würde.<br />

Ha kinyitném az ablakot.<br />

Wenn ich das Fenster geöffnet hätte.<br />

Készülném az ablakot.<br />

Ich würde das Frühstück<br />

zubereiten.<br />

Elkészülném az ablakot.<br />

Ich hätte das Frühstück<br />

zubereitet.<br />

Ha készülném az ablakot.<br />

Wenn ich das Frühstück zubereiten<br />

würde.<br />

Ha elkészülném az ablakot.<br />

Wenn ich das Frühstück zubereitet<br />

hätte.<br />

466


Die beiden Vorsilben sind hier also diese:<br />

ki-, el-<br />

Da es aber noch ein paar andere gibt <strong>und</strong> ich bis heute noch kein<br />

Ungarisch-<strong>Lehrbuch</strong> gesehen habe, in dem auch dieser Teil der<br />

Grammatik genauso wie in den slawischen Sprachen ausführlich<br />

behandelt wird, sehe ich die Verwendung solcher Vorsilben als eine<br />

Gratwanderung <strong>und</strong> empfehle <strong>des</strong>halb, auf sie zu verzichten.<br />

Als kleine Hilfe mag der Hinweis dienen, dass bei allen Verben, die in den<br />

Lehrbüchern mit einem Zusatz in Klammern aufgeführt werden, dieser<br />

verwendet werden kann, um eine abgeschlossene Handlung<br />

auszudrücken, <strong>und</strong> das gilt auch für die Gegenwart. In dieser Beziehung<br />

gleicht das Ungarische also erstaunlicherweise den benachbarten<br />

slawischen Sprachen, mit denen es ansonsten hinten <strong>und</strong> vorn nicht<br />

verwandt ist:<br />

írni<br />

schreiben (ír - als dritte Person Einzahl immer mitangegeben)<br />

írok ich schreibe írom ich schreibe es<br />

(vollendete Handlung offen)<br />

megírok ich schreibe (fertig) megírom ich schreibe es (fertig)<br />

fogok írni ich werde schreiben fogok megírni ich werde (fertig)<br />

(vollendete Handlung<br />

offen)<br />

schreiben<br />

Während bei „írok“ <strong>und</strong> „írom“ offen bleibt, ob die Handlung einmal<br />

vollendet wird, ist die vollendete Handlung bei „megírok“ <strong>und</strong> „megírom“<br />

inbegriffen, <strong>und</strong> bei „fogok írni“ <strong>und</strong> „fogok megírni“ ist klar, dass diese<br />

Handlung nur in der Zukunft erfolgen wird. Allerdings ist „megírni“, das den<br />

Sinn <strong>des</strong> deutschen Futur II hat (ich werde es geschrieben haben) eher<br />

nicht zu empfehlen, obwohl es grammatikalisch möglich ist. Um solche<br />

Feinheiten zu beherrschen, braucht es für die Fremdsprachigen einen<br />

längeren Aufenthalt in Ungarn selber oder einen ständigen Kontakt mit<br />

ungarischen Muttersprachlern.<br />

Zwei weitere Beispiele mit den Verben „csinálni“ (machen) <strong>und</strong> „olvasni“<br />

(lesen):<br />

467


csinálok ich mache megcsinálok ich mache fertig<br />

csinálom ich mache es megcsinálom ich mache es fertig<br />

fogok csinálni ich werde fogok megcsinálni ich werde (es) fertig<br />

(es) machen<br />

machen<br />

olvasok ich lese elolvasok ich lese fertig<br />

olvasom ich lese es elolvasom ich lese es fertig<br />

fogok olvasni ich werde fogok elolvasni ich werde (es) fertig<br />

(es) lesen<br />

lesen<br />

Im Russischen sehen diese vier Varianten so aus:<br />

pischú napischú búdu pisát búdu napisát<br />

djélaju sdjélaju búdu djélat búdu sdjélat<br />

tschitáju protschitáju búdu tschitát búdu protschitát<br />

„Meg“, „ki“, „el“ <strong>und</strong> „fel“ - die vier häufigsten - werden auch dann<br />

verwendet, wenn ein Satz vor allem bei Befehlen auseinandergezogen<br />

wird:<br />

Mi a varost megnézzük.<br />

Mi a várost nézzük.<br />

Ne nézzjétek (meg) ezt a várost!<br />

Wir besichtigen die Stadt.<br />

Besichtigt diese Stadt nicht!<br />

Die bekannteste Variante mit einer dieser Vorsilben kommt in der<br />

ungarischen Nationalhymne vor, die mit diesen Worten beginnt:<br />

Isten, áldd meg a magyart…<br />

Gott, segne den Ungarn…<br />

Es heisst also nicht „áldd“, sondern eben „áldd meg“. Wie tief diese<br />

468


Nationalhymne auch nach dem Beginn der Machtübernahme der<br />

Kommunisten nach dem Zweiten Weltkrieg verwurzelt war, zeigte sich<br />

gerade auch bei dieser Hymne. Da den atheistischen Kommunisten das<br />

Wort „Gott“, das in der heutigen „modernen“ Zeit auch in der Schweiz von<br />

zahlreichen „Progressiven“ bekämpft wird, natürlich missfiel, <strong>und</strong> fast alle<br />

der namhaften Kulturschaffenden das Land in Richtung freien Westen<br />

verlassen hatten, stand die Partei vor einem Riesenproblem: Wer war<br />

fähig, den Text so umzuschreiben, dass man damit „wirtschaften“ konnte?<br />

Die Genossen glaubten, eine letzte rettende Lösung gef<strong>und</strong>en zu haben,<br />

als sie entdeckten, dass von den bekannten Kulturschaffenden noch zwei<br />

Schriftsteller bewusst im Land geblieben waren, doch als sie diese<br />

anfragten, weigerten sich beide mit der Begründung, dass die alte Hymne<br />

gut genug sei. Da diese zu bekannt waren <strong>und</strong> zudem auch in der Partei<br />

einflussreiche Fre<strong>und</strong>e hatten, konnte man sie nicht einfach verschwinden<br />

lassen, wie das mit vielen anderen Unbekannten geschehen war, <strong>und</strong> so<br />

akzeptierten die Genossen mit knirschenden Zähnen die<br />

Kompromisslösung, dass die Hymne mit dem alten Text vorläufig<br />

beibehalten wurde, <strong>und</strong> später stellten sich solche Diskussionen gar nicht<br />

mehr, erst recht nicht mehr nach dem Jahr 1989.<br />

Was die in der Schweiz betrifft, hat vor ein paar Jahren, als ein<br />

Wettbewerb für eine neue Nationalhymne ausgerufen wurde <strong>und</strong> ein<br />

