G+L 01/2023
Nachwuchs
Nachwuchs
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20|<strong>01</strong><br />
23<br />
MAGAZIN FÜR LANDSCHAFTSARCHITEKTUR<br />
UND STADTPLANUNG<br />
NACHWUCHS
EDITORIAL<br />
Der Landschaftsarchitektur-Nachwuchs ist<br />
alles andere als ein zartes Pflänzchen.<br />
Junge Planer*innen haben genaue<br />
Vorstellungen, wie sie künftig arbeiten<br />
wollen. Welche das genau sind, das<br />
diskutieren wir in dieser Ausgabe.<br />
Wie will der Nachwuchs künftig arbeiten? Diese Frage haben<br />
wir in einer großangelegten <strong>G+L</strong>-Onlineumfrage insgesamt<br />
447 Berufsanfänger*innen und Studierenden der Landschaftsarchitektur<br />
gestellt. Was ist den jüngeren Generationen<br />
wichtig? Das Gehalt, die Arbeitszeit, der Dienstwagen? Für<br />
das vor liegende Heft haben wir versucht, alles herauszufinden.<br />
Ein Büroleiter eines renommierten deutschen Landschaftsarchitekturbüros<br />
beschrieb uns jüngst die Wünsche junger<br />
Bewerber*innen folgendermaßen: das Gehalt, das man in der<br />
Region sonst so verdient, möglichst bald ein Projekt verantworten<br />
wollen, das aber nur bei 80 Prozent Arbeitszeit – ohne Überstunden,<br />
insbesondere keine am Wochenende. Was denken Sie,<br />
liebe Leser*innen, wenn Sie das lesen? „Das muss heute doch<br />
möglich sein.“ Oder eher: „Wer soll das bezahlen?“<br />
Unsere jüngeren Generationen haben andere Erwartungen an<br />
ihren Arbeitsplatz als die vor ihnen. An allererster Stelle steht<br />
die Work-Life-Balance. Das ergab unsere Onlineumfrage. Auf<br />
die Frage, was ein moderner Arbeitgeber unseren Befragten<br />
heutzutage bieten muss, nannten 95 Prozent der Befragten eine<br />
gute Work-Life-Balance. Ein angemessenes Gehalt folgte erst an<br />
zweiter Stelle. Kann und soll ein Büro dieses klare Statement<br />
ignorieren? Und gleich hinterhergefragt: Wie kann ein Büro<br />
eine bessere „Work-Life-Balance“ überhaupt möglich machen?<br />
28 Prozent unserer<br />
Befragten gaben an,<br />
wenn möglich, einen<br />
Dienstwagen als<br />
geldwerten Vorteil<br />
zu wählen. Weitere<br />
Ergebnisse der<br />
<strong>G+L</strong>-Umfrage finden<br />
Sie auf den<br />
kommenden Seiten.<br />
Coverbild: Majharul Islam via Unsplash; Illustration: Laura Celine Heinemann<br />
Zu Gen Y und Gen Z:<br />
Dabei geht es um die<br />
Personen, die<br />
zwischen den frühen<br />
1980er- und späten<br />
1990er-Jahren<br />
geboren sind – die<br />
sogenannten<br />
Millennials, oder die<br />
Generation Y. Die,<br />
die danach bis 2<strong>01</strong>2<br />
zur Welt kamen,<br />
zählen zur Generation<br />
Z, auch Post-<br />
Millennials genannt.<br />
Es sind komplexe Fragen, hinter deren Antworten Individuen<br />
stecken. Klar, man vereinfacht gerne, verallgemeinert. Es ist<br />
leicht, von „dem Nachwuchs“ zu reden, oder „der Gen Y“,<br />
„der Gen Z“. Wir versuchen deshalb im vorliegenden Heft,<br />
sowohl die Menge als auch das Individuum zu Wort kommen<br />
zu lassen. So stehen nicht nur Berufsanfänger*innen und<br />
Studierende in diesem Heft Rede und Antwort – sondern auch<br />
Büropartner*innen und bdla-Präsident Stephan Lenzen. Und<br />
liebe Bürochef*innen, eine Umfrage für Euch – so als Gegencheck<br />
– ist auch schon in der Mache.<br />
Und zum Schluss: Ja, stimmt. Das Design der <strong>G+L</strong> hat sich<br />
verändert. Warum? Weil sich auch die <strong>G+L</strong> weiterentwickelt<br />
und veränderte Ansprüche hat. Unsere Wurzeln verlieren wir<br />
aber dadurch nicht, versprochen.<br />
Ihnen einen guten Start ins Neue Jahr.<br />
Wie immer freue ich mich, von Ihnen zu lesen.<br />
THERESA RAMISCH<br />
CHEFREDAKTION<br />
t.ramisch@georg-media.de<br />
<strong>G+L</strong> 3
INHALT<br />
AKTUELLES<br />
06 SNAPSHOTS<br />
11 MOMENTAUFNAHME<br />
Stabile Küstenlage<br />
WAS WILL DER<br />
NACHWUCHS WIRKLICH?<br />
*Und was darf er wollen?<br />
12 WEN WIR BEFRAGT HABEN<br />
Alles zu den Befragten der großen <strong>G+L</strong>–Onlineumfrage<br />
16 WAS STEPHAN LENZEN ÜBER DEN NACHWUCHS DENKT<br />
Der bdla-Präsident und Bürochef bezieht Stellung<br />
18 WAS DER PLANORAMA-NACHWUCHS MEINT<br />
Vier Berufsanfänger*innen, vier Positionen<br />
22 VON DER STECHUHR ZUR WORKATION<br />
Alles zum Thema Arbeitszeit<br />
26 WAS STUDIERENDE VOM ARBEITSLEBEN ERWARTEN<br />
Vier Studierende legen (fast) alles offen<br />
34 MONEY, MONEY, MONEY<br />
Alles zu Gehältern in der Planung<br />
38 WARUM ANNA DIERKING EINEN ARBEITSKULTURWANDEL FORDERT<br />
Die geskes.hack-Landschaftsarchitektin findet klare Worte zur aktuellen<br />
