atw - International Journal for Nuclear Power | 01.2023

Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information. www.nucmag.com Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information.

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02.01.2023 Aufrufe

nucmag.com 2023 1 ISSN · 1431-5254 32.50 € Die Strategie des schwedischen Rückbauprogramms von Uniper Seit 67 Jahren im Dienste der Kerntechnik Zerstörungsfreie Plausibilitätsprüfung der stofflichen Beschreibung radioaktiver Abfälle mittels QUANTOM® Die Herausgabe – ein Instrument des Strahlenschutzrechts

nucmag.com<br />

2023<br />

1<br />

ISSN · 1431-5254<br />

32.50 €<br />

Die Strategie des<br />

schwedischen<br />

Rückbauprogramms<br />

von Uniper<br />

Seit 67 Jahren<br />

im Dienste der Kerntechnik<br />

Zerstörungsfreie Plausibilitätsprüfung<br />

der stofflichen Beschreibung<br />

radioaktiver Abfälle mittels QUANTOM®<br />

Die Herausgabe – ein Instrument<br />

des Strahlenschutzrechts


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<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Kein Ende des Tunnels und kaum Licht in Sicht –<br />

wirtschaftlicher Abstieg vorprogrammiert<br />

3<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

normalerweise würde man an den Jahresanfang eine<br />

positive Botschaft stellen, einen optimistischen Ausblick<br />

suchen. Normalerweise wäre die Januar-Ausgabe 2023<br />

aber auch der Platz für den Abgesang auf die Stromerzeugung<br />

mit Kernenergie in Deutschland gewesen, der<br />

nun noch einmal kurz aufgeschoben wurde – insoweit<br />

also doch ein kleines Hoffnungszeichen in der Energiepolitik.<br />

Mehr Positives gibt es allerdings nicht. Vielmehr muss<br />

man feststellen, dass sich Deutschland in einer fast ausweglosen<br />

energiepolitischen Sackgasse befindet. Viel ist<br />

in den vergangenen Monaten über gestiegene Gas- und<br />

Strompreise berichtet worden, deren negative Folgen<br />

für die wirtschaftliche Entwicklung wurden beklagt.<br />

Dennoch scheut man sich, die absehbare Zersetzung des<br />

Wirtschaftsstandortes und damit wesentlicher Teile der<br />

Existenzgrundlage der Bevölkerung und der Handlungsfähigkeit<br />

des Staates durch die energiewirtschaftliche<br />

Situation wahrzunehmen.<br />

Vielmehr trottet ein offensichtlich desinteressiertes<br />

Land auf einen Abgrund zu, der im Blick auf die Marktpreise<br />

für Strom und Gas in den kommenden Jahren erkennbar<br />

wird. Während in den vergangenen Jahren bis<br />

Mitte 2021 die Jahreskontrakte bei Erdgas an der Energiehandelsbörse<br />

EEX für die folgenden Jahre in der Regel<br />

zwischen 15 und 20 Euro pro Megawattstunde pendelten,<br />

liegt der Jahreskontrakt für 2023 bei 140 Euro/<br />

MWh, für 2024 bei 110 Euro/MWh und selbst für 2025<br />

bei 74 Euro/MWh, also Mitte Dezember dem Vier- bis<br />

Fünffachen des früheren Normalpreises. Erst mit dem<br />

Jahreskontrakt für 2026 beginnt sich der Preis auf einem<br />

neuen Niveau zu normalisieren, was eine erwartete<br />

Entspannung des Weltmarkts abbildet. Auch dieser<br />

Preis liegt aber mit 50 Euro/MWh beim zweieinhalboder<br />

dreifachen des alten Preises, auf den die industrielle<br />

Struktur Deutschlands ausgelegt ist.<br />

Beim Strom ist die Entwicklung noch dramatischer:<br />

Hier lagen bis Mitte 2021 die Preise für die Jahreskontrakte<br />

der Folgejahre regelmäßig zwischen 40 und 55<br />

Euro/MWh. Der Kontrakt für 2023 wird für 350 Euro/<br />

MWh, für 2024 für 275 Euro/MWh und für 2025 für 185<br />

Euro/MWh gehandelt. Ab 2026 stabilisiert sich der Preis<br />

und bewegt sich für die Jahreskontrakte 2026 bis 2032<br />

(!) zwischen 125 und 135 Euro/MWh, alles Base-Load.<br />

Zum Vergleich bewegen sich die Monatsfutures für Erdgas<br />

für die kommenden Jahre am Henry Hub in den Vereinigten<br />

Staaten im Bereich 15 bis 20 Euro/MWh. Im<br />

Stromnetzgebiet etwa MISO Indiana liegen die Jahresdurchschnittspreise<br />

der Monatsfutures für off-peak<br />

Strom bei rund 60 Euro/MWh für 2023 und rund 50<br />

Euro/MWh für 2024 und 2025.<br />

Gas- und Strompreisen arbeiten wie in den Vereinigten<br />

Staaten. Es ist offenkundig, dass so im Fall eines relevanten<br />

Energiekostenanteils in Deutschland keine Perspektive<br />

mehr besteht. Auch große Unternehmen, die die<br />

„Energiedürre“ bis 2026 zu exorbitanten versunkenen<br />

Kosten überbrücken könnten, finden danach keine tragbare<br />

Perspektive für weltweite Wettbewerbsfähigkeit<br />

vor. Eine Dauersubventionierung großer Teile der Wirtschaft<br />

sowie der Bevölkerung für 10 Jahre ist weder<br />

tragbar noch sinnvoll.<br />

Mit dem Ende der Kernenergienutzung und der beabsichtigten<br />

Wiederaufnahme des Kohleausstiegs bestimmt<br />

der Gaspreis den Strompreis. Da zur Sicherung<br />

der Stromversorgung nur ein weiterer Ausbau der Gasverstromung<br />

mit den politischen Vorgaben zu Kohle und<br />

Kernenergie vereinbar ist und die heimische Gasförderung<br />

nicht ausgeweitet werden soll, ergibt sich eine ausweglose<br />

Lage, die noch durch die Sprengung der Nord<br />

Stream Pipelines und die langen Planungszeiträume in<br />

der Energiewirtschaft komplettiert wird.<br />

Es gibt nur drei Stellschrauben, die vergleichsweise<br />

kurzfristig eine Entspannung und die Chance auf ein<br />

wirtschaftliches blaues Auge für Deutschland ermöglichen:<br />

die Verlängerung der erweiterten Kohlekraftnutzung,<br />

der mittel- und am besten längerfristige Weiterbetrieb<br />

der Kernkraftwerke einschließlich Wiederinbetriebnahme<br />

abgeschalteter Anlagen soweit möglich sowie<br />

die Öffnung des heimischen Gassektors für die<br />

„Fracking“-Technologie auf breiter Front. Diese Maßnahmen<br />

werden aber politisch ausgeschlossen. Eine<br />

solche Haltung ist besonders im Fall der Kernenergie im<br />

Ausland inzwischen nicht mehr zu vermitteln. Bei unseren<br />

Nachbarn in Frankreich, den Niederlanden, Tschechien<br />

und Polen ist man mit nüchternem Blick auf die<br />

Wirklichkeit vielmehr zu dem Schluss gekommen, dass<br />

man an der Kernenergie langfristig festhält, diese ausbaut<br />

oder neu in sie einsteigt.<br />

Ein kleiner Lichtblick ergibt sich damit aber doch: Nachdem<br />

nun weite Teile der deutschen Wirtschaft dem Beispiel<br />

der kerntechnischen Wirtschaft folgen werden,<br />

kann ausgerechnet letztere – wenn Kompetenzerhalt<br />

und Kompetenzentwicklung gewährleistet werden –<br />

vom neuen Aufschwung der Kernenergie in Europa profitieren.<br />

Bald schon werden alle klugen Köpfe und erfahrenen<br />

Hände dieser Branche dringend gebraucht,<br />

egal aus welchem Land. Und natürlich wünscht die Redaktion<br />

trotz allem unseren Lesern ein persönlich gutes<br />

und glückliches 2023.<br />

EDITORIAL<br />

Selbst nach den als desaströs zu prognostizierenden<br />

Jahren bis einschließlich 2025 müssen Unternehmen in<br />

Deutschland dauerhaft mit etwa den zweieinhalbfachen<br />

Nicolas Wendler<br />

– Chefredakteur –<br />

Editorial<br />

Kein Ende des Tunnels und kaum Licht in Sicht – wirtschaftlicher Abstieg vorprogrammiert


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Inhalt<br />

4<br />

CONTENTS<br />

Ausgabe 1<br />

2023<br />

Januar<br />

Editorial<br />

Kein Ende des Tunnels und kaum Licht in Sicht –<br />

wirtschaftlicher Abstieg vorprogrammiert . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

Did you know? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5<br />

Kalender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6<br />

Feature | Decommissioning and Waste Management<br />

Die Strategie des schwedischen Rückbauprogramms von Uniper . . 7<br />

Michael Bächler, Mikael Gustafsson<br />

Interview mit Dr. Guido Knott<br />

Wir werden sicher nicht mehr in den Neubau und langfristigen<br />

Betrieb von kerntechnischen Anlagen investieren . . . . . . . . . . . 13<br />

Nicolas Wendler<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Die Herausgabe – ein Instrument des Strahlenschutzrechts . . . . . 15<br />

Christian Raetzke<br />

Environment and Safety<br />

Arbeitsschutz beim Rückbau von Kernkraftwerken . . . . . . . . . . 25<br />

Reinhard Bojer<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Zerstörungsfreie Plausibilitätsprüfung der stofflichen<br />

Beschreibung radioaktiver Abfälle mittels QUANTOM®. . . . . . . 29<br />

Laurent Coquard, Andreas Havenith<br />

At a glance<br />

Institut für Technologie und Management im Baubetrieb<br />

des Karlsruher Instituts für Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

Sascha Gentes, Nadine Gabor, Eric Rentschler, Madeleine Bachmann<br />

Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

Kernenergie und Grundrechte – Zur 19. AtG-Novelle . . . . . . . . . 42<br />

Christian Raetzke<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Application of Multiplier <strong>for</strong> Per<strong>for</strong>mance Shaping Factors<br />

in <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Plant Decommissioning Activities . . . . . . . . . . 45<br />

Byung-Sik Lee, Chang-Su Nam<br />

Development of Safety Case Data Claimed <strong>for</strong> Laser Cutting<br />

Operations in <strong>Nuclear</strong> Decommissioning . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

Howard Chapman, Julian Spencer, Stephen Lawton, Andrew Gale, Matthew Clay<br />

Cover:<br />

Kernkraftwerk Barsebäck<br />

KTG – Fachinfo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />

Vor 66 Jahren<br />

Reaktoren in Deutschland – RWE Atomkraftwerk Kahl . . . . . . . . 66<br />

KTG Inside . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73<br />

NEWS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />

Inhalt


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Did you know?<br />

Speicherkapazitätser<strong>for</strong>dernis eines Stromerzeugungssystems<br />

mit 100 Prozent erneuerbaren Energien<br />

Die Studie “Storage requirements in a 100 % renewable electricity<br />

system: extreme events and inter-annual variability“ von<br />

Oliver Ruhnau und Staffan Qvist betrachtet die er<strong>for</strong>derliche<br />

Speicherkapazität zur Überbrückung schwacher Erzeugungsphasen<br />

von Wind- und Sonnenstrom. Die Studie kombiniert<br />

eine Zeitreihenanalyse für Wetter- und Lastdaten von 35 Jahren<br />

(1982 – 2016) wie sie oft für Untersuchungen zum maximal er<strong>for</strong>derlichen<br />

Speicherbedarf eines auf volatilen Energiequellen<br />

beruhenden Erzeugungssystems verwendet werden, mit einer<br />

Kostenoptimierungsrechnung für den Mix von erneuerbaren<br />

Energien (Windkraft off- und onshore sowie Fotovoltaik und bestehende<br />

Wasserkraft und Biomasse) sowie für die Bemessung<br />

der Einspeicher- und Ausspeicherleistung der Speichertechnologie(n)<br />

und deren Verhältnis zur verbleibenden Abregelung<br />

der volatilen Erzeugungsanlagen. Die Zeitreihenanalyse ist auf<br />

das prognostizierte Verhalten eines Stromsystems im Jahr 2030<br />

normiert (Wärmepumpen, E-Fahrzeuge, technologiebezogene<br />

Erzeugungsprofile) allerdings unter der hypothetischen Annahme<br />

einer Stromerzeugung zu 100 Prozent aus erneuerbaren<br />

Energien, die die Autoren tatsächlich erst für 2050 annehmen,<br />

worauf sich auch die zugrunde liegenden Kostenannahmen des<br />

Optimierungsmodells beziehen. Das Ergebnis ist ein System bestehend<br />

aus 92 GW installierter Leistung Fotovoltaik (peak),<br />

94 GW installierter Leistung für Windkraft onshore und 98<br />

GW installierter Leistung Windkraft offshore. Die Ausspeicherleistung<br />

des Speichersystems beträgt 81 GW, davon 62 GW<br />

wasserstoffgefeuerter GuD-Kraftwerke, der Rest in Form von<br />

Pumpspeicherwerken und Batteriespeichern. Die Einpeicherleistung<br />

liegt bei 71 GW, großteils Elektrolyse, die Maximallast<br />

im Netz bei 105 GW. Ergebnis der Kostenoptimierung ist ein<br />

Maximum der Leistungsabregelung von Windkraft und PV von<br />

161 GW.<br />

Die Primärerzeugung des gerechneten Systems liegt bei 700<br />

TWh pro Jahr, von denen 65 Prozent (455 TWh) direkt der<br />

Lastdeckung dienen, 23 Prozent (160 TWh) in die Stromspeicherung<br />

fließen und 12 Prozent (84 TWh) abgeregelt werden.<br />

Die Ausspeicherung stellt 17 Prozent der Jahresarbeit oder 92<br />

TWh, die bei etwa 540 TWh liegt, also kaum höher als heute.<br />

Der Primärerzeugungsmix enthält 53 Prozent Wind offshore,<br />

26 Prozent Wind onshore und 13 Prozent Fotovoltaik. Studienziel<br />

ist allerdings die Identifikation des größten Stromdefizits<br />

und damit der Dimensionierung der Stromspeicherkapazität.<br />

Während eine jährliche Betrachtung die Ergebnisse anderer<br />

Studien einer durchgängigen Defizitperiode von 10 Tagen<br />

und eines Stromdefizits von 12,4 TWh in etwa bestätigt und<br />

bei der Einzelfallbetrachtung (Dezember 2007) auf 14 Tage<br />

ausdehnt, weitet sich das maximal zu berücksichtigende<br />

Stromdefizit bei der vieljährigen Betrachtung auf 27 TWh aus,<br />

das über eine Periode von 61 Tagen anfällt. Wird wie in der<br />

Kostenoptimierung auch die Abregelung von Erzeugung und<br />

der Wirkungsgradverlust bei der Speicherung berücksichtigt,<br />

ergibt sich ein Stromdefizit von 36 TWh über einen Zeitraum<br />

von 84 Tagen (November 1996 bis Januar 1997). Der Grund<br />

dafür ist, dass bei der langjährigen Betrachtung auch Perioden<br />

erfasst werden, die nicht ein durchgängiges Defizit an volatiler<br />

Erzeugung aufweisen, da an einzelnen Tagen gleichwohl Überschüsse<br />

anfallen, in denen aber insgesamt die Erzeugung nicht<br />

zur Bedarfsdeckung ausreichen würde. Daraus ergibt sich, dass<br />

eine Speicherkapazität von 56 TWh er<strong>for</strong>derlich ist, größtenteils<br />

in Form von Wasserstoff in Kavernenspeichern (54,2 TWh)<br />

sowie Pumspeicherwerken (1,3 TWh) und zu einem geringen<br />

Anteil (0,059 TWh) in Batterien.<br />

Die Studienautoren schätzen aufgrund des großen Speicherpotentials<br />

für Wasserstoff in Deutschland das berechnete<br />

System als realistisch erreichbar ein. Es gilt hier aber darauf<br />

hinzuweisen, dass die angesetzten Systemkosten mit 80 Euro<br />

pro MWh bezogen auf die Jahresgesamtlast angesichts des<br />

großen Aufwandes für das Erzeugungs- und Speichersystem<br />

ziemlich optimistisch erscheinen. In diesen Gesamtkosten sind<br />

auch die Kosten für die bestehende Wasserkraft und Biomassestromerzeugung<br />

sowie die Netzkosten nicht berücksichtigt.<br />

Andererseits ist das System nur auf Deutschland als Strominsel<br />

ausgerichtet, wobei die Autoren allerdings anmerken, dass<br />

zum Zeitraum des größten Energiedefizits auch die Nachbarn<br />

Energieknappheit gehabt hätten, einschließlich der nordischen<br />

Wasserkraftsysteme. Auch die Gesamtlast von 540 TWh erscheint<br />

in Anbetracht der Ausbauziele für Elektromobilität und<br />

Wärmepumpen bis 2030 wenig realistisch. Ein weiterer Aspekt<br />

– den Autoren möglicherweise nicht bekannt – der die Balance<br />

des Berechungssystems stark durcheinanderbringen würde,<br />

ist die technisch-wirtschaftliche Ausbaugrenze für die Windkraft<br />

in der deutschen des ausschließlichen Wirtschaftszone.<br />

Diese liegt aufgrund des auch weiträumig wirksamen Windparkeffekts<br />

bei etwa 40 GW in Nord- und Ostsee, so dass bei<br />

Berücksichtigung dieses Problems 58 von 98 GW installierter<br />

Windkraftleistung offshore fehlen würden. Diese müssten dann<br />

durch etwa 116 GW Wind onshore zusätzlich ersetzt werden,<br />

die aber mit ihrer deutlich geringeren Verfügbarkeit auch im<br />

Hinblick auf das maximale Erzeugungsdefizit und die Speicherkapazität<br />

wohl zu ganz anderen Ergebnissen führen würden.<br />

Quellen:<br />

Storage requirements in a<br />

100% renewable electricity<br />

system: extreme events and<br />

interannual variability,<br />

Oliver Ruhnau and Staffan<br />

Qvist, Environmental<br />

Research Letters,<br />

15.03.2022<br />

DID YOU EDITORIAL KNOW? 5<br />

Did you know?


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Kalender<br />

CALENDAR 6<br />

2023<br />

06.02. – 09.02.2023<br />

CONTE 2023 – Conference on<br />

<strong>Nuclear</strong> Training and Education.<br />

Omni Amelia Island Resort,<br />

Amelia Island, FL<br />

www.ans.org/meetings/view-conte23<br />

21.02. – 23.02.2023<br />

<strong>Power</strong>Gen <strong>International</strong>.<br />

Orlando, FL, USA<br />

http://www.powergen.com/welcome<br />

22.02. – 24.02.2023<br />

CARD 2023 – Conference<br />

<strong>for</strong> Advanced Reactor Deployment.<br />

ASME, College Station, TX, USA<br />

https://event.asme.org/CARD-2023<br />

08. – 10.05.2023<br />

World Utilities Congress.<br />

Abu Dhabi, UAE<br />

http://www.worldutilitiescongress.com/3<br />

15.05. – 20.05.2023<br />

<strong>International</strong> Conference on <strong>Nuclear</strong><br />

Decommissioning: Addressing the Past<br />

and Ensuring the Future.<br />

IAEA, Vienna, Austria<br />

https://www.iaea.org/events/decom2023<br />

11.06. – 14.06.2023<br />

2023 American <strong>Nuclear</strong> Society<br />

Annual Meeting.<br />

ANS, Indianapolis, IN, USA<br />

www.ans.org/meetings/am2023/<br />

20.08. – 25.08.2023<br />

NURETH-20 – 20th <strong>International</strong><br />

Topical Meeting on <strong>Nuclear</strong> Reactor<br />

Thermal Hydraulics.<br />

ANS, Washington DC, USA<br />

https://www.euronuclear.org/project/nureth-<br />

20-august-2023-washington-usa/<br />

30.08. – 01.09.2023<br />

KONTEC 2023.<br />

DKM Janet Scherping, Dresden, Germany<br />

www.kontec-symposium.com<br />

WM2023 Conference.<br />

X-CD Technologies,<br />

Phoenix AZ, USA<br />

www.wmsym.org<br />

26.02. – 02.03.2023<br />

11.06. – 16.06.2023<br />

PATRAM22.<br />

World <strong>Nuclear</strong> Transport Institute (WNTI)<br />

and partners, Antibes, France<br />

www.patram.org<br />

25.09. – 29.09.2023<br />

NPC 2023 – <strong>International</strong> Conference<br />

on <strong>Nuclear</strong> Plant Chemistry.<br />

SFEN, Antibes, France<br />

https://www.nuclearinst.com/events/sfen-npc-<br />

2023-international-conference-on-nuclear-plantchemistry/15571<br />

04.04. – 06.04.2023<br />

POSTPONED TBD<br />

ITER Business Forum 2023.<br />

ITER Business Forum,<br />

www.iterbusiness<strong>for</strong>um.com<br />

13.06. – 15.06.2023<br />

KERNTec 2023 – Scientific Days.<br />

KernD & KTG, Frankfurt, Germany<br />

www.kerntechnik.com<br />

03.10. – 06.10.2023<br />

ICEM 2023 - <strong>International</strong> Conference<br />

on Environmental Remediation &<br />

Radioactive Waste Management.<br />

ASME, Stuttgart, Germany<br />

https://event.asme.org/ICEM<br />

14.04 – 16.04.2023<br />

CIENPI 2023 – 15th China <strong>International</strong><br />

Exhibition on <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Industry.<br />

China <strong>Nuclear</strong> energy association (CNEA),<br />

Peking, China<br />

http://www.coastal.com.hk/cienpi.html<br />

18.04. – 20.04.2023<br />

RWNFC – World <strong>Nuclear</strong> Fuel Cycle 2023.<br />

<strong>Nuclear</strong> Energy Institute,<br />

The Hague, Netherlands<br />

https://www.wnfc-event.com/website/21771/<br />

27.06. – 29.06.2023<br />

NDE in <strong>Nuclear</strong> 2023.<br />

SNETP, Sheffield, UK<br />

https://snetp.eu/2022/07/20/nde-innuclear-2023/<br />

16.10. – 21.10.2023<br />

FEC 2023 – 29th IAEA Fusion Energy<br />

Conference.<br />

IAEA, London, UK<br />

https://ccfe.ukaea.uk/iaeas-fusion-olympics-goesonline-and-heads-<strong>for</strong>-the-uk-in-2023<br />

05.11. – 08.11.2023<br />

2023 ANS Winter Meeting and<br />

Technology Expo.<br />

ANS, Washington D.C., USA<br />

https://www.ans.org/meetings/wm2023/<br />

16.04. – 20.04.2023<br />

RRFM – European Research Reactor Conference.<br />

European <strong>Nuclear</strong> Society,<br />

Antwerp, Belgium<br />

https://www.euronuclear.org/european-researchreactor-conference-2023-rrfm/<br />

23.04. – 27.04.2023<br />

ICAPP – <strong>International</strong> Congress on Advances<br />

in <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Plants.<br />

Gyeongju, South Korea<br />

www.ans.org/meetings/view-icapp2023<br />

25.04. – 27.04.2023<br />

Used Fuel Management Conference.<br />

<strong>Nuclear</strong> Energy Institute<br />

Las Vegas, NV, USA<br />

www.ans.org/meetings/view-icapp2023<br />

15.07. – 21.07.2023<br />

13th <strong>Nuclear</strong> Plant Instrumentation,<br />

Control & Human-Machine Interface<br />

Technologies (NPIC&HMIT 2023)/<br />

18th <strong>International</strong> Probabilistic Safety<br />

Assessment and Analysis (PSA 2023).<br />

NPIC & HMIT 2023 and PSA 2023 Co-Located<br />

Meetings<br />

Knoxville, TN, USA<br />

18.07. – 21.07.2023<br />

TopFuel2023.<br />

Chinese <strong>Nuclear</strong> Society, Xi‘an, China<br />

http://wrfpm2023.org.cn/<br />

13.11. – 16.11.2022<br />

ICOND 2023.<br />

Aachen Institute <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> Training,<br />

Aachen, Germany<br />

www.icond.de<br />

28.11. – 30.11.2023<br />

World <strong>Nuclear</strong> Exhibition.<br />

Paris Nord Villepinte - Hall 7, France<br />

www.world-nuclear-exhibition.com<br />

This is not a full list and may be subject to change.<br />

Calendar


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Die Strategie des schwedischen<br />

Rückbauprogramms von Uniper<br />

Michael Bächler, Mikael Gustafsson<br />

Uniper hat ein einzigartiges nukleares Rückbauprogramm in Schweden. Das Programm besteht aus vier<br />

Kraftwerksblöcken, zwei in Barsebäck und zwei in Oskarshamn. Die Blöcke haben eine unterschiedliche<br />

Geschichte und einen unterschiedlichen Hintergrund. Während die Blöcke in Barsebäck vor 15-20 Jahren<br />

außer Betrieb genommen wurden, wurden die Blöcke in Oskarshamn nach einer kurzen Vorbereitungszeit<br />

für den nuklearen Rückbau 2016–2018 außer Betrieb genommen.<br />

Während der strategischen Planung wurden verschiedene Alternativen für den Rückbau hinsichtlich des<br />

Zeitplans und der Reihenfolge der Blöcke bewertet. Die gewählte Vorgehensweise besteht darin, alle vier<br />

Kraftwerksblöcke in einem Programm zusammenzufassen und die Arbeitspakete auf dem kritischen Pfad<br />

nacheinander für alle vier Blöcke sequenziell abzuarbeiten.<br />

In dem Papier werden die Randbedingungen und Einflussfaktoren für die Strategie des Unternehmens<br />

Uniper im Bereich des nuklearen Rückbauprogramms sowie die Erkenntnisse, Schwerpunktbereiche und<br />

Erfolge erörtert, die uns in unserer Überzeugung bestärken, dass wir aus strategischer Sicht den richtigen<br />

Weg gewählt haben.<br />

EINFÜHRUNG<br />

Uniper ist ein internationales Energieunternehmen<br />

mit rund 11.000 Mitarbeitern. In Schweden betreibt<br />

Uniper eine Reihe von Anlagen, darunter CO 2 -arme<br />

Wasserkraftwerke, und hält Beteiligungen an Kernkraftwerken.<br />

Uniper ist Mehrheitseigentümer und<br />

Betreiber des Kernkraftwerks (KKW) Oskarshamn<br />

und Minderheitseigentümer der KKW Ringhals und<br />

Forsmark. Uniper ist auch Eigentümer von Barsebäck<br />

sowie von Oskarshamn 1 und 2, den ersten<br />

kommerziellen KKW Schwedens, die inzwischen<br />

stillgelegt wurden.<br />

Die KKW Barsebäck und<br />

Oskarshamn<br />

Das Programm <strong>Nuclear</strong> Sweden von Uniper umfasst<br />

die Stilllegung von vier Reaktoren an zwei<br />

verschiedenen Standorten in Schweden, nämlich in<br />

Barsebäck und Oskarshamn. Alle vier Anlagen sind<br />

vom Typ Siedewasserreaktor (SWR) und wurden<br />

von ASSEA Atom gebaut.<br />

Die Reaktoren Barsebäck 1, Barsebäck 2 und Oskarshamn<br />

2 sind baugleich, während die Anlage<br />

Oskarshamn 1 eine frühere Generation darstellt. Am<br />

Kraftwerksstandort Oskarshamn gibt es einen weiteren<br />

Reaktor, Oskarshamn 3, der noch in Betrieb<br />

ist. Der Reaktor Oskarshamn 3 wird nach aktuellen<br />

Planungen frühestens 2045 stillgelegt.<br />

Die Reaktoren in Barsebäck wurden 1999 bzw. 2005<br />

aus politischen Gründen abgeschaltet und sind<br />

seitdem im Nachbetrieb, bis der Rückbau beschlossen<br />

wird. Die Abschaltung der beiden Reaktoren<br />

NPP Barsebäck<br />

NPP Oskarshamn<br />

Owner: Uniper (100%)<br />

# of Units: 2 (B1+B2)<br />

Commercial Operation: 1975 / 1977<br />

End-of-Operation: 1999 / 2005<br />

Reactor Type: Boiling Water Reactors<br />

Gross Capacity [MW]: 615 / 615<br />

Electricity produced [GWh]: 202,000<br />

Location: Sweden<br />

Owner: Uniper (54,5%), Fortum (45,5%)<br />

# of Units: 2 of 3 (O1+O2)<br />

Commercial Operation: 1972 / 1974<br />

End-of-Operation: 2017 / 2015<br />

Reactor Type: Boiling Water Reactors<br />

Gross Capacity [MW]: 492 / 661<br />

Electricity produced [GWh]: 263,000<br />

Location: Sweden<br />

| Abb. 1:<br />

Überblick über die abgeschalteten Blöcke der Kernkraftwerke Barsebäck und<br />

Oskarshamn<br />

Oskarshamn 2 und Oskarshamn 1 wurde aus finanziellen<br />

Gründen beschlossen, die auf politische<br />

Entscheidungen im Zusammenhang mit der Besteuerung<br />

der Stromerzeugung aus Kernenergie<br />

zurückzuführen sind. Block 2 in Oskarshamn war<br />

zum Zeitpunkt des Abschaltbeschlusses im Jahr<br />

2015 bereits wegen umfangreicher Modernisierungsarbeiten<br />

außer Betrieb und sollte Anfang 2016<br />

wieder in Betrieb genommen werden. Oskarshamn<br />

1 wurde 2017 abgeschaltet, was eine vorgezogene<br />

Entscheidung im Vergleich zum zuvor geplanten Abschalttermin<br />

2023 war.<br />

Dies bedeutete, dass in beiden Kernkraftwerken<br />

zwei völlig unterschiedliche Ausgangspositionen<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 7<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Die Strategie des schwedischen Rückbauprogramms von Uniper ı Michael Bächler, Mikael Gustafsson


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 8<br />

bestanden, als Uniper mit der Strategiearbeit begann,<br />

wie die Stilllegung der vier Reaktoren durchgeführt<br />

und organisiert werden sollte.<br />

Die Ausgangsposition von Barsebäck war ein<br />

langfristiger Servicebetrieb und eine erheblich<br />

reduzierte Organisation, die sich auf die Instandhaltung<br />

und die Zerlegung der Reakroreinbauten<br />

im Rahmen eines „Turn-Key“-Vertrags konzentrierte.<br />

Oskarshamn befand sich inmitten in einer sehr<br />

umfangreichen Modernisierung von Oskarshamn 2,<br />

mit dem Schwerpunkt auf der Wiederinbetriebnahme<br />

im Jahr 2016 nach mehreren Jahren Stillstand.<br />

In Oskarshamn 1 plante ein kleines Team die Vorbereitung<br />

der Stilllegung von Oskarshamn 1 im Jahr<br />

2023. In Oskarshamn wurde die Abschaltung vorgezogen<br />

und geschah damit weitgehend ungeplant.<br />

In den Jahren 2017-2019 wurde die Organisation in<br />

Oskarshamn aufgrund der Stilllegungsentscheidungen<br />

personell stark angepasst<br />

Umfassende Unternehmensstrategieentwicklung<br />

und Zielsetzung<br />

Im Jahr 2017 beschloss Uniper, eine Strategie für<br />

den Rückbau der vier Blöcke zu entwickeln, die das<br />

gesamte Spektrum der Möglichkeiten abdeckt, und<br />

ernannte daher ein Projektteam mit der Aufgabe:<br />

p Entwicklung eines optimierten<br />

Stilllegungsszenarios<br />

p Erstellung eines Geschäftsplans auf<br />

Arbeitspaketebene<br />

p Erstellung eines Referenzzeitplans basierend<br />

auf den Arbeitspaketen<br />

p Einbeziehung einer Beschaffungsstrategie<br />

p Abschätzung der Auswirkungen auf<br />

die Res sour cen<br />

p Durchführung einer Risikobewertung<br />

und Ent wicklung eines Risikoregisters<br />

für die Stilllegung<br />

p Durchführung von Kosten- und<br />

Sensitivitätsanalysen<br />

p Erstellung eines Personalplans, einschließlich<br />

Strategien für das Hochfahren und Herunterfahren<br />

der Rückbauaktivitäten.<br />

Das Ziel der Stilllegungsstrategie war es, „sicher“,<br />

„Regelwerk- und Genehmigungskon<strong>for</strong>m“ und „innerhalb<br />

des Budgets“ den Rückbau der Anlagen<br />

zu realisieren. Alle anderen Einflussaspekte und<br />

Randbedingungen sollten an die reduzierten An<strong>for</strong>derungen<br />

aus der Stilllegung und dem Rückbau<br />

angepasst werden.<br />

Strategie der Stilllegung und gesammelte<br />

Erfahrungen<br />

Die Randbedingungen für die Strategieentwicklung<br />

von Uniper, die die Grundlage für die Kostenstruktur<br />

bilden, wurden in drei Hauptkategorien unterteilt:<br />

p Technik und Beschaffung/Markt<br />

p Gesetzgebung und Genehmigungen<br />

p Finanzierung<br />

Standortspezifische<br />

Randbedingungen zu Beginn<br />

der Strategieentwicklung<br />

In Barsebäck sind beide Reaktoren seit langem<br />

abgeschaltet, und es gibt keine anderen nuklearen<br />

Aktivitäten am Standort, was einen direkten<br />

Rückbau ohne Rücksicht auf andere Aktivitäten<br />

ermöglicht. Außerdem verfügt der Standort über<br />

eine gut ausgebaute Infrastruktur mit einem eigenen<br />

Hafen, der den Transport großer Komponenten<br />

per Seefracht ermöglicht. Die Reaktoren haben seit<br />

der Stilllegung drei bis vier Halbwertszeiten Co60<br />

hinter sich und wurden einer vollständigen Systemdekontamination<br />

unterzogen so dass optimale<br />

radiologische Randbedingungen für den Rückbau<br />

gegeben waren. Der Kernbrennstoff aus Barsebäck<br />

wurde nach der Abschaltung zum zentralen Zwischenlager<br />

für Kernbrennstoffe in Schweden, der<br />

SKB/CLAB-Anlage, transportiert. Das Personal in<br />

Barsebäck wurde nach der Abschaltung reduziert<br />

und darauf eingestellt, nur noch Servicearbeiten<br />

durchzuführen. Im Jahr 2017, als die strategische<br />

Arbeit innerhalb von Uniper begann, bestand das<br />

Personal für den Restbetrieb der Nachbetriebsanlage<br />

aus etwa 50 Personen. Im Zusammenhang mit<br />

der Zerlegung der Reaktoreinbauten im Jahr 2016<br />

wurde auch ein Zwischenlager für schwach- und<br />

mittelaktive Materialien und die Lagerung von Reaktortanks<br />

eingerichtet.<br />

Das Kraftwerk Oskarshamn besteht aus drei Reaktoren,<br />

die alle dem Typ SWR angehören. Oskars -<br />

hamn3 wurde 1986 in Betrieb genommen und<br />

Uniper beabsichtigt, diesen Reaktor bis mindestens<br />

2045 weiter zu betreiben. Alle drei Reaktoren befinden<br />

sich in einem gemeinsamen physischen Schutzbereich.<br />

In den Gebäuden der Blöcke O1 und O2<br />

sind eine Reihe gemeinsamer Versorgungssysteme<br />

installiert. Auch eine gemeinsame Abwasseranlage<br />

ist angeschlossen und wird von Block O1 aus betrieben.<br />

Der Standort Oskarshamn verfügt ebenfalls<br />

über einen gut funktionierenden Hafen.<br />

Teile der gemeinsamen Einrichtungen am Standort<br />

werden mit der Produktionseinheit O3 geteilt,<br />

während in Barsebäck die gesamten Kosten für<br />

Einrichtungen am Standort wie z. B. für Sicherheit,<br />

Werkstätten und Facility Management aus dem<br />

Rückbaubudget zu finanzieren sind.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Die Strategie des schwedischen Rückbauprogramms von Uniper ı Michael Bächler, Mikael Gustafsson


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| Abb. 2:<br />

Verfügbare Entsorgungswege und entsprechende Mengen.<br />

Wie die beiden Reaktoren von Barsebäck werden<br />

auch Oskarshamn1 und 2 einer vollständigen Systemdekontamination<br />

unterzogen.<br />

Die SKB/CLAB-Anlage für abgebrannte Brennelemente<br />

befindet am selben Standort wie das<br />

Kraftwerk Oskarshamn, was den Transport aller<br />

Brennelemente innerhalb von eineinhalb Jahren<br />

nach der Abschaltung der beiden Reaktoren ermöglicht<br />

hat.<br />

Schwedisches<br />

Backend-System<br />

Die schwedischen Back-End-Systeme befinden sich<br />

noch in der Konzeptionsphase und das Endlager für<br />

schwach- und mittelaktive Abfälle aus der Stilllegung<br />

wird voraussichtlich 2030 für schwach- bzw.<br />

2045 für mittelaktive Abfälle in Betrieb sein. Dies<br />

bedeutet, dass die beiden Standorte für die Zwischenlagerung<br />

von schwach- und mittelaktiven Abfällen<br />

sorgen müssen, bis ein Endlager zur Verfügung steht.<br />

Beide Standorte haben in Zwischenlösungen für die<br />

direkte Stilllegung investiert und diese errichtet. In<br />

Oskarshamn gibt es ein bestehendes unterirdisches<br />

Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle (RDB<br />

Einbauten und RDB), das bis zur Abschaltung von<br />

Block 3 und der endgültigen Stilllegung des Standorts<br />

in Betrieb sein wird.<br />

Transport großer Komponenten ermöglicht. Die folgenden<br />

Entsorgungswege stehen für das Programm<br />

zur Verfügung. Die Auswahl erfolgt auf der Grundlage<br />

der spezifischen Kosten und des verfügbaren<br />

Lagervolumens und der Bearbeitungskapazität.<br />

Beschaffungs- und<br />

Marktbedingungen<br />

Für eine größere Anzahl von Kernkraftwerken<br />

in Schweden ist in den kommenden Jahren der<br />

Rückbau geplant. Eine Randbedingung bzw.<br />

ein Einflussfaktor war die Möglichkeit auf dem<br />

schwedischen Rückbaumarkt eine Vorreiterrolle<br />

einzunehmen. Als Erster auf dem Markt zu sein,<br />

brachte eine Reihe von Vorteilen zur Kostensenkung<br />

mit sich.<br />

Gesetzgebung und<br />

Genehmigungen<br />

Die behördlichen An<strong>for</strong>derungen in Bezug auf die<br />

nukleare Entsorgung waren zum Zeitpunkt der<br />

Strategieentwicklung neu erlassen worden und<br />

bedurften Interpretationen hinsichtlich der An<strong>for</strong>derungen<br />

an den Rückbau, die Dokumentation und<br />

die Handhabung von Rückbauabfällen. Dieses Risiko<br />

wurde bei der Entscheidung über den Rückbauansatz<br />

und bei der Risikoanalyse der verschiedenen<br />

entwickelten Szenarien sorgfältig bewertet.<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 9<br />

In Barsebäck wird der schwach- und mittelaktive<br />

Abfall bis 2045 verbleiben und damit die Möglichkeit<br />

blockieren, den Endzustand eines so genannten<br />

braunen Feldes in den Jahren 2030-2032 zu erreichen,<br />

d. h. den Standort „nicht-nuklear“ zu machen,<br />

es ist angestrebt eine externe Lösung für diese Abfälle<br />

an einem anderen Standort zu ermöglichen.<br />

Zwischenlagerungslösungen minimieren die<br />

Auswirkungen von Verzögerungen bei den Endlagerprojekten<br />

und schaffen ein höheres Maß an<br />

Flexibilität in dem Rückbauprogramm.<br />

Das Entsorgungs- und Abfallbehandlungskonzept<br />

für den Rückbau der Anlagen beruht weitgehend<br />

auf einem „Rip-and-Ship“-Konzept, das auch den<br />

Zusätzlich zu den neuen Vorschriften sind die Abfallannahmekriterien<br />

(waste acceptance criteria =<br />

WAC) für das schwedische Back-End-System (SFR –<br />

Final Repository <strong>for</strong> Short-lived Radioactive Waste)<br />

noch in der Vorphase, was an sich schon eine Unsicherheit<br />

darstellt. Die endgültige Genehmigung<br />

der WAC erfolgt nach dem Testbetrieb des Endlagers,<br />

der voraussichtlich frühestens 2029/2030<br />

abgeschlossen sein wird. Die Zusammenarbeit zwischen<br />

der Aufsichtsbehörde und anderen Behörden<br />

wie Regionalbehörden und Kommunen basiert in<br />

Schweden weitgehend auf Vertrauen und einem<br />

pragmatischen Ansatz zur Lösung von Problemen<br />

im Zusammenhang mit den er<strong>for</strong>derlichen Genehmigungen<br />

und Zulassungen.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Die Strategie des schwedischen Rückbauprogramms von Uniper ı Michael Bächler, Mikael Gustafsson