bewusst atheistischer Text am Schluss „gewann“, ausgerechnet ein<br />

Mitglied der Lan<strong>des</strong>regierung, das den atheistischen Sozialdemokraten<br />

angehörte, diese bemerkenswerten Worte gesagt: „Diese Hymne ist im<br />

Volk heute so fest verwurzelt, dass eine neue sicher bis zum Jahr 2030<br />

kein Thema mehr ist.“ Da sind gewisse Parallelen zu Ungarn nicht zu<br />

übersehen.<br />

25. Wie wichtig die Unterscheidung mit einer der oben vorgestellten<br />

Vorsilben sein kann, zeigt sich vor allem dann, wenn ein Partizipialsatz mit<br />

der Präsensform ausgedrückt wird:<br />

Während/indem er die Rechnung bezahlte, stand der Gast vom Tisch auf.<br />

A vendég fizetve a számláját az asztaltol delállt.<br />

Nachdem er die Rechnung bezahlt hatte (nach dem Bezahlen der<br />

Rechnung), stand der Gast vom Tisch auf.<br />

A vendég kifizetve a számlájat az asztaltol delállt.<br />

469


Der entscheidende Unterschied liegt also in der Vorsilbe „ki-„ bei „fizitve“.<br />

Während das Partizip Präsens, das in den Ungarisch-Lehrbüchern als<br />

adverbiales Partizip bezeichnet wird, je nach Vokalharmonie immer „-ve“<br />

(wie bei „fizetve“) oder „-va“ (wie bei „mosolyogva“ = lächelnd) lautet,<br />

immer an den Infinitivstamm angehängt wird <strong>und</strong> bei allen Personen<br />

unverändert bleibt, richtet sich das Partizip Perfekt, das auch im<br />

Ungarischen gleich lautet, immer nach der dritten Person Einzahl der<br />

intransitiven Konjugation. Genauso wie das adverbiale Partizip bleibt es<br />

bei allen Personen unverändert:<br />

ein gut erzogenes Kind<br />

egy jól nevelt gyerek<br />

gut erzogene Kinder<br />

jól nevelt gyerekek<br />

ein schlecht geschriebenes Buch<br />

egy rosszul írt könyv<br />

egy rosszul megírt könyv<br />

schlecht geschriebene Bücher<br />

rosszul írt könyvet<br />

rosszul megírt könyvet<br />

Auch hier ist es möglich, eine Vorsilbe mitzuverwenden, obwohl „írt“ allein<br />

in solchen Sätzen eigentlich auch eine bereits abgeschlossene Handlung<br />

ausdrückt.<br />

26. Sogar in Antworten, die im <strong>Finnischen</strong> bei einer Verneinung einfach<br />

mit „en“ oder „et“ wiedergegeben werden können, ist im Ungarischen die<br />

Verwendung einer solchen Vorsilbe möglich, <strong>und</strong> dabei kommt es nicht<br />

darauf an, ob ein Satz bejahend oder verneinend ist oder in welcher Zeit<br />

dieser vorkommt:<br />

Hat dein Vater dieses Buch (nicht) geschrieben?<br />

Az apad ez a könyvet megírte (transitiv)?<br />

Az apad nem megírte a könyvet?<br />

Ja/nein/doch.<br />

Meg = igen.<br />

Nem.<br />

Begleitet ihr uns noch?<br />

470<br />

Ja/nein.


Elkísértek még bennünket?<br />

(begleiten = kísérni)<br />

El = igen.<br />

Nem.<br />

Schliesst du noch das Fenster?<br />

Wirst du noch das Fenster schliessen?<br />

Kinyited még az ablakot? (transitiv)<br />

Ki = igen.<br />

Nem.<br />

27. Was im <strong>Estnischen</strong> „-maa“ ist, bedeutet im Ungarischen „-ország“, das<br />

ebenfalls für viele Ländernamen verwendet wird; dabei steht bei „in“ nicht<br />

die Kasus-Endung „-ban“ oder „-ben“, sondern „-on“:<br />

Magyarország Ungarn in U. Magyarországon<br />

Esztország Estland in E. Esztországon<br />

Finnország Finnland in F. Finnországon<br />

Svédország Schweden in S. Svédországon<br />

Oroszország Russland in R. Oroszországon<br />

Németország Deutschland in D. Németországon<br />

Lengyelország Polen in P. Lengyelországon<br />

Olaszország Italien in I. Olaszországon<br />

Spanyolország Spanien in Sp. Spanyolországon<br />

Franciaország Frankreich in F. Franciaországon<br />

Görögország Griechenland in G. Görögországon<br />

Törökország Türkei in der T. Törökországon<br />

Dagegen werden im ungarischen Illativ <strong>und</strong> Elativ, wie ich sie hier nenne,<br />

<strong>und</strong> ebenso bei allen anderen Kasus die bereits bekannten Endungen<br />

verwendet:<br />

Ich gehe nach Ungarn.<br />

Magyarországhoz megyek.<br />

Ich komme aus Ungarn.<br />

Magyarországból jövök.<br />

471


Zu beachten sind die Namen für Polen <strong>und</strong> Italien, die von den bekannten<br />

internationalen stark abweichen, aber auch die für Griechenland <strong>und</strong> die<br />

Türkei klingen zum Verwechseln ähnlich.<br />

Das Wort für Lappland heisst nicht „Lappország“, sondern „Lappföld“ - ein<br />

anderes Wort für Land. Dementsprechend lautet das Wort im ungarischen<br />

Inessiv „Lappföldban“ (Vokalharmonie nach der ersten Silbe).<br />

Bei den Ländernamen, die nicht auf „-ország“ enden, steht die oben<br />

vorgestellte Inessiv-Endung:<br />

Norwegen - in Norwegen<br />

Norvégia - Norvégiaban<br />

Dänemark - in Dänemark<br />

Dánia - Dániaban<br />

Österreich - in Österreich<br />

Ausztria - Ausztriaban<br />

Schweiz - in der Schweiz<br />

Svájc - Svájcban<br />

England - in England<br />

Anglia - Angliaban<br />

Holland - in Holland<br />

Hollandia - Hollandiaban<br />

28. Zum Schluss kommt noch eine ungarische Besonderheit, die es auf<br />

diese Weise von den bekanntesten Sprachen nur noch im Lettischen gibt:<br />

Der Familienname steht immer vor dem Vornamen, aber im<br />

internationalen Gebrauch hat es sich unter<strong>des</strong>sen durchgesetzt, dass der<br />