Arbeitskultur in der Planung<br />
40 WAS WIR HERAUSGEFUNDEN HABEN<br />
Die wichtigsten Ergebnisse der <strong>G+L</strong>-Umfrage im Überblick<br />
42 WARUM CARSTEN SCHMIDT AUF FAST EXPOSURE SETZT<br />
Der Topotek-1-Büropartner und Millennial im Kommentar<br />
44 WAS LIOBA LISSNER VOM NACHWUCHS LERNT<br />
Die hochC-Chefin berichtet aus ihrem Büro<br />
46 WAS DER NACHWUCHS WIRKLICH WILL<br />
Die weichen Faktoren der Jobwahl im Check<br />
50 WIE BERUFSANFÄNGER*INNEN ARBEITEN (WOLLEN)<br />
Antworten aus der <strong>G+L</strong>-Umfrage zu Urlaub, Homeoffice und Arbeitszeit<br />
PRODUKTE<br />
Herausgeber:<br />
Deutsche Gesellschaft<br />
für Gartenkunst und<br />
Landschaftskultur e.V.<br />
(DGGL)<br />
Pariser Platz 6<br />
Allianz Forum<br />
1<strong>01</strong>17 Berlin-Mitte<br />
www.dggl.org<br />
52 BRACHENFEATURE<br />
Perspektivenwechsel<br />
56 LÖSUNGEN<br />
Best Products<br />
60 REFERENZ<br />
London Calling<br />
RUBRIKEN<br />
62 Impressum<br />
62 Lieferquellen<br />
63 Stellenmarkt<br />
64 DGGL<br />
66 Sichtachse<br />
66 Vorschau<br />
<strong>G+L</strong> 5
WEN WIR<br />
BEFRAGT HABEN<br />
Das sind insgesamt 447 junge Personen, die große Mehrheit von ihnen<br />
Landschaftsarchitekt*innen. Wie sich die Teilnehmer*innen unserer großangelegten<br />
<strong>G+L</strong>-Onlineumfrage genau zusammensetzen, das sehen Sie hier. Welche<br />
Erwartungen sie an ihren ersten Job haben, das lesen Sie auf den folgenden Seiten.<br />
ALTER DER BEFRAGTEN<br />
11%<br />
18–20 JAHRE<br />
21–25 JAHRE<br />
51%<br />
26–30 JAHRE<br />
24 %<br />
> 30 JAHRE<br />
14 %<br />
26 %<br />
BERUFS-<br />
ANFÄNGER*INNEN<br />
74 %<br />
STUDENT*INNEN<br />
Grafiken: Laura Celine Heinemann; Karte Grafik: David Liuzzo, CC BY-SA 2.0 DE, via Wikimedia Commons<br />
(Farbanpassung); Quelle Werte: Ergebnisse der <strong>G+L</strong>- Onlineumfrage zum Thema „Nachwuchs“ 2022<br />
12 <strong>G+L</strong>
NACHWUCHS<br />
TEILNEHMER*INNEN DER <strong>G+L</strong>-UMFRAGE<br />
WELCHEM GESCHLECHT<br />
FÜHLST DU DICH<br />
ZUGEHÖRIG?<br />
MÄNNLICH<br />
DIVERS<br />
93 %<br />
DER BEFRAGTEN<br />
STUDIEREN / STUDIERTEN LAND-<br />
SCHAFTSARCHITEKTUR.<br />
WEIBLICH<br />
IN WELCHEM BUNDESLAND<br />
ARBEITEST DU?<br />
1 %<br />
3,5 %<br />
5 %<br />
29 %<br />
10 %<br />
1 %<br />
1 %<br />
1 %<br />
10,5 %<br />
32 %<br />
SCHWEIZ 2 %<br />
ÖSTERREICH 4 %<br />
<strong>G+L</strong> 13
WAS STEPHAN<br />
LENZEN ÜBER<br />
DEN NACHWUCHS<br />
DENKT<br />
Stephan Lenzen ist seit April 2022 neugewählter Präsident des bdla und gewann vergangenes<br />
Jahr mit seinem Büro RMP den Baden-Württembergischen Landschaftsarchitekturpreis.<br />
Wir haben ihn gefragt, was er von der nächsten Generation von Landschaftsarchitekt*innen<br />
hält. Seine Antwort? Erfrischend ehrlich und unangepasst kämpferisch.<br />
STEPHAN LENZEN<br />
AUTOR<br />
Stephan Lenzen ist<br />
Landschaftsarchitekt<br />
und Präsident des<br />
bdla. 1999 begann<br />
er, im Büro RMP<br />
Landschaftsarchitekten<br />
zu arbeiten.<br />
2004 übernahm er<br />
das Büro als Inhaber.<br />
Zudem lehrt er an<br />
der FH Dortmund.<br />
Im Kontext der anstehenden großen<br />
Aufgaben des natürlichen Klimaschutzes,<br />
des Versuchs, das katastrophale Artensterben<br />
einzudämmen und unsere<br />
urbanen, aber auch ländlichen Lebensräume<br />
an die Folgen des Klimawandels<br />
anzupassen, sehe ich im Moment keinen<br />
Raum mehr für Fragestellungen nach<br />
Wünschen auch nur irgendeiner<br />
Generation. Ich empfinde auch schon seit<br />
Längerem diesen Wettstreit mit corporatebenefits,<br />
Zusatz-Goodies, Balance-Kapriolen,<br />
neuen Wohlfühloasen in den Büros<br />
und anderen Verwöhn-Extras zwischen<br />
den Unternehmen als absurde, geradezu<br />
dekadente Entwicklung im Kontext dieser<br />
planetaren Situation. Jetzt könnte mir<br />
vorgeworfen werden, diese Attraktivierungen<br />
des Arbeitsumfeldes hätten nichts mit<br />
der Jahrhundertaufgabe der natürlichen<br />
Klimaanpassung zu tun. Die Landschaftsarchitektur<br />
hat Antworten für den natürlichen<br />
Klimaschutz und viele Lösungen<br />
gemeinsam in einer integrierten Planung<br />
für die Klimaanpassung. Muss sich nicht<br />
ein Großteil unseres Berufs nachwuchses<br />
die Frage gefallen lassen, weshalb dies<br />
nicht Motivation genug ist? Ich bin seit<br />
über dreißig Jahren in unterschiedlichen<br />
Positionen in der Landschaftsarchitektur<br />
tätig und diese Chance, mit unserem<br />
Wissen, unseren Entwürfen und Ideen<br />
diesen Paradigmenwechsel in der Planung<br />
