K lima w a n d e l & W a sse rk ra ft - SWV
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Totensee/Grimsel, Bild: KWO, Foto R. Bösch<br />
Totensee/Grimsel, Bild: KWO, Foto R. Bösch<br />
4-2011<br />
8. Dezember 2011<br />
· K<strong>lima</strong>wandel und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
· Integ<strong>ra</strong>les Flussgebiets-<br />
Management «Teil 2»<br />
· Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
· 100. Hauptversammlung <strong>SWV</strong>
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II «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden<br />
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Roger Pfammatter<br />
Geschä<strong>ft</strong>sführer <strong>SWV</strong>,<br />
Directeur ASAE<br />
Gewinner und Verlierer<br />
Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie<br />
die Zukun<strong>ft</strong> betreffen – dieses unter anderem dem<br />
früheren britischen Premierminister Winston Churchill<br />
zugeschriebene Zitat passt auch auf den K<strong>lima</strong>wandel<br />
und seine Auswi<strong>rk</strong>ungen. Die Unsicherheiten über die<br />
vo<strong>ra</strong>ussichtlichen Veränderungen sind gross und die<br />
Zusammenhänge komplex. Klar und augenscheinlich<br />
ist eigentlich nur, dass der Wandel stattfindet. Gut zu<br />
beobachten ist das beispielsweise am <strong>ra</strong>sant vo<strong>ra</strong>nschreitenden<br />
Abschmelzen unserer Gletscher. Bis<br />
Ende des 21. Jahrhunderts werden die Eisma<strong>sse</strong>n<br />
in der Schweiz vo<strong>ra</strong>ussichtlich verschwunden sein.<br />
Das ergibt nicht nur ein komplett neues Bild unserer<br />
Berglandscha<strong>ft</strong>, sondern hat auch weit ernstha<strong>ft</strong>ere<br />
Folgen.<br />
Die Relevanz des K<strong>lima</strong>wandels in der Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong><br />
ist vielfältig. Auf der einen Seite weist die<br />
Nutzung der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong>rä<strong>ft</strong>e unter allen Stromquellen<br />
die geringsten Emissionen von Treibhausgasen auf<br />
und trägt damit am wenigsten zur Erwärmung bei.<br />
Auf der anderen Seite bewi<strong>rk</strong>t der Wandel relevante<br />
Veränderungen am Wa<strong>sse</strong>rhaushalt: höhere Tempe<strong>ra</strong>turen,<br />
Gletscherschmelze und veränderte Niederschlagsmuster<br />
haben direkte Folgen für die Menge<br />
und zeitliche Verteilung der Abflü<strong>sse</strong> in unseren Ge-<br />
Des gagnants et des perdants<br />
Les pronostics sont difficiles, surtout lorsqu’ils<br />
concernent l’avenir – cette citation de l’ancien Premier<br />
ministre britannique Winston Churchill est aussi valable<br />
pour le changement c<strong>lima</strong>tique et ses consé-quences.<br />
Les incertitudes liées aux changements attendus sont<br />
élevées et les liens complexes. En réalité, seul est clair<br />
et évident que le changement ait lieu; ce qu’on peut<br />
observer par la fonte inexo-<strong>ra</strong>ble de nos glaciers.<br />
Ainsi, au rythme actuel, les ma<strong>sse</strong>s de glace auront<br />
probablement disparu de la Sui<strong>sse</strong> à la fin du 21 ème<br />
siècle. Non seulement cela modifie<strong>ra</strong>it profondément<br />
l’image de nos monta-gnes, mais des conséquences<br />
bien plus fâcheuses sont à prévoir.<br />
Les effets du changement c<strong>lima</strong>tique pour<br />
l’aménagement des eaux sont divers. D’un côté,<br />
l’utilisation des énergies hyd<strong>ra</strong>uliques est la source<br />
de cou<strong>ra</strong>nt présentant la plus faible émission en gaz à<br />
effet de serre, contribuant ainsi le moins au réchauffement.<br />
D’un autre côté, le changement modifie considé<strong>ra</strong>blement<br />
le régime des eaux: la hau<strong>sse</strong> des tempé<strong>ra</strong>tures,<br />
la fonte des glaciers et les modifications<br />
du schéma des précipitations ont des conséquences<br />
directes sur la quantité et sur la distribution temporelle<br />
des écoulements dans nos cours d’eau. Cela<br />
concerne en particulier la protection contre les crues<br />
(accumulation des événements extrêmes), la conser-<br />
Editorial<br />
wä<strong>sse</strong>rn. Das betrif<strong>ft</strong> insbesondere den Hochwa<strong>sse</strong>rschutz<br />
(Häufung von Extremereigni<strong>sse</strong>n), den Erhalt<br />
wertvoller Gewä<strong>sse</strong>rlebensräume (längere Trockenperioden,<br />
höhere Wa<strong>sse</strong>rtempe<strong>ra</strong>turen) und die Nutzung<br />
der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> (Geschiebebewegungen, Veränderung<br />
Abflussmengen und Produktion).<br />
Die Auswi<strong>rk</strong>ungen auf den K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sbetrieb<br />
wurden während der letzten drei Jahre mit der bisher<br />
umfa<strong>sse</strong>ndsten Studie untersucht (vgl. dazu die<br />
Artikelserie ab Seite 265 in diesem He<strong>ft</strong>). K<strong>lima</strong>-, Abfluss-<br />
und Gletschermodellierungen wurden mit Betriebsdaten<br />
zusammengeführt und da<strong>ra</strong>us die Veränderung<br />
der Stromproduktion abgeschätzt. Entgegen<br />
früher prognostizierter gro<strong>sse</strong>r Verluste kommen die<br />
Forscher zum Schluss, dass bis 2050 unter dem Strich<br />
keine wesentliche Veränderung der Jahresproduktion<br />
zu erwarten ist. Allerdings ist mit einschneidenden saisonalen<br />
und regionalen Umverteilungen zu rechnen.<br />
Es wird Produktionsgewinner und -verlierer geben.<br />
Zu Ersteren werden vermutlich die Laufk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e an<br />
den Mittellandflü<strong>sse</strong>n gehören, zu Letzteren die Speiche<strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
im südlichen Wallis und Tessin. Es ist<br />
dies nicht die letzte Wahrheit – aber die Daten sind gut<br />
genug, um sich mit möglichen Anpassungsmassnahmen<br />
auseinanderzusetzen.<br />
vation des biotopes aquatiques d’intérêt (périodes de<br />
séchere<strong>sse</strong> plus étendues, tempé<strong>ra</strong>tures plus élevées<br />
de l’eau) et l’utilisation de l’énergie hyd<strong>ra</strong>ulique (mouvement<br />
des alluvions, modification des écoulements<br />
et production hyd<strong>ra</strong>ulique).<br />
Au cours des trois dernières années, les conséquences<br />
sur les cent<strong>ra</strong>les hyd<strong>ra</strong>uliques ont été examinées<br />
par la plus vaste étude menée jusqu’ici (cf. la<br />
série d‘article dès la page 265 de cette revue). Des modélisations<br />
du c<strong>lima</strong>t, de l’écoulement et des glaciers<br />
ont été réunies avec les données des exploitations, de<br />
sorte que l’on pui<strong>sse</strong> estimer la modification de la production<br />
électrique. En fin de compte, à l’encontre de<br />
résultats antérieurs pronostiquant de g<strong>ra</strong>ndes pertes,<br />
les chercheurs sont arrivés à la conclusion qu’aucune<br />
modification e<strong>sse</strong>ntielle de la production annuelle<br />
n’est à attendre d’ici 2050. Toutefois, d’importantes<br />
redistributions saisonnières et régionales sont à prévoir.<br />
En termes de production, il y au<strong>ra</strong> des gagnants<br />
et des perdants. Les aménagements le long des fleuves<br />
du Plateau feront probablement partie du premier<br />
groupe, les aménagements à accumulation au sud du<br />
Valais et au Tessin du deuxième groupe. Ces faits ne<br />
sont pas inéluctables – néanmoins ces données doivent<br />
être considérées afin d’y faire face avec des mesures<br />
d‘adaptation adéquates.<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden III
265<br />
267<br />
273<br />
278<br />
285<br />
292<br />
300<br />
308<br />
Inhalt 4l2011<br />
Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung –<br />
Einleitung und Überblick über das Projekt<br />
Bruno Schädler, Rolf Weingartner, Massimiliano Zappa<br />
Lokale K<strong>lima</strong>szenarien für die K<strong>lima</strong>impaktforschung in der Schweiz<br />
Thomas Bosshard, Sven Kotlarski, Christoph Schär<br />
Veränderung der Gletscher und ihrer Abflü<strong>sse</strong> 1900–2100 – Fallstudien<br />
Gornergletscher und Mattma<strong>rk</strong><br />
Daniel Farinotti, Andreas Bauder, Martin Funk<br />
Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung auf die Geschiebef<strong>ra</strong>cht in Einzugsgebieten<br />
von K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sanlagen im Kanton Wallis<br />
Mélanie Raymond P<strong>ra</strong>long, Jens Martin Turowski, Dieter Rickenmann<br />
Alexander Beer, Valentin Mét<strong>ra</strong>ux, Thierry Gla<strong>sse</strong>y<br />
Auswi<strong>rk</strong>ungen auf die Wa<strong>sse</strong>rverfügba<strong>rk</strong>eit und Stromproduktion an<br />
den Beispielen Oberhasli und Mattma<strong>rk</strong><br />
Manfred Stähli, Mélanie Raymond-P<strong>ra</strong>long, Massimiliano Zappa<br />
Andreas Ludwig, F<strong>ra</strong>nk Paul, Thomas Bosshard, Christian Dup<strong>ra</strong>z<br />
Einfluss der K<strong>lima</strong>änderung auf die Stromproduktion der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
Löntsch und Prättigau<br />
Pascal Hänggi, Sonja Angehrn, Thomas Bosshard, Eivind Helland<br />
Donat Job, Daniel Rietmann, Bruno Schädler, Robert Schneider<br />
Rolf Weingartner<br />
Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
in der Schweiz 2021–2050 – Hochrechnung<br />
Pascal Hänggi, Rolf Weingartner, Ma<strong>rk</strong>us Balmer<br />
K<strong>lima</strong>wandel: Handlungsbedarf für die schweizerischen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>betreiber?<br />
Daniel Spreng<br />
IV «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden<br />
185<br />
265<br />
279<br />
308
315<br />
340<br />
Integ<strong>ra</strong>les Flussgebietsmanagement/<br />
Gestion intég<strong>ra</strong>le de l’espace fluvial «Teil 2»<br />
Flussgebietsmodellierung mit der Simulationsso<strong>ft</strong>ware BASEMENT<br />
David Vetsch, Patric Rou<strong>sse</strong>lot, Roland Fäh<br />
Refuges à poissons aménagés dans les berges de rivières<br />
soumises aux éclusées<br />
Jean-Marc Ribi, Jean-Louis Boillat, Armin Peter, Anton Schleiss<br />
Der hydromorphologische Index der Diversität – «eine Messlatte<br />
für das ökologische Potenzial von Hochwa<strong>sse</strong>rschutzprojekten»<br />
Walter Gostner, Anton Schleiss<br />
Die beiden Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektionen in historischer Perspektive<br />
Matthias Nast<br />
Neuer Schub für die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>!<br />
Caspar Baader<br />
Protokoll der 100. ordentlichen Hauptversammlung des<br />
Schweizerischen Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sverbandes,<br />
vom Donnerstag, 1. September 2011 in Solothurn<br />
Nachrichten<br />
Politik<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
Energiewirtscha<strong>ft</strong><br />
K<strong>lima</strong><br />
Rückblick Ve<strong>ra</strong>nstaltungen<br />
Ve<strong>ra</strong>nstaltungen<br />
Agenda<br />
Lite<strong>ra</strong>tur<br />
B<strong>ra</strong>nchen-Adre<strong>sse</strong>n<br />
Impressum<br />
Inhalt 4l2011<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden V<br />
313<br />
313<br />
320<br />
327<br />
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351<br />
351<br />
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360<br />
363<br />
364
swv · mmi · 7.07<br />
ARGE Hochrhein<br />
Die Arbeitsgemeinscha<strong>ft</strong> Renaturierung des Hochrheins und der<br />
Rheinaubund suchen per 1. April 2012 oder nach Vereinbarung eine/n<br />
Geschä<strong>ft</strong>sführer/in<br />
Arbeitsgemeinscha<strong>ft</strong> Hochrhein, 40 –60%<br />
Sind Sie eine flexible, initiative, hartnäckige Persönlichkeit mit einem<br />
naturwi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>lichen Hintergrund, die vom Wa<strong>sse</strong>r begeistert ist und<br />
Gewä<strong>sse</strong>rschutzarbeit machen möchte?<br />
Ihre Arbeit besteht aus zwei Teilanstellungen. Sie leiten zu 20% die<br />
Geschä<strong>ft</strong>sstelle des Vereins «Arbeitsgemeinscha<strong>ft</strong> Renaturierung des<br />
Hochrheins» (ARGE). Die ARGE setzt sich seit 1996 als Zusammenschluss<br />
von rund 30 Fischerei- und Naturschutzorganisationen für die Anliegen<br />
des Gewä<strong>sse</strong>rschutzes entlang des Hochrheins ein. Sie informieren die<br />
Mitglieder und koordinieren die Intere<strong>sse</strong>n der Fischerei und des Naturschutzes.<br />
Im Zentrum Ihrer Tätigkeit für die ARGE stehen die Begleitung<br />
der Umsetzung von ökologischen Ausgleichsmassnahmen sowie die<br />
Umsetzung des Masterplans für die Geschiebereaktivierung am Hochrhein.<br />
20–40% arbeiten Sie beim Rheinaubund, einer nationalen Gewä<strong>sse</strong>rschutzorganisation.<br />
Als Projektleiter/in sind Sie für die Leitung von<br />
Gewä<strong>sse</strong>rschutzprojekten ve<strong>ra</strong>ntwortlich. Zu Ihrem Tätigkeitsfeld gehören<br />
neben der Facharbeit auch politisches Lobbying und Medienarbeit. Die<br />
Anstellung beim Rheinaubund ist auf 3 Jahre befristet.<br />
Wir erwarten von Ihnen einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss,<br />
gutes Verständnis ökologischer und v.a. hydrologischer Zusammenhänge,<br />
Intere<strong>sse</strong> an Verhandlungen sowie Berufserfahrung.<br />
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im 5-köpfigen Team des Rheinaubundes. Der Arbeitsplatz ist<br />
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Stefan Kunz, E-Mail: stefan.kunz@rheinaubund.ch. Mehr Informationen<br />
zum Rheinaubund und zur ARGE Hochrhein finden Sie unter:<br />
www.rheinaubund.ch.<br />
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VI «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung auf die<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
Einleitung und Überblick über das Projekt<br />
Bruno Schädler, Rolf Weingartner, Massimiliano Zappa<br />
1. Einleitung<br />
Der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong>reislauf ist direkt mit dem Wettergeschehen<br />
und damit mit dem K<strong>lima</strong><br />
verbunden, welches natürlichen und zunehmend<br />
auch anthropogenen Einflü<strong>sse</strong>n<br />
unterworfen ist. Im Alpengebiet reagiert<br />
der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong>reislauf besonders sensitiv auf<br />
die K<strong>lima</strong>erwärmung, weil ein veränderter<br />
saisonaler Auf- und Abbau der Schneedecke<br />
und die langfristigen Schwankungen<br />
beim Wachsen und Abschmelzen der Gletscher<br />
einen unmittelbaren Einfluss auf die<br />
verfügbaren Wa<strong>sse</strong>rressourcen haben. Da<br />
in der Schweiz rund 56% der elektrischen<br />
Energie durch Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> produziert werden<br />
(BFE, 2007a), sind die durch die K<strong>lima</strong>änderung<br />
beeinflussten Veränderungen<br />
des Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong>reislaufes äu<strong>sse</strong>rst wichtig<br />
für die st<strong>ra</strong>tegische Planung der Stromversorgung<br />
der Schweiz wie auch für die<br />
mittel- und langfristige Planung von Bau<br />
und Betrieb der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen.<br />
Das Bundesamt für Energie hat in<br />
umfa<strong>sse</strong>nden Studien über die Energieperspektiven<br />
der Schweiz für das Jahr<br />
2035 alle Aspekte der Nachf<strong>ra</strong>ge und der<br />
Gewinnung der elektrischen Energie untersucht.<br />
In Bezug auf die Veränderung der<br />
Stromgewinnung durch die K<strong>lima</strong>veränderung<br />
bis 2035 wird festgestellt: «Bei wärmerem<br />
K<strong>lima</strong> nimmt das Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>angebot<br />
bis 2035 um rund sieben Prozent ab,<br />
dies als Folge geringerer Niederschläge<br />
und erhöhter Verdunstung. Das bedeutet,<br />
dass im Vergleich zu einer normalen K<strong>lima</strong>entwicklung<br />
ein zusätzliches Gask<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong><br />
notwendig ist» (BFE 2007a). Im spezifischeren<br />
Teilbericht Nr. 4 (BFE, 2007b)<br />
wird zudem erwähnt, dass bis in eine fernere<br />
Zukun<strong>ft</strong> (2070–2099) sogar mit einer<br />
Abnahme der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>produktion von<br />
bis zu 17 Prozent gerechnet werden muss.<br />
Grundlage zu diesen Aussagen waren hydrologische<br />
Modellrechnungen in elf zumeist<br />
alpinen Einzugsgebieten (Horton<br />
et al., 2005), die auf K<strong>lima</strong>szenarien des<br />
Projektes PRUDENCE (Christensen et al.,<br />
2002) basierten. Die Resultate der hydrolo-<br />
gischen Berechnungen wurden dabei auf<br />
einfache Art auf das Mitteland ext<strong>ra</strong>poliert<br />
und in Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>produktion umgerechnet.<br />
Eine Synthese dieser Arbeiten findet<br />
sich in Piot (2005).<br />
Nach der intensiven Energiedebatte<br />
in der Schweiz vom Frühjahr 2011<br />
und dem ins Auge gefassten Ausstieg aus<br />
der Kernk<strong>ra</strong><strong>ft</strong> hat das Bundesamt für Energie<br />
die Perspektiven für das Jahr 2050 abgeschätzt<br />
und geht immer noch von einer<br />
Verminderung der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>produktion<br />
von 7 Prozent (entsprechend etwa 2 TWh)<br />
aus (BFE, 2011; Stand Juni 2011).<br />
In den letzten Jahren sind wichtige<br />
Grundlagen zur Abschätzung der hydrologischen<br />
Veränderungen wesentlich<br />
verbe<strong>sse</strong>rt worden. In einem gro<strong>sse</strong>n Europäischen<br />
Forschungsprojekt ENSEM-<br />
BLES (van der Linden und Mitchell, 2009)<br />
wurden neue, umfa<strong>sse</strong>nde und detaillierte<br />
europäische regionale K<strong>lima</strong>szenarien e<strong>ra</strong>rbeitet.<br />
Diese K<strong>lima</strong>szenarien bildeten<br />
die Grundlage für die jetzt aktuellen noch<br />
weiter verfeinerten K<strong>lima</strong>szenarien für die<br />
Schweiz (CH2011, 2011; Bosshard, 2011;<br />
Bosshard et al., 2011). Auch sind in der<br />
Bild 1. Übersicht aller in dieser Studie untersuchten Gebiete.<br />
hydrologischen Modellierung wesentliche<br />
Fortschritte zu verzeichnen (Viviroli et al.,<br />
2009; Magnusson et. al., 2011; Haenggi,<br />
2011).<br />
Um für die Zukun<strong>ft</strong> über eine verbe<strong>sse</strong>rte<br />
quantitative Basis zu den erwarteten<br />
Entwicklungen der Wa<strong>sse</strong>rressourcen<br />
und der produzierten Energie zu<br />
verfügen, haben deshalb swi<strong>sse</strong>lectric<br />
research und das Bundesamt für Energie<br />
im Jahre 2008 nach einer erfolgreich<br />
durchgeführten Vorstudie zum Stand der<br />
Kenntni<strong>sse</strong> im Bereich K<strong>lima</strong>änderung und<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> (Hänggi und Plattner, 2009)<br />
ein Forschungsprojekt zu diesem Thema<br />
lanciert. Ein gro<strong>sse</strong>r Teil der hyd<strong>ra</strong>ulischen<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sanlagen liegt im Wallis. Deshalb<br />
haben die Dienststelle für Energie und<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> des Kantons Wallis sowie die<br />
FMV SA ein ergänzendes Projekt gestartet<br />
mit einem speziellen Fokus auf der Thematik<br />
Gletscher, Schnee und Geschiebe.<br />
Das Konzept des Gesamtprojektes<br />
sah vor, einerseits die Auswi<strong>rk</strong>ungen der<br />
K<strong>lima</strong>änderung auf den Abfluss in repräsentativen<br />
Einzugsgebieten der Schweiz<br />
und andererseits die Auswi<strong>rk</strong>ungen auf<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 265<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Bild 2. Schematische Darstellung der Modellkette.<br />
den K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sbetrieb und die Stromproduktion<br />
anhand von mehreren Fallstudien<br />
mit unterschiedlichen K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>stypen zu<br />
untersuchen (Bild 1).<br />
Die Forschungsprojekte wurden<br />
unter der Koordination des Netzwe<strong>rk</strong>es<br />
Wa<strong>sse</strong>r im Berggebiet und unter der Leitung<br />
des Geog<strong>ra</strong>phischen Instituts der<br />
Universität Bern (Rolf Weingartner, Bruno<br />
Schädler) und der Eidg. Forschungsanstalt<br />
für Wald, Schnee und Landscha<strong>ft</strong> (Massimiliano<br />
Zappa) von sechs Forschungsgruppen<br />
durchgeführt. Ein Synthesebericht<br />
(SGHL und CHy, 2011) gibt zusammenfa<strong>sse</strong>nd<br />
Auskun<strong>ft</strong> über die wichtigsten<br />
Forschungsresultate. Die angewandten<br />
Methoden und detaillierten Resultate sind<br />
in zwölf Fachberichten zusammengefasst,<br />
welche elektronisch verfügbar sind<br />
(Fachberichte, 2011). Die nachfolgenden<br />
Beiträge in der vorliegenden Ausgabe von<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» fa<strong>sse</strong>n die wichtigsten<br />
Teile dieser Fachberichte zusammen.<br />
2. Grundlagen<br />
Als gemeinsame Grundlage für alle Arbeiten<br />
in diesem Projekt dienen die Resultate<br />
der K<strong>lima</strong>modellierung (Bosshard et al.,<br />
2011). Diese Daten sind die Eingangsgrö<strong>sse</strong>n<br />
für die Modelle zur Abbildung<br />
der Gletscherproze<strong>sse</strong>, des Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong>reislaufes<br />
und des Geschiebet<strong>ra</strong>nsportes (vgl.<br />
Bild 2). Das hydrologische Modell berechnet<br />
die Auswi<strong>rk</strong>ungen der Tempe<strong>ra</strong>tur-<br />
und Niederschlagsänderungen auf den<br />
Abfluss, auf die Abflussregimes und auf<br />
Extremereigni<strong>sse</strong> (Hoch-/Niedrigwa<strong>sse</strong>r),<br />
wobei im zeiltichen Ablauf die sich ver-<br />
ändernden Gletscherflächen berücksichtigt<br />
werden. Im Gletschermodell werden,<br />
ebenfalls auf Basis der Niederschlags- und<br />
Tempe<strong>ra</strong>turänderungssignale, die Gletscherflächen,<br />
-dicken und -volumen für<br />
die Zukun<strong>ft</strong> berechnet. Zudem wird modelliert,<br />
wo sich beim Abschmelzen der<br />
Gletscher neue Seen bilden können. Die<br />
Resultate über die Veränderung des Abflussverhaltens<br />
und über die Vergletscherung<br />
sind die notwendigen Eingangsgrö<strong>sse</strong>n<br />
zur Modellierung des Feststof<strong>ft</strong><strong>ra</strong>nsportes<br />
(Geschiebemodell). Im Rahmen<br />
dieser Untersuchungen wird der Eint<strong>ra</strong>g<br />
von Sedimentmaterial in die K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sanlagen<br />
(Speicherseen, Wa<strong>sse</strong>rleitungen,<br />
Turbinen) berechnet. Schliesslich werden<br />
in einem letzten Modell, basierend auf<br />
den vo<strong>ra</strong>ngegangenen Untersuchungen<br />
zur Hydrologie, Vergletscherung und zum<br />
Geschiebe, die Konsequenzen für den<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sbetrieb und die Energieproduktion<br />
ermittelt. Weitere Grundlagen für<br />
diese Modelle sind die technischen Beschreibungen<br />
der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sanlagen und<br />
der Betriebsregeln. Auch sind Annahmen<br />
über die zu erzielenden Preise notwendig.<br />
In den Modellierungen für die zukün<strong>ft</strong>igen<br />
Zeiträume bleiben diese Grundlagen und<br />
Annahmen in der Regel unverändert.<br />
Alle Analysen wurden jeweils für<br />
zwei Zeitfenster in der Zukun<strong>ft</strong> durchgeführt:<br />
Die nahe Zukun<strong>ft</strong> umfasst den Zeit<strong>ra</strong>um<br />
von 2021–2050, die ferne Zukun<strong>ft</strong><br />
umschliesst den Zeitabschnitt von 2070-<br />
2099. Da die Konzessionen von Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en<br />
bis zu 80 Jahre dauern, ist<br />
die Modellierung auf eine lange Sicht sehr<br />
wünschenswert. Als Referenzperiode die-<br />
nen in fast allen Teilstudien die geme<strong>sse</strong>nen<br />
Werte bzw. die entsprechenden<br />
Simulationsexperimente der Jahre 1980–<br />
2009. Als Antrieb für die globalen K<strong>lima</strong>modelle<br />
wurde in den Modellrechnungen<br />
mit wenigen Ausnahmen das weltweit gebräuchlicheTreibhausgas-Emissionsszenario<br />
A1B des Zwischenstaatlichen Ausschu<strong>sse</strong>s<br />
für K<strong>lima</strong>änderungen (IPCC,<br />
2008) verwendet. Diesem Szenario liegen<br />
Annahmen einer sta<strong>rk</strong> wachsenden globalen<br />
Wirtscha<strong>ft</strong>, einer zunehmenden Bevölkerungszahl<br />
und einer Energieversorgung,<br />
die sich zu 50% aus erneuerbaren und zu<br />
50% aus fossilen Energieträgern zusammensetzt,<br />
zugrunde (IPCC, 2008).<br />
3. Unsicherheiten<br />
Die Resultate der vorliegenden Untersuchungen<br />
unterliegen einer ganzen Reihe<br />
von Unsicherheiten. Gründe dafür sind<br />
unsichere Annahmen in den Emissionsszenarien<br />
bezüglich Bevölkerungs-, Technologie-,<br />
Wirtscha<strong>ft</strong>s- und Politikentwicklung.<br />
Zudem sind auch die Resultate der<br />
K<strong>lima</strong>-, Abfluss- und Gletschermodellierung<br />
Unsicherheiten unterworfen, da<br />
zum einen nicht alle relevanten Proze<strong>sse</strong><br />
im Detail abgebildet werden können und<br />
zum andern o<strong>ft</strong> die Datenlage ungenügend<br />
ist. Um die Grö<strong>sse</strong>nordnung der Unsicherheiten<br />
eingrenzen zu können, wurden jeweils<br />
mehrere unterschiedliche Modelle<br />
für die K<strong>lima</strong>-, Abfluss- und Gletscherentwicklung<br />
angewandt. Die Resultate zeigen,<br />
dass für Tempe<strong>ra</strong>tur, Gletscher und<br />
Schneedecke in der Grö<strong>sse</strong>nordnung und<br />
in der Richtung der Veränderungen unter<br />
den Modellen eine gute Übereinstimmung<br />
herrscht. Bei den Niederschlägen und Abflü<strong>sse</strong>n<br />
hingegen weisen die Resultate der<br />
verschiedenen Modelle zum Teil Werte mit<br />
unterschiedlichen Vorzeichen auf.<br />
Verdankung<br />
Wir bedanken uns bei swi<strong>sse</strong>lectric research,<br />
Bundesamt für Energie, Kanton Wallis und<br />
Forces Motrices Valaisannes für die Finanzierung<br />
des Projektes, beim Netzwe<strong>rk</strong> Wa<strong>sse</strong>r im<br />
Berggebiet NWB für die Unterstützung beim<br />
Projektstart und der Koordination, sowie bei<br />
Barba<strong>ra</strong> Lustenberger für die Mitarbeit am Synthesebericht.<br />
Lite<strong>ra</strong>tur<br />
BFE (2007a): Die Energieperspektiven 2035<br />
– Band 1 Synthese Modellrechnungen, Vergleiche,<br />
Bewertungen und He<strong>ra</strong>usforderungen, 128<br />
S., Bern.<br />
BFE (2007b): Die Energieperspektiven 2035<br />
– Band 4 Exkurse Einzelthemen, wie fossile Energieressourcen,<br />
Einfluss der K<strong>lima</strong>erwärmung,<br />
266 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Flugve<strong>rk</strong>ehr, Überblick über andere Energieperspektiven,<br />
301 S., Bern.<br />
BFE (2011): Faktenblatt, Energieperspektiven<br />
2050, Abschätzung des Ausbaupotenzials der<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung unter neuen Rahmenbedingungen.<br />
Bosshard, T. (2011): Hydrological c<strong>lima</strong>te-impact<br />
modeling in the Rhine catchment down to<br />
Cologne. Diss. ETH 19861. In press.<br />
Bosshard, T., Kotlarski, S., Ewen, T., and Schär,<br />
C. (2011): Spect<strong>ra</strong>l representation of the annual<br />
cycle in the c<strong>lima</strong>te change signal, Hydrol. Earth<br />
Syst. Sci., 15, 2777–2788, doi: 10.5194/hess-<br />
15-2777-2011.<br />
CH2011 (2011): Swiss C<strong>lima</strong>te Change Scenarios<br />
CH2011, published by C2SM, MeteoSwiss,<br />
ETH, NCCR C<strong>lima</strong>te and OcCC, Zurich, Switzerland,<br />
88 pp. ISBN 978-3-033-03065-7.<br />
Christensen, J.H., Carter, T., Giorgi, F. (2002):<br />
PRUDENCE employs new methods to a<strong>sse</strong>ss<br />
European c<strong>lima</strong>te change. In: EOS, 82, 147,<br />
2002.<br />
Fachberichte (2011): Fachberichte zum Projekt<br />
Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung.<br />
Siehe: http://www.hydrologie.<br />
unibe.ch/projekte/ccwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>.html.<br />
Hänggi, P. und Plattner, C. (2009): Projekt K<strong>lima</strong>-<br />
Lokale K<strong>lima</strong>szenarien für die K<strong>lima</strong>impaktforschung<br />
in der Schweiz<br />
Thomas Bosshard, Sven Kotlarski, Christoph Schär<br />
1. Einleitung<br />
Der globale K<strong>lima</strong>wandel ist eine nicht<br />
mehr zu bestreitende Tatsache und zeigt<br />
sich bereits heute in einer Vielzahl an Indikatoren.<br />
Hierzu zählen nicht nur langjährige<br />
Tempe<strong>ra</strong>turmessreihen, welche einen<br />
eindeutigen Erwärmungstrend auf globaler<br />
Skala offenbaren, sondern auch der<br />
weltweit beobachtete Rückzug von Gebirgsgletschern,<br />
der Anstieg des Meeresspiegels<br />
oder der Rückgang der Schneebedeckung<br />
in der Nordhemisphäre. Nach<br />
Einschätzung des Weltk<strong>lima</strong><strong>ra</strong>tes (IPCC,<br />
2007) ist der anthropogene Ausstoss von<br />
Treibhausgasen für den Grossteil der seit<br />
den 1950er-Jahren beobachteten Erwärmung<br />
ve<strong>ra</strong>ntwortlich. Für das 21. Jahrhundert<br />
wird generell mit einem weiterhin<br />
ungebremsten Tempe<strong>ra</strong>tu<strong>ra</strong>nstieg<br />
gerechnet, wobei die Intensität dieses<br />
änderung und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung: Schlussbericht<br />
der Vorstudie. Hrsg. Kompetenznetzwe<strong>rk</strong><br />
Wa<strong>sse</strong>r im Berggebiet. Bern, Davos.<br />
Hänggi, P. (2011): Auswi<strong>rk</strong>ungen der hydrok<strong>lima</strong>tischen<br />
Variabilität auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
in der Schweiz. Inaugu<strong>ra</strong>ldi<strong>sse</strong>rtation der<br />
Philosophischen-naturwi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>lichen Fakultät<br />
der Universität Bern, Bern.<br />
Horton, P., Schaefli, B., Mezghani, A., Hing<strong>ra</strong>y,<br />
B., Musy, A. (2005): Prediction of c<strong>lima</strong>te change<br />
impacts on Alpine discharge regimes under A2<br />
and B2 SRES emission scenarios for two future<br />
time periods. Bundesamt für Energie, Energiewirtscha<strong>ft</strong>liche<br />
Grundlagen, Bern, 2005.<br />
IPPC (2008): K<strong>lima</strong>änderung 2007, Synthesebericht,<br />
Berlin.<br />
Magnusson, J., Farinotti, D., Jonas, T., Bavay,<br />
M. (2011): Quantitative evaluation of different<br />
hydrological modeling approaches in a partly<br />
glacierized Swiss watershed. Hydrol. Process.<br />
25: 2071–2084.<br />
Piot, M. (2005): Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>erwärmung<br />
auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>produktion in der<br />
Schweiz. «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>», He<strong>ft</strong> 11/12, pp.<br />
365–367. Baden, 2005.<br />
SGHL und CHy (2011): Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung – Synthe-<br />
Anstiegs sta<strong>rk</strong> von unseren zukün<strong>ft</strong>igen<br />
Treibhausgasemissionen abhängen wird.<br />
Dabei werden sich die in den kommenden<br />
Jahrzehnten erwarteten k<strong>lima</strong>tischen<br />
Veränderungen nicht auf die Tempe<strong>ra</strong>tur<br />
beschränken sondern auch weitere Grö<strong>sse</strong>n<br />
betreffen, insbesondere auch Komponenten<br />
des hydrologischen Kreislaufs<br />
wie Niederschlag und Evapot<strong>ra</strong>nspi<strong>ra</strong>tion.<br />
Als Folge de<strong>sse</strong>n ist mit entsprechenden<br />
Konsequenzen auch für den Bodenwa<strong>sse</strong>rhaushalt,<br />
die Schneebedeckung und<br />
das Abflussgeschehen zu rechnen. Bereits<br />
der Bericht des OcCC zur K<strong>lima</strong>zukun<strong>ft</strong> der<br />
Schweiz (OcCC und ProClim, 2007) gibt<br />
einen umfa<strong>sse</strong>nden Überblick über die zu<br />
erwartenden wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>lichen Konsequenzen<br />
des K<strong>lima</strong>wandels und mögliche<br />
Anpassungsmassnahmen.<br />
Für detaillierte, quantitative Ana-<br />
sebericht. Beiträge zur Hydrologie der Schweiz,<br />
Nr. 18, 28. S., Bern. ISBN 978-3-033-02970-5<br />
Van der Linden , P. and Mitchell, J.F.B. (2009):<br />
ENSEMBLES: C<strong>lima</strong>te Change and its Impacts:<br />
Summary of research and results from the EN-<br />
SEMBLES project, Met Office Hadley Center,<br />
Exeter, UK, 160 pp.<br />
Viviroli, D., Zappa, M., Gurtz, J., Weingartner, R.<br />
(2009): An introduction to the hydrological modelling<br />
system PREVAH and its pre- and postprocessing-tools.<br />
Environmental Modelling &<br />
So<strong>ft</strong>ware 24(10): 1209–1222.<br />
Anschri<strong>ft</strong> der Verfa<strong>sse</strong>r<br />
Bruno Schädler, Rolf Weingartner<br />
Geog<strong>ra</strong>phisches Institut der Universität Bern<br />
Gruppe für Hydrologie<br />
Hallerstr. 12, CH-3012 Bern<br />
bruno.schaedler@giub.unibe.ch<br />
rolf.weingartner@giub.unibe.ch<br />
Massimiliano Zappa<br />
Eidg. Forschungsanstalt WSL<br />
Forschungseinheit «Gebirgshydrologie und<br />
Wildbäche»<br />
Zürcherst<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 111, CH-8903 Birmensdorf<br />
massimiliano.zappa@wsl.ch<br />
lysen zum Einfluss des K<strong>lima</strong>wandels auf<br />
den Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong>reislauf und insbesondere<br />
das Abflussgeschehen und hydrologische<br />
Speicherfüllungen bedarf es Informationen<br />
zur erwarteten K<strong>lima</strong>veränderung<br />
mit einer hohen zeitlichen und räumlichen<br />
Auflösung. Solche Szenarien können in<br />
einem zweiten Schritt als Input für hydrologische<br />
Modellsysteme verwendet werden,<br />
um zu einer Abschätzung der zukün<strong>ft</strong>igen<br />
Entwicklung hydrologischer Komponenten<br />
zu gelangen. Eine entscheidende Bedeutung<br />
kommt hierbei der Quantifikation<br />
der Modellunsicherheiten auf allen involvierten<br />
Ebenen zu. Dies gilt in besonderem<br />
Ma<strong>sse</strong> für die verwendeten K<strong>lima</strong>szenarien,<br />
die am Beginn der gesamten Modellkette<br />
stehen. Während die K<strong>lima</strong>szenarien<br />
des OcCC Berichtes (OcCC und ProClim,<br />
2007) noch auf Ergebni<strong>sse</strong>n des EU-Pro-<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 267<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Bild 1. Komponenten des K<strong>lima</strong>systems und ihre Darstellung in globalen und regionalen K<strong>lima</strong>modellen.<br />
jektes PRUDENCE (Christensen und Christensen,<br />
2007) basierten, wurden durch<br />
das Nachfolgeprojekt ENSEMBLES (van<br />
der Linden und Mitchell, 2009) aktualisierte<br />
regionale K<strong>lima</strong>szenarien für Europa mit<br />
verbe<strong>sse</strong>rten Modellen und einer höheren<br />
räumlichen Auflösung zur Verfügung gestellt.<br />
Diese Szenarien entsprechen dem<br />
neuesten Stand der regionalen K<strong>lima</strong>modellierung<br />
und erlauben eine detaillierte<br />
Abschätzung der Modell unsicherheiten.<br />
Die ENSEMBLES-Szenarien wurden im<br />
Rahmen der CH2011 Initiative (CH2011,<br />
2011) für die Schweiz aufbereitet und – in<br />
einer Vo<strong>ra</strong>bversion – in den beiden Projekten<br />
K<strong>lima</strong>änderung und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
(swi<strong>sse</strong>lectric/Bundesamt für<br />
Energie) und CCHydro (Bundesamt für<br />
Umwelt) bereits zur Abschätzung des Einflu<strong>sse</strong>s<br />
des K<strong>lima</strong>wandels auf verschiedene<br />
hydrologische Systeme verwendet.<br />
Der folgende Artikel gibt einen Überblick<br />
über Datengrundlage,<br />
Methodik,<br />
Ergebni<strong>sse</strong> sowie<br />
Einschränkungen<br />
der neu erstellten<br />
lokalen K<strong>lima</strong>szenarien<br />
für das Gebiet<br />
der Schweiz.<br />
Tabelle 1. Übersicht<br />
über die<br />
zehn verwendeten<br />
GCM-RCM<br />
Modellketten des<br />
ENSEMBLES-<br />
Projektes.<br />
2. Zielsetzung<br />
Ziel der vorliegenden Studie war es, die<br />
aktuellsten regionalen K<strong>lima</strong>szenarien des<br />
ENSEMBLES-Projektes für hydrologische<br />
K<strong>lima</strong>impaktforschung in der Schweiz<br />
aufzubereiten. Im Fokus standen dabei<br />
die beiden Variabeln bodennahe Lu<strong>ft</strong>tempe<strong>ra</strong>tur<br />
(T) und Niederschlag (P). Ein<br />
besonderer Augenme<strong>rk</strong> galt der Schnittstelle<br />
zwischen K<strong>lima</strong>- und Impaktmodellen<br />
und ihrer Anwenderfreundlichkeit: Die<br />
entwickelten Produkte sollten einerseits<br />
einfach zu handhaben und verständlich<br />
sein, andererseits alle wesentlichen Aspekte<br />
des regionalen K<strong>lima</strong>wandels inklusive<br />
der Unsicherheiten regionaler K<strong>lima</strong>projektionen<br />
abbilden. Letzteres wurde<br />
durch die Auswertung von insgesamt 10<br />
unterschiedlichen K<strong>lima</strong>modellketten sichergestellt<br />
(s. Kapitel 3.1). Hinsichtlich<br />
der relevanten Zeitskalen sollten sowohl<br />
Abschätzungen für die nahe (Mitte des<br />
21. Jahrhunderts) als auch für die fernere<br />
Zukun<strong>ft</strong> (Ende des 21. Jahrhunderts) erfolgen.<br />
Dementsprechend wurden die beiden<br />
30-jährigen Zukun<strong>ft</strong>sperioden 2021–2050<br />
und 2070–2099 bet<strong>ra</strong>chtet, jeweils relativ<br />
zur aktuellen Referenzperiode 1980–2009.<br />
Je nach Anwendungsgebiet der K<strong>lima</strong>sze-<br />
268 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
narien haben beide Perioden eine unterschiedliche<br />
Relevanz.<br />
3. Datengrundlage<br />
und Methoden<br />
3.1 Globale und regionale K<strong>lima</strong>modellierung<br />