Vorname vorangestellt wird, was auch für das Lettische gilt:<br />

Peter Horvath Juha Stump Juha Stumps Auto<br />

Horváth Péter Stump Juha a Stump Juhanak autója<br />

Das ist Peter Horvath <strong>und</strong> ich bin Juha Stump.<br />

Ez Horváth Péter (van) és én Stump Juha vagyok.<br />

Das gilt auch für „Herr“ sowie für Titel <strong>und</strong> Berufsbezeichnungen, wobei<br />

dann „úr“ ganz hinten steht:<br />

472


Herr Horvath Herr Stump Herr Stumps Auto<br />

Horváth úr Stump úr a Stump úrnak autója<br />

Herr Ingenieur Herr Lehrer Herr Rat<br />

mérnök úr tanár úr tanácsos úr<br />

Ähnlich wie in den skandinavischen Sprachen können diese „Ehrentitel“ in<br />

Fragen an Stelle von „Sie“ verwendet werden:<br />

Kommen Sie, (Herr Lehrer)?<br />

Jön tanár úr?<br />

Gehen Sie jetzt, (Herr Lehrer)?<br />

Megy tanár úr most?<br />

Aber auch: Jön maga? (hier akustisch besser<br />

Aber auch: Megy ön?<br />

als „ön“ das andere<br />

Höflichkeitswort)<br />

Bei den Frauen ist es zwar ein bisschen weniger feierlich, aber auch hier<br />

gibt es ein Wort oder genauer zwei Suffixe, die also hinten angehängt<br />

werden:<br />

-né, -nö (mit langem „ö“)<br />

Dabei steht dieses nicht getrennt, sondern wird direkt angehängt:<br />

Frau Horvath Frau Stump Frau Lehrerin<br />

Horváthné, Stumpné, tanárné,<br />

Horváthnö Stumpnö tanárnö<br />

Kommen Sie, (Frau Horvath)?<br />

Jön Horváthné?<br />

Gehen Sie jetzt nicht, (Frau Lehrerin)?<br />

Nem megy tanárné most?<br />

473


Es ist sogar möglich, diese zwei Suffixe mit dem Vornamen <strong>des</strong> Mannes<br />

zu verbinden:<br />

Peter Horvaths Ehefrau<br />

Horváth Péterné,<br />

Horváth Péternö<br />

Juha Stumps Ehefrau<br />

Stump Juhané,<br />

Stump Juhanö<br />

Die umgekehrte Variante - zum Beispiel Elena Horvaths Ehemann - hat<br />

sich auch im heutigen modernen Zeitalter noch nicht durchgesetzt.<br />

Auch das Fräulein, das heute im Deutschen praktisch nicht mehr<br />

verwendet werden darf, ist noch nicht ganz aus der Mode gekommen,<br />

wobei es auch hier hinten steht:<br />

Fräulein Horvath Fräulein Lehrer(in) Aussprache<br />

Horváth asszony tanár asszony, ásson<br />

Horváth kisasszony tanár kisasszony kíschasson<br />

Allerdings wird das längere Wort heute fast nur noch für Personen<br />

verwendet, die jemand nicht näher kennt, so in Restaurants oder im<br />

Verkehr mit Kassiererinnen.<br />

Sogar das Wort „kéziscokolom!“ (küss die Hand!), das in der Epoche <strong>des</strong><br />

Kommunismus als völlig veraltet <strong>und</strong> als ein Relikt <strong>des</strong> „Klassenfein<strong>des</strong>“<br />

galt, steht heute wieder hoch im Kurs <strong>und</strong> wirkt sogar wie ein dickes<br />

Kompliment, wenn es gesagt wird.<br />

-----------------------------------------------<br />

Als kleine Schlussbilanz dies: Ich habe das Wichtigste aus der<br />

ungarischen Sprache auch <strong>des</strong>halb näher vorgestellt <strong>und</strong> dabei immer<br />

noch sehr vieles weggelassen, weil ich nach vielen Jahren Beschäftigung<br />

mit den finno-ugrischen Sprachen zur Überzeugung gelangt bin, dass<br />

diese alle sich unmöglich aus einer einzigen Ursprache entwickelt haben<br />

können, <strong>und</strong> das mit diesem kleinen Sprachführer auch zeigen will. Nur<br />

beim Deklinationssystem mit den mehr als zehn Fällen ist zwischen dem<br />

<strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> einerseits <strong>und</strong> dem Ungarischen andererseits<br />

474


eine Verwandtschaft festzustellen, aber was den Wortschatz <strong>und</strong> auch wie<br />

oben gesehen die Grammatik betrifft, können diese drei Sprachen<br />

unmöglich von der gleichen Urmutter abstammen. Eine Sprache besteht<br />

nicht nur aus Wörtern, die sich im <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> sowieso zu<br />

fast h<strong>und</strong>ert Prozent von denen im Ungarischen unterscheiden - zu den<br />

wenigen Ausnahmen gehören die drei fast identischen Wörter für das Blut,<br />

die Hand <strong>und</strong> das Wasser (veri, vér - käsi, kéz - vesi, víz) <strong>und</strong> nicht nur<br />

aus einer Grammatik, die innerhalb von gleichen Sprachfamilien wie zum<br />

Beispiel bei den romanischen, germanischen oder slawischen Sprachen<br />

Ähnlichkeiten aufweisen, sondern auch aus einer Denkart, <strong>und</strong> wenn<br />

diese mit einer anderen nicht identisch oder wenigstens ähnlich ist, kann<br />

unmöglich eine gleiche Abstammung vorliegen. Wer heute eine<br />

germanische Sprache redet, tut das immer noch mit der gleichen<br />

Denkweise, wie sie die antiken Germanen vor 2‘000 Jahren hatten, <strong>und</strong><br />

wer eine romanische Sprache mit seinen zahlreichen Konjunktivformen<br />

redet, hat immer noch die gleiche Denkweise wie die antiken Römer.<br />

Die einzige Ausnahme sind die beiden griechischen Sprachen: Das<br />

heutige Neugriechische hat zwar immer noch zu mehr als achtzig Prozent<br />

den gleichen Wortschatz wie das Altgriechische, aber die Grammatik hat<br />

sich in den letzten 2‘000 Jahren schon so weit wegentwickelt, dass sie<br />

nicht nur eine eigene neue Sprache geworden ist, sondern auch eine<br />

eigene Denkart hervorgebracht hat. Das beste Beispiel dafür sind das<br />

altgriechische Perfekt, Plusquamperfekt <strong>und</strong> Futur; diese sind im<br />

Neugriechischen verschw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> durch je zwei Varianten ersetzt<br />

worden, die mit dem slawischen Aspektsystem praktisch identisch sind.<br />

Dagegen hat auch das Hebräische, die andere biblische Sprache - die<br />

paar aramäischen Teile im Alten Testament lasse ich jetzt weg -,<br />

weitestgehend die gleiche Denkart bewahrt, weil die modernen<br />

Verbformen <strong>des</strong> Neuhebräischen aus einer Partizipial-Konstruktion der<br />

antiken Sprache entnommen <strong>und</strong> neu zusammengeschustert wurden.<br />