mitzuprägen, erhält in mir die gleiche<br />
Leidenschaft für unsere Tätigkeit wie zu<br />
Beginn meines Berufslebens. Die Chance,<br />
in dieser Krise unsere Städte grüner,<br />
lebenswerter und resilienter zu entwickeln,<br />
entfacht eine wahre Lust auf Transformation.<br />
Diese Lust auf grüne Veränderung<br />
möchte ich als Virus weitergeben.<br />
Ich wünsche mir eine große Zahl solch<br />
ansteckender junger Kolleg*innen, die<br />
voller Tatendrang, mit ästhetischen<br />
Lösungen diese werthaltige Gestaltung<br />
der Transformation unserer Lebenswelten<br />
als sinnlich wahrnehmbaren Ausdruck<br />
unseres gestärkten Verantwortungsgefühls<br />
der Profession der Landschaftsarchitektur<br />
für den Klimaschutz und die Anpassung<br />
an den Klimawandel zur Umsetzung<br />
bringen. Unsere Stärke und das Alleinstellungsmerkmal<br />
unserer Profession liegen<br />
darin, dass wir es verstehen, in hervorragender<br />
Weise Ökologie und Technik mit<br />
Kreati vität und Ästhetik zu verbinden.<br />
Die Erfahrungen unserer Profession in<br />
Kombination mit unserer Vorstellungskraft<br />
16 <strong>G+L</strong>
NACHWUCHS<br />
WAS STEPHAN LENZEN DENKT<br />
und unseren Fähigkeiten, dies planerisch<br />
umzusetzen, sind von ausschlaggebender<br />
Bedeutung bei der Beantwortung der<br />
Frage, wie wir in Zukunft leben können<br />
und was wir tun müssen. Denn: Die Zukunft<br />
gestalten wir jetzt!<br />
Nicht, dass ich falsch verstanden werde,<br />
dieser gewünschte Idealismus soll kein<br />
Rückschritt in die Zeiten der Selbstausbeutung<br />
des Berufsstandes bedeuten. Wir<br />
brauchen aber eine nachfolgende Generation<br />
von Landschaftsarchitekt*innen, die<br />
mit Herz planerisch und insbesondere<br />
auch politisch handeln für die Lebensumwelten<br />
ihrer Mitmenschen und sich mit<br />
diesem Verantwortungsgefühl für den<br />
Planeten mit Leidenschaft einsetzen. Dafür<br />
sind die Organisationsstruktur und der Ort<br />
der Arbeitswelt relativ uninteressant.<br />
Es ist klar, dass der eklatante Mangel an<br />
Landschaftsarchitekt*innen auf dem<br />
Arbeitsmarkt die Forderungskataloge der<br />
Mitarbeiter*innen hat länger und länger<br />
werden lassen. Aber mit dem Fokus auf<br />
der Prämisse des persönlichen Wohlergehens<br />
werden wir die unserem<br />
Berufsstand mit aufgegebene besondere<br />
Aufgabe der Transformation unserer<br />
Umwelt im Hinblick auf Klimaanpassung<br />
und Biodiversitätsförderung nicht erledigen<br />
können. Ich ordne unserer jungen<br />
Generation eine hohe Kompetenz an<br />
Veränderungspotenzial und eine hohe<br />
Sensibilität an Klima gerechtigkeit zu, nur<br />
dieser ungesättigte Drang nach Umsetzung,<br />
den vermisse ich. In der Zusammenarbeit<br />
im Berufsalltag und in den Begegnungen<br />
an der Hochschule habe ich ihre<br />
sozialen Sichtweisen schätzen gelernt und<br />
von ihnen gelernt. Auch im Büroalltag<br />
empfinde ich die Zusammenarbeit als<br />
äußerst angenehm.<br />
Aber angenehm ist der Zustand unserer<br />
Umwelt schon lange nicht mehr. Der<br />
Klimawandel ist nicht irgendwo weit<br />
weg, sondern schon längst präsent. Er<br />
wird Deutschland drastisch verändern.<br />
Aber noch haben wir es in der Hand,<br />
ob die Veränderungen beherrschbar<br />
bleiben. Aber dafür braucht es eine<br />
große Schar von leidenschaftlichen<br />
Landschafts architekt*innen, die ihre<br />
Aufgabe in der Schaffung dieser neuen<br />
Lebenswelten als Berufung der Landschaftsarchitekt*innen<br />
sehen und nicht<br />
nur als Beruf.<br />
„KEINE GENERATION HAT<br />
AKTUELL DAS RECHT, IRGEND-<br />
WELCHE FORDERUNGEN IN<br />
SACHEN CORPORATE-BENEFITS,<br />
ZUSATZ-GOODIES ODER<br />
BALANCE-KAPRIOLEN ZU<br />
STELLEN.“<br />
Foto: manuel frauendorf fotografie<br />
<strong>G+L</strong> 17
VON DER STECHUHR<br />
ZUR WORKATION<br />
AUTOR<br />
Tobias Hager ist<br />
Journalist und<br />
Digitalisierungs-<br />
Experte. Seit 2020<br />
leitet er als Chief<br />
Content Officer die<br />
Medienmarken von<br />
Georg Media und ist<br />
dort ebenfalls für<br />
alle digitalen<br />
Themen zuständig.<br />
Was ist vielen Mitarbeitenden und Kolleg*innen wichtiger als Job-Benefits,<br />
die Urlaubstage, Arbeitswegthemen sowie moderne Ausstattung? Richtig,<br />
die Arbeitszeit. In unserer großen <strong>G+L</strong>-Umfrage fanden wir heraus, dass die<br />
Arbeitszeit fast genauso wichtig zu sein scheint wie das Gehalt. Wenn man<br />
bedenkt, wie viel Zeit man Woche für Woche im Büro verbringt, ist das kaum<br />
verwunderlich. Doch wie und vor allem wann arbeitet man in Deutschland,<br />