Globale K<strong>lima</strong>modelle (GCMs), vor allem<br />
die neueste Gene<strong>ra</strong>tion gekoppelter Atmosphären-Ozean-Zi<strong>rk</strong>ulationsmodelle,<br />
erlauben die Abschätzung des Einflu<strong>sse</strong>s<br />
anthropogener Treibhausgasemissionen<br />
auf das K<strong>lima</strong> der Erde auf Grundlage<br />
physikalischer Gesetzmässigkeiten. Alle<br />
relevanten Komponenten des globalen<br />
K<strong>lima</strong>systems inklusive ihrer Wechselwi<strong>rk</strong>ungen<br />
sind in diesen Modellen berücksichtigt<br />
(Bild 1). Als Vorgabe zur Berechnung<br />
des zukün<strong>ft</strong>igen K<strong>lima</strong>s wird u.a. eine<br />
Abschätzung der zukün<strong>ft</strong>igen Entwicklung<br />
der atmosphärischen Treibhausgaskonzent<strong>ra</strong>tionen<br />
beruhend auf sogenannten<br />
Emissionsszenarien benötigt. Bedingt<br />
durch den hohen Rechenaufwand der Zi<strong>rk</strong>ulationsmodelle<br />
liegt die räumliche Auflösung<br />
globaler K<strong>lima</strong>szenarien jedoch<br />
im Bereich von 100–300 km, und damit<br />
jenseits der für viele Impaktstudien relevanten<br />
Grö<strong>sse</strong>nordnung. Hier setzen regionale<br />
K<strong>lima</strong>modelle (RCMs) an. Sie stellen<br />
das wichtigste We<strong>rk</strong>zeug dar, um die grob<br />
aufgelösten Informationen globaler K<strong>lima</strong>modelle<br />
auf die regionale Skala herunterzubrechen<br />
und K<strong>lima</strong>änderungsszenarien<br />
mit wesentlich höherer räumlicher Auflösung<br />
zu erstellen. Ähnlich wie globale Zi<strong>rk</strong>ulationsmodelle<br />
beschreiben RCMs die<br />
Vorgänge innerhalb der verschiedenen<br />
Komponenten des K<strong>lima</strong>systems sowie<br />
die Wechselwi<strong>rk</strong>ungen untereinander<br />
auf Grundlage physikalischer Prinzipien.<br />
Im Unterschied zu Globalmodellen wird<br />
hierbei jedoch nicht der gesamte Globus<br />
sondern nur eine bestimmte Region, z.B.<br />
Europa, bet<strong>ra</strong>chtet (Bild 2). Dies ermöglicht<br />
eine deutlich höhere räumliche Auflösung<br />
von derzeit ca. 10–50 km. Dieser<br />
Auflösungssprung ist verbunden mit einer<br />
be<strong>sse</strong>ren Beschreibung der regionalen<br />
Variabilität von K<strong>lima</strong>pa<strong>ra</strong>metern, was vor<br />
allem in einem topog<strong>ra</strong>phisch sta<strong>rk</strong> strukturierten<br />
Gelände wie den Alpen unerlässlich<br />
ist. Am Rande des regionalen Modellgebietes<br />
benötigt ein RCM Informationen<br />
über die grossskaligen Eigenscha<strong>ft</strong>en der<br />
atmosphärischen Strömung, die ihrerseits<br />
von globalen K<strong>lima</strong>modellen bereitgestellt<br />
werden. Man spricht von einer sogenannten<br />
Nestung, d.h. ein RCM wird in die Ergebni<strong>sse</strong><br />
eines globalen K<strong>lima</strong>modells<br />
eingebettet und übernimmt am Rande<br />
des Modellgebietes die Informationen<br />
dieses antreibenden Modells (Bild 2). Die<br />
dargestellte Methodik wird auch als dynamisches<br />
Downscaling, die Kombination<br />
eines GCMs mit einem RCM als Modellkette<br />
bezeichnet.<br />
Aufgrund unterschiedlicher Modellformulierungen<br />
mü<strong>sse</strong>n sich die Ergebni<strong>sse</strong><br />
verschiedener regionaler K<strong>lima</strong>modelle<br />
selbst bei identischem antreibenden<br />
GCM nicht exakt entsprechen.<br />
Vielmehr zeigt sich in Modellvergleichsstudien,<br />
dass einzelne Modelle mit ganz<br />
unterschiedlichen, individuellen Fehlercha<strong>ra</strong>kteristiken<br />
beha<strong>ft</strong>et sein können<br />
(z.B. Suklitsch et al., 2010). Die unterschiedlichen<br />
Fehlereigenscha<strong>ft</strong>en einzelner<br />
RCM’s können sich auch auf die simulierten<br />
K<strong>lima</strong>änderungssignale auswi<strong>rk</strong>en.<br />
Diese Modellunsicherheit wird noch vergrö<strong>sse</strong>rt,<br />
wenn verschiedene GCM’s als<br />
Randantrieb verwendet und/oder unter-<br />
schiedliche Emissionsszenarien vo<strong>ra</strong>usgesetzt<br />
werden. Eine weitere Unsicherheitsquelle<br />
ist die natürliche K<strong>lima</strong>variabilität,<br />
die durch eine einzelne regionale<br />
K<strong>lima</strong>simulation nicht adäquat dargestellt<br />
werden kann. Aus den genannten Gründen<br />
ist es wichtig, eine möglichst gro<strong>sse</strong><br />
Anzahl regionaler K<strong>lima</strong>simulationen zu<br />
bet<strong>ra</strong>chten, um Unsicherheitsbereiche<br />
eingrenzen und quantifizieren zu können.<br />
Die regionalen K<strong>lima</strong>simulationen des EN-<br />
SEMBLES-Projektes stellen diesbezüglich<br />
die umfangreichste und eine weltweit einzigartige<br />
Datenbasis dar. Im Rahmen der<br />
vorliegenden Studie wurden insgesamt 10<br />
regionale K<strong>lima</strong>simulationen des ENSEM-<br />
BLES-Projektes (siehe Tabelle 1) für die<br />
Schweiz mit einem auf die Abbildung der<br />
Jahresganges optimierten statistischen<br />
Verfahren (siehe Kapitel 3.2) aufbereitet<br />
und den Projektpartnern in Koope<strong>ra</strong>tion<br />
mit dem Center for C<strong>lima</strong>te Systems<br />
Bild 2. Prinzip der Modellnestung: Ein regionales K<strong>lima</strong>modell (rot) wird in die grob<br />
aufgelösten Informationen eines Globalmodells (blau) eingebettet und berechnet<br />
das K<strong>lima</strong> in einem begrenzten Modellgebiet (z.B. Europa) mit höherer räumlicher<br />
Auflösung.<br />
Bild 3. Topog<strong>ra</strong>phie des regionalen K<strong>lima</strong>modells CLM [m ü. NN.] für das Gebiet der<br />
Schweiz in 25 km Auflösung.<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 269<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Modelling (C2SM) zur Verfügung gestellt.<br />
Allen verwendeten Regionalsimulationen<br />
liegt das SRES A1B Emissionsszenario zugrunde<br />
(Nakicenovic et al. 2000). Die räumliche<br />
Auflösung der RCMs betrug 25 km<br />
mit einem Modellgebiet, das den gesamten<br />
europäischen Kontinent überdeckt.<br />
Diese Auflösung erlaubt eine detailreiche<br />
Darstellung der räumlichen Variabilität<br />
von Lu<strong>ft</strong>tempe<strong>ra</strong>tur und Niederschlag und<br />
ihrer physiog<strong>ra</strong>phischen Einflussfaktoren<br />
(Topog<strong>ra</strong>phie, Land-Meer-Kont<strong>ra</strong>st, Oberflächenbedeckung,<br />
usw.). Dennoch stösst<br />
die räumliche Genauigkeit der Modelle im<br />
Alpen<strong>ra</strong>um offensichtlich an ihre Gren-<br />
zen. Zur Ve<strong>ra</strong>nschaulichung zeigt Bild 3<br />
die Modelltopog<strong>ra</strong>phie des RCM CLM in<br />
25 km Auflösung über der Schweiz. Deutlich<br />
sind der Alpenbogen, der Schweizer<br />
Ju<strong>ra</strong> sowie die tie fergelegenen Regionen<br />
des Mittellandes zu e<strong>rk</strong>ennen. Jedoch<br />
sind insbesondere im hochalpinen Raum<br />
wichtige topog<strong>ra</strong>phische Strukturen wie<br />
z.B. des Rhonetal oder das Engadin nicht<br />
abgebildet. Die Aussagefähigkeit der regionalen<br />
K<strong>lima</strong>modelle hinsichtlich kleinräumiger<br />
k<strong>lima</strong>tischer Veränderungen in<br />
alpinem Gelände ist dadurch offensichtlich<br />
begrenzt.<br />
Bild 4. Ensemble mittel der gross räumigen Muster der saisonalen (Winter: DJF, Sommer:<br />
JJA) Niederschlagsveränderung für 2070–2099 relativ zu 1971–2000.<br />
Bild 5. Jahresgänge des K<strong>lima</strong>änderungssignals für Tempe<strong>ra</strong>tur (linke Spalte) und Niederschlag<br />
(rechte Spalte) an der Station Bern/Zollikofen. Die frühe Szenarioperiode ist<br />
in der oberen Zeile, die spätere Periode in der unteren Zeile dargestellt. Die Namensgebung<br />
der GCM-RCM-Ketten folgt dem Schema Institution, an der die Simulation<br />
durchgeführt wurde – GCM – RCM (siehe Tabelle 1). Die Bandbreite der natürlichen<br />
Variabilität entspricht der Standardabweichung geresampelter Beobachtungszeitreihen.<br />
G<strong>ra</strong>fik angepasst von Bosshard et al., 2011.<br />
3.2 Statistisches Post-Processing<br />
Das statistische Post-Processing bildet<br />
die Schnittstelle zwischen den RCMs und<br />
den hydrologischen Modellen. Dabei wird<br />
einerseits die räumliche Auflösung erhöht,<br />
andererseits werden die Modellfehler der<br />
GCM-RCMs korrigiert. Für die vorliegende<br />
Studie wurde dafür die Delta Change Methode<br />
verwendet (Gleick, 1986; Bosshard<br />
et al., 2011). In dieser Methode werden<br />
beob achtete meteorologische Zeitreihen<br />
X in einer Kontrollperiode mit dem aus<br />
K<strong>lima</strong>modellen abgeleiteten K<strong>lima</strong>änderungssignal<br />
ΔX skaliert. Zur Kalib<strong>ra</strong>tion<br />
hydrologischer Modelle werden meistens<br />
meteorologische Stationsdaten verwendet.<br />
Deshalb wurden alle GCM-RCM-<br />
Daten mittels inverser Distanzgewichtung<br />
auf die Stationsstandorte interpoliert,<br />
bevor da<strong>ra</strong>us die K<strong>lima</strong>änderungssignale<br />
ΔX berechnet wurden. Für T wurde eine<br />
additive, für P eine multiplikative Skalierung<br />
gemäss:<br />
270 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden<br />
(1)<br />
(2)<br />
angewendet. Dabei bedeuten die Überstriche<br />
die Mittelung über die Bezugsperiode<br />
(CTL: 1980–2009, SCE: 2021–2050<br />
und 2070–2099). Beobachtete Daten sind<br />
mit dem Superskript OBS bezeichnet, die<br />
mittels Delta Change Methode generierten<br />
K<strong>lima</strong>szenarien mit dem Superskript *.<br />
Die hier verwendete Methode wurde hinsichtlich<br />
der kontinuierlichen Abbildung<br />
des Jahresganges des K<strong>lima</strong>änderungssignals,<br />
d. h. der saisonalen Veränderung<br />
von Tempe<strong>ra</strong>tur und Niederschlag, optimiert<br />
(siehe dazu Bosshard et al., 2011).<br />
Die Werte für ΔX variieren deshalb mit dem<br />
Tag im Jahresgang.<br />
Die so erstellten K<strong>lima</strong>szenarien<br />
sind verfügbar für die Variabeln T<br />
und P,<br />
beziehen sich auf die Szenarioperioden<br />
2021–2050 und 2070–2099 relativ<br />
zu 1980–2009,<br />
werden an Stationsstandorten in der<br />
Schweiz abgegeben,<br />
sind optimiert für die Abbildung der<br />
saisonalen Veränderung,<br />
ermöglichen durch 10 verschiedene<br />
GCM-RCM Ketten eine Abschätzung<br />
der Modellunsicherheit,<br />
weisen keine Veränderung der Tagzu-Tag-Variabilität<br />
(z. B. der Regen-
tagfrequenz) und der inte<strong>ra</strong>nnuellen<br />
Variabilität auf, und<br />
berücksichtigen nur das Emissionsszenario<br />
A1B.<br />
4. Resultate<br />
Das K<strong>lima</strong>änderungssignal ist die zent<strong>ra</strong>le<br />
Grö<strong>sse</strong> in der Delta Change Methode.<br />
Im Folgenden wird zunächst das grossräumige<br />
europäische Muster der Niederschlagsänderung<br />
gezeigt. Danach folgen<br />
Beispiele der ermittelten Kimaänderungssignale<br />
an einem Stationsstandort sowie<br />
das räumliche Muster der Veränderung der<br />
Jahresmittel von T und P in der Schweiz.<br />
4.1 Grossräumiges Muster des<br />
K<strong>lima</strong>änderungssignals<br />
Die grossräumige Verteilung der saisonalen<br />
Niederschlagsänderung (Bild 4) zeigt<br />
einen Nord-Süd-G<strong>ra</strong>dienten mit einer Ab-<br />
nahme im Süden und Zunahme im Norden.<br />
Die Grenze zwischen Zu- und Abnahme<br />
verschiebt sich dabei im Verlaufe des Jahres.<br />
Im Winter liegt sie leicht südlich, im<br />
Sommer deutlich nördlich der Schweiz.<br />
Dieses räumliche Muster tritt in der gro<strong>sse</strong>n<br />
Mehrheit der GCM-RCMs zu Tage.<br />
4.2 Jahresgänge des K<strong>lima</strong>änderungssignals<br />
Werden die K<strong>lima</strong>änderungssignale nun<br />
lokal für eine Station in der Schweiz ausgewertet,<br />
so ergibt sich ein Muster wie in<br />
Bild 5, das beispielha<strong>ft</strong> für die Station Bern/<br />
Zollikofen (BER) die Jahresgänge der K<strong>lima</strong>änderungssignale<br />
von T und P zeigt. An<br />
dieser Station werden für beide Szenarioperioden<br />
die grössten Tempe<strong>ra</strong>turzunahmen<br />
im Sommer und im Winter projiziert.<br />
Die Bandbreite der Modellunsicherheit,<br />
dargestellt durch die einzelnen GCM-RCM<br />
Ketten, ist im Sommer am Grössten. Trotz<br />
der gro<strong>sse</strong>n Unsicherheit liegen die projizierten<br />
Veränderungen deutlich au<strong>sse</strong>rhalb<br />
des Bereiches der natürlichen Variabilität,<br />
deren Standardabweichung als g<strong>ra</strong>ues<br />
Band in Bild 5 dargestellt ist. Für den Niederschlag<br />
ist in der Periode 2021–2050<br />
noch kein deutliches Signal ersichtlich.<br />
In der Periode 2070–2099 zeigt sich eine<br />
Tendenz zu einer deutlichen Abnahme im<br />
Sommer sowie einer leichten Zunahme im<br />
restlichen Jahr. Das deutlichere Signal im<br />
Sommer ist eine direkte Folge des grossräumigen<br />
Musters (siehe Bild 4).<br />
4.3 Räumliche Muster<br />
in der Schweiz<br />
Bild 6 zeigt das räumliche Muster der<br />
projizierten Veränderung des Ensemblemittels<br />
aller 10 GCM-RCMs, ausgewertet<br />
an Stationsstandorten in der Schweiz.<br />
Bild 6. Räumliche Muster der Änderung der Jahresmittel der Tempe<strong>ra</strong>tur (links) und des Niederschlags (rechts), wie sie vom<br />
Ensemblemittel projiziert werden. Die frühe Szenarioperiode ist in der oberen, die späte in der unteren Zeile dargestellt. Die g<strong>ra</strong>ue<br />
Schattierung im Hintergrund ist ein Mass für die Übereinstimmung der 10 GCM-RCM-Ketten. Je dunkler die Schattierung, desto<br />
kleiner ist die Standardabweichung im Ensemble (Tempe<strong>ra</strong>tur), oder desto mehr Ketten sind sich einig hinsichtlich des Vorzeichens<br />
der Änderung (Niederschlag).<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 271<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Dargestellt sind die Veränderungen der<br />
mittleren Jahrestempe<strong>ra</strong>tur und des mittleren<br />
Jahresniederschlags. Die Tempe<strong>ra</strong>turzunahme<br />
weist ein homogenes Muster<br />
auf mit grössten Zunahmen über dem Alpenbogen.<br />
Die Standardabweichung des<br />
Ensembles (siehe g<strong>ra</strong>ue Schattierung in<br />
Bild 6) zeigt zudem, dass die Zunahmen<br />
grö<strong>sse</strong>r sind als die Modellunsicherheit.<br />
Das Muster der Niederschlagsänderung<br />
ist heterogen mit einer Abnahme in südlichen<br />
und einer Zunahme in nördlichen<br />
Teilen der Schweiz. Die Veränderungen<br />
im Jahresmittel bewegen sich im Bereich<br />
von ±7.5% für 2070–2099, aber die Modelle<br />
sind sich uneinig bezüglich des Vorzeichens<br />
der Niederschlagsänderung<br />
(siehe g<strong>ra</strong>ue Schattierung). Ein Vergleich<br />
mit Bild 5 zeigt zudem, dass sich die Niederschlagsveränderung<br />
vor allem in einer<br />
saisonalen Verschiebung und weniger in<br />
einer Änderung des Jahresniederschlags<br />
manifestiert. So ist in den meisten Regionen<br />
der Schweiz bis zum Ende des 21.<br />
Jahrhunderts mit einer deutlichen Abnahme<br />
der Sommerniederschläge gegenüber<br />
keinen Veränderungen bzw. leichten<br />
Zunahmen in den restlichen Jahreszeiten<br />
zu rechnen.<br />
5. Schlussfolgerungen<br />
Die im Rahmen der vorliegenden Studie erstellten<br />
K<strong>lima</strong>szenarien für Stationsstandorte<br />
in der Schweiz legen nahe, dass wir<br />
uns in den kommenden Dekaden auf zum<br />
Teils g<strong>ra</strong>vierende k<strong>lima</strong>tische Veränderungen<br />
einzustellen haben. Hierzu zählen<br />
eine deutliche Erwärmung in der ganzen<br />
Schweiz und in allen Jahreszeiten sowie<br />
ein Rückgang der sommerlichen Niederschlagsmengen.<br />
Diese generellen Aussagen<br />
sind trotz aller Modellunsicherheiten<br />
relativ robust und belastbar. Die saisonale<br />
Veränderung des Niederschlags folgt<br />
einem grossräumigen Muster, welches<br />
konsistent von der überwiegenden Mehrheit<br />
der ENSEMBLES GCM-RCMs projiziert<br />
wird. Gro<strong>sse</strong> Unsicherheiten bestehen<br />
hingegen hinsichtlich der genauen<br />
Grö<strong>sse</strong>nordnung der projizierten Änderungen<br />
von Tempe<strong>ra</strong>tur und Niederschlag.<br />
Diese hängt z.T. sta<strong>rk</strong> von der jeweils bet<strong>ra</strong>chteten<br />
Modellkette ab.<br />
Die vorgestellten Szenarien basieren<br />
auf aktuellen Ergebni<strong>sse</strong>n des<br />
ENSEMBLES-Projektes. Sie sind Teil der<br />
neuen CH2011 Szenarien und können via<br />
Webseite www.ch2011.ch bezogen werden.<br />
Für einen Vergleich der aktuellen<br />
Szenarien mit den älteren Ergebni<strong>sse</strong>n<br />
des OcCC Berichtes (OcCC und ProClim,<br />
2007) sei auf den CH2011-Bericht Sze-<br />
narien zur K<strong>lima</strong>änderung in der Schweiz<br />
CH2011 (Kap. 6.2; CH2011, 2011) verwiesen.<br />
Für die Anwendung der neuen Szenarien<br />
ist die Kenntnis ihrer Stä<strong>rk</strong>en und<br />
Limitierungen von gro<strong>sse</strong>r Bedeutung:<br />
1) Berücksichtigte Unsicherheitsquellen<br />
Durch die Berücksichtigung verschiedener<br />
GCM-RCM-Modellketten ermöglichen die<br />
Szenarien eine Abschätzung der Unsicherheiten,<br />
welche von den K<strong>lima</strong>modellen verursacht<br />
wird. Die Unsicherheiten aufgrund<br />
unterschiedlicher Emissionsszenarien<br />
können jedoch nicht abgeschätzt werden,<br />
da alle Simulationen da<strong>sse</strong>lbe Emissionsszenario<br />
A1B verwenden. Zur Abschätzung<br />
des Einflu<strong>sse</strong>s der Wahl des Emissionsszenarios<br />
auf die Ergebni<strong>sse</strong> verweisen<br />
wir auf die probabilistischen Szenarien<br />
des CH2011-Berichtes (CH2011, 2011),<br />
die zusätzlich zu A1B noch zwei weitere<br />
Emissionsszenarien bet<strong>ra</strong>chten. Auch die<br />
Unsicherheit aufgrund der natürlichen Variabilität<br />
kann mit den vorliegenden Szenarien<br />
nicht direkt abgeschätzt werden.<br />
2) Variabilitätsveränderung<br />
Die hier vorgestellten Resultate zeigen,<br />
dass insbesondere für den Niederschlag<br />
die saisonalen Veränderungen wesentlich<br />
stä<strong>rk</strong>er ausgeprägt sind als die Veränderung<br />
der Jahresmittel. Die vorliegenden<br />
Szenarien bilden den Jahresgang der Veränderung<br />
kontinuierlich ab und berücksichtigen<br />
demzufolge die Variabilitätsveränderung<br />
auf der saisonalen Skala.<br />
Die Szenarien berücksichtigen hingegen<br />
keine Veränderungen der inte<strong>ra</strong>nnuellen<br />
und Tag-zu-Tag-Variabilität.<br />
Die F<strong>ra</strong>ge nach den Auswi<strong>rk</strong>ungen<br />
der projizierten k<strong>lima</strong>tischen Veränderungen<br />
auf den Wa<strong>sse</strong>rhaushalt war Gegenstand<br />
der Projekte K<strong>lima</strong>änderung und<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung und CCHydro. Ausgewählte<br />
Resultate des ersten Projektes<br />
werden in dieser Ausgabe vorgestellt.<br />
Weitere Studien werden folgen. Die neuen<br />
K<strong>lima</strong>szenarien CH2011 bieten dafür eine<br />
geeignete Grundlage.<br />
Danksagung<br />
Wir bedanken uns bei swi<strong>sse</strong>lectric research,<br />
dem Bundesamt für Energie, dem Kanton Wal -<br />
lis und Forces Motrices Valaisannes für die<br />
Finanzierung dieser Arbeit. Die verwendeten<br />
ENSEMBLES-Daten stammen aus dem EU<br />
FP6 Projekt ENSEMBLES (Vert<strong>ra</strong>gsnummer<br />
505539), de<strong>sse</strong>n Unterstützung wir hier verdanken<br />
möchten. Der MeteoSchweiz wird für<br />
die Bereitstellung von Beobachtungsdaten gedankt.<br />
Ebenso möchten wir uns beim Center for<br />
C<strong>lima</strong>te Systems Modelling (C2SM) für de<strong>sse</strong>n<br />
technische Unterstützung bedanken.<br />
Lite<strong>ra</strong>tur<br />
Bosshard, T., Kotlarski, S., Ewen, T., Schär, C.<br />
(2011): Spect<strong>ra</strong>l representation of the annual<br />
cycle in the c<strong>lima</strong>te change signal. Hydrol. Earth<br />
Syst. Sci., 15, 2777–2788, doi:10.5194/hess-<br />
15-2777–2011.<br />
CH2011 (2011): Swiss C<strong>lima</strong>te Change Scenarios<br />
CH2011, published by C2SM, MeteoSwiss,<br />
ETH, NCCR C<strong>lima</strong>te, and OcCC, Zurich, Switzerland,<br />
88 pp.<br />
Christensen, JH., Christensen, OB. (2007): A<br />
summary of the PRUDENCE model projections<br />
of changes in European c<strong>lima</strong>te by the end of<br />
this century. C<strong>lima</strong>tic Change, 81, 7–30.<br />
Gleick, P. H. (1986): Methods for evaluating the<br />
regional hydrologic impacts of global c<strong>lima</strong>tic<br />
changes. Journal of Hydrology, 88, 97–116.<br />
IPCC (2001): C<strong>lima</strong>te Change 2001: The Scientific<br />
Basis. Contribution of Wo<strong>rk</strong>ing Group I to<br />
the Third A<strong>sse</strong>ssment Report of the Intergovernmental<br />
Panel on C<strong>lima</strong>te Change, Cambridge<br />
University Press, United Kingdom and New<br />
Yo<strong>rk</strong>, NY, USA, 881 pp.<br />
Nakicenovic, N., Alcamo, J., Davi, G., de Vries<br />
B., Fenhann, J., Gaffin, S., Gregory, K., Grübler,<br />
A., Yong Jung, T., K<strong>ra</strong>m, T., Lebre La Rovere,<br />
E., Michaelis, L., Mori, S., Morita, T., Pepper,<br />
W., Pitcher, H., Price, L., Riahi, K., Roehrl, A,<br />
Rogner, H-H., Sankovski, A., Schlesinger, M.,<br />
Shukla, P., Smith, S., Swart, R., van Rooijen,<br />
S., Victor, N., Dadi, Z. (2000): Special Report on<br />
Emissions Scenarios: A Special Report of Wo<strong>rk</strong>ing<br />
Group III of the Intergovernmental Panel on<br />
C<strong>lima</strong>te Change, Cambridge University Press,<br />
Cambridge, UK, 599 pp.<br />
OcCC and ProClim (2007): C<strong>lima</strong>te change and<br />
Switzerland 2050: Expected Impacts on Environment,<br />
Society and Economy, Berne, Switzerland,<br />
168 pp.<br />
Suklitsch, M., Gobiet, A., Truhetz, H., Awan, NK.,<br />
Göttel, H., Jacob, D. (2011): Error cha<strong>ra</strong>cteristics<br />
of high resolution regional c<strong>lima</strong>te models<br />
over the Alpine area. C<strong>lima</strong>te Dynamics, 37,<br />
377–390.<br />
Van der Linden, P., Mitchell, JFB. (2009): EN-<br />
SEMBLES: C<strong>lima</strong>te change and its Impacts:<br />
Summary of research and results from the EN-<br />
SEMBLES project. Met Office Hadley Centre,<br />
Exeter, UK, 160 pp.<br />
Anschri<strong>ft</strong> der Verfa<strong>sse</strong>r<br />
Thomas Bosshard, Sven Kotlarski, Christoph<br />
Schär, Institut für Atmosphäre und K<strong>lima</strong> (IAC),<br />
ETH Zürich, Universitätsst<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 16, CH-8092<br />
Zürich, Tel. +41 (0)44 632 78 18<br />
thomas.bosshard@env.ethz.ch<br />
272 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Veränderung der Gletscher<br />
und ihrer Abflü<strong>sse</strong> 1900–2100<br />
Fallstudien Gornergletscher und Mattma<strong>rk</strong><br />
Daniel Farinotti, Andreas Bauder, Martin Funk<br />
Zusammenfassung<br />
Der Gletscherrückzug, der in den Alpen<br />
seit dem Ende der kleinen Eiszeit im<br />
Gange ist, wird o<strong>ft</strong> als das deutlichste<br />
Zeichen für die vo<strong>ra</strong>nschreitende K<strong>lima</strong>erwärmung<br />
wahrgenommen. Der<br />
weitere Tempe<strong>ra</strong>tu<strong>ra</strong>nstieg, der für<br />
die Zukun<strong>ft</strong> von K<strong>lima</strong>studien vo<strong>ra</strong>usgesagt<br />
wird, lässt allerdings noch<br />
ausgeprägteren Gletscherschwund<br />
erwarten. Als Folge davon werden die<br />
Abflussregime in hochalpinen Räumen<br />
spürbaren Änderungen unterworfen<br />
sein. In dieser Studie wurde der Einfluss<br />
der K<strong>lima</strong>änderung auf die Abflussverhältni<strong>sse</strong><br />
zweier vergletscherten Einzugsgebiete<br />
des Kantons Wallis untersucht:<br />
den Einzugsgebieten «Gorner»<br />
und «Mattma<strong>rk</strong>». Gemäss dem verwendeten<br />
hydro-glaziologischen Modell,<br />
werden die Gebiete bis Ende des 21.<br />
Jahrhunderts weitgehend eisfrei sein.<br />
Das Abschmelzen der Eisma<strong>sse</strong>n wird<br />
in einer ersten Phase zu einem Anstieg<br />
der Jahresabflussmengen führen, bevor<br />
sich die Abflü<strong>sse</strong> in etwa auf das Niveau<br />
des Jahresniederschlags einpendeln<br />
werden. Die fehlenden Gletscherma<strong>sse</strong>n<br />
werden das Abflussregime von<br />
einem Eisschmelze- zu einem Schneeschmelze-dominierten<br />
Typ übergehen<br />
la<strong>sse</strong>n.<br />
1. Einleitung<br />
Die Alpen gelten als Wa<strong>sse</strong>rschloss Europas.<br />
In der Schweiz werden diese Wa<strong>sse</strong>rresourcen<br />
intensiv für die Energiegewinnung<br />
genutzt. Viele der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen<br />
befinden sich dabei im Bereich<br />
vergletscherter Einzugsgebiete. Obwohl<br />
die Gletscher in den letzten Jahrzehnten<br />
durch verstä<strong>rk</strong>te Schmelze viel Eis verloren<br />
haben, kontrollieren sie als Teil des<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong>reislaufs hochalpiner Lagen die<br />
dortigen Abflussverhältni<strong>sse</strong>. Der weitere<br />
Tempe<strong>ra</strong>tu<strong>ra</strong>nstieg, der aufgrund K<strong>lima</strong>prognosen<br />
bis Ende des Jahrhunderts<br />
zu erwarten ist, wird auch einen weiteren<br />
Gletscherschwund bewi<strong>rk</strong>en, welcher zum<br />
Teil ma<strong>rk</strong>ante Änderungen in den Abflussregimen<br />
der bet<strong>ra</strong>chteten Gebiete mit sich<br />
bringen wird. In diesem Beit<strong>ra</strong>g werden die<br />
Veränderung des Gletschervolumens, die<br />
Entwicklung der zu erwartenden Jahresabflü<strong>sse</strong><br />
sowie die Veränderung im Abflussregime<br />
bis 2100 in den sta<strong>rk</strong> vergletscherten<br />
Einzugsgebieten «Gorner» und<br />
«Mattma<strong>rk</strong>» untersucht. Für die Analysen<br />
kommen die in Huss et al. (2008b) entwickelte<br />
Methodik sowie die vom Institut für<br />
Atmosphäre und K<strong>lima</strong> (IAC) der ETH Zürich<br />
e<strong>ra</strong>rbeiteten K<strong>lima</strong>szenarien zur Anwendung.<br />
2. Untersuchungsgebiete<br />
2.1 Einzugsgebiet Gorner<br />
Das Einzugsgebiet Gorner (Bild 1) ist durch<br />
die Wa<strong>sse</strong>rfassung, welche die Gorne<strong>ra</strong><br />
auf einer Höhe von 2007 m ü.M. fasst, begrenzt<br />
und erstreckt sich über rund 81 km 2 .<br />
Das Gebiet ist durch den Gornergletscher<br />
geprägt, welcher im Jahre 2007 ein Gesamteisvolumen<br />
von etwa 4.4 km 3 aufwies.<br />
Das Gebiet enthält somit knapp unter<br />
10% des gesamtha<strong>ft</strong> in den Schweizer<br />
Alpen liegenden Gletschereisvolumens. Im<br />
Jahre 2007 waren 63% der Gebietsfläche<br />
vergletschert und 33% unbewachsen. Nur<br />
ein unwesentlicher Gebietsanteil ist durch<br />
Vegetation bedeckt. Während der Referenzperiode<br />
1980–2009 betrug der mittlere<br />
Jahresniederschlag 1320 ± 400 mm<br />
und die durchschnittliche Lu<strong>ft</strong>tempe<strong>ra</strong>tur<br />
–4.7 ± 1.3 °C. Der Verlauf des Jahresniederschlags<br />
ist durch eine zweigipflige Verteilung<br />
cha<strong>ra</strong>kterisiert, mit Maximas in den<br />
Monaten Mai und Oktober.<br />
2.2 Einzugsgebiet Mattma<strong>rk</strong><br />
Das Einzugsgebiet Mattma<strong>rk</strong> (Bild 2) weist<br />
bis zum Ausgleichsbecken in Zer Meig-<br />
geren eine Gesamtfläche von 65.7 km 2 auf.<br />
Das Einzugsgebiet ist Ursprung der Saaservispa<br />
und ist, nebst den enthaltenen<br />
Gletschern, durch den Stausee Mattma<strong>rk</strong><br />
cha<strong>ra</strong>kterisiert, welcher eine Fläche von<br />
nicht ganz 2 km 2 einnimmt. Im Jahre 2008<br />
waren etwa 30% des Gebiets vergletschert,<br />
52% unbewachsen, 14% durch<br />
Vegetation bedeckt und etwa 4% durch<br />
Gewä<strong>sse</strong>r cha<strong>ra</strong>kterisiert. Ihrer Grö<strong>sse</strong><br />
nach sind die wichtigsten Gletscher im<br />
Gebiet der Allalin-, der Schwarzberg-, der<br />
Hohlaub-, der Seewjinen- und der Chessjengletscher.<br />
Deren gesamtes Eisvolumen<br />
belief sich im Jahre 2008 noch auf<br />
rund 1.03 km 3 . Der mittlere Jahresniederschlag<br />
betrug während der Referenzperiode<br />
(1980–2009) 1610 ± 550 mm wobei<br />
der Jahresverlauf der Gesamtmenge zwei<br />
deutliche Maxima in den Monaten Mai und<br />
Oktober zeigt. Die durchschnittliche Lu<strong>ft</strong>tempe<strong>ra</strong>tur<br />
betrug in der gleichen Periode<br />
–2.3 ± 1.3 °C.<br />
3. Gletscherentwicklungs- und<br />
Abflussmodell GERM<br />
Die ausgeprägte räumliche Variabilität der<br />
meteorologischen Phänomene machen<br />
hydrologische Modellierungen für hochalpine<br />
Einzugsgebiete zu einer He<strong>ra</strong>usforderung.<br />
Modelle mü<strong>sse</strong>n in der Lage sein,<br />
eine Serie von gekoppelten Proze<strong>sse</strong>n zu<br />
beschrieben, die zum Teil noch nicht ganz<br />
verstanden sind (Becker, 2005). Für diese<br />
Studie wurde das hydro-glaziologische<br />
Modell GERM (Glacier Evolution Runoff<br />
Model) (Huss et al., 2008b; Farinotti et al.,<br />
2011) verwendet. Das konzeptionelle, deterministische<br />
Modell operiert räumlich<br />
verteilt, was bedeutet, dass jede der bet<strong>ra</strong>chteten<br />
Grö<strong>sse</strong>n für jede einzelne Gitterzelle,<br />
in denen das jeweilige Einzugsgebiet<br />
unterteilt wird, berechnet wird. Das<br />
Modell löst für jede Gitterzelle die lokale<br />
Wa<strong>sse</strong>rbilanz<br />
Q = P +M − ET + dS (1)<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 273<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Bild 1. Einzugsgebiet Gorner. Gebietsübersicht (links), k<strong>lima</strong>tische Bedingungen in der Referenzperiode 1980–2009 (Mitte) sowie<br />
Hypsometrie der Oberflächentypen (rechts). Die Gletscherumri<strong>sse</strong> entsprechen dem Stand 2007.<br />
Bild 2. Einzugsgebiet Mattma<strong>rk</strong>. Gebietsübersicht (links), k<strong>lima</strong>tische Bedingungen in der Referenzperiode 1980–2009 (Mitte) sowie<br />
Hypsometrie der Oberflächentypen ( rechts). Die Gletscherumri<strong>sse</strong> entsprechen dem Stand 2008.<br />
welche besagt, dass der aus der Zelle stammende<br />
Abfluss Q, sich aus der Summe des<br />
Flüssigniederschlags P der Schnee- und/<br />
oder Eisschmelze M und der Speicheränderung<br />
dS, abgezogen der Evapot<strong>ra</strong>nspi<strong>ra</strong>tion<br />
ET ergibt. Mit Evapot<strong>ra</strong>nspi<strong>ra</strong>tion<br />
bezeichnet man dabei die Summe aus Verdunstung<br />
(Evapo<strong>ra</strong>tion) und Pflanzenatmung<br />
(T<strong>ra</strong>nspi<strong>ra</strong>tion). Die Berechnung der<br />
einzelnen Komponenten der Wa<strong>sse</strong>rbilanz<br />
wird im Modell von unterschiedlichen Modulen<br />
vorgenommen.<br />
Der Niederschlag, sowohl in flüssiger<br />
als auch in fester Form, wird aus der<br />
Niederschlagszeitreihe, die für einen Referenzpunkt<br />
angegeben wird, durch die<br />
Anwendung eines linearen Höheng<strong>ra</strong>dienten<br />
über das Gebiet interpoliert. Beim<br />
Festniederschlag werden Schneeumverteilungsproze<strong>sse</strong><br />
durch Windverf<strong>ra</strong>chtung<br />
oder Lawinenaktivität durch ein vorgegebenes<br />
Verteilungsmuster berücksichtigt.<br />
Die Unterscheidung zwischen Fest- und<br />
Flüssigniederschlag geschieht aufgrund<br />
der berechneten lokalen Lu<strong>ft</strong>tempe<strong>ra</strong>tur.<br />
Diese wird ebenfalls durch einen linearen<br />
Höheng<strong>ra</strong>dienten aus der Tempe<strong>ra</strong>turzeitreihe<br />
am Referenzpunkt ermittelt.<br />
Die Schmelze (Ablation), wird mit<br />
einem G<strong>ra</strong>d-Tag-Faktor-Ansatz berechnet,<br />
welcher den Effekt der Sonneneinst<strong>ra</strong>hlung<br />
mitberücksichtigt (Hock, 1999).<br />
Zugrunde liegt ein empirischer Zusammenhang<br />
zwischen der Tagesmitteltempe<strong>ra</strong>tur<br />
der Lu<strong>ft</strong> und der anfallenden Schmelze.<br />
Den unterschiedlichen Eigenscha<strong>ft</strong>en von<br />
Schnee und Eis wird durch das Anwenden<br />
zwei verschiedener G<strong>ra</strong>d-Tag-Faktoren<br />
Rechnung get<strong>ra</strong>gen. Diese mü<strong>sse</strong>n zuerst<br />
aus den zur Verfügung stehenden Informationen<br />
bezüglich k<strong>lima</strong>tischer Bedingungen<br />
in der Vergangenheit und Eisvolumenänderungen<br />
der Gletscher bestimmt<br />
werden.<br />
Die Evapot<strong>ra</strong>nspi<strong>ra</strong>tion wird ebenfalls<br />
durch einen empirischen Zusammenhang<br />
mit der Lu<strong>ft</strong>tempe<strong>ra</strong>tur bestimmt. Der<br />
Ansatz basiert auf einer Idee von Hamon<br />
(1961), in welcher eine Pa<strong>ra</strong>metrisierung<br />
des Sättigungsdampfdrucks sowie eine<br />
Unterscheidung verschiedener Oberflächentypen<br />
zum T<strong>ra</strong>gen kommen. Die<br />
Speicheränderung wird schliesslich mit<br />
dem Konzept der linearen Reservoire dargestellt.<br />
Dieses postuliert einen linearen<br />
Zusammenhang zwischen dem Füllstand<br />
eines Reservoirs (Speicher) und de<strong>sse</strong>n<br />
Ausfluss (Speicheränderung). Im Modell<br />
werden drei abflusswi<strong>rk</strong>same Speicher unterschieden:<br />
einen schnellen, einen langsamen<br />
und einen Schneespeicher. Der<br />
erstgenannte stellt den Oberflächennahen,<br />
schnell ansprechenden Abfluss dar, der<br />
zweite die langsameren Komponenten,<br />
so wie es z.B. die unterirdischen Abflü<strong>sse</strong><br />
sind, und der dritte die in der Schneedecke<br />
gespeicherten Wa<strong>sse</strong>rmengen.<br />
Ein zent<strong>ra</strong>ler Teil des Modells ist<br />
die Prozedur, mit welcher die Gletscherentwicklung<br />
abgebildet wird. Es handelt<br />
sich dabei um die von Huss et al. (2010a)<br />
vorgeschlagene Δ_h-Pa<strong>ra</strong>metrisierung.<br />
Dieser einfache, ma<strong>sse</strong>nerhaltende Ansatz<br />
macht sich zu Nutze, dass die Eisdickenänderung<br />
eines Gletschers einem<br />
cha<strong>ra</strong>kteristischen Muster folgt, welches<br />
aus Daten, die in der Vergangenheit ermittelt<br />
wurden, eruierbar ist. Das Muster<br />
beschreibt wie die stä<strong>rk</strong>sten Änderungen<br />
im Bereich der Gletscherzunge stattfinden,<br />
während die Geometrieänderungen<br />
in höheren Lagen p<strong>ra</strong>ktisch vernachlässigbar<br />
sind. Der Ansatz wurde durch den<br />
Vergleich mit komplexeren, physikalisch<br />
fundierteren Gletscherfliessmodellen auf<br />
seine Gültigkeit überprü<strong>ft</strong> (Huss et al.,<br />
2010a) und in verschiedenen Studien bereits<br />
erfolgreich angewendet (z.B. Huss et<br />
al., 2010b; Farinotti et al., 2011).<br />
4. Meteorologische Zeitreihen<br />
und K<strong>lima</strong> der Zukun<strong>ft</strong><br />
Um Abflu<strong>sse</strong>ntwicklungen aus vergletscherten<br />
Einzugsgebieten über längere<br />
Zeiträume korrekt simulieren zu können, ist<br />
eine t<strong>ra</strong>nsiente (d.h. in der Zeit kontinuier-<br />
274 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Bild 3. Entwicklung des Eisvolumens in den Gebieten Gorner (links) und Mattma<strong>rk</strong> (rechts). Die durchgezogene Linie entspricht<br />
einem gleitenden Mittelwert über 15 Jahre. Das hellblaue Band enthält 95% aller Realisierungen. Die Zeitpunkte für welche ein<br />
Geländemodell der Gletscheroberfläche zur Verfügung steht, sind mit einem Dreieck gekennzeichnet.<br />
Bild 4. Gletscherentwicklung in den Einzugsgebieten Gorner (oben) und Mattma<strong>rk</strong> (unten). Die Farbtönung entspricht der mittleren<br />
Eisdicke sämtlicher Realisierungen. Bereiche in denen mehr als die Häl<strong>ft</strong>e der Realisierungen keinen Gletscher vorhersagen sind<br />
weiss dargestellt. Die gezeigten Gletscherumri<strong>sse</strong> entsprechen dem Stand 2007 (Gorner) resp. 2008 (Mattma<strong>rk</strong>). Die farbigen Balken<br />
zeigen die noch verbleibende Gletscherfläche (A) und das noch verbleibende Eisvolumen (V) relativ zu 2010. Die G<strong>ra</strong>phiken sind<br />
nicht auf gleicher Skala.<br />
liche) Anpassung der Gletscheroberfläche<br />
und des Eisvolumens unabdingbar. Nur so<br />
kann die Ma<strong>sse</strong>nerhaltung gewährleistet<br />
werden. T<strong>ra</strong>nsiente Simulationen benötigen<br />
allerdings auch t<strong>ra</strong>nsiente Inputdaten<br />
für das Antreiben des Modells. Im Falle<br />
des verwendete Modell GERM, welches<br />
für solch t<strong>ra</strong>nsiente Simulationen ausgelegt<br />
ist, bestehen die benötigten Inputdaten<br />
aus kontinuierlichen Zeitreihen der<br />
Tagesmitteltempe<strong>ra</strong>tur und des Tagesniederschlags.<br />
Diese meteorologischen Zeitreihen<br />
werden für die Vergangenheit und<br />
die Zukun<strong>ft</strong> mit zwei unterschiedlichen Ansätzen<br />
generiert.<br />
4.1 Meteorologische Zeitreihen<br />
für die Vergangenheit<br />
Für die Bereitstellung der Zeitreihen in<br />
der Vergangenheit kann auf verschiedene<br />
Messdatenquellen zurückgegriffen werden.<br />
Für die Tempe<strong>ra</strong>tur kommen insbesondere<br />
die homogenisierten Monatstempe<strong>ra</strong>turreihen,<br />
welche vom Bundesamt<br />
für Meteorologie und K<strong>lima</strong>tologie (Meteo-<br />
Schweiz) für 12 Stationen bereitgestellt<br />
werden (Begert et al., 2005), sowie Daten<br />
aus langjährig betriebenen Messtationen<br />
zum Einsatz. Als Grundlage für die Generierung<br />
der Niederschlagszeitreihen dient<br />
der PRISM Gitterdatensatz von Schwarb<br />
et al. (2001), welcher mittlere Monatsniederschlagssummen<br />
mit einer horizontalen<br />
Auflösung von etwa 2 km liefert, sowie die<br />
Tagesmessungen verschiedener Stationen<br />
im Umkreis des jeweiligen Gebiets.<br />
Eine genauere Beschreibung des Vorgehens<br />
um konsistente, kontinuierliche Zeitreihen<br />
zu erhalten, ist in Huss et al. (2008a)<br />