So wie ich aufgr<strong>und</strong> meiner schon seit mehr als vier Jahrzehnten<br />

währenden intensiven Beschäftigung mit Sprachen aus aller Welt daran<br />

zweifle, dass die heute noch vorkommenden zehn sogenannten<br />

indogermanischen oder indoeuropäischen Sprachfamilien - die<br />

germanischen, romanischen, slawischen, baltischen, keltischen,<br />

iranischen <strong>und</strong> meisten indischen Sprachen sowie als einzige Vertreter<br />

auch noch das Albanische, Griechische <strong>und</strong> Armenische - von einer<br />

einzigen Ursprache abstammen, sage ich das Gleiche auch über die finno-<br />

475


ugrischen Sprachen <strong>und</strong> das Ungarische. Teilweise ist zwar sowohl bei<br />

den sogenannten Indogermanen oder Indoeuropäern als auch bei den<br />

letzteren eine gewisse Verwandtschaft zu erkennen, aber diese reicht<br />

nicht als Beweis für eine gleiche Abstammungslinie. Es kann beim<br />

heutigen Forschungsstand nicht mehr ernsthaft behauptet werden, dass<br />

zum Beispiel die keltischen Sprachen, in denen die Wortveränderungen<br />

immer vorn stattfinden, mit den romanischen Sprachen <strong>und</strong> ihrem<br />

komplizierten Konjunktiv-Denken oder mit den slawischen Sprachen mit<br />

ihrem ebenso komplizierten Aspektsystem sowie mit den indischen<br />

Sprachen mit den sogenannten retroflexen Lauten, die alle Konsonanten<br />

auf zwei verschiedene Arten aussprechen lassen, von der gleichen<br />

Urmutter abstammen. Eine parallele Abstammung von verwandten<br />

Sprachen ist sicher vorhanden, aber mehr nicht, <strong>und</strong> das wird auch von<br />

der Sprachwissenschaft selber bestätigt: Noch vor h<strong>und</strong>ert Jahren ging<br />

man davon aus, dass sogar das Türkische <strong>und</strong> die eng verwandten<br />

Schwestersprachen - mit Aserbaidschanisch, Baschkirisch, Kasachisch,<br />

Kirgisisch, Tatarisch, Turkmenisch, Uigurisch <strong>und</strong> Usbekisch als<br />

bekanntesten Beispielen - <strong>und</strong> sogar das Mongolische von der gleichen<br />

finno-ugrisch-ural-altaischen Urmutter abstammen, <strong>und</strong> es wurde wegen<br />

gewisser grammatikalischer Gemeinsamkeiten ebenfalls vermutet, dass<br />

auch das Japanische <strong>und</strong> Koreanische sich aus der gleichen Ursprache<br />

entwickelt haben, obwohl ihr Wortschatz zu fast h<strong>und</strong>ert Prozent völlig<br />

verschieden ist. Wie uneinig sich die Sprachwissenschaftler schon immer<br />

waren, zeigte sich auch daran, dass lange gelehrt wurde <strong>und</strong> teilweise<br />

noch heute im Westen geglaubt wird, dass die heutigen indischen<br />

Sprachen mit Hindi, Bengali, Marathi, Gujarati <strong>und</strong> Panschabi als<br />

bekanntesten Beispielen direkt vom Sanskrit abstammen, die als<br />

„Sprache der Götter“ noch heute hoch verehrt wird <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb als eine<br />

der indischen Nationalsprachen verankert ist, aber heute sind sich die<br />

meisten darin einig, dass sie vom Vedischen abstammen, doch<br />

andererseits soll das Sanskrit selber auch eine Tochtersprache sein - aber<br />

auch dafür fehlen noch bis heute die letzten klaren Beweise.<br />

Ein Hinweis dafür, dass mit der Klassifizierung der sogenannten<br />

indogermanischen oder indoeuropäischen Sprachen als Nachkommen<br />

einer einzigen Urmutter einiges nicht stimmen kann, zeigt sich gerade<br />

beim Deutschen selber: Die Sprache <strong>des</strong> Mittelalters lässt sich noch gut<br />

verstehen, obwohl es viele irritieren mag, dass die Texte damals noch mit<br />

Kleinbuchstaben <strong>und</strong> oft auch die Satzanfänge <strong>und</strong> Eigennamen so<br />

476


geschrieben wurden, aber von der antiken Sprache der Germanen, von<br />

der die Übersetzung eines grossen Teils der Bibel <strong>und</strong> vor allem <strong>des</strong><br />

Neuen Testaments ins Gotische durch den Missionar Wulfila das<br />

bekannteste Werk ist, lassen sich nur noch wenige Fetzen verstehen.<br />

Trotzdem ist es unverkennbar die gleiche Sprache mit der gleichen<br />

Denkweise, also brauchte es etwa 2‘000 Jahre vom Althochdeutschen bis<br />

zur heutigen modernen Sprache. Diese Zeitspanne scheint zwar auf die<br />

ganze Weltgeschichte bezogen kurz zu sein, aber nicht in Bezug auf die<br />

Entwicklung einer Sprache. Das lässt sich auch an den benachbarten<br />

romanischen Sprachen erkennen, die ganz anders sind als das<br />

Vulgärlatein, aus dem sie sich entwickelt haben, <strong>und</strong> erst recht anders als<br />

das in den Schulen <strong>und</strong> Universitäten vermittelte Schriftlatein, <strong>und</strong><br />

trotzdem haben sie unverkennbar immer noch fast die gleiche Denkweise<br />

<strong>und</strong> erstaunlich viele ähnliche Wörter wie ihre römischen Vorfahren.<br />

Wenn eine solche Entwicklung also 2‘000 oder noch mehr Jahre gedauert<br />

hat, stellt sich wirklich die Frage, ab welchem Zeitpunkt denn die<br />

germanischen <strong>und</strong> romanischen Sprachen sich parallel zu den anderen<br />

sogenannten indogermanischen Schwestersprachen von der fiktiven<br />

Urmutter abgespaltet haben sollen. Bis heute sind die<br />

Sprachwissenschaftler, welche die Meinung vertreten, es habe eine<br />

solche indogermanische oder indoeuropäische Ursprache gegeben, eine<br />

Antwort schuldig geblieben, wie lange die Entwicklung ihrer H<strong>und</strong>erten<br />

von „Tochtersprachen“ gedauert haben könnte. Waren es 10'000 Jahre,<br />

was angesichts der schriftlichen Zeugnisse <strong>des</strong> Latein <strong>und</strong> <strong>des</strong><br />