Österreich und der Schweiz eigentlich?<br />
TOBIAS HAGER<br />
50/50 UND TROTZDEM SEHR DEUTLICH<br />
54 %<br />
DER STUDIERENDEN<br />
MÖCHTEN KÜNFTIG<br />
IN VOLLZEIT …<br />
… 46 %<br />
IN TEILZEIT<br />
ARBEITEN.<br />
Fangen wir bei den Basics an. Grundsätzlich<br />
wird in Deutschland die Arbeitszeit im<br />
Arbeitszeitgesetz geregelt. Dort finden sich<br />
zahlreiche Vorgaben und Pflichten, an die<br />
sich sowohl Arbeitgeber*innen als auch<br />
Arbeitnehmer*innen halten müssen. Fast<br />
jede*r Arbeitnehmer*in verfügt zudem<br />
über einen Arbeitsvertrag. In diesem Vertrag<br />
sind alle individuellen Faktoren wie<br />
Gehalt, Urlaubstage und natürlich auch<br />
die Arbeitszeit geregelt. Solange sich<br />
die Regelungen des Arbeitsvertrags im<br />
Rahmen des Arbeitszeitgesetzes befinden,<br />
können beide Parteien doch eigentlich<br />
zufrieden sein. Eigentlich.<br />
Viele Arbeitnehmer*innen arbeiten in<br />
DACH immer noch nach dem vielzitierten<br />
Nine-to-Five-Prinzip. Man leistet seine<br />
Arbeitszeit im Büro ab und beginnt den<br />
Arbeitstag von Montag bis Freitag immer<br />
um neun Uhr morgens. Die Ursprünge<br />
dieses 40-Wochenstunden-Konzepts<br />
stammen aus der Zeit der industriellen<br />
Revolution. Die Ergebnisse der <strong>G+L</strong>-Umfrage<br />
sowie Erhebungen des Statistischen<br />
Bundesamts wie auch Statista zeigen<br />
DURCHSCHNITTLICHE ARBEITS-<br />
STUNDEN/WOCHE<br />
34,8 37<br />
DEUTSCHLAND<br />
EU<br />
aber, dass sich die Anforderungen an<br />
Arbeitgeber*innen wie auch<br />
Arbeitnehmer*innen drastisch geändert<br />
haben.<br />
DEUTSCHE ARBEITEN WENIG IM<br />
EUROPAWEITEN VERGLEICH<br />
Die Vollzeitbeschäftigung ist nicht das<br />
einzige Arbeitszeitmodell, das in<br />
Deutschland Anwendung findet. Da neben<br />
gibt es noch: Teilzeit, Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit,<br />
Jahresarbeitszeit, Schichtund<br />
Nachtarbeit sowie das sogenannte<br />
22 <strong>G+L</strong>
NACHWUCHS<br />
VON DER STECHUHR ZUR WORKATION<br />
34 % BEI DEN MÄNNERN<br />
SIND ES<br />
94 %<br />
DER FRAUEN<br />
MIT KINDERN ARBEITEN<br />
IN VOLLZEIT.<br />
Grafiken: Laura Celine Heinemann; Quellen Werte: Ergebnisse der <strong>G+L</strong>-Onlineumfrage zum Thema „Nachwuchs“ 2022, Statistisches Bundesamt, Statista<br />
Zeitwertkonto. Für die meisten<br />
Planer*innen fallen die letzten drei<br />
Varianten in der Regel flach. Egal ob<br />
man im Amt, Büro oder im Außendienst<br />
tätig ist – meist dreht sich erstmal alles um<br />
die Frage: Voll- oder Teilzeit?<br />
2<strong>01</strong>9 waren laut Statista knapp 94 % der<br />
Männer mit minderjährigen Kindern im<br />
Haushalt in Vollzeit tätig. Dahingegen<br />
lediglich knapp 34 % der Frauen mit<br />
Kindern. Heute, nach einer endlos<br />
erscheinenden Pandemie und vielen<br />
Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt,<br />
sind laut unserer Umfrage fast genauso<br />
viele Planer*innen in Teilzeit wie in<br />
Vollzeit berufstätig. Spannend dabei:<br />
Etwa 70 % aller Befragten sind Frauen.<br />
Ehrlicher weise muss man anmerken, dass<br />
sich unsere Umfrage hauptsächlich an<br />
junge Planer*innen, sowie jene, die es in<br />
naher Zukunft sein werden, gerichtet hat.<br />
Die Statista-Erhebung bezieht sich auf<br />
ganz Deutschland.<br />
Apropos ganz Deutschland. Laut dem<br />
Statistischen Bundesamt arbeiteten 2<strong>01</strong>9<br />
Erwerbstätige in Deutschland durchschnitt-<br />
lich 34,8 Stunden pro Woche. Damit<br />
erarbeiteten sich die deutschen<br />
Arbeitnehmer*innen einen Platz, der nur<br />
von fünf anderen europäischen Ländern in<br />
puncto Wochenarbeitszeit unterboten wird.<br />
In der Schweiz kommt man im wöchentlichen<br />
Schnitt auf 34,6 Stunden und damit<br />
nochmal etwas weniger. Der Durchschnitt<br />
der EU (28 Länder) lag in diesem Jahr bei<br />
37. Zahlreiche andere Länder kommen auf<br />
teils erheblich viel mehr Wochenarbeitsstunden.<br />
So zum Beispiel Italien, Frankreich,<br />
Spanien, Griechenland und Portugal.<br />
Kann da das Damoklesschwert der<br />
Work-Life-Balance noch so weit weg sein?<br />
Nebenbei bemerkt: 55 % unserer Befragten<br />
gaben an, monatlich zwischen sechs<br />
und 20 Überstunden zu machen.<br />
55 % GABEN AN, MONATLICH<br />
6 BIS 20 ÜBERSTUNDEN ZU MACHEN.<br />
8 % MACHEN 21 BIS 40 ÜBER-<br />
STUNDEN IM MONAT.<br />
<strong>G+L</strong> 23
MONEY, MONEY,<br />
MONEY<br />
Über Geld spricht man nicht – man hat es: In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist<br />