zu finden. Es sei nochmals ausdrücklich<br />
da<strong>ra</strong>uf hingewiesen, dass die für die Vergangenheit<br />
erstellten Meteo-Zeitreihen<br />
nicht einzig als Modellantrieb dienen,<br />
sondern auch für das Erstellen der Zusammenhänge<br />
zwischen vorherrschendem<br />
K<strong>lima</strong> und Ma<strong>sse</strong>nhaushalt der Gletscher<br />
absolut zent<strong>ra</strong>l sind. Die Methodik mit welcher<br />
diese Zusammenhänge rekonstruiert<br />
werden ist ebenfalls in Huss et al. (2008a)<br />
beschrieben.<br />
4.2 Meteorologische Zeitreihen<br />
für die Zukun<strong>ft</strong><br />
Für das Erstellen von meteorologischen<br />
Zeitreihen für die Zukun<strong>ft</strong> stehen keine<br />
direkten Messungen zur Verfügung. Hier<br />
kommen sogenannte «Szenarien» zum<br />
Einsatz, d.h. Hypothesen über mögliche<br />
Bedingungen in der Zukun<strong>ft</strong>. In dieser Studie<br />
wurden Szenarien verwendet, die vom<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 275<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Institut für Atmosphäre und K<strong>lima</strong> (IAC) der<br />
ETH Zürich für den Schweizer Alpen<strong>ra</strong>um<br />
aufbereitet wurden (Bosshard et al., 2011).<br />
Die Szenarien basieren auf den Resultaten<br />
des Europäischen Forschungsprojekts<br />
ENSEMBLES (van der Linden and Mitchell,<br />
2009) und verwenden den sogenannten<br />
«delta-change approach». In diesem wird<br />
der Effekt der K<strong>lima</strong>änderung zwischen<br />
zwei Perioden als Unterschied «Delta» im<br />
Mittelwert der bet<strong>ra</strong>chteten Variable (Tempe<strong>ra</strong>tur<br />
oder Niederschlag) ausgedrückt.<br />
Die beiden Perioden haben dabei gleiche<br />
Länge und werden mit «Referenz»- und<br />
«Szenarioperiode» bezeichnet. Die jeweiligen<br />
«Deltas» mü<strong>sse</strong>n nicht notwendigerweise<br />
auf den Jahresmittelwert bezogen<br />
sein, sondern können eine höhere zeitliche<br />
Auflösung aufweisen. Das IAC stellt «Deltas»<br />
in täglicher Auflösung bereit, die als<br />
Referenz die Periode 1980–2009 haben<br />
und für die beiden Szenarioperioden 2021–<br />
2050 und 2070–2099 gelten. Zu beme<strong>rk</strong>en<br />
ist, dass für jede Szenarioperiode zehn unterschiedliche<br />
Sätze an «Deltas» zur Verfügung<br />
stehen, was Ausdruck der Unsicherheit<br />
in den K<strong>lima</strong>modellen sein soll. Das<br />
Verwenden aller zehn «Delta»-Datensätze<br />
gibt somit die Möglichkeit, eine Bandbreite<br />
für das zukün<strong>ft</strong>ige K<strong>lima</strong> anzugeben. Allerdings<br />
würde diese Bandbreite nur die Unsicherheit<br />
abbilden, die sich aus der unbekannten<br />
Entwicklung des mittleren K<strong>lima</strong>s<br />
ergibt, nicht aber diejenige, die von der<br />
natürlichen Jahr-zu-Jahr-Variabilität der<br />
meteorologischen Variablen ausgeht. Um<br />
diese zweite Unsicherheitsquelle ebenfalls<br />
zu berücksichtigen, wurden für jede der<br />
zehn K<strong>lima</strong>entwicklungen wiederum zehn<br />
zufällige Meteo-Zeitreihen generiert, wel-<br />
che sowohl den vorgegebenen Mittelwert<br />
einhalten, wie auch eine aus der Vergangenheit<br />
abgeleitete Variabilität aufweisen.<br />
Für das Antreiben von GERM in der Zukun<strong>ft</strong><br />
steht somit ein Satz von 100 möglichen<br />
Tempe<strong>ra</strong>tur- und Niederschlagszeitreihen<br />
zur Verfügung. Weitere Details<br />
zur Erstellung der Zeitreihen für die Zukun<strong>ft</strong><br />
sind in Farinotti et al. (2011) zu finden.<br />
5. Resultate<br />
5.1 Gletscherentwicklung<br />
Gemäss den Modellrechnungen ist zu<br />
erwarten, dass sich das Eisvolumen im<br />
Einzugsgebiet Gorner bis 2040–2060 im<br />
Vergleich zur Referenzperiode halbiert<br />
haben wird (Bild 3 links). Bis 2090 wird<br />
die Vergletscherung vo<strong>ra</strong>ussichtlich auf<br />
etwas weniger als 25% zurückgehen und<br />
für Ende des 21. Jahrhunderts wird auch<br />
gemäss den günstigsten Szenarien weniger<br />
als ein Drittel des heute vorhandenen<br />
Eisvolumens übrig bleiben. Bild 4 oben<br />
zeigt die Gletsche<strong>ra</strong>usdehnung für vier<br />
ausgewählte Jahre. Für das Einzugsgebiet<br />
Mattma<strong>rk</strong> la<strong>sse</strong>n die Berechnungen eine<br />
Halbierung des während der Referenzperiode<br />
vorhandenen Eisvolumens bis<br />
2030–2050 erwarten (Bild 3 rechts). Ende<br />
dieses Jahrhunderts werden sich die Gletscher<br />
vo<strong>ra</strong>ussichtlich in Höhenlagen über<br />
etwa 3500 m ü.M. zurückgezogen haben<br />
(Bild 4). Dies würde die Vergletscherung<br />
des Gebiets auf weniger als 5% schrumpfen<br />
la<strong>sse</strong>n.<br />
5.2 Abflu<strong>sse</strong>ntwicklung<br />
Die gro<strong>sse</strong>n Eisma<strong>sse</strong>n, die im Einzugsgebiet<br />
Gorner gespeichert sind, la<strong>sse</strong>n mar-<br />
kante Änderungen im Abfluss und de<strong>sse</strong>n<br />
Jahresgang erwarten (Bild 5 und 6 links).<br />
Bis etwa 2030 sagen die Modellrechnungen<br />
einen stetigen Anstieg der Jahresabflussmengen<br />
vo<strong>ra</strong>us. Im Mittel über alle Szenarien<br />
beträgt des Jahresabflussvolumen zu<br />
diesem Zeitpunkt rund 160 ± 20 mio m 3 ,<br />
was im Vergleich zur Referenzperiode<br />
einem Anstieg von etwa 20% entspricht.<br />
Ab 2030 wird dann, aufgrund des zunehmend<br />
fehlenden Beit<strong>ra</strong>gs der Eisschmelze<br />
zum Gesamtabfluss, mit einer Abnahme<br />
der Jahresabflussmengen gerechnet.<br />
Diese dür<strong>ft</strong>e, im Vergleich zur Referenzperiode<br />
bis 2090 in etwa –13% bet<strong>ra</strong>gen,<br />
was einem Jahresabflussvolumen von 118<br />
± 14 mio m 3 entspricht. Diese Entwicklung<br />
ist hauptsächlich auf die Veränderungen<br />
der Eisma<strong>sse</strong>n zurückzuführen. Der Jahresniederschlag<br />
wird sich zwischen der<br />
Referenzperiode und Ende Jahrhundert<br />
gemäss den verwendeten K<strong>lima</strong>szenarien<br />
nur unwesentlich ändern, im Mittel wird<br />
eine Abnahme des Jahresniederschlags<br />
um etwa –5% vo<strong>ra</strong>usgesagt. Die vorhergesagte<br />
Zunahme der Evapot<strong>ra</strong>nspi<strong>ra</strong>tion<br />
ist zwar ma<strong>rk</strong>ant (nicht gezeigt), wird aber<br />
im Vergleich zu den Jahresabfluss- und<br />
-Niederschlagsmengen weiterhin von geringer<br />
Bedeutung bleiben.<br />
Bei der Entwicklung des Abflussjahresganges<br />
(Bild 6 links) fallen die abnehmenden<br />
Abflü<strong>sse</strong> in den Monaten Juli<br />
und August auf, welche bis Ende dieses<br />
Jahrhunderts erwartet werden. Im Vergleich<br />
zur Referenzperiode wird für 2090<br />
eine Abnahme um etwa 30% vorhergesagt.<br />
Zudem wird erwartet, dass sich der<br />
Zeitpunkt des maximalen Abflu<strong>sse</strong>s um<br />
rund einen Monat verschieben wird (von<br />
Bild 5. Entwicklung von Abfluss und Niederschlag in den Einzugsgebieten Gorner (links) und Mattma<strong>rk</strong> (rechts). Gezeigt sind 100<br />
mögliche Realisierungen des Jahresabflussverlaufs in der Periode 1900–2100 (g<strong>ra</strong>ue Linien) und ein über 30 Jahre geglätteter Mittelwert<br />
(blaue Linie). Das blau sch<strong>ra</strong>ffierte Band enthält 95% der Realisierungen. Für den Jahresniederschlag ist nur der geglättete<br />
Mittelwert gezeigt (schwarz gestrichelte Linie). Die relativen Beiträge zum Gesamtabfluss sind im oberen Bereich der G<strong>ra</strong>phik dargestellt.<br />
Aufgeschlü<strong>sse</strong>lt sind die Beiträge von Eis- und Schneeschmelze sowie Flüssigniederschlag. Im selben Bereich ist auch der<br />
Verlauf der Vergletscherung im Gebiet dargestellt (rote Linie). Der grüne Balken im unteren Bereich der G<strong>ra</strong>phik zeigt die Periode in<br />
welcher geme<strong>sse</strong>ne Abflussdaten zur Verfügung stehen.<br />
276 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Bild 6. Zeitliche Entwicklung des Abflussregimes in den Einzugsgebieten Gorner (links) und Mattma<strong>rk</strong> (rechts). Gezeigt ist der Verlauf<br />
des mittleren Tagesabflu<strong>sse</strong>s gemittelt über eine Periode von 30 Jahre und sämtliche Modellrealisierungen.<br />
Ende Juli auf Anfangs Juli) und dass die<br />
Monate Oktober und November mehr<br />
Wa<strong>sse</strong>r führen werden.<br />
Für das Einzugsgebiet Mattma<strong>rk</strong><br />
la<strong>sse</strong>n die Modellrechnungen erwarten,<br />
dass die Jahresabflussmengen nur<br />
für etwa eine Dekade ansteigen werden<br />
(Bild 5 rechts). Die Maximalen Jahresabflussmengen<br />
werden für die Periode um<br />
2020 vorhergesagt und werden rund 115<br />
± 12 mio m 3 bet<strong>ra</strong>gen. Im Vergleich zur<br />
Referenzperiode wäre das ein Anstieg von<br />
nicht ganz 5%. Ab 2020 wird von einer stetigen<br />
Abnahme der Jahresabflussmengen<br />
ausgegangen. Im Vergleich zur Referenzperiode,<br />
sind die für Ende dieses Jahrhunderts<br />
erwarteten Jahresabflü<strong>sse</strong> etwa<br />
15% niedriger, was einem Jahresabfluss<br />
von rund 95 ± 20 mio m 3 entspricht. Dieser<br />
Rückgang ist hauptsächlich durch die<br />
fehlende Eisschmelze bedingt und in geringerem<br />
Ma<strong>sse</strong> durch die abnehmenden<br />
Jahresniederschlagsmengen und der zunehmenden<br />
Evapot<strong>ra</strong>nspi<strong>ra</strong>tion. Im Vergleich<br />
zur Referenzperiode wird für den<br />
Jahresniederschlag bis 2090 von einer<br />
Abnahme um etwa –4% ausgegangen<br />
während sich die Evapot<strong>ra</strong>nspi<strong>ra</strong>tion zwischen<br />
den beiden Perioden etwa verdoppeln<br />
wird (nicht gezeigt).<br />
Ma<strong>rk</strong>ante Änderungen sind im Abflussregime<br />
zu erwarten (Bild 6 rechts).<br />
Insbesondere ist mit einer sta<strong>rk</strong>en Reduktion<br />
des Abflu<strong>sse</strong>s in den Monaten Juli und<br />
August zu rechnen, was bis Ende dieses<br />
Jahrhunderts zu einer ziemlich konstanten<br />
Abflussmenge während den Monaten Juli<br />
bis Oktober führen wird. Bis 2090 sagen<br />
die Modellrechnungen für den Monat Juli<br />
eine Abnahme des mittleren Abflu<strong>sse</strong>s um<br />
mehr als die Häl<strong>ft</strong>e vo<strong>ra</strong>us. Der maximale<br />
mittlere Abfluss wird sich bis Ende dieses<br />
Jahrhunderts um etwa anderthalb Monate<br />
verlagern: von Mitte Juli in der Referenzperiode<br />
auf Anfang Juni.<br />
6. Vergleich der beiden Untersuchungsgebiete<br />
Obwohl die beiden untersuchten Einzugsgebiete<br />
nicht sehr weit auseinanderliegen,<br />
unterscheiden sich de<strong>sse</strong>n Cha<strong>ra</strong>kteristiken<br />
und die da<strong>ra</strong>us hergeleiteten<br />
Prognosen beträchtlich. Nebst den recht<br />
unterschiedlichen Jahresniederschlagsmengen<br />
(das Einzugsgebiet Gorner ist in<br />
den Modellierungen etwa 15% trockener<br />
als das Einzugsgebiet Mattma<strong>rk</strong>, Bild 1<br />
und 2) und dem unterschiedlichen Vergletscherungsg<strong>ra</strong>d<br />
der beiden Gebiete<br />
(die Vergletscherung des Einzugsgebiets<br />
Gorner ist doppelt so hoch wie im Gebiet<br />
Mattma<strong>rk</strong>) betrif<strong>ft</strong> der wichtigste Unterschied<br />
die Verteilung der in den Gebieten<br />
vo<strong>rk</strong>ommenden Eisma<strong>sse</strong>n. Während im<br />
Einzugsgebiet Gorner volumenmässig<br />
das meiste Eis in relativ tiefen Lagen liegt<br />
(im flachen Bereich zwischen 2300 und<br />
2600 m ü.M.), sind die Eisma<strong>sse</strong>n im Einzugsgebiet<br />
Mattma<strong>rk</strong> in bedeutend höheren<br />
Lagen anzutreffen (mehr als zwei<br />
Drittel des Eisvolumens liegt höher als<br />
2800 m ü.M.) und wesentlich homogener<br />
mit der Höhe verteilt. Dieser Unterschied<br />
in der Höhenverteilung des Eisvolumens<br />
führt dazu, dass im Gornergebiet relativ<br />
gro<strong>sse</strong> Eisma<strong>sse</strong>n in kurzer Zeit hohen<br />
Tempe<strong>ra</strong>turen ausgesetzt sind und so<br />
in einem relativ begrenzten Zeit<strong>ra</strong>um zu<br />
einer ma<strong>rk</strong>ant erhöhten Eisschmelze führen,<br />
während sich der Effekt im Einzugsgebiet<br />
Mattma<strong>rk</strong> nur nach und nach, und<br />
somit wesentlich gedämp<strong>ft</strong>er, beme<strong>rk</strong>bar<br />
macht. Im Einzugsgebiet Mattma<strong>rk</strong> steht<br />
die Entwicklung der Jahresabflussmengen<br />
im direkten Zusammenhang mit der<br />
abnehmenden Gletscherfläche. Hingegen<br />
sorgen die gro<strong>sse</strong>n Eisma<strong>sse</strong>n im Einzugsgebiet<br />
Gorner für einen stä<strong>rk</strong>eren Anteil an<br />
Eisschmelze in den kommenden Jahren<br />
wodurch die Abflü<strong>sse</strong> zunehmen werden.<br />
7. Weitere Anme<strong>rk</strong>ungen<br />
In der vorliegenden Studie wurden zwei,<br />
sta<strong>rk</strong> vergletscherte Einzugsgebiete untersucht.<br />
Dazu wurde das dafür ausgelegte<br />
glaziohydrologische Modell GERM<br />
verwendet. Kern darin sind die Ma<strong>sse</strong>nbilanz-<br />
und Gletscherentwicklungsmodelle.<br />
Verglichen mit der ersten Version des Modells,<br />
welches von Huss et al. (2008b) präsentiert<br />
wurde, konnten entscheidende<br />
Fortschritte bei der Berechnung der Entwicklung<br />
der Gletschergeometrie erzielt<br />
werden. Mittlerweile liegt auch ein neues<br />
3D-Gletscherfliessmodell (Jouvet et al.,<br />
2008) vor, welches für ope<strong>ra</strong>tionelle Anwendungen<br />
zur Verfügung steht. Das<br />
Ma<strong>sse</strong>nbilanzmodell basiert auf einem robusten<br />
Ansatz, de<strong>sse</strong>n Pa<strong>ra</strong>meter für jedes<br />
Einzugsgebiet sepa<strong>ra</strong>t kalibriert werden<br />
mü<strong>sse</strong>n. Allerdings zeigten Studien (z.B.<br />
Huss et al., 2009), dass die verwendeten<br />
Pa<strong>ra</strong>meter insbesondere bei gro<strong>sse</strong>n Veränderungen<br />
der Vergletscherung über längere<br />
Zeit nicht unbedingt konstant bleiben.<br />
Weiterer Forschungsbedarf besteht auch<br />
bei der Berechnung der räumlichen wie<br />
zeitlichen Verteilung der Akkumulation.<br />
Verhältnismässig wenig Aufme<strong>rk</strong>samkeit<br />
wurde dem Prozess der Evapot<strong>ra</strong>nspi<strong>ra</strong>tion<br />
gewidmet. Für Alpine Einzugsgebiete<br />
wird in der Regel davon ausgegangen,<br />
dass aufgrund der relativ tiefen<br />
Tempe<strong>ra</strong>turen und der spärlichen Vegetation<br />
der Evapot<strong>ra</strong>nspi<strong>ra</strong>tion nur eine untergeordnete<br />
Rolle im Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong>reislauf zukommt<br />
(z.B. Bernath, 1991; Verbunt et al.,<br />
2003). Die vorgelegten Resultate deuten<br />
jedoch da<strong>ra</strong>uf hin, dass dieses Verhältnis<br />
sich in Zukun<strong>ft</strong> signifikant ändern könnte.<br />
Auch in diesem Falle wären entsprechende<br />
Abklärungen von gro<strong>sse</strong>r Bedeutung, insbesondere<br />
messungsbasierte.<br />
Die präsentierten Vert<strong>ra</strong>uensintervalle<br />
und Bandbreiten beschränken sich<br />
auf die Unsicherheiten in der zukün<strong>ft</strong>igen<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 277<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Entwicklung des K<strong>lima</strong>s. Weitere Unsicherheiten,<br />
die aufgrund des gewählten Modellansatzes<br />
entstehen (z.B. die erwähnten<br />
Modellpa<strong>ra</strong>meter oder das Evapo<strong>ra</strong>tionsmodul),<br />
wurden in der vorliegenden Studie<br />
nicht untersucht.<br />
Danksagung<br />
Diese Studie wurde vom Projekt «Wallis Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
K<strong>lima</strong>wandel» finanziert und wäre ohne die<br />
bereits vorhandene detaillierte Datengrundlage<br />
nicht möglich gewesen. Letztere konnte dank<br />
verschiedener Schweizer Nationalfond Projekte<br />
und Au<strong>ft</strong>räge der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e Mattma<strong>rk</strong> AG sowie<br />
G<strong>ra</strong>nde Dixence SA e<strong>ra</strong>rbeitet werden.<br />
Lite<strong>ra</strong>tur<br />
Becker, A. (2005). Runoff proce<strong>sse</strong>s in mountain<br />
headwater catchments: Recent understanding<br />
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Begert, M., Schlegel, T., and Kirchhofer, W.<br />
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Bernath, A. (1991). Wa<strong>sse</strong>rhaushalt im Einzugsgebiet<br />
der Rhone bis Gletsch. Untersuchungen<br />
zu Niederschlag, Verdunstung und Abfluss in<br />
einem teilweise vergletscherten Einzugsgebiet.<br />
Zürcher Geog<strong>ra</strong>phische Schri<strong>ft</strong>en, 43.<br />
Bosshard, T., Kotlarsky, S., Ewen, T., and Schär,<br />
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Anschri<strong>ft</strong> der Verfa<strong>sse</strong>r<br />
Daniel Farinotti, Andreas Bauder, Martin Funk<br />
Versuchsanstalt für Wa<strong>sse</strong>rbau, Hydrologie und<br />
Glaziologie (VAW), ETH Zürich<br />
CH-8092 Zürich, farinotti@vaw.baug.ethz.ch<br />
Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung auf die<br />
Geschiebef<strong>ra</strong>cht in Einzugsgebieten von<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sanlagen im Kanton Wallis<br />
Mélanie Raymond P<strong>ra</strong>long, Jens Martin Turowski , Dieter Rickenmann, Alexander Beer, Valentin Mét<strong>ra</strong>ux, Thierry Gla<strong>sse</strong>y<br />
Zusammenfassung<br />
Für die Einzugsgebiete der vier Walliser K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e G<strong>ra</strong>nde Dixence SA, Goug<strong>ra</strong><br />
SA, Mattma<strong>rk</strong> AG und Mauvoisin SA wurde der Einfluss der K<strong>lima</strong>änderung auf den<br />
Geschiebet<strong>ra</strong>nsport basierend auf den aktuellsten K<strong>lima</strong>-, Gletscher- und Abflussszenarien<br />
untersucht. Der zukün<strong>ft</strong>ige Geschiebet<strong>ra</strong>nsport wurde mittels einer abflussbasierten<br />
T<strong>ra</strong>nsportformel bestimmt, welche den Einfluss der Sedimentverfügba<strong>rk</strong>eit<br />
nicht explizit berücksichtigt. Die Ergebni<strong>sse</strong> zeigen, dass aufgrund der durch<br />
die K<strong>lima</strong>änderung bedingten geringeren Abflü<strong>sse</strong> die ausget<strong>ra</strong>genen Sedimentmengen<br />
bei ca. der Häl<strong>ft</strong>e (38 von 64) der untersuchten Einzugsgebiete abnehmen<br />
werden. Die grössten Geschiebemengen werden kün<strong>ft</strong>ig früher im Jahr t<strong>ra</strong>nsportiert,<br />
es findet eine Verschiebung vom Sommer in den Frühling statt.<br />
1. Einleitung<br />
Die prognostizierte K<strong>lima</strong>änderung wird<br />
das Abflussregime und den damit verbundenen<br />
Sedimentt<strong>ra</strong>nsport alpiner Einzugsgebiete<br />
nachhaltig verändern. Der Feststof<strong>ft</strong><strong>ra</strong>nsport<br />
aus den Einzugsgebieten<br />
der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen kann zu Verlandungen<br />
von Stauseen, zur Abnutzung von<br />
Turbinen, zu vermehrten Spülungen sowie<br />
während Extremereigni<strong>sse</strong>n zur Beschädigung<br />
von Wa<strong>sse</strong>rfassungen führen (Bild 1<br />
und Bild 2). Häufigere Spülungen verb<strong>ra</strong>uchen<br />
Wa<strong>sse</strong>r, das nicht mehr für die Pro-<br />
278 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Bild 1. Turtmanngletscher mit Moränen sowie Sedimentablagerungsbecken der Goug<strong>ra</strong> SA vom Staudamm aus gesehen (Foto: A.<br />
Beer, WSL).<br />
duktion zur Verfügung steht und verursachen<br />
somit direkt Kosten. Diese Proze<strong>sse</strong><br />
können erhebliche Auswi<strong>rk</strong>ungen auf die<br />
Betriebs- und Unterhaltskosten bei K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>anlagen<br />
haben. Aus diesen Gründen<br />
wurde im Rahmen des Projekts «Wallis,<br />
K<strong>lima</strong>änderung und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung»<br />
der Einfluss der K<strong>lima</strong>änderung auf den<br />
Geschiebet<strong>ra</strong>nsport bzw. den gesamten<br />
Sedimentt<strong>ra</strong>nsport untersucht, mit dem<br />
Ziel, diesbezügliche Änderungen zu quantifizieren.<br />
Dabei wurde der zukün<strong>ft</strong>ige Geschiebet<strong>ra</strong>nsport<br />
der Perioden 2021–2050<br />
(nahe Zukun<strong>ft</strong>) und 2070–2099 (ferne Zukun<strong>ft</strong>)<br />
für die Einzugsgebiete der vier Walliser<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sgesellscha<strong>ft</strong>en G<strong>ra</strong>nde<br />
Dixence SA, Goug<strong>ra</strong> SA, Mattma<strong>rk</strong> AG und<br />
Mauvoisin SA bestimmt.<br />
Die Berechnungen des zukün<strong>ft</strong>igen<br />
Geschiebet<strong>ra</strong>nsportes basieren auf<br />
der Modellkette K<strong>lima</strong>-, Gletscher- und<br />
Abflussprognose, welche im Artikel von<br />
Schädler et al. (dieses He<strong>ft</strong>) ausführlich erläutert<br />
sind und hier nicht weiter beschrieben<br />
werden. Die zu erwartenden Veränderungen<br />
hängen jedoch auch von der<br />
Geomorphologie und Sedimentverfügba<strong>rk</strong>eit<br />
der einzelnen Einzugsgebiete ab;<br />
dieser Aspekt wurde nur am Beispiel des<br />
Turtmanntals untersucht. Der vorliegende<br />
Bericht fasst die wichtigsten Ergebni<strong>sse</strong><br />
zusammen. Weiterführende Ergebni<strong>sse</strong><br />
können im Bericht von Raymond P<strong>ra</strong>long<br />
et al. (2011) nachgelesen werden.<br />
2. Grundlagen zum Sedimentt<strong>ra</strong>nsport<br />
2.1 Der Geschiebetrieb<br />
Unter dem Begriff Geschiebet<strong>ra</strong>nsport<br />
ist die Verlagerung von Gesteinkörnern<br />
grö<strong>sse</strong>r als etwa Feinsand durch Gerinneabfluss<br />
zu verstehen, wobei die Körner<br />
vorwiegend in Sohlennähe t<strong>ra</strong>nsportiert<br />
werden. Im Begriff Sedimentt<strong>ra</strong>nsport<br />
werden auch die feineren Korngrö<strong>sse</strong>n<br />
eingeschlo<strong>sse</strong>n, welche vorwiegend als<br />
Schwebstoff t<strong>ra</strong>nsportiert werden und sich<br />
auch in den Stauseen ablagern. Die Materialmenge,<br />
welche durch Wa<strong>sse</strong>r mobilisiert<br />
und t<strong>ra</strong>nsportiert werden kann, hängt<br />
von der T<strong>ra</strong>nsportkapazität des Gerinnes<br />
und von der Sedimentverfügbarbeit ab.<br />
Die T<strong>ra</strong>nsportkapazität ist einerseits vom<br />
geringsten Gefälle innerhalb des Flussverlaufes<br />
abhängig, da dort die Schubspannungen<br />
an der Sohle am kleinsten sind.<br />
Andererseits bestimmt die Abflussmenge<br />
die T<strong>ra</strong>nsportkapazität mit. Damit Material<br />
tatsächlich ausget<strong>ra</strong>gen werden kann, ist<br />
ein kritischer Abfluss nötig, welcher als<br />
untere Grenze für den Stof<strong>ft</strong><strong>ra</strong>nsport gilt.<br />
Unterhalb dieser Abflussmenge findet kein<br />
Sedimentt<strong>ra</strong>nsport statt.<br />
2.2 Berechnung der Geschiebet<strong>ra</strong>nsport<strong>ra</strong>te<br />
In dieser Studie wurden die zukün<strong>ft</strong>igen<br />
Geschiebef<strong>ra</strong>chten mittels einer abflussbasierten<br />
Geschiebet<strong>ra</strong>nsportgleichung<br />
bestimmt. Die Geschiebet<strong>ra</strong>nsport<strong>ra</strong>te<br />
wird mit folgender kompakten Gleichung<br />
berechnet:<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 279<br />
(1)<br />
Dabei ist q b die volumetrische Geschiebet<strong>ra</strong>nsport<strong>ra</strong>te<br />
pro Einheitsbreite, q der<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Bild 2. Beschädigte Wa<strong>sse</strong>rfassung Riedbach in Grächen (Mattertal, Mattma<strong>rk</strong> AG) als Folge eines Wa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>usbruches im Riedgletscher<br />
am 08. August 1989 (Fotos: K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e Mattma<strong>rk</strong> AG).<br />
Abfluss pro Einheitsbreite q c, der kritische<br />
Abfluss pro Einheitsbreite bei Beginn des<br />
Geschiebet<strong>ra</strong>nsportes und S das Gerinnegefälle.<br />
Für eine ausführliche Herleitung<br />
dieser Gleichung wird auf Badoux & Rickenmann<br />
(2008) oder Nitsche et al. (2011)<br />
verwiesen.<br />
Der kritische Abfluss q c in Gleichung<br />
(1) wird mit folgender empirischer<br />
Gleichung abgeschätzt<br />
(2)<br />
Dabei ist s = ρ s / ρ das Verhältnis von Feststoffdichte<br />
ρ s zur Fluiddichte ρ, g die G<strong>ra</strong>vitationsbeschleunigung<br />
und d x die cha<strong>ra</strong>kteristische<br />
Korngrö<strong>sse</strong> des Bachmaterials,<br />
für welche x% des Materials feiner sind.<br />
Für das Dichteverhältnis von Quarzsediment<br />
zu Wa<strong>sse</strong>r wird s = 2.68 gesetzt. Gl.<br />
(2) wurde von Bathurst et al. (1987) vorgeschlagen<br />
und von Rickenmann (1990)<br />
leicht modifiziert. Sie basiert auf Laborversuchen<br />
mit relativ einheitlichen Korngrö<strong>sse</strong>n<br />
und Gerinnegefällen von 0.0025 bis<br />
0.2 und entspricht Bedingungen in einem<br />
Bachbett ohne Deckschicht und ohne ausgeprägte<br />
Sohlstrukturen.<br />
2.3 Berücksichtigung des hohen<br />
Fliesswiderstandes in steilen<br />
und <strong>ra</strong>uen Gerinnen<br />
Zur Bestimmung des Geschiebet<strong>ra</strong>nsportes<br />
unter Berücksichtigung von Energieverlusten<br />
durch grobe Rauigkeitselemente<br />
kann Gl. (1) in Kombination<br />
mit einem Ansatz für die Au<strong>ft</strong>eilung des<br />
Fliesswiderstandes verwendet werden.<br />
Das reduzierte Energieliniengefälle S red<br />
bezieht sich dabei auf ein Basisniveau des<br />
Fliesswiderstandes (für eine Grund<strong>ra</strong>uigkeit<br />
des Sohlenmaterials) und bestimmt<br />
die verbleibende Energie, welche für den<br />
Geschiebet<strong>ra</strong>nsport zur Verfügung steht<br />
(Rickenmann & Recking, 2011):<br />
280 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden<br />
(3)<br />
Dabei bezieht sich der Darcy-Weisbach<br />
Reibungskoeffizient f tot auf die Gesamtreibung<br />
und f o auf die Basisreibung bzw. der<br />
Manning-Strickler Reibungsbeiwert n tot<br />
auf die Gesamtreibung und n o auf die Basisreibung.<br />
Meyer-Peter und Müller (1948)<br />
schlugen aufgrund ihrer Experimente einen<br />
empirisch bestimmten Wert e = 1.5 vor. Rickenmann<br />
et al. (2006) gehen davon aus,<br />
dass plausible Werte für den Exponenten e<br />
im Bereich von 1 ≤ e ≤ 2 liegen, was durch<br />
Untersuchungen zum Geschiebet<strong>ra</strong>nsport<br />
in steilen Gerinnen in der Schweiz und Österreich<br />
bestätigt wird (Badoux & Rickenmann,<br />
2008; Chiari & Rickenmann, 2011;<br />
Nitsche et al., 2011). Hier wurde e = 1.5<br />
verwendet.<br />
Das Verhältnis zwischen Basiswiderstand<br />
und gesamtem Fliesswiderstand<br />
ergibt sich zu:<br />
(4)<br />
Dabei ist v die mittlere Fliessgeschwindigkeit<br />
unter Berücksichtigung der Gesamtreibung<br />
und f tot und v o bezeichnet eine<br />
virtuelle Fliessgeschwindigkeit unter Berücksichtigung<br />
der Basisreibung f o. Das<br />
Resultat der Au<strong>ft</strong>eilung des Fliesswiderstandes<br />
nach Gl. (4) wird in Gl. (3) für die<br />
Berechnung von S red eingesetzt. Die hier<br />
vorgeschlagene Au<strong>ft</strong>eilung ist im Grunde<br />
eine Funktion der relativen Abflusstiefe. Es<br />
handelt sich dabei um einen pauschalen,<br />
empirischen Ansatz, welcher aber implizit<br />
Informationen über eine durchschnittliche<br />
Rauigkeitserhöhung in steilen und <strong>ra</strong>uen<br />
Gerinnen enthält.<br />
3. Die Untersuchungsgebiete<br />
G<strong>ra</strong>nde Dixence<br />
Das Einzugsgebiet der G<strong>ra</strong>nde Dixence SA<br />
liegt südlich des Rhonetals, jeweils in den<br />
hinteren Teilen des Mattertals und des Val<br />
d’Hérens (rote Fläche in Bild 3) und umfasst<br />
eine Fläche von 357 km 2 . Insgesamt<br />
werden 36 verschiedene Teileinzugsgebiete<br />
gefasst. Das Gesamteinzugsgebiet<br />
ist zu zwei Dritteln und gewi<strong>sse</strong> Teileinzugsgebiete<br />
bis zu 80% vergletschert.<br />
Das gesammelte Wa<strong>sse</strong>r wird über einen<br />
Hauptstollen in den G<strong>ra</strong>nde Dixence Stausee<br />
im Nachbartal Val des Dix geleitet. Alle<br />
Wa<strong>sse</strong>rfassungen liegen oberhalb 2000 m<br />
ü.M. Die Standorte der Wa<strong>sse</strong>rfassungen<br />
sind mit einem Punkt dargestellt. Die<br />
grössten Gletscher im Gebiet sind Gorner-,<br />
Findelen-, Zmuttgletscher, Glacier<br />
de Ferpècle und Haut Glacier d’Arolla.<br />
Die Teileinzugsgebietsflächen liegen zwischen<br />
1.5 km 2 (Douves Blanches) und<br />
80 km 2 (Gorne<strong>ra</strong>), wobei die Mehrheit Flächen<br />
unter 5 km 2 liegen (21 Teileinzugsgebiete).<br />
Goug<strong>ra</strong><br />
Das Einzugsgebiet der Goug<strong>ra</strong> SA liegt<br />
im hinteren Val d’Anniviers und im Nachbartal<br />
Turtmann und umfasst eine Fläche<br />
von 252 km 2 (hellblaue Einzugsgebiete in<br />
Bild 3). Neben dem natürlichen Einzugsgebiet<br />
wird dem Stausee Moiry (2250 m ü.M)<br />
Wa<strong>sse</strong>r der Navisence von Mottec sowie<br />
das Wa<strong>sse</strong>r aus dem Turtmannstausee<br />
zugeleitet. Das Teileinzugsgebiet der Turtmänna<br />
umfasst eine Fläche von 36.6 km 2
mit einer Vergletscherung von 56% (Zuber,<br />
2005) und erreicht eine maximale Höhe<br />
von 4151 m ü.M (Bishorn). Neben dem<br />
natürlichen Einzugsgebiet wird dem Turtmannstausee<br />
Wa<strong>sse</strong>r aus den Bächen<br />
Brändji, Bluomatt und Frilli zugeleitet.<br />
Mattma<strong>rk</strong><br />
Das Einzugsgebiet des Stausees Mattma<strong>rk</strong><br />
AG liegt im hinteren Saastal und umfasst<br />
eine Fläche von 85.9 km 2 (dunkelblaue<br />
Einzugsgebiete in Bild 3). Der Stausee<br />
liegt auf 2197 m ü.M. Das natürliche<br />
Einzugsgebiet von 37.1 km 2 erreicht eine<br />
maximale Höhe von 3795 m ü.M. (Fluchthorn).<br />
Neben dem natürlichen Einzugsgebiet<br />
werden dem Stausee Mattma<strong>rk</strong> die<br />
links- und rechtsufrigen Seitenbäche der<br />
Saaser Vispa (Tri<strong>ft</strong>bach, Almagellerbach,<br />
Furgbach, Allalinbach, Hohlaubbach) mit<br />
einem Gesamteinzugsgebiet von 51.1 km 2<br />
zugeleitet. Gletscher wie der Schwarzberg-,<br />
Allalin- und Feegletscher prägen<br />
das alpine Landscha<strong>ft</strong>sbild. Im Jahr 1985<br />
betrug die vergletscherte Fläche im Gesamteinzugsgebiet<br />
30.3 km 2 , was einem<br />
Anteil von 35.4% entspricht.<br />
Mauvoisin<br />
Das Einzugsgebiet des Stausees Mauvoisin<br />
liegt im hinteren Teil des Val de Bagnes<br />
(in Bild 3 gelb ma<strong>rk</strong>iert). Dem Stausee werden<br />
neben den natürlichen Zuflü<strong>sse</strong>n mit<br />
einem Einzugsgebiet von 114 km 2 auch die<br />
links- und rechtsufrigen Bäche des mittleren<br />
Val de Bagnes mit einem Einzugsgebiet<br />
von 53 km 2 zugeleitet. Das Einzugsgebiet<br />
ist zu 43 Prozent vergletschert. Der G<strong>ra</strong>nd<br />
Combin mit einer Höhe von 4314 m ü.M.<br />
bildet den höchsten Gipfel.<br />
4. Modellierung des kün<strong>ft</strong>igen<br />
Sedimentt<strong>ra</strong>nsportes<br />
Für die Berechnung des kün<strong>ft</strong>igen Sediment-<br />
bzw. Geschiebet<strong>ra</strong>nsportes sollten<br />
Vo<strong>ra</strong>ussagen über (i) die Abflu<strong>sse</strong>ntwicklung<br />
und (ii) die Entwicklung der Sedimentverfügba<strong>rk</strong>eit<br />
in den einzelnen Einzugsgebieten<br />
gemacht werden können.<br />
In den hier vorgestellten Resultaten wurde<br />
hauptsächlich der Einfluss der Abflu<strong>sse</strong>ntwicklung<br />
auf den Geschiebet<strong>ra</strong>nsport untersucht<br />
(Einflussfaktor i). Die Beurteilung<br />
der Entwicklung der Sedimentverfügba<strong>rk</strong>eit<br />
ist schwieriger zu quantifizieren und<br />
basiert u.a. auf detaillierteren Felduntersuchungen.<br />
Im Rahmen dieses Projektes<br />
wurde dieser Aspekt nur für das Einzugsgebiet<br />
des Turtmanntals (Goug<strong>ra</strong> SA) untersucht.<br />
Dort übersteigt die verfügbare<br />
Sedimentmenge die T<strong>ra</strong>nsportkapazität<br />
des Baches um mehrere Grö<strong>sse</strong>nordnungen.<br />
Der Bach zeigt also t<strong>ra</strong>nsport-limitiertes<br />
Verhalten. Die Ergebni<strong>sse</strong> sind<br />
Bild 3. Einzugsgebiete der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sbetriebe G<strong>ra</strong>nde Dixence SA (rot), Goug<strong>ra</strong> SA<br />
(hellblau), Mattma<strong>rk</strong> AG (blau) und Mauvoisin SA ( gelb).<br />
im Detail von Beer (2009) und Raymond<br />
P<strong>ra</strong>long et al. (2011) beschrieben.<br />
4.1 Geschiebef<strong>ra</strong>chtprognosen<br />
Der kün<strong>ft</strong>ige Geschiebet<strong>ra</strong>nsport wird<br />
anhand des prognostizierten Abflu<strong>sse</strong>s<br />
berechnet. Dazu wird die abflussbasierte<br />
T<strong>ra</strong>nsportformel (Gleichung [1]) an den<br />
beobachteten Geschiebef<strong>ra</strong>chten (falls<br />
vorhanden abgeschätzt aus Anzahl Spülungen<br />
der Entsander und Entkieser) geeicht<br />
und auf die prognostizierten Abflusswerte<br />
angewandt. Die Geschiebef<strong>ra</strong>chten<br />
wurden für je zehn K<strong>lima</strong>-Abfluss-Szenarien<br />
für die Perioden 2021–2050 und 2070–<br />
2099 berechnet und im Verhältnis zu den<br />
Referenzwerten der Periode 1980–2009<br />
gesetzt.<br />
5. Resultate<br />
Der kün<strong>ft</strong>ige Geschiebet<strong>ra</strong>nsport wurde<br />
für insgesamt 65 Bäche untersucht: 36 im<br />
Gebiet der G<strong>ra</strong>nde Dixence, 10 in jenem<br />
der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e Goug<strong>ra</strong>, neun im Einzugsgebiet<br />
der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e Mattma<strong>rk</strong> und 10<br />
für das Gebiet von Mauvoisin. Die Berechnungen<br />
geben die Änderung der T<strong>ra</strong>nsportkapazität<br />
wieder; die Geschiebeverfügba<strong>rk</strong>eit<br />
wurde nicht explizit berücksichtigt.<br />
Zur be<strong>sse</strong>ren Übersicht wurden<br />
für jede Messstelle die mittlere jährliche<br />
Geschiebef<strong>ra</strong>cht über alle zehn Szenarien<br />
ermittelt, und mit dem Wert der Referenzperiode<br />
normalisiert.<br />
Bei einem Bach (Pas de Chèvres;<br />
G<strong>ra</strong>nde Dixence) lag der berechnete Geschiebet<strong>ra</strong>nsport<br />
in der Referenzperiode<br />
und in den meisten Szenarien bei Null, das<br />
heisst, dass der mittels Gleichung (2) abgeschätzte<br />
Abflussgrenzwert für den T<strong>ra</strong>nsportbeginn<br />
nicht überschritten wurde. Bei<br />
diesem Bach dominieren jetzt und in Zukun<strong>ft</strong><br />
Extremereigni<strong>sse</strong> den Geschiebet<strong>ra</strong>nsport.<br />
Dieser Bach wird im Folgenden<br />
nicht berücksichtigt.<br />
5.1 Auswi<strong>rk</strong>ungen auf die Geschiebemengen<br />
und die<br />
saisonale Verteilung des<br />
Geschiebet<strong>ra</strong>nsportes<br />
Im Durchschnitt gibt es in den restlichen<br />
64 Bächen im Vergleich zu den Beobachtungen<br />
der Referenzperiode in der Periode<br />
2021–2050 einen Geschiebeanstieg<br />
um den Faktor 2.15 (Median 1.39), in der<br />
Periode 2070–2099, um einen Faktor 4.69<br />
(Median 3.79). Diese Werte sind jedoch<br />
sta<strong>rk</strong> beeinflusst von zwei Ausrei<strong>sse</strong>rn<br />
(Rocs Rouges, G<strong>ra</strong>nde Dixence: Mittelwert<br />
40.67 in 2050 und 75.40 in 2099; und<br />
Crête Sèche, Mauvoisin: Mittelwert 41.18<br />
in 2050 und 173.28 in 2099). Werden diese<br />
Bäche in dem Vergleich weggela<strong>sse</strong>n, verringert<br />
sich der Mittelwert für 2021–2050<br />
auf 0.90 (Median 0.88) und für 2070–2099<br />
auf 0.84 (Median 0.83). Im Allgemeinen<br />
kann also bei den untersuchten Bächen<br />
von einem Geschieberückgang ausgegangen<br />
werden, vor allem für die Periode 2070<br />
bis 2099 (Bild 4). Die durch die K<strong>lima</strong>änderung<br />
bedingten geringeren mittleren Abflü<strong>sse</strong><br />
rufen diesen Rückgang hervor. Bis<br />
2050 zeigen nur neun Bäche gesteigerte<br />
Geschiebelieferungen um mehr als 20%,<br />
während 13 Bäche weniger als 80% der<br />
Geschiebef<strong>ra</strong>chten in der Referenzperiode<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 281<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
bringen. Die restlichen 42 Bäche liefern<br />
zwischen 80% und 120% der Referenzf<strong>ra</strong>chten.<br />
Bis 2099 liefern zehn Bäche mehr<br />
Geschiebe, aber nur noch 16 Bäche liefern<br />
ähnliche F<strong>ra</strong>chten wie in der Referenzperiode.<br />
Die restlichen 38 Bäche liefern weniger<br />
als 80% der Geschiebef<strong>ra</strong>chten der<br />
Referenzperiode.<br />
Die Veränderungen in den jahreszeitlichen<br />
Verteilungen der Geschiebelieferung<br />
sind in Bild 5 dargestellt. Bis 2099<br />
betreffen sie fast alle Einzugsgebiete. Die<br />
maximalen jährlichen Geschiebemengen<br />
fallen heute für die meisten Bäche in den<br />
für ein glaziales Abflussregime abflussreichsten<br />
Sommermonaten Juli und August<br />
an. Aufgrund der veränderten Abflussregimes<br />
verschiebt sich ihr Au<strong>ft</strong>reten<br />
in Zukun<strong>ft</strong> in den Frühsommer. Bis 2050<br />
zeigen 50% der Bäche eine veränderte<br />
Geschiebelieferung vom Sommer in den<br />
Frühling (glaziales zu nivales Abflussregime),<br />
bis 2099 gar 67%. Eine Verschiebung<br />
der jährlichen Geschiebelieferung<br />
vom Frühling in den Winter wird erst ab<br />
2070–2099 beobachtet und betrif<strong>ft</strong> acht<br />
Bäche. Bis 2050 zeigen 28 Bäche keine<br />
Verschiebung, bis 2099 nur noch neun<br />
Bäche. Fünf Bäche sind sta<strong>rk</strong> von Extremereigni<strong>sse</strong>n<br />
beeinflusst.<br />
5.2 Jährliche Geschiebeganglinien,<br />
Fallbeispiele zu verschiedenem<br />
Bachverhalten<br />