Althochdeutschen wenig scheint - oder waren es 100‘000 oder sogar eine<br />

Million <strong>und</strong> noch mehr Jahre? Diese Frage muss auch <strong>des</strong>halb gestellt<br />

werden, weil die ältesten schriftlichen Zeugnisse trotz anders lautender<br />

Meldungen immer noch die sumerischen Keilschriften sind, die zwischen<br />

den Jahren 3‘000 <strong>und</strong> 4‘000 vor Christus gemeisselt wurden - oder vor<br />

unserer Zeitrechnung, wie es heute so „modern“ heisst.<br />

Gerade die Sprachwissenschaftler, von denen viele noch vor einem<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert glaubten, dass auch das Türkische <strong>und</strong> Mongolische von der<br />

gleichen Ursprache abstammen wie das Estnische, Finnische <strong>und</strong><br />

Ungarische, bestätigen noch auf eine andere Weise, dass einiges nicht<br />

stimmen kann. Da ich mich auch mit den ostasiatischen Sprachen intensiv<br />

beschäftigt habe, ist mir bald aufgefallen, dass diese über alle<br />

verschiedenen Sprachfamilien hinweg erstaunlicherweise eine fast<br />

identische Denkweise haben. Das zeigt sich sowohl beim Satzaufbau als<br />

477


auch bei der Verwendung der Zahlen, die mit Ausnahme <strong>des</strong> Tibetischen<br />

immer einen sogenannten Klassifikator verlangen, der ungefähr mit dem<br />

deutschen Wort „Stück“ verglichen werden kann, also etwa im Ausdruck<br />

„zwei Stück Brot“ - <strong>und</strong> in jeder dieser Sprachen gibt es mehrere Dutzend<br />

solcher Klassifikatoren. Trotzdem unterscheiden sich das Chinesische mit<br />

allen seinen Varianten <strong>und</strong> das benachbarte Vietnamesische trotz der fast<br />

identischen Denkweise vor allem wegen <strong>des</strong> völlig anderen Wortschatzes<br />

voneinander wie der Tag von der Nacht - <strong>und</strong> das letztere wiederum auf<br />

die gleiche Weise vom Thailändischen <strong>und</strong> dieses wiederum vom<br />

Birmanischen oder Burmesischen, obwohl sie alle miteinander verwandt<br />

sein sollen. Auch dort stellt sich die Frage, wie lange eine allfällige<br />

Entwicklung von einer sino-tibetischen Urmutter bis zu den heutigen<br />

Sprachen gedauert haben könnte. Heute ist man zwar so weit gekommen,<br />

dass das Tibetische <strong>und</strong> Birmanische oder Burmesische eine eigene<br />

Familie bilden, aber auch diese beiden unterscheiden sich voneinander<br />

wie der Tag von der Nacht. Am verblüffendsten <strong>und</strong> auch<br />

widersprüchlichsten ist jedoch dies: Obwohl das Chinesische mit allen<br />

seinen Varianten <strong>und</strong> das Japanische <strong>und</strong> Koreanische zu fast h<strong>und</strong>ert<br />

Prozent die gleiche Denkweise haben, ist noch niemand auf die Idee<br />

gekommen, diese drei als Sprachschwestern zu bezeichnen. Das wäre<br />

auch <strong>des</strong>halb umso erstaunlicher, als es heute allgemein als sicher gilt,<br />

dass Japanisch <strong>und</strong> Koreanisch trotz ihrer grammatikalischen<br />

Ähnlichkeiten nicht von der gleichen Ursprache abstammen.<br />

Warum trotz fehlender klarer Beweise immer noch davon geredet <strong>und</strong><br />

geschrieben wird, dass es eine indogermanische oder indoeuropäische<br />

Ursprache gegeben hat, liegt auch in der Geschichte <strong>des</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

begründet. Es ist sicher kein Zufall, dass etwa in der Mitte dieses<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts, als neben den verbesserten Kenntnissen über die<br />

asiatischen Sprachen dieser „Familie“ auch die Evolutionstheorie aufkam,<br />

diese gleich zusammen verknüpft wurden <strong>und</strong> zugleich eine<br />

systematische Bibelkritik einsetzte <strong>und</strong> bald immer weitere Kreise zog.<br />

Plötzlich galt es nicht mehr als sicher <strong>und</strong> glaubwürdig, was zuvor fast<br />

2‘000 Jahre lang geglaubt worden war <strong>und</strong> nicht hatte kritisiert werden<br />

dürfen, obwohl die meisten Leute dieses „alte Buch“ nicht wirklich gekannt<br />

hatten. Könnte es aber nicht sein, dass die Geschichte vom Turmbau zu<br />

Babel sich halt doch so wie beschrieben ereignet hat? Auch das lässt sich<br />

nicht klar beweisen, aber es gibt wenigstens Hinweise darauf, <strong>und</strong> nach<br />

meiner Meinung sind die indogermanischen oder indoeuropäischen sowie<br />

478


die sino-tibetischen Sprachen zwar untereinander verwandt, weil sie eine<br />

ähnliche <strong>und</strong> teilweise sogar die gleiche Denkweise haben, aber sie<br />

stammen nicht von den gleichen Ursprachen ab, sondern von<br />

verschiedenen Urmüttern, die im besten Fall weit entfernte Kusinen<br />

waren, aber keine Kusinen ersten Gra<strong>des</strong> <strong>und</strong> erst recht keine<br />

Schwestern.<br />

Dass der Turmbau zu Babel <strong>und</strong> die darauf folgende Zerstreuung der<br />

Völker in alle Welt nicht nur ein Märchen sein kann, haben vor wenigen<br />

Jahren Völkerk<strong>und</strong>ler selber geschrieben, aber wohl ohne dass dies<br />

beabsichtigt war, als sie die Meldung verbreiteten, dass es technisch<br />

schon vor mehreren Jahrtausenden tatsächlich möglich gewesen sei,<br />

sogar die Ozeane mit Booten zu überqueren. Das stimmt auch mit einer<br />

einfachen Rechnung überein: Nach der Meinung eines Teils der<br />

Sprachwissenschaftler gab es ursprünglich bis zu 20‘000 Sprachen, von<br />

denen bekanntlich die meisten bis heute ausgestorben sind. Wenn die<br />

Menschheit zur Zeit dieses Turmbaus etwa eine Million Köpfe zählte, was<br />

glaubwürdig scheint, weil alle noch auf dem gleichen Haufen lebten <strong>und</strong><br />

sich <strong>des</strong>halb rasend schnell vermehren konnten, wurden diese 20‘000<br />