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 10<br />

| Abb. 3:<br />

Zusammenfassung der Einflussfaktoren.<br />

Einflussfaktoren und<br />

Auswahl des Szenarios<br />

In Schweden ist die Stilllegung gesetzlich vorgeschrieben<br />

und die Genehmigungsinhaber sind für<br />

die Finanzierung (Rückstellungsfond KAF), die<br />

Planung und die Durchführung verantwortlich,<br />

so dass die einzigen beeinflussbaren Faktoren der<br />

„Startzeitpunkt“, die „Ausführungsdauer“ und das<br />

Ausmaß des „Portfolio-Ansatzes“ sind, der im Falle<br />

von Mehrblockstandorten/Programmen genutzt<br />

werden kann. Der KAF ist der vom schwedischen<br />

Staat kontrollierte Fonds für die Stilllegung von<br />

Kernkraftwerken.<br />

Der Uniper-Portfolio-Ansatz mit vier Einheiten (drei<br />

fast identische) bietet einzigartige Lernkurven und<br />

Möglichkeiten zur Kostensenkung. Nachfolgend<br />

sind einige der Vorteile aufgeführt, die sich aus der<br />

Anwendung des Portfolio-Ansatzes ergeben:<br />

p Lernkurveneffekte zwischen den Arbeitspaketen<br />

in den verschiedenen Einheiten. Übertragung<br />

von Erfahrungen und Lehren von einer Einheit<br />

auf die nächste.<br />

p Synergien bei der Planung, den Arbeitsvorbereitungen<br />

und den Werkzeugen, z. B.<br />

die Möglichkeit, „einmal zu planen, viermal<br />

auszuführen“.<br />

p Skalierungseffekt durch die Beschaffung<br />

größer er Mengen, Beispiele:<br />

P ein Auftrag für vier ähnliche Arbeitspakete<br />

P gemeinsame Abfallsortier-/Verpackungsstationen<br />

für Abfallgebinde<br />

p Schlanke Organisation durch Anwendung von<br />

Portfoliosteuerung und -implementierung<br />

mit gemeinsamem Projektmanagement Office,<br />

Arbeitspaketleitern etc.<br />

Bewertung von<br />

Stilllegungsszenarien<br />

In der Strategiephase 2018 wurden verschiedene<br />

Szenarien anhand von definierten, spezifischen<br />

Randbedingungen und Einflussfaktoren bewertet.<br />

Das richtige Gleichgewicht zwischen Sicherheit,<br />

Qualität, Kosten und Ressourcen zu finden, ist<br />

entscheidend, um ein optimales Ergebnis und die<br />

Unternehmensstrategie zu erreichen.<br />

Die Haupteinflussfaktoren „Startpunkt“ und<br />

„Ausführungszeit“ führen zu den folgenden drei Szenarien,<br />

„Sequence“-, „Stretched“- und „Long term<br />

service operation (LTSO)“ (Abb. 4).<br />

Die von Uniper durchgeführte Evaluierung unter<br />

Anwendung eines „Best-<strong>for</strong>-Company“-Ansatzes<br />

lieferte eine Strategie, die auf einem „Sequence-Scenario“<br />

basiert, das in einem gemeinsamen<br />

Programm zur Optimierung der Portfoliovorteile<br />

mit einem realistischen Hochlauftempo und einem<br />

optimierten Personal- und Abfallvolumen-/Flussplan<br />

ausgeführt wird.<br />

Benchmark zeigt niedriges<br />

Kostenniveau<br />

Eine internationale Kosten-Benchmark-Studie zeigt,<br />

dass das Uniper-Rückbauprogramm auf der Basis des<br />

| Abb. 4:<br />

Bandbreite der bewerteten Szenarien.<br />

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| Abb. 5:<br />

Zusammenfassung der Einflussfaktoren.<br />

Sequenzszenarios, ausgeführt in einem Portfolio-<br />

Ansatz, auch im unteren Bereich der Gesamtkosten<br />

für SWR liegt und in allen Bereichen, wie z. B. Rückbau,<br />

Abfall, Infrastruktur, PMO und Engineering,<br />

unter den für SWR üblichen Kosten liegt (Abb.: 6).<br />

Aktueller Stand und<br />

Key Per<strong>for</strong>mance Indicators (KPIs)<br />

Nachfolgend werden KPIs vorgestellt, die den aktuellen<br />

Stand der Kosten und der Leistung sowie den<br />

Lernkurveneffekt aufzeigen.<br />

Insgesamt wurden in den ersten zwei Jahren mehr<br />

als 12 000 Mg in allen vier Einheiten abgebaut, was<br />

nur eine geringe Abweichung von weniger als 10 %<br />

im Vergleich zum Plan darstellt. Es sollte auch darauf<br />

hingewiesen werden, dass dies hauptsächlich<br />

während der Covid-Pandemiebedingungen erreicht<br />

wurde. Die tatsächlichen Gesamtkosten zeigen, dass<br />

das Programm seit der Strategieentscheidung im<br />

Jahr 2018 immer noch innerhalb des Budgets liegt.<br />

Die Durchführung der ersten Arbeitspakete zeigt<br />

eine deutlich positive Auswirkung auf den Lernkurveneffekt.<br />

SCHLUSSFOLGERUNG<br />

Nach drei Jahren Stilllegungsarbeiten seit der Strategieentscheidung<br />

können wir feststellen, dass das<br />

Programm immer noch innerhalb des Budgets und<br />

des Zeitplans liegt (mit Ausnahme einiger Abweichungen<br />

bei nicht zeitkritischen Aktivitäten).<br />

Außerdem können wir heute einen erheblichen Nutzen<br />

aus unserem Lead-and-Learn-Ansatz ziehen,<br />

insbesondere bei Arbeitspaketen wie der Zerlegung<br />

von RDB, der Zerlegung von Turbinen und Generatoren<br />

sowie der Demontage von Kondensatoren.<br />

Der First-Mover-Ansatz in einem neuen Rückbaumarkt<br />

hat sowohl Vorteile, wie z. B. die<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 11<br />

| Abb. 6:<br />

<strong>International</strong>er Kostenvergleich.<br />

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FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 12<br />

| Abb. 7:<br />

Gesamtmasse des tatsächlich demontierten Materials und tatsächliche Kosten im Vergleich zum Plan.<br />

Markt situation, als auch Nachteile, wie z. B. den<br />

nicht zu vernachlässigenden Aufwand für den Aufbau<br />

von Erfahrungen sowohl intern als auch extern,<br />

z. B. bei Dienstleistern, Subunternehmern und bei<br />

der Regulierungsbehörde.<br />

Die für das schwedische Rückbauprogramm von Uniper<br />

gewählte Strategie hat sich in den ersten zwei<br />

Jahren der Erfahrung mit dem Rückbau in großem<br />

Maßstab als erfolgreich erwiesen.<br />

Authors<br />

Michael Bächler<br />

Senior Vice President <strong>Nuclear</strong> Decommissioning<br />

and Dismantling Services und Managing Director,<br />

Uniper <strong>Nuclear</strong> Services (USA)<br />

michael.baechler@swe.uniper.energy<br />

Michael Bächler startete seine Karriere als Project Manager bei der Firma<br />

Babcock-Noell und war dort zuletzt Abteilungsleiter innerhalb von „<strong>Nuclear</strong><br />

Services and <strong>Nuclear</strong> Decommissioning“. 2003 wechselte er zur E.ON Kernkraft,<br />

wo er in verschiedenen Positionen und Funktionen bis 2015 beschäftigt war,<br />

zuletzt als „Head of <strong>Nuclear</strong> Decommissioning Projects“.<br />

Es folgte eine Beschäftigung als Senior Engineer im Kernkraftwerk Brunsbüttel bei<br />

Vattenfall Europe <strong>Nuclear</strong> Energy. Seit 2016 ist er bei UNIPER <strong>Nuclear</strong> Services<br />

und dort sowohl Geschäftsführer der deutschen als auch der schwedischen Entity<br />

als auch Senior Vice President <strong>Nuclear</strong> Decommissioning and Dismantling<br />

Services (UNS), verantwortlich für das komplette UNIPER Decommissioning Portfolio.<br />

Zusätzlich ist Herr Bächler Mitglied der schwedischen Delegation innerhalb<br />

der OECD <strong>Nuclear</strong> Energy Agency, der WANO Working Group sowie der IAEA<br />

Consultancy Working Group.<br />

Mikael Gustafsson<br />

Head of PCQA <strong>Nuclear</strong> D&D<br />

Sydkraft <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> AB<br />

Uniper<br />

mikael.gustafsson3@swe.uniper.energy<br />

Mikael Gustafsson begann seine berufliche Laufbahn als Projektleiter für große<br />

Leittechnik- und Sicherheits-Upgrade-Projekte bei Westinghouse Electric Sweden.<br />

Im Jahr 2006 wechselte er zu OKG AB (Betreiber von KKWs in Oskarshamn,<br />

Schweden) und war dort an verschiedenen Großprojekten beteiligt,<br />

z. B. an der Sicherheitsnachrüstung und Leistungserhöhung von Block 2.<br />

Im Jahr 2016 wechselte er zu Sydkraft <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> AB (Teil der Uniper-<br />

Gruppe), um sich dem Team für die Entwicklung der Stilllegungsstrategieplanung<br />

für die Blöcke O1 und O2 bei OKG AB sowie B! und B2 bei BKAB anzuschließen.<br />

Heute ist er Mitglied des OKG- und BKAB-Programmmanagementteams und des<br />

Uniper <strong>Nuclear</strong> D&D Managementteams als Leiter des PCQA (Per<strong>for</strong>mance Center<br />

and Quality Assurance).<br />

| Abb. 8:<br />

Lernkurveneffekt für die Segmentierung des RDB bei den Einheiten B1 und B2<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Die Strategie des schwedischen Rückbauprogramms von Uniper ı Michael Bächler, Mikael Gustafsson


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Wir werden sicher nicht mehr in den Neubau<br />

und langfristigen Betrieb von kerntechnischen<br />

Anlagen investieren<br />

Interview mit Dr. Guido Knott,<br />

Vorsitzender der Geschäftsführung der PreussenElektra GmbH<br />

INTERVIEW 13<br />

Dr. Guido Knott<br />

Dr. Guido Knott ist seit Januar 2016 Vorsitzender der Geschäftsführung<br />

der PreussenElektra GmbH (ehem. E.ON Kernkraft GmbH) und war zuvor<br />

ihr Mitglied. Von 2010 bis 2015 war er Senior Vice President Politik und<br />

Kommunikation der E.ON SE, zuvor Finanzvorstand der E.ON Hanse AG,<br />

davor Mitglied der Geschäftsleitung der E.ON Energie AG. Seine Laufbahn<br />

innerhalb des Konzernverbunds begann er als Leiter der Repräsentanz der<br />

E.ON AG in Berlin 2003. Dr. Knott hat Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt<br />

Energiewirtschaft an der Universität Köln studiert und wurde 1991<br />

zum Dr. rer. pol. promoviert.<br />

Nach langer politischer Diskussion hat der<br />

Bundestag nun beschlossen, einen Weiterbetrieb<br />

der Kernkraftwerke bis zum 15. April 2023<br />

gesetzlich zu ermöglichen. Was bedeutet es für<br />

PreussenElektra operativ, diesen Beitrag zur<br />

Versorgungssicherheit im Winter zu leisten?<br />

Dies bedeutet zunächst einmal viel Arbeit für uns und<br />

die KKI-Mannschaft – und ein<br />

nicht unerhebliches unternehmerisches<br />

Risiko. Damit meine ich<br />

selbstverständlich nicht den Betrieb<br />

des KKI 2 – der ist sicherheitstechnisch<br />

problemlos möglich.<br />

Ich spreche davon, dass die<br />

gesetzlichen Grundlagen noch nicht vorhanden waren,<br />

wir aber alle Vorbereitungen getroffen und das<br />

KKI 2 fit gemacht haben für den kommenden Winter,<br />

ohne zu wissen, wie sich die Wirtschaftlichkeit der Anlage<br />

im nächsten Jahr verhält. Auf der einen Seite also<br />

viel Arbeit, auf der anderen Seite können wir mit dem<br />

Streckbetrieb des KKI 2 einen wichtigen Beitrag zur<br />

Versorgungsstabilität leisten. Das freut uns sehr.<br />

Bereits im Vorfeld der Bundestagsentscheidung<br />

wurde das Kernkraftwerk Isar 2 in Vorbereitung<br />

für einen Weiterbetrieb für eine Wartung der<br />

Druckhaltervorsteuerventile heruntergefahren.<br />

Was hatte es damit auf sich?<br />

Es ging um die Wartung von Vorsteuerventilen im<br />

Druckhaltersystem. Es ist bekannt, dass diese systeminterne<br />

Undichtigkeit an diesen Ventilen über den<br />

Die überwältigende Unterstützung,<br />

die wir für den Weiterbetrieb<br />

aus unseren Heimatgemeinden<br />

und der Region erfahren haben,<br />

hat uns enorm gefreut.<br />

Betriebszyklus anwächst. Innerhalb von definierten<br />

Grenzwerten ist dies kein Problem. Die Messwerte aus<br />

der betrieblichen Überwachung ließen aber vermuten,<br />

dass die Leckage genau im Winter die Grenzwerte<br />

überschreitet – genau dann also, wenn die zuverlässige<br />

Stromversorgung von Isar 2 am dringendsten benötigt<br />

wird. Daher haben wir die Wartung der Ventile<br />

im Oktober durchgeführt und<br />

mussten für unsere ausgefallene<br />

Stromproduktion Ersatzstrom einkaufen.<br />

In Zwischenständen der Weiterbetriebsdiskussion<br />

war davon<br />

die Rede, dass man im Fall KKI 2 auf eine Auffrischung<br />

des Kerns mit Brennelementen aus dem<br />

Becken verzichtet. Wird es dabeibleiben?<br />

Klar ist, dass wir im Falle einer Neukonfiguration des<br />

Reaktorkerns eine mehrwöchige Revision zu leisten<br />

hätten. Auch das wäre technisch möglich und wir haben<br />

dies dem Bundeswirtschaftsministerium angeboten,<br />

dies wurde aber bekanntermaßen verworfen. Da<br />

aber nach der neuen Gesetzeslage am 15. April 2023<br />

Schluss ist, ergibt eine Neukonfiguration nach der<br />

Streckbetriebs phase keinen Sinn mehr.<br />

Die vergangenen Monate seit Ankündigung einer<br />

unideologischen Prüfung eines Weiterbetriebs<br />

seitens des Bundeswirtschaftsministers und dem<br />

Angebot der kerntechnischen Branche, einen<br />

weiteren Beitrag zur Versorgungssicherheit zu<br />

Interview<br />

Wir werden sicher nicht mehr in den Neubau und langfristigen Betrieb von kerntechnischen Anlagen investieren ı Guido Knott


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

INTERVIEW 14<br />

| Abb. 1:<br />

Blick in den Reaktordruckbehälter<br />

des<br />

KKI-2 während einer<br />

Revision.<br />

ermöglichen, waren teils ein Wechselbad der<br />

Gefühle. Wie sind die davon direkt betroffenen<br />

Mitarbeiter damit umgegangen?<br />

Die Diskussionen in der Öffentlichkeit waren zumindest<br />

teilweise schwer zu ertragen und haben nicht dazu<br />

beigetragen, Unsicherheiten in unserer Mannschaft<br />

abzubauen. Eine frühzeitigere Entscheidung<br />

wäre wünschenswert<br />

gewesen. Jetzt kann ich sagen,<br />

dass sich die Mannschaft voll und<br />

ganz auf ihre Aufgaben im Streckbetrieb<br />

konzentriert und diesen<br />

sehr motiviert vorbereitet hat. Dies leistet sie gerne<br />

und mit Überzeugung.<br />

Und welche Auswirkungen hatte die Diskussion<br />

auf die Standortkommunikation? Am Standort und<br />

in der Region überwiegt ja nach wie vor eine positive<br />

Grundeinstellung zum Kraftwerk.<br />

Die überwältigende Unterstützung, die wir für den<br />

Weiterbetrieb aus unseren Heimatgemeinden und der<br />

Region erfahren haben, hat uns enorm gefreut. Das<br />

hat uns sehr motiviert, alles dafür zu tun, den Weiterbetrieb<br />

tatsächlich auch zu ermöglichen.<br />

„Vor allen Dingen geht es doch<br />

darum, eine Stromversorgung<br />

mit bezahlbaren Preisen zu<br />

gewährleisten.“<br />

Kernenergie nur jeweils minimal als Lückenbüßer<br />

zu nutzen?<br />

Vor allen Dingen geht es doch darum, eine Stromversorgung<br />

mit bezahlbaren Preisen zu gewährleisten.<br />

Sofern wir hier einen Beitrag leisten können, werden<br />

wir dies prüfen, so wie wir das auch nach dem Ausbruch<br />

des Ukraine-Kriegs getan<br />

haben.<br />

Sollte sich die Einstellung zur<br />

Kernenergie und die Politik<br />

in Deutschland grundlegend<br />

ändern, wäre PreussenElektra dabei oder müsste<br />

das eine „Kernkraft GmbH“ in Bundeseigentum<br />

übernehmen, wie schon Endlagerung, Zwischenlagerung<br />

und Entsorgungsfinanzierung?<br />

Wir werden sicher nicht mehr in den Neubau und langfristigen<br />

Betrieb von kerntechnischen Anlagen investieren.<br />

Unser Plan ist der zügige Rückbau unserer gesamten<br />

Flotte. Dass der Bund Betreiber oder Erbauer<br />

von Kernkraftwerken wird, ist jedenfalls auch kaum<br />

vorstellbar.<br />

Es wurde in den vergangenen Monaten vielfach<br />

ge<strong>for</strong>dert, die Anlagen deutlich länger weiter zu<br />

betreiben, um auch eine längere Dauer der Energiekrise<br />

abzusichern, nicht so viel zusätzliches CO 2<br />

zu erzeugen und einen deutlicheren dämpfenden<br />

Effekt auf den Strompreis zu erzielen. Unter<br />

welchen Voraussetzungen wäre denn ein längerer<br />

Weiterbetrieb möglich?<br />

Zunächst einmal er<strong>for</strong>dert ein Weiterbetrieb über den<br />

15. April eine neue politische Entscheidung und dann<br />

eine schnelle gesetzliche Grundlage. Dafür sehe ich<br />

derzeit keine politische Mehrheit.<br />

Wo liegen andererseits Grenzen eines Weiterbetriebs,<br />

auch mit Blick auf die Neigung der Politik die<br />

Autor<br />

Nicolas Wendler<br />

Leiter Presse und Politik<br />

KernD (Kerntechnik Deutschland e. V.)<br />

nicolas.wendler@kernd.de<br />

Nicolas Wendler ist seit August 2013 Leiter Presse und Politik von Kerntechnik<br />

Deutschland e. V./Deutsches Atom<strong>for</strong>um e. V. und war davor seit März 2010 als<br />

Referent Politik dort beschäftigt. Er war zuvor als <strong>International</strong>er Referent für die<br />

internationalen Beziehungen der Jungen Union Deutschlands zuständig und hat<br />

unter anderem Themen der Energie-, Klima- und Wirtschaftspolitik für die<br />

Organisation bearbeitet. Seit Januar 2022 ist er außerdem Chefredakteur der<br />

<strong>atw</strong> – <strong>International</strong> <strong>Journal</strong> <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong>. Wendler hat in München und<br />

Bordeaux Politische Wissenschaft sowie Volkswirtschaftslehre und (Nord-)<br />

Amerikanische Kulturgeschichte studiert.<br />

Interview<br />

Wir werden sicher nicht mehr in den Neubau und langfristigen Betrieb von kerntechnischen Anlagen investieren ı Guido Knott


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Die Herausgabe – ein Instrument<br />

des Strahlenschutzrechts *<br />

Christian Raetzke<br />

I. Einleitung: Die Herausgabe im System des Atom- und Strahlenschutzrechts<br />

Die Herausgabe von Stoffen und Gegenständen ist ein Instrument, das sich in der Aufsichtspraxis der letzten<br />

Jahrzehnte herausgebildet hat und das vor allem beim Rückbau von Kernkraftwerken eine hohe Bedeutung<br />

aufweist.<br />

Im Stilllegungsleitfaden 1<br />

– der sich auf die Stilllegung<br />

und den Rückbau von Anlagen nach § 7<br />

AtG bezieht – ist die Herausgabe beschrieben als<br />

„Vorgehensweise zur Entlassung von nicht radioaktiven<br />

Stoffen sowie aufgrund der Tätigkeit nach § 4<br />

Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StrlSchG [Betrieb einer<br />

Anlage nach § 7 AtG, Anm. d. Verf.] nicht kontaminierten<br />

und nicht aktivierten Gegenständen … aus der<br />

atom- und strahlenschutzrechtlichen Überwachung.“<br />

Die Herausgabe ist weder im AtG noch im StrlSchG<br />

oder in der StrlSchV definiert oder sonst ausdrücklich<br />

geregelt; auch die Euratom-Grundnorm zum<br />

Strahlenschutz 2<br />

kennt sie nicht. Einzelne Regelungen<br />

der StrlSchV, wie vor allem § 31 Abs. 5<br />

StrlSchV, lassen sich als Sonder<strong>for</strong>men der Herausgabe<br />

interpretieren, ohne dass diese Einordnung<br />

im Verordnungstext deutlich würde. Die für die<br />

Praxis wichtigen Bestimmungen zur Herausgabe<br />

finden sich im untergesetzlichen Regelwerk (im<br />

oben zitierten Stilllegungsleitfaden und in den<br />

ESK-Stilllegungsleitlinien 3 ) und haben daher<br />

nicht den Charakter von Rechtsnormen. Insofern<br />

lässt sich bereits an dieser Stelle festhalten, dass<br />

die Herausgabe sich mangels gesetzlicher Ermächtigung<br />

tatsächlich auf eine „Vorgehensweise“ der<br />

Betreiber und Aufsichtsbehörden beschränken<br />

muss, die sich in das System des Atom- und Strahlenschutzrechts<br />

einfügt, dessen Grundlinien sie<br />

nicht gestalten, sondern nur nachzeichnen und<br />

ausführen kann.<br />

wird nicht geprüft, ob der betreffende Gegenstand<br />

oder Stoff, der die Überwachung verlassen soll, für<br />

den sicheren Betrieb der Anlage noch er<strong>for</strong>derlich<br />

ist – eine solche Prüfung ist beim Rückbau Regelungsgegenstand<br />

der Genehmigung nach § 7 Abs. 3<br />

AtG und der davon abgeleiteten Bestimmungen<br />

v. a. der Rückbauhandbücher. Bei der Herausgabe<br />

geht es stattdessen um die Gewährleistung, dass<br />

Gegenstände, die aus dem Kernkraftwerk (zur<br />

räumlichen Definition siehe unten) in das „allgemeine<br />

Staatsgebiet“ entlassen werden, nicht so<br />

kontaminiert sind, dass von ihnen eine Gefahr<br />

durch ionisierende Strahlung ausgeht. Die Herausgabe<br />

erweist sich also als Instrument nicht des<br />

Atomrechts, sondern des Strahlenschutzrechts.<br />

Der Umstand, dass sie im genannten untergesetzlichen<br />

Regelwerk nur für atomrechtlich genehmigte<br />

Anlagen behandelt wird, darf darüber nicht<br />

hinwegtäuschen: das Strahlenschutzrecht findet<br />

ja auch und gerade bei AtG-Anlagen Anwendung.<br />

II. Die ausdrücklich geregelten<br />

Instrumente des Strahlenschutzrechts<br />

Im Folgenden soll untersucht werden, welche Instrumente<br />

das Strahlenschutzrecht explizit vorhält,<br />

um den Übergang von Radionukliden ins „allgemeine<br />

Staatsgebiet“ auszuschließen oder auf ein<br />

unbedenkliches Maß zu beschränken. Daraus<br />

ergibt sich, welche Rolle daneben noch für die<br />

(nicht gesetzlich geregelte) Herausgabe verbleibt.<br />

ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 15<br />

In diesem System des Atom- und Strahlenschutzrechts<br />

ist die Herausgabe eindeutig dem Strahlenschutzrecht<br />

zuzuordnen. Bei der Herausgabe geht<br />

es inhaltlich nicht um die nukleare Sicherheit; es<br />

1. Die Freigabe<br />

Die Freigabe 4 ist ein Instrument, das im Gegensatz<br />

zur Herausgabe im StrlSchG und in der StrlSchV<br />

geregelt ist. Ausgangspunkt für die Freigabe ist die<br />

1 Leitfaden zur Stilllegung, zum sicheren Einschluss und zum Abbau von Anlagen oder Anlagenteilen nach § 7 des Atomgesetzes vom 16. September 2021, BAnz AT<br />

23.11.2021 B2, Ziff. 6.3.<br />

2 Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates vom 5. Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition<br />

gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 96/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom,<br />

ABl. L 13 vom 17.01.2014.<br />

3 Leitlinien zur Stilllegung kerntechnischer Anlagen, Empfehlung der Entsorgungskommission (ESK) vom 05.11.2020; http://www.entsorgungskommission.de.<br />

4 Zur Freigabe siehe Eckhoff in Akbarian/Raetzke (Hrsg.), StrlSchG, Kommentar, 2022, Kommentierung zu § 68 StrlSchG und §§ 31 ff. StrlSchV; Raetzke, Die Entsorgung<br />

von Rückbaumassen aus kerntechnischen Anlagen – Eine rechtliche Bestandsaufnahme, <strong>atw</strong> 2020 (Heft 4), S. 207; Spohn, Die Freigaberegelung des § 29 StrlSchV –<br />

Das „Missinglink“ zwischen Atom- und Abfallrecht, DVBl. 2003, 893.<br />

* Dieser Aufsatz beruht<br />

auf einem Gutachten,<br />

das der Verfasser im<br />

Auftrag der Preussen-<br />

Elektra GmbH erstellt<br />

hat.<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Die Herausgabe – ein Instrument des Strahlenschutzrechts ı Christian Raetzke


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 16<br />

| Abb. 1:<br />

Zwei abgeschirmte Messplätze mit stickstoffgekühlten Germaniumdetektoren für die gammaspektroskopische Auswertung von Proben<br />

aus der Umgebungsüberwachung, die auch für die beweissichernden Messungen im Rahmen der Herausgabe verwendet werden.<br />

Definition der radioaktiven Stoffe, wie sie mit der<br />

AtG-Novelle von 2000 (heutige Fassung des § 2<br />

Abs. 1 bis 3 AtG, bei der Schaffung des StrlSchG<br />

2017 weitestgehend identisch in § 3 Abs. 1 bis 3<br />

StrlSchG übernommen) etabliert wurde. Seither<br />

sind radioaktive Stoffe nicht mehr einfach als Stoffe<br />

definiert, die Radionuklide enthalten; zusätzliche<br />

Voraussetzung ist, dass ihre Aktivität nicht außer<br />

Acht gelassen werden kann (§ 2 Abs. 1 Satz 1 a.E.<br />

AtG, § 3 Abs. 1 Satz 1 a.E. StrlSchG). 5 Damit wurden<br />

Stoffe mit vernachlässigbarer Aktivität aus der<br />

Definition ausgeschieden. Mit der Freigabe schuf<br />

der Gesetz- und Verordnungsgeber in § 29 StrlSchV<br />

2001 (heute in §§ 31 bis 42 StrlSchV) das dazugehörige<br />

Instrument zur Entlassung solcher Stoffe aus<br />

der Überwachung (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1<br />

StrlSchG).<br />

Der Freigabe bedürfen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2<br />

StrlSchG Stoffe und Gegenstände, die bei einer genehmigungspflichtigen<br />

Tätigkeit anfallen. § 31<br />

Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 StrlSchV <strong>for</strong>muliert etwas<br />

anders, aber inhaltlich praktisch übereinstimmend<br />

6 : die Norm benennt radioaktive Stoffe, die<br />

aus einer genehmigungspflichtigen Tätigkeit stammen,<br />

und Gegenstände, die mit solchen Stoffen<br />

kontaminiert sind (zum Begriff der Kontamination<br />

siehe § 5 Abs. 21 StrlSchG) bzw. durch die Tätigkeit<br />

aktiviert wurden. Das Freigabeer<strong>for</strong>dernis bezieht<br />

sich jedoch nicht nur auf Gegenstände, die tatsächlich<br />

kontaminiert oder aktiviert sind; diese Tatsache<br />

ist ja erst durch die Freimessung, die Grundlage<br />

der Freigabe ist, überhaupt festzustellen. 7 Wie § 31<br />

Abs. 1 Satz 2 StrlSchV deutlich macht, ist eine Freigabe<br />

bereits dann er<strong>for</strong>derlich, wenn Gegenstände<br />

kontaminiert oder aktiviert sein können, „insbesondere“<br />

deshalb, weil sie aus einem Kontrollbereich<br />

stammen, in dem eine Kontamination (durch Umgang<br />

mit offenen radioaktiven Stoffen) oder Aktivierung<br />

möglich ist. Gegenstände, die aus einem<br />

solchen Kontrollbereich stammen, gelten daher zunächst<br />

als radioaktive Stoffe; es handelt sich um<br />

eine Vermutung oder Unterstellung des Gesetzund<br />

Verordnungsgebers, die bis zur erfolgten Freigabe<br />

Bestand hat. Über den „insbesondere“ genannten<br />

Kontrollbereich hinaus ist im Einzelfall<br />

auch eine Erstreckung auf einen Überwachungsbereich<br />

möglich, wenn dort ausnahmsweise kontaminationsrelevante<br />

Vorgänge – also ein Umgang mit<br />

offenen radioaktiven Stoffen – stattfinden oder<br />

stattgefunden haben. Insgesamt ist die gesetzliche<br />

Vermutung 8 oder Unterstellung 9 , es handele sich<br />

um einen radioaktiven Stoff, räumlich an Strahlenschutzbereiche<br />

mit offenen radio aktiven Stoffen<br />

oder mit Aktivierungspotential gebunden. Sie bedeutet<br />

indes keine Annahme oder Voraussage über<br />

die tatsächliche Aktivität der betroffenen Stoffe<br />

und Gegenstände; sie ist ein Mittel, um für jeden<br />

einzelnen Stoff oder Gegenstand, der den relevanten<br />

Bereich verlassen soll, die Kontrolle mittels des<br />

Freigabeverfahrens zu erzwingen.<br />

2. Weitere Instrumente zur „Entlassung“<br />

von Radionukliden in die Umgebung<br />

Das Strahlenschutzrecht kennt eine Reihe weiterer<br />

Instrumente, die einen Übergang von<br />

5 Raetzke in Akbarian/Raetzke, StrlSchG, Kommentar, 2022, § 3 Rn. 8, 26 ff.<br />

6 So auch Eckhoff (Fn. 4), § 31 StrlSchV Rn. 8.<br />

7 Ebenda, § 31 StrlSchV Rn. 22.<br />

8 Niehaus, Entlassung von Gegenständen aus der atomrechtlichen Überwachung, in: Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, 247 (249).<br />

9 Eckhoff (Fn. 4), § 31 StrlSchV Rn. 11.<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Die Herausgabe – ein Instrument des Strahlenschutzrechts ı Christian Raetzke


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Radionukliden aus einem Bereich, in dem mit offenen<br />

radioaktiven Stoffen umgegangen wird – also<br />

in der Regel einem Kontrollbereich –, in die Umgebung<br />

regeln und so begrenzen, dass der Schutz von<br />

Einzelpersonen der Bevölkerung vor der schädlichen<br />

Wirkung ionisierender Strahlung (§ 1 Abs. 1<br />

StrlSchG) gewährleistet ist. Das betrifft vor allem<br />

die folgenden strahlenschutzrechtlich geregelten<br />

Sachverhalte:<br />

p Ableitungen aus dem Kernkraftwerk mit der<br />

Fortluft oder dem Abwasser: diese sind in dem<br />

von § 99 StrlSchV vorgegebenen Rahmen durch<br />

die Genehmigung zugelassen. Die Ableitung<br />

bewirkt die Entlassung dieser Radionuklide aus<br />

dem Regelungs- und Überwachungssystem des<br />

Strahlenschutzrechts. Durch die Grenzwerte des<br />

§ 99 ist ein Schaden für Einzelpersonen der<br />

Bevölkerung ausgeschlossen.<br />

p Nach § 58 Abs. 2 Satz 2 StrlSchV hat der Strahlenschutzverantwortliche<br />

dafür zu sorgen, dass<br />

ein Gegenstand nicht aus dem Kontrollbereich<br />

herausgebracht wird, wenn die Freigrenzen/<br />

Freigabewerte der Aktivitätskonzentration<br />

(Anlage 4 Tabelle 1 Spalte 3 StrlSchV) oder die<br />

Werte der Oberflächenkontamination (Spalte 5)<br />

überschritten werden. Im Umkehrschluss ist das<br />

Herausbringen zulässig, wenn eine Kontamination<br />

besteht, die unter den genannten Werten<br />

liegt. Hier ist die „Entlassung“ von Radionukliden<br />

zwar – anders als bei der Ableitung<br />

– nicht eigentlicher Zweck der Regelung, sie wird<br />

aber vom Verordnungsgeber notwendigerweise<br />

in Kauf genommen.<br />

p Mit § 57 Abs. 2 StrlSchV gibt es eine von der Art<br />

der Kontaminationsverschleppung un ab hängi<br />

ge Regelung, die den Strah len schutz ver antwortlichen<br />

zu Maßnahmen verpflichtet, wenn<br />

im Kontrollbereich selbst, aber auch im Überwachungsbereich<br />

oder darüber hinaus auf dem<br />

sonstigen Betriebsgelände jeweils bestimmte<br />

Werte der Oberflächenkontamination (als Vielfaches<br />

der Werte in Anlage 4 Tabelle 1 Spalte 5<br />

StrlSchV) überschritten werden. Es wird also<br />

auch hier nicht jegliche Kontamination, sondern<br />

nur eine solche oberhalb einer Relevanzschwelle<br />

erfasst.<br />

| Abb. 2:<br />

Vorbereitung eines mobilen Reinstgermanium-Detektorsystems<br />

zur In-Situ-Messung an der stehenden Struktur.<br />

des Kontrollbereichs auf Radionuklide abzusuchen<br />

und diese gleichsam wieder in das Strahlenschutzrecht<br />

„zurückzuholen“. Die nach den o. g. Gesichtspunkten<br />

zulässigerweise in vernachlässigbarer<br />

Menge weiterverbreiteten Radionuklide sind aus<br />

dem Regelungs- und Überwachungssystem des<br />

Strahlenschutzrechts ausgeschieden; dieses System<br />

kann für sie auch nicht später wieder „reaktiviert“<br />

werden. So ist bei einer Kontamination von<br />

Gegenständen außerhalb des jeweiligen Strahlenschutzbereichs<br />

mit Radionukliden, die aus Ableitungen<br />

stammen, hinsichtlich des kontaminierten<br />

Stoffes eine Freigabe nicht er<strong>for</strong>derlich. 10 Nur wenn<br />

der kontaminierte Gegenstand einen radioaktiven<br />

Stoff darstellte, weil seine Aktivität oberhalb der<br />

Freigrenzen läge (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StrlSchG),<br />

gäbe es einen selbständigen Rechtsgrund, die<br />

strahlenschutzrechtliche Überwachung (wieder)<br />

zu begründen. Da die genannten Instrumente des<br />

Strahlenschutzrechts aber gerade ausschließen sollen,<br />

dass Radioisotope in relevanter Menge in die<br />

Umgebung übergehen, kann man einen solchen<br />

Fall nur für atypische Umstände bilden, etwa ein<br />

ungewolltes und unbemerktes Entweichen von<br />

Radionukliden. Theoretisch könnte man auch Szenarien<br />

einer Aufkonzentration durch Ansammlung<br />

zulässigerweise in die Umgebung übergegangener<br />

Radionuklide an bestimmten Stellen mit einer<br />

Gesamtaktivität oberhalb der Freigrenzen konstruieren;<br />

ob ein solches Szenario überhaupt jemals realistisch<br />

sein kann, kann hier nicht beurteilt werden.<br />

ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 17<br />

Selbst § 57 Abs. 2 StrlSchV begründet indes keine<br />

„Nach<strong>for</strong>schungspflicht“, sondern verlangt eine<br />

Reaktion auf festgestellte Kontaminationen. Auch<br />

darüber hinaus ist keine Pflicht und kein Instrument<br />

ersichtlich, die nähere und weitere Umgebung<br />

III. Die Herausgabe<br />

1. Wesen und Gegenstand der Herausgabe<br />

Die Herausgabe muss insbesondere von der auf<br />

Gesetzes- und Verordnungsebene geregelten<br />

10 Eckhoff (Fn. 4), § 31 StrlSchV Rn. 19.<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Die Herausgabe – ein Instrument des Strahlenschutzrechts ı Christian Raetzke


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ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 18<br />

| Abb. 3:<br />

Einsatz von In situ Gammaspektroskopie für die Herausgabe einer Bodenfläche.<br />

Frei gabe kategorisch unterschieden und abgegrenzt<br />

werden. Die Herausgabe ist nur außerhalb<br />

des in § 31 Abs. 1 StrlSchV bezeichneten Bereichs<br />

möglich, in dem die Vermutung, es handele sich um<br />

einen radioaktiven Stoff im Rechtssinne, eintritt<br />

und nur durch die Freigabe widerlegt werden kann;<br />

auch der Stilllegungsleitfaden stellt klar, dass die<br />

Herausgabe für „Stoffe und Gegenstände, die aus in<br />

der Strahlenschutzverordnung näher bestimmten<br />

Kontrollbereichen nach § 31 Abs. 1 Satz 2 stammen,<br />

nicht zulässig“ ist. 11<br />

Damit entfällt im Anwendungsbereich der Herausgabe<br />

die gesetzliche Konstruktion, dass die betroffenen<br />

Stoffe und Gegenstände bis zur erfolgten<br />

Freigabe als radioaktive Stoffe gelten. Die Stoffe,<br />

die der Herausgabe unterliegen, sind keine radioaktiven<br />

Stoffe im Rechtssinne (es sei denn, im<br />

Rahmen des Herausgabeverfahrens stellte sich<br />

überraschend heraus, dass ihre Aktivität tatsächlich<br />

oberhalb der Freigrenzen liegt). Die Herausgabe ist<br />

daher auch nicht konstitutiv wie die Freigabe. Sie<br />

bewirkt nicht eine Statusumwandlung des betreffenden<br />

Stoffs bzw. Gegenstands von einem „radioaktiven<br />

Stoff“ zu einem „nicht radioaktiven Stoff“,<br />

sondern sie ist ein administratives Verfahren, eine<br />

„Vorgehensweise“ (so die eingangs zitierte zutreffende<br />

Formulierung des Stilllegungsleitfadens), mit<br />

der nicht radioaktive Stoffe aus dem für die Herausgabe<br />

relevanten Bereich entfernt werden können.<br />

In diesen für die Herausgabe relevanten Bereichen<br />

ist allerdings aufgrund der oben dargestellten Regelungen<br />

zur Verhinderung und Begrenzung von Kontaminationsverschleppungen<br />

nicht von relevanten<br />

Kontaminationen auszugehen. Gemeint ist dabei<br />

nicht das vollständige Fehlen von anhaftenden<br />

Radionukliden aus dem Anlagenbetrieb – dieses<br />

wird, wie oben dargelegt, vom Strahlenschutzrecht<br />

nicht verlangt –, sondern das Fehlen einer strahlenschutzrelevanten<br />

Kontamination bzw. Aktivierung.<br />

Es ist also in der Regel davon auszugehen, dass<br />

diese Stoffe und Gegenstände sich hinsichtlich ihrer<br />

Aktivität nicht in relevantem Maße von vergleichbaren<br />

Stoffen und Gegenständen im „allgemeinen<br />

Staatsgebiet“ um die Anlage herum unterscheiden.<br />

Diese Annahme wird offenbar durch die praktischen<br />

Erfahrungen mit der Herausgabe gestützt: Fälle, in<br />

denen die Beweissicherungsmessungen im Rahmen<br />

der Herausgabe bei Kernkraftwerken das Vorhandensein<br />

eines aus dem Kernkraftwerk stammenden<br />

radioaktiven Stoffes im Sinne des § 3 StrlSchG – also<br />

mit nicht vernachlässigbarer Aktivität – offenbart<br />

hätten, der folglich nicht aus dem Strahlenschutzrecht<br />

entlassen werden konnte, sondern als radioaktiver<br />

Abfall geordnet beseitigt werden musste<br />

(§ 9a Abs. 1 Satz 1 AtG), sind zumindest dem Verfasser<br />

nicht bekannt geworden, noch sind solche<br />

Fälle jemals, soweit ersichtlich, in der Literatur oder<br />

Rechtsprechung dargestellt oder erörtert worden.<br />

Sinn und Zweck der Herausgabe kann es nach alledem<br />

nur sein, anlässlich der Entfernung von Stoffen<br />

und Gegenständen aus dem betreffenden räumlichen<br />

Bereich sicherzustellen, dass sie „wirklich“ so<br />

frei von strahlenschutzrelevanten Kontaminationen<br />

sind, wie sie aufgrund der o. g. strahlenschutzrechtlich<br />

geregelten und streng überwachten<br />

Maßnahmen sein müssten. Die Herausgabe<br />

bewirkt, dass dies, sofern es Anhaltspunkte gibt,<br />

die eine Kontamination nicht als von vornherein<br />

ausgeschlossen betrachten lassen, noch einmal<br />

nachgeprüft wird, um die allgemein begründete<br />

Annahme der Kontaminationsfreiheit im Einzelfall<br />

zur Gewissheit zu steigern. Die Grundlage für diese<br />

Prüfung kann mangels einer Spezialregelung nur in<br />

der allgemeinen strahlenschutzrechtlichen Aufsicht<br />

liegen (§ 179 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchG i.V.m. § 19<br />

AtG).<br />

11 Stilllegungsleitfaden (Fn. 1), Ziff. 6.3.<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Die Herausgabe – ein Instrument des Strahlenschutzrechts ı Christian Raetzke