Die Einzugsgebiete reagieren je nach<br />
Höhenlage und Vergletscherungsg<strong>ra</strong>d,<br />
Schneebedeckung, Ausdehnung des<br />
Permafrostes, Vegetationsbedeckung<br />
und Sedimentverfügba<strong>rk</strong>eit unterschiedlich<br />
auf die K<strong>lima</strong>änderung. Die Sedimentverfügba<strong>rk</strong>eit<br />
spielt dabei eine wesentliche<br />
Rolle, konnte aber wie bereits<br />
erwähnt im Rahmen dieser Studie nur für<br />
das Ein zugsgebiet des Turtmanntals berücksichtigt<br />
werden. Im Folgenden werden<br />
Jahresgeschiebeganglinien gezeigt, die<br />
verschiedene Reaktionen der Einzugsgebiete<br />
auf die K<strong>lima</strong>änderung darstellen. Bei<br />
gewi<strong>sse</strong>n Einzugsgebieten wird nur eine<br />
Zunahme der Geschiebef<strong>ra</strong>chten, jedoch<br />
keine saisonale Verschiebung in der Zukun<strong>ft</strong><br />
erwartet. Für Tsijiore Nouve (G<strong>ra</strong>nde<br />
Dixence SA) wurde z.B. eine Zunahme der<br />
Geschiebelieferung von im Mittel 177% der<br />
Geschiebemengen der Referenzperiode<br />
bis 2050 und 393% bis 2099 berechnet<br />
(Bild 6). Bei dem Einzugsgebiet Langfluh<br />
(G<strong>ra</strong>nde Dixence SA) dagegen wird eine<br />
Abnahme der Geschiebef<strong>ra</strong>chten auf 80%<br />
der Geschiebemengen der Referenzperiode<br />
für 2021–2050 und auf 40% für 2070 –<br />
2099 erwartet (Bild 7). Eine saisonale Ver-<br />
Bild 4. Geschiebet<strong>ra</strong>nsportänderungen in 64 untersuchten Bächen für die Perioden<br />
2021–2050 (links) und 2070–2099 (rechts) im Vergleich zu den Referenzwerte der<br />
Periode 1980–2009. Mehr Geschiebet<strong>ra</strong>nsport entspricht einem Wert von >120 Prozent<br />
der Geschiebemengen der Referenzperiode, weniger Geschiebet<strong>ra</strong>nsport einem Wert<br />
Bild 6. Jährliche Geschiebeganglinien (m 3 /Tag) für je zehn Szenarien der Perioden 2021 bis 2050 (links) und 2070 bis 2099 (rechts)<br />
im Vergleich zur die Referenzperiode 1980–2009 (schwarz) für das Einzugsgebiet Tsijiore Nouve (G<strong>ra</strong>nde Dixence SA). In diesem<br />
Beispiel erhöhen sich die Geschiebef<strong>ra</strong>chten sta<strong>rk</strong>, ohne dass eine saisonale Verschiebung sichtbar ist.<br />
Bild 7. Jährliche Geschiebeganglinien (m 3 /Tag) für je zehn Szenarien der Perioden 2021 bis 2050 (links) und 2070 bis 2099 (rechts) im<br />
Vergleich zur Referenzperiode 1980–2009 (schwarz) für das Einzugsgebiet Langfluh (G<strong>ra</strong>nde Dixence). Klar e<strong>rk</strong>ennbar ist die saisonale<br />
Verschiebung der Geschiebelieferung von den Sommermonaten (glazial) zum Frühling (niveal).<br />
Bild 8. Jährliche Geschiebeganglinien (m 3 /Tag) für je zehn Szenarien der Perioden 2021 bis 2050 (links) und 2070 bis 2099 (rechts),<br />
jeweils im Vergleich zur Referenzperiode 1980–2009 (schwarz) für das Einzugsgebiet Mellichen (G<strong>ra</strong>nde Dixence).<br />
Aust<strong>ra</strong>gvolumen wurde auf 27 Millionen<br />
Kubikmeter abgeschätzt (Bild 9b).<br />
6. Diskussion<br />
Die hier vorgestellten quantitativen Geschiebef<strong>ra</strong>chtprognosen<br />
bet<strong>ra</strong>chten den<br />
Einfluss der Änderung des Abflu<strong>sse</strong>s auf<br />
den Geschiebet<strong>ra</strong>nsport und gelten somit<br />
strenggenommen nur für sogenannte<br />
t<strong>ra</strong>nsport-limitierte Gebirgsbäche (Begrenzung<br />
des Geschiebeaufkommens durch<br />
das T<strong>ra</strong>nsportvermögen des Baches).<br />
Der zukün<strong>ft</strong>ige Geschiebet<strong>ra</strong>nsport kann<br />
aber auch sta<strong>rk</strong> von einer veränderten<br />
Sedimentverfügba<strong>rk</strong>eit im Einzugsgebiet<br />
beeinflusst werden, dies gilt vor allem für<br />
verfügba<strong>rk</strong>eits-limitierte Gebirgsbäche.<br />
Tendenziell ist anzunehmen, dass<br />
die Sedimentverfügba<strong>rk</strong>eit in einigen Gebieten<br />
durch den Rückzug der Gletscher<br />
und den Rückgang des Permafrostes zunehmen<br />
dür<strong>ft</strong>e. Die F<strong>ra</strong>ge der Sediment-<br />
verfügba<strong>rk</strong>eit wurde beispielha<strong>ft</strong> im Einzugsgebiet<br />
des Turtmanntals untersucht.<br />
Dort übersteigen die vorhandenen Sedimentmengen<br />
die T<strong>ra</strong>nsportkapazität bei<br />
Weitem. Deswegen kann angenommen<br />
werden, dass für die heute t<strong>ra</strong>nsport-limitierten<br />
Gletscherbäche auch in Zukun<strong>ft</strong><br />
genügend Sediment bzw. Geschiebe zur<br />
Verfügung steht. Umgekehrt ist es aber<br />
denkbar, dass für heute verfügba<strong>rk</strong>eitslimitierte<br />
Gletscherbäche in gewi<strong>sse</strong>n<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 283<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Bild 9a. Die Sedimentkörper im oberen Turtmanntal und im<br />
Innern Wängertälli.<br />
Fällen in den nächsten Jahrzehnten mehr<br />
Sediment bzw. Geschiebe in das Gerinnesystem<br />
gelangen könnte und so der<br />
Geschiebet<strong>ra</strong>nsport allenfalls auch bei abnehmenden<br />
Abflü<strong>sse</strong>n zunehmen könnte.<br />
Eine genaue Unterscheidung der untersuchten<br />
Bäche in t<strong>ra</strong>nsport-limitierte bzw.<br />
verfügba<strong>rk</strong>eits-limitierte Systeme ist nicht<br />
einfach möglich, und würde insbesondere<br />
weitere Felduntersuchungen erfordern.<br />
Au<strong>sse</strong>r dem Beispiel Turtmanntal<br />
wurde die Sedimentverfügba<strong>rk</strong>eit in der<br />
Studie bei der Bestimmung der zukün<strong>ft</strong>igen<br />
Geschiebef<strong>ra</strong>chten nicht berücksichtigt.<br />
Dies könnte pro Einzugsgebiet<br />
je nach geomorphologischem Kontext zu<br />
einer Unter- oder Überschätzung der zukün<strong>ft</strong>igen<br />
F<strong>ra</strong>chten führen und sollte bei<br />
der Interpretation der Resultate berücksichtigt<br />
werden.<br />
Durch das sich ändernde Abflussverhalten<br />
der Bäche führen unsere Berechnungen<br />
meist zu einem leichten bis<br />
mittleren Geschieberückgang, zumindest<br />
wenn die prognostizierten Abflussmengen<br />
als korrekt angenommen werden. Für die<br />
Interpretation der Ergebni<strong>sse</strong> sollte man<br />
sich jedoch bewusst machen, dass alle<br />
Unsicherheiten und Fehler der Modellkette<br />
(Emissionsmodelle, K<strong>lima</strong>szenarien, Gletscherflächenänderung,Abflussvorhersage)<br />
sich direkt auf die Vorhersagen des<br />
Geschiebetriebs auswi<strong>rk</strong>en. Eine ausführliche<br />
Diskussion der verschiedenen Unsi-<br />
cherheiten kann in den entsprechenden<br />
Fachberichten gefunden werden.<br />
Eine wichtige Änderung im T<strong>ra</strong>nsportverhalten<br />
ergibt sich für den saisonalen<br />
Verlauf des Geschiebet<strong>ra</strong>nsportes. Durch<br />
den Rückgang der Gletscher steht im<br />
Sommer weniger Wa<strong>sse</strong>r zur Verfügung,<br />
das stattde<strong>sse</strong>n während der Schneeschmelze<br />
im Frühling abfliesst, oder sogar<br />
direkt während des Winters als Regen in<br />
die Bäche gelangt. Sta<strong>rk</strong>niederschlagsereigni<strong>sse</strong><br />
im Sommer und Herbst könnten<br />
in Zukun<strong>ft</strong> vermutlich auch eine grö<strong>sse</strong>re<br />
Rolle spielen. Dies würde hei<strong>sse</strong>n,<br />
dass die Geschiebelieferung grö<strong>sse</strong>ren<br />
Schwankungen unterliegen und weniger<br />
vorhersagbar wird. Die Sedimentlieferung<br />
bei Extremereigni<strong>sse</strong>n könnte auch die<br />
Wahrscheinlichkeit für Schäden an wa<strong>sse</strong>rbaulichen<br />
Anlagen erhöhen. Die Veränderung<br />
des Feststof<strong>ft</strong><strong>ra</strong>nsportes durch<br />
Sta<strong>rk</strong>niederschlagsereigni<strong>sse</strong> wurde im<br />
Projekt «Wallis, Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>, K<strong>lima</strong>änderung»<br />
nicht explizit berücksichtigt (weder<br />
in den K<strong>lima</strong>modellen noch in den hydrologischen<br />
Modellen), und kann deshalb hier<br />
nur qualitativ diskutiert werden.<br />
7. Schlussfolgerungen<br />
Für die Einzugsgebiete der vier Walliser<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e G<strong>ra</strong>nde Dixence SA, Goug<strong>ra</strong><br />
SA, Mattma<strong>rk</strong> AG und Mauvoisin SA wurde<br />
der zukün<strong>ft</strong>ige Geschiebet<strong>ra</strong>nsport für die<br />
Perioden 2021–2050 und 2070–2099 be-<br />
Bild 9b. Potenziell erodierbares Sedimentvolumen im Bereich<br />
der unbewachsenen Moränen.<br />
stimmt. Im Durchschnitt ist eine Abnahme<br />
der ausget<strong>ra</strong>genen Sedimentmengen zu<br />
erwarten, bedingt durch die sinkenden<br />
Abflussmengen. Im Einzelfall reagieren<br />
aber die verschiedenen Einzugsgebiete<br />
entsprechend ihren lokalen Verhältni<strong>sse</strong>n<br />
(Höhenlage, Vergletscherungsg<strong>ra</strong>d usw…)<br />
unterschiedlich auf die K<strong>lima</strong>änderung. So<br />
wird bei einigen Einzugsgebieten zuerst<br />
eine Zunahme, später eine Abnahme der<br />
Geschiebemengen erwartet. Andere Einzugsgebiete<br />
verhalten sich gegensätzlich<br />
und bei weiteren Gebieten wird entweder<br />
nur eine Zunahme oder Abnahme des Sedimentt<strong>ra</strong>nsports<br />
prognostiziert. Die Sedimentverfügba<strong>rk</strong>eit<br />
wurde nur in einem<br />
Fallbeispiel berücksichtigt. Der Einfluss<br />
Sta<strong>rk</strong>niederschlagsereigni<strong>sse</strong> auf den zukün<strong>ft</strong>igen<br />
Geschiebet<strong>ra</strong>nsport wurde in<br />
dieser Studie nicht berücksichtigt.<br />
Verdankung<br />
Diese Arbeit wurde im Rahmen des Projektes<br />
«Sektorielle Studie zum Einfluss der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung im Kanton Wallis»<br />
durchgeführt. Wir danken den Aut<strong>ra</strong>ggebern<br />
Forces Motrices Valaisannes und Dienststelle<br />
für Energie und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> Kanton Wallis, und<br />
insbesondere J. P<strong>ra</strong>long, E. Caloz, P. Michellod,<br />
P. Amacker, M. Steiner, F. Zuber für die Unterstützung<br />
des Projektes. Für die freundliche<br />
Bereitstellung von Unterlagen danken wir den<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>gesellscha<strong>ft</strong>en G<strong>ra</strong>nde Dixence SA,<br />
Goug<strong>ra</strong> SA, Mattma<strong>rk</strong> AG und Mauvoisin SA.<br />
284 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Lite<strong>ra</strong>tur<br />
Badoux, A., D. Rickenmann (2008). Berechnungen<br />
zum Geschiebet<strong>ra</strong>nsport während der<br />
Hochwa<strong>sse</strong>r 1993 und 2000 im Wallis, «Wa<strong>sse</strong>r<br />
Energie Lu<strong>ft</strong>», 100, 217–226.<br />
Bathurst, J. C., W.H. G<strong>ra</strong>f, H.H. Cao (1987). Bed<br />
load discharge equations for steep mountain<br />
rivers, in Sediment T<strong>ra</strong>nsport in G<strong>ra</strong>vel-Bed Rivers,<br />
edited by C. R. Thorne, J. C. Bathurst, and<br />
R. D. Hey, pp. 453–477, John Wiley, New Yo<strong>rk</strong>.<br />
Beer, A. (2009). Einfluss des K<strong>lima</strong>wandels auf<br />
den Sedimentt<strong>ra</strong>nsport in Einzugsgebieten alpiner<br />
Stauhaltungen – Konzeptionelles Modell<br />
und Feldstudie im Turtmanntal. Diplomarbeit an<br />
der WSL Birmensdorf und der Universität Karlsruhe<br />
(KIT).<br />
Chiari, M., Rickenmann, D. (2011). Back-calculation<br />
of bedload t<strong>ra</strong>nsport in steep channels<br />
with a numerical model. Earth Surface<br />
Proce<strong>sse</strong>s and Landforms, 36, 805–815. DOI:<br />
10.1002/esp.2108.<br />
Chiari, M., D. Rickenmann (2011). Back-calculation<br />
of bedload t<strong>ra</strong>nsport in steep channels with<br />
a numerical model, Earth Surface Proce<strong>sse</strong>s<br />
and Landforms, 36, 805–815.<br />
Meyer-Peter, E., R. Mueller (1948). Formulas for<br />
bedload t<strong>ra</strong>nsport. In Proceedings of the 2nd<br />
meeting of the International Association of Hyd<strong>ra</strong>ulic<br />
Structures Research, Stockholm, Sweden;<br />
39–64.<br />
Nitsche, M., D. Rickenmann, J.M. Turowski, A.<br />
Badoux, J.W. Kirchner (2011). Evaluation of bedload<br />
t<strong>ra</strong>nsport predictions using flow resistance<br />
equations to account for macro-roughness in<br />
steep mountain streams, Water Resour. Res.,<br />
47, W08513, doi:1 0.1029/2011WR010645<br />
Raymond P<strong>ra</strong>long, M., J.M. Turowski, A. Beer, D.<br />
Rickenmann, V. Mét<strong>ra</strong>ux, T. Gla<strong>sse</strong>y (2011). Wallis,<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>, K<strong>lima</strong>wandel: Auswi<strong>rk</strong>ung der<br />
K<strong>lima</strong>änderung auf die Geschiebef<strong>ra</strong>cht – Sektorielle<br />
Studie Wallis, Modul D. Schweizerische<br />
Gesellscha<strong>ft</strong> für Hydrologie und Limnologie<br />
(SGHL) und Hydrologische Kommission (CHy)<br />
(Hrsg.) 2011. Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung – Synthesebericht.<br />
Beiträge zur Hydrologie der Schweiz, Nr. 38, 28<br />
S., Bern. http://www.hydrologie.unibe.ch/projekte/ccwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>.html<br />
Rickenmann, D. (1990). Bedload t<strong>ra</strong>nsport capacity<br />
of slurry flows at steep slopes. Mitteilung<br />
Nr. 103 der Versuchsanstalt für Wa<strong>sse</strong>rbau, Hydrologie,<br />
Glaziologie, ETH Zürich.<br />
Rickenmann, D., A. Recking (2011). Evaluation<br />
of flow resistance in g<strong>ra</strong>vel-bed rivers through<br />
a large field dataset. Water Resources Research.<br />
Rickenmann, D., M. Chiari, K. Friedl (2006). SE-<br />
TRAC – A sediment routing model for steep torrent<br />
channels. In R. Ferrei<strong>ra</strong>, E. Alves, J. Leal<br />
& A. Cardoso (eds), River Flow 2006, Taylor &<br />
F<strong>ra</strong>ncis, London, pp. 843–852.<br />
Anschri<strong>ft</strong> der Verfa<strong>sse</strong>r<br />
Mélanie Raymond P<strong>ra</strong>long, Jens Martin Turowski,<br />
Dieter Rickenmann, Alexander Beer, Valentin<br />
Mét<strong>ra</strong>ux, Thierry Gla<strong>sse</strong>y<br />
Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald,<br />
Schnee und Landscha<strong>ft</strong> (WSL)<br />
Zürcherst<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 111, CH-8903 Birmensdorf<br />
Tel. +41 44 739 24 24, jens.turowski@wsl.ch<br />
Auswi<strong>rk</strong>ungen auf die Wa<strong>sse</strong>rverfügba<strong>rk</strong>eit<br />
und Stromproduktion an den Beispielen<br />
Oberhasli und Mattma<strong>rk</strong><br />
Manfred Stähli, Mélanie Raymond-P<strong>ra</strong>long, Massimiliano Zappa, Andreas Ludwig, F<strong>ra</strong>nk Paul, Thomas Bosshard, Christian Dup<strong>ra</strong>z<br />
Zusammenfassung<br />
Im Rahmen der SwissElectric Research Studie «K<strong>lima</strong>änderung und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>» wurde für den Stausee Mattma<strong>rk</strong> und das gesamte<br />
Einzugsgebiet des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s Oberhasli (KWO) berechnet, wie sich die natürlichen Wa<strong>sse</strong>rzuflü<strong>sse</strong> zu den Reservoiren mit<br />
den prognostizierten K<strong>lima</strong>änderungen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts verändern werden.<br />
Die Ergebni<strong>sse</strong> zeigen, dass sich die Mächtigkeit der Schneedecke in beiden Gebieten in diesem Zeit<strong>ra</strong>um mehr als halbieren wird.<br />
Infolge der saisonalen Vorverschiebung der Schneeschmelze um fünf bis acht Wochen wird die wa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>rme Zeit länger. Die mittlere<br />
jährliche Abflussmenge dür<strong>ft</strong>e im KWO-Gebiet um 3%±3% (Zeit<strong>ra</strong>um 2021–50), resp. um 7%±6% (Zeit<strong>ra</strong>um 2070–99) abnehmen;<br />
im Einzugsgebiet Mattma<strong>rk</strong> um 6%±5% (2021–50), resp. um 12%±6% (Zeit<strong>ra</strong>um 2070–99).<br />
Berechnungen mit einer K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>soptimierungs-So<strong>ft</strong>ware ergeben, dass die durch die K<strong>lima</strong>modellketten bedingte Unsicherheit<br />
grö<strong>sse</strong>r ist als die Änderung der jährlichen Produktion, resp. des jährlichen Umsatzes. Übereinstimmend wird jedoch vo<strong>ra</strong>usgesagt,<br />
dass als Folge des sich ändernden Abflussregimes die Produktion im Winter leicht zunehmen wird, im Sommer jedoch deutlich<br />
abnehmen wird. Ebenso haben diese hydrologischen Änderungen Auswi<strong>rk</strong>ungen auf die Revisionsplanung.<br />
1. Einleitung<br />
Die prognostizierte K<strong>lima</strong>änderung wird<br />
die Schneedecke und Gletscher in alpinen<br />
Einzugsgebieten nachhaltig verändern.<br />
Dies wird Auswi<strong>rk</strong>ungen auf die natürlichen<br />
Zuflü<strong>sse</strong> zu den Speicherseen und<br />
Wa<strong>sse</strong>rfassungen der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>anlagen<br />
haben. Wie gross sind diese und was be-<br />
deuten sie konkret für die Stromproduktion<br />
und den Umsatz?<br />
Vier Fallstudien im Rahmen des swi<strong>sse</strong>lectric<br />
research/BfE-Projekts «K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung» sind dieser<br />
F<strong>ra</strong>ge nachgegangen. Dabei wurde eine<br />
einheitliche Methodik verwendet, welche<br />
in Abschnitt 2 erläutert wird.<br />
Der vorliegende Bericht fasst die<br />
wichtigsten Ergebni<strong>sse</strong> der Fallstudien<br />
Oberhasli und Mattma<strong>rk</strong> zusammen. Für<br />
die Resultate der beiden anderen Fallstudien<br />
– Göschene<strong>ra</strong>lp und Goug<strong>ra</strong> – wird<br />
auf die Internetseiten http://www.hydrologie.unibe.ch/projekte/ccwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>.<br />
html verwiesen.<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 285<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
2. Modellierungsmethodik<br />
Die Ergebni<strong>sse</strong> dieser Fallstudie basieren<br />
auf regionalen K<strong>lima</strong>modelldaten des europäischen<br />
Projektes ENSEMBLES, welche<br />
alle vom Emissionsszenario A1B (mode<strong>ra</strong>te<br />
Erwärmung) ausgehen. Diese umfa<strong>sse</strong>n<br />
zehn verschiedene Modellketten von<br />
Globalen Zi<strong>rk</strong>ulationsmodellen (GCM) und<br />
Regionalen K<strong>lima</strong>modellen (RCM) und widerspiegeln<br />
die Unsicherheits-Bandbreite<br />
der K<strong>lima</strong>modelle.<br />
Um die erwarteten lokalen K<strong>lima</strong>änderungen<br />
in den Fallstudiengebieten<br />
abzubilden, wurden für alle relevanten MeteoSchweiz-Messstellen<br />
Jahresgänge der<br />
Tempe<strong>ra</strong>tur- und Niederschlagsänderung<br />
für die Zeiträume 2021–2050 (nahe Zukun<strong>ft</strong>)<br />
und 2070–2099 (ferne Zukun<strong>ft</strong>) relativ<br />
zur Kontrollperiode 1980–2009 berechnet.<br />
Diese statistische Downscaling-Methode<br />
wird auch Delta-change-Ansatz genannt<br />
(Bosshard et al., 2011).<br />
Bezüglich Vergletscherung wurde<br />
für die beiden Zukun<strong>ft</strong>sszenarien die Gletscherfläche<br />
von 1985 mit einem Modell von<br />
Paul et al. (2007) in Fünf-Jahres-Schritten<br />
kontinuierlich reduziert. Das Modell basiert<br />
auf der einfachen Annahme, dass die<br />
Gleichgewichtslinie entsprechend der Lu<strong>ft</strong>tempe<strong>ra</strong>turerhöhung<br />
ansteigt, sich dadurch<br />
das Akkumulationsgebiet der Gletscher ve<strong>rk</strong>leinert<br />
und sich die Gletschergrö<strong>sse</strong> nach<br />
50 Jahren an die neuen Bedingungen angepasst<br />
hat.<br />
Für die Abflussberechnung wurde<br />
die neue Gitterversion des hydrologischen<br />
Modells PREVAH (Viviroli et al., 2009 a) mit<br />
regionalisierten Pa<strong>ra</strong>metern von Viviroli et<br />
al. (2009 b und c) aufgesetzt (Gittergrö<strong>sse</strong><br />
= 200 m). Anhand von geme<strong>sse</strong>nen Zuflussdaten<br />
bei den Wa<strong>sse</strong>rfassungen<br />
wurden die Modellpa<strong>ra</strong>meter optimiert.<br />
Danach wurden für die Kontrollperiode<br />
1980–2009 in täglicher Auflösung folgende<br />
hydrologischen Grö<strong>sse</strong>n berechnet: Niederschlag,<br />
Verdunstung, Schneewa<strong>sse</strong>rwert,<br />
Eis- und Schneeschmelze, Bodenwa<strong>sse</strong>rspeicher<br />
und Abfluss. Dazu wurden<br />
die geme<strong>sse</strong>nen meteorologischen Grö<strong>sse</strong>n<br />
der nahegelegenen Meteoschweiz-<br />
Stationen über das Einzugsgebiet hinweg<br />
interpoliert.<br />
Für die beiden Zukun<strong>ft</strong>sszenarien<br />
wurden die Modellpa<strong>ra</strong>meter unverändert<br />
wie bei der Kontrollsimulation beibehalten.<br />
Die Tempe<strong>ra</strong>tur- und Niederschlagsmesswerte<br />
der Kontrollperiode wurden stationsweise<br />
mit den prognostizierten täglichen<br />
Änderungen (Delta change) korrigiert. Somit<br />
entstanden zwei neue 30-jährige Zeitreihen<br />
mit ähnlicher Variabilität, wie sie in der Kontrollperiode<br />
beobachtet worden war, aber<br />
mit den erwarteten saisonalen Veränderungen.<br />
Abschlie<strong>sse</strong>nd wurden die Ergebni<strong>sse</strong><br />
des hydrologischen Modells PRE-<br />
VAH – insbesondere der simulierte natürliche<br />
Abfluss aus den Teileinzugsgebieten<br />
(Tageswerte) – als Input in eine K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>optimierungsso<strong>ft</strong>ware<br />
eingegeben. Damit<br />
wurde für die Zukun<strong>ft</strong>sszenarien die Änderung<br />
der Produktion, resp. des Umsatzes<br />
unter den heutigen Stromma<strong>rk</strong>t-Randbedingungen<br />
berechnet.<br />
3. Beschreibung der Einzugsgebiete<br />
und K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>anlagen<br />
3.1 KWO<br />
Das Einzugsgebiet der KWO (Bild 1) erstreckt<br />
sich von Innertkirchen (Kanton Bern; 630 m<br />
ü.M.) hinauf bis zum Finste<strong>ra</strong>arhorn (4274 m<br />
ü.M.) und umfasst eine Fläche von 450 km 2 .<br />
Gro<strong>sse</strong> Teile der Landscha<strong>ft</strong> weisen alpinen<br />
Cha<strong>ra</strong>kter auf, mit vergletscherten Gebieten<br />
in höheren Lagen (Unte<strong>ra</strong>ar-, Obe<strong>ra</strong>ar-,<br />
Tri<strong>ft</strong>gletschter usw.). Unterhalb der nivalen<br />
Höhenstufe sind vom Gletscher geschliffene<br />
Fels oberflächen und flachgründige Böden<br />
mit einfacher Vegetation verbreitet, welche<br />
zu einer insgesamt geringen Wa<strong>sse</strong>rspeiche<strong>rk</strong>apazität<br />
führen. Der geologische<br />
Untergrund setzt sich im Wesentlichen aus<br />
den G<strong>ra</strong>niten und Gneisen des Aarmassivs<br />
zusammen. Nördlich des Gadmentals sind<br />
zudem Sedimente der helvetischen Decken<br />
aufgeschlo<strong>sse</strong>n. Gemittelt über das Gebiet<br />
fallen pro Jahr im Durchschnitt 2170 mm<br />
Niederschlag (Periode 1980–2009). Diese<br />
Summe scheint relativ hoch, wenn man<br />
sie mit den Jahresniederschlägen an den<br />
Stationen Guttannen (1614 mm) oder Meiringen<br />
(1351 mm) vergleicht. Die Station<br />
Grimsel-Hospiz (2094 mm) bestätigt aber<br />
den sta<strong>rk</strong>en Niederschlagsg<strong>ra</strong>dienten mit<br />
der Höhe (von ca. 5% pro 100 m). Dieser<br />
ist auch mit verschiedenen ausführlichen<br />
Studien in einem benachbarten Gebiet von<br />
Farinotti et al. (2010) und Magnusson et al.<br />
(2011) gut belegt. Somit ergibt sich für das<br />
gesamte Einzugsgebiet ein Jahresvolumen<br />
von knapp 1000 Mio. m 3 Wa<strong>sse</strong>r.<br />
Für diese Studie wurde das gesamte<br />
KWO-Gebiet in elf Teileinzugsgebiete unterteilt.<br />
Vier davon sind nur zu einem geringen<br />
Anteil vergletschert: Haslital, Gadmen,<br />
Ürbach und Gental. Die Teil einzugsgebiete<br />
mit dem aktuell grössten Gletsche<strong>ra</strong>nteil<br />
sind Tri<strong>ft</strong> und Gauli.<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>anlage: Seit der Inbetriebnahme<br />
des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s Handeck 1 im Jahre<br />
1932 wurden die Anlagen in mehreren Bauetappen<br />
ausgebaut und erneuert (www.<br />
grimselstrom.ch). Zur Zeit sind neun K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>-<br />
we<strong>rk</strong>e in Betrieb. Die acht Speicherseen bieten<br />
gesamtha<strong>ft</strong> Platz für 195 Mio m 3 Wa<strong>sse</strong>r,<br />
was 20 Prozent des jährlichen Gebietsniederschlags<br />
entspricht. Die auf die verschiedenen<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e verteilten 26 Turbinen<br />
produzieren eine jährliche Gesamtenergie<br />
von 2350 GWh bei einer durchschnittlichen<br />
Leistung von 1150 MW.<br />
3.2 Mattma<strong>rk</strong><br />
Das Einzugsgebiet des Stausees Mattma<strong>rk</strong><br />
(Bild 1) umfasst eine Fläche von 88.2 km 2 .<br />
Neben dem natürlichen Einzugsgebiet von<br />
37.1 km 2 werden dem Stausee Mattma<strong>rk</strong><br />
die links- und rechtsufrigen Seitenbäche<br />
der Saaser Vispa mit einem Einzugsgebiet<br />
von 51.1 km 2 zugeleitet (inkl. Almagellerbach<br />
[13.1 km 2 ] und Tri<strong>ft</strong>bach [13.0 km 2 ]).<br />
Der Stausee liegt auf 2197 m ü.M. Das untersuchte<br />
Einzugsgebiet erreicht eine maximale<br />
Höhe von 4143 m ü.M. (östlich des<br />
St<strong>ra</strong>hlhorns). Gletscher wie der Schwarzberg-,<br />
Allalin- und Hohlaubgletscher prägen<br />
das alpine Landscha<strong>ft</strong>sbild. Unterhalb<br />
der nivalen Höhenstufe sind vom Gletscher<br />
geschliffene Felsoberflächen und flachgründige<br />
Böden mit einfacher Vegetation<br />
verbreitet, welche zu einer insgesamt geringen<br />
Wa<strong>sse</strong>rspeiche<strong>rk</strong>apazität führen. Im<br />
südlichen Teilgebiet setzt sich der geologische<br />
Untergrund vorwiegend aus Gneisen<br />
und untergeordnet aus basischen Gesteinen<br />
zusammen. Nördlich von Saas Almagell<br />
dominieren Glimmerschiefer.<br />
Der jährliche Niederschlag beträgt<br />
im Mittel 1310 mm. Für das Einzugsgebiet<br />
des Stausees Mattma<strong>rk</strong> ergibt dies ein Jahresvolumen<br />
von 115 Mio. m 3 Wa<strong>sse</strong>r.<br />
Für die betrieblichen Berechnungen<br />
mit der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>optimierungsso<strong>ft</strong>ware<br />
wurden zudem diejenigen Einzugsgebiete<br />
hydrologisch modelliert, welche ins Ausgleichsbecken<br />
Zermeiggern entwä<strong>sse</strong>rn.<br />
Diese liegen nordwestlich des Stausees<br />
und weisen insgesamt eine Fläche von<br />
74 m 2 auf.<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>anlage: Der seit 1969 betriebene<br />
Stausee Mattma<strong>rk</strong> fasst ein Volumen<br />
von 100 Mio m 3 Wa<strong>sse</strong>r. Hinunter zum<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Zermeiggern bei Saas Almagell<br />
legt das Wa<strong>sse</strong>r eine Höhendifferenz von<br />
maximal 459 m zurück. Die Leistung dieses<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s liegt bei 74 MW. Die angegliederte<br />
Pumpstation Zermeiggern ermöglicht<br />
die Rückführung des Wa<strong>sse</strong>rs in den Stausee<br />
Mattma<strong>rk</strong>, bzw. die Einlagerung aus<br />
dem Zwischeneinzugsgebiet. Das übrige<br />
Wa<strong>sse</strong>r wird zum K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Stalden auf rund<br />
700 m ü.M. geleitet. Die Leistung des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s<br />
Stalden beträgt 185 MW. Zusammen<br />
mit dem kleinen K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Saas Fee führt<br />
dies zu einem Total von 260.5 MW.<br />
286 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
4. Prognostizierte Änderung<br />
der Schneedecke und<br />
Gletscher in den beiden<br />
Gebieten<br />
Die erwartete Tempe<strong>ra</strong>turerhöhung wird in<br />
beiden Einzugsgebieten zu einer bedeutenden<br />
Veränderung der Schneedecke führen<br />
(Bild 2). Das jährliche Schneewa<strong>sse</strong>rspeicher-Maximum<br />
wird sich zwar zeitlich<br />
nur geringfügig nach vorne verschieben (~2<br />
Wochen für den Zeit<strong>ra</strong>um 2070–2099). Mengenmässig<br />
wird aber eine durchschnittliche<br />
Reduktion des jährlichen Schneewa<strong>sse</strong>rmaximums<br />
(je nach K<strong>lima</strong>modellkette) von<br />
20 bis 50% für den Zeit<strong>ra</strong>um 2021–50, resp.<br />
von 50 bis 70% für den Zeit<strong>ra</strong>um 2070–99<br />
erwartet. Die Streuung der jährlichen maximalen<br />
Schneewa<strong>sse</strong>rmenge zwischen<br />
schneearmen und schneereichen Wintern<br />
bleibt für den Zeit<strong>ra</strong>um 2021–50 ähnlich<br />
gross wie bisher, nimmt dann aber für den<br />
Zeit<strong>ra</strong>um 2070–99 ma<strong>rk</strong>ant ab. Das heisst,<br />
dass dann auch in eher seltenen, schneereichen<br />
Wintern keine grö<strong>sse</strong>re Schneewa<strong>sse</strong>rmenge<br />
als 1000 mm zu erwarten<br />
sein wird.<br />
Zur Zeit sind beide Einzugsgebiete<br />
in den meisten Jahren den ganzen Sommer<br />
hindurch teilweise schneebedeckt. Für die<br />
Zukun<strong>ft</strong> nimmt die Wahrscheinlichkeit für<br />
ein komplettes Abschmelzen der Schneedecke<br />
im ganzen Einzugsgebiet sta<strong>rk</strong> zu. In<br />
einem durchschnittlichen Jahr wird für den<br />
Zeit<strong>ra</strong>um 2070–99 (je nach K<strong>lima</strong>modellkette)<br />
eine komplette Ausaperung von Juli<br />
bis Oktober vo<strong>ra</strong>usgesagt. Nach besonders<br />
schneearmen Wintern muss bereits im Zeit<strong>ra</strong>um<br />
2021–50 mit einem komplett schneefreien<br />
Einzugsgebiet von Juni bis November<br />
gerechnet werden. Die für die Erhaltung der<br />
Gletscher wichtige Bildung von «ewigem»<br />
Schnee ist nicht mehr gewährleistet. Winter<br />
ganz ohne Schnee wird es in beiden Gebieten<br />
– gemäss den vorliegenden Simulationen<br />
– auch für den Zeit<strong>ra</strong>um 2070–99<br />
keine geben.<br />
Für den Zeit<strong>ra</strong>um 2021–50 verringert<br />
sich der Beit<strong>ra</strong>g der Schneeschmelze im<br />
Einzugsgebiet Mattma<strong>rk</strong> durchschnittlich<br />
um knapp 130 mm (±40 mm) pro Jahr gegenüber<br />
der Referenzperiode und um rund<br />
300 mm (±60 mm) pro Jahr für den Zeit<strong>ra</strong>um<br />
2070–99. Im Einzugsgebiet der KWO ist die<br />
entsprechende Abnahme etwas grö<strong>sse</strong>r,<br />
d.h. rund 180 mm (±65 mm) pro Jahr für<br />
den Zeit<strong>ra</strong>um 2021–50, und rund 425 mm<br />
(±85 mm) pro Jahr für den Zeit<strong>ra</strong>um 2070–<br />
99. Anteilmässig macht das für die höher<br />
gelegenen KWO-Teileinzugsgebiete ~20%<br />
(2020–50), resp. ~45% (2070–99) aus, und<br />
für die tiefer gelegenen Gebiete ~32%<br />
(2020–50), resp. ~80% (2070–99).<br />
Auch die Vergletscherung wird sich<br />
in beiden Einzugsgebieten spürbar verringern.<br />
Für das Einzugsgebiet der KWO wurde<br />
1985 eine Gletscherfläche von 103.2 km 2<br />
berechnet, was einem Flächenanteil von<br />
knapp 23% entspricht (Tabelle 1). Zu diesem<br />
Zeitpunkt wiesen die Teileinzugsgebieten<br />
Grimsel (41.7%), Obe<strong>ra</strong>ar (35.5%), Gauli<br />
(49.5%), Stein (32.5%) und Tri<strong>ft</strong> (54.2%) die<br />
grösste Vergletscherung auf. Nur wenig vergletschert<br />
waren bereits damals die Teileinzugsgebiete<br />
Haslital, Gadmen und Gental.<br />
Im Einzugsgebiet Mattma<strong>rk</strong> wurde<br />
1985 eine Gletscherfläche von 30.3 km 2<br />
beobachtet, was einem Flächenanteil von<br />
35.4% entspricht. Das damit verbundene<br />
Eisvolumen wurde von der Versuchsanstalt<br />
für Wa<strong>sse</strong>rbau der ETH Zürich (VAW)<br />
auf 1.1 km 3 geschätzt (Stand: 2008). In der<br />
Zeit von 1982 bis 2008 haben die Gletscher<br />
im Einzugsgebiet Mattma<strong>rk</strong> einen Ma<strong>sse</strong>nverlust<br />
von ca. 0.38 km 3 erfahren.<br />
Mit der prognostizierten Tempe<strong>ra</strong>turerhöhung<br />
wird ein weiterer Rückgang<br />
der Gletscher erwartet. Unter Annahme<br />
des Emissionsszenarios A1B dür<strong>ft</strong>e sich bis<br />
2040 der Anteil der vergletscherten Fläche<br />
an der Gesamtfläche des KWO-Einzugsgebiets<br />
auf knapp 15% reduzieren (65.6 km 2 ).<br />
Für den Zeithorizont 2085 berechnet das<br />
Modell der Uni Zürich eine Reduktion auf<br />
8% (36 km 2 ). Bis dann dür<strong>ft</strong>en die Teilgebiete<br />
Tri<strong>ft</strong> (–37.6%) und Gauli (–33.4%) die<br />
grösste Veränderung in der Vergletscherung<br />
(relativ zu 1985) erfahren. Zu diesem<br />
Zeitpunkt werden die Teileinzugsgebiete<br />
Grimsel, Gauli, Tri<strong>ft</strong>, Stein und Obe<strong>ra</strong>ar noch<br />
zu etwa 15–20% vergletschert sein.<br />
Im Einzugsgebiet Mattma<strong>rk</strong> dür<strong>ft</strong>e<br />
sich bis zur Mitte des Zeit<strong>ra</strong>ums 2021–50<br />
der Anteil der vergletscherten Fläche an<br />
der Gesamtfläche auf knapp 19% reduzieren<br />
(16.3 km 2 ). Für den Zeithorizont 2085<br />
Bild 1. (Teil-)Einzugsgebiete des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s Oberhasli (links) und des Mattma<strong>rk</strong>sees (rechts). Die gelben Symbole zeigen die Standorte<br />
von verwendeten meteorologischen Daten.<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 287<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Bild 2. Berechnete Änderung der K<strong>lima</strong>tologie der mittleren Schneewa<strong>sse</strong>rmenge in den Einzugsgebieten KWO (links) und Mattma<strong>rk</strong><br />
(rechts) für die Zeiträume 2021–50 (oben) und 2070–99 (unten) gegenüber der Referenzperiode 1980–2009 (schwarze Linie).<br />
Die verschiedenen farbigen Linien entsprechen zehn verschiedenen K<strong>lima</strong>modellketten.<br />
berechnet das Modell der Uni Zürich eine<br />
Reduktion auf 8.6% (7.4 km 2 ). Das Teileinzugsgebiet<br />
Almagellerbach wird (gemäss<br />
diesen Vorhersagen) bis Ende 21. Jahrhundert<br />
vollständig eisfrei sein.<br />
5. Prognostizierte Änderung<br />
im natürlichen Zufluss zu<br />
den Reservoiren<br />
Eine Änderung des K<strong>lima</strong>s wird sich auf<br />
sämtliche Komponenten der Wa<strong>sse</strong>rbilanz<br />
auswi<strong>rk</strong>en, also auch auf die Verdunstung<br />
und die Wa<strong>sse</strong>rspeicherung im Boden.<br />
Jährlich verdunsten im KWO-Einzugsgebiet<br />
ca. 13% des gesamten Jahresniederschlags.<br />
Im Einzugsgebiet Mattma<strong>rk</strong> sind es<br />
etwa 20%. Diese Berechnung des Modells<br />
PREVAH ist zwar mit gro<strong>sse</strong>r Unsicherheit<br />
beha<strong>ft</strong>et, weil man immer noch relativ<br />
wenig weiss über die Verdunstung in alpinen<br />
Einzugsgebieten, insbesondere was die<br />
Schneesub<strong>lima</strong>tion betrif<strong>ft</strong>. Die Grö<strong>sse</strong>nordnung<br />
stimmt aber recht gut mit Angaben<br />
des hydrologischen Atlas der Schweiz<br />
überein (Tafel 4.1). Im Vergleich zur Unsicherheit<br />
im Modell und zum Anteil an der<br />
jährlichen Wa<strong>sse</strong>rbilanz sind die erwarteten<br />
Veränderungen in der Verdunstung unbe-<br />
deutend. Bis zum Ende des Jahrhunderts<br />
berechnet das Modell eine Zunahme der<br />
jährlichen Verdunstung um 10–25 mm, was<br />
weniger als 10% der aktuellen Verdunstung<br />
entspricht.<br />
Auch bezüglich der im Boden gespeicherten<br />
Wa<strong>sse</strong>rmenge gibt es noch relativ<br />
gro<strong>sse</strong> Unsicherheit. Doch angesichts<br />
der wenig entwickelten Böden in diesem<br />
alpinen Einzugsgebiet kann von einer allgemein<br />
geringen Bodenwa<strong>sse</strong>rspeicherung<br />
ausgegangen werden. Gemäss unseren<br />
Ergebni<strong>sse</strong>n dür<strong>ft</strong>e die Bodenwa<strong>sse</strong>rspeicherung<br />
in Zukun<strong>ft</strong> nur unwesentlich zunehmen.<br />
Diese Zunahme wird eine Folge<br />
des Gletscherrückgangs und der damit<br />
verbundenen Freilegung des Gletschervorfelds<br />
sein. Solche Böden sind nach wie vor<br />
sehr speiche<strong>ra</strong>rm. Diese vorerst fels-dominierten<br />
Flächen entwickeln sich nur über<br />
sehr lange Zeit zu feinkörnigen, speicherfähigen<br />
Böden.<br />
Als Gesamtergebnis der sich verändernden<br />
Teilkomponenten der Wa<strong>sse</strong>rbilanz<br />
(Gletscher, Schnee, Bodenwa<strong>sse</strong>rspeicher<br />
und Verdunstung) resultieren die<br />
in Bild 3 dargestellten Jahresabflussganglinien<br />
für das gesamte KWO-Einzugsgebiet<br />
(links) und das gesamte Einzugsgebiet<br />
Mattma<strong>rk</strong> (rechts). Für den Zeit<strong>ra</strong>um 2021–<br />
50 werden sich in einem durchschnittlichen<br />
Jahr die höchsten Abflü<strong>sse</strong> mengenmässig<br />
Tabelle 1. Berechnete Änderung der Gletscherfläche in den Einzugsgebieten KWO und<br />
Mattma<strong>rk</strong>.<br />
288 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
kaum verändern. Sie werden aber ca. einen<br />
Monat früher eintreffen; d.h. anfangs Juni<br />
anstatt anfangs Juli. Diese zeitliche Vorverschiebung<br />
der höchsten Jahresabflusswerte<br />
wird sich für den Zeit<strong>ra</strong>um 2070–99<br />
noch weiter verstä<strong>rk</strong>en.<br />
Im KWO-Einzugsgebiet wird der natürliche<br />
Jahresabfluss in einem Normaljahr<br />
(je nach K<strong>lima</strong>modellkette) gegenüber der<br />
Referenzperiode um 3% (±3%, 2021–50),<br />
resp. um 7% (±6%, 2070–99) abnehmen.<br />
Im Einzugsgebiet Mattma<strong>rk</strong> dür<strong>ft</strong>e diese<br />
Abnahme noch etwas grö<strong>sse</strong>r ausfallen: um<br />
6% (±5%) für den Zeit<strong>ra</strong>um 2021–50, und<br />
um 12% (±6%) für den Zeit<strong>ra</strong>um 2070–99.<br />
Die hohe Spannweite zeigt die Unsicherheit,<br />
welche durch die Fortpflanzung der zehn<br />
K<strong>lima</strong>szenarien im hydrologischen System<br />
entsteht.<br />
In extrem wa<strong>sse</strong>rreichen Jahren<br />