Sprachen also auf Sippschaften von je 50 Mitgliedern verteilt. Im ersten<br />

Buch Mose wird angedeutet, wie gross eine solche Sippe war: Als Jakob,<br />

der dritte der israelitischen Urväter, nach Ägypten zog, um wegen der in<br />

seinem Heimatland herrschenden Hungersnot bei seinem Sohn Josef zu<br />

wohnen, der nach dem Pharao der zweitmächtigste Mann im Staat war,<br />

machten alle zusammen angesichts der Tatsache, dass er gleich elf<br />

Söhne mit ihren Familien mitbrachte, 70 Personen aus, wobei die Knechte<br />

<strong>und</strong> Mägde, die nicht direkt zur Sippschaft zählten, hier nicht einberechnet<br />

wurden. Die Formel geht also auf: 1‘000‘000 : 20‘000 = 50.<br />

Unabhängig davon, ob das Ungarische sich mit dem <strong>Estnischen</strong>,<br />

<strong>Finnischen</strong> <strong>und</strong> Samischen aus der gleichen Urmutter oder doch nur von<br />

einer „Tante“ entwickelt hat, es steht fest, dass es schon seit vielen<br />

Jahrzehnten Blutsbande gibt, die enger sind als die zwischen den<br />

verwandten germanischen, romanischen <strong>und</strong> slawischen Völkern, die sich<br />

oft genug auch bekämpft haben. So meldeten sich im Jahr 1939, als die<br />

Rote Armee Finnland angriff, nicht nur Tausende von Schweden <strong>und</strong><br />

Norwegern, um als Freiwillige an der Seite der Finnen zu kämpfen, <strong>und</strong><br />

nicht nur mehr als 300, die in den USA <strong>und</strong> Kanada lebten <strong>und</strong> finnische<br />

Vorfahren hatten, sondern auch zwischen 20‘000 <strong>und</strong> 30‘000 Ungarn, was<br />

von der Geschichtsschreibung der „Sieger“ <strong>des</strong> Zweiten Weltkriegs<br />

479


nachher zwar fleissig verschwiegen wurde, aber <strong>des</strong>halb nicht weniger<br />

wahr ist. Sie konnten sich nur <strong>des</strong>halb nicht beteiligen, weil der Transport<br />

wegen <strong>des</strong> gerade ausgelösten Kriegs r<strong>und</strong> um Polen zu schwierig<br />

gewesen wäre <strong>und</strong> weil der damalige Diktator Horthy, der mit Hitler<br />

verbündet war, nicht so viele Männer ziehen lassen wollte.<br />

Sogar in den paar Jahrzehnten, als die Kommunisten regierten, waren die<br />

Finnen die Einzigen aus dem Westen, die jederzeit ohne Visum nach<br />

Ungarn einreisen konnten, <strong>und</strong> noch heute finden je<strong>des</strong> Jahr<br />

Fre<strong>und</strong>schaftsländerspiele im Eishockey statt, nach meinem Wissen<br />

immer abwechslungsweise in Helsinki <strong>und</strong> Budapest. Wie mir ein Ungar<br />

selber einmal sagte, fühlen sie sich mit den Finnen <strong>und</strong> Esten immer so<br />

stark verb<strong>und</strong>en, dass ihre erfolgreichen Sportler wie etwa Leichtathleten,<br />

Fussballer oder Formel-1-Rennfahrer auch in Ungarn immer populär <strong>und</strong><br />

beliebt waren. Nur wenn ihre Nationalmannschaften in Ernstkämpfen<br />

direkt aufeinander treffen, kann diese Fre<strong>und</strong>schaft nicht ausgelebt<br />

werden, aber im Eishockey ist das in letzter Zeit sowieso nur einmal<br />

vorgekommen: Als die Ungarn es endlich wieder einmal geschafft hatten,<br />

bei einer Weltmeisterschaft in die oberste Liga aufzusteigen, aber<br />

unglücklicherweise in die gleiche Vorr<strong>und</strong>engruppe mit den Finnen gelost<br />

wurden, gab es im nächsten Jahr keine Geschenke, weil die Finnen die<br />

Punkte selber brauchten, aber auch mit einem Geschenk wären die<br />

Ungarn sowieso wieder abgestiegen.<br />

Es geht aber noch weiter: Da ich weiter oben geschrieben habe, es sei<br />

lange geglaubt worden, dass auch das Türkische sich zusammen mit dem<br />

Ungarischen, <strong>Estnischen</strong> <strong>und</strong> <strong>Finnischen</strong> aus der gleichen Ursprache<br />

entwickelt habe, fühlten sich tatsächlich immer wieder viele Türken mit den<br />

Ungarn, Esten <strong>und</strong> Finnen verb<strong>und</strong>en, obwohl sie schon seit<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten einer ganz anderen Kultur <strong>und</strong> Religion angehören. Vor<br />

vielen Jahren hatte meine Mutter eine türkische Bekannte, die ihr sagte,<br />

sie würde bei den Eishockey-Weltmeisterschaften so sehr für die Finnen<br />

Partei ergreifen, dass sie manchmal sogar weine, <strong>und</strong> was mich selber<br />

betrifft, bin ich ausgerechnet mit den Türken instinktiv immer gut<br />

ausgekommen, solange ich den Bereich Religion <strong>und</strong> die damit<br />

verb<strong>und</strong>enen Probleme - um sie vorsichtig einmal so auszudrücken - aus<br />

dem Spiel liess. Wenn ich ihnen sage, wir seien zwar nur weit draussen<br />

miteinander verwandt, aber doch verwandt, fühlen sie sich sogar<br />

geschmeichelt. Aus finnischer Sicht lautet die Formel so: Die Esten <strong>und</strong><br />

Karelier - <strong>und</strong> dazu die immer unterschlagenen Ischoren <strong>und</strong> Wepsen<br />

480


zwischen Narwa <strong>und</strong> dem Onegasee - sind unsere Schwestern <strong>und</strong><br />

Brüder, die Samen <strong>und</strong> Ungarn sowie die anderen finno-ugrischen Völker<br />

sind unsere Kusinen <strong>und</strong> Cousins…<strong>und</strong> die Türken <strong>und</strong> alle anderen<br />

Turkvölker sind unsere weit entfernten Verwandten. Zu diesen gehören<br />

auch die wenig bekannten Gagausen, die überwiegend in Moldawien <strong>und</strong><br />

in der Ukraine leben <strong>und</strong> sich schon vor Jahrh<strong>und</strong>erten als einzige Türken<br />

zum Christentum bekehrt haben, aber auch die Karäer, die vor allem in<br />

Litauen <strong>und</strong> Polen sowie in der Ukraine leben <strong>und</strong> ebenfalls schon vor<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten den jüdischen Glauben angenommen haben. Dazu kommt<br />

auch dies: Wenn immer wieder gesagt <strong>und</strong> geschrieben wird, dass die<br />