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| Abb. 4:<br />

Gammaspektroskopie an einem Schacht (im Rahmen der Herausgabe unterirdischer Strukturen<br />

in einem Überwachungsbereich).<br />

2. Räumliches und sachliches<br />

Anwendungsgebiet der Herausgabe<br />

Im vorigen Abschnitt ist ein wesentliches Ausschlusskriterium<br />

für die Herausgabe dargelegt worden:<br />

sie findet jedenfalls keine Anwendung auf<br />

Bereiche, die der Freigabe vorbehalten sind. Wie ist<br />

der räumliche und sachliche Anwendungsbereich<br />

der Herausgabe darüber hinaus zu bestimmen? Der<br />

Stilllegungsleitfaden hilft hier nicht weiter: er enthält<br />

nur die negative Abgrenzung zum Kontrollbereich,<br />

aber keine positive Festlegung.<br />

a) Atomrechtliche Genehmigung und<br />

„Anlage“ bzw. „Anlagengelände“<br />

In der Literatur wird die Herausgabe teils als Instrument<br />

zur „Befreiung aus der bestehenden<br />

atomrechtlichen Bindung“ 12<br />

verstanden oder die<br />

Befugnis zur Freigabe aus der atomrechtlichen<br />

Genehmigung abgeleitet. 13 Der Stilllegungsleitfaden<br />

bezog in seiner Vorgängerfassung von 2016 die<br />

Herausgabe auf Stoffe und Gegenstände, „die von<br />

einer Genehmigung nach § 7 Absatz 1 AtG umfasst<br />

sind“; 14 diese Formulierung findet sich<br />

allerdings in der aktuellen Fassung<br />

vom September 2021 nicht wieder – aus<br />

Sicht des Verfassers zu Recht.<br />

Gegen eine Anknüpfung der Herausgabe<br />

an die „Anlage nach § 7 AtG“ oder<br />

das „Anlagengelände“ spricht schon der<br />

oben angeführte Umstand, dass es bei<br />

der Herausgabe gerade nicht um die<br />

Beurteilung geht, ob ein Bestandteil der<br />

Anlage ohne Beeinträchtigung der<br />

atomrechtlichen Sicherheits- und Sicherungsschutzziele<br />

abgebaut und entfernt<br />

werden kann, sondern um eine Frage<br />

des Strahlenschutzes. Das bestätigt<br />

auch der atomrechtliche Anlagenbegriff.<br />

Nach der bekannten Definition<br />

des BVerwG im Wyhl-Urteil 15<br />

besteht<br />

die Anlage aus dem Reaktor und allen<br />

mit ihm in einem räumlich-betrieblichen<br />

Zusammenhang stehenden Einrichtungen,<br />

die seinen gefahrlosen<br />

Betrieb überhaupt erst ermöglichen.<br />

Entscheidend ist damit kein umgrenzter<br />

räumlicher Bereich, sondern die funktionale<br />

Zuordnung von Gebäuden und<br />

Komponenten zum Anlagenbegriff<br />

unter dem Gesichtspunkt der nuklearen<br />

Sicherheit; damit hat die Herausgabe aber, wie oben<br />

dargelegt, nichts zu tun.<br />

Der funktionale atomrechtliche Anlagenbegriff<br />

lässt sich auch in keine genaue Korrelation zu strahlenschutzrechtlich<br />

relevanten räumlichen Bereichen<br />

bringen. Sicherlich sind die meisten<br />

Bestandteile der Anlage „Kernkraftwerk“ auch Teil<br />

eines Strahlenschutzbereichs; es gibt aber auch<br />

Bestandteile, die in der Genehmigung enthalten<br />

sind, sich aber weitab von jeglichem radioaktiven<br />

Stoff und jedem Strahlenschutzbereich befinden,<br />

etwa das Einlaufbauwerk für das Kühlwasser, das<br />

mitten im Fluss liegt, oder ein weitab liegendes<br />

Gebäude für die Notstromversorgung. Umgekehrt<br />

gibt es innerhalb des Detektionszauns, der die<br />

äußere Umschließung des Kraftwerksgeländes und<br />

in der Regel auch die Grenze des Überwachungsbereichs<br />

darstellt, Gebäude wie etwa das Verwaltungsgebäude<br />

oder die Kantine, die in der<br />

AtG-Genehmigung nicht geregelt sind, sondern<br />

unter einer „normalen“ Baugenehmigung errichtet<br />

ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 19<br />

12 Bothe/Hesse/Holl/Schulze, Die Praxis bei der Herausgabe nicht radioaktiver Stoffe in Deutschland, Strahlenschutzpraxis 3/2009, 37 (38).<br />

13 Niehaus (Fn. 8), S. 256.<br />

14 Leitfaden zur Stilllegung, zum sicheren Einschluss und zum Abbau von Anlagen oder Anlagenteilen nach § 7 des Atomgesetzes vom 23. Juni 2016<br />

(BAnz AT 19.07.2016 B7), Ziff. 6.1.<br />

15 BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 – 7 C 65.82, BVerwGE 72, 300 (329).<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Die Herausgabe – ein Instrument des Strahlenschutzrechts ı Christian Raetzke


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ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 20<br />

Betriebsgelände denken. Das ist bei näherer<br />

Betrachtung jedoch wenig überzeugend. Das Eigentum<br />

sagt nichts aus über die Wahrscheinlichkeit<br />

einer Kontamination und damit über einen strahlenschutzrechtlich<br />

begründeten Anlass eines Herausgabeverfahrens.<br />

In tatsächlicher Hinsicht ist<br />

daran zu erinnern, dass das Eigentum des Genehmigungsinhabers<br />

sich nicht notwendig auf das<br />

gesamte Gelände erstreckt. Es gibt „Enklaven“<br />

fremden Eigentums auf dem Betriebsgelände, etwa<br />

die Zwischenlager, die im Eigentum der BGZ stehen,<br />

oder u. U. Funktionsgebäude und Anlagen des<br />

Netzbetreibers. Umgekehrt kann sich das Eigentum<br />

des Betreibers auch auf Flächen jenseits des Zauns<br />

und des Betriebsgeländes erstrecken; das hängt von<br />

historischen Zufälligkeiten ab. So finden sich je<br />

nach Standort naturschutzrechtliche Ausgleichsflächen<br />

im Eigentum des Betreibers teils innerhalb,<br />

teils außerhalb der Betriebsgelände.<br />

Seine äußerste Begrenzung findet der räumliche<br />

Bereich, in dem ein Herausgabeverfahren in Frage<br />

kommt, jedenfalls darin, dass die Behörde ihre<br />

strahlenschutzrechtliche Aufsicht nur gegenüber<br />

dem Genehmigungsinhaber ausüben kann. Baut<br />

etwa der Netzbetreiber seine Schaltanlage, die sich<br />

innerhalb des Betriebsgeländes befindet, um und<br />

fällt dabei Bodenaushub an, so findet unstreitig kein<br />

Herausgabeverfahren statt, da der Netzbetreiber<br />

nicht der Aufsicht der Atom- und Strahlenschutzbehörde<br />

unterliegt; dasselbe gilt, wenn der benachbarte<br />

Landwirt eine Jauchegrube aushebt.<br />

| Abb. 5:<br />

Gammaspektroskopie an einem Abfluss für die Herausgabe eines<br />

ehemaligen Duschraums im Betriebsgebäude.<br />

wurden. Dort können auch Bäume stehen, die<br />

selbstverständlich nicht „atomrechtlich genehmigt“<br />

sind. Insofern ist der Umstand, dass ein Gebäude<br />

oder Gelände Teil der atomrechtlich genehmigten<br />

Anlage „Kernkraftwerk“ ist, weder hinreichend<br />

noch er<strong>for</strong>derlich, um ein Herausgabeverfahren zu<br />

rechtfertigen.<br />

b) Betriebsgelände und Eigentum<br />

Noch diffuser wird der Zusammenhang mit Blick<br />

auf das über das Anlagengelände hinausgehende<br />

Betriebsgelände, das in der Regel vom sog. Demozaun<br />

(Sicherungszaun) umfangen wird. Hier befinden<br />

sich i. d. R. keine Bestandteile der Anlage<br />

„Kernkraftwerk“, dafür aber andere Funktionsgebäude,<br />

Parkplätze, Wiesen, Teiche etc.<br />

Man könnte an eine Anknüpfung des Herausgabeer<strong>for</strong>dernisses<br />

an das Eigentum des Betreibers am<br />

Wenn dagegen der Betreiber auf seinem Gelände<br />

ein Gebäude errichtet oder umbaut, dann handelt<br />

hier zumindest die Person, deren Tätigkeit kraft der<br />

Genehmigung der strahlenschutzrechtlichen Aufsicht<br />

unterliegt. Allerdings ist damit noch nichts<br />

über die tatsächliche Strahlenschutzrelevanz<br />

gesagt. Man nehme etwa den Fall, dass die Baumaßnahme<br />

des Betreibers auf einem Teil des Anlagengeländes<br />

stattfindet, der stets für Zwecke verwendet<br />

wurde, die von vornherein keinen Kontakt mit<br />

radioaktiven Stoffen mit sich brachten (Pkw-Parkplatz,<br />

Wiese, Biotop). Zusätzlich kann man den Fall<br />

so bilden, dass die Baustelle von Orten, an denen<br />

mit radioaktiven Stoffen umgegangen wird, weiter<br />

entfernt ist als die erwähnte Schaltanlage oder der<br />

Acker, auf dem die Jauchegrube ausgehoben wird.<br />

Das ist in der Praxis durchaus möglich, da die<br />

Betriebsgelände meist eine unregelmäßige Gestalt<br />

aufweisen und das Reaktorgebäude oft nahe an<br />

einer Seite des Geländes steht.<br />

Insofern ist auch die Zugehörigkeit zum Betriebsgelände,<br />

das unter der Verfügungsgewalt des<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Die Herausgabe – ein Instrument des Strahlenschutzrechts ı Christian Raetzke


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Betreibers steht, allein kein tauglicher Anknüpfungspunkt<br />

für das Herausgabeverfahren.<br />

c) Funktionale Zuordnung aufgrund<br />

eines „Anfangsverdachts“<br />

Betrachtet man den strahlenschutzrechtlichen<br />

Zweck der Herausgabe und ihr räumliches Anwendungsgebiet<br />

außerhalb von Kontrollbereichen,<br />

so erweist sich letztlich die Überlegung als entscheidend,<br />

in welchen Bereichen eine Kontamination<br />

überhaupt vernünftig denkbar ist. Ein<br />

wichtiger Ansatzpunkt hierfür ist die Frage, inwieweit<br />

die Umgangsgenehmigung nach § 12 Abs.<br />

1 Nr. 3 StrlSchG die meist in der atomrechtlichen<br />

Genehmigung eingeschlossen ist, siehe § 10a Abs.<br />

2 AtG – dem Betreiber außerhalb von Kontrollbereichen<br />

Aktivitäten mit radioaktiven Stoffen<br />

erlaubt, die möglicherweise zum Anfangsverdacht<br />

einer Kontamination führen. Das kann etwa das<br />

Transportieren und Abstellen von Behältern mit<br />

radioaktiven Stoffen sein; ebenso könnte man an<br />

Bereiche im Umfeld von Leitungen für möglicherweise<br />

radionuklidführende Abwässer denken. Mit<br />

diesen Überlegungen dürfte das über das Anlagengelände<br />

(mit Detektionszaun und Überwachungsbereich)<br />

hinausgehende Betriebsgelände<br />

weitgehend ausscheiden, es sei denn, es gibt ausnahmsweise<br />

für einen bestimmten Bereich einen<br />

Anhaltspunkt für die Möglichkeit einer Kontamination.<br />

Diese gleichsam funktionale Zuordnung von<br />

Flächen und Gegenständen zum Herausgabeverfahren<br />

aufgrund von Umständen, die einen „Anfangsverdacht“<br />

zu begründen geeignet sein können,<br />

findet, wie erwähnt, ihre äußerste Grenze jedenfalls<br />

darin, dass nur der Genehmigungsinhaber der<br />

strahlenschutzrechtlichen Aufsicht untersteht. Die<br />

oben als Beispiel erwähnte Abwasser leitung kann<br />

also nur insoweit ein Herausgabeverfahren etwa<br />

für den Aushub des umgebenden Erdreichs begründen,<br />

als sie unter dem Anlagengelände oder allenfalls<br />

dem Betriebsgelände verläuft; führt sie durch<br />

die Enklave des Netzbetreibers oder setzt sie sich<br />

unter dem angrenzenden Acker <strong>for</strong>t, entfällt diese<br />

Möglichkeit.<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Ein Herausgabeverfahren<br />

kann unter der strahlenschutzrechtlichen<br />

Aufsicht der Behörde durchgeführt werden<br />

für solche Teile des dem Betreiber unterstehenden<br />

Anlagen- und Betriebsgeländes, für die tatsächliche<br />

Umstände eine relevante Kontamination nicht von<br />

vornherein als ausgeschlossen erscheinen lassen<br />

und insofern einen Anfangsverdacht rechtfertigen.<br />

Dies wird sich im Wesentlichen auf den Überwachungsbereich<br />

beziehen lassen, der mit dem Anlagengelände<br />

innerhalb des Detektionszauns meist<br />

identisch ist; das darüber hinausgehende Betriebsgelände<br />

dürfte davon im Regelfall nicht betroffen<br />

sein, da es sich aus Strahlenschutzsicht nicht vom<br />

„allgemeinen Staatsgebiet“ unterscheidet.<br />

3. An<strong>for</strong>derungen an den Nachweis,<br />

dass keine Kontamination vorliegt<br />

| Abb. 6:<br />

Materialprobe einer<br />

Kunststoffleitung<br />

(Ablaufleitung<br />

Neutrabecken).<br />

a) Bestätigung der Kontaminationsfreiheit<br />

Im oben geschilderten Rahmen ist es das Ziel des<br />

Herausgabeverfahrens, die tatsächliche Kontaminationsfreiheit<br />

zumindest bestimmter Stoffe oder<br />

Gegenstände je nach den Umständen noch einmal<br />

abzusichern. „Kontaminationsfreiheit“ bedeutet<br />

ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 21<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Die Herausgabe – ein Instrument des Strahlenschutzrechts ı Christian Raetzke


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 22<br />

in diesem Zusammenhang Freiheit von relevanten<br />

Kontaminationen durch Nuklide, die aus dem<br />

Reaktorbetrieb stammen (zum „Herausrechnen“<br />

von Kontamination aus Kernwaffen- und Tschernobyl-Fallout<br />

siehe die ESK-Leitlinien 16 ). Die Herausgabe<br />

dient – wie oben ausgeführt – dem Ziel, die<br />

allgemein begründete Annahme der Kontaminationsfreiheit<br />

im Einzelfall zur Gewissheit zu steigern.<br />

Der Stilllegungsleitfaden 17 führt aus, die Kontaminations-<br />

und Aktivierungsfreiheit von Stoffen und<br />

Bodenflächen sei „unter Berücksichtigung der<br />

Betriebshistorie durch geeignete Messungen<br />

(Beweissicherungsmessungen) zu bestätigen“. In<br />

der Praxis hat sich allerdings in dieser Hinsicht eine<br />

differenzierte Vorgehensweise herausgebildet.<br />

Nach den ESK-Leitlinien kann der Betreiber in<br />

Abstimmung mit der Behörde für bestimmte Arten<br />

von Stoffen oder Gegenständen aufgrund genereller<br />

Überlegungen festlegen, dass sie unter Verzicht<br />

auf Beweissicherungsmessungen vom Gelände entfernt<br />

werden dürfen (sog. „Positivliste“). 18 Nur was<br />

nicht auf dieser Liste steht, bedarf der Bestätigung<br />

der Kontaminationsfreiheit, die durch ggf. die<br />

Betriebshistorie berücksichtigende, stichprobenartige<br />

Beweissicherungsmessungen erfolgt.<br />

b) Beweislast<br />

Bei der Bestätigung der Kontaminationsfreiheit<br />

stellt sich die Frage nach der „Beweislast“ hinsichtlich<br />

der Bereiche, die überhaupt für die Herausgabe<br />

in Frage kommen, und bezüglich der Aufnahme in<br />

die „Positivliste“. Bei der gesetzlich geregelten Freigabe<br />

trägt der Betreiber die Beweislast vollumfänglich:<br />

er muss jeden Gegenstand oder Stoff freimessen<br />

und damit nachweisen, dass dessen Aktivität unter<br />

den Freigabewerten liegt; nur so kann er die gesetzliche<br />

Vermutung entkräften. Bei der Herausgabe<br />

fehlt eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung.<br />

Die Behörde darf die auf die Freigabe bezogene<br />

gesetzliche Unterstellung, dass ein radioaktiver<br />

Stoff vorliegt, nicht auf einen über den Einsatzbereich<br />

der Freigabe hinausgehenden Bereich erstrecken.<br />

Im Rahmen ihrer strahlenschutzrechtlichen<br />

Aufsicht darf sie deshalb nicht das gesamte Anlagen-<br />

oder gar Betriebsgelände unter einen „Generalverdacht“<br />

stellen und vom Betreiber den<br />

Negativbeweis verlangen, dass keine Kontamination<br />

oder Aktivierung vorgekommen sein kann.<br />

Denn aufgrund der oben geschilderten Instrumente<br />

des Strahlenschutzrechts ist erst einmal davon auszugehen,<br />

dass keine relevante Kontamination oder<br />

Aktivierung aufgetreten ist. Um den Bedarf einer<br />

„Bestätigung“ und damit eine Nachweisführung<br />

auszulösen, bedarf es zumindest eines Anhaltspunkts.<br />

Auch ist ein Negativbeweis schon faktisch kaum<br />

vollständig zu führen. Dies wird deutlich, wenn<br />

man als Gegenbeispiel die Spaltstoffflusskontrolle<br />

(Safeguards) von IAEO und Euratom im Reaktorgebäude<br />

heranzieht: hier wird durch extrem aufwendige<br />

Maßnahmen (Materialbilanzierung, fest<br />

installierte verplombte Kameras, Kontrolle durch<br />

Inspekteure etc.) der von völkerrechtlichen Verträgen<br />

verlangte Negativnachweis geführt, dass<br />

keine spaltbaren Stoffe abgezweigt werden. Eine<br />

Übertragung solcher Maßnahmen, die in einem<br />

eng beschränkten Raum und für ein begrenztes,<br />

klar definiertes Inventar getroffen werden, auf das<br />

gesamte Betriebsgelände zum Nachweis, dass sich<br />

dort von vornherein nie Radionuklide in relevanter<br />

Menge abgelagert haben können, wäre unmöglich;<br />

er ist auch aus Strahlenschutzsicht unnötig, wie<br />

oben ausführlich dargelegt wurde.<br />

Daraus folgt, dass die o. g. „Positivliste“, die vom<br />

jeweiligen Genehmigungsinhaber erstellt wird,<br />

nicht restriktiv gehandhabt werden sollte; sie sollte<br />

alle Gegenstände und Bereiche enthalten, bei denen<br />

der zu <strong>for</strong>dernde „Anfangsverdacht“ nicht besteht;<br />

das dürfte der Regelfall sein. Die Positivliste sollte<br />

daher nicht nur bestimmte Stoffe, sondern auch<br />

räumliche Bereiche umfassen, etwa das Betriebsgelände<br />

außerhalb des Detektionszauns oder zumindest<br />

Teilflächen, die aufgrund ihrer Nutzung oder<br />

Gestaltung (Mitarbeiterparkplatz, Wiese) aus der<br />

Nachweisführung von vornherein ausgeschieden<br />

werden können. Nicht in die „Positivliste“ gehören<br />

nur diejenigen Stoffe, Gegenstände oder Bodenflächen,<br />

für die aufgrund von Anhaltspunkten ein<br />

„Anfangsverdacht“ besteht, dass eine Kontamination<br />

zumindest möglich sein könnte. Solche<br />

Anhaltspunkte können sich aus der Betrachtung der<br />

betrieblichen Prozesse, der Betriebshistorie oder<br />

der Systemzusammenhänge der technischen Einrichtungen<br />

ergeben.<br />

c) Verantwortlichkeit für das Verfahren<br />

Das Herausgabeverfahren sollte, wie andere<br />

betriebliche Verfahren auch, eigenverantwortlich<br />

vom Betreiber unter der Aufsicht der Behörde<br />

durchgeführt werden. Selbst die Freigabe beruht<br />

auf dem Grundmodell, dass der Strahlenschutzverantwortliche<br />

eigenverantwortlich die Übereinstimmung<br />

der freizugebenden Masse oder Teilmasse mit<br />

16 ESK-Stilllegungsleitlinien (Fn. 3), S. 16 f.<br />

17 Stilllegungsleitfaden (Fn. 1), Ziff. 6.3.<br />

18 ESK-Stilllegungsleitlinien (Fn. 3), S. 16.<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Die Herausgabe – ein Instrument des Strahlenschutzrechts ı Christian Raetzke


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

dem Inhalt des Freigabebescheides feststellt (§ 42<br />

Abs. 1 StrlSchV); das muss umso mehr für die nicht<br />

gesetzlich geregelte Herausgabe gelten. Daher<br />

beruht die behördliche Aufsicht bei der Herausgabe<br />

in erster Linie auf der aufsichtlichen Begleitung der<br />

vom Betreiber <strong>for</strong>mulierten Vorgehensweise, einschließlich<br />

der „Positivliste“; stichprobenartig kann<br />

die Behörde überprüfen, ob der Betreiber dieser<br />

Vorgabe nachkommt.<br />

d) Vorgehen bei Befunden<br />

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie<br />

man mit „Befunden“ bei den Beweissicherungsmessungen<br />

umgeht. Die ESK-Leitlinien 19<br />

enthalten<br />

hierzu zwei Aussagen:<br />

p Die Erkennungsgrenzen der beweissichernden<br />

Messungen sollen sich an 10 % der Freigabewerte<br />

orientieren.<br />

p Befunde „oberhalb der Erkennungsgrenze jedoch<br />

unterhalb von 10 % der Freigabewerte“ er<strong>for</strong>derten<br />

„aus sicherheitstechnischer Sicht nicht<br />

zwangsläufig die Durchführung eines Freigabeverfahrens“.<br />

Wenn Befunde oberhalb von 10 % der für den jeweiligen<br />

Stoff heranzuziehenden Freigabewerte auftreten,<br />

soll offenkundig, auch wenn eine Aussage dazu<br />

fehlt, ohne Weiteres der Übergang zur Freigabe<br />

erfolgen. Unklar ist, ob bei Befunden unterhalb von<br />

10 % in der Regel oder nur ausnahmsweise ein Freigabeverfahren<br />

durchgeführt werden soll; die<br />

| Abb. 7:<br />

Probenahme von Material<br />

aus einem Treppengeländer<br />

im Betriebsgebäude.<br />

Aussage „nicht zwangsläufig“ ist hier maximal<br />

unbestimmt.<br />

Damit wird jedoch insgesamt eine unzulässige Vermengung<br />

der Herausgabe mit der Freigabe bewirkt.<br />

Die Freigabewerte definieren eine feste Aktivitätsschwelle,<br />

unterhalb derer ein Stoff aus dem Kontrollbereich<br />

kein radioaktiver Stoff mehr ist, sobald<br />

die Freigabe vollzogen ist. Das Er<strong>for</strong>dernis der Freigabe<br />

ergibt sich – wie oben dargestellt – gemeinsam<br />

aus der Definition des radioaktiven Stoffes in § 3<br />

Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StrlSchG und aus der korrespondierenden<br />

Freigaberegelung in § 31 Abs. 1 StrlSchV.<br />

Mit der ESK-Regel wird eine Art vorgelagerte<br />

Schwelle zu den Freigabewerten errichtet; das Herausgabeverfahren<br />

dient aus Sicht der ESK letztlich<br />

dazu, eine Entscheidung über das Wirksamwerden<br />

der gesetzlichen Vermutung und damit über die<br />

Notwendigkeit einer Freigabe zu treffen. 20 Eine solche<br />

Funktion der Herausgabe bedürfte aber der<br />

Regelung durch den Gesetz- und Verordnungsgeber,<br />

einschließlich Werten für die Vorprüfung analog<br />

zu den in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StrlSchG genannten<br />

Freigabewerten. Vollends widersprüchlich wird es,<br />

wenn man bedenkt, dass nur radioaktive Stoffe im<br />

Sinne des § 3 StrlSchG freigegeben werden können.<br />

Ein Stoff/Gegenstand auf dem – außerhalb des der<br />

Freigabe vorbehaltenen Bereichs gelegenen – Anlagengelände<br />

wird aber nicht dadurch zum radioaktiven<br />

Stoff im Sinne des § 3 StrlSchG, dass seine<br />

Aktivität 10 % der Freigabewerte erreicht (oder gar<br />

nur oberhalb der Erkennungsgrenze liegt). 21<br />

ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 23<br />

19 ESK-Stilllegungsleitlinien (Fn. 3), S. 16.<br />

20 Ebenso bei Eckhoff (Fn. 4), § 31 StrlSchV Rn. 22.<br />

21 a.A. insoweit Eckhoff a.a.O.<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Die Herausgabe – ein Instrument des Strahlenschutzrechts ı Christian Raetzke


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ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 24<br />

Sicherlich ist es sinnvoll, eine Schwelle für Aktivitätsbefunde<br />

bei Beweissicherungsmessungen zu<br />

definieren; diese Schwelle sollte ausreichend unterhalb<br />

der Freigabewerte liegen, um – dem Stichprobencharakter<br />

der Beweissicherungsmessungen<br />

Rechnung tragend – eine angemessene Sicherheitsmarge<br />

zu gewährleisten. Anders als in der unklaren<br />

Systematik der ESK muss diese Schwelle – hier: eine<br />

Zehnprozentschwelle – dann aber, soll sie überhaupt<br />

einen Sinn haben, auch ein Abschneidekriterium<br />

nach unten darstellen. Zudem darf ein<br />

Überschreiten der Schwelle seinerseits nicht automatisch<br />

zu einer Freigabe führen. Wenn ein solcher<br />

Befund auftritt, so wären zunächst die Ursache und<br />

das Ausmaß zu ermitteln. In einem solchen Fall<br />

könnte man zusätzliche Nachweise über die<br />

Betriebshistorie verlangen; denkbar wäre auch, die<br />

Dichte der Stichprobenmessungen zu vergrößern.<br />

Wenn die Untersuchungen erweisen, dass die<br />

Gegenstände oder Bodenflächen insgesamt oder<br />

teilweise tatsächlich in relevantem Umfang mit<br />

Nukliden aus dem Reaktorbetrieb kontaminiert<br />

sind, so kann die Behörde ein auf den konkreten<br />

räumlichen Bereich, der aufgrund der Befunde betroffen<br />

ist oder betroffen sein kann, bezogenes Freigabeer<strong>for</strong>dernis<br />

gem. § 31 Abs. 1 Satz 1 StrlSchV<br />

festlegen. Eine solche behördliche Einzelfallregelung,<br />

die das gesetzliche Freigabeer<strong>for</strong>dernis, das<br />

grundsätzlich – wie oben unter II. 1. ausgeführt – an<br />

bestimmte Strahlenschutzbereiche gebunden ist,<br />

für einen darüber hinausgehenden Bereich gleichsam<br />

aktiviert, ist als ein feststellender Verwaltungsakt<br />

anzusehen.<br />

IV. Fazit<br />

Die Herausgabe ist nicht gesetzlich geregelt. Sie<br />

kann definiert werden als ein zur allgemeinen<br />

strahlenschutzrechtlichen Aufsicht gehörendes<br />

Kontrollverfahren bei der Entfernung von nicht<br />

radioaktiven Stoffen und Gegenständen aus dem<br />

Überwachungsbereich und dem sonstigen Betriebsgelände<br />

und dient, falls überhaupt er<strong>for</strong>derlich,<br />

der Verifizierung, dass die aufgrund der Schutzvorschriften<br />

des Strahlenschutzrechts zur Verhinderung<br />

oder Begrenzung des Entweichens von<br />

Radionukliden aus dem Kontrollbereich anzunehmende<br />

Kontaminationsfreiheit auch tatsächlich<br />

besteht. Sie ist grundlegend anders definiert als<br />

die Freigabe, mit der Stoffe und Gegenstände aus<br />

dem Kontrollbereich, die aufgrund der gesetzlichen<br />

Unterstellung unabhängig von ihrer tatsächlichen<br />

Aktivität zunächst als radioaktive Stoffe gelten,<br />

durch einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt aus<br />

dem Strahlenschutzrecht entlassen werden.<br />

Da die Herausgabe keine rechtliche Statusveränderung<br />

der betroffenen Stoffe und Gegenstände<br />

bewirkt, ist sie als Ausprägung der allgemeinen<br />

strahlenschutzrechtlichen Aufsicht auch ohne eine<br />

spezifische gesetzliche Grundlage, wie sie für die<br />

Freigabe geschaffen wurde, zulässig. Den behördlichen<br />

An<strong>for</strong>derungen sind hierdurch jedoch zugleich<br />

bestimmte Grenzen gesetzt. Das Herausgabeverfahren<br />

bedarf eines Anlasses; es muss konkrete<br />

Anhaltspunkte für einen „Anfangsverdacht“ geben,<br />

also Umstände, die eine Kontamination vernünftigerweise<br />

nicht als von vornherein ausgeschlossen<br />

betrachten lassen; ein auf das Betriebsgelände bezogener<br />

„Generalverdacht“, der nur durch einen<br />

Negativbeweis ausgeschlossen werden kann, ist<br />

keine taugliche Grundlage. Überdies darf das Verfahren<br />

der Herausgabe nicht mit überzogenen<br />

An<strong>for</strong>derungen und Prozessen „aufgeladen“ und<br />

letztlich einem Freigabeverfahren angenähert werden.<br />

Beachtet man diese Schranken, fügt sich die<br />

Herausgabe als ein ergänzendes Instrument in das<br />

Strahlenschutzrecht ein.<br />

Autor<br />

Dr. Christian Raetzke<br />

Rechtsanwalt<br />

Leipzig, Deutschland<br />

christian.raetzke@conlar.de<br />

Dr. Christian Raetzke ist Rechtsanwalt und seit über 20 Jahren im Atom- und<br />

Strahlenschutzrecht tätig. Von 1999 bis 2011 arbeitete er für die E.ON Kernkraft<br />

(heute PreussenElektra) in Hannover. 2011 ließ er sich als Rechtsanwalt mit<br />

eigener Kanzlei in Leipzig nieder. Er veröffentlicht regelmäßig rechtswissenschaftliche<br />

Beiträge und ist Dozent auf Seminaren und an internationalen<br />

Fortbildungseinrichtungen zum Atom- und Strahlenschutzrecht.<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Die Herausgabe – ein Instrument des Strahlenschutzrechts ı Christian Raetzke


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Arbeitsschutz beim Rückbau<br />

von Kernkraftwerken<br />

Erste Schritte rechtzeitig einleiten<br />

Reinhard Bojer<br />

In der biblischen Erzählung vom Turmbau zu Babel errichteten die Menschen ein kolossales Bauwerk,<br />

welches bis in den Himmel ragen sollte. Dies gefiel dem Herrn nicht und er gab jedem Beteiligten eine<br />

andere Sprache, womit ein so<strong>for</strong>tiger Baustopp wegen fehlender Kommunikationsmöglichkeiten einsetzte.<br />

Gleich mit Beginn des Rückbaus werden unsere<br />

Kernkraftwerke zum umgekehrten Babel. Verständigungsschwierigkeiten,<br />

durch multinationales<br />

Personal, gilt es deshalb auf möglichst effektive<br />

Weise zu begegnen, was zur wirksamen Unfallverhütung<br />

und dem Fortgang der Arbeiten unerlässlich<br />

ist.<br />

Durch die immer weiter wachsende Globalisierung<br />

haben wir uns auf mindestens ein Dutzend<br />

verschiedene Sprachen bei den deutschen Rückbauanlagen<br />

einzustellen. Diese zu bewältigen ist<br />

eine Herkulesaufgabe und ruft nicht nur Dolmetscher<br />

auf den Plan. Möglichkeiten nonverbaler<br />

Kommunikation sollten so früh wie möglich<br />

betrachtet werden.<br />

Schwarz-Weiß Stummfilme der Jahrhundertwende<br />

weisen mögliche Wege. Durch schauspielerische<br />

Leistung, mittels Gestik und Pantomime,<br />

unterlegt mit Geräuschen und Musik, haben u. a.<br />

Charly Chaplin und Dick & Doof Weltruhm erlangt.<br />

Was liegt also näher, als bei der multinationalen<br />

Kenntnisvermittlung an die Geschichte anzuknüpfen<br />

und Wissensvermittlung mit Hilfe von<br />

Stummfilmen durchzuführen. In Frage kommende<br />

Drehbuch-Berater sind u. a. Lehrer für Gebärdensprache.<br />

Wünschenswert wäre ein konzernübergreifend<br />

erarbeiteter Stummfilm für die deutschen<br />

Rückbauanlagen, nicht nur zum Vorteil für<br />

„Location Traveller“. Ein Arbeitsschutz-Stummfilm<br />

„made in Germany“ könnte zudem in anderen<br />

Branchen Verwendung finden. Schließlich<br />

glänzen deutsche Kernkraftwerke seit Jahrzehnten<br />

mit den weltweit niedrigsten Unfallzahlen.<br />

Dieses „know-how“ ist exportfähig.<br />

Dolmetscher<br />

Bei einer einheitlich deutschen Baustellen -<br />

sprache sind Dolmetscher Dreh- und Angelpunkt<br />

der Verständigung. Die fehlerfreie Weitergabe<br />

sicherheitsrelevanter In<strong>for</strong>mationen dürfte dabei<br />

als originäre Dolmetscheraufgabe gelten, ebenso<br />

die Drei-Wege-Kommunikation. Für den Arbeitsschutz<br />

ist die Vermeidung von Fehldeutungen und<br />

Missverständnissen ein wichtiges jedoch nicht<br />

alleiniges Kriterium. Interkulturelle Erfahrungen<br />

auf deutschen Hoch- und Tiefbaustellen werfen<br />

ihre Schatten für unsere Rückbauanlagen voraus.<br />

In der deutschen Baubranche herrschen bereits<br />

seit etlichen Jahren zunehmend babylonische<br />

Verhältnisse. Aus Erfahrungen und gemeisterten<br />

Problemen gelernt, bieten Kontraktoren ihren<br />

Auftraggebern inzwischen verstärkt den Einsatz<br />

zweisprachiger Poliere an. Diese Fachleute<br />

fungieren als berufliche Kompetenzträger und<br />

schalten sich bei der Bewältigung von Verständigungsproblemen<br />

ein. So besteht eine weniger<br />

fehlerbehaftete Kommunikation an deutschausländischer<br />

Schnittstelle, als bei reiner Übersetzungsarbeit;<br />

ein gemeinsamer Vorteil für Arbeitsschutz<br />

und Auftragserfüllung. Diese Doppelrolle<br />

kommt nicht zuletzt dem Arbeitsschutz zugute<br />

und spricht für wenig Korrekturbedarf vor Ort. So<br />

wird die gesetzliche Vorgabe zur Gefährdungsbeurteilung<br />

genauso verantwortungsvoll umgesetzt,<br />

wie vertragliche Vereinbarungen zur werktätigen<br />

Auftragserfüllung.<br />

Das bereits herausragend erfahrene, verbleibende<br />

Betriebspersonal der laufenden KKW, wird ab<br />

Beginn des Rückbaus mit neuen Heraus<strong>for</strong>derungen<br />

konfrontiert und muss sich zunächst mit<br />

diesen vertraut machen, um ihren hohen Qualitätsstandart<br />

zu halten.<br />

Besondere Betrachtung müssen in diesem Prozess<br />

ausländische Rückbau-Handwerker mit niedrigem<br />

Bildungsstand finden. Die Verhütung von Unfällen<br />

er<strong>for</strong>dert in folgenden Fällen Erfahrung und<br />

Wissen von Sicherheitsfachkräften:<br />

ENVIRONMENT AND SAFETY 25<br />

Environment and Safety<br />

Arbeitsschutz beim Rückbau von Kernkraftwerken – Erste Schritte rechtzeitig einleiten ı Reinhard Bojer


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

ENVIRONMENT AND SAFETY 26<br />

p ständig wechselnde Arbeitsorte und<br />

Arbeitsbedingungen<br />

p Räumliche Enge<br />

p gegenseitige Gefährdungen<br />

p Tätigkeiten in Gruben, Schächten oder<br />

unter Absturzgefahr<br />

p Vorhandensein von Lärm, Staub und<br />

Vibrationen<br />

p Arbeiten im direkten Umfeld von Maschinen<br />

p Einfluß von Nässe, Hitze, Kälte oder Zugluft<br />

p unbefestigte Wege und Löcher im Erdreich<br />

p in Baustoffen enthaltene Gefahrstoffe<br />

p überschreiten der Leistungsfähigkeit<br />

p Arbeiten in Zwangshaltung<br />

p monotone Arbeitsabläufe<br />

Schutzmaßnahmen müssen intensiver als jemals<br />

zuvor mit den Arbeitsausführenden kommuniziert<br />

werden. Vormals gespeicherte Ergebnisse alter<br />

Gefährdungsbeurteilungen bieten zwar eine<br />

gewisse Rechtssicherheit, verhindern aber vor Ort<br />

keine Unfälle. Verbindliche, schriftlich angewiesene<br />

Schutzmaßnahmen und Anweisungen<br />

müssen gesichert bis ans Ende der In<strong>for</strong>mationskette<br />

vordringen und umgesetzt werden.<br />

Unvermeidlich ist dadurch die Erschwernis der<br />

werktätigen Handlungsfähigkeit. Dies ist legitim,<br />

solange keine Handlungsunfähigkeit droht. Die<br />

gewünschte Akzeptanz kann jedoch übertroffen<br />

werden, wenn die Mitarbeiter wollen was sie<br />

sollen; ein durch charismatische Überzeugungsarbeit<br />

durchaus erreichbarer Zustand. Sich unter<br />

autoritärer Führung bildende „Jammerclubs“ sind<br />

in diesem Idealfall kaum zu befürchten und<br />

müssen weder mühsam eroiert noch zerschlagen<br />

werden.<br />

Autor<br />

Reinhard Bojer<br />

Fachkraft für Arbeitssicherheit,<br />

KKW Emsland<br />

ReinhardBojer@web.de<br />

Nach seiner Berufsausbildung im Maschinenbau und einer Zeit als Feuerwehrmann<br />

arbeitete Reinhard Bojer zunächst bei Exxon <strong>Nuclear</strong> in der Brennelementfertigung.<br />

Anschließend wechselte er zur VEW und unterstütze dort beim Bau<br />

und der Inbetriebsetzung des Kernkraftwerks Emsland, wo er ab 1993 als Sicherheitsbeauftragter<br />

tätig war und seit 2004 Fachkraft für Arbeitssicherheit ist.<br />

Weiterhin ist er Brandschutzbeauftragter gemäß CFPA Europe und zwz. stellv.<br />

Leiter der Werkfeuerwehr.<br />

Einhaltung des Arbeitsschutzes beim KKW-Rückbau<br />

Die übergeordnete Gefährdungsbeurteilung<br />

p Arbeiten sind so geplant und vorbereitet, dass (möglichst) PSA-frei gearbeitet wird.<br />

p Im Sinne des Gesundheitsschutzes ist bei Zerlegungsarbeiten sichergestellt, dass händisch zu<br />

transportierende Teile ein Einzelgewicht von 25 kg möglichst deutlich unterschreiten.<br />

p Eine ausreichende Freihaltung und Passierbarkeit von Flucht- und Rettungswegen<br />

ist sichergestellt.<br />

p Feuerlöscher, Verbandkästen, Augenduschen u. ä. sind ungehindert erreichbar.<br />

p Der reibungslose Ablauf von Evakuierung und Menschenrettung ist zu jeder Zeit gesichert.<br />

p Es sind ausschließlich geprüfte und europäisch genormte Arbeitsmittel im Einsatz.<br />

Bei Ingebrauchnahme besteht Mängelfreiheit.<br />

p Gefahrstoffe sind an Arbeitsplätzen höchstens in Tagesmengen vorhanden.<br />

Nicht vermeidbare Vorratshaltung oder Lagerung vor Ort geschieht unter Aufsicht<br />

der Werkfeuerwehr.<br />

p Absturzgefahren sind vor Arbeitsfreigabe beseitigt.<br />

p Es sind bevorzugt Akkugeräte im Einsatz. Sie haben Vorrang vor kabelgebundenen Geräten.<br />

p Stolpergefahren durch Kabel und Schläuche sind durch wandnahes Verlegen oder<br />

Aufhängen in einer Höhe von mindestens 2 m beseitigt.<br />

p Die Verwendung von Audio-Kopfhörern, jeglicher Form und Art, ist zur sicheren<br />

Wahrnehmung akustischer Signale und Verständigung untersagt.<br />

p Gefährliche Alleinarbeit findet ausschließlich in Ausnahmefällen und unter Einhaltung<br />

konkreter Schutzmaßnahmen statt.<br />

Environment and Safety<br />

Arbeitsschutz beim Rückbau von Kernkraftwerken – Erste Schritte rechtzeitig einleiten ı Reinhard Bojer


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Top-Ten-Maßnahmen stellen die multinationale<br />