werden die hohen Abflü<strong>sse</strong> im Sommer für<br />
den Zeit<strong>ra</strong>um 2021–50 wahrscheinlich leicht<br />
(bis zu 15%) zunehmen. Für den Zeit<strong>ra</strong>um<br />
2070–99 sind die verschiedenen Modellketten<br />
diesbezüglich widersprüchlich. In<br />
Jahren mit besonderer Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong>nappheit<br />
dür<strong>ft</strong>en sich die niedrigsten Abflü<strong>sse</strong> gegenüber<br />
der heutigen Situation nur geringfügig<br />
verändern. Unsere Simulationen sagen eine<br />
leichte Erhöhung im Frühling, sowie eine<br />
leichte Reduktion im Spätsommer vo<strong>ra</strong>us.<br />
Der niedrigste Abfluss wird aber auch in Zukun<strong>ft</strong><br />
im Winter eintreffen.<br />
Eine gro<strong>sse</strong> Unsicherheit besteht bei<br />
den Abflussberechnungen für die Herbst-<br />
und Wintermonate. Hier weichen die verschiedenen<br />
Modellketten sta<strong>rk</strong> von einander<br />
ab. Eindeutig ist aber der Trend zu höheren<br />
Abflü<strong>sse</strong>n in diesen Jahreszeiten, wo<br />
kün<strong>ft</strong>ig die Akkumulation der Schneedecke<br />
später beginnen und vermehrt Niederschlag<br />
in flüssiger Form vo<strong>rk</strong>ommen dür<strong>ft</strong>e.<br />
Unsere Berechnungen zeigen auch<br />
ganz klar, dass sich die K<strong>lima</strong>änderung in<br />
den verschiedenen Teileinzugsgebieten<br />
sehr unterschiedlich sta<strong>rk</strong> auswi<strong>rk</strong>en wird.<br />
Im Gebiet der KWO zum Beispiel werden die<br />
heute kaum vergletscherten Gebiete, wie<br />
das Haslital oder das Gental, vor allem auf<br />
eine Änderung im Niederschlag reagieren.<br />
Andere Teileinzugsgebiete, wie z.B. Gelmer<br />
und Grueben, dür<strong>ft</strong>en bis zum Ende des 21.<br />
Jahrhunderts einen Grossteil der heutigen<br />
Gletscherfläche verlieren. Hier wird sich der<br />
natürliche Abfluss über die ganze Periode<br />
am deutlichsten verändern (–5 bis –13%).<br />
Ebenfalls eine bedeutende Abnahme des<br />
natürlichen Abflu<strong>sse</strong>s wird für die heute<br />
relativ sta<strong>rk</strong> vergletscherten Teileinzugsgebiete<br />
Tri<strong>ft</strong> und Grimsel vo<strong>ra</strong>usgesagt,<br />
wo der Gletscherrückgang flächenmässig<br />
beträchtlich ausfallen dür<strong>ft</strong>e. Hier gehen<br />
unsere Berechnungen bis zum Ende des<br />
Jahrhunderts von einer Abnahme um 7%<br />
aus. Die sta<strong>rk</strong> vergletscherten Einzugsgebiete<br />
Stein und Obe<strong>ra</strong>ar hingegen werden<br />
– gemäss unseren Simulationen – in diesem<br />
Zeit<strong>ra</strong>um kaum eine Reduktion des natürlichen<br />
Abfluss erfahren. Es lohnt sich also,<br />
den Einfluss der K<strong>lima</strong>änderung auf die natürlichen<br />
Zuflü<strong>sse</strong> zu den KWO-Fassungen<br />
im Einzelfall anzuschauen.<br />
6. Auswi<strong>rk</strong>ungen auf die Produktion<br />
unter Annahme des<br />
heutigen Stromma<strong>rk</strong>tes<br />
Mit den in dieser Studie berechneten täglichen<br />
natürlichen Zuflü<strong>sse</strong>n wurde abschlie<strong>sse</strong>nd<br />
die Auswi<strong>rk</strong>ungen auf die Produktion<br />
und den Umsatz unter den heutigen<br />
Stromma<strong>rk</strong>t-Randbedingungen berechnet.<br />
Dafür wurde ein Betriebsmodell der BKW<br />
verwendet, welches die Produktion so steuert,<br />
dass der Ert<strong>ra</strong>g optimiert wird. Dabei<br />
Bild 3. Berechnete Veränderung in der K<strong>lima</strong>tologie des natürlichen Abflu<strong>sse</strong>s (mm/Tag) für den Zeit<strong>ra</strong>um 2021–50 (oben) und den<br />
Zeit<strong>ra</strong>um 2070–99 (unten), dargestellt für den Median, das 97.5%-Quantil und das 2.5%-Quantil der Einzugsgebiete KWO (links) und<br />
Mattma<strong>rk</strong> (rechts). Die schwarze Linie entspricht der Referenz-Simulation für den Zeit<strong>ra</strong>um 1980–2009.<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 289<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
werden die Gestehungskosten (Zinsen,<br />
Amortisation, Personalkosten, Betrieb und<br />
Unterhalt, Wa<strong>sse</strong>rzins und Steuern, Erneuerungsinvestitionen<br />
usw.) nicht berücksichtigt,<br />
obschon diese nicht unerheblich sind<br />
und manchmal über den Ma<strong>rk</strong>tpreisen liegen<br />
können.<br />
Berechnet wurden die Referenzperiode,<br />
sowie die zukün<strong>ft</strong>igen Zeiträume<br />
2021–50, resp. 2070–99 mit folgenden K<strong>lima</strong>modellketten:<br />
SMHI_HadCM3Q3_RCA = mittleres<br />
Abflussszenario<br />
KWM_ECHAM_HIRHAM = pessimistisches<br />
Abflussszenario<br />
ETHZ_HadCM3Q0_CLM = optimistisches<br />
Abflussszenario<br />
Für die Berechnung des Umsatzes und für<br />
die stundenscharfe Optimierung wurden<br />
Swissix-Preise von 2009 verwendet.<br />
Im Fall der KW Mattma<strong>rk</strong> AG werden<br />
bei einem mittlerem Abflussszenario für die<br />
Jahresproduktion und den Umsatz nur geringfügige<br />
Änderungen gegenüber der Referenzperiode<br />
berechnet (Bild 4, Tabelle 2).<br />
Ganz anders sieht es aber bei den anderen<br />
berechneten K<strong>lima</strong>modellketten aus. Falls<br />
das optimistische Abflussszenario eintreffen<br />
würde, könnten die Betreiber mit einer<br />
Umsatzsteigerung von ca. 5% bis zum Ende<br />
des Jahrhunderts rechnen. Für den Fall des<br />
pessimistischen Abflussszenarios müsste<br />
mit einer Umsatzeinbu<strong>sse</strong> von über 10%<br />
gerechnet werden. Die Produktionserwartung<br />
wäre sogar um 20% reduziert. Durch<br />
den Speicher ist es aber möglich, weiterhin<br />
die höherpreisigen Stunden abzufahren.<br />
Zudem sorgen erhöhte Laufwa<strong>sse</strong>rzuflü<strong>sse</strong><br />
im Winter für einen höheren Umsatz. Die<br />
Spannweite der möglichen Produktions-<br />
und Umsatzentwicklung infolge des K<strong>lima</strong>wandels<br />
ist für das KW Mattma<strong>rk</strong> also noch<br />
sehr gross.<br />
Die verschiedenen Modellketten<br />
sind aber übereinstimmend, dass die Produktion<br />
im Winter, wenn die Ma<strong>rk</strong>tpreise<br />
hoch sind, leicht zunehmen wird, und dass<br />
sie im Sommer, wenn die Ma<strong>rk</strong>tpreise niedrig<br />
sind, deutlich abnehmen wird. Für den<br />
Zeit<strong>ra</strong>um 2070–99 dür<strong>ft</strong>e die Netto-Produktion<br />
von April bis Juli sehr gering sein.<br />
Damit verbunden ist ein sta<strong>rk</strong>er Anstieg des<br />
Zubringerpumpeneinsatzes, welcher die<br />
Pumpkosten in diesem Zeit<strong>ra</strong>um um über<br />
50% ansteigen lässt. Nicht berücksichtigt in<br />
dieser Berechnung ist, dass sich die Ma<strong>rk</strong>tpreise<br />
infolge der K<strong>lima</strong>änderung saisonal<br />
verändern könnten.<br />
Die Änderung des Zuflussregimes<br />
und der Stromproduktion wird sich auch<br />
auf den Füllg<strong>ra</strong>d der Reservoire auswi<strong>rk</strong>en.<br />
Infolge der zeitlichen Verschiebung der<br />
Bild 4. Berechnete monatliche Nettoproduktion des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s Mattma<strong>rk</strong> (gemittelt<br />
für die drei Berechnungszeiträume).<br />
Tabelle 2. Berechnete mittlere jährliche Veränderungen in der Produktion und im Umsatz<br />
für KW Mattma<strong>rk</strong> gegenüber Referenzperiode 1980–2009.<br />
Schneeschmelze füllt sich der Stausee früher<br />
auf, und bis Ende Sommer ist die volle<br />
Speiche<strong>rk</strong>apazität für den folgenden Winter<br />
wieder erreicht.<br />
7. Diskussion<br />
7.1 Natürliche Variabilität versus<br />
prognostizierte Veränderung<br />
Das Abflussgeschehen in den untersuchten<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>-Einzugsgebieten unterliegt einer<br />
gro<strong>sse</strong>n natürlichen Variabilität. Mit unserer<br />
Bet<strong>ra</strong>chtung von 30-jährigen Zeiträumen<br />
können wir dieser natürlichen hydrologischen<br />
Bandbreite grösstenteils Rechnung<br />
t<strong>ra</strong>gen, indem wir z.B. die relative Standardabweichung<br />
(= Standardabweichung/Mittelwert)<br />
der Schlü<strong>sse</strong>lgrö<strong>sse</strong>n (jährliche<br />
Schnee- und Eisschmelze, jährliche Verdunstungs-<br />
und Abflussmenge) bet<strong>ra</strong>chten.<br />
Für den Jahresabfluss im KWO-Gebiet<br />
zum Beispiel beträgt die relative Standardabweichung<br />
13%. Im Einzugsgebiet des<br />
Mattma<strong>rk</strong>-Stausees ist sie etwas grö<strong>sse</strong>r<br />
(16%).<br />
Eine Grundannahme unserer Studie<br />
ist, dass die Variabilität in den täglichen<br />
meteorologischen Inputgrö<strong>sse</strong>n für alle drei<br />
Zeiträume (Referenz, nahe Zukun<strong>ft</strong>, ferne<br />
Zukun<strong>ft</strong>) gleich bleibt. Unsere Modellierung<br />
ergibt, dass sich auch die resultierende Variabilität<br />
im Jahresabfluss für die nahe und<br />
ferne Zukun<strong>ft</strong> kaum verändern wird. Sie<br />
nimmt geringfügig zu. Im Vergleich dazu<br />
sind die prognostizierten relativen Änderungen<br />
ziemlich klein. Die simulierten Abfluss-Jahresganglinien<br />
in einem zukün<strong>ft</strong>ig<br />
durchschnittlichen Jahr liegen innerhalb<br />
des aktuellen Variabilitätsbereichs. Das<br />
heisst nicht, dass die Änderungen nicht signifikant<br />
oder unbedeutend wären. Aber es<br />
bedeutet, dass die durchschnittlichen Verhältni<strong>sse</strong><br />
Ende des Jahrhunderts bereits<br />
heute in extremen Jahren beobachtet werden<br />
können.<br />
7.2 Wie plausibel, resp. unsicher<br />
sind die Abfluss-Prognosen?<br />
Die berechneten Veränderungen im natürlichen<br />
Abfluss des KWO-Einzugsgebiets<br />
sind mit verschiedenen Unsicherheiten entlang<br />
der ganzen Modellkette verbunden:<br />
Eine erste beträchtliche Unsicherheit liegt<br />
in der Wahl des Emissionsszenarios. Diese<br />
Unsicherheit ist in dieser Arbeit nicht quantifiziert<br />
worden, ist aber insbesondere für<br />
die Periode 2070–2099 beträchtlich, wie der<br />
aktuelle K<strong>lima</strong>bericht 2011 der ETH Zürich<br />
zeigt (http://www.ch2011.ch/).<br />
Eine zweite Unsicherheit entsteht durch die<br />
globale und regionale K<strong>lima</strong>modellierung.<br />
Diese können wir abschätzen, indem wir für<br />
unsere Zielgrö<strong>sse</strong>n (z.B. den Schneewa<strong>sse</strong>rwert<br />
oder den natürlichen Abfluss) die<br />
Standardabweichung der 10 verschiedenen<br />
Modellketten berechnen. Für den mittleren<br />
Jahresabfluss in den beiden Einzugsgebieten<br />
ist die Standardabweichung 66 mm,<br />
290 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
esp. 80 mm. Das heisst, die K<strong>lima</strong>modellkettenbedingte<br />
Unsicherheit ist 2.5 bis 4 mal<br />
kleiner als die natürliche Variabilität.<br />
Eine weitere Unsicherheit liegt im Modell zur<br />
Berechnung der zukün<strong>ft</strong>igen Gletscherentwicklung.<br />
Das hier verwendete Modell der<br />
Uni Zürich ist grundsätzlich für eine gro<strong>sse</strong><br />
Skala (z.B. ganze Schweiz) und längere<br />
Zeithorizonte geeignet. Für den Zeit<strong>ra</strong>um<br />
2021–50 dür<strong>ft</strong>e mit diesem Modell der Gletscherrückgang<br />
etwas zu <strong>ra</strong>sch simuliert<br />
werden. Es wurde überprü<strong>ft</strong>, wie sta<strong>rk</strong> sich<br />
eine leichte Änderung der Gletscherfläche<br />
auf den simulierten Abfluss auswi<strong>rk</strong>t. Dabei<br />
erwies sich der simulierte Gesamtabfluss<br />
nicht sehr sensitiv auf kleine Änderungen<br />
der Gletscherfläche.<br />
Und schliesslich entsteht auch durch<br />
das hydrologische Modell selbst eine gewi<strong>sse</strong><br />
Unsicherheit. Die Verifikation mit Zuflussdaten<br />
zu den Wa<strong>sse</strong>rfassungen in den<br />
Teileinzugsgebieten (1980–2009) attestiert<br />
dem Modell im gro<strong>sse</strong>n und ganzen eine gute<br />
Leistung. Ein direkter Vergleich mit einem<br />
detaillierteren, rechnerisch intensiveren hydrologischen<br />
Modell (Alpine3D; Lehning et<br />
al., 2008) in einem zent<strong>ra</strong>lschweizerischen<br />
Einzugsgebiet zeigt, dass es beim hydrologischen<br />
Modell eine Unsicherheit bezüglich<br />
Schnee- und Eisschmelzintensität gibt.<br />
Das konzeptuelle Modell PREVAH ist hier<br />
eher etwas konservativ und berücksichtigt<br />
(im Gegensatz zu Alpine3D) mögliche Änderungen<br />
in der Schnee-/Gletscheroberfläche<br />
nicht explizit. Somit liegen die prognostizierten<br />
durchschnittlichen Jahresabflü<strong>sse</strong><br />
bei PREVAH unter denjenigen von<br />
Alpine3D. Wir können aufgrund des heutigen<br />
Wi<strong>sse</strong>nsstands nicht sagen, welche<br />
der beiden Vorhersagen wahrscheinlicher<br />
ist. Anderseits scheinen die von PREVAH<br />
simulierten Gletscherschmelz<strong>ra</strong>ten in guter<br />
Übereinstimmung mit von der VAW berechneten<br />
Gletscherschmelz<strong>ra</strong>ten zu sein. Dies<br />
können wir aus einem direkten Vergleich am<br />
Beispiel Mattma<strong>rk</strong> schlie<strong>sse</strong>n.<br />
Die Aussagen des hydrologischen<br />
Modells im Bezug auf die jahreszeitlichen<br />
Veränderungen, vor allem im Frühling/<br />
Sommer und längerfristig auch im Sommer/Herbst<br />
können als robust angesehen<br />
werden.<br />
7.3 Betriebliche Auswi<strong>rk</strong>ungen des<br />
veränderten Abflussregimes<br />
Die geänderten Abflussregime führen nicht<br />
zu einem grundsätzlich geänderten Muster<br />
der saisonalen Bewirtscha<strong>ft</strong>ung. Am<br />
Jahresverlauf der zukün<strong>ft</strong>igen mittleren<br />
Abflussganglinien ist jedoch zu e<strong>rk</strong>ennen,<br />
dass die Akkumulationsperiode kürzer und<br />
die abflussarme Zeit länger wird. Bei Spei-<br />
Bild 5. Berechnete Ausnützung der Speiche<strong>rk</strong>apazität des Stausees Mattma<strong>rk</strong>.<br />
che<strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en mit kleinem Saisonspeicher<br />
dür<strong>ft</strong>e die Bewirtscha<strong>ft</strong>ung schwieriger<br />
werden. Die Berechnungen für KWO<br />
und Mattma<strong>rk</strong> zeigen, dass die Seen in<br />
Zukun<strong>ft</strong> früher gefüllt werden (Bild 5). Die<br />
Absenkphase hängt aber grösstenteils von<br />
den Strompreisen ab und dür<strong>ft</strong>e durch die<br />
zukün<strong>ft</strong>ig geänderten Abflussregime kaum<br />
verändert werden.<br />
Ein verschobenes Abflussprofil hat<br />
im Betrieb und Unterhalt vor allem Auswi<strong>rk</strong>ungen<br />
auf die Revisionsplanungen, da sich<br />
das K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> u.a. an die Zeiten mit maximaler<br />
und minimaler Wa<strong>sse</strong>rführung halten<br />
muss. Für Arbeiten an den Wa<strong>sse</strong>rwegen<br />
wird üblicherweise der Zeit<strong>ra</strong>um nach Entleerung<br />
der Seen, vor der Schneeschmelze<br />
gewählt. Hier wird eine Verschiebung nach<br />
Vorne stattfinden.<br />
Verdankung<br />
Wir bedanken uns für die Unterstützung der<br />
KW Göschenen AG/CKW (Herrn T. Reithofer),<br />
KW Mattma<strong>rk</strong> AG (Herrn K. Sarbach), FM de la<br />
Goug<strong>ra</strong> SA (Herrn G. Zuber) und KW Oberhasli<br />
AG (Herrn A. Fankhauser), insbesondere für die<br />
Bereitstellung von hydrologischen Daten.<br />
Ebenfalls verdankt werden die in dieser Studie<br />
verwendeten Daten aus dem EU FP6 Projekt EN-<br />
SEMBLES (K<strong>lima</strong>szenarien), der MeteoSchweiz<br />
(meteorologische Daten) und des Bundesamts<br />
für Umwelt (Abflussdaten).<br />
Wir bedanken uns bei swi<strong>sse</strong>lectric research,<br />
Bundesamt für Energie, Kanton Wallis und<br />
Forces Motrices Valaisannes für die Finanzierung<br />
dieser Arbeit.<br />
Lite<strong>ra</strong>tur<br />
Bosshard, T., Kotlarski, S., Ewen, T., Schär, C.<br />
(2011). Spect<strong>ra</strong>l representation of the annual<br />
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Anschri<strong>ft</strong> des Verfa<strong>sse</strong>rs<br />
Manfred Stähli<br />
Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald,<br />
Schnee und Landscha<strong>ft</strong> (WSL)<br />
Zürcherst<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 111, CH-8903 Birmensdorf<br />
Tel. +41 44 739 24 72, manfred.staehli@wsl.ch<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 291<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Einfluss der K<strong>lima</strong>änderung auf die Stromproduktion<br />
der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e Löntsch<br />
und Prättigau<br />
Pascal Hänggi, Sonja Angehrn, Thomas Bosshard, Eivind Helland, Donat Job, Daniel Rietmann, Bruno Schädler, Robert Schneider,<br />
Rolf Weingartner<br />
Zusammenfassung<br />
An den Fallbeispielen des Speiche<strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s Löntsch (Klöntalersee) und der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sgruppe<br />
Prättigau wurde der Einfluss der K<strong>lima</strong>änderung auf die Stromproduktion<br />
untersucht. Dabei wurden verschiedene K<strong>lima</strong>modelle mit je einem hydrologischen<br />
und einem Betriebsmodell gekoppelt. Für die Berechnungen wurde<br />
die aktuelle Stromnachf<strong>ra</strong>ge unverändert bela<strong>sse</strong>n, sodass die Auswi<strong>rk</strong>ungen einer<br />
veränderten Zuflussmenge zu den K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en isoliert bet<strong>ra</strong>chtet werden konnten.<br />
Beim Beispiel des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s Löntsch gehen die K<strong>lima</strong>projektionen für 2021–2050<br />
(A1B Emissionsszenario) im Vergleich zur Referenzperiode 1998–2009 von einer<br />
leichten Zunahme der jährlichen Zuflü<strong>sse</strong> zum Speichersee aus (Median aller K<strong>lima</strong>projektionen:<br />
+2.2%; nicht signifikant). Das Zuflussregime verändert sich signifikant,<br />
mit höheren Werten im Winter und Herbst, und tieferen Werten während dem Sommer.<br />
Durch eine Anpassung des monatlichen Produktionsprofils kann eine leichte<br />
Steigerung der Stromproduktion und des Umsatzes erreicht werden. Für die K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
Prättigau wird im Vergleich zur Referenzperiode 1976–2004 eine Steigerung<br />
der Stromproduktion um 9.3% simuliert (Median). Die Zunahme resultiert hauptsächlich<br />
aus einer Produktionssteigerung im Winter, da im Sommer, wenn die grössten<br />
Abflussmengen au<strong>ft</strong>reten, die bestehenden Fassungskapazitäten nur unwesentlich<br />
länger überschritten werden. Die Resultate liefern für hydrologisch ähnliche Gebiete<br />
mit gleichen K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>stypen Hinweise, wie ein sich änderndes K<strong>lima</strong> den K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sbetrieb<br />
beeinflu<strong>sse</strong>n könnte.<br />
1. Einleitung<br />
Im Rahmen eines Projektes von Swi<strong>sse</strong>lectric<br />
Research und dem Bundesamt für<br />
Energie wurden die Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die schweizerische Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
ausführlich untersucht<br />
(SGHL und CHy, 2011). Hier werden die<br />
Resultate der Fallstudien des Speiche<strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s<br />
Löntsch (KW Löntsch) und der<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e im Prättigau (KW Prättigau)<br />
zusammenfa<strong>sse</strong>nd dargestellt, bei<br />
welchen die Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Stromproduktion und den<br />
Umsatz ausführlich untersucht wurden.<br />
Eine detaillierte Beschreibung der Fallstudien<br />
ist in Hänggi et al. (2011a) und Hänggi<br />
et al. (2011b) gegeben. Die Kopplung von<br />
K<strong>lima</strong>-, Hydro- und Betriebsmodellen<br />
zeigt, mit welchen Veränderungen in der<br />
Zukun<strong>ft</strong> gerechnet werden kann. Für die<br />
Modellberechnungen wurde die aktuelle<br />
Stromnachf<strong>ra</strong>ge bzw. das zugrundeliegende<br />
Strompreismodell unverändert<br />
bela<strong>sse</strong>n. So konnten die Auswi<strong>rk</strong>ungen<br />
einer veränderten Zuflussmenge zu den<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en isoliert bet<strong>ra</strong>chtet werden.<br />
Die simulierte K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sproduktion und<br />
der projizierte Umsatz für die Periode<br />
2021–2050 wurden dabei mit den heutigen<br />
Gegebenheiten verglichen, wobei<br />
wegen der Datenverfügba<strong>rk</strong>eit für das KW<br />
Löntsch die Referenzperiode 1998–2009<br />
gesetzt wurde, für das KW Prättigau die<br />
Periode 1976–2004. Als K<strong>lima</strong>szenarien<br />
dienten Projektionen aus dem EU-Projekt<br />
ENSEMBLES (Linden und Mitchell, 2009),<br />
welche für die Schweiz speziell aufbereitet<br />
wurden (Bosshard et al., 2011). Im Folgenden<br />
werden kurz die beiden Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
und deren Einzugsgebiete beschrieben.<br />
Danach wird im Detail auf die<br />
verwendete Methode eingegangen. Nach<br />
der Beschreibung der Resultate folgt abschlie<strong>sse</strong>nd<br />
eine Diskussion derselben,<br />
inklusive den Schlussfolgerungen.<br />
2. Untersuchungsgebiete<br />
Das Hochdruckspeiche<strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Löntsch<br />
wurde in den Jahren 1905–1908 erbaut.<br />
Der Stausee des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s bildet der<br />
Klöntalersee (Nutzvolumen: 40 Mio. m 3 ),<br />
von wo aus Wa<strong>sse</strong>r zur Stromproduktion<br />
über eine Druckleitung und einen Druckstollen<br />
zur Zent<strong>ra</strong>le in Netstal geleitet wird<br />
(Bild 1a). Zur Maschinengruppe in der Zent<strong>ra</strong>le<br />
Netstal gehören zwei F<strong>ra</strong>ncisturbinen<br />
mit einer Betriebsleistung von je 40 MW.<br />
Für den Eigenbedarf und als Dotiermaschine<br />
steht eine Peltonturbine mit 8 MW<br />
Leistung zur Verfügung. Die durchschnittliche<br />
Energieproduktion der gesamten<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sanlage beträgt 116 GWh pro<br />
Jahr (Mittel 1998–2007). Das Einzugsgebiet<br />
hat eine Fläche von rund 83 km 2 und eine<br />
mittleren Gebietshöhe von 1700 m ü.M.<br />
Die Gipfel der Glärnischgruppe rund um<br />
das gleichnamige Firnfeld stellen mit<br />
Höhen zwischen 2901 und 2915 m ü.M.<br />
die höchsten Erhebungen im Einzugsgebiet<br />
dar. Der Vergletscherungsg<strong>ra</strong>d beträgt<br />
2.8% (BFS, 1997).<br />
Das KW Prättigau umfasst die drei<br />
Stufen Davos-Klosters, Schlappin-Klosters<br />
und Klosters-Küblis, sowie die erforderlichen<br />
Wa<strong>sse</strong>rwege, elektrotechnischen<br />
Anlagen und Stromleitungen<br />
(Bild 1b). Rätia Energie produziert im KW<br />
Prättigau pro Jahr über 230 GWh elektrische<br />
Energie, wovon im Mittel 32% auf<br />
den Winter (Oktober–April) und 68% auf<br />
den Sommer (Mai-September) entfallen.<br />
Die installierte Leistung der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
beträgt knapp 70 MW. Insgesamt werden<br />
die Gewä<strong>sse</strong>r aus einem Gebiet von<br />
283 km 2 genutzt, wobei der Vergletscherungsg<strong>ra</strong>d<br />
rund 3% beträgt (BFS, 1997).<br />
Für die Stromproduktion entnimmt das KW<br />
Prättigau an verschiedenen Fassungen<br />
Wa<strong>sse</strong>r: Im südlichen Teil (vgl. Bild 1b)<br />
wird vom Flüelabach (D), Mönchalpbach<br />
(E), Stützbach (F) und dem Gebiet um den<br />
Davosersee (G) Wa<strong>sse</strong>r ins Speicherbecken<br />
Davosersee umgeleitet (Nutzvolu-<br />
292 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Bild 1. Schematische Darstellung der Einzugsgebiete des KW Löntsch (a) und KW Prättigau (b). Ausdehnung der Gletscher- und<br />
Firnflächen nach BFS (1997).<br />
Bild 2. Schematische Darstellung der verwendeten Modellkette zur Analyse der Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung auf das KW<br />
Löntsch und KW Prättigau.<br />
men: 11.5 Mio. m 3 ). Aus dem See wird<br />
über einen Druckstollen Wa<strong>sse</strong>r zur Zent<strong>ra</strong>le<br />
Klosters geleitet. In Klosters wird an<br />
der Hauptfassung, neben den turbinierten<br />
Wa<strong>sse</strong>rmengen aus der Zent<strong>ra</strong>le, auch<br />
die Landquart (C) gefasst. Das Wa<strong>sse</strong>r<br />
wird über einen 10.5 km langen Druckstollen<br />
zur Zent<strong>ra</strong>le Küblis geleitet. Auf der<br />
rechten Talseite unterhalb Klosters befindet<br />
sich die Zent<strong>ra</strong>le Schlappin, welche an<br />
das oberliegende Einzugsgebiet (B) über<br />
ein Ausgleichsbecken und eine Druckleitung<br />
angeschlo<strong>sse</strong>n ist. Die anfallende<br />
Wa<strong>sse</strong>rmenge wird über ein Bruttogefälle<br />
von 455 m in der Zent<strong>ra</strong>le ve<strong>ra</strong>rbeitet, und<br />
anschlie<strong>sse</strong>nd in den Druckstollen Klosters-Küblis<br />
geleitet. Oberhalb von Küblis<br />
befindet sich das Ausgleichsbecken Plevigin,<br />
in welches über einen Stollen das<br />
gefasste Wa<strong>sse</strong>r des Schanielabachs (A)<br />
eingeleitet wird. Das Wa<strong>sse</strong>r wird in der<br />
Zent<strong>ra</strong>le Küblis ve<strong>ra</strong>rbeitet.<br />
3. Methode<br />
Für die Untersuchung der Auswi<strong>rk</strong>ungen<br />
der K<strong>lima</strong>änderung auf die Stromproduktion<br />
der beiden K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e wurden drei<br />
verschiedene Modellsysteme gekoppelt<br />
(Bild 2).<br />
3.1 K<strong>lima</strong>modellierung<br />
Der erste Teil der Modellkette besteht aus<br />
verschiedenen K<strong>lima</strong>modellketten des<br />
EU-Projektes ENSEMBLES (Linden und<br />
Mitchell, 2009), welche durch ein A1B<br />
Emissionsszenario angetrieben wurden.<br />
Beim Szenario A1B wird in Zukun<strong>ft</strong> von<br />
einer ausgewogenen Nutzung fossiler und<br />
nichtfossiler Energiequellen ausgegangen,<br />
wobei die Wirtscha<strong>ft</strong> weiter wächst (IPCC,<br />
2007). Die verwendeten K<strong>lima</strong>modellketten<br />
bestehen aus Globalen K<strong>lima</strong>modellen<br />
GCM mit grober Auflösung, deren Berechnungen<br />
für die Periode 2021–2050<br />
von mehreren Regionalen K<strong>lima</strong>modellen<br />
RCM dynamisch auf 25 km Auflösung herunterskaliert<br />
wurden. Je höher die räumliche<br />
Auflösung von K<strong>lima</strong>modellen ist,<br />
desto genauer können die Proze<strong>sse</strong> in der<br />
Atmosphäre über komplexem Gelände wie<br />
den Alpen modelliert werden. Um Modellfehler<br />
zu korrigieren und die räumliche Auflösung<br />
zusätzlich zu erhöhen, wurden die<br />
RCM-Daten zusätzlich mit statistischen<br />
Methoden aufbereitet. Dazu wurde die<br />
Delta Change Methode verwendet, wobei<br />
beobachtete Datenreihen gemäss einem<br />
K<strong>lima</strong>änderungssignal skaliert wurden<br />
(Bosshard et al., 2011). Das K<strong>lima</strong>änderungssignal<br />
wurde zwischen der Szenarioperiode<br />
SCE (2021–2050) und der Kontrollperiode<br />
CTL (1980–2009) berechnet.<br />
Für die Schweiz liegen diese K<strong>lima</strong>änderungssignale<br />
für Tempe<strong>ra</strong>tur (SCE-CTL)<br />
und Niederschlag (SCE/CTL) an allen Stationsstandorten<br />
der MeteoSchweiz vor.<br />
Somit standen für die Analyse an allen<br />
Standorten und für jede K<strong>lima</strong>modellkette<br />
Niederschlags- und Tempe<strong>ra</strong>turzeitreihen<br />
für die Periode 2021–2050 zur Verfügung.<br />
3.2 Hydrologische Modellierung<br />
Im zweiten Teil der Modellkette wurden<br />
die Tempe<strong>ra</strong>tur- und Niederschlagsdaten<br />
für das hydrologische Modell auf die Einzugsgebiete<br />
der jeweiligen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
interpoliert. Die interpolierten Werte<br />
dienten als Modellantrieb, wobei die hydrologischen<br />
Modelle vorher an geme<strong>sse</strong>nen<br />
Abflussganglinien bei den Fassungen der<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e geeicht und verifiziert wurden.<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 293<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Für das KW Löntsch musste der Zufluss<br />
zum Klöntalersee mit Hilfe der Seestände<br />
und turbinierten Wa<strong>sse</strong>rmengen vorher<br />
rekonstruiert werden, beim KW Prättigau<br />
wurde mit Hilfe von geme<strong>sse</strong>nen Werten<br />
aus Nachbargebieten eine hydrologische<br />
Regionalisierung der Werte auf die einzelnen<br />
Fassungen durchgeführt. Für die<br />
Untersuchungen am KW Löntsch wurde<br />
das hydrologische Modellsystem Bernhydro<br />
verwendet (Hänggi, 2011), beim KW<br />
Prättigau das Modell PREVAH (Viviroli et<br />
al., 2009). Der Vergleich mit beobachteten<br />
Zuflü<strong>sse</strong>n zeigte, dass beide Modelle die<br />
hydrologischen Bedingungen in den einzelnen<br />
Einzugsgebieten sehr gut wiedergeben<br />
können.<br />
3.3 K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>smodellierung<br />
Im dritten Teil, K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>smodellierung,<br />
wurden die resultierenden Abflussganglinien<br />
der verschiedenen K<strong>lima</strong>szenarien in<br />
ein Betriebsmodell des KW Löntsch bzw.<br />
KW Prättigau gegeben, sodass die Auswi<strong>rk</strong>ungen<br />
auf die Stromproduktion und<br />
den Umsatz berechnet werden konnten.<br />
Die So<strong>ft</strong>ware TimeSteps-Energy 2010 ©<br />
(Blöchlinger et al., 2004) wurde für das KW<br />
Löntsch eingesetzt, wobei unter Berücksichtigung<br />
aller physikalischen Einschränkungen,<br />
den durch die Konzession auferlegten<br />
Rahmenbedingungen und der zur<br />
Verfügung stehenden Preisinformationen<br />
ein optimaler Einsatz des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s unter<br />
den gegebenen Zuflussszenarien zur Ert<strong>ra</strong>gsmaximierung<br />
bestimmt wurde. Dabei<br />
wurden die restlichen Inputs wie Strompreis<br />
und Nebenbedingungen für jede Berechnung<br />
gleich bela<strong>sse</strong>n.<br />
Für das KW Prättigau wurde das<br />
Simulationsmodell WABES (WA<strong>sse</strong>rwirt-<br />
scha<strong>ft</strong>liche BEtriebs-Simulation) verwendet<br />
(AF-Colenco AG, 2004). Es berechnet<br />
nach vorgegebenen Betriebsprinzipien<br />
(vgl. Hänggi et al., 2011b) den optimalen<br />
Einsatz des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s zur Ert<strong>ra</strong>gsmaximierung.<br />
Das Wichtigste für den Betrieb<br />
der einzelnen K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sstufen sind die energiewirtscha<strong>ft</strong>lichen<br />
Randbedingungen,<br />
welche u.a. vom Wochentag (We<strong>rk</strong>tage,<br />
Samstage und Sonntage) sowie von den<br />
verschiedenen Jahreszeiten (Winter, Sommer<br />
und Übergangsperioden) abhängen.<br />
Die Randbedingungen definieren die Bewirtscha<strong>ft</strong>ung<br />
sämtlicher Speicher und<br />
den Betrieb der gesamten Anlage, wobei<br />
folgende Prioritäten unterschieden wurden:<br />
Erste Priorität haben Höchsttarifstunden<br />
(HHT) an We<strong>rk</strong>tagen von 10–14 Uhr,<br />
wobei das Modell versucht, die Turbinen<br />
auf Volllast zu fahren.<br />
In zweiter Priorität gilt die Stromproduktion<br />
den Hochtarifstunden (HT) von<br />
6–10 Uhr sowie von 14–22 Uhr. Während<br />
dieser Zeit werden die Turbinen<br />
gleichmässig gefahren.<br />
Dritte Priorität haben die Niedertarifstunden<br />
(NT) während der Nacht und<br />
am Wochenende.<br />
4. Resultate<br />
4.1 KW Löntsch<br />
4.1.1 Projektionen der Tempe<strong>ra</strong>turen<br />
und Niederschlagsmengen<br />
2021–2050<br />
Die verwendeten K<strong>lima</strong>modelle weisen für<br />
hydrologische Modellierungen eine relative<br />
grobe Auflösung vor (~25 × 25 km).<br />
Somit wi<strong>rk</strong>en sich die projizierten Tem-<br />
pe<strong>ra</strong>tur- und Niederschlagsänderungen<br />
bis 2021–2050 gleichmässig auf das gesamte<br />
Gebiet aus. Die Projektionen können<br />
deshalb uniform für das gesamte Einzugsgebiet<br />
des Klöntalersees angegeben<br />
werden.<br />
Alle K<strong>lima</strong>szenarien gehen von<br />
einer Erwärmung des Einzugsgebiets bis<br />
2021–2050 aus (Bild 3 links). Die stä<strong>rk</strong>sten<br />
Erwärmungen werden von den Modellen<br />
für Mai (Median: 1.3 °C), Juni und Juli (jeweils<br />
1.4 °C) projiziert. Die grössten Variabilitäten<br />
bezüglich der monatlichen Tempe<strong>ra</strong>turänderungen<br />
sind für Dezember und<br />
Januar auszumachen. Der Median für die<br />
Zunahme der mittleren jährlichen (ANN)<br />
Gebietstempe<strong>ra</strong>tur des Klöntalersees<br />
beträgt 1.1 °C bis 2021–2050 gegenüber<br />
1980–2009.<br />
Die Projektionen der K<strong>lima</strong>modelle<br />
für die Veränderung des Gebietsniederschlags<br />
sind saisonal unterschiedlich<br />
(Bild 3 rechts). Für die Frühlingsmonate<br />
April und Mai wird bis 2021–2050 tendenziell<br />
eine leichte Zunahme des Niederschlags<br />
projiziert (Mediane der relativen<br />
Abweichungen: 1.02 und 1.08), ebenso für<br />
den Herbst und Winter (Mediane zwischen<br />
1.04 und 1.06). Für Februar, März und die<br />
Sommermonate Juni, Juli und August wird<br />
hingegen eine Abnahme projiziert (0.91–<br />
0.98). Die jährlichen Niederschlagsmengen<br />
(ANN) bleiben dabei unverändert.<br />
4.1.2 Projektionen der Zuflü<strong>sse</strong> zum<br />
Klöntalersee 2021–2050<br />
Im Vergleich zur Periode 1998–2009 zeigen<br />
die Projektionen für 2021–2050 signifikant<br />
höhere Zuflussmengen zum Klöntalersee<br />
in den Herbst-, Winter- und Frühlingsmonaten<br />
(Bild 4 links). Im Sommer<br />
Bild 3. Boxplots (n = 10 K<strong>lima</strong>szenarien) der absoluten [°C] monatlichen und jährlichen (ANN) Änderung der mittleren Gebietstempe<strong>ra</strong>tur<br />
des Einzugsgebiets des Klöntalersees für 2021–2050 gegenüber dem Mittel 1980–2009 (links). Relative Abweichungen der<br />
monatlichen und jährlichen Gebietsniederschlagsmengen für da<strong>sse</strong>lbe Einzugsgebiet und dieselben Perioden (rechts).<br />
294 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Bild 4. Mittlere monatliche Abflussmengen der Löntsch<br />
1998–2009 (Qobs) und Projektionen 2021–2050 (Qscen). In g<strong>ra</strong>u<br />
das 90%-Konfidenzintervall 1998–2009.<br />
Bild 5. Stromproduktion des KW Löntsch 1998–2009 und Projektionen<br />
für 2021–2050 (Boxplots).<br />
wird eine Abflussminderung projiziert. Das<br />
Abflussregime wird demnach leicht ausgeglichener.<br />
Unter den gegebenen K<strong>lima</strong>szenarien<br />
verändert sich der Jahresabfluss<br />
der Löntsch bis 2021–2050 unwesentlich<br />
zwischen –0.3 und 6.1%.<br />
4.1.3 Projektionen der Stromproduktion<br />
des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s 2021–2050<br />
Die projizierten Zuflussänderungen zum<br />
Klöntalersee für 2021–2050 wi<strong>rk</strong>en sich linear<br />
zur Produktion und zum Umsatz des<br />
KW Löntsch aus (Tabelle 1). Im Mittel wird<br />
für das KW Löntsch eine Produktions- und<br />
Umsatzsteigerung von 2.6 bzw. 3.2% projiziert.<br />
Die monatlichen Produktions<strong>ra</strong>ten<br />
zeigen tiefe Werte in den Monaten Oktober,<br />
Dezember und April (Bild 5). Im Oktober<br />
wird aktiv Wa<strong>sse</strong>r für den Monat November<br />
zurückgehalten, da im November<br />
der produzierte Strom normalerweise zu<br />
höheren Preisen ve<strong>rk</strong>au<strong>ft</strong> werden kann. Im<br />
Dezember ist die Nachf<strong>ra</strong>ge nach Strom<br />
wegen den vielen Feiertagen geringer als<br />
in anderen Monaten. Gegen April nehmen<br />
der Füllungsg<strong>ra</strong>d des Speichersees und<br />
somit auch die Produktion ab. Für 2021–<br />
2050 werden höhere Produktions<strong>ra</strong>ten in<br />
den Wintermonaten projiziert, im Sommer<br />
hingegen geht man von leichten Abnahmen<br />
bei der Stromerzeugung aus.<br />
Die Sensitivität der Produktion und<br />
des Umsatzes des KW Löntsch gegenüber<br />
Veränderungen in den Zuflussmengen ist<br />
in Bild 6 dargestellt.<br />
Im Bereich von –100% bis +50%<br />
Zuflussänderung gegenüber dem Mittel<br />
der Referenzperiode 1998–2009 kann<br />
dabei ein fast linearer Zusammenhang<br />
zwischen Zuflussänderung, Produktion<br />
und Umsatz festgestellt werden. Bei höheren<br />
Zuflussänderungen nimmt die Produktions<strong>ra</strong>te<br />
zwar weiterhin linear zu, die<br />
Umsatzänderung flacht aber aufgrund des<br />
höheren Anteils Off-Peak-Stunden in der<br />
Produktion mit kleineren Einnahmen pro<br />
kWh ab. Die oben beschriebenen Projektionen<br />
der Zuflussmengen für 2021–2050<br />
zwischen 0.3% und 6.1% (vgl. Tabelle 1)<br />
liegen weiterhin im Streuungsbereich der<br />
jährlichen Zuflussmengen der Jahre 1998–<br />
2009. Eine wesentliche Veränderung des<br />
Verhältni<strong>sse</strong>s zwischen der Produktion<br />
Zuflü<strong>sse</strong> Produktion Umsatz<br />
[m 3 /h] Δ [%] [MWh] Δ [%] [Mio €] Δ [%]<br />
Referenzperiode 1998–2009 186 688 0.0% 150 800 0.0% 11.36 0.0%<br />
Mittel K<strong>lima</strong>szenarien (n=10) 191 669 +2.7% 154 736 +2.6% 11.72 +3.2%<br />
Tabelle 1. Mittlere jährliche projizierte Veränderungen der Zu -<br />
flü<strong>sse</strong>, Produktion und des Umsatzes des KW Löntsch für die<br />
Periode 2021–2050 gegenüber der Referenz periode von 1998–<br />
2009.<br />
Bild 6. Sensitivität der Produktion und des Umsatzes des KW<br />
Löntsch gegenüber Veränderungen in den Zuflussmengen<br />
(Referenzperiode 1998–2009).<br />
und des Umsatzes für das KW Löntsch<br />
wird demnach unter den gegebenen K<strong>lima</strong>szenarien<br />
nicht erwartet.<br />
4.2 KW Prättigau<br />
4.2.1 Projektionen der Tempe<strong>ra</strong>turen<br />
und Niederschlagsmengen<br />
2021–2050<br />
Die projizierten Tempe<strong>ra</strong>tur- und Niederschlagsszenarien<br />