Türken in ihrem Wesen gar keine Europäer, sondern Asiaten sind, <strong>und</strong><br />

<strong>des</strong>halb den Westen im tiefsten Gr<strong>und</strong> sogar verachten, trifft das sicher<br />

nicht auf die Esten, Finnen, Samen <strong>und</strong> Ungarn zu: Für diese <strong>und</strong> auch<br />

für die weniger bekannten finno-ugrischen Völker wie die Ost-Karelier,<br />

Liven, Ischoren oder Wepsen haben sie immer Sympathien empf<strong>und</strong>en,<br />

was die ganze Weltgeschichte bis heute gezeigt hat.<br />

Da hier auch von Ungarn die Rede ist, muss ich noch eine besondere<br />

Fre<strong>und</strong>schaft erwähnen, die schon seit Jahrh<strong>und</strong>erten besteht <strong>und</strong> mir von<br />

beiden Seiten bestätigt worden ist <strong>und</strong> die immer wieder lobend erwähnt<br />

wird: Die Fre<strong>und</strong>schaft zwischen den Ungarn <strong>und</strong> Polen - <strong>und</strong> nicht nur<br />

wegen der römisch-katholischen Religion, der die meisten angehören, <strong>und</strong><br />

einer zum Teil gemeinsamen Geschichte. Es hat ganz einfach immer<br />

gepasst, wie das heute so modern heisst. An dieser Fre<strong>und</strong>schaft haben<br />

nicht einmal die beiden Weltkriege etwas geändert, als die Ungarn <strong>und</strong><br />

Polen teilweise in feindlichen Lagern kämpften. Sogar dann soll bewusst<br />

darauf geschaut worden sein, dass ungarische <strong>und</strong> polnische Truppen nie<br />

direkt aufeinander schossen, <strong>und</strong> nach unserem Wissensstand ist das<br />

auch früher nie geschehen. Gerade auch heute, da beide Länder sowohl<br />

der NATO als auch der Europäischen Union angehören, hat sich diese<br />

Fre<strong>und</strong>schaft wieder vertieft; das drückt sich am meisten darin aus, dass<br />

genau darauf geschaut wird, dass man möglichst auf der gleichen Linie<br />

politisiert. Zum Schluss noch dies: Es passt zu dieser Fre<strong>und</strong>schaft, dass<br />

nicht nur die Ungarn sich mit den Esten <strong>und</strong> Finnen besonders verb<strong>und</strong>en<br />

fühlen, sondern auch die Polen, obwohl sie Slawen sind - aber eben keine<br />

Russen.<br />

--------------------------------------------------<br />

481


Am Ende dieses Buches kann ich noch eine selbst erlebte Geschichte<br />

zum Schmunzeln erzählen: Als ich noch in den Neunzigerjahren, als nach<br />

dem Ende der Gulag-Sowjetunion immer mehr Russen frei in den Westen<br />

reisen konnten, einmal eine Moskauerin traf <strong>und</strong> ich ihr sagte, dass ich ein<br />

halber Finne sei <strong>und</strong> dass zudem einer meiner Cousins mit einer Russin<br />

verheiratet sei <strong>und</strong> mit ihr schon seit vielen Jahren in Moskau lebe -<br />

unter<strong>des</strong>sen wohnen sie aber wieder in Finnland -, sagte sie mir diese<br />

bemerkenswerten Worte: Etwa h<strong>und</strong>ert Kilometer nördlich von Moskau<br />

gibt es eine Kleinstadt, wo eine finno-ugrische Sprache gesprochen wird<br />

<strong>und</strong> die meisten Leute so wie ich aussehen. Als ich dieser Geschichte<br />

nachging <strong>und</strong> auf einer Karte genauer schaute, wo diese Sprachen verteilt<br />

sind, entdeckte ich, dass sie Recht gehabt hatte: Tatsächlich gibt es<br />

ungefähr dort, wo sie angegeben hat, eine solche Sprachinsel, auf der ein<br />

karelischer Dialekt gesprochen wird, der einst auf irgendeine Weise<br />

dorthin gebracht worden ist.<br />

-------------------------------------------------<br />

482


Quellenangaben<br />

Da ich nicht in Estland, Finnland, Lappland <strong>und</strong> Ungarn aufgewachsen<br />

bin, liegt es nahe, dass ich zum Verfassen dieses Werkes auf andere<br />

Bücher angewiesen war, die ich hier vorstelle:<br />

Für Estnisch:<br />

Estnisch intensiv - Das <strong>Lehrbuch</strong> der estnischen Sprache. Autoren<br />

Florence-Silvia Lutkat <strong>und</strong> Cornelius Hasselblatt, erschienen 1993 in der<br />

Bibliotheca Baltica in Berlin. Das ist bis heute das einzige <strong>Lehrbuch</strong>, das<br />

in die Tiefen <strong>des</strong> <strong>Estnischen</strong> vordringt, aber es ist ziemlich unübersichtlich<br />

dargestellt <strong>und</strong> zudem ein „Schinken“ von mehr als 500 Seiten <strong>und</strong> gleich<br />

ein Kilo schwer. Wenigstens enthält es am Schluss zwei lange<br />

Wörterlisten für Estnisch-Deutsch <strong>und</strong> Deutsch-Estnisch. Immerhin wäre<br />

mein Werk, in dem zum ersten Mal Estnisch <strong>und</strong> Finnisch zusammen<br />

vorgestellt werden, ohne dieses dicke Buch nicht möglich geworden.<br />

Estnisch für Globetrotter (heute: Estnisch Wort für Wort) - etwa 130 Seiten,<br />

Autorin Irja Grönholm, erste Auflage ebenfalls im Jahr 1993 im Know-How-<br />

Verlag (früher Peter-Rump-Verlag genannt) in Bielefeld. Das ist als ein<br />

Touristenbüchlein mit dem entsprechenden Wortschatz hervorragend<br />

geeignet, aber es bleibt im grammatikalischen Bereich an der Oberfläche.<br />

Wenigstens enthält es am Schluss je eine kleine deutsch-estnische <strong>und</strong><br />

estnisch-deutsche Wörterliste.<br />

Eesti Keele - Põhikooli, käsiraamat. Die Autoren sind ein sechsköpfiges<br />

Autoren-Kollektiv, erschienen 1992 im Verlag „Koolibri“ in Tallinn. Da<br />

dieses aus ziemlich genau 100 Seiten bestehende Handbuch, wie es das<br />

letzte Wort aussagt, nur auf Estnisch geschrieben ist, sind gute<br />

Kenntnisse dieser Sprache notwendig, um ähnlich wie beim oben<br />

erwähnten „Schinken“ in die Tiefen dieser Sprache vorzudringen, aber es<br />

ist als ein ergänzen<strong>des</strong> Lehrmittel nützlich.<br />

483


Für Finnisch:<br />

Langenscheidts Kurzlehrbuch „30 St<strong>und</strong>en Finnisch für Anfänger“ - etwa<br />