es zwar nicht verboten, über sein Gehalt zu sprechen, aber dennoch ein Tabu. Zu groß die<br />
Befürchtung, sich für ein niedriges Gehalt schämen zu müssen. Mit einem hohen Gehalt befürchten<br />
viele, Neid auf sich zu ziehen. Und dennoch: Das Gehalt ist hierzulande ein essenzieller<br />
Teil der eigenen Identität, ein vermeintlicher Spiegel des eigenes Wertes. Was Planer*innen<br />
wo verdienen, das haben wir hier zusammengestellt. Sofern uns Zahlen vorlagen.<br />
ARIAN SCHLICHENMAYER<br />
AUTOR<br />
Arian Schlichenmayer<br />
studierte Biotechnologie<br />
und ist seit<br />
Januar 2022<br />
Redakteur bei<br />
<strong>G+L</strong> und topos.<br />
In anderen Ländern der Welt ist der Umgang<br />
mit dem eigenen Gehalt offener. In den USA<br />
zum Beispiel. Das eigene Gehalt wird in den<br />
USA als Momentaufnahme begriffen: Wer<br />
weniger verdient, kann hoffen, durch mehr<br />
Leistung bald mehr zu verdienen. Die ultimative<br />
Transparenz gibt es in skandinavischen<br />
Ländern wie etwa Schweden, wo die eigene<br />
Steuererklärung für jede andere Person<br />
öffentlich einsehbar ist.<br />
Im Jahr 2022 betrug das Bruttodurchschnittsgehalt<br />
aller in Vollzeit tätigen Arbeitnehmer*innen<br />
in Deutschland laut dem Portal<br />
Gehalt.de 51 <strong>01</strong>0 Euro. Der Median lag in<br />
diesem Jahr bei 44 070 Euro. Der Median<br />
ist der Wert, der in der Mitte steht, wenn eine<br />
Zahlenreihe nach Größe sortiert wird. Im<br />
Gegensatz zum Durchschnitt wird der Median<br />
weniger stark durch Extremwerte beeinflusst.<br />
Ein erheblicher Unterschied besteht zwischen<br />
den Gehältern von Personen mit und<br />
+19 110¤<br />
VERDIENEN<br />
ohne Universitätsabschluss. Akademiker*innen verdienten 2022<br />
im Schnitt 59 670 Euro, während der Verdienst von Nicht-<br />
Akademiker*innen mit durchschnittlich 40 560 Euro deutlich<br />
niedriger ausfiel.<br />
14 000 EURO WENIGER FÜR BÜROPLANER*INNEN<br />
AKA-<br />
DEMIKER*INNEN<br />
IM SCHNITT MEHR<br />
Nach einer Umfrage der Architektenkammern der Länder, die<br />
unter der Federführung der Bundesarchitektenkammer durchgeführt<br />
wurde, verdienten angestellte Kammermitglieder im Jahr 2<strong>01</strong>9<br />
58 976 Euro (Brutto-Medianverdienst). Während Angestellte in<br />
Grafiken: Laura Celine Heinemann; Quellen Werte: Ergebnisse der <strong>G+L</strong>-Onlineumfrage zum Thema „Nachwuchs“ 2022; gehalt.de<br />
GEWÜNSCHTES<br />
EINSTIEGSGEHALT<br />
VON 26 % DER<br />
STUDIERENDEN<br />
ZUM BERUFSSTART<br />
35 000¤<br />
BIS 40 000¤<br />
34 <strong>G+L</strong>
NACHWUCHS<br />
MONEY, MONEY, MONEY<br />
53 %<br />
SIND TENDENZIELL<br />
UNZUFRIEDEN MIT<br />
IHREM GEHALT<br />
Architektur- und Stadtplanungsbüros ein Gehalt von 50 400 Euro<br />
im Mittel erhielten, freuten sich Angestellte im öffentlichen Dienst<br />
über 64 412 Euro. Die höchsten Brutto-Medianverdienste erzielten<br />
mit 75 000 Euro Angestellte in der gewerblichen Wirtschaft. Dabei<br />
sind die Gehälter der befragten Kammermitglieder seit 2<strong>01</strong>2 um<br />
23 Prozent gestiegen. Berufserfahrung hat einen signifikanten Einfluss<br />
auf das Gehalt. Sind es als Berufsanfänger*in 43 000 Euro im<br />
Median, können mit 20 Jahren Berufserfahrung rund 60 000 Euro<br />
auf dem Jahres gehaltszettel stehen.<br />
DIE <strong>G+L</strong>-UMFRAGE<br />
DIES IST BEI 29 %<br />
AUCH DAS TAT-<br />
SÄCHLICHE EIN-<br />
STIEGSGEHALT.<br />
Die Befragten in unserer großen Onlineumfrage stehen noch am<br />
Beginn ihrer beruflichen Laufbahn. In unserer großen Onlineumfrage<br />
zum Thema wird deutlich, dass der Großteil der in der Planung<br />
beschäftigten Leser*innen ein Einstiegsgehalt zwischen 25 000 und<br />
40 000 Euro brutto bezogen. Mit 53 Prozent ist dabei mehr als die<br />
Hälfte der Befragten „etwas“ oder „sehr“ unzufrieden mit ihrem<br />
Gehalt. Mit zehn Jahren Berufserfahrung erwünschen mehr als ein<br />
Drittel ein Gehalt von 50 0<strong>01</strong> und 60 000 Euro. Mit Blick auf die<br />
Zahlen der Umfrage der Bundesarchitektenkammer haben unsere<br />
Berufsanfänger*innen und Studierenden auch hier recht realistische<br />
Vorstellungen von ihrem künftigen späteren Gehalt.<br />
GENDER-PAY-GAP<br />
Als „Gender-Pay-Gap“ oder auch geschlechterspezifische Gehaltslücke<br />
wird der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern<br />
bezeichnet. Insbesondere in den letzten Jahren sind um den Begriff<br />
<strong>G+L</strong> 35
WARUM CARSTEN<br />
SCHMIDT AUF FAST<br />
EXPOSURE SETZT<br />