für das Einzugsgebiet<br />
des KW Prättigau sind repräsentativ an<br />
der MeteoSchweiz-Station Davos dargestellt<br />
(Bild 7).<br />
Die mittleren K<strong>lima</strong>änderungssignale<br />
für die Lu<strong>ft</strong>tempe<strong>ra</strong>tur deuten auf eine<br />
signifikante Erwärmung bis 2021–2050 hin<br />
(Bild 7, links). Die mittleren Deltas schwanken<br />
dabei zwischen 0.9 °C und 1.8 °C. Die<br />
stä<strong>rk</strong>sten Erwärmungen werden von den<br />
Modellen für Juni, Juli, Dezember und Januar<br />
projiziert.<br />
Der mittlere Verlauf der K<strong>lima</strong>änderungssignale<br />
für den Niederschlag zeigt<br />
für Frühling, Herbst und Winter tendenziell<br />
eine leichte Zunahme der Niederschlagsmengen<br />
an (Bild 7, rechts). Für einzelne<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 295<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Bild 7. Jahresverläufe der K<strong>lima</strong>änderungssignale für die Tempe<strong>ra</strong>tur (links) und den Niederschlag (rechts) zwischen den Perioden<br />
1976–2005 und 2021–2050 für die Station Davos. In g<strong>ra</strong>u jeweils das 10–90% Konfidenzintervall der natürlichen Variabilität der<br />
Abweichungen 1976–2005.<br />
Bild 8. Mittlere monatliche Abflussmengen 1976–2005 (Qobs) und Projektionen 2021–<br />
2050 (Qscen; n = 9 K<strong>lima</strong>szenarien) für drei ausgewählte Zuflü<strong>sse</strong> zum KW Prättigau.<br />
In g<strong>ra</strong>u jeweils das 5–95% Konfidenzintervall 1976–2005.<br />
Bild 9. Energieproduktion Gesamtsystem KW Prättigau 1976–2004 versus 2021–2050<br />
(n = 9 K<strong>lima</strong>szenarien). Jahr: Okt.–Sep; Winter: Okt.-Apr.; Sommer: Mai–Sep.<br />
Monate wie Februar, März und die Sommermonate<br />
Juni, Juli und August wird im<br />
Mittel hingegen eine Abnahme projiziert.<br />
Bei den Niederschlagsprojektionen sind<br />
zum einen in jedem Monat sowohl positive<br />
als auch negative Veränderungen bis<br />
2021–2050 möglich. Zum anderen liegen<br />
die Projektionen grösstenteils innerhalb<br />
des 10–90% Konfidenzintervalls der natürlichen<br />
Variabilität der Abweichungen<br />
1976–2005, sind demnach statistisch gesehen<br />
nicht signifikant.<br />
4.2.2 Projektionen der Zuflü<strong>sse</strong> zu den<br />
Fassungen 2021–2050<br />
Im Vergleich zur Periode 1976–2005 zeigen<br />
die Szenarien für 2021–2050 in den Einzugsgebieten<br />
des KW Prättigau signifikant<br />
höhere Abflussmengen in den Frühlings-,<br />
Herbst- und Wintermonaten (beispielha<strong>ft</strong><br />
für drei Gewä<strong>sse</strong>r dargestellt in Bild 8). Für<br />
Sommer wird in allen Einzugsgebieten eine<br />
signifikante Abflussminderung projiziert.<br />
Auf die Jahresabflussmengen wi<strong>rk</strong>en sich<br />
die saisonalen Veränderungen nur leicht<br />
aus, wobei Zunahmen zwischen 1 und 8%<br />
projiziert werden.<br />
4.2.3 Projektionen der Stromproduktion<br />
der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e 2021–2050<br />
Bild 9 zeigt die Energieproduktion des<br />
Gesamtsystems KW Prättigau für alle untersuchten<br />
K<strong>lima</strong>szenarien 2021–2050<br />
im Vergleich zu den Verhältni<strong>sse</strong>n 1976–<br />
2004.<br />
Die Zunahme in der Jahresproduktion<br />
beträgt 9.3% und im Winter 26.5%<br />
296 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Tabelle 2. Relative Veränderung der gefassten und überlaufenen Abflussmengen am KW Prättigau für 2021–2050 gegenüber<br />
1976–2004 für drei verschiedene K<strong>lima</strong>szenarien (S02, S03 und S08).<br />
(Mediane Veränderungen). Obwohl vor<br />
allem in den Hochsommermonaten (Juli,<br />
August und September) signifikante Abnahmen<br />
bezüglich den natürlichen Abflussmengen<br />
projiziert werden, bleibt die<br />
Sommerproduktion für alle untersuchten<br />
Szenarien p<strong>ra</strong>ktisch gleich (Median:<br />
+0.4%). Der Grund dafür ist, dass die<br />
Anlagen im Prättigau nur begrenzt einen<br />
Speicherbetrieb zula<strong>sse</strong>n, welcher sich<br />
in erster Linie auf die Wintermonate beschränkt.<br />
Im Sommer hingegen können<br />
die Anlagen nicht mehr nach Belieben gesteuert<br />
werden. Dies zeigt sich vor allem<br />
beim Turbinenbetrieb der beiden Stufen<br />
Schlappin-Klosters und Klosters-Küblis,<br />
wenn neben dem aus der oberen Stufe<br />
Davos-Klosters anfallenden Turbinenwa<strong>sse</strong>r<br />
auch die beträchtlichen natürlichen Zuflü<strong>sse</strong><br />
aus der Landquart in einem Triebwa<strong>sse</strong>rsystem<br />
mit begrenzter Kapazität<br />
(Druckstollen Klosters-Küblis: 12 m 3 /s,<br />
Druckleitung Schlappin: 1.67 m 3 /s) ve<strong>ra</strong>rbeitet<br />
werden mü<strong>sse</strong>n. Die beiden Stufen<br />
haben dementsprechend im Sommer sehr<br />
sta<strong>rk</strong> den Cha<strong>ra</strong>kter von Laufk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en<br />
mit begrenzter Kapazität.<br />
In Tabelle 2 sind für drei ausgewählte<br />
K<strong>lima</strong>szenarien die Veränderungen<br />
der gefassten Abflussmengen sowie der<br />
Überlaufwa<strong>sse</strong>rmengen für das Gesamtsystem<br />
des KW Prättigau im Vergleich zu<br />
den Verhältni<strong>sse</strong>n 1976–2004 dargestellt.<br />
Der Zufluss zu den einzelnen Fassungen<br />
teilt sich grundsätzlich in zwei Anteile auf,<br />
nämlich in die Abflussmenge, die gefasst<br />
wird, und in die Restwa<strong>sse</strong>rmenge. Die<br />
Restwa<strong>sse</strong>rmenge wiederum setzt sich<br />
aus den gesetzlich vorgeschriebenen<br />
Dotierwa<strong>sse</strong>rmengen sowie der Überlaufwa<strong>sse</strong>rmenge<br />
zusammen. Letztere<br />
könnten theoretisch gesehen ebenfalls für<br />
die Stromproduktion gefasst werden. In<br />
der vorliegenden Studie wurden für alle Berechnungen<br />
die bestehenden Fassungskapazitäten<br />
sowie die monatlich variierenden<br />
Dotierwa<strong>sse</strong>rregime unverändert<br />
bela<strong>sse</strong>n (Anlagenzustand 1976–2004).<br />
Die gefassten Abflussmengen nehmen<br />
unter den projizierten K<strong>lima</strong>szenarien<br />
S02, S03 und S08 übers Jahr gesehen signifikant<br />
zu. Diese Aussage gilt auch für<br />
die restlichen sechs untersuchten Szenarien.<br />
Eine ganz entscheidende Wa<strong>sse</strong>rmenge<br />
im System wird selbstverständlich<br />
beim Wehr Klosters gefasst. Die Szenarien<br />
projizieren dort sehr konsistent eine<br />
Zunahme von 10 bis 13%. Auch bei den<br />
übrigen wesentlichen Fassungen Gadenstätt,<br />
Schlappin und Doggiloch werden<br />
ma<strong>rk</strong>ante Zunahmen projiziert. Einzig für<br />
die kleineren Fassungen Stützbach und<br />
Mönchalpbach werden teilweise geringere<br />
Abflussmengen projiziert. Für den Winter<br />
projizieren sämtliche K<strong>lima</strong>szenarien ma<strong>rk</strong>ante<br />
Erhöhungen des Wa<strong>sse</strong>rdargebots,<br />
welche zum grössten Teil durch das System<br />
direkt ve<strong>ra</strong>rbeitet werden können, da<br />
während dieser Zeit die anfallenden Abflussmengen<br />
meist geringer als die entsprechenden<br />
Fassungskapazitäten sind.<br />
Für Sommer werden keine wesentlichen<br />
Veränderungen in den Fassungsmengen<br />
projiziert.<br />
Naturgemäss betreffen die Überlaufmengen<br />
p<strong>ra</strong>ktisch nur das Sommerhalbjahr<br />
und etwas die Winter<strong>ra</strong>ndmonate<br />
Oktober und April. Dabei projiziert<br />
S08 durchs Band geringere Zuflü<strong>sse</strong> und<br />
damit auch geringere Überlaufmengen<br />
im ganzen System. Mit S03 verbleibt der<br />
projizierte Zustand gesamtha<strong>ft</strong> gesehen<br />
in etwa gleich wie heute. Bei S02 ergeben<br />
sich gesamtha<strong>ft</strong> gesehen signifikante Erhöhungen<br />
gegenüber heute.<br />
5. Diskussion<br />
Die projizierten Änderungen in der Lu<strong>ft</strong>tempe<strong>ra</strong>tur<br />
für die untersuchten Gebiete stehen<br />
im Einklang mit bisherigen K<strong>lima</strong>projektionen<br />
für die Alpennordseite der Schweiz.<br />
Diese gehen gegenüber 1990 von Erwärmungen<br />
von 1.8 °C (Winter und Frühling),<br />
2.7 °C (Sommer) und 2.1 °C (Herbst) bis<br />
2050 aus (Frei, 2004). Die von Frei (2004)<br />
projizierten Erwärmungen sind demnach<br />
stä<strong>rk</strong>er, basieren aber auf verschiedenen<br />
K<strong>lima</strong>projektionen aus dem EU-Projekt<br />
PRUDENCE (Christensen et al., 2002). In<br />
Bezug auf den Niederschlag schätzte Frei<br />
(2004), wiederum für die gesamte Alpennordseite<br />
der Schweiz, eine Abnahme<br />
der saisonalen Niederschlagsmengen<br />
für Sommer und Herbst, eine Zunahme<br />
im Winter und für den Frühling tendenziell<br />
unveränderte Niederschlagsmengen bis<br />
2050 ab. Diese Resultate unterscheiden<br />
sich zu den Niederschlagsprojektionen vor<br />
allem im Herbst, wobei im Vergleich zum<br />
Mittel der Periode 2021–2050 von einer<br />
deutlichen Zunahme der Niederschlagsmengen<br />
ausgegangen wird. Dieser Unterschied<br />
wi<strong>rk</strong>t sich auch auf die Projektionen<br />
für die jährlichen Niederschlagsmengen<br />
aus: Im Gegensatz zu früheren<br />
Projektionen mit geringer werdenden<br />
Niederschlagsmengen (–5% für die Alpennordseite;<br />
Hänggi und Weingartner,<br />
2011) konnten in den Projektionen für die<br />
Untersuchungsgebiete keine signifikanten<br />
Änderungen in den jährlichen Mengen<br />
festgestellt werden. Die hier verwendeten<br />
ENSEMBLES-Projektionen sind durch die<br />
Verwendung neuerer hochauflösender K<strong>lima</strong>modelle<br />
im Vergleich zu früheren Berechnungen<br />
robuster. Die komplexe Topog<strong>ra</strong>phie<br />
und die k<strong>lima</strong>beeinflu<strong>sse</strong>nde<br />
geog<strong>ra</strong>phische Lage der Alpen machen<br />
es jedoch weiterhin schwierig, die Niederschlagsentwicklung<br />
für Regionen in der<br />
Schweiz be<strong>sse</strong>r abzuschätzen.<br />
Die veränderten k<strong>lima</strong>tischen Bedingungen<br />
wi<strong>rk</strong>en sich auch direkt auf<br />
die hydrologischen Bedingungen in den<br />
Gebieten aus. So zeigen die Szenarien<br />
für 2021–2050 höhere Abflussmengen in<br />
den Herbst-, Winter- und Frühlingsmonaten<br />
gegenüber heutigen Verhältni<strong>sse</strong>n.<br />
Das Abflussregime verändert sich signifikant.<br />
Im Vergleich zu anderen Resultaten<br />
unterscheiden sich die berechneten Jahresabflussmengen<br />
deutlich: Horton et<br />
al. (2005) untersuchten den Einfluss der<br />
K<strong>lima</strong>änderung in elf alpinen Einzugsge-<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 297<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
bieten der Schweiz mit unterschiedlichen<br />
Vergletscherungsg<strong>ra</strong>den. Für die Periode<br />
2020–2049 und das Szenario «+1 °C»<br />
gegenüber den Verhältni<strong>sse</strong>n der Jahre<br />
1961–1990 wurden in allen Einzugsgebieten<br />
Abnahmen in den jährlichen Abflussmengen<br />
zwischen 5% und 15% (Mediane)<br />
projiziert. Basierend auf diesen Resultaten<br />
schätzte das Bundesamt für Energie eine<br />
Abnahme der gesamtschweizerischen Abflussmengen<br />
um rund 7% und somit indirekt<br />
auch eine Abnahme der hydroelektrischen<br />
Produktion um denselben Bet<strong>ra</strong>g<br />
(Energieperspektiven 2035; BFE, 2007).<br />
Zu dieser Aussage muss einerseits festgehalten<br />
werden, dass eine Hochrechnung<br />
der Abflussprojektionen nach Horton et al.<br />
(2005) auf die gesamte Schweiz problematisch<br />
ist, da nicht alle Einzugsgebiete der<br />
schweizerischen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e einen<br />
alpinen oder gar hochalpinen Cha<strong>ra</strong>kter<br />
aufweisen. Andererseits entspricht die<br />
natürlich anfallende Wa<strong>sse</strong>rmenge nicht<br />
zwingend der für die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> nutzbaren<br />
bzw. fassbaren Menge.<br />
Bei der Berechnung des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>betriebs<br />
KW Löntsch und KW Prättigau<br />
wurde angenommen, dass das zugrundeliegende<br />
Preismodell gleich den heutigen<br />
Verhältni<strong>sse</strong>n ist. Die ist eine vereinfachte<br />
Annahme, da sich wahrscheinlich auch<br />
das Nachf<strong>ra</strong>gemuster in einem wärmeren<br />
K<strong>lima</strong> ändern würde. Die verwendete Methode<br />
erlaubt allerdings eine Differenzierung<br />
des Einflu<strong>sse</strong>s der Nachf<strong>ra</strong>ge (indirekt<br />
über den Strompreis) und des Angebots<br />
(indirekt durch die Nutzwa<strong>sse</strong>rmenge). In<br />
weiteren Studien könnte die Anpassung<br />
des Preismodells an das projizierte K<strong>lima</strong><br />
einen Mehrwert bringen. In den monatlich<br />
projizierten Produktions- und Umsatzmengen<br />
des KW Löntsch konnten Veränderung<br />
festgestellt werden: Beide Grö<strong>sse</strong>n<br />
steigen an, insbesondere im Winter<br />
und den Monaten Oktober und November.<br />
Über das gesamte Jahr gesehen verlaufen<br />
die Zunahmen in der Produktion und<br />
dem Umsatz linear zu denjenigen in den<br />
Zuflussmengen. Erst bei sehr sta<strong>rk</strong>en Veränderungen<br />
in den Zuflussmengen (mehr<br />
als +50% gegenüber 1998–2009) verhält<br />
sich der Umsatz nichtlinear. Bei tieferen<br />
Zuflussmengen berechnete das Modell<br />
ebenfalls einen linearen Zusammenhang<br />
zum Umsatz. Dies wäre nur realistisch,<br />
wenn der Strompreis stabil bleiben würde.<br />
Wahrscheinlicher ist, dass bei sinkendem<br />
Angebot der Preis ansteigt, was zu einer<br />
nichtlinearen Minderung des Umsatzes<br />
bei weniger Zufluss führen würde. Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzung<br />
dafür wäre allerdings, dass<br />
sich das Angebot bzw. die Abflussmen-<br />
gen schweiz- oder europaweit ändern<br />
müssten, um den Strompreis überhaupt<br />
beeinflu<strong>sse</strong>n zu können. Die projizierten<br />
Änderungen im Wa<strong>sse</strong>rdargebot infolge<br />
der verwendeten K<strong>lima</strong>szenarien 2021–<br />
2050 wi<strong>rk</strong>en sich für die KW Prättigau im<br />
Winter signifikant aus, wobei eine Produktionssteigerung<br />
projiziert wird (+20% bis<br />
+40% im Vergleich zum Mittel 1976–2004).<br />
Diese Zunahme wird in jedem Falle als sehr<br />
wesentlich bet<strong>ra</strong>chtet, zumal es sich dabei<br />
mehrheitlich um hochwertige Energie handelt,<br />
welche in den Tagesstunden hoher<br />
Nachf<strong>ra</strong>ge erzeugt werden kann. Für die<br />
Sommerperiode werden bei allen verwendeten<br />
Szenarien gesamtha<strong>ft</strong> nur unwesentliche<br />
Veränderungen projiziert. Eine<br />
Erhöhung von Fassungskapazitäten ist<br />
nicht angeb<strong>ra</strong>cht, da die projizierten anfallenden<br />
Wa<strong>sse</strong>rmengen problemlos weiter<br />
ve<strong>ra</strong>rbeitet werden können.<br />
Der Vergleich der Resultate verwandter<br />
Studien, in welchen der Einfluss<br />
der K<strong>lima</strong>änderung mittels Modellkopplung<br />
untersucht wurde, zeigt ein sehr unterschiedliches<br />
Bild: Schäfli et al. (2007)<br />
schätzten für das Speiche<strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Mauvoisin<br />
eine Abnahme der Produktion für die<br />
Periode 2070–2099 gegenüber 1961–1990<br />
um rund 36% ab. Im Vergleich zu den Untersuchungsgebieten<br />
ist das Einzugsgebiet<br />
des Mauvoisin K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s sta<strong>rk</strong> vergletschert<br />
(> 40%), und demnach stä<strong>rk</strong>er<br />
durch projizierte Abnahmen der Gletscher<br />
betroffen (vgl. Huss et al., 2008). Westaway<br />
(2000) schätzte für das benachbarte Speiche<strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong><br />
G<strong>ra</strong>nde Dixence indes eine<br />
Zunahme der Produktion um rund 26%<br />
für die Periode 2031–2060 ab (Referenzperiode<br />
1961–1990). Dabei wurde neben<br />
den k<strong>lima</strong>bedingten Veränderungen in den<br />
Zuflussmengen auch die Veränderung der<br />
Stromnachf<strong>ra</strong>ge berücksichtigt. Für den<br />
Rhein bis Felsberg berechneten Vischer<br />
und Bader (1999) bis 2050 und mit dem<br />
Szenario «+2 °C Sommer- und Wintertempe<strong>ra</strong>tur»<br />
und «±0% Sommer- und +10%<br />
Winterniederschlag» gegenüber der Referenzperiode<br />
1962–1990 eine Abnahme der<br />
natürlichen Abflussmengen des Rheins<br />
um 5%. Für ein fiktives Laufk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> bei<br />
Felsberg wurde allerdings eine Zunahme<br />
der Nutzwa<strong>sse</strong>rmenge um denselben Bet<strong>ra</strong>g<br />
berechnet, da im Winter mehr Wa<strong>sse</strong>r<br />
genutzt werden kann und die Fassungskapazität<br />
im Sommer unter den vorgegebenen<br />
K<strong>lima</strong>szenarien nicht unterschritten<br />
wird. Die Resultate anderer Studien, inklusive<br />
der vorliegenden, zeigen, dass eine<br />
Ve<strong>ra</strong>llgemeinerung der Aussagen bezüglich<br />
der Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung schwierig ist.<br />
Zum einen unterscheiden sich die Studien<br />
in Bezug auf die K<strong>lima</strong>szenarien, Referenzperioden<br />
und projizierten Zeiträumen, zum<br />
anderen werden auch unterschiedliche<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>stypen untersucht. So kann<br />
die K<strong>lima</strong>änderung bei einem K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong><br />
trotz niedrigeren Zuflussmengen höhere<br />
Umsätze bringen, entweder durch Mehrproduktion<br />
oder durch Veränderungen im<br />
Preis. Eine Abschätzung der Folgen der<br />
K<strong>lima</strong>änderung auf die Stromproduktion<br />
durch die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> muss demnach von<br />
Fall zu Fall untersucht werden.<br />
6. Schlussfolgerungen<br />
Unter den gegebenen K<strong>lima</strong>szenarien für<br />
2021–2050 wurde für das KW Löntsch<br />
eine leichte Produktions- (+2.6%) und<br />
Umsatzsteigerung (+3.2%) berechnet.<br />
Die Steigerungen konnten dabei durch ein<br />
verändertes monatliches Produktionsprofil<br />
erreicht werden. Für das KW Prättigau<br />
wurde ebenfalls eine Steigerung der<br />
Stromproduktion um 9.3% (Median aller<br />
verwendeten Projektionen) gegenüber der<br />
Referenzperiode 1976–2004 abgeschätzt.<br />
Diese Zunahme resultiert hauptsächlich<br />
aus einer Produktionssteigerung während<br />
dem Winter. Im Sommer nehmen die natürlichen<br />
Abflussmengen im Einzugsgebiet<br />
zwar ab, die Fassungskapazität der<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sgruppe wird aber nicht unterschritten,<br />
womit die Produktion im Sommer<br />
gleich bleiben wird.<br />
Die Resultate können nicht auf die<br />
gesamte Schweiz oder gar auf Mitteleuropa<br />
ve<strong>ra</strong>llgemeinert werden, vielmehr<br />
handelt es sich um einen lokalen Effekt bei<br />
bestimmten K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en an spezifischen<br />
Lagen. Für hydrologisch ähnliche Gebiete<br />
mit ähnlichen K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>stypen liefert die<br />
Studie Hinweise, wie ein sich änderndes<br />
K<strong>lima</strong> den K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sbetrieb beeinflu<strong>sse</strong>n<br />
könnte. Weitere Untersuchungen<br />
in anderen geog<strong>ra</strong>phischen Regionen<br />
wären interessant, um ein Gesamtbild<br />
der Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung zu erhalten.<br />
Die Berücksichtigung der Veränderung<br />
der Stromnachf<strong>ra</strong>ge, und damit zusammenhängend<br />
des Preises, ist dabei wünschenswert.<br />
Danksagung<br />
Die Studie ist Teil des Projektes K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung (SGHL und CHy,<br />
2011), finanziert von Swi<strong>sse</strong>lectric Research<br />
und dem Eidgenössischen Bundesamt für Energie.<br />
Wir danken dem EU FP6 Projekt ENSEM-<br />
BLES (Vert<strong>ra</strong>gsnummer 505539), der Meteo-<br />
Schweiz und dem Bundesamt für Umwelt für<br />
die Bereitstellung der Grundlagendaten. Für die<br />
298 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Fallstudie KW Löntsch wird TimeSteps GmbH<br />
für die Unterstützung und gute Zusammenarbeit<br />
gedankt. Für die Fallstudie KW Prättigau wird<br />
Repower gedankt, mit deren Genehmigung zur<br />
Verwendung der von AF-Colenco AG e<strong>ra</strong>rbeiteten<br />
Grundlagen die vorliegende Studie ermöglicht<br />
wurde.<br />
Lite<strong>ra</strong>tur<br />
AF-Colenco AG, 2004: WABES, ein Prog<strong>ra</strong>mmsystem<br />
zur Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>lichen Betriebssimulation<br />
von K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sstufen, Eigenentwicklung.<br />
Baden.<br />
Blöchlinger, L., Bollinger, T., Maurer, J. und Semadeni,<br />
M. 2004: An evaluation model for the<br />
ma<strong>rk</strong>ed-to-ma<strong>rk</strong>et value of hydropower plants.<br />
Proceedings of the 6th IAEE European Conference<br />
«Modelling in Energy Economics and Policy»,<br />
ETH Zürich, 2./3. Sept. 2004, Zürich.<br />
Bosshard, T., Kotlarski, S., Ewen, T., und Schär,<br />
C. 2011: Spect<strong>ra</strong>l representation of the annual<br />
cycle in the c<strong>lima</strong>te change signal, Hydrol Earth<br />
Syst Sci, 15, 2777–2788, doi:10.5194/hess-15-<br />
2777-2011<br />
Bundesamt für Energie (BFE) 2007: Die Energieperspektiven<br />
2035 - Band 1 Synthese. BFE,<br />
Bern.<br />
Bundesamt für Statistik (BFS) 1997: Arealstatistik<br />
der Schweiz 1992/97. BFS, Bern.<br />
Christensen, J.H., Carter, T.R. und Giorgi, F.<br />
2002: PRUDENCE employs new methods to<br />
a<strong>sse</strong>ss European C<strong>lima</strong>te Change. EOSTr 82<br />
(13), 147. doi:10.1029/2002EO000094.<br />
Frei, C. 2004: Die K<strong>lima</strong>zukun<strong>ft</strong> der Schweiz –<br />
Eine probabilistische Projektion. Zürich.<br />
Hänggi, P. 2011: Auswi<strong>rk</strong>ungen der hydrok<strong>lima</strong>tischen<br />
Variabilität auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
in der Schweiz. Di<strong>sse</strong>rtation Universität Bern.<br />
Bern.<br />
Hänggi, P. und Weingartner, R. 2011: Inter-an-<br />
nual variability of runoff and c<strong>lima</strong>te within the<br />
Upper Rhine River basin, 1808–2007. Hydrolog<br />
Sci J, 56, 1, 34–50. doi: 10.1080/02626667.20<br />
10.536549<br />
Hänggi, P., Bosshard, T., Angehrn, S., Helland,<br />
E., Rietmann, D., Schädler, B., Schneider, R.<br />
und Weingartner, R. 2011a: Einfluss der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Stromproduktion des Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s<br />
Löntsch 2021–2050. Fachbericht für<br />
die Synthese des Projektes K<strong>lima</strong>änderung und<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung. Bern, Baden.<br />
Hänggi, P., Bosshard, T., Job, D., Schädler, B.<br />
und Weingartner, R. 2011b: Einfluss der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Stromproduktion der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
im Prättigau 2021–2050. Fachbericht<br />
für die Synthese des Projektes K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung. Bern, Baden.<br />
Horton, P., Schäfli, B., Mezghani, A., Hing<strong>ra</strong>y,<br />
B. und Musy, A. 2005: Prediction of c<strong>lima</strong>te<br />
change impacts on Alpine discharge regimes<br />
under A2 and B2 SRES emission scenarios for<br />
two future time periods. Bundesamt für Energie<br />
(BFE), Bern.<br />
Huss, M., Farinotti, D., Bauder, A. und Funk,<br />
M. 2008: Modelling runoff from highly glacierized<br />
alpine d<strong>ra</strong>inage basins in a changing c<strong>lima</strong>te.<br />
Hydrol Process 22 (19), 3888–3902.<br />
doi:10.1002/hyp.7055.<br />
Intergovernmental Panel on C<strong>lima</strong>te Change<br />
(IPCC) 2007: C<strong>lima</strong>te Change 2007: Synthesis<br />
Report. Contribution of Wo<strong>rk</strong>ing Groups I, II<br />
and III to the Fourth A<strong>sse</strong>ssment Report of the<br />
Intergovernmental Panel on C<strong>lima</strong>te Change.<br />
IPCC, Genf.<br />
Linden, P. v. d. und Mitchell, J. 2009: ENSEM-<br />
BLES: C<strong>lima</strong>te Change and its Impacts: Summary<br />
of research and results from the ENSEM-<br />
BLES Project. FitzRoy Road, Exeter EX1 3PB,<br />
UK, S. 160.<br />
Schäfli, B., Hing<strong>ra</strong>y, B. und Musy, A. 2007: Cli-<br />
Wenn Beton und G<strong>ra</strong>nit versagen,<br />
dann gibt es nur eines:<br />
Die unverwüstlichen Basalt-Platten von<br />
Gerbas GmbH, Gerätehandel / Basaltprodukte,<br />
Grosssteinst<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 36, 6438 Ibach<br />
Tel. 041 872 16 91, Fax 041 872 16 92, info@gerbas.ch,<br />
www.gerbas.ch<br />
34072<br />
mate change and hydropower production in the<br />
Swiss Alps: quantification of potential impacts<br />
and related modelling uncertainties. Hydrol<br />
Earth Syst Sc (11), 1191–1205.<br />
Schweizerische Gesellscha<strong>ft</strong> für Hydrologie<br />
und Limnologie (SGHL) und Hydrologische<br />
Kommission (CHy) (Hrsg.) 2011: Auswi<strong>rk</strong>ungen<br />
der K<strong>lima</strong>änderung auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
– Synthesebericht. Beiträge zur Hydrologie der<br />
Schweiz, Nr. 38, 28 S., Bern.<br />
Vischer, D. und Bader, S. 1999: Einfluss der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>. «Wa<strong>sse</strong>r Energie<br />
Lu<strong>ft</strong>» 91 (7/8), 149–152.<br />
Viviroli, D., Zappa, M., Gurtz, J., Weingartner,<br />
R. 2009. An introduction to the hydrological<br />
modelling system PREVAH and its<br />
pre- and post-processing tools. Environ Modell<br />
So<strong>ft</strong>w, 24 (10), 1209–1222. doi:10.1016/<br />
j.envso<strong>ft</strong>.2009.04.001<br />
Westaway, R. 2000: Modelling the potential effects<br />
of c<strong>lima</strong>te change on the G<strong>ra</strong>nde Dixence<br />
hydro-electricity scheme, Switzerland. J Chart<br />
Inst Water E 14.3, 179–185.<br />
Pascal Hänggi 1 , Sonja Angehrn2 , Thomas Bosshard3<br />
, Eivind Helland2 , Donat Job4 , Daniel Rietmann2<br />
, Bruno Schädler1 , Robert Schneider2 ,<br />
Rolf Weingartner1 1 Geog<strong>ra</strong>phisches Institut und Oeschger-Zentrum<br />
für K<strong>lima</strong>forschung, Universität Bern,<br />
Hallerst<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 12, CH-3012 Bern<br />
pascal.haenggi@giub.unibe.ch<br />
2 Axpo AG, Pa<strong>rk</strong>st<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 23, CH-5401 Baden<br />
3 Institut für Atmosphäre und K<strong>lima</strong>, ETH Zürich,<br />
Universitätst<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 16 CHN, CH-8092<br />
Zürich<br />
4 AF-Colenco AG<br />
Täfernst<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 26, CH-5405 Baden<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 299<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung auf die<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung in der Schweiz 2021–<br />
2050 – Hochrechnung<br />
Pascal Hänggi, Rolf Weingartner, Ma<strong>rk</strong>us Balmer<br />
Zusammenfassung<br />
Im Rahmen der Synthesearbeiten zum Projekt «K<strong>lima</strong>änderung und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung»<br />
(SGHL und CHy, 2011) wurde eine Abschätzung durchgeführt, wie sich die<br />
K<strong>lima</strong>änderung auf die mittlere Stromproduktion der Schweiz in der nahen Zukun<strong>ft</strong><br />
(2021–2050) auswi<strong>rk</strong>en könnte. Als Grundlage dazu dienten (a) Simulationen möglicher<br />
Abflussveränderungen in repräsentativen Einzugsgebieten der Schweiz, (b) die<br />
in mehreren Fallstudien aus der Modellkette «K<strong>lima</strong>szenario – hydrologisches Modell<br />
– Betriebsmodell» abgeleiteten Veränderungen der mittleren Stromproduktion, (c)<br />
die K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>stypologie nach Balmer (2011) sowie (d) eine Gliederung der Schweiz<br />
in Regionen mit ähnlichem K<strong>lima</strong>änderungssignal. Die Hochrechnung geht – unter<br />
Annahme der heutigen Produktionsmuster – für den Zeit<strong>ra</strong>um 2021–2050 im Vergleich<br />
zu 1980–2009 im Winter von einem Anstieg der mittleren Produktion von rund<br />
10% und im Sommer von einer Abnahme zwischen 4 und 6% aus. Diese saisonalen<br />
Veränderungen bewi<strong>rk</strong>en auf das Jahr gesehen eine leichte Zunahme zwischen 0.9<br />
und 1.9%. Insgesamt zeigen die Ergebni<strong>sse</strong> – unter Berücksichtigung der Modellunsicherheiten<br />
–, dass sich die mittlere Stromproduktion aus der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
gegenüber heute nicht wesentlich verändern wird. Diese Ergebni<strong>sse</strong> la<strong>sse</strong>n sich allerdings<br />
nicht generell auf einzelne K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e übert<strong>ra</strong>gen. So muss aus regionaler<br />
Sicht bei den Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en im Tessin und im südlichen Wallis mit einer leichten<br />
Produktionsabnahme gerechnet werden. Au<strong>sse</strong>rdem ist zu beachten, dass Effekte<br />
wie etwa eine Veränderung von Extremereigni<strong>sse</strong>n, die den täglichen Betrieb massgeblich<br />
beeinflu<strong>sse</strong>n, bei den Hochrechnungen nicht berücksichtigt wurden.<br />
1. Einleitung<br />
Die Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung auf<br />
die Stromproduktion durch Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
in der Schweiz wurden in einem Projekt<br />
K<strong>lima</strong>änderung und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
eingehend untersucht (SGHL und CHy,<br />
2011). Einerseits lieferte die Studie Aussagen<br />
über Veränderungen in den natürlichen<br />
Abflussmengen für den Zeit<strong>ra</strong>um<br />
2021–2050. Andererseits wurden mittels<br />
Kopplung von k<strong>lima</strong>tologischen, hydrologischen<br />
und betrieblichen Modellen die<br />
Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung für die<br />
Jahre 2021–2050 an verschiedenen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en<br />
bzw. Fallstudien untersucht.<br />
Die Ergebni<strong>sse</strong> zeigen, dass bei den<br />
natürlichen Abflussmengen 2021–2050 im<br />
Vergleich zu den Verhältni<strong>sse</strong>n 1980–2009<br />
mit einer saisonalen Verschiebung des<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>ngebots gerechnet werden muss,<br />
mit signifikant höheren Mengen im Winter<br />
und niedrigeren im Sommer. Die Jahres-<br />
abflussmengen bleiben dabei konstant,<br />
mit Ausnahme von sta<strong>rk</strong> vergletscherten<br />
Einzugsgebieten, wo für 2021–2050 zum<br />
Teil höhere Jahresabflü<strong>sse</strong> projiziert werden.<br />
Die Resultate der Auswi<strong>rk</strong>ungen auf<br />
die Stromproduktion sind unterschiedlich,<br />
je nachdem wie das K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> technisch<br />
und betrieblich ausgelegt ist. Einige Fallstudien<br />
zeigen, dass die saisonalen Verschiebungen<br />
in den Zuflussmengen zu<br />
günstigeren Bedingungen bei der Stromproduktion<br />
führen können, da im Winter<br />
mehr Wa<strong>sse</strong>r gefasst wird und im Sommer<br />
die maximalen Fassungskapazitäten meist<br />
nicht unterschritten werden. Durch Optimierung<br />
des Produktionsfahrplans kann<br />
eine Abminderung der Produktionsmenge<br />
verhindert, oder sogar eine Steigerung erreicht<br />
werden.<br />
Aus den Ergebni<strong>sse</strong>n der Fallstudien<br />
kann geschlo<strong>sse</strong>n werden, dass eine<br />
Ve<strong>ra</strong>llgemeinerung der Auswi<strong>rk</strong>ungen der<br />
K<strong>lima</strong>änderung auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
in der Schweiz schwierig ist. Zum<br />
einen unterscheidet sich jedes Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong><br />
in Bezug auf seine Betriebsweise<br />
und technische Ausstattung. Zum andern<br />
zeigen die Studien zu den Veränderungen<br />
in den natürlichen Abflussmengen, dass je<br />
nach Region andere Auswi<strong>rk</strong>ungen auf die<br />
hydrologischen Verhältni<strong>sse</strong> zu erwarten<br />
sind.<br />
Um die Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die gesamte schweizerische<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung abzuschätzen, wurde<br />
hier versucht, beiden Umständen Rechnung<br />
zu t<strong>ra</strong>gen. Die Hochrechnung basiert<br />
auf den Ergebni<strong>sse</strong>n der Studie K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung (SGHL<br />
und CHy, 2011) und der Datenbank HY-<br />
DROGIS (Balmer, 2011), in welcher technische<br />
und physiog<strong>ra</strong>phische Kenngrö<strong>sse</strong>n<br />
eines Grossteils der schweizerischen<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen erfasst sind. Die im<br />
Projekt K<strong>lima</strong>änderung und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
verwendeten K<strong>lima</strong>szenarien aus<br />
dem EU-Projekt ENSEMBLES (Linden und<br />
Mitchell, 2009) für den Zeit<strong>ra</strong>um 2021–2050<br />
sind allesamt konsistent (Bosshard et al.,<br />
2011a), womit sich alle Berechnungen auf<br />
dieselben Grundlagen abstützen. Im Folgenden<br />
wird auf die Methode zur Übert<strong>ra</strong>gung<br />
der Resultate aus den Fallstudien auf<br />
die schweizerische Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen<br />
eingegangen, inkl. den zugrundeliegenden<br />
Daten (Kap. 2). Danach werden in Kap. 3<br />
die Resultate präsentiert, gefolgt von der<br />
Diskussion und den Schlussfolgerungen<br />
(Kap. 4 und 5).<br />
2. Daten und Methode<br />
2.1 Allgemeines Vorgehen<br />
Bild 1 zeigt den schematischen Ablauf<br />
der Hochrechnung der Resultate aus den<br />
einzelnen Studien des Projektes K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung auf die<br />
Schweiz. Die Hochrechnung basiert auf<br />
einer Kombination zweier Klassierungen:<br />
300 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Bild 1. Schematischer Ablauf der Hochrechnung.<br />
Bei der ersten Klassierung wurden technisch<br />
und physiog<strong>ra</strong>phisch ähnliche<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen nach ausgewählten<br />
Kriterien gruppiert (Kap. 2.2.1). Bei der<br />
zweiten Klassierung wurden K<strong>lima</strong>änderungssignale<br />
nach Regionen gruppiert<br />
(Kap. 2.2.2). Die kombinierte Klassierung<br />
beschreibt demnach K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sgruppen,<br />
welche sich in Bezug auf technisch-physiog<strong>ra</strong>phische<br />
Eigenscha<strong>ft</strong>en und zu erwartende<br />
K<strong>lima</strong>änderungssignale unterscheiden<br />
(Kap. 2.2.3). Diese kombinierte<br />
Klassierung wurde in einem weiteren<br />
Schritt verwendet, um die Resultate der<br />
Fallstudien (nachfolgend als repräsentative<br />
Fallstudien bezeichnet) und der Untersuchungen<br />
zu den Veränderungen der<br />
natürlichen Abflussmengen zu übert<strong>ra</strong>gen<br />
(vgl. Bild 2). Dabei wurden relative Änderungen<br />
der Produktionsmengen und natürlichen<br />
Abflussmengen zwischen der<br />
Referenzperiode und 2021–2050 den<br />
mittleren Produktionserwartungen der<br />
einzelnen K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e zugeordnet. Dies geschah<br />
unter Berücksichtigung der jeweiligen<br />
Speiche<strong>rk</strong>apazitäten der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e,<br />
resultierend in der Hochrechnung für die<br />
Schweiz (Kap. 2.3).<br />
2.2 Klassierung der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
und K<strong>lima</strong>änderungssignale<br />
2.2.1 Klassierung der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
Verschiedene technische und räumliche<br />
Informationen zu den Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen<br />
der Schweiz wurden im Rahmen<br />
einer Di<strong>sse</strong>rtation in der Datenbank HY-<br />
DROGIS zusammenget<strong>ra</strong>gen (Balmer,<br />
2011). Das GIS-Modell beschreibt jede<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlage anhand von Einzugsgebiet,<br />
Wa<strong>sse</strong>rentnahmen, Speichersee<br />
oder Stau<strong>ra</strong>um, Talsperre, Stollen und Zuleitungen,<br />
Zent<strong>ra</strong>len, Wa<strong>sse</strong>rrückgaben,<br />
Restwa<strong>sse</strong>r- sowie Schwall- und Sunk-<br />
strecken. Dabei sind 283 K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e mit<br />
einer mittleren Produktionserwartung von<br />
19 849 GWh im Sommer und 15 376 GWh<br />
im Winter erfasst. Der Vergleich mit der Statistik<br />
der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen der Schweiz<br />
(BFE, 2011) zeigt, dass in der Datenbank<br />
HYDROGIS die grö<strong>sse</strong>ren K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e vollständig<br />
erfasst sind.<br />
Mit Hilfe der Datenbank und einer<br />
Cluste<strong>ra</strong>nalyse wurden die erfassten<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e in Kla<strong>sse</strong>n eingeteilt (vgl. Balmer,<br />
2011). Dabei wurde eine Auswahl von<br />
technischen Informationen und physiog<strong>ra</strong>phischen<br />
Variablen der einzelnen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen<br />
verwendet:<br />
Physiog<strong>ra</strong>phische Variablen<br />
Mittlere Höhe des Einzugsgebietes mH<br />
[m ü.M.] (Swisstopo, 2011)<br />
Fläche des Einzugsgebietes A [km 2 ]<br />
Vergletscherungsg<strong>ra</strong>d Vgl [%] (BFS,<br />
1997)<br />
Mittlerer jährlicher Gebietsniederschlag<br />
N [mm] (Sevruk und Kirchhofer, 1992)<br />
Technische Variablen (BFE, 2011b; Balmer,<br />
2011)<br />