130 Seiten, Erstauflage schon im Jahr 1940, Autor unbekannt. Seitdem<br />

mehrere Auflagen, so die 16. Auflage im Jahr 1975, Autoren Ludwig<br />

Peters <strong>und</strong> Aappo Heikkinen. Für die heutige Zeit wirkt dieses <strong>Lehrbuch</strong><br />

etwas überholt, aber ich erwähne es aus einem sentimentalen Gr<strong>und</strong>: Als<br />

ich Finnisch im Jahr 1981 zum ersten Mal von Gr<strong>und</strong> auf systematisch<br />

lernte, benützte ich dieses Buch, <strong>und</strong> auch heute vermittelt es<br />

Einzelheiten, welche die später erschienenen Lehrbücher nicht mehr<br />

vorweisen. Nachteil: Es gibt am Schluss keine Wörterliste, nicht einmal<br />

eine finnisch-deutsche.<br />

Langenscheidts „Praktisches <strong>Lehrbuch</strong> Finnisch“ - etwa 220 Seiten, Autor<br />

Richard Semrau, Erstauflage 1983, seitdem mehrere Neuauflagen.<br />

Dieses Buch hat das oben erwähnte ersetzt <strong>und</strong> geht in mehreren<br />

Bereichen der Grammatik tiefer in die Sprache ein, aber es „atmet“ nicht<br />

mehr den Geist der alten Zeit wie das obige. Beide Bücher zusammen<br />

ergänzen sich jedoch sehr gut. Nachteil: In diesem Buch gibt es am<br />

Schluss zwar eine Wörterliste, aber nur eine finnisch-deutsche.<br />

Finnisch für Sie - Autoren Marja-Liisa Steiner <strong>und</strong> Dietrich Assmann,<br />

Erstauflage 1971 im Verlag Max Hueber in München, seitdem mehrere<br />

Neuauflagen; enthält zwar mehr als 290 Seiten, ist aber kein „Schinken“.<br />

Dieses <strong>Lehrbuch</strong>, das ich im Jahr 1981 noch nicht kannte, halte ich selber<br />

für das beste, das diese Sprache behandelt. Es ist eine gute Kombination<br />

zwischen der alten <strong>und</strong> modernen Sprache, aber auch dieses Buch enthält<br />

am Schluss leider nur eine finnisch-deutsche Wörterliste <strong>und</strong> zudem auch<br />

kein nützliches Inhaltsverzeichnis.<br />

Finnisch für Globetrotter (heute: Finnisch Wort für Wort) - etwa 140 Seiten,<br />

Autorin Hillevi Low, Erstauflage im Jahr 1986 im gleichen Bielefelder<br />

Verlag wie bei „Estnisch für Globetrotter“ angegeben, seitdem mehrere<br />

Neuauflagen. Dieses Büchlein ist genauso wie das für Estnisch als ein<br />

Touristenbüchlein hervorragend geeignet, zudem geht es auch näher auf<br />

die allgemeine Umgangssprache ein. Am Schluss gibt es zwar nur eine<br />

deutsch-finnische Wörterliste, aber diese reicht für den Bereich <strong>des</strong><br />

Tourismus aus.<br />

484


Für Samisch:<br />

Samisch für Lappland - Wort für Wort. Etwa 180 Seiten, Autorin Bettina<br />

Dauch, Erstauflage im Jahr 2005 im gleichen Bielefelder Verlag wie oben<br />

angegeben. Dieses Lehrbüchlein ist nach meinem Wissen bis heute das<br />

Einzige, das es im deutschen Sprachraum für das Samische gibt. Es ist<br />

hervorragend gestaltet <strong>und</strong> nicht nur für den Tourismus geeignet. So<br />

enthält es auch zahlreiche Spezialwörter allein im Bereich der Natur <strong>und</strong><br />

der Rentierzucht. Die beiden Wörterlisten Deutsch-Samisch <strong>und</strong> Samisch-<br />

Deutsch r<strong>und</strong>en dieses positive Gesamtbild zusätzlich ab.<br />

Für Ungarisch:<br />

Langenscheidts „Praktisches <strong>Lehrbuch</strong> Ungarisch“ - etwa 260 Seiten,<br />

Autor Iván Ersek, Erstauflage im Jahr 1977, seitdem mehrere<br />

Neuauflagen. Mit diesem Buch lernte ich im Jahr 1981 zusammen mit dem<br />

oben erwähnten Finnisch-<strong>Lehrbuch</strong> zum ersten Mal systematisch<br />

Ungarisch. Dieses <strong>Lehrbuch</strong> ist noch bis heute das beste, das die<br />

ungarische Sprache behandelt, <strong>und</strong> dringt auch in die Tiefen der<br />

Grammatik ein. Nachteil: Am Schluss gibt es auch hier keine Wörterliste,<br />

die vom Deutschen ausgeht, sondern nur eine ungarisch-deutsche.<br />

Ungarisch für Globetrotter (heute: Ungarisch Wort für Wort) - etwa 110<br />

Seiten, Autorin Pia Simig, Erstauflage im Jahr 1988 im gleichen Bielefelder<br />

Verlag wie oben angegeben, seitdem mehrere Neuauflagen. Genauso wie<br />

die drei oben erwähnten Lehrbüchlein, die dieser Verlag herausgegeben<br />

hat, ist auch dieses für den Tourismus hervorragend geeignet <strong>und</strong><br />

vermittelt zudem das Wichtigste aus der Grammatik. Auch dieses enthält<br />

am Schluss nur eine kleine deutsch-ungarische Wörterliste, die aber für<br />

den Bereich <strong>des</strong> Tourismus ausreicht.<br />

------------------------------------------------<br />

Insgesamt habe ich zur Herstellung dieses Werks also mit nicht weniger<br />

als zehn Lehrbüchern <strong>und</strong> Lehrbüchlein gearbeitet: Mit vier für Finnisch,<br />

drei für Estnisch, zwei für Ungarisch <strong>und</strong> einem für Samisch. Es gibt<br />

natürlich noch andere Lehrmittel - vor allem im Internet -, aber ich selber<br />

kenne nun einmal nur diese zehn.<br />

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