Unfallverhütung auf ein solides Fundament und<br />

ergeben eine regelbasierte Grundordnung<br />

– 01 – Helme<br />

Nach dem Motto, gleiche Farbe – gleiche Zugehörigkeit,<br />

sind die Helmfarben festgelegt.<br />

p Bauleitung ROT<br />

p Führungsebene und Koordinatoren ORANGE<br />

p Dolmetscher BLAU<br />

p Arbeits- Brand- und Objektschutz WEISS<br />

p Hilfsarbeiter GRÜN<br />

p Facharbeiter und<br />

Aufsichtspersonen GELB<br />

p Handwerker und<br />

Hilfsarbeiter GRÜN<br />

– 02 – Warnwesten<br />

Neben der farblichen Zuordnung von Arbeitsschutzhelmen<br />

vervollständigen farbige Warnwesten<br />

die Kleiderordnung und das nicht nur im Bereich des<br />

Arbeitsschutzes. Die Farben von Helm und Warnweste<br />

signalisieren weit sichtbar die jeweilige Verantwortung,<br />

Stellung und Aufgabe des Personals.<br />

p Neulinge auf der Baustelle GRÜN<br />

(die ersten 6 Wochen)<br />

p Kraftwerkspersonal VIOLETT<br />

p Strahlenschutz ORANGE<br />

p Wachdienst BLAU<br />

p Besucher WEISS<br />

zur Entwicklung neuer grafischer Darstellungen ein<br />

kreatives Team nicht divers genug sein.<br />

Beispiel:<br />

Die 3-A-Regel<br />

als Grafik<br />

– 04 – Verbot von Schlauchschellen<br />

Schlauchschellen mit Schneckengewinde wurden im<br />

Jahre 1922 erfunden und gelten im Arbeitsschutz als Antiquitäten.<br />

Sie bildeten von Anfang an eine Verletzungsgefahr<br />

für die Hände und nicht nur bei der Handhabung<br />

von Schläuchen. Auch das Festschrauben oder Nachziehen<br />

(z. B. bei Leckagen) er<strong>for</strong>dert den ebenso kraftvollen<br />

wie gefährlichen Einsatz eines Schraubendrehers.<br />

Quetschhülsen sind hervorragende Alternativen. Handverletzungen<br />

beim Verbinden, Anschließen oder Lösen<br />

von Schläuchen sind mit dieser Substitutionsmaßnahme<br />

weitgehend ausgeschlossen. Dieser Umstand rechtfertigt<br />

zum Wohle der Unfallverhütung das generelle Verbot<br />

klassischer Schneckengewinde-Schellen.<br />

– 05 – Glasverbot<br />

Glasbruch bedeutet immer eine erhebliche Gefahr für<br />

Schnittverletzungen. Ein striktes Verbot ist kurzfristig<br />

umsetzbar und leicht zu kommunizieren. Dieses Verbot<br />

bezieht sich nicht nur auf Getränkeflaschen, sondern<br />

auf alle Bedarfsgegenstände, Ausrüstungen, (mobile)<br />

Beleuchtungskörper usw. Diese Maßnahme wirkt sich<br />

zudem positiv auf das Sicherheitsbewusstsein der Mitarbeiter<br />

aus. Auf verschiedenen Großbaustellen im Ausland<br />

hat sich diese Vorschrift unterdessen bewährt.<br />

ENVIRONMENT AND SAFETY 27<br />

– 03 – Grafik statt Text<br />

Nur-Text-Schilder der Sicherheitskennzeichnung vor<br />

Ort werden so weit wie möglich durch Grafiken ersetzt.<br />

Die Abschaffung von Schrift auf Schildern, Tafeln und<br />

Wänden lässt sich vergleichsweise frühzeitig umsetzen.<br />

Eine Zusammenarbeit zwischen: Kraftwerksingenieuren,<br />

Sicherheitsfachkräften, Beratern für Logo-Design, Kindergärtnerinnen,<br />

und Personen aus einschlägigen pädagogischen<br />

Berufen mag ungewöhnlich erscheinen, kann<br />

– 06 – Sicherheitsmesser<br />

Sicherheitsmesser haben verdeckte Klingen oder einen<br />

automatischen Klingenrückzug. Sie verhindern im<br />

höchsten Maße Schnittverletzungen, Arztbesuche und<br />

Arbeits ausfälle. Deshalb sind konventionelle Messer verboten.<br />

Der Fachhandel hält verschiedene Modelle sicherer<br />

Messer für unterschiedliche Schneidaufgaben bereit. Die<br />

Unfallverhütung lebt an dieser Stelle von der sorgfältigen<br />

Auswahl bedarfsgerechter Sicherheitsmesser, möglichst<br />

mit willensunabhängigem Klingenrückzug, bei denen am<br />

Ende des Schnittes die Klinge zurückschnellt.<br />

Environment and Safety<br />

Arbeitsschutz beim Rückbau von Kernkraftwerken – Erste Schritte rechtzeitig einleiten ı Reinhard Bojer


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

ENVIRONMENT AND SAFETY 28<br />

Top-Ten-Maßnahmen …<br />

– 07 – Anweisungen in Landessprache<br />

Verschiedene Schriftstücke bilden die Grundlage für<br />

wirtschaftliche und sichere Baupro zesse. Diese sind in<br />

jeder gesprochen Fremdsprache in Papier<strong>for</strong>m verfügbar.<br />

p Alle er<strong>for</strong>derlichen Betriebsanweisungen<br />

p Arbeitsanweisungen<br />

p Baustelleneinrichtungspläne<br />

p Baustellenordnung<br />

In allen vier Fällen garantiert die Bauleitung ständige Aktualität.<br />

Bei Anpassungs- oder Änderungsbedarf übernehmen<br />

Dolmetscher die er<strong>for</strong>derliche Übersetzungsarbeit<br />

und Datenpflege. Um gefährliche Irrtümer zu vermeiden,<br />

sind nach Änderungen die Mitarbeiter unverzüglich und<br />

anlassbezogen zu unterweisen.<br />

– 08 – Schachtumwehrungen<br />

aus Gerüstmaterial<br />

Ein Schachtdeckel wird abgehoben, wobei im selben<br />

Moment eine Absturzgefahr entsteht. Damit niemand in<br />

den Schacht fallen kann, ist eine Absicherung er<strong>for</strong>derlich.<br />

Die Sicherung erfolgt durch eine Umwehrung aus<br />

Gerüstmaterial.<br />

Grundprinzip:<br />

p Vier Stützen (Stiele) mit dreiteiligem<br />

Seitenschutz ins Quadrat stellen und die<br />

Absturz gefahr ist beseitigt.<br />

p Flatterband ist Dekoration.<br />

– 09 – Rote Vorhängeschlösser<br />

Ausschließlich der Bauleiter verfügt über eine Anzahl<br />

roter, gleichschließender Vor hänge schlösser und hat die<br />

Schlüsselgewalt. Sobald die Unfallverhütung vor Ort zur<br />

Chefsache wird, kommen in seinem Ermessen Vorhängeschlösser<br />

zum Einsatz.<br />

Beispiel 1:<br />

Der Bauleiter sichert im Einzelfall Handräder von Armaturen,<br />

welche bei Fehlbetätigung zu einer akuten (Lebens)<br />

Gefahr führen.<br />

Beispiel 2:<br />

Bei Behälterbefahrungen warnt das rote Schloss in einem<br />

Schraubenloch des Deckelflansches so lange vor<br />

unerlaubter Remontage, bis das Schloss vom Bauleiter<br />

wieder abgenommen wird.<br />

Er selbst vergewissert sich davon, dass sich im Behälter<br />

weder Personen noch Gegenstände befinden. Den Sinn<br />

und Zweck roter Schlösser kennt jeder Mitarbeiter auf<br />

der Baustelle. Dies wird im Rahmen von Erstschulungen<br />

(Stumm film?) sichergestellt. Der Anblick eines roten<br />

Helmes bzw. roter Vorhängeschlösser hat zudem eine<br />

wertvolle psychologische Wirkung und zeugt von einer<br />

hohen Erwartungshaltung und strengen Kontrolle der<br />

Bauleitung bei der Verhütung von Unfällen.<br />

– 10 – Safty-Points<br />

Im Freigelände befinden sich weit sichtbare Notfallstationen.<br />

Ein rot-weißer Windsack in mehreren Metern<br />

Höhe und das unverkennbare Rettungszeichen E007<br />

(Sammelstelle) kennzeichnet die mobilen Safty-Points.<br />

Die Unterkonstruktion hat die Form einer Europalette,<br />

womit die Transportfähigkeit mittels Gabelstapler oder<br />

Hubwagen gewährleistet ist. Die Stromversorgung erfolgt<br />

über Wechselakkus. Alle Safty-Points stehen mit<br />

den betrieblichen Stellen drahtlos in Verbindung und<br />

sind so positioniert, dass sie sich nach dem Passieren<br />

von (Not) Ausgangstüren im Blickfeld befinden. Durch<br />

die vorhandene Ausrüstung erfüllen sie die Vorstellung<br />

schnell verfügbarer Mittel in Notfällen.<br />

Die einheitliche Ausrüstung besteht deshalb aus:<br />

p Defibrillator und weitere Ausrüstungen<br />

zur Ersten-Hilfe<br />

p Kommunikationsmittel für die Sammelstelle<br />

p Notruftelefon für Deutschsprachige<br />

p Alarmknopf für fremdsprachige Personen<br />

p Lautsprecher für Durchsagen<br />

p Blitzleuchte zur Visualisierung eines<br />

Alarmzustandes<br />

p Feuerlöscher<br />

p Ölbindemittel<br />

Noch vor wenigen Jahrzehnten galt im<br />

Kraftwerksbau ein tödlicher Arbeitsunfall<br />

pro 100 MW Kraftwerksleistung als völlig<br />

normal; ein auf internationaler Ebene<br />

bestehender Durchschnittswert.<br />

Bei mehreren tausend Arbeitern auf Großbaustellen<br />

war zu damaliger Zeit der tägliche<br />

Anblick von Blaulichtfahrzeugen nichts<br />

Ungewöhnliches.<br />

Mit konsequenter Umsetzung von § 5<br />

des Arbeitsschutzgesetzes von 1996, der<br />

Forderung nach Gefährdungsbeurteilungen,<br />

lässt sich die Wiederholung einer entsetzlichen<br />

100 MW Todesfallstatistik für KKW-<br />

Rückbauanlagen verhindern.<br />

Environment and Safety<br />

Arbeitsschutz beim Rückbau von Kernkraftwerken – Erste Schritte rechtzeitig einleiten ı Reinhard Bojer


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Zerstörungsfreie Plausibilitätsprüfung<br />

der stofflichen Beschreibung<br />

radioaktiver Abfälle mittels QUANTOM®<br />

Laurent Coquard, Andreas Havenith und Co-Autoren<br />

Im Endlagerungsverfahren Konrad wird von den Ablieferungspflichtigen eine stoffliche Beschreibung der<br />

radioaktiven Abfälle ge<strong>for</strong>dert. Diese An<strong>for</strong>derung ist insbesondere für Altabfälle heraus<strong>for</strong>dernd, da die<br />

Ablieferungspflichtigen Plausibilitätsnachweise der stofflichen Beschreibung bei teilweise unzureichend<br />

dokumentierten Abfällen erbringen müssen. Zur zerstörungsfreien messtechnischen Erbringung eines solchen<br />

Plausibilitätsnachweises wird die innovative Fassmessanlage QUANTOM® (QUantitative ANalyse<br />

von TOxischen und nicht toxischen Materialien) präsentiert. Die Messanlage basiert auf der prompten und<br />

verzögerten Gamma-Neutronen-Aktivierungs-Analyse (P & DGNAA) und ermöglicht eine Multi-Elementanalyse<br />

der im 200-l-Fass enthaltenen Materialien, wodurch eine bestehende stoffliche Beschreibung mittels<br />

Stofflisteneinträgen verifiziert werden kann. Auf Grundlage der Messergebnisse kann sowohl die vom<br />

Ablieferungspflichtigen getätigte stoffliche Beschreibung bestätigt werden als auch der Nachweis erbracht<br />

werden, dass bestimmte wassergefährdende Stoffe nicht in den Abfällen enthalten sind (Ausschlussprinzip).<br />

QUANTOM® ergänzt synergetisch bestehende zerstörungsfreie Messverfahren die sich der Aktivitätsoder<br />

Kernbrennstoffbestimmung sowie der Visualisierung der Dichteverteilung innerhalb der Abfallmatrix<br />

widmen. Der erste Prototyp von QUANTOM® ist seit 2020 in Betrieb und wurde im Jahr 2022 validiert.<br />

HERAUSFORDERUNGEN IM<br />

ENDLAGERUNGSVERFAHREN KONRAD<br />

Die Qualifizierung radioaktiver Abfallkontingente<br />

ist bis zur Inbetriebnahme des Endlagers Konrad im<br />

Jahr 2027 im besonderen Fokus der Abführungs-/<br />

Ablieferungspflichtigen. Aufgrund des Gesetzes zur<br />

Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen<br />

Entsorgung können die kernkraftwerksbetreibenden<br />

Unternehmen bereits seit dem 1. Januar<br />

2020 vernachlässigbar wärmeentwickelnde radioaktive<br />

Abfälle an die BGZ (Bundesgesellschaft für<br />

Zwischenlagerung mbH) übergeben. Für beide<br />

Entsorgungswege, die direkte Anlieferung an das<br />

Endlager Konrad oder die Übergabe an die BGZ,<br />

ist es jedoch er<strong>for</strong>derlich, dass die Abfallgebinde<br />

die Endlagerungsbedingungen Konrad [1] erfüllen<br />

und die Produktkontrolle durch die BGE (Bundesgesellschaft<br />

für Endlagerung) abgeschlossen ist.<br />

Bis dato ist nur ein Bruchteil der bestehenden und<br />

konditionierten Abfallkontingente endlagergerecht<br />

verpackt und hat die Produktkontrolle erfolgreich<br />

abgeschlossen. Insbesondere die radiologische und<br />

stoffliche Beschreibung von Altabfällen ist teilweise<br />

unzureichend, um diese Abfälle für die Endlagerung<br />

zu qualifizieren. Die Abfälle befinden sich<br />

größtenteils noch in Abfallfässern und werden nach<br />

abgeschlossener Charakterisierung in endlagerzulässigen<br />

Abfallbehältern verpackt.<br />

Aufgrund ihres Gefahrenpotentials müssen radioaktive<br />

Abfälle im Rahmen des Endlagerungsverfahrens<br />

Konrad sachgerecht konditioniert und entsorgt<br />

werden. Die vom Abfall ausgehende Gefährdung<br />

begründet sich aus der möglichen biologischen Schädigung<br />

durch die ionisierende Strahlung, welche<br />

von den in den Abfällen enthaltenen Radionukliden<br />

emittiert wird sowie aus den im Abfall enthaltenen<br />

wassergefährdenden nicht radioaktiven Stoffen, die<br />

meist persistent sind. Hieraus ergibt sich die An<strong>for</strong>derung,<br />

dass radioaktiver Abfall vom Verursacher<br />

radiologisch und stofflich charakterisiert werden<br />

muss [2]. Gerade bei Altabfall werden häufig unzureichende<br />

und unstimmige Abfalldeklarationen<br />

festgestellt, welche einer endlagergerechten Qualifizierung<br />

und Einlagerung im Wege stehen.<br />

Bislang erfolgt eine Überprüfung zur vollständigen<br />

endlagergerechten Charakterisierung radioaktiver<br />

Altabfälle meist durch eine aufwendige Öffnung der<br />

Fässer. Das Öffnen von Fässern für eine visuelle<br />

Kontrolle, oder eine Probenentnahme führt zu einer<br />

Deklaration der zu untersuchenden Altabfälle als<br />

Neuabfall, an welchen, im Gegensatz zu Altabfällen,<br />

deutlich restriktivere An<strong>for</strong>derungen geknüpft<br />

sind. Des Weiteren machen zerstörende Prüfverfahren<br />

eine Umverpackung der Abfälle notwendig,<br />

welche in Folge eine Volumenvergrößerung der Altabfälle<br />

bedeuten kann<br />

Stand der Technik der zerstörungsfreien<br />

Meßverfahren<br />

Weltweit werden segmentiertes oder integra les<br />

Gamma-Scanning sowie aktive oder passive<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 29<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Zerstörungsfreie Plausibilitätsprüfung der stofflichen Die Strategie Beschreibung des schwedischen radioaktiver Rückbauprogramms Abfälle mittels QUANTOM® von Uniper ı ı Laurent Michael Coquard Bächler, , Mikael Andreas Gustafsson Havenith


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 30<br />

Neutronendetektion als Standardverfahren zur<br />

zerstörungsfreien Messung zur radiologischen Charakterisierung<br />

und Qualitätssicherung radioaktiver<br />

Abfallgebinde eingesetzt [2]. Diese Verfahren bestimmen<br />

die isotopenspezifischen Aktivitäten von<br />

Radionukliden in Abfallgebinden. Sie können jedoch<br />

keine nicht-radioaktiven Gefahrstoffe wie Cadmium,<br />

Quecksilber, Blei, Biphenyle, usw. nachweisen.<br />

Zusätzlich zu diesen Verfahren werden radiographische<br />

und/oder tomographische Messverfahren<br />

eingesetzt, um die heterogene Matrix und Dichteverteilung<br />

von Abfallfässern zu untersuchen. Diese<br />

bildgebenden Verfahren zeigen jedoch nur die ortsaufgelöste<br />

Schwächung von Strahlung und erlauben<br />

keine direkte Identifizierung von Substanzen. Die<br />

bestehenden bildgebenden Verfahren weisen mittels<br />

Dichteklassen mögliche Materialfraktionen<br />

wie Metalle, organischen Verbindungen, Wasser<br />

oder Beton zu. Die radiographischen/tomographischen<br />

Verfahren können jedoch nicht zwischen<br />

verschiedenen Materialien mit ähnlichen Dichten<br />

wie beispielsweise Cadmium und Kupfer unterscheiden.<br />

Da die chemotoxischen Potenziale dieser<br />

Elemente sehr unterschiedlich sind und nicht durch<br />

die oben genannten zerstörungsfreien Technologien<br />

bestimmt werden können, war die Entwicklung<br />

eines neuen zerstörungsfreien Messverfahrens<br />

zur Charakterisierung von Abfällen er<strong>for</strong>derlich.<br />

Dieses Messverfahren basiert auf einem aktiven<br />

Neutroneninterrogationsverfahren und wird in der<br />

Fassmessanlage QUANTOM® umgesetzt.<br />

Innovative Lösung: QUANTOM®<br />

Bei der Messanlage QUANTOM® kommt als<br />

innovatives Analyseverfahren die prompte und verzögerte<br />

Gamma-Neutronen-Aktivierungs-Analyse<br />

(P & DGNAA) zur Anwendung. Die Prompt-Gamma-<br />

Neutronen-Aktivierungs-Analyse (PGNAA) beruht<br />

auf dem gamma-spektrometrischen Nachweis der<br />

quasi-simultan zur neutroneninduzierten Kernreaktion<br />

emittierten Gamma-Strahlung [4]. Insofern<br />

stellt die PGNAA, im Gegensatz zur DGNAA, keine<br />

An<strong>for</strong>derung an die Halbwertszeit der gebildeten Aktivierungsprodukte.<br />

Diese zwei Kernprozesse sind<br />

in Abbildung 1 schematisch dargestellt (PGNAA in<br />

orange und DGNAA in blau).<br />

Die Messanlage QUANTOM® verwendet als Neutronenquelle<br />

einen D-D-Neutronengenerator, welcher<br />

isotrop Neutronen mit einer Energie von 2,5 MeV und<br />

einer maximalen Quellstärke von 4x10 9 Neutronen<br />

pro Sekunde emittiert. Im Inneren des Neutronengenerators<br />

wird als Betriebsstoff Deuteriumgas<br />

ionisiert und die Deuteronen durch eine Hochspannung<br />

von 130 kV auf ein Target beschleunigt. Der<br />

Neutronengenerator kann entweder kontinuierlich<br />

oder gepulst betrieben werden. Zur Überwachung<br />

der Quellstärke wird eine U-238-Spaltkammer in<br />

der Nähe des Neutronengenerators platziert und<br />

betrieben.<br />

Die erzeugten Neutronen bestrahlen ein 200-l-<br />

Abfallfass, welches sich im Inneren einer Moderationskammer<br />

aus hochreinem Graphit befindet. Der<br />

Graphit moderiert und reflektiert die Neutronen und<br />

maximiert somit den thermischen Neutronenfluss<br />

im Inneren des Abfallfasses. Der Inhalt des Fasses<br />

wird aktiviert und die induzierte Gamma-Strahlung<br />

wird mittels zwei n-Typ HPGe-Detektoren mit<br />

einer relativen Effizienz von jeweils 60 % gemessen.<br />

Die Germaniumdetektoren sind elektrisch<br />

gekühlt, eine zusätzliche Kühlung mit flüssigem<br />

Stickstoff ist nicht notwendig. Die<br />

zwei HPGe-Detektoren befinden<br />

sich in der Moderationskammer<br />

umgeben von Kollimatoren. Beide<br />

Detektoren können mit geringem<br />

Aufwand aus der Messposition<br />

entnommen werden. Der das<br />

Fass umgebende Neutronenfluss<br />

wird online von 32 3 He-Proportionalzählern<br />

mit einem niedrigen<br />

Gaspartialdruck von 50 kPa 3 He<br />

und 100 kPa Argon gemessen.<br />

Die Anzahl und die Positionen<br />

der Neutronendetektoren wurden<br />

basierend auf Monte-Carlo-Simulationen<br />

optimiert [5].<br />

| Abb. 1:<br />

Prinzip der P&DGNAA. Die Zeitfenster (orange und blau) geben die durchschnittliche Dauer für die<br />

jeweiligen Kernprozesse an. Nach Aktivierung durch ein Neutron erfolgt die Emission prompter<br />

Gamma-Strahlung, der resultierende Atomkern ist entweder ein Radionuklid, welches verzögerte<br />

Gamma-Strahlung emittiert (1), oder ein stabiler Kern (2).<br />

Im Rahmen des Analyseverfahrens<br />

werden kollimierte sektorale<br />

Messungen durchgeführt. Dabei<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Die Zerstörungsfreie Strategie des Plausibilitätsprüfung schwedischen Rückbauprogramms der stofflichen von Beschreibung Uniper ı Michael radioaktiver Bächler, Abfälle Mikael mittels Gustafsson QUANTOM® ı Laurent Coquard , Andreas Havenith


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

| Abb. 2:<br />

Schematische Darstellung einer segmentierten Messung. Das Fass wird in<br />

vier horizontale Segmente (Layer) unterteilt, welche in 12 weitere Winkelsektoren<br />

partitioniert werden. Zwei Detektorsysteme (D) ermöglichen die<br />

zeitgleiche Messung zweier Sektoren. Durch geeignete Drehungen (60°)<br />

werden alle Partitionen einmal gemessen. Sektoren mit gleicher Farbe<br />

werden zeitlich betrachtet parallel gemessen.<br />

wird das zu messende Fass in Partitionen zerlegt,<br />

wie es beispielhaft in Abbildung 2 dargestellt ist.<br />

Für jede Partition wird ein separates Gamma-Spektrum<br />

aufgenommen. Hierzu wird das Fass rotiert und<br />

angehoben, sodass sich primär nur die jeweiligen<br />

zwei Zielsektoren im kollimierten Sichtbereich der<br />

HPGe-Detektoren befinden (Mantelflächen-Scan).<br />

Im Modell der Auswertung werden diese Sektoren<br />

sieben Mal radial unterteilt, woraus sich 336 Partitionen<br />

ergeben (Abbildung 3). Eine gemeinsame<br />

Auswertung aller Spektren durch ein neuartiges<br />

Verfahren ermöglicht es die Elementzusammensetzung<br />

individuell für jede einzelne Partition zu<br />

quantifizieren und reduziert somit die Unsicherheit,<br />

welche aus der inhomogenen Zusammensetzung des<br />

Abfallfasses resultiert.<br />

Durch den Einsatz der zwei HPGe-Detektoren, die<br />

symmetrisch zum Neutronengenerator angeordnet<br />

sind, werden stets zwei Sektoren gleichzeitig<br />

gemessen, wobei eine doppelte Messung des gleichen<br />

Sektors vermieden wird. Die Verwendung<br />

von zwei Detektoren reduziert die Messzeit und<br />

steigert die Sensitivität der Messanlage. Die durch<br />

die kollimierte Messung und rekonstruierte ortsaufgelöste<br />

Elementzusammensetzung erzielten<br />

Verbesserungen sind entscheidend für die Anwendung<br />

der Technologie im Endlagerungsverfahren<br />

Konrad. Die Moderationskammer ist von einer Neutronen-<br />

und einer Gamma-Abschirmung umhüllt.<br />

Diese Abschirmungen bestehen aus borierten Polyethylen-Platten<br />

und Blei-Stahl-Verbundplatten.<br />

Eine Gesamtübersicht der aufgebauten QUANTOM®<br />

Messanlage im Technikum der AiNT GmbH ist in<br />

Abbildung 4 dargelegt.<br />

Die er<strong>for</strong>derliche Genehmigung gemäß § 12<br />

Abs. 1 Nr. 1 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) für<br />

den Betrieb der Messanlage liegt vor. Zusätzlich<br />

wurde eine Genehmigung gemäß § 12 Abs. 1 Nr.<br />

3 StrlSchG zum Umgang mit offenen radioaktiven<br />

Stoffen bis zum 3x10 9 -fachen der Freigrenze und<br />

bis zum 10 6 -fachen der Freigrenze (umschlossen)<br />

erlangt, um die Eignung auch bei radioaktiven Abfallfässern<br />

zu validieren. Die Inbetriebnahme der<br />

Messanlage QUANTOM® im Jahr 2020 wurde durch<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 31<br />

| Abb. 3:<br />

3D-Darstellung einer Elementverteilung aus der Datenanalyse<br />

mit QUANTOM® in einem 200-l-Abfallfass (z. B. Blei).<br />

| Abb. 4:<br />

Gesamtübersicht der aufgebauten Messanlage QUANTOM®.<br />

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FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 32<br />

einen hinzugezogenen Sachverständigen begleitet<br />

und die Anlage hierbei mängelfrei abgenommen.<br />

Zerstörungsfreie Messungen von radioaktiven Abfallfässern<br />

mittels QUANTOM® am derzeitigen<br />

Aufstellort sind möglich und wurden bereits durchgeführt.<br />

Validierungsergebnisse<br />

Zur Erprobung und Validierung der Messtechnik<br />

wurden zehn Referenzfässer gefüllt mit verschiedenen<br />

Referenzmaterialen (z. B. Zirkonsand, Melamin,<br />

Stuckgips, Asilikos etc.) gemessen und ausgewertet.<br />

Die Referenzmaterialen wurden als Funktion<br />

ihrer Neutronenaffinität und Gammaabsorptionseigenschaften<br />

ausgewählt. Die Vielfältigkeit der<br />

ausgewählten Fasstypen (diverse Rollsicken- und<br />

Rollreifenfässer sowie ein Spannringfass) und die<br />

verschiedenen Fassdeckeltypen (Doppelhutdeckel,<br />

D-Deckel, H-Deckel, Pilzdeckel, Winkelringdeckel<br />

etc.) validieren die Einsetzbarkeit der Messanlage<br />

für die reale Vielfältigkeit der eingesetzten Abfallfässer.<br />

Für die Handhabung aller 200-l-Fasstypen<br />

mit verschiedenen Fassdeckeln wurde ein universeller<br />

Adapter entwickelt und hergestellt. Dieser<br />

Winkelringadapter wurde erfolgreich getestet und<br />

eingesetzt, so dass alle Fasstypen mit verschiedenen<br />

Deckeln auch ohne Deckeltausch sicher gehandhabt<br />

werden können (Abbildung 5).<br />

Proben der in der Validierungskampagne eingesetzten<br />

Referenzmaterialen wurden an dem Forschungsreaktor<br />

in Budapest anhand der P & DGNAA<br />

und standardisierter Prozesse analysiert<br />

(Neu tronenquellstärke=1 * 10 15 n/s). Diese Ergebnisse<br />

sind mit den Ergebnissen aus der QUANTOM®<br />

Messanlage für 5 Referenzmaterialien (Asilikos, Ilmenit,<br />

Melamin, Stuckgips, und Zirkonsand) verglichen<br />

worden und in der Abbildung 6 dargestellt.<br />

Für jedes Element wurden ein oder mehrere Peaks im<br />

Spektrum ausgewertet, um ortsaufgelöste Massen<br />

zu berechnen. Die Auswertung der Fassmessungen<br />

beinhaltet einen datengetriebenen Ansatz zur Kalibrierung<br />

der Spaltkammer zur Bestimmung der<br />

Quellenstärke des Neutronengenerators. Messunsicherheiten<br />

wurden mittels Monte-Carlo-Sampling<br />

bezüglich aller Eingangsgrößen des Rekonstruktionsverfahrens<br />

berechnet. Zu den betrachteten<br />

Unsicherheitsquellen gehören unter anderem Kalibrierungsunsicherheiten,<br />

Modellunsicherheiten in<br />

den Simulationen und Unsicherheiten bezüglich der<br />

Positionierung des Fasses innerhalb der Messkammer.<br />

Außerdem müssen einige Gammalinien bzgl.<br />

des aktiven Untergrundsignals der Messung (z. B.<br />

H, Al aus der Messanlage) korrigiert werden. Daraus<br />

resultiert teilweise eine deutlich erhöhte Messunsicherheit<br />

für die entsprechende Elementmasse.<br />

Abbildung 6 zeigt die Ergebnisse für die Analyse der<br />

fünf Referenzmaterialien und die Ergebnisse aus der<br />

Referenzanalyse am Forschungsreaktor in Budapest.<br />

Die Gesamtelementmassen wurden durch Summieren<br />

über die räumlich verteilten Massen berechnet.<br />

Bei QUANTOM® wird das gesamte 200-l-Volumen<br />

der Abfallmatrix analysiert. Am Forschungsreaktor<br />

von Budapest betrug das analysierte Probenvolumen<br />

weniger als ein Milliliter. Aufgrund dieses<br />

großen Unterschieds sind Diskrepanzen aufgrund<br />

der Probenahme zu erwarten, da die Materialien<br />

Verunreinigungen enthalten und nicht vollkommen<br />

homogen sind. Mit QUANTOM® können die<br />

Haupt- und Spurenelemente nachgewiesen werden.<br />

In Abbildung 6 wurden lediglich die Hauptelemente<br />

aufgetragen. Um die Ergebnisse zwischen QUAN-<br />

TOM® und Budapest vergleichen zu können, wurden<br />

die Massenanteile in Abbildung 6 dargestellt. Die<br />

Unsicherheiten für die Budapest-Werte sind sehr<br />

klein (wenige %). Alle Messergebnisse zeigen innerhalb<br />

der angegebenen Messunsicherheiten eine gute<br />

Übereinstimmung mit den bekannten Referenzmassen,<br />

die in Budapest am Forschungsreaktor bestimmt<br />

wurden. Zukünftig können Messunsicherheiten<br />

durch weitere Studien und zusätzliche Messkampagnen<br />

reduziert werden.<br />

| Abb. 5:<br />

Universeller Winkelringadapterkäfig, um jeden Fassdeckeltyp<br />

handhaben zu können.<br />

Die integrale Messung eines Fasses dauert ca. 2 h<br />

bis 4 h. Die erreichte Sensitivität (Nachweisgrenze)<br />

ist elementabhängig. Eine Sensitivitätsstudie wurde<br />

anhand von MCNP-Simulationen [6] (homogene<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Die Zerstörungsfreie Strategie des Plausibilitätsprüfung schwedischen Rückbauprogramms der stofflichen von Beschreibung Uniper ı Michael radioaktiver Bächler, Abfälle Mikael mittels Gustafsson QUANTOM® ı Laurent Coquard , Andreas Havenith


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Betonmatrix mit einer Dichte von 2,0 g/cm 3 und<br />

mit einer Messzeit von 4 Stunden) durchgeführt. Für<br />

Metalle wie Al, Cr, Fe, Cu, Ni, Mn, Mo etc. kann eine<br />

Nachweisgrenze von ca. 100 – 1000 ppm erreicht<br />

werden. Für andere toxische Elemente wie B oder<br />

Hg kann für eine Messzeit von 4 h eine noch niedrigere<br />

Nachweisgrenze von ca. 1 – 10 ppm erreicht<br />

werden. Diese Nachweisgrenzen sind von der Messzeit<br />

abhängig und können durch längere Messzeiten<br />

weiter reduziert werden.<br />

Mobile Meßanlage<br />

Zukünftig wird die Messanlage QUANTOM® in<br />

einem 22-Fuß-Container integriert, welcher zum<br />

Konditionierer oder Abführungs-/Ablieferungspflichtigen<br />

gebracht wird (Abbildung 7). Der Betrieb<br />

der Anlage ist in diesem Fall gemäß § 17 StrlSchG<br />

nur anzeigebedürftig, da die Ortsdosisleistung im<br />

Abstand von 0,1 Meter von der Oberfläche des Containers<br />

< 10 µSv/h beträgt. Dies reduziert deutlich<br />

den administrativen Aufwand zur Inbetriebnahme<br />

der Messanlage an einem beliebigen Standort unter<br />

Einhaltung des zulässigen atomrechtlichen Gestattungsrahmens.<br />

| Abb. 6:<br />

Rekonstruierte Elementmassenanteile für die fünf<br />

homogenen Referenzmaterialien (Asilikos, Ilmenit,<br />

Melamin, Stuckgips, Zirkonsand) und Vergleich mit<br />

der Referenzanalyse aus Budapest.<br />

transportiert. Bis zu zehn Fässer können auf die Fassförderung<br />

geladen werden. Vor der Messung eines<br />

jeden Abfallfasses wird ein Aufkleber mit einem<br />

QR-Code zur eindeutigen Identifizierung am Fass<br />

angebracht. Dazu werden zuerst die Fassnummer,<br />

der Fasstyp und ggf. weitere Fassdaten manuell in<br />

das System (am PC für die Steuerung der Messanlage)<br />

eingegeben. Der hieraus generierte QR-Code<br />

wird ausgedruckt und auf das Fass geklebt. An der<br />

Übergabestelle von der Fördertechnik zum Kran<br />

wird das Fass vor dem Einsetzen in die Messanlage<br />

auf einem Drehteller zentriert, gewogen und um<br />

360° gedreht, wobei der QR-Code mittels einer Kamera<br />

eingelesen wird. Während der Drehung wird<br />

zusätzlich durch eine zweite Kamera die Fasskontur<br />

und der Fasszustand erfasst und mittels entsprechender<br />

Auswertesoftware überprüft, ob sich die<br />

Fassgeometrie innerhalb der akzeptablen „Zylinder<strong>for</strong>m“<br />

der Messkammer befindet. Ist dies nicht<br />

der Fall, kann das Fass nicht gemessen werden und<br />

es erfolgt eine Fehlermeldung. Entspricht das Fass<br />

der zur Messung er<strong>for</strong>derlichen Fassgeometrie, wird<br />

dieses mittels eines Kranes in der Moderationskammer<br />

auf einem Drehteller platziert.<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 33<br />

Die gesamte Anlage ist vollständig automatisiert:<br />

die Fässer werden auf der Fassförderung positioniert<br />

und automatisch bis zur Entnahmeposition<br />

Methoden- und<br />

Softwareentwicklung<br />

Zur Auswertung der Gammaspektren wurde eine<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Zerstörungsfreie Plausibilitätsprüfung der stofflichen Die Strategie Beschreibung des schwedischen radioaktiver Rückbauprogramms Abfälle mittels QUANTOM® von Uniper ı ı Laurent Michael Coquard Bächler, , Mikael Andreas Gustafsson Havenith


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 34<br />

| Abb. 7:<br />

Übersicht der mobilen und automatisierten<br />

Messanlage QUANTOM®. Die neutroneninduzierte<br />

Gamma-Strahlung ist symbolisch<br />

als schwarze Welle aus dem Fass im<br />

Zentrum der Messanlage dargestellt.<br />

neue Gamma-Spektroskopie-Software namens<br />

PEAK® entwickelt, welche die besonderen An<strong>for</strong>derungen<br />

bei der PGNAA berücksichtigt. Zusätzlich<br />

wurde ein „Element-Fingerprint“ Tool entwickelt,<br />

um automatisch die Gamma Linien aller Elemente<br />

zu erkennen, zuzuordnen und auszuwerten. Das gesamte<br />

Auswerteverfahren nutzt die aktuellen und<br />

verifizierten kernphysikalischen Datenbanken von<br />

prompten und verzögerten Gammalinien der IAEO<br />

[4]. Die Nettopeakflächen der detektierten Gamma-<br />

Peaks werden durch Anpassen eines physikalischen<br />

Modells [8] an die Daten bestimmt.<br />

Die Gammaspektren werden für jede Sektormessung<br />

(insgesamt 48) einzeln analysiert. Die<br />

Massenrekonstruktion erfolgt durch eine gemeinsame<br />

Auswertung der Sektormessungen. Dadurch<br />

werden die Signalbeiträge aller anderen Sektoren<br />

auf Basis der simulativ abgebildeten Transportmodelle<br />

für die Gamma- und Neutronen-Strahlung<br />

berücksichtigt. Dies ermöglicht eine Ortsauflösung<br />

für die Elementquantifizierung in einem diskreten<br />

Modell. Somit können Inhomogenitäten innerhalb<br />

des Fasses berücksichtigt werden. Die gemeinsame<br />

Auswertung der Messungen aller Partitionen erfolgt<br />

dabei als Lösung eines linearen Gleichungssystems.<br />

Die mathematische Methode zur ortsabhängigen<br />

Massenquantifizierung beruht auf einer Partitionierung<br />

des Fasses in vier Höhensegmente (Layer)<br />

und zwölf Winkelsektoren je Höhensegment und<br />

der kollimierten Messung eines jeden Sektors (Abbildung<br />

2). Im Modell der Auswertung werden die<br />

einzelnen Sektoren zusätzlich radial in sieben Partitionen<br />

unterteilt. Das Quantifizierungsverfahren<br />

berücksichtigt die Abschwächung der Gamma- und<br />

Neutronenstrahlung innerhalb der Abfallmatrix<br />

und der Fasswandung. Die Auswertung der Messdaten<br />

findet im Anschluss an die Messung statt und<br />

muss iterativ erfolgen, da die Messparameter abhängig<br />

von der stofflichen Zusammensetzung sind. Das<br />

Verfahren zur Massenquantifizierung wird iterativ<br />

bezüglich der Zusammensetzung des Fasses durchgeführt,<br />

bis sich die berechnete Zusammensetzung<br />

der Partitionen nicht mehr oder nur noch in einem<br />

Bereich kleiner als einem vordefinierten Schwellwert<br />

ändert. Für die einzelnen Iterationsschritte<br />

wird basierend auf einer Diffusionsapproximation<br />

der linearen Boltzmann-Gleichung orts- und energieaufgelöst<br />

der Neutronenfluss innerhalb der<br />

jeweiligen Partition berechnet. Hierfür wurden Algorithmen<br />

und Auswertemodelle entwickelt, die<br />

den Neutronentransport mittels geeigneter Diffusionsapproximationen<br />

im 200-l-Fass deterministisch<br />

abbilden und physikalische Randbedingungen erfüllen<br />

[9] [10] . Das Design der Messanlage sowie<br />

das Auswerteverfahren sind patentiert [11].<br />

Stoffliche Beschreibung und<br />

Plausibilitätsprüfung<br />

Stoffliste<br />

Aufgrund der möglichen Gefährdung für das<br />

Grundwasser wurde im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens<br />

[7] für das Endlager Konrad von<br />

der Planfeststellungsbehörde eine Prüfung der<br />

möglichen nachteiligen Veränderung des Grundwassers<br />

durch das chemotoxische Inventar des<br />

Endlagers durchgeführt. Die in Anhang 4 zum<br />

Planfeststellungsbeschluss befindliche „gehobene<br />

wasserrechtliche Erlaubnis zur Endlagerung von<br />

radioaktiven Abfällen im Endlager Konrad“ begrenzt<br />

das zur Endlagerung zulässige radioaktive<br />

und nichtradioaktive Inventar. Die Massen von 94<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Die Zerstörungsfreie Strategie des Plausibilitätsprüfung schwedischen Rückbauprogramms der stofflichen von Beschreibung Uniper ı Michael radioaktiver Bächler, Abfälle Mikael mittels Gustafsson QUANTOM® ı Laurent Coquard , Andreas Havenith