Kumulierte Ausbauwa<strong>sse</strong>rmenge aller<br />
Wa<strong>sse</strong>rfassungen QA [m 3 /s]<br />
Nutzvolumen der Reservoirs NV<br />
[Mio m 3 ]<br />
Installierte Turbinenleistung TP [MW]<br />
Ausbauwa<strong>sse</strong>rmenge der Turbinen TQ<br />
[m 3 /s]<br />
Mittlere Produktionserwartung im Sommer<br />
ProdSo [GWh]<br />
Mittlere Produktionserwartung im Winter<br />
ProdWi [GWh]<br />
Installierte Pumpenleistung PP [MW]<br />
Mittlere Konsumerwartung aller Zubringerpumpen<br />
PK [GWh]<br />
Die physiog<strong>ra</strong>phischen Variablen kennzeichnen<br />
indirekt die vorherrschenden hydrologischen<br />
Eigenscha<strong>ft</strong>en. So steht die<br />
mittlere Höhe des Einzugsgebiets auch als<br />
Indikator für die mittlere Gebietstempe<strong>ra</strong>tur<br />
und zusammen mit dem Vergletscherungsg<strong>ra</strong>d<br />
für die vorherrschenden Abflussregimes.<br />
Die technischen Variablen<br />
weisen hauptsächlich auf die Bewirtscha<strong>ft</strong>ung<br />
der jeweiligen K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sanlage hin,<br />
wobei die letzten beiden Variablen speziell<br />
Informationen zum Einsatz von Pumpen<br />
liefern. Die resultierenden technisch-physiog<strong>ra</strong>phischen<br />
Kla<strong>sse</strong>n enthalten demnach<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e, welche innerhalb der<br />
einzelnen Kla<strong>sse</strong>n in Bezug auf die oben<br />
genannten Variablen ähnlich sind.<br />
2.2.2 Klassierung der K<strong>lima</strong>änderungssignale<br />
in Regionen<br />
In den Fallstudien und zur Abschätzung der<br />
Abflü<strong>sse</strong> für die Periode 2021–2050 wurden<br />
hydrologische Modelle verwendet. Diese<br />
wurden mit verschiedenen Tempe<strong>ra</strong>tur-<br />
und Niederschlagsszenarien für die Periode<br />
2021–2050 angetrieben, welche mit<br />
Hilfe von K<strong>lima</strong>projektionen aus dem EU-<br />
Projekt ENSEMBLES (Linden und Mitchell,<br />
2009) und beobachteten Tempe<strong>ra</strong>tur- und<br />
Niederschlagswerten für die Schweiz aufbereitet<br />
wurden (Bosshard et al., 2011a):<br />
Für die Berechnung der K<strong>lima</strong>änderungssignale<br />
wurden zunächst K<strong>lima</strong>modellberechnungen<br />
(Auflösung 25 km × 25 km) auf<br />
Stationsstandorte der Meteoschweiz interpoliert<br />
(Tempe<strong>ra</strong>tur: 188 Standorte; Niederschlag:<br />
507 Standorte). Aus den interpolierten<br />
Zeitreihen wurden anschlie<strong>sse</strong>nd<br />
die K<strong>lima</strong>änderungssignale zwischen der<br />
Periode 1980–2009 (CTL) und 2021–2050<br />
(SCE) berechnet. Dazu wurde mit einem<br />
einfachen gleitenden Mittel sowohl für die<br />
CTL- als auch die SCE-Periode der mittlere<br />
k<strong>lima</strong>tologische Jahresgang ermittelt.<br />
Die Änderung des Jahresganges zwischen<br />
der CTL- und SCE-Periode entspricht dem<br />
K<strong>lima</strong>änderungssignal. Für die Tempe<strong>ra</strong>tur<br />
wurde dabei die Differenz SCE-CTL bet<strong>ra</strong>chtet,<br />
im Falle des Niederschlages die<br />
relative Änderung SCE/CTL. Das gleitende<br />
Mittel ermöglicht eine lückenlose Repräsentation<br />
des Jahresgangs des K<strong>lima</strong>änderungssignals<br />
(entspricht einer Zeitreihe<br />
mit Änderungssignale vom 1. Januar bis<br />
zum 31. Dezember).<br />
Mit Hilfe einer Cluste<strong>ra</strong>nalyse wurden<br />
die K<strong>lima</strong>änderungssignale in Kla<strong>sse</strong>n<br />
eingeteilt, bzw. Regionen mit gleichen zu<br />
erwartenden K<strong>lima</strong>änderungen gebildet.<br />
Dabei wurden nur jene Stationsstandorte<br />
berücksichtigt, für welche sowohl für die<br />
Tempe<strong>ra</strong>tur als auch für den Niederschlag<br />
Änderungssignale vorlagen. Dies war an<br />
158 Standorten der Fall. Aus den beiden<br />
Jahresverläufen der Änderungssignale<br />
wurde anschlie<strong>sse</strong>nd stationsweise eine<br />
einzelne Zeitreihe gebildet, bzw. die beiden<br />
Jahresverläufe wurden aneinandergekettet.<br />
Die neu entstandenen Zeitreihen<br />
dienten als Grundlage für die Berechnung<br />
der Ähnlichkeiten zwischen den einzelnen<br />
Stationsstandorten. Als Ähnlichkeitsmass<br />
zwischen zwei Standorten i und k wurde<br />
dabei<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 301<br />
(1)<br />
berechnet, mit dem Korrelationskoeffizient<br />
nach Spearman (vgl. Begert, 2008). Zur<br />
Bildung der Cluster diente das Complete-<br />
Linkage Verfahren, in welchem die Distanz<br />
zwischen zwei Cluster durch die jeweils<br />
weitest entfernten Nachbarn definiert wird<br />
(Bahrenberg et al., 2003). Durch Au<strong>ft</strong><strong>ra</strong>gen<br />
der jeweiligen Distanzen zwischen den ge-<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
bildeten Clustern wurde die Anzahl Kla<strong>sse</strong>n<br />
bzw. Regionen abgeschätzt, wobei gro<strong>sse</strong><br />
Distanzen zwischen den Clustern auf gro<strong>sse</strong><br />
Unterschiede zwischen den K<strong>lima</strong>änderungsregionen<br />
hinweisen (Begert, 2008;<br />
Wilks, 2006). Um schliesslich die Regionen<br />
zu bilden, wurden die Klassierungen mit<br />
Hilfe der Methode des nächsten Nachbarn<br />
auf die Fläche der Schweiz interpoliert.<br />
2.2.3 Kombinierte Klassierung<br />
Als Basis für die Übert<strong>ra</strong>gung der relativen<br />
Änderungssignale für die Periode<br />
2021–2050 wurden die technisch-physio-<br />
g<strong>ra</strong>phische und k<strong>lima</strong>tische Klassierung<br />
miteinander vereint. Dabei wurden die<br />
(klassierten) Einzugsgebiete der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sanlagen<br />
mit den K<strong>lima</strong>änderungssignal-Regionen<br />
verschnitten. Als Resultat<br />
entstanden kombinierte Kla<strong>sse</strong>n, welche<br />
in Bezug auf technisch-physiog<strong>ra</strong>phische<br />
Eigenscha<strong>ft</strong>en und zu erwartende K<strong>lima</strong>änderungssignale<br />
einzigartig sind (nachfolgend<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>-K<strong>lima</strong>-Kla<strong>sse</strong>n genannt).<br />
Bei K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en, deren Einzugsgebiet über<br />
mehrere K<strong>lima</strong>regionen hinweg reicht,<br />
wurde diejenige K<strong>lima</strong>region zugeordnet,<br />
welche flächenmässig den grössten Anteil<br />
aufwies. Die Codierung der kombinierten<br />
Klassierung besteht aus einer zweistelligen<br />
Zahl, wobei die erste Ziffer die Kla<strong>sse</strong><br />
der technischen Klassierung angibt, die<br />
zweite diejenige der K<strong>lima</strong>änderungssignal-Region.<br />
2.3 Hochrechnung auf die Schweiz<br />
Im Projekt K<strong>lima</strong>änderung und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
wurden an verschiedenen<br />
Fallstudien die Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Stromproduktion aus Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
untersucht. Des Weiteren wurden<br />
für verschiedene Gewä<strong>sse</strong>r der Schweiz<br />
Tabelle 1. Relative Änderung für die Periode 2021–2050 (jeweils Mittel aus verschiedenen Modellrechnungen) der mittleren Produktionserwartung<br />
verschiedener Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e (aktueller Ausbaustand) und der natürlichen Abflussmenge ausgewählter<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>r in der Schweiz. A: Einzugsgebietsfläche; mH: mittlere Höhe; Vgl: Vergletscherungsg<strong>ra</strong>d; dSo: relative Änderung für<br />
Sommer (Mai–September); dWi: relative Änderung für Winter (Oktober–April); dJa: relative Änderung für das Jahr (Oktober–September).<br />
302 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Veränderungen in den natürlichen Abflussmengen<br />
projiziert. So kann die relative Änderung<br />
für den Zeit<strong>ra</strong>um 2021–2050 in der<br />
Produktion (für die Fallstudien) bzw. den<br />
natürlichen Abflussmengen gegenüber<br />
der Referenzperiode berechnet werden<br />
(Tabelle 1).<br />
Für die Hochrechnung der Auswi<strong>rk</strong>ungen<br />
der K<strong>lima</strong>änderung auf die gesamte<br />
Schweiz wurden die relativen Änderungen<br />
für Winter (Oktober–April; sieben<br />
Monate) und Sommer (Mai-September;<br />
fünf Monate) nach dem Schema in Bild 2<br />
auf die mittlere Produktionserwartung der<br />
einzelnen K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e übert<strong>ra</strong>gen (aktueller<br />
Ausbaustand). Folgende Kriterien wurden<br />
bei der Zuordnung berücksichtigt (siehe<br />
Rhomben in Bild 2):<br />
Zugehörigkeit des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s zu einer<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>-K<strong>lima</strong>-Kla<strong>sse</strong>, für welche<br />
eine repräsentative Fallstudie vorhan -<br />
den ist. Die in den Fallstudien untersuchten<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e wurden im<br />
vorgehenden Arbeitsschritt ebenfalls<br />
einer K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>-K<strong>lima</strong>-Kla<strong>sse</strong> zugeteilt,<br />
womit die jeweilige Fallstudie repräsentativ<br />
für alle Angehörigen der<br />
Gruppe steht. Die in den Fallstudien<br />
berechneten relativen Produktionsänderungen<br />
wurden somit direkt auf die<br />
jeweiligen K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e übert<strong>ra</strong>gen.<br />
Unterscheidung zwischen Speicherund<br />
Laufk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>, um den verbliebenen<br />
Speiche<strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en entweder die<br />
relativen Änderungen der Fallstudie<br />
Löntsch oder Mattma<strong>rk</strong> zuzuordnen.<br />
Die Unterscheidung zwischen Speicher-<br />
und Laufk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> erfolgte mit<br />
Hilfe des Speiche<strong>ra</strong>usbaug<strong>ra</strong>des β,<br />
welcher das Verhältnis zwischen dem<br />
Nutzvolumen bzw. dem Speicherinhalt<br />
S [m 3 ] im Einzugsgebiet eines K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s<br />
und dem mittleren Zufluss MQ<br />
[m 3 /a] darstellt (Maniak, 2005), also<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 303<br />
(2)<br />
MQ wurde hier mit Hilfe des mittleren<br />
jährlichen Gebietsniederschlags und<br />
der Einzugsgebietsfläche für jede<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sanlage berechnet, wobei<br />
ein Drittel der berechneten Wa<strong>sse</strong>rmenge<br />
als Verdunstungsverlust beziffert<br />
wurde. Im Mittel der Schweiz trif<strong>ft</strong><br />
diese Annahme zu, im Alpen<strong>ra</strong>um<br />
wird MQ aber eher unterschätzt und<br />
β damit überschätzt. Nach Maniak<br />
(2005) haben Gebiete mit hohem Ausbaug<strong>ra</strong>d<br />
β > 0.1, wobei auch das mittlere<br />
innerjährliche Abflussverhalten<br />
sta<strong>rk</strong> beeinflusst wird. Somit kann<br />
der Speiche<strong>ra</strong>usbaug<strong>ra</strong>d auch zur<br />
Unterscheidung zwischen Speicher-<br />
(β > 0.1) und Laufk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en (β ≤ 0.1)<br />
dienen. Letzteren wurden die relativen<br />
Änderungen – mit gewi<strong>sse</strong>n Anpassungen<br />
ersichtlich in Bild 2 – der natürlichen<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>r aufget<strong>ra</strong>gen.<br />
Einteilung der Laufk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e nach<br />
Einzugsgebietsgrö<strong>sse</strong> (A > 2500 km 2 ),<br />
Bild 2. Entscheidungsbaum<br />
zur<br />
Zuordnung der<br />
relativen Änderungen<br />
für die<br />
Periode 2021–2050<br />
gegenüber der<br />
Referenzperiode<br />
(gem. Tabelle 1)<br />
auf die mittlere<br />
Produktionserwartung<br />
der einzelnen<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
(aktueller Ausbaustand).<br />
Daneben<br />
ist angegeben, wie<br />
viele K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
den einzelnen<br />
Gruppen zugeordnet<br />
wurden (n) inkl.<br />
deren Anteil an der<br />
schweizerischen<br />
Produktionserwartung<br />
(Prod, %).<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
um die relativen Änderungen der natürlichen<br />
Abflussmengen aus «gro<strong>sse</strong>n<br />
und mittleren» oder «mittleren und kleinen»<br />
Einzugsgebieten vorzunehmen<br />
(vgl. Tabelle 1).<br />
3. Resultate<br />
3.1 Kombinierte Klassierung der<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e und K<strong>lima</strong>änderungssignale<br />
Als Basis für die Hochrechnung diente die<br />
kombinierte Klassierung der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
und K<strong>lima</strong>änderungssignal-Regionen.<br />
Insgesamt wurden acht technische<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s-Kla<strong>sse</strong>n und acht K<strong>lima</strong>än-<br />
derungssignal-Regionen ausgeschieden<br />
(Bild 3). Es zeigt sich, dass das K<strong>lima</strong>änderungssignal<br />
auf der Alpennordseite sehr<br />
homogen ist (Kla<strong>sse</strong>n 1 und 5), hingegen<br />
im Alpen<strong>ra</strong>um eine deutliche Heterogenität<br />
gegeben ist. Die unterschiedlichen Kla<strong>sse</strong>n<br />
decken folgende Regionen ab: Kla<strong>sse</strong><br />
1 Ju<strong>ra</strong>bogen und nördliches Mittelland,<br />
2 inne<strong>ra</strong>lpine Täler, 3 Alpennordkamm, 4<br />
Südwallis, Gotthardgebiet und Engadin, 5<br />
Vo<strong>ra</strong>lpen, 6, 7 und 8 Tessin.<br />
Durch die Verschneidung der beiden<br />
Klassierungen entstanden schliesslich<br />
24 verschiedenen K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>-K<strong>lima</strong>-Kla<strong>sse</strong>n<br />
(Tabelle 2). Diese unterscheiden sich<br />
in Bezug auf technisch-physiog<strong>ra</strong>phische<br />
Eigenscha<strong>ft</strong>en und zu erwartende K<strong>lima</strong>änderungssignale.<br />
Die generelle Beschreibung in Tabelle<br />
2 gibt grob an, welche K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
durch die jeweilige K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>-K<strong>lima</strong>-<br />
Kla<strong>sse</strong> repräsentiert werden. Es ist ersichtlich,<br />
dass insbesondere grö<strong>sse</strong>re<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e eigene Gruppen bilden (z.B.<br />
Kla<strong>sse</strong> 55, 62, 64, 67, 72 und 84). Bet<strong>ra</strong>chtet<br />
man die Schweiz als Ganzes, so<br />
ergibt die Summe der genutzten Fläche<br />
aller Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e rund 530 000 km 2 .<br />
Dies belegt eindrücklich die Mehrfachnutzung<br />
des Abflu<strong>sse</strong>s durch die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
in der Schweiz.<br />
3.2 Hochrechnung auf die Schweiz<br />
Bild 3. Klassierung der (a) 283 K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e und (b) 158 Stationsstandorte (Punkte) in je acht Kla<strong>sse</strong>n. K<strong>lima</strong>änderungssignal-Regionen<br />
in (b): 1 Ju<strong>ra</strong>bogen und nördliches Mittelland, 2 inne<strong>ra</strong>lpine Täler, 3 Alpennordkamm, 4 Südwallis, Gotthardgebiet und Engadin,<br />
5 Vo<strong>ra</strong>lpen, 6, 7 und 8 Tessin.<br />
Tabelle 2. Statistik der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>-K<strong>lima</strong>-Kla<strong>sse</strong>n. Angegeben sind die Mittelwerte der einzelnen Variablen, welche für die technische<br />
Klassierung der Wa<strong>sse</strong>r k<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e verwendet wurden (siehe Kap. 2.2.1 für E<strong>rk</strong>lärung der Abkürzungen). Wo als sinnvoll e<strong>ra</strong>chtet<br />
wurden für die Schweiz die Summen angegeben.<br />
304 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
An jedem der 283 K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e aus der<br />
Datenbank HYDROGIS wurde der Entscheidungsbaum,<br />
dargestellt in Bild 2,<br />
angewandt um die relativen Änderungen<br />
2021–2050 auf de<strong>sse</strong>n mittlere Produktionserwartung<br />
aufzut<strong>ra</strong>gen. In Tabelle 3<br />
sind die aufsummierten Produktionserwartungen<br />
für 1980–2009 und 2021–2050<br />
pro K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>-K<strong>lima</strong>-Kla<strong>sse</strong> dargestellt,<br />
inkl. den relativen Änderungen.<br />
Bet<strong>ra</strong>chtet man die projizierten<br />
Veränderungen in den mittleren jährlichen<br />
Produktionserwartungen für den Zeit<strong>ra</strong>um<br />
2021–2050 gegenüber den Verhältni<strong>sse</strong>n<br />
1980–2009, wird in den meisten Fällen von<br />
einer leichten Zunahme der Stromproduktion<br />
durch die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> ausgegangen<br />
(optimistischer Fall). Bei den K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en<br />
Tabelle 3. Veränderung der mittleren Produktionserwartung für die Periode 2021–2050 nach K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>-K<strong>lima</strong>-Kla<strong>sse</strong> (aufsummiert).<br />
E<strong>rk</strong>lärung für «Optimistisch» und «Pessimistisch» siehe Bild 2.<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 305<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
im Tessin wird mehrheitlich mit einer leichten<br />
Abnahme der Produktion gerechnet<br />
(18, 27, 67). Auf die Schweiz hochgerechnet<br />
ergibt sich eine leicht positive mittlere<br />
Produktionserwartung für die Periode<br />
2021–2050 zwischen 0.9% (pessimistisch)<br />
und 1.9% (optimistisch). Die Anteile der jeweiligen<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>-K<strong>lima</strong>-Kla<strong>sse</strong>n an der<br />
gesamtschweizerischen Stromproduktion<br />
ändern sich nicht massgeblich.<br />
Interessant sind die Veränderungen<br />
im Sommer- und Winterhalbjahr:<br />
Die sommerlichen Produktionserwartungen<br />
nehmen bei den meisten Kla<strong>sse</strong>n<br />
ab (mehrheitlich zwischen –3 und –10%).<br />
Abnahmen betreffen K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e ähnlich<br />
der Fallstudie Mattma<strong>rk</strong> (Kla<strong>sse</strong> 34), Laufk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
an grö<strong>sse</strong>ren Flussgebieten<br />
(41, 51, 52, 54, 55), das K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Officine<br />
Idroelettriche di Blenio (67), sowie die<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e Oberhasli (72) und G<strong>ra</strong>nde Dixence<br />
(84). Im pessimistischen Fall sind die<br />
sommerlichen Abnahmen bei den meisten<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>-K<strong>lima</strong>-Kla<strong>sse</strong>n deutlicher. Auf<br />
die Schweiz hochgerechnet beträgt die<br />
Abnahme in der mittleren Produktionserwartung<br />
im Sommer zwischen 4.4% (optimistisch)<br />
und 6.3% (pessimistisch) gegenüber<br />
dem aktuellen Ausbaustand.<br />
Für Winter wird bei den meisten<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en eine Zunahme der mittleren<br />
Produktionserwartung für die Periode<br />
2021–2050 erwartet. Die Zunahmen bewegen<br />
sich zwischen 2 und 26%. Einzig<br />
bei zwei K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en im Südtessin (Kla<strong>sse</strong><br />
18) muss mit Abnahmen um 5% gerechnet<br />
werden. Auf die Schweiz hochgerechnet<br />
ergibt sich eine projizierte Zunahme der<br />
Energieproduktion im Winter um 10.1%.<br />
4. Diskussion<br />
Die Projektionen für 2021–2050 zeigen,<br />
dass die mittleren jährlichen Produktionserwartungen<br />
nicht wesentlich verschieden<br />
sein werden im Vergleich zu den Verhältni<strong>sse</strong>n<br />
1980–2009. Im Allgemeinen kann<br />
davon ausgegangen werden, dass es zu<br />
einer saisonalen Verschiebung des Wa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>ngebots<br />
vom Sommer- ins Winterhalbjahr<br />
kommt. Bet<strong>ra</strong>chtet man lediglich<br />
die projizierten Veränderungen bei den<br />
natürlichen Abflü<strong>sse</strong>n, kann die saisonale<br />
Verschiebung vor allem bei (hoch-)alpinen<br />
Gewä<strong>sse</strong>rn festgestellt werden. Nach<br />
Hänggi et al. (2011a) sind jene Gewä<strong>sse</strong>r<br />
besonders von der K<strong>lima</strong>änderung betroffen,<br />
deren Abflussmengen massgeblich<br />
durch die Gletscher- und/oder Schneeschmelze<br />
beeinflusst sind. Gewä<strong>sse</strong>rn<br />
in tieferen Lagen im Mittelland, in denen<br />
der Niederschlag das Abflussgeschehen<br />
dominiert, sind weniger anfällig auf die<br />
K<strong>lima</strong>änderung. In diesen Regionen bleiben,<br />
selbst bei einem sta<strong>rk</strong>en Anstieg der<br />
Verdunstungs<strong>ra</strong>ten, auch in der Periode<br />
2021–2050 die Niederschlagsmengen<br />
von grö<strong>sse</strong>rer Bedeutung. Über einen längeren<br />
Zeit<strong>ra</strong>um hinaus, z.B. bis zur Periode<br />
2070–2099, gelten die oben beschriebenen<br />
Aussagen nicht. Modellrechnungen<br />
zeigen, dass aus vergletscherten Gebieten<br />
die Abflussmengen signifikant abnehmen<br />
werden, einhergehend mit dem Rückzug<br />
der Gletscher bis Ende des Jahrhunderts<br />
(Paul et al., 2011; Bauder und Farinotti,<br />
2011) und einer Abnahme der sommerlichen<br />
Niederschlagsmengen (Bosshard et<br />
al., 2011a). Zudem wird davon ausgegangen,<br />
dass durch die ansteigenden Tempe<strong>ra</strong>turen<br />
die Verdunstungs<strong>ra</strong>ten noch<br />
stä<strong>rk</strong>er zunehmen werden, und somit das<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>ngebot weiter vermindert wird,<br />
insbesondere in den Sommermonaten.<br />
Für die Schweiz wurden die Auswi<strong>rk</strong>ungen<br />
der K<strong>lima</strong>änderung auf die<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung vom Bundesamt für<br />
Energie für die Studie Energieperspektiven<br />
2035 (BFE, 2007) abgeschätzt. Diese<br />
Abschätzungen wurden ebenfalls in einer<br />
Untersuchung der beiden Bundesämter<br />
für Umwelt und Energie zu den Auswi<strong>rk</strong>ungen<br />
der K<strong>lima</strong>änderung auf die schweizerische<br />
Volkswirtscha<strong>ft</strong> aufgenommen<br />
(BAFU/BFE, 2007). Über das Jahr gesehen<br />
gehen die Studien davon aus, dass<br />
die schweizerische Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> bis 2035<br />
k<strong>lima</strong>bedingt im Mittel mit Produktionseinbu<strong>sse</strong>n<br />
um rund 7% rechnen muss. Der<br />
projizierte Verlust basiert dabei auf einer<br />
Untersuchung, in welcher die natürlichen<br />
Abflussmengen aus elf alpinen Einzugsgebieten<br />
für die Periode 2020–2049 abgeschätzt<br />
wurden (Horton et al., 2005).<br />
Als Antrieb für das hydrologische Modell<br />
dienten K<strong>lima</strong>projektionen aus dem EU-<br />
Projekt PRUDENCE (Christensen et al.,<br />
2002), welche geltend für den Zeit<strong>ra</strong>um<br />
2070–2099 auf den Zeit<strong>ra</strong>um 2020–2049<br />
zurückskaliert wurden. Die Resultate zeigen<br />
einerseits signifikante Abnahmen in<br />
den Jahresabflussmengen, andererseits<br />
erwartet man höhere Abflussmengen im<br />
Winter und tiefere im Sommer, resultierend<br />
in ausgeglichenen Abflussregimes.<br />
Die Resultate der Fallstudien des Projektes<br />
K<strong>lima</strong>änderung und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
(SGHL und CHy, 2011) zeigen aber, dass<br />
eine Hochrechnung auf die Schweiz basierend<br />
allein auf Projektionen natürlicher<br />
Abflussmengen problematisch ist, da die<br />
natürlich anfallende Wa<strong>sse</strong>rmenge nicht<br />
zwingend der für die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> nutzbaren<br />
Menge entspricht. So muss auch zu<br />
den beiden oben genannten Studien BFE<br />
(2007) und BAFU/BFE (2007) erwähnt werden,<br />
dass rund 65% aller Einzugsgebiete<br />
der schweizerischen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
einen alpinen oder gar hochalpinen Cha<strong>ra</strong>kter<br />
aufweisen (BFE, 2011).<br />
Die hier dargestellte Hochrechnung<br />
einzelner Studienresultate auf die<br />
Schweiz berücksichtigt neben den Veränderungen<br />
in den natürlichen Abflussmengen<br />
auch die technische Auslegung der<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen, die Unterscheidung<br />
zwischen Lauf- und Speiche<strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en<br />
und die Grö<strong>sse</strong> der Einzugsgebiete der<br />
einzelnen Anlagen. Die Hochrechnung ist<br />
somit robuster in Bezug auf die projizierten<br />
Veränderungen. Eine detailliertere Hochrechnung<br />
wäre möglich, wenn zusätzlich<br />
der Fokus auf diejenigen K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>-K<strong>lima</strong>-<br />
Kla<strong>sse</strong>n gelegt würde, welche überdurchschnittlich<br />
zur schweizerischen Stromproduktion<br />
aus Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> beit<strong>ra</strong>gen. Dies<br />
wären die Kla<strong>sse</strong>n 23 (K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e im Glarnerland,<br />
6.6%), 24 (K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e Südwallis,<br />
Gotthardgebiet und Engadin, 13.5%), 41<br />
(K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e am Rhein von Birsfelden bis<br />
Rekingen, 10.9%), 51 (K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e an der<br />
Aare, 5.0%), 62 (K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e Vorder- und<br />
Hinterrhein, 6.4%), 64 (Emosson, Maggia,<br />
Engadiner K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e und Mauvoisin,<br />
12.1%) und 72 (K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e Oberhasli,<br />
4.5%). Die sieben genannten K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>-<br />
K<strong>lima</strong>-Kla<strong>sse</strong>n decken rund 60% der<br />
gesamtschweizerischen Stromproduktion<br />
ab. Des Weiteren würden detaillierte<br />
Studien bei K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en im Tessin einen<br />
Mehrwert erbringen, da für diesen Teil der<br />
Schweiz keine Fallstudie durchgeführt<br />
wurde. Die bestehenden Abschätzungen<br />
der Veränderungen für die Alpensüdseite<br />
basieren mehrheitlich auf den projizierten<br />
Veränderungen in den natürlichen Abflussmengen,<br />
wobei eine leichte Abnahme der<br />
Stromproduktion erwartet wird.<br />
Eine österreichisch Studie kommt<br />
zu ähnlichen Ergebni<strong>sse</strong>n wie hier vorgestellt<br />
(Schöner et al., 2011). Demnach ändert<br />
sich das jährliche theoretische Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>potenzial<br />
2021–2050 im Vergleich<br />
zu 1976–2006 im Nachbarland nicht wesentlich.<br />
Für Winter wird eine Zunahme um<br />
rund 20% projiziert, für Sommer eine Abnahme<br />
zwischen 10 und 20%. Für ausgewählte<br />
Donauk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e wird eine leichte<br />
Zunahme in der Jahresproduktion zwischen<br />
0.5 und 2.5% erwartet (2021–2050<br />
im Vergleich zu 1976–2006).<br />
5. Schlussfolgerungen<br />
Um die Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung abzuschätzen,<br />
mü<strong>sse</strong>n neben den Veränderungen in<br />
den natürlichen Abflussmengen auch die<br />
306 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
technischen Kenngrö<strong>sse</strong>n der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
berücksichtigt werden. Mit Hilfe der Datenbank<br />
HYDROGIS (Balmer, 2011) wurden<br />
hier die Resultate aus dem Projekt K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung (SGHL<br />
und CHy, 2011) auf die Schweiz hochgerechnet.<br />
Im Vergleich zu früheren Studien<br />
projizieren die Resultate der robusteren<br />
Hochrechnung für die gesamte Schweiz<br />
folgende Veränderungen in den mittleren<br />
Produktionserwartungen 2021–2050 gegenüber<br />
den Verhältni<strong>sse</strong>n 1980–2009:<br />
Winterproduktion (Oktober–April):<br />
+10.1%<br />
Sommerproduktion (Mai–September):<br />
–4.4 bis –6.3%<br />
Jahresproduktion (Oktober–September):<br />
+0.9 bis +1.9%<br />
Aus regionaler Sicht muss im Tessin<br />
mit leichten Produktionseinbu<strong>sse</strong>n bei<br />
den Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en gerechnet werden.<br />
Weitere detaillierte Untersuchungen<br />
zu den Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung sind vor allem<br />
bei denjenigen Anlagen wichtig, welche<br />
überdurchschnittlich zur Gesamtproduktion<br />
beit<strong>ra</strong>gen.<br />
Danksagung<br />
Die Studie ist Teil des Projektes K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung in der Schweiz des<br />
Netzwe<strong>rk</strong>s Wa<strong>sse</strong>r im Berggebiet, finanziert von<br />
Swi<strong>sse</strong>lectric Research und dem Bundesamt für<br />
Energie (SGHL und CHy, 2011).<br />
Lite<strong>ra</strong>tur<br />
BAFU/BFE 2007: Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Schweizer Volkswirtscha<strong>ft</strong> (nationale<br />
Einflü<strong>sse</strong>). Bundesamt für Umwelt BAFU<br />
und Bundesamt für Energie BFE. Bern.<br />
Bahrenberg, G., Giese, E. und Nipper, J. 2003:<br />
Multivariate Statistik. Stuttgart: Bornt<strong>ra</strong>eger<br />
Studienbücher der Geog<strong>ra</strong>phie, Bd. 2, Ed. 2,<br />
Nachdr.<br />
Balmer, M. 2011 (Fertigstellung Dez. 2011):<br />
Nachhaltigkeitsbezogene Typologisierung der<br />
schweizerischen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen – GIS-basierte<br />
Cluste<strong>ra</strong>nalyse und Anwendung in einem<br />
Erfahrungskurvenmodell. Di<strong>sse</strong>rtation der ETH<br />
Zürich.<br />
Bauder, A. und Farinotti, D. 2011: Veränderungen<br />
der Gletscher und ihrer Abflü<strong>sse</strong> – Fallstudien<br />
Gorner und Mattma<strong>rk</strong>. Fachbericht für<br />
die Synthese des Projektes K<strong>lima</strong>änderung und<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung. Bern.<br />
Begert, M. 2008: Die Repräsentativität der Stationen<br />
im Swiss National Basic C<strong>lima</strong>tological<br />
Netwo<strong>rk</strong> (Swiss NBCN). Arbeitsberichte der MeteoSchweiz,<br />
217. Zürich.<br />
Bernhard, L. et al. 2011: K<strong>lima</strong>änderung und natürlicher<br />
Wa<strong>sse</strong>rhaushalt des Alpenrheins und<br />
der Engadin. Technical report zum Adapt Alp<br />
WP4 Water Regime.<br />
BFE 2007: Die Energieperspektiven 2035 –<br />
Band 1: Synthese. Bundesamt für Energie BFE.<br />
Bern.<br />
BFE 2011: Schweizerische Elektrizitätsstatistik<br />
2010. Bundesamt für Energie BFE, Bern.<br />
BFE 2011b: Statistik der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen<br />
der Schweiz. Bundesamt für Energie BFE,<br />
Bern.<br />
BFS 1997: Arealstatistik der Schweiz 1992/97.<br />
Bundesamt für Statistik BFS, Bern.<br />
Bosshard, T. et al. 2011a: Spect<strong>ra</strong>l representation<br />
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Hydrol. Earth Syst. Sci. Discuss., 8, 1161–<br />
1192, doi:10.5194/hessd-8-1161-2011<br />
Bosshard, T. 2011b: Hydrological c<strong>lima</strong>te-impact<br />
modelling in the Rhine catchment down to<br />
Cologne. Di<strong>sse</strong>rtation ETH Zürich.<br />
Christensen, J. H., Carter, T. R. und Giorgi, F.<br />
2002: PRUDENCE employs new methods to a<strong>sse</strong>ss<br />
European C<strong>lima</strong>te Change. In: EOS T<strong>ra</strong>nsactions<br />
American Geophysical Union 82.13, S.<br />
147. doi: 10.1029/2002EO000094.<br />
Hänggi, P. et al. 2011b: Einfluss der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Stromproduktion der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
im Prättigau 2021–2050. Fachbericht für<br />
die Synthese des Projektes K<strong>lima</strong>änderung und<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung.<br />
Hänggi, P. et al. 2011c: Einfluss der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Stromproduktion des Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s<br />
Löntsch 2021–2050. Fachbericht für<br />
die Synthese des Projektes K<strong>lima</strong>änderung und<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung.<br />
Hänggi, P., Bosshard, T. und Weingartner, R.<br />
2011a: Swiss discharge regimes in a changing<br />
c<strong>lima</strong>te. In: Auswi<strong>rk</strong>ungen der hydrok<strong>lima</strong>tischen<br />
Variabilität auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
in der Schweiz. Di<strong>sse</strong>rtation von P. Hänggi.<br />
Bern: Geog<strong>ra</strong>phisches Institut der Universität<br />
Bern.<br />
Horton, P. et al. 2005: Prediction of c<strong>lima</strong>te<br />
change impacts on Alpine discharge regimes<br />
under A2 and B2 SRES emission scenarios for<br />
two future time periods. Bern: Bundesamt für<br />
Energie BFE.<br />
Linden v. d., P. und Mitchell, J. F. B. 2009: EN-<br />
SEMBLES: C<strong>lima</strong>te Change and its Impacts:<br />
Summary of research and results from the EN-<br />
SEMBLES project. Met Office Hadley Centre,<br />
Fitzroy Road, Exeter EX1 3PB, UK.<br />
Maniak, U. 2005: Hydrologie und Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>.<br />
Eine Einführung für Ingenieure. 5., bearbeitete<br />
und erweiterte Auflage. Berlin, Heidelberg:<br />
Springer-Verlag.<br />
Paul, F., Linsbauer, A. und Haeberli, W. 2011:<br />
Grossräumige Modellierung von Schwundszenarien<br />
für alle Schweizer Gletscher. Fachbericht<br />
für die Synthese des Projektes K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung. Bern.<br />
P<strong>ra</strong>long, M. et al. 2011: K<strong>lima</strong>änderung und<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>-Fallstudie Mattma<strong>rk</strong> AG. Fachbe-<br />
richt für die Synthese des Projektes K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung.<br />
Schöner, W. et al. 2011: Anpassungsst<strong>ra</strong>tegien<br />
an den K<strong>lima</strong>wandel für Österreichs Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>.<br />
Hrsg. vom Bundesministerium für<br />
Land- und Forstwirtscha<strong>ft</strong>, Umwelt und Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>.<br />
Wien.<br />
Sevruk, B. und Kirchhofer, W. 1992: Mittlere<br />
jährliche korrigierte Niederschlagshöhen 1951–<br />
1980. Hydrologischer Atlas der Schweiz, Tafel<br />
2.2. Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern.<br />
SGHL und CHy 2011: Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung<br />
auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung-Sythesebericht.<br />
Hrsg. von Schweizerische Gesellscha<strong>ft</strong><br />
für Hydrologie und Limnologie (SGHL) und<br />
Schweizerische Hydrologische Kommission<br />
(CHy). In: Beiträge zur Hydrologie der Schweiz<br />
Nr. 38. Bern.<br />
Stähli, M. et al. 2011: K<strong>lima</strong>änderung und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
– Fallstudie K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e Oberhasli AG.<br />
Fachbericht für die Synthese des Projektes K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung.<br />
Swisstopo 2011: Digitales Höhenmodell 25 m<br />
DHM25. Bundesamt für Landestopog<strong>ra</strong>fie<br />
swisstopo, Bern.<br />
Wilks, D. S. 2006: Statistical methods in the atmospheric<br />
sciences. 2nd ed. Elsevier, Amsterdam.<br />
Anschri<strong>ft</strong> der Verfa<strong>sse</strong>r<br />
Pascal Hänggi1 , Rolf Weingartner1 , Ma<strong>rk</strong>us Bal-<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 307<br />
mer 2<br />
1<br />
Geog<strong>ra</strong>phisches Institut und Oeschger-<br />
Zentrum für K<strong>lima</strong>forschung, Universität<br />
Bern, CH-3000 Bern<br />
2 BKW FMB Energie AG, Viktoriaplatz 2<br />
CH-3000 Bern<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
K<strong>lima</strong>wandel: Handlungsbedarf für die<br />
schweizerischen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>betreiber?<br />
Daniel Spreng<br />
Zusammenfassung<br />
Mehrere schweizerische Forschungsinstitute 1 haben sich zusammengefunden, um<br />
im Projekt «K<strong>lima</strong>änderung und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung» 2 den neuesten Stand des Wi<strong>sse</strong>ns<br />
bezüglich des Einflu<strong>sse</strong>s des K<strong>lima</strong>wandels auf die Zuflü<strong>sse</strong> der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
zu e<strong>ra</strong>rbeiten und Hinweise zu geben, wie sich die Veränderungen auf den<br />
Betrieb der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e auswi<strong>rk</strong>en könnten. Im vorliegenden Beit<strong>ra</strong>g soll dieser<br />
Stand des Wi<strong>sse</strong>ns aus der Perspektive der Energiewirtscha<strong>ft</strong> dargestellt und de<strong>sse</strong>n<br />
Bedeutung für die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>betreiber erläutert werden.<br />
1. Veränderungen des<br />
schweizerischen K<strong>lima</strong>s<br />
Die Zunahme der CO 2-Konzent<strong>ra</strong>tion in<br />
der Erdatmosphäre ist nun über 50 Jahre<br />
durch Messungen belegt worden. Die geme<strong>sse</strong>ne<br />
Zunahme entspricht ungefähr<br />
der halben Menge, welche die Menschheit<br />
emittiert, die andere Häl<strong>ft</strong>e wird von<br />
den Weltmeeren absorbiert. Dass diese<br />
Zunahme die Erde vermehrt zu einem<br />
Treibhaus macht ist eine physikalische Tatsache.<br />
Die K<strong>lima</strong>änderungen, die aufgrund<br />
der Zunahme der treibhausrelevanten<br />
Gase und Partikel (CO 2 ist die wichtigste<br />
Komponente) erfolgen, sind messbar und<br />
es kann mit an die Sicherheit grenzender<br />
Wahrscheinlichkeit vo<strong>ra</strong>usgesagt werden,<br />
dass sich diese Veränderungen in Zukun<strong>ft</strong><br />
mit steigender Geschwindigkeit fortsetzen<br />
werden.<br />
Insbesondere kann mit hoher-<br />