Carsten Schmidt zählt zu den jüngsten Büropartnern Deutschlands. Im Alter von nur 29 Jahren<br />
wurde er Gesellschafter bei Topotek 1. Ja, mit 29 Jahren. Und er setzt auf Fast Ex - was?<br />
Typisch Millennial, Gen Y, denken Sie jetzt und ihre fancy englischen Begriffe? Ja vielleicht,<br />
aber die braucht es eben manchmal. Um voranzukommen, um etwas zu verändern – oder um<br />
schlichtweg Veränderungen neu zu fassen. Aber lesen Sie selbst.<br />
CARSTEN SCHMIDT<br />
AUTOR<br />
Carsten Schmidt<br />
wurde 1991 in Essen<br />
geboren. 2<strong>01</strong>5<br />
schloss er mit einem<br />
Bachelor in Politikwissenschaft<br />
und<br />
Chinastudien sowie<br />
einem Bachelor in<br />
Kommunikation an<br />
der Universität<br />
Tübingen ab und<br />
graduierte anschließend<br />
an der Cornell<br />
University, NY, mit<br />
einem Master<br />
in Landschaftsarchitektur<br />
sowie<br />
Stadt- und Regionalplanung.<br />
Nachdem<br />
er an der Cornell<br />
University im Rahmen<br />
einer Initiative<br />
für klimaangepasstes<br />
Design gearbeitet<br />
hatte, kam er zu<br />
Topotek 1 und ist seit<br />
2021 Gesellschafter<br />
des Büros.<br />
Als Partner, der am Anfang seiner 30er<br />
steht, finde ich mich bei Topotek 1 in einer<br />
besonderen Situation. Zum einen bin ich<br />
Teil der jungen Generation von Landschaftsarchitektinnen<br />
und Landschaftsarchitekten,<br />
die eine neue Haltung zur Arbeit<br />
entwickelt haben, und zum anderen finde<br />
ich mich als Partner aber auch in einer<br />
Position wieder, in der ich den Umgang<br />
des Büros mit diesem neuen Verhältnis<br />
zur Arbeit aktiv mitgestalten kann. Im<br />
Verständnis der neuen Arbeitswelten ist<br />
für mich der Wunsch nach Verantwortung<br />
und Teilhabe in einem interdisziplinären<br />
Kollaborationsverhältnis vorrangig. Dies<br />
betrifft aus meiner Sicht sowohl die firmeninterne<br />
Zusammenarbeit zwischen der<br />
Landschaftsarchitektur- und der Architekturabteilung<br />
von Topotek 1, als auch die<br />
Kooperationsprozesse mit externen<br />
Fachplaner*innen, Künst ler*innen und<br />
Architekt*innen.<br />
Während traditionell eine strengere Arbeitsteilung<br />
zwischen den Disziplinen und<br />
klare Hierarchien üblich waren, hat für die<br />
heutige Generation junger Pla ner*innen<br />
eine Begegnung auf Augen höhe innerhalb<br />
des Teams einen hohen Stellenwert, bei<br />
der die Arbeitsteilung jeweils individuell<br />
auf das Projekt abgestimmt wird. Wir<br />
möchten nicht nur fertige Pläne bespielen,<br />
sondern auch das urbane Gewebe und<br />
die Architektur eines Projekts mitgestalten.<br />
Als Büro, das sich als Vertreter öffentlicher<br />
Welten versteht, ist es für Topotek 1<br />
essenziell, dass öffentlicher Raum innen<br />
wie außen stattfindet und es daher einer<br />
gemeinschaftlichen Planung bedarf, die<br />
sich – im doppelten Sinne – nicht an<br />
Wänden orientiert. Mit unseren Kooperationspartner*innen<br />
haben wir mit diesem<br />
Ansatz in der Vergangenheit sehr gute<br />
Erfahrungen gesammelt und gelernt, dass<br />
man nur selten daran gehindert wird,<br />
Verantwortung zu übernehmen.<br />
Auch innerhalb des firmeninternen Gefüges<br />
verlangt meine Generation nach mehr Mitbestimmung.<br />
Für mich persönlich entsteht<br />
dieses Bedürfnis aus einem inneren Drang<br />
heraus, aktiver Teil der strukturgebenden<br />
Mechanismen des Betriebs sein zu wollen.<br />
Diesen Drang habe ich seit jeher. Vor dem<br />
Hintergrund der sich so rasant und stetig<br />
wandelnden Welt glaube ich, dass er<br />
heute für viele Vertreter*innen meiner<br />
Generation allgegenwärtig geworden ist,<br />
weil wir den Geschehnissen etwas entgegensetzen<br />
möchten. Diesem Wunsch nach<br />
Verantwortung kann vor allem dann Folge<br />
geleistet werden, wenn die Leitung eines<br />
Büros dazu in der Lage ist, flache Hierarchien<br />
zu realisieren. Die jungen Mitarbeiter*innen<br />
werden in diesen Strukturen<br />
deutlich stärker gefordert, erhalten gleichzeitig<br />
aber auch die Chance, schneller in<br />
leitende Positionen aufzusteigen, wenn sie<br />
42 <strong>G+L</strong>
NACHWUCHS<br />
WARUM CARSTEN SCHMIDT AUF FAST EXPOSURE SETZT<br />
„DEM WUNSCH NACH<br />
VERANTWORTUNG KANN<br />
VOR ALLEM DANN FOLGE<br />
GELEISTET WERDEN, WENN<br />
DIE LEITUNG EINES BÜROS<br />
DAZU IN DER LAGE IST,<br />
Foto: Topotek 1<br />
der geforderten Verantwortung tatsächlich<br />
gewachsen sind. So war meine erste<br />
Aufgabe bei Topotek 1 unmittelbar nach<br />
meinem Praktikum bereits die Leitung eines<br />
kleinen Teams, das sich der Erstellung von<br />