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

nichtradioaktiven chemotoxischen Stoffen sind zum<br />

Schutz des Grundwassers limitiert. Bei der Umsetzung<br />

des Planfeststellungsbeschlusses wird die<br />

Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) die<br />

An<strong>for</strong>derungen der gehobenen wasserrechtlichen<br />

Erlaubnis erfüllen. Darunter fallen die verpflichtende<br />

Erfassung, Überwachung und Bilanzierung<br />

einzulagernder radioaktiver Abfälle hinsichtlich<br />

nichtradioaktiver wassergefährdender Stoffe.<br />

Die stoffliche Beschreibung und Deklaration erfolgen<br />

bezugnehmend zu Stoffvektoren, wobei<br />

die Abführungs-/Ablieferungspflichtigen für die<br />

stoffliche Beschreibung ihrer Abfälle eigenverantwortlich<br />

sind. Die stoffliche Beschreibung der<br />

Ablieferungspflichtigen mittels der Stoffvektoren,<br />

oder auch Stofflisteneinträge genannt, wird<br />

im Auftrag der BGE auf deren Anwendbarkeit in<br />

einer jeweiligen Entsorgungskampagne geprüft<br />

(stoffliche Produktkontrolle). Die Auflistung dieser<br />

Stoffvektoren erfolgt in einer zentral vom BGE<br />

geführten abfallspezifischen Stoffdatenbank, der<br />

sogenannten Stoffliste, auf die Abführungs-/Ablieferungspflichtige<br />

Online-Zugriff haben. Die Begriffe<br />

Stofflisteneintrag und Stoffvektor werden synonym<br />

verwendet. Die Stoffliste enthält derzeit 585 Einträge<br />

(ohne gelöschte/gesperrte Einträge), wovon 336<br />

freigegeben, 77 avisiert und 136 Stofflisteneinträge<br />

in Vorbereitung sind (Stand 11. 11. 2022).<br />

Stoffliche Beschreibung mittels<br />

zerstörender Verfahren<br />

Die Verfahrensqualifikation eines Konditionierungsverfahrens<br />

erfolgt gemäß § 3 AtEV auf Basis<br />

von Antragsunterlagen, u. a. bestehend aus einem<br />

Ablaufplan, begleitenden Verfahrensbeschreibung,<br />

Arbeitsanweisungen, Prüfvorschriften, Handbücher<br />

und Protokollvorlagen. Im Hinblick auf die<br />

stoffliche Beschreibung enthalten diese Ablaufpläne<br />

alle Arbeits- und Prüfschritte, die die Erfassung der<br />

abfallspezifischen Daten durch den Abführungs-/<br />

Ablieferungspflichtigen sowie den zugehörigen<br />

Beteiligungsumfang durch den Sachverständigen<br />

regeln. Es sind die Arbeits- und Prüfschritte aufzuführen,<br />

die die stoffliche Beschreibung und die<br />

Nachweisführung regeln, wie z. B. die Erfassung<br />

und Sortierung von Rohabfällen im Hinblick auf<br />

die Zuordnung zu einem Stofflisteneintrag (Identifikation)<br />

sowie die Massenbestimmung von Fässern<br />

mittels Wägung (Quantifikation).<br />

Die seitens der Ablieferungspflichtigen durchzuführende<br />

stoffliche Charakterisierung und deren<br />

Produktkontrolle kann im besten Fall auf Basis einer<br />

vorhandenen Abfalldokumentation vollständig<br />

durchgeführt werden. Bei gut dokumentierten Abfällen<br />

aus deutschen Kernkraftwerken ist dies gängige<br />

Praxis. Bei Problemabfällen (z. B. Altabfall: Abfall,<br />

der zum Zeitpunkt der Bestandskraft der gehobenen<br />

wasserrechtlichen Erlaubnis bereits konditioniert<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 35<br />

| Abb. 8:<br />

„Fingerprint“ von Calcium in einer Stuckprobe, wobei die blauen Linien die 10 intensivsten Prompt-Gamma-Peaks von Calcium zeigen.<br />

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Zerstörungsfreie Plausibilitätsprüfung der stofflichen Die Strategie Beschreibung des schwedischen radioaktiver Rückbauprogramms Abfälle mittels QUANTOM® von Uniper ı ı Laurent Michael Coquard Bächler, , Mikael Andreas Gustafsson Havenith


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FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 36<br />

| Abb. 9:<br />

Symbolische Darstellung der Plausibilitätsprüfung eines vorgegebenen Stoffvektors aus der Stoffliste KONRAD<br />

(in diesem Beispiel der Bausteinstoff „Schwermetalle (AAD020)“) und anhand der Elementsignatur aus QUANTOM®.<br />

bei den Abfallverursachern oder bei Dritten lagerte)<br />

ist ein innerhalb der Produktkontrolle ge<strong>for</strong>derter<br />

Plausibilitätsnachweis auf Basis einer unzureichenden<br />

Dokumentationslage problematisch oder nicht<br />

durchführbar. Die Dokumentationslage von Altabfällen<br />

ist oft nicht ausreichend, um das Vorhandensein<br />

wassergefährdender Substanzen oberhalb des Beschreibungsschwellenwertes<br />

auszuschließen bzw.<br />

eine stoffliche Beschreibung als plausibel zu bewerten.<br />

Vorgeschlagene Produktkontrollmaßnahmen,<br />

wie die visuelle Inspektion oder die Massenbestimmung<br />

von Abfallfraktionen mittels Wägung, sind<br />

bei konditionierten, z. B. zementierten, Altabfällen<br />

nicht praktizierbar. Für den Fall, dass die stoffliche<br />

Beschreibung nicht hinreichend oder belastbar<br />

ist, müssen durch Analyseverfahren zusätzliche<br />

Abfalldaten erhoben bzw. verifiziert werden. Bislang<br />

konnte diese ausstehende Datenerhebung und<br />

Überprüfung zur stofflichen Beschreibung von<br />

Altabfällen ausschließlich durch eine aufwendige<br />

Öffnung der Fässer, das Zerlegen der Abfallmatrix<br />

und die anschließende Analyse des Inhalts erfolgen.<br />

Dieses kostenintensive Vorgehen bedingt stets eine<br />

aufwendige Laboranalytik, eine Neuverpackung der<br />

Abfälle und verursacht insbesondere zusätzliche<br />

Strahlenexpositionen des Betriebspersonals sowie<br />

Sekundärabfälle. Diese aufwendigen Prozesse<br />

sowie die Strahlungsexpositionen des Betriebspersonals<br />

werden mit dem Einsatz von QUANTOM®<br />

erheblich reduziert.<br />

Es ist aber möglich eine Elementsignatur eines Abfallkontingents<br />

aus der vorgenommenen stofflichen<br />

Beschreibung mittels Stofflisteneinträgen herzuleiten.<br />

Die Messung mit QUANTOM® ermöglicht einen<br />

Vergleich und somit die Plausibilitätsprüfung der aus<br />

der stofflichen Beschreibung, basierend auf Stofflisteneinträgen,<br />

hergeleiteten Elementsignatur mit<br />

den Messergebnissen. Per Ausschlussprinzip besteht<br />

zusätzlich die Möglichkeit das nicht Vorhandensein<br />

von Elementen bzw. Stoffvektoren sowie vereinzelten<br />

wassergefährdenden Stoffen herzuleiten. Das<br />

Verfahren wird in Abbildung 9 veranschaulicht.<br />

Durch QUANTOM® entsteht erstmalig die<br />

Möglichkeit stoffliche Beschreibungen von Abfallprodukten<br />

(200-l-Fässer) zerstörungsfrei zu<br />

verifizieren und eine stoffliche Beschreibung anhand<br />

messtechnischer Erkenntnisse anzupassen<br />

(Plausibilitätsnachweis). Durch die stichprobenartige<br />

oder vollumfängliche Messung von Fässern eines<br />

Prüfloses kann die Plausibilität eines angewendeten<br />

Stoffvektors für das jeweilige Prüflos belegt werden.<br />

Für den Fall einer Nachqualifizierungskampagne,<br />

für die noch kein freigegebener Stofflisteneintrag<br />

existiert, werden die Abfallprodukte innerhalb<br />

der Konditionierungskampagne stichprobenartig<br />

mit QUANTOM® gemessen und die Messdaten verwendet,<br />

um retrospektiv, nach der Freigabe des<br />

Stofflisteneintrags, die Plausibilität der stofflichen<br />

Beschreibung zu belegen.<br />

Stoffliche Beschreibung<br />

mittels des zerstörungsfreien<br />

Verfahrens QUANTOM®<br />

Die Auswertung der Messergebnisse ermöglicht eine<br />

vollständige Rekonstruktion der Elementzusammensetzung<br />

der einzelnen Partitionen im Inneren<br />

des Fasses. Diese Elementzusammensetzung kann<br />

nicht eindeutig zu einer stofflichen Beschreibung<br />

mittels Stofflisteneinträgen zurückgeführt werden.<br />

Es besteht zudem die Möglichkeit mit QUANTOM®<br />

den eindeutigen messtechnischen Nachweis zu erbringen,<br />

dass bestimmte Stoffvektoren oder wassergefährdende<br />

Stoffe nicht in den Abfällen enthalten<br />

sind (Ausschlussprinzip). Sind weitere In<strong>for</strong>mationen<br />

über die Abfälle vorhanden, kann das Messverfahren<br />

auch genutzt werden, um Abfallprodukte<br />

einem Stofflisteneintrag mit einer berechneten<br />

Wahrscheinlichkeit zuzuordnen (Klassifikation).<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Die Zerstörungsfreie Strategie des Plausibilitätsprüfung schwedischen Rückbauprogramms der stofflichen von Beschreibung Uniper ı Michael radioaktiver Bächler, Abfälle Mikael mittels Gustafsson QUANTOM® ı Laurent Coquard , Andreas Havenith


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ZUSAMMENFASSUNG<br />

Die qualitative sowie quantitative Bestimmung<br />

(und per Ausschlussprinzip das Nichtvorhandensein)<br />

von Elementanteilen in Abfallfässern zur<br />

stofflichen Charakterisierung konditionierter<br />

Abfälle ist mit der P & DGNAA möglich. Durch die<br />

automatisierte Fassmessanlage QUANTOM® wird<br />

es erstmals ermöglicht, die stoffliche Beschreibung<br />

mit bestehenden Stoffvektoren zerstörungsfrei zu<br />

verifizieren, oder eine neue stoffliche Beschreibung<br />

basierend auf der Anpassung der Massenanteile<br />

von Stoffvektoren herzuleiten. Die Messanlage<br />

wurde vollständig aufgebaut, erfolgreich in Betrieb<br />

genommen und sowohl mit nichtradioaktiven als<br />

auch mit radioaktiven Referenzfässern validiert.<br />

QUANTOM® kann mobil und direkt dort, wo die<br />

Altabfälle gelagert oder konditioniert werden, eingesetzt<br />

werden. Die wesentlichen Vorteile dieses<br />

Messverfahrens sind hier zusammengefasst:<br />

p Zerstörungsfreie Multi-Elementanalyse mit<br />

hoher Sensitivität (ppm-Bereich) ohne<br />

Vorbehandlung und Vorbereitung der Abfälle<br />

p Schnelles Messverfahren (2–4 h je Abfallfass)<br />

p Repräsentative und vollständige Analyse der<br />

gesamten Abfallmatrix<br />

p Keine Umverpackung oder Erhöhung des<br />

Abfallvolumens<br />

p Minimierung der Radioaktivtransporte sowie<br />

der Strahlungsexposition des Betriebspersonals<br />

p Synergetische Verbesserung der radiologischen<br />

Charakterisierung der Abfallfässer möglich.<br />

Dieser einmalige Service der zerstörungsfreien<br />

stofflichen Charakterisierung radioaktiver Abfälle<br />

mittels QUANTOM® erweitert das bereits umfangreiche<br />

Portfolio der Framatome GmbH im Bereich<br />

Abfallmanagement und Abfallbehandlung, welches<br />

bereits Leistungen wie z. B. den Transport,<br />

die radiochemische Analyse und die radiologische<br />

Charakterisierung und Dokumentation von Abfallprodukten<br />

beinhaltet.<br />

DANKSAGUNG<br />

Das Verbundprojekt QUANTOM wird vom Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung unter den<br />

Förderkennzeichen 15S9406 A / B / C gefördert.<br />

Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation<br />

liegt bei den Projektpartnern.<br />

REFERENZEN<br />

[1] Peter Brennecke: „An<strong>for</strong>derungen an endzulagernde radioaktive Abfälle (Endlagerungsbedingungen<br />

Stand: Dezember 2014) – Endlager Konrad –“, 18. Dezember 2014.<br />

[2] Dr. A. Havenith: Stoffliche Charakterisierung radioaktiver Abfällle durch ein Multi-Element-<br />

Analyseverfahren basierend auf der instrumentellen Neutronen-Aktivierungs-Analyse<br />

(MEDINA), Dissertation der RWTH Aachen 2014, Herausgeber Forschungszentrum Jülich GmbH<br />

2015, ISBN 978-3-95806-033-3.<br />

[3] Bertrand Pérot et al.: „The characterization of radioactive waste: a critical review of techniques<br />

implemented or under development at CEA, France“, EPJ <strong>Nuclear</strong> Sci. Technol. 4, 3 (2018),<br />

23.11.2017.<br />

[4] Database of prompt gamma rays from slow neutron capture <strong>for</strong> elemental analysis, <strong>International</strong><br />

Atomic Energy Agency, Vienna, ISBN 92-0-101306-X (2007).<br />

[5] O. Schumann, T. Köble et al. “QUANTOM® - Optimization of the online neutron flux measurement<br />

system”, ANIMMA 2019 – Advancements in <strong>Nuclear</strong> Instrumentation Measurement<br />

Methods and their Applications, EPJ Web of Conferences 225, 06014 (2020).<br />

[6] MCNP C.J. Werner (editor), „MCNP User’s Manual - Code Version 6.2“, Los Alamos National<br />

Laboratory, report LA-UR-17-29981, (2017).<br />

[7] Niedersächsisches Umweltministerium, „Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den<br />

Betrieb des Bergwerkes Konrad in Salzgitter”, 18.06.2002.<br />

[8] G. Philipps, K. Marlowe, “Automatic analysis of gamma-ray spectra from germanium detectors,<br />

<strong>Nuclear</strong> Instruments and Methods”, <strong>Nuclear</strong> Instruments and Methods, Vol. 137 (3), p.<br />

525-536, (1976).<br />

[9] P. Brantley, E. Larsen, “The Simplified P3 Approximation“, <strong>Nuclear</strong> Science and Engineering,<br />

134, pp. 1-21, (2000).<br />

[10] A. Jesser, K. Krycki, M. Frank, “Partial Cross-Section Calculations <strong>for</strong> PGNAA Based on a Deterministic<br />

Neutron Transport Solver”, <strong>Nuclear</strong> Technology, Vol. 208 (7), pp. 1114-1123 (2022).<br />

DOI: 10.1080/00295450.2021.2016018<br />

[11] Europäische Patentschrift EP 3 410 104 B1, Anmeldenummer 17401060.3, „Verfahren und<br />

Vorrichtung zur Multielementanalyse basierend auf Neutronenaktivierung sowie Verwendung“,<br />

05.12.2018.<br />

AUTOREN<br />

Dr. Laurent Coquard<br />

Project Manager QUANTOM®<br />

Framatome GmbH, Erlangen<br />

laurent.coquard@framatome.com<br />

Dr. Laurent Coquard erwarb sein Ingenieur-Diplom an der „Institut National Polytechnique“<br />

(Grenoble, Frankreich) mit dem Schwerpunkt Nukleartechnik. Parallel<br />

zu seinem französischen Hochschulabschluss, verbrachte Herr Coquard zwei Jahre<br />

am KIT (Karlsruhe Institute of Technology), wo er sein Physiker-Diplom erwarb.<br />

In den Jahren 2007–2010 promovierte er an der Technischen Universität<br />

Darmstadt im Bereich experimenteller Kernphysik. Im Jahr 2011 begann Herr<br />

Coquard bei der Areva NP GmbH in Erlangen als Berechnungsingenieur für<br />

neutronenphysikalische Brennelement- und Kern-Auslegung zu arbeiten.<br />

Seit 2018 leitet und koordiniert er das Forschungs- und Entwicklungsprojekt<br />

„QUANTOM“ im Bereich Waste Management bei der Framatome GmbH.<br />

Dr. Andreas Havenith<br />

Aachen Institute <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> Training GmbH (AiNT),<br />

Geschäftsführer<br />

havenith@nuclear-training.de<br />

Dr. Andreas Havenith hat sein Maschinenbaustudium mit der Vertiefungsrichtung<br />

„Kerntechnik und Strahlenphysik“ im Jahr 2007 abgeschlossen. Nachfolgend hat<br />

er bis 2010 als Sachverständiger im Auftrag des BfS (heute BGE) bei der Produktkontrollstelle<br />

für radioaktive Abfälle (PKS) gearbeitet. Im Anschluss war Herr<br />

Havenith bis 2016 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Nukleare<br />

Entsorgung und Techniktransfer der RWTH Aachen tätig. Hier hat er im Jahr 2014<br />

seine Promotion im Bereich der Kernstrahlungsmesstechnik abgeschlossen, wofür<br />

er mit dem Karl-Wirtz-Preis ausgezeichnet wurde. Es ist Mitglied des Gutachtergremiums<br />

„GK FORKA“, welches das BMBF bzgl. rückbauorientierender Forschung<br />

berät. Weiterhin ist er Gründer und Gesellschafter-Geschäftsführer der im Jahr<br />

2011 gegründeten AiNT GmbH und leitet die drei Geschäftsbereiche F&E, <strong>Nuclear</strong><br />

Services und <strong>Nuclear</strong> Training.<br />

CO-AUTOREN<br />

Julian Hummel, Max Georgi (Framatome GmbH)<br />

Dr. Kai Krycki, Dr. Bo Fu, Dr. Christopher Helmes (AiNT GmbH)<br />

Dr. Theo Köble, Dr. Olaf Schumann<br />

(Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT)<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 37<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Zerstörungsfreie Plausibilitätsprüfung der stofflichen Die Strategie Beschreibung des schwedischen radioaktiver Rückbauprogramms Abfälle mittels QUANTOM® von Uniper ı ı Laurent Michael Coquard Bächler, , Mikael Andreas Gustafsson Havenith


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38<br />

AT A GLANCE<br />

Profile<br />

Rückbau konventioneller und<br />

kerntechnischer Bauwerke am<br />

Institut für Technologie und<br />

Management im Baubetrieb<br />

Am Institut für Technologie und Management im Baubetrieb (TMB) des Karlsruher Instituts für Technologie<br />

(KIT) wird in der Abteilung „Rückbau konventioneller und kerntechnischer Bauwerke“ unter Leitung<br />

von Prof. Dr.-Ing. Sascha Gentes zu Themenfeldern im konventionellen Bereich wie dem recyclinggerechten<br />

Rückbau, den maschinellen Abbruchverfahren und der automatisierten Trennung von gefährlichen<br />

und nicht gefährlichen Abfällen ge<strong>for</strong>scht. Ergänzt wird dieses Forschungsfeld durch den Rückbau<br />

kerntechnischer Anlagen. Der Fokus liegt hier auf Pilotprojekten, die den Rückbau von Kernkraftanlagen<br />

sicherer, effizienter und wirtschaftlicher für alle am Rückbau beteiligten Personen gestalten sollen.<br />

Rückbau konventioneller Bauwerke<br />

Der Rückbau konventioneller Bauwerke ist mittlerweile<br />

eine Aufgabe, die genauso detailliert geplant<br />

und ausgeführt werden muss wie eine Neubaumaßnahme.<br />

Die Gesetze, Verordnungen und Richtlinien<br />

sind extrem umfangreich, teilweise länderspezifisch<br />

und unterliegen ständigen Neuerungen und<br />

Änderungen. Welche Bedeutung dem Rückbau<br />

konventioneller Bauwerke zukommt, kann dem<br />

nachfolgenden Diagramm in Abbildung 1 1<br />

entnommen<br />

werden. Im Jahr 2020 entfielen mit 55,4 %<br />

des Brutto-Abfallaufkommens in Deutschland ca.<br />

229,4 Mio. Tonnen auf die Abfallgruppe „Bau- und<br />

Abbruchabfälle“ (inkl. Straßenaufbruch). Diese<br />

Stoffströme gilt es zu nutzen und beispielsweise<br />

mineralische Ersatzbaustoffe daraus zu gewinnen.<br />

Verbunden mit der im Jahr 2023 in Kraft tretenden<br />

Ersatzbaustoffverordnung und den Vorgaben zu<br />

den Recyclingquoten zeigen diese Tatsachen deutlich<br />

das große Forschungspotential in diesem Gebiet<br />

auf. Themen sind hierbei die maschinelle Trennung<br />

der Abfallarten, Optimierungen im Bereich der Umwelteinträge<br />

und Belastungen beim Abbruch oder<br />

auch die Automatisierung und Fernhantierung. Dies<br />

gilt insbesondere beim Umgang mit „gefährlichen<br />

| Abb. 1:<br />

Abfallaufkommen (einschließlich gefährlicher Abfälle) in Deutschland. 1<br />

1 Statistisches Bundesamt, Abfallbilanz, Wiesbaden, verschiedene Jahrgänge; Online unter: Umwelt Bundesamt (13.10.2022):<br />

https://www.umweltbundesamt.de/daten/ressourcen-abfall/abfallaufkommen#deutschlands-abfall, abgerufen am 13.12.2022. .<br />

At a Glance<br />

Karlsruher Institut für Technologie


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Abfällen“. Es gilt dieses Potential zu erkennen, Optimierungsansätze<br />

zu erarbeiten und Pilotprojekte<br />

gezielt umzusetzen.<br />

Ziel ist es, den Abbruch von Bauwerken zu standardisieren.<br />

Dazu gehört u. a. die Schadstoffsanierung<br />

durch automatisierte Verfahren inkl. der Möglichkeit<br />

zur Fernhantierung und Weiterentwicklung der<br />

aktuellen Maschinentechnik. So können die Risiken<br />

für das ausführende Personal beim Umgang mit<br />

Schadstoffen minimiert werden.<br />

Da Themen wie Bauen im Bestand und auch Bauen<br />

auf den „Brown Fields“ zukünftig ein immer größeres<br />

Feld einnehmen werden, wurde am Institut für<br />

Technologie und Management im Baubetrieb im<br />

Jahr 2014 diese Professur eingerichtet, die sich diesem<br />

zukunftsweisenden Themenfeld in Forschung,<br />

Wissenschaft und Lehre widmet.<br />

Die Absolventen und Absolventinnen von heute<br />

müssen mehr denn je Generalisten sein, die sowohl<br />

in den Feldern Bauen und Betreiben wie auch Rückbau<br />

fundierte Kenntnisse aufweisen. An Universitäten<br />

und Hochschulen werden die Themengebiete<br />

„Abbruch“ und „Rückbau“ sowie abbruchaffine<br />

Themenbereiche nur teilweise behandelt.<br />

Am TMB existiert die einzige Professur im Bauingenieurwesen<br />

in Deutschland, die sich nur um die<br />

Themenfelder Rückbau, Recycling und Stoffstrommanagement<br />

kümmert. Für die Themenfelder Bauausführung<br />

und Facility Management existieren<br />

zwei zusätzliche Professuren, sodass jeder Abschnitt<br />

des Lebenszyklus von Bauwerken am TMB mit einer<br />

eigenen Professur bedacht ist, was eine einmalige<br />

Kombination darstellt.<br />

Das TMB bildet die Studierenden in diesen wichtigen<br />

und nachhaltigen Themengebieten durch<br />

Vorlesungen aus. Um den Studierenden die Grundlagen<br />

dieser Thematik zu vermitteln, wird u. a. das<br />

Modul „Umwelt- und recyclinggerechte Demontage<br />

von Bauwerken“, mit den Vorlesungen Projektstudien<br />

und Verfahrenstechniken der Demontage<br />

angeboten. Hierbei halten die Studierenden u. a.<br />

Einblicke in den aktuellen Stand der Wissenschaft<br />

und Technik, den Arbeits- und Immissionsschutz<br />

sowie den Umgang mit Schadstoffen einschließlich<br />

der rechtlichen Grundlagen wie beispielsweise der<br />

Ersatzbaustoffverordnung.<br />

Rückbau kerntechnischer Bauwerke<br />

Bedingt durch die aktuelle Situation rückt das Thema<br />

Atomausstieg und damit der Rückbau in den Fokus<br />

und das öffentliche Interesse. Der Rückbauprozess<br />

stellt für die beteiligten Ingenieure ein überaus komplexes<br />

Problem mit unzähligen Randbedingungen<br />

und Variablen dar. Standardbaumaschinen dienen<br />

oft als Grundlage für Rückbauarbeiten, müssen aber<br />

bei jeder Anwendung bzw. für jedes Bauteil neu angepasst,<br />

weiterentwickelt und mit Zusatzsensoren<br />

ausgestattet werden. Die Rückbaukosten liegen je<br />

nach Bauart der Kraftwerke bei mehreren hundert<br />

Millionen Euro.<br />

Laut Little 2 werden weltweit 297 Kernkraftwerke<br />

bis 2030 in den Rückbau gehen. Die Kosten für den<br />

Rückbau der weltweit laufenden Anlagen werden<br />

auf mehr als 121 Milliarden Euro geschätzt. 3 Anhand<br />

dieser Fakten wird das Potential und Forschungsvolumen,<br />

das diese Thematik in sich birgt, verdeutlicht.<br />

Im Forschungs- und Lehrbereich des Rückbaus kerntechnischer<br />

Bauwerke werden daher drei parallele<br />

Zielsetzungen verfolgt:<br />

1 Aufbau eines national und international wissenschaftlichen<br />

und technischen Kompetenzteams<br />

„Rückbau kerntechnischer Anlagen“<br />

2 Entwicklung praxisbezogener neuer Rückbautechnologien<br />

(Pilotprojekte) am KIT zur Nachwuchsgewinnung<br />

3 Einrichtung eines Studienschwerpunktes zur<br />

Thematik und Verbesserung bestehender Verfahren..<br />

Im Mittelpunkt steht hierbei die Entwicklung praxisbezogener<br />

neuer Rückbautechnologien (Pilotprojekte)<br />

für offene Problemstellungen samt einer<br />

großmaßstäblichen Erprobung. Die Nutzung des<br />

Frei- und Versuchsgeländes des TMB in Kooperation<br />

mit verschiedenen Praxispartnern, mit angeschlossener<br />

mechanischer Werkstatt unterstützt die Versuchsprogramme<br />

hierbei sehr gut.<br />

Mit dem Modul „Rückbau kerntechnischer Anlagen“,<br />

mit den Vorlesungen „Demontage und Dekontamination<br />

von kerntechnischen Anlagen“ und<br />

„Neuentwicklungen und Optimierungen in der Maschinentechnik<br />

der Demontage und des Rückbaus<br />

werden den Studierenden die Grundlagen der Thematik<br />

vermittelt.“ Hierzu zählen u. a. der Aufbau und<br />

39<br />

AT A GLANCE<br />

2 Arthur D. Little, veröffentlicht durch: Handelsblatt, Nr. 188, 28.09.2011, S. 20 f, Online unter : https://de.statista.com/statistik/daten/studie/201684/umfrage/<br />

rueckbau-von-kernkraftwerken-weltweit/, abgerufen am 14.11.2022.<br />

3 Arthur D. Little, veröffentlicht durch: Handelsblatt, Nr. 188, 28.09.2011, S. 20 f, Online unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/201678/umfrage/<br />

kosten-fuer-den-atomausstieg-weltweit/, abgerufen am 14.11.2022.<br />

At a Glance<br />

Karlsruher Institut für Technologie


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

40<br />

AT A GLANCE<br />

Autonome Umweltexploration und<br />

Strahlenmessung.<br />

Digitalisierung und Modellierung mit BIM.<br />

| Abb. 2:<br />

Kette zur Automatisierung und Digitalisierung des Rückbauprozesses. © KIT-TMB<br />

Automatisierte<br />

Dekomtamination.<br />

Automatisierte<br />

Freimessung.<br />

Betrieb eines Kernkraftwerkes, Strahlenschutz und<br />

Messtechnik wie auch die Genehmigungsplanung.<br />

Weitere Lerninhalte sind beispielsweise die Oberflächenbehandlung,<br />

Fernhantierungstechniken wie<br />

auch die Konditionierung und Endlagerung. Vertieft<br />

werden die Vorlesungen durch Exkursionen zu aktuellen<br />

Rückbaustand orten. Nachfolgend werden vier<br />

aktuelle kerntechnische Pilotprojekte der Professur<br />

Rückbau am KIT-TMB vorgestellt:<br />

Projekt „ROBDEKON“<br />

Ziel des Verbundprojektes „Robotersysteme für<br />

die Dekontamination in menschenfeindlichen Umgebungen“<br />

(ROBDEKON – BMBF-FKZ: 13N14678)<br />

ist der Aufbau eines Kompetenzzentrums, indem<br />

autonome oder teilautonome Robotersysteme für<br />

die Sanierung von Deponien und Altlasten, den<br />

Rückbau kerntechnischer Anlagen sowie die Dekontamination<br />

von Anlagenteilen entwickelt werden.<br />

Die Arbeitspakete am KIT-TMB umfassen die<br />

Entwicklung einer roboterbasierten, geschlossenen<br />

Kette, die als wichtiger Bestandteil für die Automatisierung<br />

und Digitalisierung des Rückbauprozesses<br />

von Kernkraftwerken gilt. Der Schwerpunkt der<br />

Kette, zu sehen in Abbildung 2, liegt auf der Untersuchung<br />

und Dekontamination von ebenen Wandbereichen<br />

in kerntechnischen Anlagen.<br />

Projekt „EMOS“<br />

Im Forschungsprojekt EMOS (BMBF-FKZ: 15S9420)<br />

wird die Entwicklung eines automatisierten Fassinspektionssystems,<br />

das die Ermittlung des aktuellen<br />

Zustandes einzelner Fassgebinde, auf exakt<br />

gleiche Art und Weise reproduzierbar ermöglicht<br />

und dokumentiert, verfolgt. EMOS ist eine mobile<br />

Inspektionseinheit, die fernhantiert und automatisiert<br />

die gesamte Fassoberfläche, einschließlich<br />

Deckel und Boden eines Fasses, optisch aufnimmt,<br />

analytisch auswertet und sowohl elektronisch speichert,<br />

als auch die Ergebnisse in Form eines Inspektionsberichts<br />

ausgibt. Auf diese Weise können<br />

wiederkehrende Überprüfungen des Fassbestands<br />

eines Zwischenlagers unter immer gleichen Prüfbedingungen<br />

absolviert werden. Ein entscheidender<br />

Vorteil ist die Möglichkeit einer fernhantierten<br />

Durchführung der Inspektion, um die Strahlendosis<br />

der Mitarbeiter vor Ort zu reduzieren.<br />

Das Forschungsprojekt hat eine Kooperation innerhalb<br />

des KITs mit dem Institut für Photogrammetrie<br />

und Fernerkundung (IPF).<br />

Die Inspektionseinheit, zu vergleichen in Abbildung<br />

3, ist in einem 20ft High Cube Container mit<br />

einem seitlichen Rollentor untergebracht.<br />

| Abb. 3:<br />

Fassinspektionssystem EMOS. © KIT-TMB<br />

At a Glance<br />

Karlsruher Institut für Technologie


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Projekt „EKont“<br />

Ziel des vom BMBF geförderten Forschungsvorhabens<br />

„Entwicklung eines innovativen, teilautomatisierten<br />

Gerätes für eine trocken-mechanische<br />

Ecken-, Kanten- und Störstellendekontamination<br />

in kerntechnischen Anlagen EKont (BMBF-FKZ:<br />

15S9416A)“ ist der Vergleich der Leistungsparameter<br />

und die Untersuchung der Bruchmechanismen<br />

der aktuell standardmäßig eingesetzten Geräte zur<br />

Dekontamination von Störstellen, Ecken und Kanten.<br />

Aufbauend auf diesen Ergebnissen soll ein innovativer,<br />

teilautomatisierter Demonstrator für eine<br />

trocken-mechanische Ecken-, Kanten- und Störstellendekontamination<br />

in kerntechnischen Anlagen<br />

entwickelt werden. In Abbildung 4 ist der Versuchstand<br />

zur Ecken- und Kantendekontamination<br />

am KIT zu sehen.<br />

41<br />

AT A GLANCE<br />

Die Entwicklungen des Demonstrators umfassen<br />

u. a. die Verbesserung der Arbeitssicherheit und<br />

die Verringerung der Staubbelastung durch eine<br />

Werkzeugeinhausung mit integrierter Absaugung.<br />

Zudem soll der Sekundärabfall durch millimetergenauen<br />

Abtrag kontaminierter Störstellen verringert<br />

und eine zur Freimessung geeignete Oberflächenrauigkeit<br />

erzeugt werden.<br />

| Abb. 4:<br />

Versuchstand „EKont“ am KIT-TMB. © KIT-TMB.<br />

Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Hochschule<br />

Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung<br />

(HTWG), der CONTEC Maschinenbau & Entwicklungstechnik<br />

GmbH und der sat. Kerntechnik GmbH<br />

bearbeitet.<br />

Projekt „RoTre“<br />

| Abb. 5:<br />

Oben: Versuchsstand zur Rohrinnentrennung KIT-TMB;<br />

Unten: Prototyp Rohrinnentrennung Siempelkamp.© KIT-TMB, Siempelkamp<br />

Anfallende Späne oder andere Reststoffe sollen<br />

dabei kontinuierlich abgesaugt werden. Zum flexiblen<br />

Einsatz soll die Bedienung manuell oder<br />

fernhantiert durchführbar sein. Durch die hohe<br />

Flexibilität und die universelle Einsetzbarkeit können<br />

viele Arbeitsstunden für die Entwicklung und<br />

Konstruktion spezieller Einzellösungen für den<br />

Rückbau kerntechnischer Anlagen eingespart werden.<br />

Der am KIT-TMB entwickelte Versuchstand<br />

zur Rohrinnentrennung, an dem experimentelle<br />

Versuchsreihen mit Scheibenfräsern, Sägeblättern<br />

und Trennscheiben durchgeführt werden, ist in Abbildung<br />

5 zu sehen. Ausgehend auf den Versuchsreihen<br />

und der Datenauswertung wurde der von<br />

Siempelkamp entwickelte Prototyp zur Rohrinnentrennung<br />

entwickelt.<br />

Das Vorhaben RoTre wird von der Siempelkamp NIS<br />

Ingenieurgesellschaft mbH im Verbund mit dem KIT-<br />

TMB durchgeführt, wobei die RWE <strong>Nuclear</strong> GmbH<br />

beratend tätig ist.<br />

Autoren:<br />

Prof. Dr.-Ing. Sascha Gentes, Dr.-Ing. Nadine Gabor,<br />

M.Eng. Eric Rentschler, M.Sc. Madeleine Bachmann<br />

Ziel des Verbundvorhabens RoTre (BMBF-FKZ:<br />

15S9415A) zwischen Wissenschaft und Industrie<br />

ist die Entwicklung einer innovativen und wettbewerbsfähigeren<br />

Rohrinnentrennvorrichtung für<br />

den Einsatz im kerntechnischen Rückbaubereich<br />

mit großem Anwendungsspektrum im Hinblick<br />

auf Rohrdurchmesser, Wandstärke und Material.<br />

At a Glance<br />

Karlsruher Institut für Technologie


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Kernenergie und Grundrechte – Zur 19. AtG-Novelle<br />

SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW 42<br />

Christian Raetzke<br />

Der Bundestag hat mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen am 11. November 2022 die 19. Novelle zum AtG<br />

verabschiedet. Die Novelle ermöglicht eine Verlängerung der Laufzeit der letzten drei Kernkraftwerke um dreieinhalb<br />

Monate bis zum 15. April 2023; das entspricht dem Zeitraum, in dem die Anlagen noch im sog. Streckbetrieb ohne<br />

neue Brennelemente laufen können. Der Einsatz neuer Brennelemente wird im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen,<br />

er wäre aber aufgrund der Fertigungs- und Lieferzeiten in diesem Rahmen ohnehin nicht möglich gewesen.<br />

Der konkurrierende Entwurf der CDU/CSU-Fraktion<br />

hatte eine Verlängerung um zunächst zwei Jahre bis Ende<br />

2024 vorgesehen, mit der Option einer rechtzeitigen weiteren<br />

Verlängerung durch den Bundestag auf der Grundlage<br />

eines Berichts der Bundesregierung, sofern die Energiekrise<br />

bis dahin <strong>for</strong>tbesteht.<br />

Der Verfasser hat als Sachverständiger bei einer Anhörung<br />

des Bundestags-Umweltausschusses seine juristische<br />

Ansicht zu beiden Gesetzentwürfen dargelegt<br />

(die schriftlichen Stellungnahmen aller Sachverständiger<br />

sind auf https://www.bundestag.de/dokumente/<br />

textarchiv/2022/kw45-pa-umwelt-atomgesetz-918164<br />

einsehbar). Dieser Beitrag konzentriert sich auf einen<br />

wesentlichen Aspekt der juristischen Bewertung: Erlaubt<br />

das Grundgesetz, insbesondere das in Art. 2 Abs. 2 Satz<br />

1 GG verankerte Grundrecht auf Leben und körperliche<br />

Unversehrtheit, eine Laufzeitverlängerung? Wenn ja, welche<br />

„Rechtfertigung“ setzt die Verschiebung des Ausstiegs<br />

voraus und wie lange darf sie sein?<br />

Die Bundesministerien für Umwelt und für Wirtschaft<br />

und Klimaschutz hatten im „Prüfvermerk“ vom 7. März<br />

2022 (siehe dazu den Beitrag des Verfassers im Heft 3<br />

der <strong>atw</strong>) zwar einen gewissen Gestaltungsspielraum des<br />

Gesetzgebers eingeräumt, im Ergebnis aber die Auffassung<br />

vertreten, Klagen gegen eine Laufzeitverlängerung<br />

hätten „durchaus aussichtsreiche Erfolgschancen“. In der<br />

Begründung der 19. AtG-Novelle heißt es jetzt – grob zusammengefasst<br />

–, die Verlängerung um den Streckbetrieb<br />

sei verfassungsrechtlich gerade noch zu rechtfertigen, da<br />

sie kurz sei, da keine zusätzlichen abgebrannten Brennelemente<br />

anfielen und da im Winter 2022/23 eine Notlage<br />

bestehe.<br />

Der darin erkennbare rechtliche Ansatz geht fehl.<br />

Zur Vereinbarkeit der Nutzung der Kernenergie mit dem<br />

Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit<br />

und zur Verfassungsmäßigkeit der Kernenergienutzung<br />

insgesamt gibt es eine klare Linie in der Rechtsprechung<br />

des BVerfG. Solange der Gesetzgeber für den Betrieb von<br />

Kernkraftwerken den in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG aufgerichteten,<br />

denkbar hoch angesiedelten Maßstab der „nach<br />

dem Stand von Wissenschaft und Technik er<strong>for</strong>derlichen<br />

Vorsorge gegen Schäden“ vorschreibt, ist das dann noch<br />

verbleibende Restrisiko – Schäden, die zwar unter Umständen<br />

theoretisch vorstellbar, aber nach dem Maßstab<br />

praktischer Vernunft ausgeschlossen sind – als sozialadäquat<br />

von der Gesellschaft zu tragen. Dies hat das<br />

BVerfG im grundlegenden Kalkar-Beschluss von 1978 1<br />

ausgeführt. Im Mülheim-Kärlich-Beschluss von 1979 2<br />

hat das BVerfG ergänzend aus der Kompetenzvorschrift<br />

des heutigen Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG, die dem Bund die<br />

ausschließliche Gesetz gebung über die Nutzung der Kernenergie<br />

zu friedlichen Zwecken zuweist, die grundsätzliche<br />

Anerkennung und Billigung der Kernenergie durch<br />

die Verfassung abgeleitet. Erst jüngst, im Beschluss zum<br />

Bremischen Hafengesetz vom 7. Dezember 2021 3 , hat das<br />

Gericht dies bestätigt.<br />

Von dieser Linie ist das BVerfG auch im Urteil von<br />

2016 zur Ausstiegsgesetzgebung von 2011 (der 13. AtG-<br />

Novelle) 4 nicht abgewichen. Das Gericht hat die Entscheidung<br />

des Gesetzgebers zur Begrenzung der Laufzeiten im<br />

Wesentlichen gebilligt, nachdem es diese Entscheidung<br />

am Maßstab der Grundrechte der Betreiber geprüft hatte.<br />

Es hat den Gesetzgeber aber umgekehrt an keiner Stelle<br />

verpflichtet gesehen, die Nutzung der Kernenergie zu beenden.<br />

Auch der vom BVerfG im Urteil verwendete Begriff<br />

der „Hochrisikotechnologie“, der in der Begründung<br />

des Regierungsentwurfs mehrfach aufgegriffen wird und<br />

dem dort offenbar eine tragende Funktion zugedacht ist,<br />

ändert daran nichts; letztlich ist es ein bloßes Schlagwort,<br />

mit dem das Gericht die Befugnis des Gesetzgebers unterstrichen<br />

hat, aus der Kernenergie auszusteigen, wenn er<br />

denn will.<br />

Das bedeutet: der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen<br />

frei, sich für die Nutzung der Kernenergie zu entscheiden,<br />

solange der Schadensvorsorgemaßstab gewährleistet<br />

wird. Die Entscheidung für oder gegen die Kernenergie<br />

und damit auch für oder gegen eine Laufzeitverlängerung<br />

oder für oder gegen eine bestimmte Dauer der Laufzeitverlängerung<br />

ist politisch, nicht juristisch determiniert. Eine<br />

Entscheidung zugunsten der Kernenergie und zugunsten<br />

einer Laufzeitverlängerung bedarf verfassungsrechtlich<br />

noch nicht einmal einer besonderen Rechtfertigung, wie<br />

1 BVerfG, Beschl. v. 08.08.1978 – 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 (143).<br />

2 BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 – 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 (56 f.).<br />