Machbarkeitsstudien und Konzeptstudien<br />
insbesondere für internationale Projekte<br />
verschrieben hatte, was meiner Ausbildung<br />
mit einem langjährigen Studium an der<br />
Cornell in den USA entsprach. Durch<br />
diese verantwortungsvolle Aufgabe<br />
konnten mein Team und ich nicht nur sehr<br />
schnell viel Erfahrung in verschiedenen<br />
Bereichen sammeln, sondern auch aktiv<br />
ein breites Netzwerk aufbauen, über das<br />
wir noch heute eine Vielzahl unserer<br />
Aufträge generieren. Teil unseres Erfolges<br />
ist neben der Bereitschaft, Verantwortung<br />
vertrauensvoll abzugeben, auch die damit<br />
verbundene Flexibilität, die es unseren<br />
Teams erlaubt, ihren Arbeitsalltag selbst<br />
zu gestalten und als eigene Einheit innerhalb<br />
des Büros zu agieren.<br />
Mein schneller Einstieg als Partner bei<br />
Topotek 1 vor anderthalb Jahren ist für<br />
mich Ausdruck eines tiefen Verständnisses<br />
der gegenwärtigen Realitäten unserer<br />
Arbeitswelten. Denn als Unternehmen<br />
bieten uns die flachen Hierarchien und<br />
durchlässigen Strukturen, gepaart mit<br />
einem generalistischen Ansatz, nicht nur<br />
die Möglichkeit, auf die Wünsche unserer<br />
Mitarbeiter*innen einzugehen, sondern<br />
erlauben es uns im Gegenzug auch, unsere<br />
Planungen immer wieder um neue Ideen<br />
und Planungsansätze von jungen und<br />
unerfahreneren Mitarbeiter*innen zu<br />
bereichern. Das allseits zelebrierte „Fail<br />
Fast, Learn Fast“-Dogma würde ich im<br />
Rahmen unserer Erfahrungen neu definieren<br />
als „Fast Exposure, Fast Return“. Wenn<br />
jüngere Mitarbeiter*innen heute Verantwortung<br />
übernehmen möchten, sollten sie<br />
diese bekommen und dazu animiert<br />
FLACHE HIERARCHIEN ZU<br />
werden, die Verantwortung auch außerhalb<br />
des Büros einzufordern. Je mehr<br />
Erfahrungen schnell gesammelt werden,<br />
desto regelmäßiger kann der eigene<br />
Planungsprozess neu gedacht werden.<br />
Unser Ansatz des Fast Exposures funktioniert<br />
vor allem aber auch, weil wir auf<br />
eine breite Basis sehr erfahrener Mitarbeiter*innen<br />
zurückgreifen können, die<br />
unseren jungen Kolleg*innen zur Seite<br />
stehen, Fehler voraussehen und dabei<br />
unterstützen, diese zu vermeiden. Diese<br />
Erfahrung erlaubt es auch, Interdisziplinarität<br />
nicht nur im Rahmen unserer Kollaborationen<br />
einzufordern, sondern auch im Büro<br />
selbst zu leben. Unsere Teams sind nämlich<br />
nicht nur mit Landschafts architekt*innen<br />
besetzt, sondern auch Architekt*innen,<br />
Stadtplaner*innen und Designer*innen<br />
sind Teil des Teams von Topotek 1.<br />
REALISIEREN.“<br />
Die Arbeitswelten unseres Büros machen<br />
einen großen Teil unseres Erfolgs aus,<br />
indem sie unser Repertoire stetig erweitern<br />
und uns immer neue Kooperationsmöglichkeiten<br />
eröffnen. Vor allem aber<br />
bieten sie auch Raum für Begeisterung<br />
an der Sache selbst. Raum für das<br />
Vergnügen, unser Feld stetig neu zu<br />
denken und in einzigartigen Projekten<br />
zu realisieren. Mit der Möglichkeit, diese<br />
Freiheit anzubieten, sehen wir uns in der<br />
Lage, viele Menschen mit verschiedenen<br />
Hintergründen anzuziehen, die sich in<br />
unserer Fast-Exposure-Arbeitsweise<br />
behaupten dürfen. Ich bin sicher, dass<br />
wir in diesem Rahmen für die Anforderungen<br />
der modernen Arbeitswelt<br />
gewappnet sind und deren stetige<br />
Veränderungen zu einem Teil unserer<br />
Arbeit werden lassen können.<br />
<strong>G+L</strong> 43
WAS DER<br />
NACHWUCHS<br />
WIRKLICH WILL<br />
Gehalt, Arbeitszeit, Überstunden – in der <strong>G+L</strong>-Onlineumfrage stellten wir viele Fragen<br />
zu den wirklichen harten Fakten. Dabei kam raus: Die weichen Faktoren, wie<br />
Work-Life-Balance, Hierarchiestruktur und Arbeitsklima, sind für junge Planer*innen<br />
ebenso wichtig. Wir haben vier junge Landschaftsarchitekt*innen zu eben diesen<br />
weichen Faktoren befragt. Hier haben wir ihre Aussagen für Sie zusammengefasst.<br />
THERESA RAMISCH MIT ELIAS BRAUN, LUKAS BUCHER, JULIANA KESSEN UND LUISA RICHTER<br />
AUTORIN<br />
Theresa Ramisch<br />
studierte Stadtplanung<br />
in Erfurt<br />
und München mit<br />
Schwerpunkt auf<br />
Öffentlichkeitsbeteiligung<br />
und<br />
Kommunikation.<br />
Sie ist seit 2<strong>01</strong>6<br />
Redakteurin bei<br />
Georg Media und<br />
seit Januar 2021<br />
Chefredakteurin<br />
der <strong>G+L</strong>.<br />
95 % DER BEFRAGTEN GABEN AN, EIN<br />
MODERNER ARBEITGEBER BIETE EINE<br />
„GUTE“ WORK-LIFE-BALANCE. EINE<br />
„GUTE“ WORK-LIFE-BALANCE – WAS IST<br />
DAS ÜBERHAUPT?<br />
Der Begriff „Work-Life-Balance” beschreibt<br />
allgemein den Zustand darüber, wie das<br />
Arbeits- und Privatleben einer Person miteinander<br />
in Verbindung stehen. Im besten<br />
Fall sind diese beiden Bereiche miteinander<br />
im Einklang, vermischen sich nicht und<br />
behindern sich vor allem nicht gegenseitig.<br />
Das Pendant zur Work-Life-Balance ist das<br />
„Work-Life-Blending“. Hierunter versteht<br />
man die Verschmelzung von Arbeits- und<br />
Privatleben. Die beiden Bereiche werden<br />
nicht strikt voneinander getrennt, sondern<br />
unter anderem Berufliches in Urlaub oder<br />
Freizeit erledigt und andersrum.<br />
Für welches der beiden „Systeme“ man<br />
sich entscheidet ist genauso individuell,<br />
wie sich eine „gute“ Work-Life-Balance<br />
konkret darstellt. So bedeute eine gute<br />
Work-Life-Balance für Luisa Richter, dass<br />
sie neben der Arbeit noch genügend Zeit<br />
für Freunde und andere Interessen hat.<br />
Sollte sie eine Familie gründen, müsse<br />
diese Work-Life-Balance außerdem für<br />
beide Elternteile gleichberechtigt weiter<br />
möglich sein. Für Elias Braun hingegen<br />
definiert eine gute Work-Life-Balance<br />
das Gefühl, gerne zur Arbeit zu gehen.<br />
IST DER ARBEITGEBER WIRKLICH FÜR<br />
EINE GUTE WORK-LIFE-BALANCE ZU-<br />
STÄNDIG?<br />
Eher nicht, meinen zumindest Elias<br />
Braun, Lukas Bucher und Luisa Richter.<br />
Alle drei sind sich einig, dass eine gute<br />
Work-Life-Balance insbesondere in der<br />
eigenen Verantwortung liege. Das<br />
jeweilige Unternehmen hingegen solle<br />
offen dafür sein, auf die allgemeinen<br />
und individuellen Wünsche der Mitarbeitenden<br />
einzugehen, meint Luisa<br />
Richter. Für sie zählen hier beispielsweise<br />
ergonomische Arbeitsplätze, aber<br />
auch neue Arbeitszeitmodelle wie die<br />
4-Tage-Woche dazu. Überstunden seien<br />
im Job nicht immer vermeidbar, so Lukas<br />
Bucher. Aber es sollte im Sinne einer<br />
gesunden Work-Life-Balance möglich<br />
sein, auch mal „Nein“ zu sagen und<br />
Grenzen aufzuzeigen. Für ihn persönlich<br />
müsse es ein Geben und Nehmen sein.<br />
So hätte er es trotz guten Willens in der<br />
Coronazeit nicht geschafft, neben der<br />
Care-Arbeit für seine Tochter volle<br />
40 Stunden pro Woche zu arbeiten.<br />
Diese Minusstunden musste er mit<br />
Urlaubstagen ausgleichen. Neue<br />
Lebenssituationen erforderten neue<br />
Verhandlungen und ein Geben und<br />
Nehmen zwischen Arbeitgeber*innen<br />
und Arbeitnehmer*innen.<br />
46 <strong>G+L</strong>
NACHWUCHS<br />
WAS DER NACHWUCHS WIRKLICH WILL<br />
GESPRÄCHS-<br />
PARTNERIN<br />
Juliana Keßen<br />
absolvierte an der BHT<br />
Berlin ihren Bachelor<br />
in Landschaftsarchitektur.<br />
Ihren Master<br />
macht sie derzeit an<br />
der TU Berlin. Seit<br />
2022 arbeitet sie als<br />
studentische<br />
Mitarbeitende für die<br />
Planung beim<br />
Reallabor Radbahn.<br />
KÖNNEN ARBEITGEBER*INNEN,<br />
EINE GUTE WORK-LIFE-BALANCE<br />
UNTERSTÜTZEN?<br />
Fotos: privat; Sascha Uhlig<br />
Erste Ansätze fielen gerade schon:<br />
ergonomische Arbeitsplätze zur Unterstützung<br />
der Gesundheit, neue Arbeitszeitmodelle<br />
wie die 4-Tage-Woche,<br />
individuelle Absprachen. Elias Braun<br />
ergänzt diese Liste um Mitarbeitergespräche,<br />
Teamevents und keine Überstunden.<br />
Für Juliana Keßen steht und<br />
fällt die Work-Life-Balance mit der<br />
40-Stunden-Woche. Diese sei keine<br />
gute Ausgangslage für eine gesunde<br />
Work-Life-Balance. Ihre Argumentation:<br />
Es bleibe ja nicht nur bei den 40 Stunden,<br />
die man pro Woche im Rahmen<br />
der Arbeit aufwende. Mittagspausen<br />
und Arbeitsweg kämen hinzu. Ginge<br />
man da von einem täglichen Schlaf<br />
von acht Stunden aus, blieben manchen<br />
Arbeitnehmer*innen gerade mal noch<br />
fünf Stunden für die eigene freie Zeit,<br />
so Juliana Keßen. Ihr sei wichtig, dass,<br />
wenn man krank wäre oder im Urlaub<br />
sei, sich auch rausnehmen dürfe. Ihrer<br />
Meinung nach könnten Arbeitgeber*innen<br />
ein Team zusammenstellen,<br />
das auf unterschiedliche<br />
Lebensstile Rücksicht nehmen könne.<br />
GESPRÄCHS-<br />
PARTNER<br />
Lukas Bucher (*1991)<br />
ist ausgebildeter<br />
Landschaftsgärtner,<br />
studierte im Bachelor<br />
Landschaftsarchitektur<br />
an der BHT Berlin und<br />
absolviert aktuell den<br />
Master Landschaftsarchitektur<br />
an der TU<br />
Berlin. Er hat zwei<br />
Kinder.<br />
<strong>G+L</strong> 47