3 BVerfG, Beschl. v. 07.12.2021 – 2 BvL 2/15, NVwZ 2022, 704.<br />

4 BVerfG, Urt. v. 06.12.2016 – 1 BvR 2821/11 u.a., BVerfGE 143, 246.<br />

Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

Kernenergie und Grundrechte – Zur 19. AtG-Novelle ı Christian Raetzke


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

sie in der Begründung der AtG-Novelle mit Blick auf die<br />

Energienotlage im Winter 2022/23 gegeben wird (mit<br />

der Zielrichtung, dass eine solche Rechtfertigung danach<br />

eben nicht mehr bestehe). Eine Laufzeitverlängerung ist<br />

von Verfassungs wegen nicht lediglich als ultima ratio in<br />

einer Energienotlage zulässig, sondern darf Bestandteil<br />

einer allgemeinen Entscheidung des Gesetzgebers über<br />

den besten Energiemix für Deutschland sein.<br />

Auch ein Anfallen weiterer abgebrannter Brennelemente<br />

begegnet – anders als in der Begründung des Regierungsentwurfs<br />

suggeriert – keinen verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken. Wenn die Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung<br />

nach der Kalkar-Rechtsprechung des BVerfG<br />

verfassungskon<strong>for</strong>m ist, dann schließt dies naturgemäß<br />

das zur Stromerzeugung proportionale Anfallen abgebrannter<br />

Brennelemente mit ein. Das hat das BVerwG in<br />

einer Entscheidung von 1993 5 ausdrücklich festgestellt<br />

und weiter ausgeführt, der Gesetzgeber des Atomgesetzes<br />

durfte davon ausgehen, dass die Frage der Entsorgung lösbar<br />

ist. Das BVerfG seinerseits hat zum Endlager Schacht<br />

Konrad ausgeführt, die Er<strong>for</strong>derlichkeit der Beseitigung<br />

radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung<br />

im Wege der Endlagerung ergebe sich notwendig<br />

aus dem Umgang mit radioaktiven Stoffen in Kernkraftwerken,<br />

Forschung, Industrie und Medizin, den das<br />

Grundgesetz im Grundsatz als zulässig gebilligt habe; 6<br />

diese Logik gilt notwendig ebenso für abgebrannte Brennelemente,<br />

die infolge der verfassungsrechtlich zulässigen<br />

Kernenergienutzung anfallen. Der Bund hat das Endlager<br />

für hochradioaktive Abfälle so zu dimensionieren, dass alle<br />

in Deutschland anfallenden Brennelemente dort sicher<br />

eingelagert werden können; eine verfassungsrechtliche<br />

Mengengrenze gibt es nicht.<br />

Insgesamt kann man feststellen: Die der Begründung<br />

des Regierungsentwurfs zugrundeliegende Auffassung,<br />

nur die dort vorgesehene sehr restriktive Laufzeitverlängerung<br />

sei – vereinfacht <strong>for</strong>muliert – „gerade noch verfassungsgemäß“,<br />

trifft nicht zu. Dieser Umstand alleine<br />

macht allerdings das Gesetz nicht verfassungswidrig – der<br />

Gesetzgeber hat hier eben die von Verfassungs wegen bestehende<br />

Möglichkeit, die Laufzeiten um eine längere Frist<br />

oder sogar unbegrenzt zu verlängern, aus politischen Erwägungen<br />

heraus nicht wahrgenommen.<br />

Gewisse rechtliche Bedenken kommen allerdings<br />

dennoch auf, wenn man sich überlegt, welche Gemeinwohlaspekte<br />

der Gesetzgeber in seine Abwägung und<br />

Entscheidung – jedenfalls soweit diese aus der Gesetzesbegründung<br />

ersichtlich sind – nicht mit einbezogen hat.<br />

Wie das BVerfG in anderem Zusammenhang grundlegend<br />

ausgeführt hat, ist die Stromversorgung von Wirtschaft<br />

und Bevölkerung eine Gemeinwohlaufgabe. 7<br />

Der<br />

Staat hat für die Versorgung mit Strom in verlässlicher,<br />

bezahlbarer und umweltschonender Weise zu sorgen. Das<br />

BVerfG hat überdies in seinem Klimabeschluss von 2021 8<br />

die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des<br />

Staates in dezidierter Weise auch auf die Verpflichtung<br />

erstreckt, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels<br />

zu schützen, und dafür zusätzlich die Staatszielbestimmung<br />

des Art. 20a GG zum Schutz der natürlichen<br />

Lebensgrundlagen herangezogen. Die Beiträge der<br />

Kernenergie zur Versorgungssicherheit, zur Preisdämpfung<br />

und zum Klimaschutz sind im Umfang zwischen den<br />

Lagern umstritten, lassen sich aber kaum völlig wegdiskutieren,<br />

gerade im Vergleich mit der ersatzweise notwendigen<br />

Verstromung fossiler Brennstoffe. Der Gesetzgeber<br />

der 19. AtG-Novelle hat jedoch ausweislich der amtlichen<br />

Begründung hinsichtlich dieser Aspekte gar nicht über<br />

den Winter 2022/23 hinausgeblickt – basierend auf der<br />

politischen Festlegung auf einen bloßen Streckbetrieb und<br />

unterfüttert mit dem (unzutreffenden) rechtlichen Argument,<br />

eine Laufzeitverlängerung sei verfassungsrechtlich<br />

nur für einen Streckbetrieb überhaupt noch zulässig.<br />

Allerdings lässt sich aus dem mit Verfassungsrang<br />

ausgestatteten Klimaschutzgebot ebenso wie aus dem<br />

Gemeinwohlbelang der verlässlichen, bezahlbaren und<br />

umweltverträglichen Energieversorgung nach bisheriger<br />

Lesart keine konkrete Verpflichtung des Gesetzgebers ableiten,<br />

bestimmte Stromerzeugungsarten wie die Kernenergie<br />

(weiterhin) zu ermöglichen; der Gestaltungsspielraum<br />

des Gesetzgebers gilt auch hier. Vielleicht aber<br />

wird man für die Zukunft nicht ausschließen können, dass<br />

das Klimaschutzgebot durch die immer dringender zutage<br />

tretende Notwendigkeit, CO 2 -Kontingente des nationalen<br />

Restbudgets für die kommende Generation aufzusparen,<br />

sich letztlich zu einer Verpflichtung des Gesetzgebers<br />

verdichtet, konkrete Optionen für den Klimaschutz, die<br />

auf der Hand liegen, auch zu nutzen. Allerdings würde<br />

eine solche Entwicklung der Rechtsprechung für die bestehenden<br />

Anlagen wohl zu spät kommen. Eine weitere<br />

Laufzeitverlängerung erscheint letztlich nur als Ergebnis<br />

eines politischen Sinneswandels denkbar.<br />

Autor<br />

Dr. Christian Raetzke<br />

Rechtsanwalt<br />

Leipzig, Deutschland<br />

christian.raetzke@conlar.de<br />

Dr. Christian Raetzke ist Rechtsanwalt und seit über 20 Jahren im Atom- und<br />

Strahlenschutzrecht tätig. Von 1999 bis 2011 arbeitete er für die E.ON Kernkraft<br />

(heute PreussenElektra) in Hannover. 2011 ließ er sich als Rechtsanwalt mit<br />

eigener Kanzlei in Leipzig nieder. Er veröffentlicht regelmäßig rechtswissenschaftliche<br />

Beiträge und ist Dozent auf Seminaren und an internationalen<br />

Fortbildungseinrichtungen zum Atom- und Strahlenschutzrecht.<br />

SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW 43<br />

5 BVerwG, Beschl. v. 12.07.1993 – 7 B 177.92, UA, Ziff. 2. c)<br />

6 BVerfG, Beschl. v. 10.11.2009 – 1 BvR 1178/07, Rn. 34.<br />

7 BVerfG, Beschl. v. 11.10.1994 – 2 BvR 633/86, BVerfGE 91, 186 (206) – Kohlepfennig.<br />

8 BVerfG, Beschl. v. 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18 u.a., Rn. 148.<br />

Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

Kernenergie und Grundrechte – Zur 19. AtG-Novelle ı Christian Raetzke


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Application of Multiplier <strong>for</strong><br />

Per<strong>for</strong>mance Shaping Factors in <strong>Nuclear</strong><br />

<strong>Power</strong> Plant Decommissioning Activities<br />

Byung-Sik Lee, Chang-Su Nam<br />

1. Introduction<br />

Presently, nuclear energy is a highly efficient and<br />

reliable energy source; however, safety concerns<br />

regarding nuclear energy are still being debated as<br />

a major issue. Most people consider only the robustness<br />

and technical aspects of nuclear power plant<br />

(NPP) facilities with regard to safety. However, it<br />

is widely believed that many accidents in NPPs are<br />

caused by worker errors rather than a lack of technical<br />

level [1–3].<br />

Currently, Korea is preparing <strong>for</strong> the decommissioning<br />

of Kori Unit 1 and Wolsong Unit 1, which<br />

has been permanently shut down. The licensing<br />

documents of the decommissioning of Kori Unit 1<br />

at first, including the final decommissioning plan,<br />

were submitted to the national regulation body,<br />

NSSC (<strong>Nuclear</strong> Safety and Security Commission)<br />

on May 15, 2021. In an actual decommissioning<br />

process, human error management must be per<strong>for</strong>med<br />

efficiently. Otherwise, it would not only affect<br />

the safety of workers but also delay the schedule of<br />

the decommissioning work and affect the economic<br />

efficiency of the decommissioning of the NPP<br />

[4]. To mitigate these human errors, many studies<br />

have been conducted, and the results have been<br />

used not only in the operation of NPPs but in many<br />

other industries. However, research on the decommissioning<br />

of NPPs is not as extensive as that on<br />

other industries. There<strong>for</strong>e, it is necessary to develop<br />

human error reduction methods in advance to<br />

per<strong>for</strong>m safe and efficient decommissioning activities<br />

[5].<br />

In a previous study, the task analysis and per<strong>for</strong>mance<br />

shaping factors (PSFs) <strong>for</strong> the cutting work of<br />

reactor pressure vessel (RPV) internals were derived<br />

[2,4]. Additionally, a weighting factor <strong>for</strong> each<br />

PSF was derived using the fuzzy analytic hierarchy<br />

process (AHP), which is a quantitative evaluation<br />

methodology. It may be difficult to manage all the<br />

derived PSFs during the actual work. There<strong>for</strong>e,<br />

it is expected that the effectiveness of preventing<br />

human error can be increased if PSFs with higher<br />

weights are prioritized and managed appropriately<br />

based on the derived weighting factor. In the present<br />

study, a refinement process was per<strong>for</strong>med to<br />

integrate the PSFs having minor effects on the NPP<br />

decommissioning, considering the weighting factor<br />

<strong>for</strong> each PSF. Consequently, seven types of Level<br />

2 PSFs were finally selected from the existing 32<br />

types of Level 3 PSFs, as shown in Table 1.<br />

The influencing factors <strong>for</strong> each refined PSF were<br />

derived. Additionally, in the condensation of the<br />

refined PSFs and their influencing factors, the multiplier<br />

<strong>for</strong> each refined PSF was defined, which<br />

could be used to calculate the human error probability<br />

(HEP).<br />

2. Multiplier of Per<strong>for</strong>mance<br />

Shaping Factors<br />

In the early days, human reliability analysis (HRA)<br />

was per<strong>for</strong>med by calculating the HEP based on expert<br />

judgment. There<strong>for</strong>e, it was necessary <strong>for</strong> each<br />

expert to per<strong>for</strong>m a sufficient review of the overall<br />

task situation in the HEP calculation process. However,<br />

owing to the subjectivity of the experts involved,<br />

objectivity might have decreased, and the differences<br />

in the HEP were calculated by each expert.<br />

There<strong>for</strong>e, to reduce the variability of subjective judgment<br />

among experts, a more objective probability<br />

was derived using PSFs and their multipliers. PSFs<br />

affect human error in work per<strong>for</strong>mance and are selected<br />

through consultation with experts. Because<br />

the importance of PSFs varies according to the working<br />

conditions under which the task is per<strong>for</strong>med,<br />

the importance of the PSFs is increased or decreased<br />

using a factor called a multiplier. The multiplier is<br />

quantified through consultation with experts. That<br />

is, the multiplier <strong>for</strong> each PSF is selected by comprehensively<br />

considering the work characteristics,<br />

work environment, and PSF influencing factors. The<br />

multipliers of the PSFs can also be selected <strong>for</strong> each<br />

work situation, and when an error situation occurs, a<br />

multiplier <strong>for</strong> each PSF can be selected in consideration<br />

of the situation. There<strong>for</strong>e, the multiplier helps<br />

in estimating the HEP more objectively.<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 45<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Application of Multiplier <strong>for</strong> Per<strong>for</strong>mance Die Shaping Strategie Factors des in schwedischen <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Rückbauprogramms Plant Decommissioning von Uniper Activities ı Michael ı Byung-Sik Bächler, Lee, Mikael Chang-Su Gustafsson Nam


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 46<br />

| Tab. 1:<br />

Refined PSF Set in NPP Decommissioning Activities.<br />

2.1. Stress<br />

There are two types of stress experienced by workers.<br />

The first is “time stress,” which involves per<strong>for</strong>ming<br />

a set of tasks within a planned period. The second is<br />

“cognitive and workload stress,” which is caused by<br />

the amount of work, work intensity, and complexity<br />

of work. Such stress directly affects work satisfaction<br />

through factors such as pressure and tension on<br />

workers. Stress can occur frequently in emergencies<br />

that require immediate action within a given time.<br />

However, the amount of stress may vary according to<br />

the skill level or work knowledge of a worker.<br />

Considering the definition of stress and work characteristics,<br />

stress can be classified into three main<br />

influential factors. The first is work stress, which is<br />

a task-related factor; the second is team stress caused<br />

by per<strong>for</strong>ming work in teams; and the third is<br />

individual stress, experienced by individual workers.<br />

Based on these three main influential factors,<br />

more detailed sub-influential factors are specified,<br />

as listed in Table 2, with their definitions [6].<br />

In the case of dismantling tasks, the work is per<strong>for</strong>med<br />

by a team composed of workers with experience<br />

in accordance with the relevant procedures. In addition,<br />

prior education/training in a mock-up facility is<br />

conducted be<strong>for</strong>e per<strong>for</strong>ming the actual task. There<strong>for</strong>e,<br />

it is determined that there is no need to consider<br />

the skill and knowledge of work and the amount and<br />

intensity of work as multipliers. However, if an event<br />

or abnormal condition occurs while per<strong>for</strong>ming a<br />

task, the stress of completing the task within an<br />

originally assigned time increases. Alternatively,<br />

changes in the overall dismantling task schedule<br />

may inevitably cause changes in the actual working<br />

| Tab. 2:<br />

Stress Influential Factors and Definition.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Die Application Strategie of des Multiplier schwedischen <strong>for</strong> Per<strong>for</strong>mance Rückbauprogramms Shaping Factors von Uniper in <strong>Nuclear</strong> ı Michael <strong>Power</strong> Bächler, Plant Decommissioning Mikael Gustafsson Activities ı Byung-Sik Lee, Chang-Su Nam


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| Tab. 3:<br />

Stress Multiplier.<br />

hours. There<strong>for</strong>e, a multiplier related to stress considers<br />

the stress caused by working time, which refers<br />

to the duration <strong>for</strong> which a worker per<strong>for</strong>ms a task.<br />

The stress multiplier evaluates by comparing the<br />

time normally required to per<strong>for</strong>m a task and the<br />

actual time available <strong>for</strong> the task [7–14]. There<strong>for</strong>e,<br />

taking this into consideration, the multipliers <strong>for</strong><br />

stress can be derived, and the descriptions are presented<br />

in Table 3.<br />

2.2 Emotional State<br />

Emotional state is defined as the emotional feeling of<br />

a worker while preparing <strong>for</strong> and per<strong>for</strong>ming a task.<br />

This PSF may serve as a beneficial factor or a hindrance<br />

in per<strong>for</strong>ming tasks. Emotional states include<br />

excitement, boredom, a sense of accomplishment,<br />

frustration, satisfaction, and dissatisfaction. Excitement<br />

refers to the feeling of being stimulated during<br />

work, whereas boredom refers to the emotions caused<br />

by per<strong>for</strong>ming repetitive tasks. In particular,<br />

boredom occurs when a boring task is per<strong>for</strong>med<br />

repeatedly over a long period. Frustration is the<br />

emotion that a worker feels when a task fails during<br />

execution. Dissatisfaction refers to the feeling of a<br />

worker when a task is not completed satisfactorily.<br />

Most HRA experts do not consider a multiplier <strong>for</strong><br />

emotional state, but some experts (in Human Error<br />

Assessment and Reduction Technique (HEART),<br />

<strong>Nuclear</strong> Action Reliability Assessment (NARA))<br />

have considered such a multiplier, with values of<br />

3–4 [11,12]. However, in the case of decommissioning<br />

work, such as cutting of RPV internals, because<br />

of the simple and repetitive nature of the work, the<br />

multiplier is considered based on the boredom associated<br />

with the task as an emotional state, such as<br />

the number of times the same work is per<strong>for</strong>med.<br />

Boredom is expected to occur when the number of<br />

repetitive tasks is more than 200 or when the same<br />

task is per<strong>for</strong>med <strong>for</strong> 5 h or more. Based on this and<br />

other HRA literature, multipliers <strong>for</strong> the emotional<br />

state were derived and are listed inTable 4.<br />

2.3 Work Process Design<br />

The work process design includes all the decommissioning<br />

engineering activities designed <strong>for</strong> workers<br />

to per<strong>for</strong>m their tasks efficiently. To establish an<br />

efficient work process design, it is necessary to<br />

comprehensively consider the entire work process,<br />

examine major issues, per<strong>for</strong>m tasks, and plan a response<br />

in the event of an emergency. Then, based<br />

on this work process design, the task goals and a<br />

working plan are set. In addition, to control the radiation<br />

exposure to workers, the concept of As Low<br />

As Reasonably Achievable (ALARA), which rationally<br />

minimizes the radiation risk, must be applied<br />

to determine the optimum level of radiation protection.<br />

Table 5 presents all the factors that influence<br />

the work process design.<br />

Work process design in most HRA literature refers to<br />

the entire task being per<strong>for</strong>med [7–14]. There<strong>for</strong>e,<br />

multipliers <strong>for</strong> work process design are not considered<br />

because of their wide range. However, some studies<br />

define the work process design as safety culture,<br />

work planning, communication, and management<br />

support, among others, in terms of work per<strong>for</strong>mance.<br />

In decommissioning tasks, including the cutting<br />

of the internal surface of an RPV, the work process<br />

design PSF includes extensive preparatory work.<br />

There<strong>for</strong>e, the position occupied by the work process<br />

design in the decommissioning task is vital.<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 47<br />

| Tab. 4:<br />

Emotional State Multiplier.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

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| Tab. 5:<br />

Work Process Design Influential Factors and Definitions.<br />

However, assuming that the preliminary work is per<strong>for</strong>med<br />

by a professional engineering company<br />

according to the QA procedure, it is appropriate to<br />

consider the multiplier <strong>for</strong> the work process design<br />

as 1.<br />

2.4 Team Factor<br />

To per<strong>for</strong>m the decommissioning task, a professional<br />

task team must be <strong>for</strong>med. Team factor refers to<br />

the overall factors related to the work team, such<br />

as the roles of team members, cooperation between<br />

team members, and team atmosphere. Team leaders<br />

must have leadership skills, be able to understand<br />

the overall assigned decommissioning tasks, make<br />

decisions, and direct the team members. In addition,<br />

team leaders should manage and supervise the team<br />

members and adjust the workload of each member<br />

appropriately through task management.<br />

Workers should per<strong>for</strong>m their own work in accordance<br />

with the instructions provided by the team leader.<br />

Because the decommissioning of an NPP involves<br />

the handling of large-scale equipment, cooperation<br />

between team members is necessary; moreover, it is<br />

possible to raise the morale of workers and improve<br />

work efficiency through cooperation between team<br />

members. In addition, team leaders should manage<br />

the work such that efficient communication is possible<br />

as the work progresses; moreover, they should<br />

efficiently supervise the work by considering the<br />

work priorities and the opinions of the team members.<br />

Factors influencing the team factor can be obtained<br />

through team per<strong>for</strong>mance evaluation, which is an<br />

assessment method in which an expert observes the<br />

work of the team and assesses the evaluation items<br />

determined. Through the team per<strong>for</strong>mance evaluation<br />

of nine factors, the team per<strong>for</strong>mance can<br />

be compared with respect to an evaluation scale to<br />

determine the degree of team per<strong>for</strong>mance. Factors<br />

considered in the team per<strong>for</strong>mance evaluation<br />

include leadership, flexibility, work cooperation,<br />

communication, risk management, team situation<br />

awareness, decision-making, emergency response,<br />

and self-management.<br />

These nine influencing factors have been integrated<br />

to suit the decommissioning work, and the definition<br />

of each influence factor is presented in Table 6 [15].<br />

The influencing factors of this PSF do not affect<br />

the normal working conditions, but are necessary<br />

when per<strong>for</strong>ming tasks in accident situations and<br />

complex work. In existing HRA literature (SPAR-H,<br />

Petro-HRA, HEART, NARA, CARA, etc.), the multiplier<br />

<strong>for</strong> the team factor is selected considering the<br />

nature and environment of the decommissioning<br />

work [7-14]. The multiplier is selected according to<br />

each situation, such as a general work situation, dry<br />

| Tab. 6:<br />

Team Factor Influential Factors and Definitions.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

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| Tab. 7:<br />

Team Factor Multiplier.<br />

work environment, and underwater work environment.<br />

The explanation <strong>for</strong> this is presented in Table 7.<br />

2.5 Working Condition<br />

DWorking condition refers to the environmental condition<br />

when per<strong>for</strong>ming a task, the approach route<br />

of a workspace, safety measures, etc. In some cases,<br />

this refers to the difference between the expected<br />

environmental conditions at the time of design and<br />

the actual environmental conditions while per<strong>for</strong>ming<br />

the task. There<strong>for</strong>e, good task environmental<br />

conditions imply that operations can be per<strong>for</strong>med<br />

smoothly in the same environment as that designed<br />

<strong>for</strong> actual tasks. Factors influencing the working<br />

conditions include the physical environment, such<br />

as noise in the workplace, installed safety devices<br />

<strong>for</strong> workers, and other safety devices related to the<br />

decommissioning tools to be used. Safety devices <strong>for</strong><br />

workers and decommissioning tools must be installed<br />

in the workplace considering the safety of the<br />

workers in the procedure through a sufficient review<br />

be<strong>for</strong>e the start of work, and efficient tools must be<br />

selected <strong>for</strong> each task. With regard to the physical<br />

environment of the workplace, the temperature and<br />

lighting of the workplace must be adjusted according<br />

to the situation. In addition, if the radiation level in<br />

the workplace is high, work efficiency may be affected<br />

by the protective clothing worn by workers <strong>for</strong><br />

radiation exposure control. The influencing factors<br />

<strong>for</strong> the working condition with their definitions are<br />

presented in Table 8.<br />

If a task is per<strong>for</strong>med in a high-radiation environment,<br />

work must be per<strong>for</strong>med while wearing<br />

protective clothing. If the target to be cut is highly<br />

radioactive, the decommissioning task must be<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 49<br />

| Tab. 8:<br />

Working Condition Influential Factors and Definition<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

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FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 50<br />

| Tab. 9:<br />

Working Condition Multiplier.<br />

| Tab. 10:<br />

Equipment Maintenance Influential Factors and Definition.<br />

| Tab. 11:<br />

Equipment Maintenance Multiplier.<br />

per<strong>for</strong>med underwater. In addition, because the<br />

work environment, such as noise in the workplace,<br />

affects the working conditions owing to the use of<br />

the equipment, the multiplier is selected in consideration<br />

of these factors, as presented in Table 9.<br />

2.6 Equipment Maintenance<br />

Owing to the characteristics of the NPP decommissioning<br />

activity, the task is per<strong>for</strong>med in an underwater<br />

environment using remote equipment. In addition,<br />

the equipment may be exposed to high radiation,<br />

causing malfunction. There<strong>for</strong>e, this equipment<br />

requires thorough maintenance, and human<br />

errors due to inadequate equipment maintenance<br />

must be avoided. Moreover, spare parts and consumables<br />

must be managed such that they do not interfere<br />

with the task per<strong>for</strong>mance. Based on this<br />

PSF definition, it is determined that the equipment<br />

management cycle and the part replacement<br />

environment <strong>for</strong> equipment affect the equipment<br />

maintenance. The influencing factors related to the<br />

equipment maintenance are described in Table 10.<br />

The equipment management cycle is described in<br />

the procedure manual in consideration of the work<br />

environment be<strong>for</strong>e starting the task and the overall<br />

situation. There<strong>for</strong>e, the difficulty in equipment<br />

maintenance varies depending on the work situation;<br />

hence, the multiplier level is selected accordingly.<br />

This is explained in Table 11.<br />

2.7 Operation Complexity<br />

Operation complexity is a PSF that integrates equipment<br />

operations and operation procedures (procedure<br />

availability, feedback, and recency). The operation<br />

procedure must include the characteristics of<br />

the equipment and working environment. The more<br />

complex the operation procedure and operation in<strong>for</strong>mation,<br />

the greater the possibility of human<br />

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| Tab. 12:<br />

Operation Complexity Influential Factors and Definition.<br />

| Tab. 13:<br />

Operation Complexity Multiplier.<br />

error. There<strong>for</strong>e, procedures and in<strong>for</strong>mation regarding<br />

the work must be fully understood and per<strong>for</strong>med.<br />

When it is necessary to handle cutting equipment<br />

using remote equipment owing to the nature<br />

of the decommissioning, various buttons and menus<br />

exist on the panel of the remote equipment, and the<br />

operator is required to understand and per<strong>for</strong>m<br />

these operational functions. Buttons and menus <strong>for</strong><br />

operating panels and displays of remote equipment<br />

must be arranged prominently.<br />

Otherwise, they can be difficult to operate, and the<br />

working time may be increased, or an incident/accident<br />

may be triggered accordingly. There<strong>for</strong>e,<br />

they should be designed such that each operating<br />

element can be identified easily. In addition, experience<br />

and task knowledge of the equipment used<br />

may be required. Because the complexity of the operation<br />

procedure and that of the equipment operation<br />

are closely related, it is desirable to integrate<br />

and manage this operation complexity.<br />

Operation complexity refers to all the complexities<br />

needed to operate the equipment while per<strong>for</strong>ming<br />

the cutting task. There<strong>for</strong>e, the influencing factors<br />

of the operation complexity, which integrates procedure<br />

feedback and recency, procedure availability,<br />

equipment operation, etc., are presented in Table<br />

12.<br />

This can vary in complexity <strong>for</strong> tasks per<strong>for</strong>med remotely,<br />

depending on general cutting operations<br />

and dry and underwater conditions. Taking this into<br />

consideration, the multiplier level is selected, as<br />

presented in Table 13.<br />

3. Conclusions<br />

In this study, a refinement process was per<strong>for</strong>med to<br />

integrate PSFs having minor effects on the decommissioning<br />

of an NPP, considering the importance of<br />

each PSF. Consequently, seven types of Level 2 PSFs<br />

were selected from the existing 32 types of Level 3<br />

PSFs. In addition, the influencing factors <strong>for</strong> each<br />

PSF were derived.<br />

Because the importance of PSFs varies according to<br />

the working conditions under which a task is per<strong>for</strong>med,<br />

the importance of the PSFs is increased or<br />

decreased using a factor called the multiplier. The<br />

influencing factors and multipliers of the decommissioning<br />

PSFs in the decommissioning activity<br />

were derived through a review of various HRA literature.<br />

It was determined that a more objective HEP<br />

could be derived from an incident or accident. The<br />

multiplier <strong>for</strong> each PSF was defined and quantified<br />

by comprehensively considering the task characteristics,<br />

working conditions, and PSF influencing<br />

factors.<br />

The multiplier <strong>for</strong> each PSF derived in this study will<br />

help determine a more objective HEP <strong>for</strong> the decommissioning<br />

of NPPs in Korea, where decommissioning<br />

has never been per<strong>for</strong>med. The development<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 51<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

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FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 52<br />

of a plan based on this to reduce human error is<br />

expected to allow decommissioning to proceed<br />

seamlessly.<br />

In future studies, we intend to develop a simulation<br />

program that can derive the HEP that occurs when a<br />

decommissioning activity is per<strong>for</strong>med, considering<br />

the multiplier <strong>for</strong> each PSF. Furthermore, planning<br />

the program enables not only the calculation of HEP<br />

when decommissioning NPPs but also the identification<br />

of the causes of human error in advance, thus<br />

presenting ways to improve the decommissioning<br />

system.<br />

Acknowledgments<br />

This work was supported by the National Research<br />

Foundation of Korea (NRF), granted financial<br />

resource from Ministry of Science, ICT and Future<br />

Planing (No. NRF-2016M2B2B1945084), Republic<br />

of Korea.<br />

REFERENCES<br />

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Human Errors, Kyung Hee University, 2010<br />

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the Decommissioning of NPPs, Korean Radioactive Waste Society 2019(10), 2019<br />

[4] Byung-Sik Lee, Hyun-Jae Yoo, Nam Chang-Su, Development of Per<strong>for</strong>mance Shaping Factors <strong>for</strong><br />

Human Error Reduction During Reactor Decommissioning Activities Through the Task Analysis<br />

Method, ATW 64 (2019), Issue 11/12, November/December 2019<br />

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[7] Alan D. Swain, H. E. Guttmann, Handbook of Human Reliability Analysis with Emphasis on<br />

<strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Plant Applications Final Report, U.S. <strong>Nuclear</strong> Regulatory Commission, NUREG/<br />

CR- 1278, SAND80-0200<br />

[8] David I. Gertman, H. Blackman, J. Marble, J. Byers, C. Smith, The SPAR-H Human Reliability<br />

Analysis Method, U.S. <strong>Nuclear</strong> Regulatory Commission, NUREG/CR-6883, INL/EXT-05-00509<br />

[9] Alan D. Swain, Accident Sequence Evaluation Program Human Reliability Analysis Procedure, U.<br />

S. <strong>Nuclear</strong> Regulatory Commission, NUREG/CR-4772, SAND86, 1996<br />

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[11] Jeremy C. Williams, HEART, A Proposed Method <strong>for</strong> Achieving High Reliability in Process Operation<br />

by Means of Human Factors Engineering Technology, Safety and Reliability, 35(3), 2015<br />

[12] Barry Kirwan, Huw Gibson, Richard Kennedy, Jim Edmunds, Garry Cooksley, Ian Umbers,<br />

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25(2), 2005, Human Reliability Edition<br />

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Safety Case, The University of Birmingham, 2008<br />

[14] Liu Penga, Qiu Yongpingb, Hu Juntaob, Tong Jiejuanc, Zhao Junc, Li Zhizhongd, Expert<br />

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[15] Sa Kil Kim, Seong Nam Byun, Dhong Hoon Lee, A Measurement of Team Efficiency of Operators<br />

in the Advanced Main Control Room of <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Plant, <strong>Journal</strong> of the Ergonomics Society<br />

of Korea 27(1), 2008.2, 21-27<br />

AUTHORS<br />

Dr. Byung-Sik Lee<br />

Professor of Energy Engineering Department<br />

in Dankook University<br />

bslee@dankook.ac.kr<br />

Byung-Sik Lee provides all knowledges across the entire nuclear life cycle<br />

including reactor design, decommissioning and waste management at Dankook<br />

University in South Korea. His oversight includes the engineering of nuclear power<br />

plants and the development of back-end fuel cycle technologies <strong>for</strong> implementation<br />

in nuclear power industries. He holds Ph. D of Waste Management in <strong>Nuclear</strong><br />

Engineering from Seoul National University.<br />

Chang-Su Nam<br />

Research Associate,<br />

Dankook University<br />

namchangsu12@naver.com<br />

After completing his bachelor’s degree in new materials science and engineering<br />

at Dankook University, he completed his master’s degree with a focus on research<br />

of human error in nuclear power plants. After that, he worked as a researcher at<br />

Dankook University <strong>for</strong> two years, conducting research on human error reduction<br />

methods in decommissioning activities of the nuclear power plants.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Die Application Strategie of des Multiplier schwedischen <strong>for</strong> Per<strong>for</strong>mance Rückbauprogramms Shaping Factors von Uniper in <strong>Nuclear</strong> ı Michael <strong>Power</strong> Bächler, Plant Decommissioning Mikael Gustafsson Activities ı Byung-Sik Lee, Chang-Su Nam


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Development of Safety Case Data<br />

Claimed <strong>for</strong> Laser Cutting Operations<br />

in <strong>Nuclear</strong> Decommissioning<br />

Howard Chapman, Julian Spencer, Stephen Lawton, Andrew Gale, Matthew Clay<br />

INTRODUCTION<br />

Laser cutting <strong>for</strong> size reduction of redundant vessels<br />

and pipework in nuclear facilities is considered to<br />

be a novel process to most decommissioning engineers,<br />

yet is a widely used technique elsewhere in<br />

other manufacturing industries. The use of laser<br />

cutting in the nuclear industry requires demonstrable<br />

quantified solutions to overcome subjective<br />

safety concerns in order <strong>for</strong> end users to adopt the<br />

technology <strong>for</strong> decommissioning purposes.<br />

The National <strong>Nuclear</strong> Laboratory (NNL) has undertaken<br />

a research programme to address these safety<br />

concerns to understand the damage that can be<br />

done by a direct or stray laser beam, if it illuminates<br />

a variety of different materials commonly found in a<br />

nuclear decommissioning environment.<br />

NNL has previously reported on the deployment of<br />

robotic laser cutting methods on a nuclear licensed<br />

site. “NNL has brought the Technology Readiness<br />

Level (TRL) of this method from proof of concept<br />

TRL 3, to demonstration in a relevant nuclear environment<br />

TRL 6, in anticipation of making this technology<br />

ready <strong>for</strong> wider deployment throughout the<br />

nuclear industry” [1].<br />

NNL is currently developing a new National <strong>Nuclear</strong><br />

User Facility <strong>for</strong> Hot Robotics (NNUF-HR) which<br />

will support the United Kingdom by applying robotics<br />

to develop cheaper and faster nuclear decommissioning<br />

systems, nuclear new-builds, advanced<br />

modular fission reactors and future fusion power<br />

plants.<br />

There is a lack of reliable data on how many materials<br />

and components commonly used in the nuclear<br />

industry per<strong>for</strong>m during the application of laser<br />

cutting and processing. The purpose of this paper is<br />

to present a source of useful data found from laser<br />

cutting trials undertaken by NNL alongside partner<br />

organisations. These could be used as reliable evidence<br />

in the support of claims and arguments about<br />

time to failure made in the production of future<br />

safety cases <strong>for</strong> the deployment of laser cutting used<br />

in nuclear decommissioning operations and provide<br />

commentary on the need <strong>for</strong> future data management<br />

<strong>for</strong> this technology.<br />

It is proposed that innovations in data processing,<br />

analytics and retrieval <strong>for</strong> laser cutting will offer a<br />

significant improvement in problem solving capabilities<br />

in design and safety case development <strong>for</strong><br />

future nuclear decommissioning challenges.<br />

Laser cutting is defined as the direction of a high<br />

powered class 4 laser beam on to a material with<br />

the intention of heating the material to its melting<br />

point to produce a kerf (cut). Assist gas is used to<br />

enhance the removal of molten material from the<br />

kerf and hence improve the possible cutting potential<br />

of a given laser power. The assist gas gives rise<br />

to a fume with a particle size distribution, extending<br />

to sub-micron diameters [2], and can pose a<br />

respiratory hazard.<br />

The laser cutting data presented in this paper are<br />

based on the use of an assist gas and a robotic means<br />

to control standoff distance and beam traverse rate<br />

i.e. cutting speed.<br />

The data presented in this paper include the safe<br />

distance at which common materials, expected in<br />

a nuclear environment can withstand a worst case<br />

direct laser beam of 5 kW from a Neodymium Yttrium<br />

Aluminium Garnet (Nd YAG) 1064 nanometer<br />

(nm) laser <strong>for</strong> 10 seconds and includes materials<br />

found typically when decommissioning facilities<br />

such as cables, hoses, master slave manipulator<br />

(MSM) gaiters, etc. It also provides commentary<br />

on 1064 nm laser light transmission data <strong>for</strong> zinc<br />

bromide and lead glass shielding windows, found<br />

in nuclear cell environments and explains why both<br />

shielding window types may require in cell internal<br />

shuttering to prevent inadvertent laser strikes<br />

on the window.<br />

NNL’s Robot Controlled Laser Cutting Facility<br />

(CLCF) at their Springfields site employs an industrial<br />

robot arm with a 5kW infra-red laser, equipped<br />

with a series of two fibre optic cables connected<br />

in series, and an air-cooled laser cutting head. The<br />

facility is equipped with a local exhaust ventilation<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 53<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Development of Safety Case Data Claimed <strong>for</strong> Laser Cutting Operations in <strong>Nuclear</strong> Die Decommissioning Strategie des schwedischen ı Howard Rückbauprogramms Chapman, Julian Spencer, von Uniper Stephen ı Lawton, Michael Andrew Bächler, Gale, Mikael Matthew Gustafsson Clay


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FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 54<br />

(LEV) system and has been used to per<strong>for</strong>m a<br />

variety of novel trials providing a unique set of data<br />

to support the production of safety cases.<br />

Figure 1 shows a Computer Aided Design (CAD)<br />

model of NNL’s CLCF.<br />

The new NNUF Robot controlled laser cutting capability,<br />

located at NNL’s non-active Workington site<br />

facility, is driven by an industry challenge to cut and<br />

sort waste. The rig will incorporate lessons learnt<br />

from previous similar rigs built at NNL and will<br />

incorporate a tool changer and various tools such<br />

as a gripper, <strong>for</strong> grasping and sorting waste.<br />

Main Hazards of Laser Cutting in a<br />

Decommissioning Application<br />

The use of laser cutting, can give rise to a number<br />

of safety concerns, some laser based and others are<br />

radiological, including:<br />

p Production of aerosol/fume concentration by<br />

the assist gas (g/m³ of assist gas).<br />

p Fraction of aerosol/fume generated in the respirable<br />

region (0.1 to 10 µm diameter particles<br />

inclusive).<br />

p Direct laser light illumination (energy densities<br />

lower than at the focal point used <strong>for</strong> cutting;<br />

i.e. further away from the laser head than the<br />

focal point as the laser beam diverges).<br />

p Scattering/reflection of laser light, leading to<br />

damage to other equipment.<br />

p Loose contamination disturbance by the assist<br />

gas, from the surfaces of the material either side<br />

of the kerf.<br />

p Removal of fixed (volatile) radionuclide contamination<br />

from the surfaces of the material being<br />

| Fig. 1:<br />

NNL Springfields Robot<br />

Controlled Laser Cutting<br />

Facility.<br />

cut on either side of a kerf region, as a result of<br />

induced thermal effects caused by laser cutting<br />

or by direct laser light illumination.<br />

p Potential preferential concentration of hazardous<br />

materials into specific particle size regions<br />

of the fume.<br />

p Management of a laser beam that is not visible<br />

to the naked eye.<br />

NNL has previously reported on an Integrated Approach<br />

to the production of a Safety Case <strong>for</strong> Laser<br />

Cutting used <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> Decommissioning [1].<br />

Previous hazard identification studies have highlighted<br />

a number of shortfalls in available evidence<br />

based data to support the Safety Case claims. In<br />

particular, the damage that can be done by a direct<br />

laser beam, if it illuminates the walls and other materials<br />

commonly expected to be found in typical<br />

environments where decommissioning activities<br />

are expected to take place, including lead glass or<br />

zinc bromide shielding windows.<br />

NNL has undertaken a research programme using<br />

various facilities <strong>for</strong> inactive trials at The Welding<br />

Institute (TWI) and in house at the NNL Workington<br />

site. Active trials have also been undertaken at<br />

the Springfields site to address these safety issues<br />

and understand the damage which can be done by<br />

a direct laser beam.<br />

These research themes continue with two ongoing<br />

PhD studies to investigate dust and fume arising<br />

during laser cutting with funding from the <strong>Nuclear</strong><br />

Decommissioning Authority (NDA). This will build<br />

on work reported on aerial effluent (i.e. fume/dust)<br />

which reported the first estimate of the radioactive<br />

species volatilised during laser cutting [3].<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

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A series of measurements were made to determine<br />

how long materials could withstand direct illumination<br />

be<strong>for</strong>e damage thresholds are observed<br />

and quantify the Nominal Material Safety Distance<br />

(NMSD). The NMSD is defined as the minimum<br />

stand-off distance (from the focal point) beyond<br />

which materials suffer damage from illumination<br />

in one of five levels, Off-Gassing (OG), Ablating (A),<br />

Melting (M), Ignition (I), and Piercing (P). NMSD<br />

is based on an exposure time, set <strong>for</strong> the purposes<br />

of safety assessment. For the safety assessment a<br />

maximum laser dwell time of 10 seconds has been<br />

assumed. This work focuses on laser exposure under<br />

fault conditions, rather than optimising cutting of<br />

target materials, which is more widely reported [4]<br />

[5][6].<br />

Illumination of Target Materials<br />

Working in collaboration with TWI, a series of trials<br />

has been undertaken by NNL involving the direct illumination<br />

of different materials exposed to a 5 kW<br />

laser beam source. The beam was focussed with 250<br />

mm focal length final optic, this gave a focus spot of<br />

1 mm only 15 mm from the end of the cutting head.<br />

Target Material 304 L and 316 stainless steel<br />

The NMSD <strong>for</strong> 304 L/316 stainless steel plate of 6,<br />

12 and 32 mm thickness is recorded in Table 1.<br />

Target Material: Graphite plate<br />

Graphite, neither gasses-off, melts, nor ignites<br />

under laser application; instead it ablates. At high<br />

incident power densities, the rate of ablation (in<br />

terms of mass removed) from the surface is not<br />

constant over the time of the illumination. One possible<br />

explanation <strong>for</strong> this behaviour could be the<br />

development of a plasma, or plume, above the surface<br />

of the graphite, which absorbs a part of the incident<br />

laser radiation and there<strong>for</strong>e is a self-limiting<br />

process.<br />

Target Material: Concrete<br />

Trials were undertaken on inactive aged concrete<br />

samples taken from a typical nuclear structure, with<br />

diameters ~90 mm and lengths ranging from ~60<br />

to 100 mm.<br />

Concrete has by its very nature a wide range of <strong>for</strong>mulations,<br />

aggregates, heterogeneity, densities and<br />

porosities. As a result, the effect of laser radiation<br />

on concrete samples depends on the illumination<br />

time, the incident power density and the factors<br />

noted above. Generally, the different effects observed<br />

were:<br />

p a change in the surface colour;<br />

p scabbling, which describes the process of small<br />

concrete flakes being ejected from the surface;<br />

p melting and subsequent vitrification, and<br />

p piercing of the concrete, following a melting<br />

phase.<br />

For an illumination duration of 10 seconds, associated<br />

with aged cast concrete samples, to avoid surface<br />

ablation, a minimum NMSD_A^10s,<br />

somewhere between 1000-2000mm, is necessary.<br />

At a standoff of 500mm the laser did just penetrate<br />

through 120mm concrete.<br />

Where concrete is used as a shield wall in cave environments<br />

it is usually significantly thicker and often<br />

greater than 1000 mm. It is expected that in thicker<br />

shield walls that penetration would be self-limiting<br />

and not occur, as the viscous molten concrete and<br />

lower power density, as the beam diverges, would<br />

prevent failure. In very thin concrete walls, which<br />

are under 150mm thick, additional justification or<br />

explicit trials of the concrete may be required.<br />

Target Material: Hydraulic hose<br />

Three types of commonly used black polyvinyl chloride<br />

(PVC) hydraulic hose have been illuminated:<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 55<br />

For an illumination duration of 10 seconds associated<br />

with a graphite block, to avoid surface ablation,<br />

a minimumNMSD A<br />

10s<br />

of 500 mm is necessary. For<br />

piercing, a minimum NMSD P<br />

10s<br />

of 250 mm it is<br />

necessary <strong>for</strong> a thickness of 18 mm.<br />

| Tab. 1:<br />

NMSD <strong>for</strong> Melting (NMSD M 10s ) and Piercing (NMSD P 10s ) 304L SS<br />

p MANULI TRACTOR 3/8 T2, 18.38 mm<br />

diameter, with a 4.5 mm wall thickness;<br />

p 2340n Parker Polyflex, 12.45 mm diameter<br />

with a 3.4 mm wall thickness, and<br />

p MANULI HOSE ¾ 4SP, 32.4 mm diameter<br />

with a 6.5 mm wall thickness.<br />

The three hydraulic hoses tested, all reacted quite<br />

similarly to the incident laser light. At an illumination<br />

distance of 2000 mm, all of the hoses tested as<br />

charred in a time less than 55 seconds. A two second<br />

exposure was sufficient <strong>for</strong> all the hoses to char at<br />

an illumination distance of 1000 mm. Strong offgassing<br />

occurred, producing particularly pungent<br />

fume, as did the electrical cables. The fume<br />

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produced large amounts of ash released into the air.<br />

For some experiments the metal rein<strong>for</strong>cing wire<br />

below the outer rubber layer, could be seen to glow<br />

red hot.<br />

Target Material: MSM gaiters<br />

and PVC sheeting<br />

PVC sheeting as used <strong>for</strong> suits and barriers, and<br />

three types of MSM gaiter have been illuminated.<br />

These are:<br />

p Polyurethane (PUR) Transparent sheet<br />

p Platilon Thermoplastic Polyurethane (TPU)<br />

sheet<br />

p PVC 30/100 grade sheeting of two thicknesses;<br />

0.27 mm and 0.5 mm<br />

p Tuftane TF 420 polyether polyurethane sheet<br />

p PUR Bellows Beige tube<br />

p PUR Green “Hypalon” tube<br />

p PVC Grit Foil sheet<br />

Polymers can either transmit or absorb incident<br />

laser light, depending on their composition, thickness<br />

and pigmentation.<br />

A recursive experimental approach was used during<br />

most of these trials. For a given exposure time, if the<br />

material was not affected by the illumination – i.e.<br />

no obvious de<strong>for</strong>mation or reaction of the material<br />

surface, the exposure duration of the next trial was<br />

doubled, otherwise it was halved. This approach<br />

generally allowed a reasonably accurate determination<br />

of the time to melt, off-gassing and ignition. For<br />

some materials, e.g. the hydraulic hoses, this technique<br />

was not used. In such cases, illumination was<br />

made, simply up to a set time and the interactions<br />

seen recorded on a single video.<br />

The experiments concluded the following:<br />

1) The most laser resilient materials tested were all<br />

in sheet <strong>for</strong>m and were, PUR transparent,<br />

Platilon TPU, PVC 30/100 and PVC 50/100, in<br />

that order. After 240 seconds exposure at illumination<br />

distances of 2000 mm, only PUR<br />

transparent, Platilon TPU and PVC 50/100<br />

showed no melting, no visible off-gassing and no<br />

ignition. It is possible that PVC 30/100 would<br />

also exhibit the same but this material was only<br />

tested at 2000 mm <strong>for</strong> 120 seconds exposure.<br />

2) At an illumination distance of 500 mm, all<br />

materials melted in a time less than 14 seconds.<br />

Of these, only Platilon TPU produced no visible<br />

off-gassing.<br />

3) Perhaps surprisingly, <strong>for</strong> most materials tested,<br />

melting was observed at the same time as, or<br />

be<strong>for</strong>e off-gassing.<br />

4) Coated or loaded materials, such as PUR Green<br />

and PVC Grit foil, ignited quickly, under three<br />

seconds at an illumination distance of only<br />

1000 mm.<br />

5) PUR transparent, TPU Platilon and Tuftane<br />

TF420 appeared to withstand the 10 seconds<br />

exposure test at z=500 mm. At z=1000 mm,<br />

PVC 50-100 and PVC 30-100 can be added to<br />

this list. For z=2000 mm, PUR Bellows Beige,<br />

can also be added to the list.<br />

Target Electrical Cabling<br />

The following types of electrical cabling have been<br />

illuminated:<br />

p SY power control cable 1.0 mm 2<br />

p DEFSTAN 7 Core 0.5 mm 2<br />

p DEFSTAN 12 Core 0.5 mm 2<br />

p SWA 4 CORE 0.75 mm 2<br />

The experiments concluded the following:<br />

6) There was a significant quantity of off-gases<br />

produced during each illumination trial. In most<br />

cases, the smoke was thick and opaque, indicating<br />

that gases were composed of carbonbased<br />

components. According to manufacturer’s<br />

datasheets <strong>for</strong> each cable, combustion products<br />

include toxic gases, which could have harmful<br />

health effects to workers. As <strong>for</strong> the illumination<br />

of gaiters and PVC, identifying the time difference<br />

between melting and off-gassing was not<br />

possible; the two appearing to occur simultaneously.<br />

7) Another condition that was not easy to determine<br />

was the beginning of ignition <strong>for</strong> some<br />

illuminations. It appeared that the smoke<br />

produced would ignite, leading to the cable<br />

coating igniting.<br />

8) All the electrical cables ignited at an illumination<br />

distance of 2000 mm or under, apart from<br />

SWA 4 Core cable, which ignited at 3000mm<br />

after 125 seconds. All the cables ignited almost<br />

immediately at a distance of 1000 mm. It should<br />

be noted that only the polymer layers on all of<br />

the wires illuminated were damaged, metallic,<br />

either steel or copper rein<strong>for</strong>cing, or current<br />

carrying parts of the cables remained intact.<br />

9) The polymer pigmentation is a key factor<br />

concerning the capacity to absorb laser light.<br />

Among the cables tested, the most resistant to<br />

laser light exposure were those which have<br />

transparent plastics or light colour filled plastics.<br />

Black carbon filled cables, such as<br />

DEFSTAN 12 Core or SWA 4 Core, are the most<br />

absorbent cables.<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

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Zinc Bromide Glass Cell Windows<br />

The transmission of the electromagnetic spectrum<br />

through zinc bromide solution can be used to determine<br />

the absorption of laser light within older style<br />

nuclear cell shielding windows, of this type, made<br />

of zinc bromide solution. <strong>Nuclear</strong> grade zinc bromide<br />

solution has 77 % wt/wt of zinc bromide<br />

(ZnBr). ZnBr solution goes cloudy over long periods<br />

of time, although it can be filtered to remove the<br />

solids and hence recover the clarity and allow reuse.<br />

Trials were undertaken with both clear and unfiltered<br />

solutions. Figure 2 shows results <strong>for</strong> the clear<br />

filtered sample of ZnBr. Similar values were determined<br />

with the cloudy ZnBr liquor. However, the<br />

attenuation was only measured up to 500 mm and<br />

the typical shielded windows are thicker. There are<br />

other experimental uncertainties but if the results<br />

are extrapolated to a thickness of ZnBr solution of<br />

1000 mm then a 1 kW input beam would be attenuated<br />

by 99.98-99.99 %, which is equivalent to being<br />

reduced down to 0.2 W – 0.1 W.<br />

Thus from an eye safety viewpoint a 1000 mm ZnBr<br />

shielded window would attenuate Nd:YAG laser<br />

light to a safe level. However, there are several<br />

remaining safety issues:<br />

p If the light energy is absorbed into the ZnBr<br />

solution it could boil or thermally expand and<br />

cause the shielding window to fail. For transient<br />

laser beams this might not be an issue, but a<br />

continuous multi-kW beam might be a problem.<br />

p The absorption of laser light by the zinc bromide<br />

retaining glass windows or the associated<br />

impact prevention safety glass on a cell window<br />

of this type has not been tested <strong>for</strong> tolerance to<br />

powerful beams of 1064 nm laser light.<br />

| Fig. 2:<br />

Attenuation of 1064 nm<br />

laser light through ZnBr<br />

solution.<br />

Thus, it is recommended that ZnBr shielded windows<br />

should be shuttered, ideally on the active side,<br />

during any multi-kW laser processing and all work<br />

be controlled by in cell cameras. The full shielded<br />

window needs to be shown able to tolerate the<br />

impact of any potential laser beam be<strong>for</strong>e operations<br />

can proceed without shielding. In reality any in<br />

cave robot processing requires in cell cameras in the<br />

visible spectrum to be effective. Hense this requirement<br />

is not a restriction.<br />

The trials suggest that both a thick layer of graphite<br />

and/or stainless steel would be a suitable shutter<br />

material. The exact thickness required would<br />

depend upon the minimum possible distance from<br />

laser focus to the shielding window.<br />

Lead Glass Cell Windows<br />

The manufacturer’s data on transmission of the<br />

electromagnetic spectrum through lead glass cell<br />

window components can be used to estimate the<br />

absorption of laser light within the various types of<br />

lead glass, (illustrated <strong>for</strong> RS25, RSG32 and RW36<br />

in Figure 3). There is some uncertainty as to whether<br />

the attenuation can be scaled linearly from the<br />

100 mm values to the varying glass thickness layers<br />

normally found in a composite shielding window<br />

which frequently has four or more layers of differing<br />

thickness. Furthermore, there is no quantification<br />

of any assumed reflection losses at the interfaces<br />

between the lead blocks in a composite window.<br />

The spectral curves suggest that at 1064 nm there<br />

may be some limited attenuation. This was confirmed<br />

by empirical trials carried out at Workington<br />

using a spare cell shielding window, which had 5<br />

layers and showed an attenuation of approximately<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 57<br />

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Tr(intr)curve 100 mm<br />

110<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1<br />

101<br />

201<br />

301<br />

401<br />

501<br />

601<br />

701<br />

Internal Transmission Curve under 100 mm<br />

35 % in the total power. Thus, if <strong>for</strong> example, a 5 kW<br />

laser beam was incident on the window then a significant<br />

proportion would be transmitted and<br />

would have the potential to be a major safety hazard<br />

to users in the line of sight.<br />

In addition, the trials were undertaken with a<br />

50 mW Nd:Yag laser and if scaled up to 5 kW there<br />

is potential that at higher power densities that one<br />

or more glass layers might shatter if enough energy<br />

was absorbed locally. Dust or flaws have the potential<br />

to locally enhance absorption.<br />

Thus, given these uncertainties and the fact that<br />

there is still significant transmission of 1064 nm<br />

laser light through lead glass shielded windows it<br />

is recommended that they be shuttered with<br />

protection to prevent any 1064 nm light reaching<br />

the windows.<br />

Future Use of Data<br />

Laser cutting and processing offers innovative<br />

cost-effective possibilities, but comes with safety<br />

considerations, new and there<strong>for</strong>e challenging in<br />

the nuclear sector culture. Accessing meaningful,<br />

accurate data on the per<strong>for</strong>mance of laser cut or<br />

processed materials is of importance to the effective<br />

deployment of laser and robotic technologies.<br />

Engineering problem solving, design and implementation<br />

requires reliable data on all the materials<br />

involved in a given situation; e. g. cutting or processing<br />

of cables, glove boxes, etc. Prior to undertaking<br />

any work, the safety case needs to be convincing<br />

and a major component of this will be meaningful<br />

data on time to failure of all materials involved,<br />

including shielding, rig construction and waste or<br />

components to be cut or processed.<br />

801<br />

901<br />

1001<br />

1101<br />

1201<br />

1301<br />

1401<br />

1501<br />

Wavelength(nm)<br />

1601<br />

1701<br />

1801<br />

1901<br />

2001<br />

2101<br />

2201<br />

2301<br />

RS 25<br />

RSG32<br />

RW36<br />

RWG52<br />

RW 25<br />

RSG52<br />

2401<br />

2501<br />

2601<br />

| Fig. 3:<br />

Laser light transmission<br />

vs. Laser light wavelength<br />

<strong>for</strong> nuclear grade Corning<br />

lead glass windows.<br />

These challenges do not sit well in the nuclear context,<br />

where, new and change represent an apparent<br />

risk. Add to this is a lack of reliable data on<br />

how materials and components per<strong>for</strong>m during the<br />

application of laser cutting and processing. A starting<br />

point, to address these challenges, needs to be<br />

the acquisition of reliable data. The data accumulated<br />

from experimentation needs to be curated in<br />

a meaningful way. Innovations in data processing,<br />

data analytics and data retrieval offer a significant<br />

improvement in problem solving capabilities in<br />

design and safety case development.<br />

Laser cutting trials undertaken at NNL have<br />

allowed the development of a library of data <strong>for</strong> the<br />

behaviour of materials cut and processed by lasers.<br />

These data are contained within internal NNL<br />

reports, a selection is provided within this paper.<br />

NNL facilities continue to provide the research<br />

capability to further investigate the potential laser<br />

damage to structures and equipment alongside the<br />

release of particulate and fume generated during<br />

laser cutting. Furthermore, the NNUF-HR facility<br />

has been designed to allow <strong>for</strong> use by external<br />

industry and academic researchers to assist the<br />

development and adoption of laser cutting within<br />

the nuclear industry.<br />

It is the aim of NNL to provide reliable data on the<br />

per<strong>for</strong>mance of materials in relation to the application<br />

of robot controlled laser cutting technologies.<br />

This will enhance opportunities <strong>for</strong> innovation<br />

in nuclear decommissioning. The aspiration is to<br />

establish a library of data, enabling data analytics.<br />

The intention will be to create a comprehensive<br />

source of laser cutting data and in<strong>for</strong>mation using<br />

recognised processing techniques. Ideally this will<br />

allow extrapolation of the data <strong>for</strong> new scenarios<br />

2701<br />

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or highlight data gaps. This will enable the identification<br />

of any new trial requirements which can be<br />

undertaken by NNL. It is proposed that a future programme<br />

of research, using NNL’s test facilities, will<br />

provide data and in<strong>for</strong>mation from trials undertaken<br />

in support of engineered solutions <strong>for</strong> nuclear<br />

industry decommissioning activities.<br />

ACKNOWLEDGMENTS<br />

NNL collaborated with project partners, OC Robotics,<br />

TWI, ULO Optics and Laser Optical Engineering<br />

in the nuclearisation and development of this<br />

unique solution in response to the growing appetite<br />

to increase the use of robotics and automation in<br />

the nuclear decommissioning sector coupled with a<br />

specific requirement to provide size reduction and<br />

packaging of contaminated vessels.<br />

This is the largest funded project from Innovate UK,<br />

with additional funding provided by the NDA and<br />

the Department <strong>for</strong> Business Energy and Industrial<br />

Strategy (BEIS) which all advocate the inclusion<br />

of small to medium enterprises in the nuclear<br />

decommissioning sector. The advancement of this<br />

project has allowed NNL’s partnering companies to<br />

be involved in the decommissioning of large quantities<br />

of contaminated metal vessels and pipework on<br />

active nuclear sites going <strong>for</strong>ward.<br />

NNL would like to acknowledge <strong>for</strong>mer NNL employee<br />

Owen Horsfall <strong>for</strong> leading the experimental<br />

work undertaken with their partner organisations.<br />

In addition we would like to thank Professor Andrew<br />

Gale (emeritus Professor of Project Management at<br />

University of Cumbria) and Matt Clay (Principal<br />

Engineer at the Health and Safety Executive Science<br />

Division) <strong>for</strong> their great contribution to this article.<br />

DISCLAIMER<br />

This paper was internally funded by the National<br />

<strong>Nuclear</strong> Laboratory (NNL) and contributed to by<br />

Health & Safety Executive (HSE) and University<br />

of Cumbria (UoC) staff. Its contents, including<br />

any opinions and/or conclusions expressed do not<br />

necessarily reflect the policy of HSE or UoC.<br />

[5] Jae Sung, S. et al. Underwater Laser Cutting of Stainless Steel up to 100 mm Thick <strong>for</strong><br />

Dismantling Application in <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Plants. Annals of <strong>Nuclear</strong> Energy Volume 147,<br />

November 2020, 107655<br />

[6] Nisar, S. et. al. The effect of material thickness, laser power and cutting speed on cut path<br />

deviation in high-power diode laser chip-free cutting of glass. Optics & Laser Technology<br />

Volume 42, Issue 6, September 2010<br />

AUTHORS<br />

Howard Chapman<br />

Principal Safety Consultant,<br />

National <strong>Nuclear</strong> Laboratory.<br />

Howard.Chapman@uknnl.com<br />

Howard Chapman is a Principal Safety Consultant at NNL with over thirty five<br />

years of safety case experience in the nuclear industry at a number of sites<br />

throughout the UK and on international projects. His work has covered all aspects<br />

of the nuclear project lifecycle from design to construction and commissioning<br />

phases, operations and decommissioning. Howard led the safety case <strong>for</strong> the<br />

LaserSnake project which built a semi-autonomous robot controlled laser cutting<br />

capability in a cave environment within an active facility. Howard has also<br />

recently worked on a robotic safety project to meet the challenge <strong>for</strong> the adoption<br />

of a higher degree of Human Robot Collaboration at Sellafield site. This work has<br />

helped to develop a better understanding of generic robotic safety case considerations<br />

and the reliability of SMART protective measures available from current<br />

and emergent technologies across all key industrial sectors.<br />

Dr. Julian Spencer<br />

Technical Programme Leader,<br />

National <strong>Nuclear</strong> Laboratory.<br />

julian.spencer@uknnl.com<br />

Dr. Julian Spencer (MinstP, CPHys) is a Technical Programme Leader with 35 years<br />

of experience in supporting Sellafield Ltd plant. The last fifteen years has been<br />

working with a wide range of NNL technical disciplines supporting the Highly<br />

Active Waste operations at Sellafield. For 25 years he has been working with<br />

universities over a wide range of research areas. These include work on new<br />

methods <strong>for</strong> laser decommissioning, and laser material processing, ultrasonics<br />

inspection of critical hardware and thermal modelling of low pressure evaporators.<br />

Building on a PhD in nuclear structure physics, he also worked <strong>for</strong> nine years<br />

in shielding analysis, dose estimation and criticality safety. The laser high power<br />

research work led to seven patents in collaboration with academic colleagues at<br />

Manchester, Liverpool and Loughborough.<br />

Stephen Lawton<br />

Radiological and Chemotoxic Safety Consultant ,<br />

National <strong>Nuclear</strong> Laboratory.<br />

stephen.lawton@uknnl.com<br />

FEATURE | DECOMMISSIONING AND WASTE MANAGEMENT 59<br />

REFERENCES<br />

[1] Chapman, H., Lawton, S., & Fitzpatrick, J. (2018). Laser cutting <strong>for</strong> nuclear decommissioning An<br />

integrated safety approach. Atw <strong>International</strong>e Zeitschrift fuer Kernenergie, 63(10), 521-526.<br />

[2] Dazon, C. et al. Characterization of chemical composition and particle size distribution of aerosols<br />

released during laser cutting of fuel debris simulants. <strong>Journal</strong> of Environmental Chemical<br />

Engineering. Volume 8, Issue 4, August 2020, 103872<br />

[3] Dodds, J.M., Rawcliffe, J. (2020). Radionuclide distribution during ytterbium doped fibre laser<br />

cutting <strong>for</strong> nuclear decommissioning. Progress in <strong>Nuclear</strong> Energy, 118, 103122<br />

[4] Jae Sung, S. et al. Cutting Per<strong>for</strong>mance of Thick Steel Plates up to 150 mm in Thickness and<br />

Large Size Pipes with a 10-Kw Fiber Laser <strong>for</strong> Dismantling of <strong>Nuclear</strong> Facilities. Annals of<br />

<strong>Nuclear</strong> Energy Volume 122, December 2018, Pages 62-68<br />

Stephen Lawton is a Radiological and Chemotoxic Safety Consultant primarily<br />

covering the civil nuclear fuel cycle as well as <strong>for</strong> research and development<br />

projects and new reactor designs. He developed the safety assessments <strong>for</strong> NNL’s<br />

laser cutting facilities <strong>for</strong> both active and non-active use making use of the trial<br />

data to demonstrate the risk was safely managed.<br />

Co-AUTHORS<br />

Professor Andrew Gale is an emeritus Professor of Project Management<br />

at University of Cumbria<br />

Matt Clay is a Principal Engineer at the Health and Safety Executive<br />

Science Division<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Development of Safety Case Data Claimed <strong>for</strong> Laser Cutting Operations in <strong>Nuclear</strong> Die Decommissioning Strategie des schwedischen ı Howard Rückbauprogramms Chapman, Julian Spencer, von Uniper Stephen ı Lawton, Michael Andrew Bächler, Gale, Mikael Matthew Gustafsson Clay


atoms <strong>for</strong> climate<br />

jürgen knorr<br />

albert kerber<br />

TRIPLE C<br />

technical proposals<br />

<strong>for</strong> the pathway in<br />

„A BRIGHT FUTURE“<br />

*)<br />

Ceramic Container & Concept<br />

<strong>for</strong> innovative interim storage<br />

and final disposal of<br />

high radioactive waste<br />

innovative nuclear power plants<br />

innovative nuclear fuel elements<br />

nuclear waste management & final disposal<br />

steps on nuclear silk road<br />

The first step!<br />

*) Josuah S. Goldstein, Staffan A. Quist; Public Affairs, New York 2019<br />

<strong>Nuclear</strong> waste<br />

no longer<br />

the killer argument No<br />

1<br />

against<br />

the use of nuclear energy!<br />

Worldwide.....<br />

millions of spent nuclear fuel elements<br />

are waiting <strong>for</strong> safe long-term disposal..<br />

SiCeram offers a solution<br />

and invites investors<br />

to join the transfer<br />

from lab to market.<br />

Dr. Albert Kerber<br />

Leiter Standort Jena<br />

SiCeram GmbH a QSIL company<br />

Am Nasstal 10<br />

07751 Jena-Maua, Germany<br />

albert.kerber@qsil.com<br />

www.siceram.de<br />

Consulting:<br />

Prof. Dr. Jürgen Knorr<br />

<strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Engineering<br />

GWT-TUD GmbH<br />

World Trade Center<br />

01067 Dresden, Germany<br />

juergen.knorr@tu-dresden.de<br />

atoms <strong>for</strong> climate<br />

核<br />

能<br />

与<br />

气<br />

候<br />

jürgen knorr<br />

albert kerber<br />

steps on nuclear silk road<br />

www.ceramics-<strong>for</strong>-nuclear.info


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

KTG-Fachinfo 29/2022 vom 12.12.2022:<br />

Vorentscheidung für Ausbau der<br />

Kernenergie in den Niederlanden<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG,<br />

am vergangenen Freitag, 9. Dezember hat das niederländische<br />

Kabinett eine Vorentscheidung für den Neubau eines<br />

Kernkraftwerks mit zwei Blöcken am Standort Borssele in der<br />

Provinz Zeeland beschlossen, wie in einer Mitteilung berichtet<br />

wurde. Es sollen bis 2035 zwei Blöcke mit einer Leistung<br />

zwischen 1000 und 1650 MW in Betrieb genommen werden,<br />

die bis zu 24 Terawattstunden Strom erzeugen und 9 bis 13<br />

Prozent des erwarteten niederländischen Stromverbrauchs<br />

des Jahres 2035 decken sollen. Der Betrieb des am Standort<br />

befindlichen Kernkraftwerks Borssele soll möglichst über<br />

2033 hinaus verlängert werden.<br />

Neben dem Ausbau von Wind- und Sonnenkraft solle die<br />

Kernenergie genutzt werden, da die Niederlande alle sauberen<br />

Energiequellen benötigen, um bis 2040 bei der Stromerzeugung<br />

kein CO 2 mehr auszustoßen. Die Kernenergie sei zudem<br />

witterungsunabhängig und trage so zum stabilen Energiemix<br />

bei. Es sollen dabei Anlagen der Generation III+ errichtet<br />

werden, da diese die schnellste Möglichkeit darstellen würden,<br />

einen Beitrag der Kernenergie zu einem stabilen, CO 2 -neutralen<br />

und diversifizierten Energiesystem zu erreichen. Zu diesen<br />

modernsten Reaktortypen, die Verbesserungen in Bezug auf<br />

Sicherheit, Betriebszeit, Brennstofftechnologie und Effizienz<br />

brächten, lägen auch in anderen Ländern umfangreiche Praxiserfahrungen<br />

mit Planung und Finanzierung dieser Technologie<br />

vor.<br />

Die Regierung betrachtet Borssele derzeit als den am besten<br />

geeigneten Standort, da dort ausreichend Platz, viel relevantes<br />

Wissen und nukleare Infrastruktur, wie etwa das Zwischenlager<br />

für radioaktive Abfälle vorhanden sei. Auch sei der Bau<br />

von zwei Reaktoren an einem Standort kostengünstiger. Die<br />

Unterstützung vor Ort sei eine wichtige Bedingung bei der<br />

Standortwahl, weswegen es einen Beteiligungsplan geben<br />

werde, um Anwohner, Organisationen und Unternehmen einzubeziehen.<br />

Dennoch werde auch der Standort Maasvlakte I<br />

nahe Rotterdam weiter in Betracht gezogen. Wie unter<br />

anderem die F.A.Z. berichtet, soll der in Erwägung gezogene<br />

Standort Eemshaven dagegen auch <strong>for</strong>mell als Reservestandort<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Die Regierung konkretisiert mit der Vorentscheidung für Borssele<br />

eine entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertrag<br />

vom Dezember 2021. Innerhalb der Legislaturperiode strebt<br />

die Regierung eine endgültige Entscheidung über den Standort<br />

die Technologie, die Finanzierung, die Rolle der Regierung<br />

und das Ausschreibungsverfahren an. Dafür sollen Studien<br />

die standortspezifischen Umweltauswirkungen, mögliche<br />

Finanzierungsmodelle und die Folgen für das Stromnetz in Verbindung<br />

mit dem Ausbau anderer nachhaltiger Energiequellen<br />

untersuchen. Auch eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

ist vorgesehen. Eine endgültige Standortwahl<br />

wird das Kabinett voraussichtlich frühestens Ende 2024 treffen.<br />

Das am Standort Borssele befindliche Kernkraftwerk ist ein<br />

KWU-Druckwasserreaktor mit zwei Loops und 515 MW Bruttoleistung,<br />

der 1973 ans Netz gegangen ist und derzeit eine<br />

Genehmigung für 60 Kalenderjahre bis 2033 hat. Die Anlage<br />

stellt eine Weiterentwicklung des Kernkraftwerks Obrigheim<br />

dar, die Designmodifikationen enthält wie sie bei der Entwicklung<br />

des Kernkraftwerks Stade vorgenommen wurden.<br />

Das Kabinett hat ebenfalls beschlossen, dass die Anlage über<br />

2033 hinaus weiterbetrieben werden soll, um eine stärkere<br />

Verwendung fossiler Energien und eine wachsende Importabhängigkeit<br />

zu vermeiden. Die Behörde für nukleare Sicherheit<br />

und Strahlenschutz (ANVS) wird damit beauftragt, die technische<br />

und sichere Machbarkeit sowie die Bedingungen einer<br />

Betriebsverlängerung zu prüfen. Diese soll auch dem Erhalt des<br />

kerntechnischen Wissens und der Forschung dienen. Das Kernkraftwerk<br />

Borssele erzeugte 2021 3,6 TWh Strom (netto), was<br />

einem Anteil an der Stromerzeugung von 4 Prozent entspricht<br />

und erreichte eine Zeitverfügbarkeit von über 90 Prozent. Die<br />

Arbeitsverfügbarkeit über die gesamte Betriebszeit liegt bei<br />

84,9 Prozent.<br />

Neben dem KKW Borssele gab es nur den kleinen Siedewasserreaktor<br />

Dodewaard, der 1997 endgültig stillgelegt wurde.<br />

Früher bestehende Pläne zu einem umfangreicheren Ausbau<br />

der Kernenergie wurden wegen der kostengünstigen Verfügbarkeit<br />

großer Mengen Erdgas im noch heute aktiven Gasfeld<br />

Groningen nicht weiterverfolgt. Wegen des gehäuften Auftretens<br />

von Erdbeben wird die Produktion aber heruntergefahren<br />

und soll ganz beendet werden. Der Plan, das eigene Gas durch<br />

Importe aus Russland zu ersetzen, wird seit Ausbruch des<br />

Ukraine-Krieges nicht mehr verfolgt. Die Kohleverstromung in<br />

den Niederlanden soll bis 2030 beendet werden, nicht zuletzt<br />

weil die niederländische Regierung 2018 von einem Gericht<br />

dazu verurteilt wurde, schneller gegen den Klimawandel vorzugehen.<br />

Für die Abschaltung der Kohlekraftwerke sind keine Entschädigungen<br />

vorgesehen, was vor kurzem durch ein Gerichtsurteil<br />

nach Klagen von RWE und Uniper wegen deren Kraftwerken<br />

in Maasvlakte bestätigt wurde. Bei der Finanzierung der neuen<br />

Kernkraftwerke wird die Absicherung gegen u. a. politische<br />

Risiken eine wichtige Rolle spielen, weswegen zunächst 5<br />

Milliarden Euro an Unterstützung für Vorbereitung und Bau<br />

vorgesehen sind. Von den Ausschreibungen, die bis 2024<br />

vorgesehen sind, sollen Lieferanten aus Russland und China<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Die Niederlande sind nun nach Frankreich, Polen und Tschechien<br />

das vierte direkte Nachbarland Deutschlands, das konkrete<br />

Pläne für einen Ausbau der bzw. Einstieg in die Kernenergie<br />

vorgelegt hat. Zusammen mit der Vorentscheidung<br />

für das zweite große Bauprojekt im Vereinigten Königreich<br />

61<br />

KTG-FACHINFO<br />

KTG-Fachinfo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

62<br />

KTG-FACHINFO<br />

am Standort Sizewell und dem Wunsch der schwedischen<br />

Regierung nach einem Ausbau der Kernenergie, für die staatliche<br />

Kreditbürgschaften in Höhe von 36 Milliarden Euro vorgesehen<br />

werden sollen, erscheint das Festhalten der deutschen<br />

Politik am Ausstieg aus der Kernkraftnutzung mehr und mehr<br />

aus der Zeit gefallen. Besonders interessant ist die Begründung<br />

einer Verlängerung des Betriebs des Kernkraftwerks Borssele<br />

mit dem Kompetenzerhalt. Dieser würde auch in Deutschland<br />

durch einen Weiterbetrieb wesentlich erleichtert, in Teilen<br />

sogar nur durch diesen ermöglicht. Vielleicht wird sich die<br />

Prognose des französischen Wirtschaftsministers vom vergangenen<br />

Freitag, dass alle große Industrienationen früher oder<br />

später zur Kernenergie zurückkehren werden, weil diese eine<br />

Bedingung der Aufrechterhaltung ihrer Industrie sei, schneller<br />

bewahrheiten als man glaubt.<br />

KTG-Fachinfo 28/2022 vom 15.11.2022:<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

Nicolas Wendler<br />

a Wie wirkt sich der genannte Zeitbedarf von fünf weiteren<br />

Jahren bis zum Vorschlag von Standortregionen auf<br />

die künftigen Regionalkonferenzen und die Standortsicherung<br />

nach § 21 (StandAG) aus?<br />

a Der Zeitbedarf im letzten Schritt von Phase 1 bis zum<br />

Vorschlag von Standortregionen geht gemäß der aktuellen<br />

Angabe der BGE mit zehn Jahren noch über das<br />

Worst-Case-Szenario der Endlagerkommission für diesen<br />

Verfahrensabschnitt hinaus. Welche Annahmen liegen der<br />

im Vergleich günstigeren Abschätzung für alle weiteren<br />

Schritte zugrunde?<br />

a Wie ist die Ankündigung der BGE ab 2024 jährlich über die<br />

Reduzierung der Flächen gegenüber dem Zwischenbericht<br />

Teilgebiete zu berichten, damit zu vereinbaren, dass eine<br />

Entscheidung über die Eingrenzung der Standortregionen<br />

gemäß Standortauswahlgesetz (StandAG) dem Gesetzgeber<br />

vorbehalten ist?<br />

Drastische Änderung beim Zeitbedarf<br />

für die Standortauswahl für ein<br />

Endlager – Never Ending Story?<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG,<br />

Ende vergangener Woche hat die Bundesgesellschaft für<br />

Endlagerung (BGE) angekündigt, dass sie über die erste zeitliche<br />

Abschätzung zum weiteren Verfahren der Standortauswahl<br />

mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,<br />

Reaktorsicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und dem<br />

Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung<br />

(BASE) in eine Diskussion eintreten möchte. Anfang dieser<br />

Woche hat BASE dazu Fragen grundsätzlicher Bedeutung aus<br />

seiner Sicht sowie Anhaltspunkte zur tatsächlichen zeitlichen<br />

Neueinschätzung öffentlich gemacht.<br />

a Planung, Genehmigung und Errichtung eines End lagers<br />

werden nach der Standortentscheidung ca. 20 weitere<br />

Jahre in Anspruch nehmen. Damit könnten gemäß der<br />

Annahme der BGE die ersten hochradioaktiven Abfälle<br />

zwischen 2066 und 2088 eingelagert werden. Welche<br />

Auswirkungen hat dies auf die Auslegung und Sicherheit<br />

der Zwischenlager, deren Genehmigungen sukzessiv ab<br />

2035 auslaufen?<br />

a Welche Konsequenzen ergeben sich aus der zeitlichen<br />

Abschätzung für die Zwischenlagerung/Sicherheit der<br />

schwach- und mittelradioaktiven Abfälle, da für rund<br />

die Hälfte der LAW/MAW-Abfälle aus Deutschland die<br />

Entsorgungsperspektive derzeit an die Standortentscheidung<br />

über ein HAWEndlager gekoppelt ist?<br />

Aus der Mitteilung des BASE geht hervor, dass sich der Rahmen<br />

des Zeitbedarfs für die Standortauswahl vom bisher im<br />

Gesetz genannten Jahr 2031 auf den Zeitraum 2046 bis 2068<br />

verschiebt. Unter der recht optimistischen Annahme des BASE<br />

zum weiteren Zeitbedarf nach der Standortentscheidung<br />

(vertiefte Erkundung, Vorbereitung und Beantragung einer<br />

Errichtungsgenehmigung, Genehmigungs verfahren, Klageweg,<br />

Errichtung, Betriebsgenehmigung, Inbetriebsetzung)<br />

von 20 Jahren würde sich daraus eine Inbetriebnahme des<br />

Endlagers für hoch radioaktive Abfälle und ggf. auch für<br />

einen Teil der schwach- und mittelaktiven Abfälle zwischen<br />

2066 und 2088 ergeben.<br />

Daraus leitet BASE einige Fragestellungen für die weitere<br />

Erörterung zum Zeitbedarf zwischen den drei Institutionen<br />

ab:<br />

a Welche neuen Erkenntnisse liegen dem Zeitraum 2046–<br />

2068 für die Standortentscheidung zu Grunde?<br />

a Zwischenlagerung und Endlagersuche werden aus dem<br />

öffentlichen Fonds Kenfo finanziert. Was bedeutet die<br />

Verlängerung des Verfahrens für die verbleibenden<br />

Mittel?<br />

a Welche neuen Randbedingungen ergeben sich angesichts<br />

der Angriffe auf Nuklearanlagen in der Ukraine und der<br />

Debatte um eine längere Nutzung der Kernenergie?<br />

Das Thema Zeitbedarf des neuen Standortauswahlverfahrens<br />

ist seit der Beratung der ersten Fassung des Stand AG umstritten.<br />

Die Endlagerkommission hatte mehrfach zwischen 2014 und<br />

2016 beim Bundesumweltministerium eine fundierte Abschätzung<br />

einge<strong>for</strong>dert, die aber nie vorgenommen wurde. Schließlich<br />

erstellte die Endlagerkommission eine eigene Abschätzung,<br />

die als Worst-Case-Szenario die Standortentscheidung erst im<br />

Jahr 2079 angenommen hat und ein betriebsbereites Endlager<br />

erst weit im 22. Jahrhundert. Offiziell blieb es aber bis jetzt<br />

immer bei 2031 für den Abschluss der Standortauswahl und<br />

KTG-Fachinfo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

2050 für ein Endlager. Das BASE hatte seinerseits nach Beginn<br />

des Verfahrens eine Abschätzung durch die BGE einge<strong>for</strong>dert,<br />

die nun vorliegt.<br />

Vorwitzig gesprochen könnte man argumentieren, dass man<br />

angesichts solcher Zeitdimensionen gleich noch ein neues<br />

Kernenergieprogramm zwischendurch einschieben könnte. Zu<br />

nennenswerten Verzögerungen würde das wohl nicht führen,<br />

zumal für die Betriebszeit eines HAW-Endlagers rund 40 Jahre<br />

angesetzt werden.<br />

KTG-Fachinfo 27/2022 vom 10.11.2022:<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

Nicolas Wendler<br />

Anhörungen zum Atomgesetz im<br />

Deutschen Bundestag<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG,<br />

am 9. November haben im Deutschen Bundestag zwei<br />

An hörun gen stattgefunden, die das Atomgesetz zum Gegenstand<br />

hatten. Im Petitionsausschuss wurde der Petent der<br />

Petition Stuttgarter Erklärung, die einen längerfristigen<br />

Weiterbetrieb von Kernkraftwerken <strong>for</strong>dert, angehört. Im<br />

Umweltausschuss fand eine Öffentliche Anhörung zu den<br />

Gesetzentwürfen der Bundesregierung sowie der CDU/CSU-<br />

Bundestagsfraktion zu einer 19. Novelle des Atomgesetzes<br />

mit dem Ziel des Weiterbetriebs von Kernkraftwerken bis<br />

zum 15. April 2023 (Bundesregierung) bzw. mindestens<br />

31.12.2024 statt.<br />

In der Sitzung des Petitionsausschusses waren die Parlamentarischen<br />

Staatssekretäre im Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministerium,<br />

Christian Kühn (Bündnis90/Die Grünen)<br />

und Stefan Wenzel (Bündnis90/Die Grünen) anwesend, ebenso<br />

wie später im Umweltausschuss. Die beiden Staatssekretäre<br />

beanspruchten einen erheblichen Teil der in der einstündigen<br />

Sitzung des Petitionsausschusses knapp bemessenen Redezeit<br />

und haben ihre negative Voreingenommenheit gegenüber der<br />

Kernenergie nicht verborgen.<br />

Der Petent, Prof. Dr. André Thess, Institutsleiter am Lehrstuhl<br />

für Energiespeicherung der Universität Stuttgart, plädierte<br />

dafür, die Kernenergie als dritte Säule des Klimaschutzes<br />

zu betrachten und zu nutzen. Er <strong>for</strong>derte auch, auf Begrifflichkeiten<br />

wie „Hochrisikotechnologie“ zu verzichten und<br />

stattdessen Zahlen und Fakten als Diskussionsgrundlagen<br />

zu verwenden. Er verwies darauf, dass die Zahl der Toten als<br />

Folge der Kernenergienutzung pro erzeugter Terawattstunde<br />

deutlich niedriger liege als bei Kohlekraft. Thess verwies darauf,<br />

dass unter anderem das <strong>International</strong> Panelon Climate<br />

Change die Kernenergie als eine Technologie zur Emissionsminderung<br />

empfehle und diese sowohl die Versorgungssicherheit<br />

als auch die Wettbewerbsfähigkeit verbessere,<br />

mithin Dekarbonisierung ohne Deindustrialisierung erlaube.<br />

Thess <strong>for</strong>derte eine Abwägung zwischen den Risiken des Klimawandels<br />

und den Risiken der Kernenergie und eine breite<br />

öffentliche Diskussion auf wissenschaftlicher Basis dazu. Die<br />

in Begleitung von Prof. Thess auftretende Technikhistorikerin<br />

Dr. Anna Veronika Wendland verwies darauf, dass u. a. wegen<br />

der problemlosen Lagerbarkeit relevanter Mengen Urans bei<br />

diesem Rohstoff keine Abhängigkeiten bestünden, die mit der<br />

bei leitungsgebundenen Energieträgern wie russischem Erdgas<br />

vergleichbar sei.<br />

Der Parlamentarische Staatsekretär Wenzel behauptete im<br />

Rahmen seiner Antworten auf Fragen der Abgeordneten, dass<br />

die Kernenergie im Lebenszyklus Emissionen in der Größenordnung<br />

60 bis 70 Gramm pro erzeugter Kilowattstunde erzeuge<br />

und keineswegs als CO 2 -arm zu bezeichnen sei. Er beruft sich<br />

dabei auf eine Metastudie von Benjamin A. Sovocool von 2008,<br />

die einen Mittelwert aus eingeschlossenen Studien – zugleich<br />

wurden sehr viele Studien ausgeschlossen – bildet, wobei die<br />

Bandbreite der berücksichtigten Studienergebnisse zwischen<br />

1,68 Gramm und 288 Gramm pro Kilowattstunde variiert. Der<br />

parlamentarische Staatssekretär Kühn äußerte, dass eine über<br />

die sicherheitstechnisch gerade noch akzeptable Verlängerung<br />

bis zum 15. April verlängerte Laufzeit erhebliche Investitionen<br />

in die Kraftwerke er<strong>for</strong>derlich mache. Kühn verwies auch auf<br />

die nicht gelöste Endlagerfrage, die noch für Generationen<br />

große Schwierigkeiten bereiten und hohe Kosten verursachen<br />

würde. Beide Regierungsvertreter verwahrten sich gegen Vorwürfe<br />

von Abgeordneten hinsichtlich einer Voreingenommenheit<br />

der Bundesregierung bei der Prüfung der Rolle der Kernenergie<br />

in der Energiekrise und betonten die Transparenz im<br />

Verfahren. Die Abgeordneten im Petitionsausschuss fragten<br />

leider sehr häufig die Regierungsvertreter, was dazu führte,<br />

dass die Petenten, die eigentlich im Mittelpunkt der Anhörung<br />

stehen sollten, nur wenig zu Wort kamen. Der Einreicher der<br />

Petition, Prof. Thess, vertrat ja auch die über 58.000 Mitunterzeichner<br />

der Petition. Die Abgeordneten von Bündnis90/Die<br />

Grünen befragten sogar ausschließlich ihre Parteifreunde von<br />

der Regierungseite.<br />

Bei der Öffentlichen Anhörung von Sachverständigen im<br />

Umweltausschuss, einem jahrzehntelangen Schauplatz von<br />

politischen Scharmützeln und Grabenkämpfen um die Kernenergie,<br />

war die Frontstellung ohnehin weitest gehend klar.<br />

Sowohl die Abgeordneten als auch die von den Fraktionen<br />

benannten Sachverständigen verteilten sich auf die bekannten<br />

Grundpositionen für und gegen die Kernenergie. Dies mag<br />

auch damit zusammenhängen, dass es bei der Befassung des<br />

Ausschusses mit den beiden Gesetzentwürfen weder einen<br />

großen sachlichen noch vor allem politischen Spielraum gab,<br />

der dem Ausschuss in seiner inhaltlichen Beratung im weiteren<br />

Tagesverlauf nach der offiziellen Verweisung der Gesetzentwürfe<br />

an den Umweltausschuss im Plenum politische Gestaltungsmöglichkeiten<br />

geben würde.<br />

63<br />

KTG-FACHINFO<br />

KTG-Fachinfo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

64<br />

KTG-FACHINFO<br />

Inhaltlich gab es auf juristischem Gebiet die unterschiedlichen<br />

Positionen von Dr. Dörte Fouquet und Dr. Christian Raetzke.<br />

Fouquet stellte insbesondere heraus, dass nur der Regierungsentwurf<br />

als geringstmöglicher Eingriff einen Weiterbetrieb auf<br />

das rechtlich gesicherte Maß begrenze und wegen des Streckbetriebs<br />

etwa eine Notifizierungspflicht an die EU-Kommission<br />

entfalle. Fouquet kritisiert den Gesetzentwurf der CDU/CSU<br />

und macht geltend, dass durch eine „fast unbeschränkte“ Verlängerung<br />

der Ausstiegscharakter des Atomgesetzes geändert<br />

werden und sich sowohl die Frage einer Zustimmungspflichtigkeit<br />

im Bundesrat stelle, als auch eine grenzüberschreitende<br />

Umweltverträglichkeitsprüfung fällig werde. Dr. Raetzke<br />

betonte insbesondere den durch <strong>for</strong>tlaufende Rechtsprechung<br />

des Bundesverfassungsgerichts bestätigten Handlungsspielraum<br />

des Gesetzgebers, der im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung<br />

sowohl die Nutzung der Kernenergie ermöglichen<br />

als auch beenden könne und widerspricht insoweit<br />

der Gesetzesbegründung im Regierungsentwurf. Dies gelte<br />

auch mit Blick auf den Anfall zusätzlicher radioaktiver Abfälle<br />

im Fall eines längeren Weiterbetriebs. Raetzke erkennt im<br />

Regierungsentwurf Abwägungsdefizite sowohl mit Blick auf<br />

den heute unklaren weiteren Fortgang der Energiekrise nach<br />

dem 15. April 2023 und insbesondere im kommenden Winter<br />

sowie hinsichtlich der Wirkung eines Weiterbetriebs auf die<br />

CO 2 -Emissionen, die durch die Kernkraftwerke maßgeblich<br />

gemindert, durch zusätzliche Kohleverstromung erheblich<br />

erhöht würden.<br />

Mycle Schneider regte in seinem Vortrag an, dass die deutsche<br />

kerntechnische Industrie eine konzertierte Hilfsaktion für die<br />

französische Nuklearindustrie starten solle, nachdem diese<br />

schon Schweißer aus den USA einfliege und Ersatzteile aus Italien<br />

beschaffe. Frau Professor Kemfert stellte aus ihrer Sicht fest,<br />

dass der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke über den 15. April<br />

2023 hinaus nicht zu empfehlen, für die Versorgungssicherheit<br />

nicht er<strong>for</strong>derlich und energiewirtschaftlich kontraproduktiv<br />

sei. Im Verlauf der Fragerunde bestritt sie auch die Relevanz<br />

und Er<strong>for</strong>derlichkeit eines Weiterbetriebs bis zum 15. April für<br />

die Versorgungssicherheit, da die Beiträge zur Versorgungssicherheit<br />

und zur Strompreissenkung sehr gering wären.<br />

Ulrich Waas, ehemaliges Mitglied der Reaktorsicherheitskommission<br />

des Bundes, erklärte, dass der Eindruck, dass<br />

eine umfangreiche Sicherheitsüberprüfung der Anlagen eine<br />

Voraussetzung für einen Weiterbetrieb er<strong>for</strong>derlich sei, falsch<br />

wäre. Vielmehr befänden sich die Konvoi-Anlagen sicherheitstechnisch<br />

auf aktuellem Stand. Ein längerer Weiterbetrieb aus<br />

klimapolitischen Gründen müsse breit diskutiert und in auch<br />

für die Umsetzung angemessenen Fristen entschieden werden.<br />

Dr. Jonas Egerer von der Friedrich-Alexander-Universität<br />

Erlangen-Nürnberg referiert die Ergebnisse einer Kurzstudie<br />

zu den Auswirkungen eines Weiterbetriebs von Kernkraftwerken<br />

in der aktuellen prekären Versorgungs- und Marktsituation.<br />

Dieser hätte den größten Preiseffekt aller kurzfristigen<br />

und von Deutschland beeinflussbaren angebotsseitigen Maßnahmen<br />

und könne im Jahr 2024 den Preis um bis zu 2 Cent<br />

pro Kilowattstunde oder rund 13 Prozent senken.<br />

Dr. Christoph Pfistner vom Ökoinstitut stellt auf das im Ukraine-Krieg<br />

manifest gewordene Bedrohungsszenario kriegerischer<br />

Handlungen an und um kerntechnische Anlagen<br />

ab und erklärt, dass kein Kernkraftwerk gegen kriegerische<br />

Einwirkung geschützt sei. In der Diskussion verneint er aber<br />

eine direkte Übertragbarkeit der Situation auf Deutschland,<br />

da dieses keine Kriegspartei sei. Die Hauptprobleme einer<br />

deutlicheren Verlängerung des Betriebs sieht er in der Periodischen<br />

Sicherheitsüberprüfung und bei der Bereitstellung von<br />

Personal. Dr. Anna Veronika Wendland, Technikhistorikerin<br />

und aktive Befürworterin von Kernenergie und insbesondere<br />

eines längeren Betriebs von Kernkraftwerken in Deutschland<br />

aus Gründen des Klimaschutzes bemängelte am Gesetzentwurf<br />

der Bundesregierung, dass dieser anders als der Gesetzentwurf<br />

von CDU und CSU den Aspekt Klimasicherheit nicht<br />

berücksichtige und keine Neubeladung von Brennelementen<br />

vorsehe. Sie plädierte dafür, im Zusammenhang mit Kernenergienutzung<br />

nicht von Hochrisikotechnolgie zu sprechen, sondern<br />

eher von High Reliability Organisation. Sie befürchtete,<br />

dass die frühe Festlegung eines frühen Endtermins dazu führen<br />

könne, dass man im Zusammenhang mit der Energiekrise<br />

diese Entscheidung wieder korrigieren müsse und verwies als<br />

alternative Möglichkeit auf das Schweizer Modell des Atomausstiegs,<br />

bei dem die Anlagen so lange in Betrieb bleiben<br />

könnten wie dies sicher und wirtschaftlich möglich sei.<br />

Heinz Smital von Greenpeace führt an, dass der erste Block<br />

des Kernkraftwerks Fukushima eine Laufzeitverlängerung<br />

erhalten habe und verweist darauf, dass 36 GW Windkraft in<br />

der Genehmigungspipeline steckten, die innerhalb von sechs<br />

Tagen die gesamte geplante Streckbetriebsleistung erbringen<br />

könnten. [Anm. des Verfassers: dies gilt näherungsweise nur<br />

unter der Annahme einer dauerhaften Erzeugung in Höhe<br />

der installierten Nennleistung]. Smital behauptete, die Versicherungskosten<br />

eines Kernkraftwerksblocks lägen bei 19,5<br />

Milliarden Euro pro Jahr. Dies geschah offenbar auf Grundlage<br />

eines Berichts aus 2011, der eine Unfallschadenssumme<br />

von 6.090 Milliarden Dollar (sic! sechstausendneunzig) unterstellt<br />

hat. Im Verlauf der Diskussion prangerte er einen Verfall<br />

der Sicherheitskultur in Deutschland an und bezeichnete den<br />

„Salami-Betrieb“ in Deutschland als gefährlich, da man etwa<br />

die Spannungsrisskorrosionsbefunde in Frankreich bei einer<br />

10-jährlichen Überprüfung entdeckt habe.<br />

In der Diskussion wird unter anderem das Thema möglicher<br />

Risiken für den Bundeshaushalt aus den Gesetzentwürfen<br />

angesprochen. Frau Fouquet teilt dazu mit, dass ein öffentlichrechtlicher<br />

Vertrag zwischen Betreibern und Bund möglich sei,<br />

nicht aber die kurzfristige Übertragung des Betreiberrisikos<br />

an den Staat wobei sich auch Fragen des europäischen Beihilferechts<br />

und des Trennungsgebots zwischen Betreiber und<br />

KTG-Fachinfo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Aufsicht stellen könnten. Dr. Raetzke stellt in der Diskussion<br />

fest, dass es keine verfassungsrechtlichen Hindernisse gegenüber<br />

der Neubeschaffung und Nutzung von Brennelementen<br />

gebe. Frau Wendland erklärt, dass in der Ukraine das Problem<br />

die russische Besetzung und nicht das Vorhandensein von<br />

Kernkraftwerken sei. Es gehe hier allgemein um kritische<br />

Infrastrukturen im Krieg. Man würde kaum alle Talsperren in<br />

Deutschland abschaffen, weil es eine russische Drohung der<br />

Sprengung eines großen Staudammes in der Ukraine gebe.<br />

Ulrich Waas erklärte, dass eine Wiederinbetriebnahme der<br />

letzten drei abgeschalteten Anlagen prinzipiell technisch<br />

möglich wäre, da an den sicherheitsrelevanten Bauteilen<br />

noch keine Rückbaumaßnahmen durchgeführt worden seien.<br />

Er erklärte, dass mit Blick auf die Reaktordruckbehälter – die<br />

einzige dem Verschleiß unterworfene Komponente, die nicht<br />

ausgetauscht werden könne – die laufenden Anlagen erst<br />

die Hälfte ihres Laufzeitpotentials ausgeschöpft hätten. Die<br />

zeitlich direkt an die Ausschusssitzung anschließende erste<br />

Lesung der 19. AtGNovelle zeigte ein ähnliches Bild. Allenfalls<br />

der offen bekundete Unwille der zuständigen Bundesumweltministerin<br />

gegenüber dem von ihr selbst eingebrachten<br />

Gesetzentwurf entspricht nicht den üblichen Gepflogenheiten.<br />

Dementsprechend machte auch die Ablehnung der Kernenergie<br />

mit unterschiedlichen Argumenten den größten Teil<br />

ihrer Rede aus. Am 11. November soll der Gesetzentwurf um<br />

9 Uhr in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden.<br />

KTG-Fachinfo 26/2022 vom 01.11.2022:<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

Nicolas Wendler<br />

Polnisches Kernenergieprogramm<br />

kommt voran<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG,<br />

die bereits seit rund 10 Jahren bestehenden aktuellen<br />

Planungen für den Einstieg Polens in die Kernenergie – es<br />

gab solche bereits zu Zeiten der Volksrepublik in den achtziger<br />

Jahren – haben in den vergangenen Tagen deutliche<br />

Fortschritte gemacht und sich konkretisiert.<br />

Am Freitag, 28.10. hat der polnische Premierminister Mateusz<br />

Morawiecki bei der <strong>International</strong> Ministerial Conference on<br />

<strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> in the 21st Century der IAEA angekündigt, dass<br />

das erste Projekt am Standort Choczewo an der Ostseeküste<br />

rund 50 Kilometer nord-westlich von Danzig an Westinghouse<br />

vergeben werden soll, wie u. a. powermag.com berichtet. Am<br />

2. November soll eine förmliche Vereinbarung über die Errichtung<br />

von drei Blöcken des Typs AP1000 unterzeichnet werden.<br />

Westinghouse stand im Wettbewerb mit der französischen EDF,<br />

die sich mit dem EPR2 beworben hatte sowie der südkoreanischen<br />

KHNP mit dem APR1400. Morawiecki erklärte, dass eine<br />

starke Allianz zwischen Polen und den Vereinigten Staaten den<br />

Erfolg ihrer gemeinsamen Initiativen garantierten. Die US-Energieministerin<br />

Jennifer Granholm bezeichnete die Entscheidung<br />

als einen großen Schritt, um die Beziehungen zu Polen für die<br />

kommenden Generationen zu stärken und als klare Botschaft<br />

an Russland, dass die atlantische Allianz zusammenstehe. US-<br />

Vizepräsidentin Kamala Harris, die am Zustandekommen der<br />

Vereinbarung mitgewirkt hat, erklärte, dass die Partnerschaft<br />

der Vereinigten Staaten bei diesem Projekt für alle vorteilhaft<br />

sei, da damit der Klimakrise entgegengetreten werden, die<br />

europäische Energiesicherheit gestärkt und die strategische<br />

Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und Polen<br />

vertieft werden könne.<br />

Am 31. Oktober wiederum haben der polnische Kraftwerksbauer<br />

und -betreiber ZE PAK und der staatliche Stromversorger<br />

PGE eine Absichterklärung mit dem koranischen Kernenergie-<br />

und Wasserkraftunternehmen KHNP unterzeichnet, im zentralpolnischen<br />

Patnow, rund 80 Kilometer östlich von Breslau,<br />

ein Kernkraftwerk mit Anlagen des Typs APR1400 zu errichten,<br />

wie u. a. World <strong>Nuclear</strong> News (WNN) berichtet. Der polnische<br />

Vize-Premierminister und Minister für Staatgüter sowie dem<br />

koreanischen Handels- Industrie- und Energieminister haben<br />

parallel eine Vereinbarung zur Unterstützung unterzeichnet. Es<br />

ist laut dem Branchendienst NucNet aktuell nicht ganz klar, welchen<br />

Status diese Absichtserklärung im Kontext des polnischen<br />

Kernenergieprogramms hat, da bislang als zweiter Kernkraftstandort<br />

Belchatow benannt gewesen sei und ein ungenannter<br />

US-Regierungsbeamter geäußert habe, dass eine Entscheidung<br />

für einen zweiten Standort mit AP1000 Reaktoren in einigen<br />

Wochen erwartet werde. Polnischen Medienberichten zufolge<br />

und laut WNN auch gemäß der Absichterklärung handelt es<br />

sich allerdings bei dem Projekt in Patnow um eine Ergänzung<br />

zum bisherigen Plan der Errichtung von 6 bis 9 GW Kernkraftkapazität<br />

an zwei Standorten. Der polnische Vize-Premieminister<br />

Jacek Sasin erklärte bei Unterzeichnung der Absichtserklärung,<br />

dass Polen eine kostengünstige und verlässliche Energiequelle<br />

benötige und dass die Kernenergie in der polnischen Situation<br />

und besonders in der aktuellen geopolitischen Lage für die<br />

Energieunabhängigkeit Polens essentiell sei. Das Unternehmen<br />

ZE PAK ist auch an der Machbarkeitsstudie für die Errichtung<br />

der SMR-Anlage BWRX-300 von General Electric Hitachi für<br />

Synthos Green Energy beteiligt, eine Tochtergesellschaft des<br />

polnischen Chemiekonglomerates Synthos.<br />

Es ist das letzte Wort also noch nicht gesprochen über die<br />

Umsetzung des polnischen Kernenergieprogramms, das die<br />

Inbetriebnahme des ersten Blocks am ersten Standort für 2033<br />

und der weiteren Anlagen bis in die vierziger Jahre vorsieht.<br />

Mit der Entscheidung für Westinghouse für die erste Anlage<br />

und der Absichtserklärung mit KHNP entsteht nun aber eine<br />

sehr konkrete Dynamik für ein recht umfangreiches polnisches<br />

Kernenergieprogramm, das durch die aktuelle geopolitische<br />

und Energiekrise bestätigt wird.<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

Nicolas Wendler<br />

65<br />

KTG-FACHINFO<br />

KTG-Fachinfo


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

VOR 66 EDITORIAL JAHREN 66<br />

Vor 66 Jahren


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

VOR 66 EDITORIAL JAHREN 67<br />

Vor 66 Jahren


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

VOR 66 EDITORIAL JAHREN 68<br />

Vor 66 Jahren


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

VOR 66 EDITORIAL JAHREN 69<br />

Vor 66 Jahren


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

KTG INSIDE 70<br />

Inside<br />

Die KTG gratuliert an dieser Stelle unseren besonderen Jubilaren ab und in ihren „ Neunzigern“.<br />

Wir danken für die lange und treue Mitgliedschaft in der KTG und wünschen noch viele glückliche Lebensjahre.<br />

90 Jahre | 1933 30. Dipl.-Phys. Dieter Pleuger, Kiedrich<br />

93 Jahre | 1930 25. Dr. Hans-Ulrich Borgstedt, Karlsruhe<br />

Herzlichen Glückwunsch!<br />

Die KTG gratuliert ihren Mitgliedern sehr herzlich zum Geburtstag und wünscht ihnen weiterhin alles Gute!<br />

Wenn Sie künftig eine<br />

Erwähnung Ihres<br />

Geburtstages in der <strong>atw</strong><br />

wünschen, teilen Sie dies<br />

bitte der KTG-<br />

Geschäftsstelle mit.<br />

KTG Inside<br />

Lektorat:<br />

Kerntechnische<br />

Gesellschaft e. V. (KTG)<br />

Berliner Straße 88A,<br />

13467 Berlin<br />

E-Mail: info@ktg.org<br />

www.ktg.org<br />

Februar 2023<br />

25 Jahre | 1998<br />

11. Kai Reuter, Jülich<br />

30 Jahre | 1993<br />

17. Daniela Restrepo Godoy, Geesthacht<br />

45 Jahre | 1978<br />

24. Dipl.-Ing. (BA) Sven Jansen, Dresden<br />

55 Jahre | 1968<br />

20. Dr. Josef Engering, Jülich<br />

55 Jahre | 1968<br />

22. Toralf Wolf, Plauen<br />

60 Jahre | 1963<br />

11. Dietmar Schütze, Emmerthal<br />

60 Jahre | 1963<br />

2. Andreas Hoff, Lingen<br />

65 Jahre | 1958<br />

3. Dipl.-Ing. Siegfried Wegerer, Tiefenbach<br />

70 Jahre | 1953<br />

3. Dr. Reinhard Knappik, Dresden<br />

71 Jahre | 1952<br />

22. Dr. Paul David Bottomley,<br />

Pfinztal-Kleinsteinbach<br />

73 Jahre | 1950<br />

12. Karl-Heinz Durst, Hessdorf<br />

74 Jahre | 1949<br />

4. Gerhard Gradel, Forchheim<br />

74 Jahre | 1949<br />

10. Siegfried-P. Kaufmann, Linnich<br />

74 Jahre | 1948<br />

29. Dr. Anton von Gunten, Oberdiessbach<br />

75 Jahre | 1948<br />

7. Dr. Hans-Hermann Remagen, Brühl<br />

75 Jahre | 1948<br />

14. Reinhold Rothenbücher, Erlangen<br />

75 Jahre | 1948<br />

23. Dr. Rudolf Görtz, Salzgitter<br />

76 Jahre | 1947<br />

17. Dr. Peter Urban, Forchheim<br />

78 Jahre | 1945<br />

1. Prof. Alfred Voß, Stuttgart<br />

78 Jahre | 1945<br />

28. Dr. Günther Dietrich, Holzwickede<br />

78 Jahre | 1945<br />

23. Dipl.-Ing. Victor Teschendorff, München<br />

79 Jahre | 1944<br />

26. Dr. Ivar Kalinowski, Ohrum<br />

80 Jahre | 1943<br />

28. Dr. Klaus Tägder, Sankt Augustin<br />

80 Jahre | 1943<br />

20. Ing. Leonhard Irion, Rückersdorf<br />

80 Jahre | 1943<br />

5. Dr. Joachim Banck, Heusenstamm<br />

81 Jahre | 1942<br />

22. Dipl.-Dr. Cornelis Broeders, Linkenheim<br />

83 Jahre | 1940<br />

13. Dr. Hans-Ulrich Fabian, Gehrden<br />

83 Jahre | 1940<br />

9. Dr. Gerhard Preusche, Herzogenaurach<br />

84 Jahre | 1939<br />

22. Dr. Manfred Schwarz, Dresden<br />

84 Jahre | 1939<br />

8. Dr. Herbert Spierling, Dietzenbach<br />

85 Jahre | 1938<br />

15. Dr. Hans-Heinrich Krug, Saarbrücken<br />

86 Jahre | 1937<br />

6. Dipl.-Ing. Heinrich Moers, Winter Park / USA<br />

86 Jahre | 1937<br />

18. Dipl.-Ing. Hans Wölfel, Heidelberg<br />

86 Jahre | 1937<br />

11. Dr. Günter Keil, Sankt Augustin<br />

87 Jahre | 1936<br />

17. Dr. Helfrid Lahr, Wedemark<br />

87 Jahre | 1936<br />

6. Dr. Ashu-Tosh Bhattacharyya, Erkelenz<br />

89 Jahre | 1934<br />

12. Dipl.-Ing. Horst Krause, Radebeul<br />

89 Jahre | 1934<br />

9. Dr. Horst Keese, Rodenbach<br />

März 2023<br />

45 Jahre | 1978<br />

10. Sven Nothvogel, Bad Vilbel / CH<br />

55 Jahre | 1968<br />

30. Dr. Heiko Ringel, Offingen<br />

55 Jahre | 1968<br />

20. Thomas Wiese, Ebermannstadt<br />

72 Jahre | 1951<br />

30. Dipl.-Ing. (FH) Adelbert Geßler,<br />

Zusmarshausen<br />

72 Jahre | 1951<br />

3. Dipl.-Ing. Günter Müller, Mühlheim<br />

73 Jahre | 1950<br />

23. Hans-Dieter Schmidt, Dortmund<br />

74 Jahre | 1949<br />

27. Walter Defren, Heddesheim<br />

74 Jahre | 1949<br />

5. Dipl.-Ing. Hans Gawor, Bad Honnef<br />

75 Jahre | 1948<br />

13. Dipl.-Kfm. Jochen Bläsing, Mörlenbach<br />

76 Jahre | 1947<br />

6. Dr. Michael Weis, Rödermark<br />

78 Jahre | 1945<br />

20. Dipl.-Ing. Herbert Niederhausen,<br />

Gebhardshain<br />

78 Jahre | 1945<br />

4. Dr. Bernd Hofmann, Eggenstein-Leopoldsh.<br />

78 Jahre | 1945<br />

11. Dr. Ulrich Krugmann, Erlangen<br />

78 Jahre | 1945<br />

11. Joachim Lange, Burgdorf<br />

79 Jahre | 1944<br />

11. Hamid Mehrfar, Dormitz<br />

79 Jahre | 1944<br />

2. Dr. Peter Schnur, Hannover<br />

79 Jahre | 1944<br />

10. Prof. Dr. Reinhard Odoj, Hürtgenwald<br />

80 Jahre | 1943<br />

20. Dipl.-Ing. Jörg Brauns, Hanau<br />

80 Jahre | 1943<br />

16. Dipl.-Ing. Jochen Heinecke, Kürten<br />

83 Jahre | 1940<br />

1. Dipl.-Ing. Wolfgang Stumpf, Moers<br />

83 Jahre | 1940<br />

18. Dipl.-Ing. Friedhelm Hülsmann, Garbsen<br />

83 Jahre | 1940<br />

3. Dipl.-Ing. Eberhard Schomer, Erlangen<br />

83 Jahre | 1940<br />

7. Dr. Volker Klix, Gehrden<br />

84 Jahre | 1939<br />

1. Prof. Dr. Günter Höhlein, Unterhaching<br />

87 Jahre | 1936<br />

19. Dr. Hermann Hinsch, Hannover<br />

88 Jahre | 1935<br />

20. Dr. Jürgen Ahlf, Neustadt in Holstein<br />

88 Jahre | 1935<br />

2. Dipl.-Ing. Joachim Hospe, München<br />

KTG Inside


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

Nachruf<br />

Dr.-Ing. Jürgen Wehmeier<br />

12. Dezember 1940<br />

in Münster<br />

3. August 2022<br />

in Bennigsen<br />

Jürgen Wehmeier ist in Pollhagen<br />

bei Stadthagen in Niedersachsen<br />

aufgewachsen und legte sein<br />

Abitur 1960 am Stadthäger Gymnasium<br />

ab. Das Ingenieursstudium in<br />

der „Fachrichtung Steine und Erden“ absolvierte er an<br />

der Bergakademie Clausthal Zellerfeld. Dem Abschluss<br />

als Dipl.-Ing. 1967 folgte im selben Jahr die Hochzeit mit<br />

seiner Frau Anita.<br />

Das Angebot seines späteren Doktorvaters Prof. H.-W.<br />

Hennicke vom Lehrstuhl Glas und Keramik der Clausthaler<br />

Universität zur Promotion, welches durch ein<br />

Stipendium der Porzellanfabrik Arzberg finanziert war,<br />

nahm er gern an und wurde am 15. Juli 1970 promoviert.<br />

Die damaligen großen Erwartungen in die friedliche<br />

Nutzung der Kernenergie führten Jürgen Wehmeier in<br />

die Entwicklungsabteilung der Firma Nuklear-Chemieund<br />

Metallurgie-Gesellschaft (spätere NUKEM) in<br />

Hanau. Der Fokus lag auf der Entwicklung von keramischen<br />

Kernbrennstoffen und Herstellungsverfahren.<br />

für die Koordination des Kontakts<br />

und In<strong>for</strong>mationsaustauschs<br />

zwi schen den Fachbereichen des<br />

TÜV und den Genehmigungsbehörden<br />

sowie der Abstimmung<br />

mit der auftraggebenden Industrie<br />

und weiteren beteiligten Institutionen.<br />

Zu den Aufgaben zählte<br />

auch die Vertretung der erstellten<br />

Gutachten in Erörterungsterminen<br />

in atomrechtlichen Genehmigungsverfahren.<br />

Nach seinem Renteneintritt am 1. Mai 2004 bis Ende<br />

Dezember 2010 nahm Jürgen Wehmeier eine Beratungstätigkeit<br />

auf, um seine Kenntnisse und Erfahrungen<br />

bei der Errichtung und beim Betrieb von Endlagern<br />

weiterzugeben.<br />

Das Interesse an seinem Studienfach begleitete ihn nicht<br />

nur bei seiner beruflichen Tätigkeit, sondern auch stets<br />

im Privaten. Die in ersten Praktika erworbenen und im<br />

Studium vertieften Kenntnisse der Geologie und Mineralogie<br />

begeisterten ihn zeit seines Lebens machten<br />

ihn in seiner Freizeit zum begeisterten Steinesammler.<br />

Auch im Ruhestand war ihm der Kontakt zu ehemaligen<br />

Kollegen wichtig und er nahm gern an gemeinsamen<br />

Segeltouren teil und freute sich über Begegnungen z. B.<br />

beim Besuch von NDR-Konzerten.<br />

KTG INSIDE 71<br />

Die kritische Sicht der Gesellschaft auf die Nutzung der<br />

Kernenergie aufgrund der die damit einhergehenden<br />

Gefahrenpotentiale als auch der Wunsch mit seiner<br />

inzwischen um zwei Kinder gewachsene Familie wieder<br />

in das heimatliche Umfeld zurückzukehren, gaben den<br />

Ausschlag zum 1. September 1977 eine Stelle beim<br />

Technischen Überwachungsverein Hannover e. V.<br />

(später TÜV Nord) in der Abteilung Kerntechnik und<br />

Strahlenschutz anzunehmen.<br />

Wir vermissen ihn sehr und danken der KTG<br />

für die Möglichkeit dieses Nachrufs.<br />

Im Namen der Familie<br />

Isabelle Tirschmann, geb. Wehmeier<br />

In den 25 Jahren seiner Zugehörigkeit beim TÜV<br />

Hannover beschäftigte sich Jürgen Wehmeier überwiegend<br />

mit den Themen Herstellung von Brennelementen<br />

für Kernkraftwerke, Behandlung und Konditionierung<br />

von radioaktiven Abfällen und Zwischenund<br />

Endlagerung von radioaktiven Abfällen. Beim<br />

Erstellen von Globalgutachten sorgte er insbesondere<br />

KTG Inside


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

KTG INSIDE 72<br />

50 Jahre (Kern-)Energiediskussion –<br />

haben wir etwas gelernt?<br />

Dr.-Ing. Hans-Georg Willschütz, Sprecher KTG-Sektion NORD<br />

Am Dienstag, den 8. November 2022 fand von<br />

17:00 Uhr bis ca. 18:45 Uhr der Online-Vortrag<br />

„50 Jahre (Kern-)Energiediskussion – haben wir<br />

etwas gelernt?“ statt.<br />

ONLINE-VORTRAG<br />

Der Referent Herr Dipl.-Phys. Ulrich Waas sprach<br />

zunächst etwa eine Stunde und führte dabei<br />

durch seine Folien. Danach entwickelte sich eine<br />

lebhafte Diskussion, in der noch etliche Fragen<br />

behandelt wurden.<br />

Mit deutlich über 100 Teilnehmern war die Veranstaltung<br />

wieder ein schöner Erfolg, der für<br />

dieses Format von KTG-Veranstaltungen spricht.<br />

Was war der Inhalt des Vortrags?<br />

Nach der Ölpreiskrise 1973 entwickelte sich eine<br />

gewaltige Euphorie zur Kernenergie (fast) alle<br />

waren dafür, Regierung, Parlament, Verbände,<br />

Kirchen. Knapp 40 Jahre später, nach Fukushima<br />

2011, waren (fast) alle dagegen, Regierung, Parlament,<br />

viele Verbände, Kirchen.<br />

In der anschließenden Diskussion wurden teilweise<br />

konkrete technische Fragen gestellt. Beispielsweise<br />

warum Herr Waas den DFR kritisch<br />

beurteilt oder warum aktuell so viele französische<br />

KKW außer Betrieb sind.<br />

Die Fragen wurden umfassend beantwortet, wobei<br />

das Fachwissen des Referenten beeindruckte.<br />

Insgesamt war dies eine erfolgreiche Veranstaltung<br />

mit Teilnehmern aus ganz Deutschland und<br />

teilweise aus dem angrenzenden Ausland, so<br />

dass eine Fortsetzung dieses Online-Formats geplant<br />

ist.<br />

Referent<br />

Dipl.-Phys. Ulrich Waas<br />

p Was hat den Umschwung verursacht?<br />

p Welche Fehler haben die Befürworter<br />

gemacht?<br />

p Was kann man daraus lernen?<br />

Zu diesen Punkten stellte Herr Waas seine Gedanken<br />

dar, spiegelte sie an Beispielen aus seinem<br />

Berufsleben und gab Empfehlungen für die<br />

Zukunft beim Streitthema Kernkraft in Deutschland<br />

oder auch allgemein beim Umgang mit gesellschaftlichen<br />

Konfliktthemen.<br />

Herr Dipl.-Phys. Ulrich Waas war von 1975 bis 2012 bei KWU und ihren Nachfolgeunternehmen<br />

mit den Aufgabengebieten: Inbetriebsetzung von Druckwasserreaktoren,<br />

Grundsatzfragen in der Öffentlichkeitsarbeit, Sicherheitsberichte,<br />

technische Vertretung in Verwaltungsgerichtsverfahren, Sicherheitsfragen und<br />

deterministische Sicherheitsanalysen für DWR. Darüber hinaus war er von 1998<br />

bis 2012 Mitglied im Kerntechnischen Ausschuss, von 2005 bis 2016 Mitglied im<br />

Ausschuss Anlagen- und Systemtechnik der Reaktor-Sicherheitskommission und<br />

von 2010 bis 2021 Mitglied der Reaktor-Sicherheitskommission.<br />

www.ktg.org<br />

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ebenso wie uns am Herzen liegt, wenn Sie Teil des kerntechnischen Netzwerkes<br />

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Engagement für Ihre Überzeugungen wichtig ist, sollten Sie nicht länger zögern!<br />

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KTG Inside


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ISSN 1431-5254


<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 1 ı Januar<br />

74<br />

<strong>International</strong> Conference on <strong>Nuclear</strong><br />

Decommissioning 2022 – Rückblick<br />

NEWS<br />

Im November 2022 fand die 11. ICOND zum internationalen Austausch<br />

der Community für nuklearen Rückbau und Entsorgung erneut im<br />

Eurogress Aachen statt. Mit mehr als 460 Teilnehmenden und 51 Unternehmen,<br />

die ihre Produkte und Dienstleistungen in der begleitenden<br />

Ausstellung präsentierten, war es die bisher größte ICOND. Der Pre-<br />

Conference Workshop widmete sich insbesondere innovativen<br />

Methoden und Technologien der radiologischen Abfall- und Anlagencharakterisierung<br />

sowie technischer Lösungen zum Materialtransport<br />

im Rückbau. Das modernste Beschichtungsverfahren, das Kaltgasspritzen,<br />

wurde ebenfalls präsentiert. Durch dieses Verfahren können<br />

korrosionsbeständige Beschichtungen mit hoher Enddichte, hoher thermischer<br />

und elektrischer Leitfähigkeit sowie Homogenität aufgebracht<br />

werden.<br />

Nachdem Herr Dr. Cord-Heinrich Lefhalm, Leiter der Rückbausteuerung<br />

der RWE <strong>Nuclear</strong> GmbH, zum Thema „Innovationen für einen effizienten<br />

Rückbau“ die ICOND eröffnete und den Rückbau<strong>for</strong>tschritt in der RWE-<br />

Flotte skizziert hatte, erläuterte er an konkreten Projekten Optimierungspotenziale<br />

zur Effizienzsteigerung. Die besonderen Heraus<strong>for</strong>derungen<br />

diese Optimierungen im industriellen kerntechnischen Umfeld<br />

zu implementieren, wurden durch Ihn analysiert und aus dem Auditorium<br />

wurden hierzu zahlreiche Fragen gestellt. Peter Berben, Leiter des<br />

Bereichs für Stilllegung und Management radioaktiver Abfälle bei<br />

ENGIE, gab ein Statusupdate des belgischen Rückbauprogramms.<br />

Vorträge im Themenblock „Strategien und Marktentwicklungen“<br />

stellten VR unterstütze Projekte sowie ganzheitliche, KI-basierte<br />

Projektplanungstools vor, die Effizienzsteigerungen in Rückbauprojekten<br />

ermöglichen. Anschließend wurden laufende Projekte und<br />

hieraus gewonnene Erfahrungen vorgestellt. Herr Dr. Ralf Versemann<br />

(Hochtemperatur-Kernkraftwerk GmbH) stellte die Erfahrungen nach<br />

nunmehr 25 Jahren sicheren Einschluss des Thorium-Hochtemperaturreaktors<br />

(THTR) vor. Vertreter des spanischen Staatsunternehmens für<br />

den Rückbau- und Entsorgung kerntechnischer Anlagen und Abfälle<br />

(ENRESA) präsentierten anschaulich den gesamten Rückbau des KKW<br />

Jose Cabrera. Krönenden Abschluss des Dienstages bildete das von<br />

ENGIE und EQUANS gesponsorte Conference Dinner im Schloss Rahe.<br />

Nach umfänglichem Abendessen sorgte ein DJ für ausgelassene Partystimmung.<br />

Die Demontage eines Reaktorgebäudedeckenkrans mittels eines<br />

Gerüstes sowie die Themen: Robotik, Zerlege- und Dekontaminationstechnologien<br />

sowie Modellierung der Logistik im Kernkraftwerk wurden<br />

am zweiten Konferenztag im Themenblock „Rückbautechnologien“<br />

vorgestellt. Neu entwickelte Werkzeuge, wie ein mobiles Anbaugerät<br />

zur automatisierten Rissüberfräsung, oder zum Kaltschneiden von<br />

Stutzen des Reaktordruckbehälters wurden präsentiert. Mit seinem<br />

Vortrag zur verbesserten Aktivitätsbestimmung von Abfallfässern eröffnete<br />

Thierry Delvigne (Syscade) das Thema „Anlagen- und Abfallcharakterisierung“<br />

und Dr. Bo Cederwall schloss mit seiner Vorstellung der<br />

| Keynote von Herrn Dr. Cord-Henrich Lefhalm.<br />

Neutronen-Gamma-Emissions-Tomographie ab. Den letzten Konferenztag<br />

eröffnete Niels Belmans von der SCK CEN Academy zur „EURAD<br />

School of Radioactive Waste Management". Arne Larsson von Cyclife<br />

Sweden AB rundete den Themenblock „Reststoffmanagement & -freigabe“<br />

mit seinem Vortrag zur Freigabe und Recycling von Metallen zu<br />

neuen Produkten, zu einem stimmigen Gesamtpaket ab.<br />

Die bewährten Netzwerk<strong>for</strong>mate wie das „Business Speed Networking“<br />

fanden wieder regen Zulauf. Im Rahmen der „Exhibitor Road Show“<br />

stellten sich die ausstellenden Unternehmen jeweils binnen 2 Minuten<br />

mehreren Kleingruppen vor. Beim „Get Together“, gesponsort durch die<br />

DORNIER Group, wurden zahlreiche neue Geschäfte und Kooperationen<br />

angebahnt, so die Aussage von Vertretern der Unternehmen. Studenten<br />

und Young Professionals bauten im „Meet your Company“ erste<br />

Kontakte zu möglichen zukünftigen Arbeitgebern auf.<br />

Die nächste ICOND findet vom 13. bis zum 16. November 2023<br />

erneut in Aachen statt.<br />

Weitere In<strong>for</strong>mationen und Teilnahmeoptionen finden Sie unter<br />

www.icond.de.<br />

| Ausstellungsbereich der ICOND 2022.<br />

News


EINLADUNG<br />

ZUR EINREICHUNG<br />

VON FACHBEITRÄGEN<br />

1 6 . K O N T E C<br />

S Y M P O S I U M<br />

16. <strong>International</strong>es Symposium "Konditionierung<br />

radioaktiver Betriebs- und Stilllegungsabfälle"<br />

einschließlich<br />

16. Statusbericht des BMBF "Stilllegung und<br />

Rückbau kerntechnischer Anlagen"<br />

kontec-symposium.com/call-<strong>for</strong>-papers<br />

30.08. - 01.09.2023 | kontec-symposium.de | @KontecSymposium<br />

MARITIM Hotel & <strong>International</strong>es Congress Center Dresden


Mitglied werden<br />

Women in <strong>Nuclear</strong> (WiN) Germany fördert die Bildung und das<br />

Netzwerken auf den Gebieten Kernenergie, Strahlenschutz,<br />

Nuklearmedizin und nukleare Wissenschaften.<br />

Wir bieten:<br />

Eine Platt<strong>for</strong>m für den regelmäßigen Austausch von Ideen,<br />

In<strong>for</strong>mationen und Erfahrungen auch auf internationaler Ebene<br />

Nachwuchsförderung mit dem Fokus auf das berufliche Fortkommen<br />

insbesondere weiblicher Fachkräfte<br />

Regelmäßige Web-Seminare zu kerntechnischen Themen<br />

Jährliche Verleihung des WiN Germany Preises an eine Hochschulabsolventin<br />

für ihre wissenschaftliche Arbeit im nuklearen Bereich<br />

Kontakt<br />

WiN Germany e.V. E-Mail: info@win-germany.org<br />

Homepage: win-germany.org<br />

Keine Mitgliedsbeiträge, Spenden steuerlich absetzbar.<br />

Kontoinhaber: WiN Germany e.V.<br />

Deutsche Skatbank IBAN DE92 8306 5408 0004 0510 50

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