Wahrscheinlichkeit vo<strong>ra</strong>usgesagt werden,<br />
dass die Tempe<strong>ra</strong>tur längerfristig<br />
global weiter zunehmen wird. Andererseits<br />
weiss man sehr wenig, wie sich der<br />
K<strong>lima</strong>wandel von Jahr zu Jahr und an<br />
bestimmten geog<strong>ra</strong>phischen Orten auswi<strong>rk</strong>t.<br />
Dem langfristigen Trend überlagern<br />
sich Schwankungen von Jahr zu Jahr, die<br />
örtlich meist grö<strong>sse</strong>r sind als im globalen<br />
Durchschnitt.<br />
Von den gro<strong>sse</strong>n K<strong>lima</strong>modellen<br />
weiss man heute, dass die tendenzielle<br />
Tempe<strong>ra</strong>turerhöhung (d.h., z.B. die Tempe<strong>ra</strong>turerhöhung<br />
von Jahrzehnt zu Jahrzehnt)<br />
nicht übe<strong>ra</strong>ll auf der Erde gleich<br />
gross sein wird. Im westlichen Europa<br />
entspricht die prognostizierte Tempe<strong>ra</strong>turerhöhung<br />
etwa der mittleren globalen<br />
Tempe<strong>ra</strong>turerhöhung, wobei in den Alpen<br />
mit einer etwas grö<strong>sse</strong>ren Tempe<strong>ra</strong>turerhöhung<br />
gerechnet werden muss. Unter<br />
der Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzung einer erfolgreichen,<br />
aber nicht d<strong>ra</strong>konischen K<strong>lima</strong>politik (sog.<br />
Szenario A1B) ist dies eine Tempe<strong>ra</strong>turerhöhung<br />
von etwa 0.03°C pro Jahr, die<br />
sich den anderen (jährlichen, saisonalen,<br />
tageszeitlichen,…) Schwankungen überlagert.<br />
Im Projekt «K<strong>lima</strong>änderung und<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung» wurden nun vom Institut<br />
für Atmosphäre und K<strong>lima</strong> der ETH<br />
Zürich die Tempe<strong>ra</strong>turveränderungen für<br />
viele Wetterstationen der Schweiz berechnet<br />
und zwar für die Zeitperioden<br />
2021–2050 und 2070–2099. Für das erwähnte<br />
Szenario sind die Tempe<strong>ra</strong>turzunahmen<br />
immer positiv: in der näheren<br />
Bild 1. Vo<strong>ra</strong>usberechnete Erwärmung der Erdoberfläche für das Ende des Jahrhunderts<br />
(2090–2099). Das gewählte Szenario ist das sog. A1B-Szenario. Tempe<strong>ra</strong>turveränderungen<br />
beziehen sich auf die Zeitperiode 1980–1999. Quelle: IPCC 2007, 4.<br />
Bericht (Synthesis).<br />
1 Gruppe Hydrologie des Geog<strong>ra</strong>phischen Instituts der Universität Bern, Institut für Atmosphäre und K<strong>lima</strong> der ETH Zürich, Geog<strong>ra</strong>phisches Institut<br />
der Universität Zürich, Versuchsanstalt für Wa<strong>sse</strong>rbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich und die Forschungsanstalt für Wald, Schnee<br />
und Landscha<strong>ft</strong> des ETH Bereichs.<br />
2<br />
http://www.hydrologie.unibe.ch/projekte/ccwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>.html<br />
308 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Bild 2. Vo<strong>ra</strong>usberechnete Veränderungen der Niederschlagsmengen für das Ende des Jahrhunderts (2080–2099). Das gewählte<br />
Szenario ist das sog. A1B-Szenario. Die Veränderungen beziehen sich auf die Zeitperiode 1980–1999. Quelle: IPCC 2007, 4. Bericht<br />
(The Physical Science Basis, Summary for Policy Makers).<br />
Zukun<strong>ft</strong> (2021–2050) um die +1.5°C (gegenüber<br />
der Kontrollperiode 1980–2009),<br />
in der ferneren Zukun<strong>ft</strong> (2070–2099) +3.0<br />
bis 4.5°C.<br />
Die saisonalen Unterschiede dieser<br />
Veränderungen wurden ebenfalls berechnet,<br />
diese detaillierten Resultate sind<br />
jedoch mit grö<strong>sse</strong>ren Unsicherheiten beha<strong>ft</strong>et.<br />
Wichtiger für Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>betreiber,<br />
aber leider viel unsicherer, sind<br />
Vo<strong>ra</strong>ussagen über die k<strong>lima</strong>bedingten Veränderungen<br />
der Niederschläge. Der Treibhauseffekt<br />
bewi<strong>rk</strong>t nicht nur eine Zunahme<br />
der Tempe<strong>ra</strong>tur, sondern allgemein wird<br />
mehr Energie, die von der Sonne auf die<br />
Erde gest<strong>ra</strong>hlt wird, im K<strong>lima</strong>system zurückgehalten.<br />
Dadurch ergibt sich eine Beschleunigung<br />
des Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong>reislaufs: mehr<br />
Verdunstung, mehr Niederschläge. Der<br />
gasförmige Wa<strong>sse</strong>rgehalt der wärmeren<br />
Lu<strong>ft</strong> kann aber auch höher sein und über<br />
weite Strecken t<strong>ra</strong>nsportiert werden bevor<br />
er kondensiert und Niederschläge verursacht.<br />
Wo und wann die Niederschläge<br />
zunehmen werden, ist deshalb nicht einfach<br />
zu berechnen. Gemäss den heutigen<br />
gro<strong>sse</strong>n K<strong>lima</strong>modellen werden die Niederschläge<br />
nördlich der Alpen zunehmen<br />
und südlich der Alpen abnehmen. Prognosen<br />
für einzelne Alpentäler sind entsprechend<br />
mit noch grö<strong>sse</strong>ren Unsicherheiten<br />
beha<strong>ft</strong>et.<br />
Die im Rahmen des Projekts «K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung»<br />
gesichteten, neusten Berechnungen von<br />
10 Modellketten führen teilweise zu sich<br />
widersprechenden Resultaten, bezüglich<br />
der saisonalen Niederschlagsveränderungen<br />
im Alpen<strong>ra</strong>um. Wie die globalen<br />
Modelle, in Bild 2, prognostiziert auch<br />
eine Mehrzahl der regionalen Modelle<br />
Niederschlagsabnahmen während den<br />
Sommermonaten. Für die fernere Zukun<strong>ft</strong><br />
wird dabei ein durchschnittlicher Wert<br />
von –15% prognostiziert. Für den Win-<br />
ter wird auf der Alpennordseite eher mit<br />
Niederschlagszunahmen gerechnet. Für<br />
den Jahresdurchschnitt wird die Niederschlagsmenge,<br />
wie erwähnt, leicht höher<br />
erwartet. Dies alles bezieht sich aber auch<br />
wieder nur auf das Szenario A1B.<br />
Die erwähnte erhöhte Verdampfungsenergie<br />
führt auch dazu, dass die<br />
Niederschläge, ob erhöht oder nicht,<br />
schneller wieder verdampfen und deshalb<br />
in geringerem Mass die Gewä<strong>sse</strong>r alimentieren.<br />
Dies wird bei der Abschätzung der<br />
veränderten Zuflü<strong>sse</strong> zu bedenken sein.<br />
2. Abschmelzen der Gletscher<br />
Die Veränderungen der Gletscher sind<br />
viel be<strong>sse</strong>r vo<strong>ra</strong>ussagbar als die Niederschläge.<br />
Sowohl der Mengentrend der Abschmelzung,<br />
als auch der Trend bezüglich<br />
des Einsetzens der Gletscherschmelze<br />
im Frühjahr sind mit gro<strong>sse</strong>r Sicherheit<br />
vo<strong>ra</strong>ussagbar, denn beides ist in erster<br />
Linie vom langfristigen Trend der Tem-<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 309<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
pe<strong>ra</strong>turzunahme abhängig. Letzterer ist<br />
unter Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzung einer bestimmten<br />
Entwicklung der CO 2-Emissionen gut prognostizierbar.<br />
Ein gut prognostizierbarer<br />
Trend darf allerdings nicht mit einem gut<br />
prognostizierbaren Ereignis in einem bestimmten<br />
Jahr verwechselt werden. Auch<br />
ist natürlich das Wachstum der Gletscher<br />
im Winter von den nur ungenau vo<strong>ra</strong>ussagbaren<br />
Niederschlägen abhängig, doch<br />
das Abschmelzen kann man sich als langsamen<br />
Prozess vorstellen, der dem sich<br />
verändernden K<strong>lima</strong> mehrere Jahre nachhinkt<br />
und demzufolge relativ ausgeglichen<br />
abläu<strong>ft</strong>.<br />
Zwei Institute haben sich im Rahmen<br />
des Projektes «K<strong>lima</strong>änderung und<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung» mit den Gletschern<br />
befasst, das Geog<strong>ra</strong>phische Institut der<br />
Universität Zürich und Versuchsanstalt<br />
für Wa<strong>sse</strong>rbau (VAW) der ETH Zürich. Es<br />
dür<strong>ft</strong>e sich für den Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>betreiber<br />
lohnen, sich mit diesem Thema genauer<br />
zu befa<strong>sse</strong>n, wenn für ihn vergletscherte<br />
Einzugsgebiete eine Rolle spielen.<br />
In sta<strong>rk</strong> vergletscherten Einzugsgebieten<br />
können durch das Abschmelzen der Gletscher<br />
schon heute die Abflü<strong>sse</strong> Jahr für<br />
Jahr grö<strong>sse</strong>r sein als die Niederschläge.<br />
In ein paar Jahrzehnten wird jedoch eine<br />
Trendumkehr eintreten und die Abflü<strong>sse</strong><br />
werden langfristig, bei weggeschmolzenen<br />
Gletschern und erhöhter Evapot<strong>ra</strong>nspi<strong>ra</strong>tion,<br />
im Mittel geringer als die Niederschläge<br />
sein.<br />
Wie im Bericht der VAW dargestellt<br />
wird, ist z.B. der durchschnittliche Zufluss<br />
zu der 2007 m ü.M. gelegenen Fassung<br />
des zu 70% vergletscherten, 81 km 2 gro<strong>sse</strong>n<br />
Einzugsgebiet Gorner, heute schon<br />
rund 50% höher als der Durchschnitt des<br />
letzten Jahrhunderts. Bis 2040 wird der<br />
durchschnittliche Zufluss vielleicht nochmals<br />
20% zunehmen, dann aber vor Ende<br />
des Jahrhunderts unter den Durchschnitt<br />
des vergangenen Jahrhunderts absinken.<br />
Dieses Beispiel kann nicht auf andere vergletscherte<br />
Einzugsgebiete eins zu eins<br />
übert<strong>ra</strong>gen werden, wichtig sind neben<br />
dem Vergletscherungsg<strong>ra</strong>d u.a. die Höhe<br />
des Einzugsgebietes, die zu erwartenden<br />
Niederschlagsveränderungen und, wegen<br />
der Evapot<strong>ra</strong>nspi<strong>ra</strong>tion, die Bodenbeschaffenheit<br />
der nicht vergletscherten<br />
Flächen.<br />
Für die Stromproduktion der ganzen<br />
Schweiz halten sich die Auswi<strong>rk</strong>ungen<br />
des Abschmelzens der Gletscher in Grenzen.<br />
Insgesamt hatte es im Jahr 1999 noch<br />
rund 60 km 3 Eis in den Gletschern der<br />
Schweiz, was etwa 55 km 3 Wa<strong>sse</strong>r entspricht.<br />
Wenn wir annehmen es b<strong>ra</strong>uche<br />
wenigstens 100 Jahre bis die Gletscher<br />
geschmolzen sind, dann stehen während<br />
dieser Abschmelzphase, in der wir schon<br />
drin sind, theoretisch jährlich rund 0.5 km 3<br />
mehr Wa<strong>sse</strong>r zur Verfügung. Dies ist, im<br />
Vergleich zu den 60 km 3 Niederschlägen,<br />
die jährlich auf die Schweiz fallen und von<br />
denen etwa ein Drittel genutzt wird, nicht<br />
besonders viel.<br />
Von potenziellem Intere<strong>sse</strong> ist auch<br />
der Umstand, dass die sich zurückziehenden<br />
Gletscher z.T. Seen von beachtlicher<br />
Grö<strong>sse</strong> zurück la<strong>sse</strong>n (siehe Studie<br />
des Geog<strong>ra</strong>phischen Instituts der Universität<br />
Zürich im Projekt «K<strong>lima</strong>änderung und<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung»). Diese Seen können<br />
für die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung allenfalls von<br />
Intere<strong>sse</strong> werden. Zudem werden auch<br />
höher gelegene Fassungen das Potenzial<br />
der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung vergrö<strong>sse</strong>rn. Dies<br />
könnte für hoch gelegene Einzugsgebiete<br />
theoretisch ein nicht unwesentliches Potenzial<br />
eröffnen. In den beiden von der<br />
VAW untersuchten Einzugsgebieten wird<br />
mit einer Erhöhung der Gleichgewichtslinie<br />
(oberhalb der Linie wächst der Gletscher,<br />
unterhalb schmelzt er weg) von 600 Metern<br />
gerechnet. Dieses theoretische Potenzial<br />
könnte aber nur durch wesentliche Umbauten<br />
bestehender Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
ober bei Neubauten genutzt werden, so<br />
z.B. bei neu konzipierten Pumpspeicherwe<strong>rk</strong>en.<br />
3. Veränderungen<br />
der mittleren Zuflü<strong>sse</strong><br />
Wichtig für die Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong> sind vor<br />
allen die Veränderungen der Zuflü<strong>sse</strong> zu<br />
den Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen (Fassungen und<br />
Stauseen). Mengenmässig ergeben sich<br />
diese aus dem Zusammenspiel der veränderten<br />
Niederschläge, der veränderten<br />
Verdunstungen und dem veränderten Abschmelzen<br />
der Gletscher. Wichtig sind<br />
auch die zeitlichen Veränderungen, sowohl<br />
die saisonalen als auch die kurzfristigen<br />
Veränderungen, die sich durch die<br />
vermutete Zunahme der Extremereigni<strong>sse</strong><br />
ergeben. Letztere werden im Projekt «K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung»<br />
nicht behandelt.<br />
Hydrologen teilen Einzugsgebie te<br />
und deren Abflü<strong>sse</strong> in verschiedene Typen<br />
ein. Die Gruppe Hydrologie des Geog<strong>ra</strong>phischen<br />
Instituts der Universität Bern hat<br />
im Rahmen des Projektes «K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung» für je ein Einzugsgebiet<br />
aller 16 Typen, die k<strong>lima</strong>gedingten<br />
Veränderungen der Abflü<strong>sse</strong> berechnet. 3<br />
Für die Berechnung des Abflu<strong>sse</strong>s in Funktion<br />
der Niederschläge wurde im Prinzip<br />
jeweils da<strong>sse</strong>lbe Modell verwendet. Dabei<br />
wurden Regen und Schnee, Tempe<strong>ra</strong>turen<br />
(über Null und unter Null) und verschiedene<br />
Flächen (Eis, Fels, unterschiedliche Böden<br />
und Vegetation) unterschieden. Die Modellpa<strong>ra</strong>meter<br />
wurden für jeden Einzugsgebietstyp<br />
an der Vergangenheit sepa<strong>ra</strong>t<br />
geeicht. Dies erlaubte, aufgrund der regionalen<br />
K<strong>lima</strong>prognosen, die Berechnung<br />
der zukün<strong>ft</strong>igen Abflü<strong>sse</strong>.<br />
Es ergeben sich für die 16 Einzugsgebietstypen<br />
recht unterschiedliche Resultate.<br />
Auf der Alpennordseite wi<strong>rk</strong>en sich<br />
im Winter prognostizierte Erhöhungen der<br />
Niederschläge positiv aus, in der ganzen<br />
Schweiz werden in den wärmeren Sommern<br />
ein höherer Anteil der Niederschläge<br />
verdampfen und sich so der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
entziehen und es wird in vielen<br />
Gebieten auch mit weniger Abflü<strong>sse</strong>n gerechnet.<br />
Bei Letztem ist allerdings die Sicherheit<br />
der Aussage nicht sehr hoch.<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e können bei hoher<br />
Wa<strong>sse</strong>rführung o<strong>ft</strong> nicht alles Wa<strong>sse</strong>r<br />
nutzen. Da in der Schweiz im Sommer meist<br />
viel Wa<strong>sse</strong>r zur Verfügung steht, führen die<br />
verminderten Zuflü<strong>sse</strong> im Sommer nicht<br />
unbedingt zu einer Minderproduktion. In<br />
sechs Fallbeispielen (K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e Löntsch,<br />
Prättigau, Mattma<strong>rk</strong>, Oberhasli, Goug<strong>ra</strong><br />
und Göschene<strong>ra</strong>lp) wurden die durch die<br />
saisonal veränderten Zuflü<strong>sse</strong> bedingten<br />
Mehr- und Mindererträge berechnet. Sie<br />
werden in anderen Teilen dieses He<strong>ft</strong>es erläutert.<br />
Diese Berechnungen geben zwar<br />
wichtige Hinweise auf mögliche Entwicklungen,<br />
führen jedoch nicht zu quantitativ<br />
belastbaren Aussagen. Dies aus folgenden<br />
Gründen:<br />
Alle Berechnungen über die K<strong>lima</strong>veränderungen<br />
beziehen sich auf das<br />
IPCC-Szenario A1B. Andere Entwicklungen<br />
der CO 2-Zunahme sind auch<br />
möglich.<br />
Die Regionalisierung der globalen K<strong>lima</strong>modelle<br />
führt zu unterschiedlichen<br />
Resultaten. Insbesondere sind quantitative<br />
Resultate der regionalen, sai-<br />
3 Dabei ging es auch um die F<strong>ra</strong>ge, ob es Einzugsgebiete gibt, die aufgrund des veränderten K<strong>lima</strong>s in der Typologie neu eingeteilt werden müs-<br />
sen.<br />
310 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
sonalen Niederschlagsberechnungen<br />
mit gro<strong>sse</strong>n Unsicherheiten beha<strong>ft</strong>et<br />
(vergleiche auch den neuesten, ausführlichen<br />
Bericht «Swiss C<strong>lima</strong>te<br />
Change Scenarios CH2011» 4 , es<br />
handelt sich dabei um dieselben Berechnungen,<br />
wie diejenigen, welcher<br />
im Projekt «K<strong>lima</strong>änderung und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung»<br />
angewendet wurden).<br />
Die Berechnung der Zuflü<strong>sse</strong> zu den<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en beruht zu einem hohen<br />
Mass auf den genannten Niederschlagsberechnungen,<br />
sie stellen eine<br />
von mehreren möglichen Entwicklungen<br />
dar.<br />
Die Berechnung von Minder- und<br />
Mehrproduktion beruht zudem auf der<br />
Annahme, dass sich neben den Zuflü<strong>sse</strong>n<br />
alles andere nicht ändert. Dies<br />
ist eine für die Berechnungen zulässige,<br />
aber sicher keine realistische<br />
Annahme. Mehr dazu im folgenden Abschnitt.<br />
In diesem He<strong>ft</strong>, im Beit<strong>ra</strong>g von Balmer,<br />
Hänggi und Weingartner mit dem Titel<br />
«Auswi<strong>rk</strong>ungen der K<strong>lima</strong>änderung auf die<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung in der Schweiz 2021–<br />
2050 – Hochrechnung», werden die Fallstudien,<br />
die im Rahmen des Projekts «K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung»<br />
gemacht wurden, mit einer <strong>ra</strong>ffinierten<br />
Methode hochgerechnet:<br />
«Die Hochrechnung geht für den<br />
Zeit<strong>ra</strong>um 2021–2050 im Vergleich zu<br />
1980–2009 von einem Anstieg der mittleren<br />
Produktionserwartung im Winter um<br />
10.1% aus. Für die Sommerzeit wird eine<br />
Abnahme zwischen 4.4 und 6.3% erwartet.<br />
Diese saisonalen Veränderungen bewi<strong>rk</strong>en<br />
auf das Jahr gesehen eine leichte<br />
Zunahme der schweizerischen Stromproduktion<br />
durch Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung zwischen<br />
0.9 und 1.9%. Aus regionaler Sicht<br />
muss bei den Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en im Tessin<br />
mit leichten Produktionsabnahmen gerechnet<br />
werden.»<br />
Diese Aussagen sind als Hinweis<br />
auf eine Tendenz zu verstehen und nicht<br />
als exakte, quantitative Prognose.<br />
4. Welche weiteren Veränderungen<br />
spielen eine Rolle?<br />
Neben den k<strong>lima</strong>bedingten Zuflussveränderungen<br />
hat das K<strong>lima</strong> auch Auswi<strong>rk</strong>ungen<br />
auf weitere Faktoren, die die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
beeinflu<strong>sse</strong>n. Zum einen<br />
sind dies weitere Umgebungsfaktoren,<br />
zum andern Elemente des Stromma<strong>rk</strong>ts.<br />
In der physischen Umgebung der<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e wird der K<strong>lima</strong>wandel nicht<br />
nur zum Rückzug der Gletscher, sondern<br />
auch zu veränderten Geschiebebewegungen,<br />
Murgängen und Lawinen führen.<br />
Einen gewi<strong>sse</strong>n Einfluss auf die Betriebskosten,<br />
dür<strong>ft</strong>en insbesondere die allenfalls<br />
vermehrt notwendig werdenden Geschiebeentnahmen<br />
und Spülungen von<br />
Fassungen und Stauseen darstellen. Zu<br />
diesem Thema wurden im Projekt «K<strong>lima</strong>änderung<br />
und Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung» interessante<br />
Studien gemacht. 5<br />
Über die für die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzer<br />
vielleicht wichtigste K<strong>lima</strong>veränderung,<br />
über die Zunahme der Extremereigni<strong>sse</strong><br />
(Stürme, Hochwa<strong>sse</strong>r, Dürren), wi<strong>sse</strong>n wir<br />
quantitativ relativ wenig. Statistiken über<br />
Extremereigni<strong>sse</strong>, d.h. über seltene Ereigni<strong>sse</strong>,<br />
sind grundsätzlich eine schwierige<br />
Sache, denn Statistiken sind grundsätzlich<br />
nur für viele Datenpunkte sinnvoll. Die<br />
Beobachtungsmethoden und die Beurteilung<br />
von Ereigni<strong>sse</strong>n verändern sich über<br />
die vielen Jahrzehnte, die nötig sind, um<br />
genügend Daten zu sammeln und um statistische<br />
Aussagen machen zu können.<br />
Zwar hat die Versicherungsb<strong>ra</strong>nche sehr<br />
umfangreiche Daten über die Zunahme<br />
von umweltbedingten Schadenfällen,<br />
doch diese Zunahmen können auch andere<br />
Gründe haben, wie z.B. den zunehmenden<br />
Bau von Gebäuden in exponierten<br />
Lagen.<br />
In jüngster Zeit haben sich die Meteorologen<br />
diesem Thema trotzdem angenommen.<br />
6 Mindestens die Zunahme von<br />
Hitzeperioden ist vielleicht nicht 100%ig,<br />
aber doch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit<br />
statistisch gesichert.<br />
Auch ist mit hoher Sicherheit mit<br />
einer Zunahme von he<strong>ft</strong>igen Niederschlä-<br />
gen zu rechnen. Diese resultiert bei Laufk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en<br />
zum Verlust von nutzbarem<br />
Wa<strong>sse</strong>r und könnte zur Forderung der<br />
stä<strong>rk</strong>eren Nutzung von Speichk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en<br />
für den Hochwa<strong>sse</strong>rschutz, mit entsprechender<br />
Einschränkung der Stromproduktion,<br />
führen.<br />
Der Stromma<strong>rk</strong>t wird durch den K<strong>lima</strong>wandel<br />
auf zweierlei Art verändert. Erstens<br />
verändert sich die Nachf<strong>ra</strong>ge, zweitens<br />
die Produktion der Konkurrenz.<br />
Die Nachf<strong>ra</strong>ge nach Elektrizität<br />
wird im Sommer aufgrund wärmerer Tempe<strong>ra</strong>turen<br />
und vermehrter K<strong>lima</strong>tisierung<br />
von Gebäuden, insb. im Dienstleistungsbereich,<br />
wahrscheinlich sta<strong>rk</strong> zunehmen.<br />
Eine Ext<strong>ra</strong>polation der in den Energieszenarien<br />
des Bundesamts für Energie<br />
gemachten Schätzungen der k<strong>lima</strong>bedingten<br />
Stromnachf<strong>ra</strong>geveränderungen<br />
für das Jahr 2050 7 ergibt eine Nachf<strong>ra</strong>geerhöhung<br />
um 6% über das ganze Jahr und<br />
11% über das Sommerhalbjahr.<br />
Zu den Mitbewerbern, die auch<br />
von K<strong>lima</strong>einflü<strong>sse</strong>n betroffen sind, gehören<br />
aus Sicht eines einzelnen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>betreibers<br />
die anderen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>betreiber<br />
in der Schweiz,<br />
andere Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>betreiber im<br />
umliegenden Europa<br />
und thermische K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e mit Flusskühlung<br />
in der Schweiz und im umliegenden<br />
Europa.<br />
Insofern der K<strong>lima</strong>wandel Auswi<strong>rk</strong>ungen<br />
auf den Betrieb eines Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s<br />
in der Schweiz hat, wird sich dieser<br />
K<strong>lima</strong>wandel in ähnlicher Weise auf Teile<br />
des gesamten Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>pa<strong>rk</strong>s der<br />
Schweiz und damit auf den Stromma<strong>rk</strong>t<br />
der Schweiz auswi<strong>rk</strong>en. Werden also beispielsweise<br />
die Zuflü<strong>sse</strong> des einen K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s<br />
im Sommer geringer, so wird das<br />
auch für die benachbarten K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e der<br />
Fall sein und deren Betreiber werden ihre<br />
Stromproduktion auf kürzere Produktionszeiten<br />
am Tag reduzieren. Damit wird weniger<br />
Nachtstrom zu Verfügung stehen<br />
und damit tendenziell teurer werden. Das<br />
heisst, es wird der Stromma<strong>rk</strong>t verändert<br />
4 CH2011 (2011), Swiss C<strong>lima</strong>te Change Scenarios CH2011, published by C2SM, MeteoSwiss, ETH, NCCR C<strong>lima</strong>te, and OcCC, Zurich, Switzerland,<br />
88 pp. ISBN: 978-3-033-03065-7.<br />
5 Mélanie Raymond P<strong>ra</strong>long, Jens M. Turowski, Alexander Beer, Dieter Rickenmann, Valentin Mét<strong>ra</strong>ux, Thierry Gla<strong>sse</strong>y (2011): Sektorielle Studie<br />
Wallis – Auswi<strong>rk</strong>ung der K<strong>lima</strong>änderung auf die Geschiebef<strong>ra</strong>cht, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landscha<strong>ft</strong>, Sion und Birmensdorf,<br />
(auf: http://www.hydrologie.unibe.ch/projekte/ccwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>.html#fachberichte).<br />
6 Vergl.: WMO (2011). Weather Extremes in a Changing C<strong>lima</strong>te: Hindsight on Foresight, WMO-Nr. 1075, 1211 Geneva, Switzerland.<br />
7<br />
Gemäss Bernard Aebischer, CEPE, ETHZ. – Die zugrundegelegte Tempe<strong>ra</strong>turerhöhung ist in diesen Berechnungen allerdings etwas höher, nämlich<br />
2.5 °C, als im Szenarium, auf dem die weiter oben genannten Abschätzungen der Zuflü<strong>sse</strong> und der veränderten Stromproduktion beruhen.<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 311<br />
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
K<strong>lima</strong>wandel & Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
und Berechnungen, die zeigen wie sich<br />
die finanzielle Lage einzelner K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e,<br />
bei unverändertem Ma<strong>rk</strong>t, verbe<strong>sse</strong>rt<br />
oder verschlechtert, sind mit Vorsicht zu<br />
genie<strong>sse</strong>n.<br />
Die Alpen stellen nicht nur eine<br />
reelle Wa<strong>sse</strong>rscheide dar, sondern ma<strong>rk</strong>ieren<br />
ungefähr auch die Grenze zwischen<br />
den Gewinnern und Verlierern der<br />
k<strong>lima</strong>bedingten Veränderungen der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung.<br />
Deshalb wird sich die<br />
Konkurrenzsituation der anderen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>betreiber<br />
im umliegenden<br />
Euro pa unterschiedlich entwickeln. Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>betreiber<br />
in den Alpen, östlich<br />
und westlich der Schweiz werden ähnlich<br />
der schweizerischen Mitbewerbern Mangel-<br />
und Überflusssituationen der Stromproduktion<br />
verstä<strong>rk</strong>en. Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
in Italien und Slowenien einerseits und in<br />
Nordeuropa andererseits werden aber<br />
den allgemeinen Produktionsüberschuss<br />
im Norden und den Produktionsmangel im<br />
Süden verstä<strong>rk</strong>en. Dabei wird allerdings<br />
die k<strong>lima</strong>bedingte Produktionszunahme<br />
der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e in Norwegen 8 den<br />
schweizerischen Stromma<strong>rk</strong>t höchstens<br />
nur indirekt beeinflu<strong>sse</strong>n und gegen über<br />
viel bedeutenderen Entwicklungen, wie<br />
dem Bau riesiger Windpa<strong>rk</strong>s in Norden<br />
oder gro<strong>sse</strong>r Solarenergieanlagen im<br />
Süden nicht sta<strong>rk</strong> ins Gewicht fallen.<br />
Thermische K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e sind ebenfalls<br />
von k<strong>lima</strong>bedingten Veränderungen<br />
betroffen, sowohl von der Zunahme der<br />
Gewä<strong>sse</strong>rtempe<strong>ra</strong>turen als auch von der<br />
Zunahme von Dürreperioden. Sobald das<br />
Kühlwa<strong>sse</strong>r wärmer wird, nimmt der thermische<br />
Wi<strong>rk</strong>ungsg<strong>ra</strong>d der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e ab<br />
und wenn in Dürreperioden die Menge des<br />
verfügbaren Kühlwa<strong>sse</strong>rs einen kritischen<br />
Wert unterschreitet, muss das K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong><br />
abgestellt werden.<br />
6. Welche Handlungsoptionen<br />
bestehen?<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>betreiber beschä<strong>ft</strong>igen sich<br />
mit der Erlangung von Konzessionen für<br />
die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung, mit der Planung,<br />
dem Bau und der Erweiterung von K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sanlagen<br />
(K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e, Fassungen,<br />
Stollen und Netze), mit dem Betrieb und<br />
de<strong>sse</strong>n Optimierung, mit dem Ve<strong>rk</strong>auf von<br />
Strom und demzufolge mit dem Stromma<strong>rk</strong>t,<br />
sowie mit der Entwicklung der politischen<br />
Rahmenbedingungen.<br />
Der Einfluss der K<strong>lima</strong>änderungen<br />
auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung wird bei Konzessionsverhandlungen<br />
eine wesentliche<br />
Rolle spielen. Der Wert einer Konzession<br />
hängt ganz direkt mit den Nutzungsmöglichkeiten<br />
der Ressource zusammen und<br />
zwar nicht nur den heutigen Nutzungsmöglichkeiten,<br />
sondern auch den zukün<strong>ft</strong>igen.<br />
Detaillierte Kenntni<strong>sse</strong> und ein umfa<strong>sse</strong>ndes<br />
Verständnis des Einflu<strong>sse</strong>s der<br />
K<strong>lima</strong>änderungen auf die Nutzung einer<br />
bestimmten Wa<strong>sse</strong>rressource, auch wenn<br />
Berechnungen von gro<strong>sse</strong>r Unsicherheit<br />
beha<strong>ft</strong>et sind, sind in den Verhandlungen<br />
und in der Planung wichtig.<br />
Bau- und Umbauvorhaben von<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sanlagen sind jeweils genau auf<br />
die vorhandene Wa<strong>sse</strong>rressource, insbesondere<br />
deren Jahresganglinie, und den<br />
erwarteten Ma<strong>rk</strong>t abgestimmt. Beides wird<br />
sich durch die K<strong>lima</strong>erwärmung ändern.<br />
Wie ist da<strong>ra</strong>uf zu reagieren? Höhere Zuflü<strong>sse</strong><br />
in Winter und niedrigere im Sommer<br />
sind zwar günstig und könnten dazu verleiten,<br />
tendenziell kleinere Ausbauleistungen<br />
zu wählen. Doch dabei wird nicht mit der<br />
Zunahme von Hochwa<strong>sse</strong>rn und Dürreperioden<br />
gerechnet. Generell führt die K<strong>lima</strong>erwärmung<br />
zu Veränderungen, deren<br />
Ausmass insgesamt quantitativ schlecht<br />
fassbar ist. Deshalb ist genau zu überlegen,<br />
wo höhere Ausbauleistungen der verschiedenen<br />
Anlageteile allenfalls eine zwar<br />
nicht billige, aber trotzdem sinnvolle Versicherung<br />
gegen schlecht quantifizierbare<br />
Entwicklungen darstellen. Grosszügige<br />
Dimensionierungen können Hochwa<strong>sse</strong>r<br />
be<strong>sse</strong>r gerecht werden und Dürreperioden<br />
be<strong>sse</strong>r überbrücken, sie können auch bei<br />
unerwarteten Ma<strong>rk</strong>tentwicklungen einen<br />
Vorteil darstellen.<br />
Demgegenüber dür<strong>ft</strong>e die k<strong>lima</strong>bedingte<br />
Betriebsoptimierung keine gro<strong>sse</strong>n<br />
Probleme mit sich bringen. Sowohl Veränderungen<br />
auf der Seite des Ma<strong>rk</strong>tes, als<br />
auch K<strong>lima</strong>veränderungen von Jahr zu<br />
Jahr werden grö<strong>sse</strong>r sein als die Veränderungen<br />
des k<strong>lima</strong>bedingten Trends. Die<br />
Betriebsoptimierung muss allen Veränderungen<br />
laufend kurzfristig gerecht werden<br />
und wird dabei die steten, aber von Moment<br />
zu Moment und Jahr zu Jahr kaum<br />
wahrnehmbaren k<strong>lima</strong>bedingten Veränderungen<br />
auffangen.<br />
Es stellt sich auch die F<strong>ra</strong>ge, was<br />
die K<strong>lima</strong>veränderungen für die Umweltschutzpolitik<br />
bedeuten. Schmelzen die<br />
Gletscher, eröffnet sich damit doch die<br />
Möglichkeit, das Wa<strong>sse</strong>r höher oben zu<br />
fa<strong>sse</strong>n und damit das nutzbare Gefälle<br />
nach oben zu verlängern. Dass mit der<br />
Ausschöpfung dieses sich eröffnenden<br />
Potenzials Umweltkonflikte vorprog<strong>ra</strong>mmiert<br />
sind, dür<strong>ft</strong>e klar sein. Eine frühe Diskussion<br />
darüber, wie politisch damit umgegangen<br />
werden soll, wäre wohl leichter<br />
bevor idyllische Seen sich schon gebildet<br />
haben und Projekte schon ausgearbeitet<br />
sind.<br />
Die grössten Veränderungen im<br />
Umfeld der Stromproduktion aus Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
werden nach wie vor durch die Idee<br />
der Libe<strong>ra</strong>lisierung des Stromma<strong>rk</strong>tes<br />
angetrieben. Diese Idee muss meines E<strong>ra</strong>chtens<br />
nach wie vor kritisch überdenkt<br />
werden. Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e dürfen auf keinen<br />
Fall kurzfristigen Intere<strong>sse</strong>n geopfert<br />
werden. Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>betreiber mü<strong>sse</strong>n<br />
langfristig denken können, sowohl<br />
bezüglich ihrer Politik im Stromma<strong>rk</strong>t, wie<br />
auch ihrer Politik bei der Pflege und dem<br />
Ausbau der Anlagen. Es ist im öffentlichen<br />
Intere<strong>sse</strong>, die Anlagen in öffentlichem<br />
Besitz zu halten oder mindestens regulativ<br />
dafür zu sorgen, dass die Besitzer zu<br />
langfristigem Denken gezwungen werden.<br />
Wenn das langfristige Denken erhalten<br />
bleibt, werden sich die Besitzer für die<br />
K<strong>lima</strong>veränderungen interessieren und<br />
geeignete Massnahmen finden, damit optimal<br />
umzugehen.<br />
Anschri<strong>ft</strong> des Verfa<strong>sse</strong>rs<br />
Daniel Spreng Prof.<br />
c/o Centre for Energy Policy and Economics,<br />
ETH Zürich, Zürichbergstr. 18, CH-8032 Zürich<br />
dspreng@ethz.ch<br />
8<br />
Siehe z.B. Byman Hamududu und Aanund Killingtveit (2010), Estimating Effects of C<strong>lima</strong>te Change on Global Hydropower Production, Hydropower’10<br />
– 6th International Hydropower Conference, 1–3 February, Tromsø, Norway.<br />
312 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Integ<strong>ra</strong>les Flussgebietsmanagement/<br />
Gestion intég<strong>ra</strong>le de l’espace fluvial<br />
«Teil 2»<br />
Flussgebietsmodellierung mit der<br />
Simulationsso<strong>ft</strong>ware BASEMENT<br />
David Vetsch, Patric Rou<strong>sse</strong>lot, Roland Fäh<br />
1. Einleitung<br />
Im Verlauf der letzten zweihundert Jahre<br />
wurden viele Schweizer Fliessgewä<strong>sse</strong>r<br />
kanalisiert um die angrenzenden Nutzungsflächen<br />
vor Hochwa<strong>sse</strong>r zu schützen.<br />
Die miteinhergehende Melio<strong>ra</strong>tion<br />
führte zu einer Steigerung der Lebensqualität<br />
in den vormals durch regelmässige<br />
Überschwemmungen beeinträchtigten<br />
Regionen. Diese Massnahmen b<strong>ra</strong>chten<br />
jedoch auch Nachteile mit sich, welche erst<br />
im Laufe der Zeit e<strong>rk</strong>annt wurden. Durch<br />
die Verengung des Fliessquerschnitts kam<br />
es aufgrund der erhöhten Strömungsbelastung<br />
zu einer verstä<strong>rk</strong>ten Erosion des<br />
Gerinnes, welcher mittels Schwellen entgegengewi<strong>rk</strong>t<br />
werden musste. Aufgrund<br />
unterschiedlicher Sedimentaufkommen<br />
musste wiederum vielerorts Geschiebe<br />
zurückgehalten oder entnommen werden,<br />
um eine Anhebung der Flusssohle<br />
zu vermeiden und den für die Hochwa<strong>sse</strong>rsicherheit<br />
entscheidenden Fliessquerschnitt<br />
zu gewährleisten. In manchen Flü<strong>sse</strong>n<br />
kam es aufgrund des sta<strong>rk</strong> reduzierten<br />
oder ausbleibenden Sedimentt<strong>ra</strong>nsports<br />
zur Bildung eines Gerinnes mit geringer<br />
morphologischer Vielfalt. Des Weiteren<br />
führten die Kanalisierung und der Bau von<br />
Schwellen zu einer Reduktion der Längs-<br />
und Quervernetzung der Lebensräume,<br />
was sich beispielsweise in der Fischdurchgängigkeit<br />
oder in der Inte<strong>ra</strong>ktion des Gewä<strong>sse</strong>rs<br />
mit den Flussauen auswi<strong>rk</strong>t.<br />
Seit ungefähr zwei Jahrzehnten<br />
zeichnet sich ein neuer flussbaulicher<br />
Trend ab, welcher den angesprochenen<br />
Defiziten entgegenwi<strong>rk</strong>en soll. Einzelne<br />
Flussabschnitte werden revitalisiert und<br />
ökologisch aufgewertet. Eine gängige<br />
Massnahme um die morphologische<br />
Vielfalt und die Habitatsvielfalt in einem<br />
Gewä<strong>sse</strong>r zu erhöhen sind Flussaufweitungen.<br />
Der Bau von Flussaufweitungen<br />
führt zu einer lokalen Anhebung der Gerinnesohle,<br />
was je nach Geschiebeaufkommen<br />
einer Stabilisierung des Gerinnes<br />
gleich kommt. Jedoch stellen de<strong>ra</strong>rtige<br />
Eingriffe in ein Fliessgewä<strong>sse</strong>r auch neue<br />
Anforderungen an den Hochwa<strong>sse</strong>rschutz.<br />
Aus hyd<strong>ra</strong>ulischer Sicht kann in einer lokalen<br />
Verbreiterung und bei einer Anhebung<br />
der Flusssohle aufgrund der geringeren<br />
Abflusstiefen gegenüber der kanalisierten<br />
Strecke eine gleichbleibende Abflusskapazität<br />
gewährleistet werden. Dennoch<br />
werden Flussaufweitungen zum Teil als<br />
potentielle Gefährdung der Hochwa<strong>sse</strong>rsicherheit<br />
angesehen. Entsprechend sind<br />
für die Planung solcher Massnahmen numerische<br />
Simulationsmodelle hilfreich,<br />
um die vielfältigen Folgen eines Eingriffs<br />
zu analysieren und die verschiedenen Nut-<br />
Bild 1. G<strong>ra</strong>fische Benutzeroberfläche der Simulationsso<strong>ft</strong>ware BASEMENT.<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 313<br />
K<strong>lima</strong>wandel Flussgebietsmanagement<br />
& Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>
Flussgebietsmanagement<br />
zungsintere<strong>sse</strong>n be<strong>sse</strong>r aufeinander abzustimmen.<br />
Des Weiteren ermöglicht die<br />
Anwendung von geeigneten numerischen<br />
Modellen die Simulation von Vorgängen<br />
unterschiedlicher Grö<strong>sse</strong>nordnung und<br />
somit die Untersuchung von lokalen bis zu<br />
überregionalen Problemstellungen.<br />
Grundsätzlich eignet sich der Einsatz<br />
von Simulationsmodellen, die auf<br />
einer So<strong>ft</strong>ware beruhen, wie sie in diesem<br />
Beit<strong>ra</strong>g vorgestellt wird, für die Hochwa<strong>sse</strong>rvorsorge,<br />
die Erstellung von Gefahrenkarten,<br />
die Optimierung der Regelung von<br />
Flü<strong>sse</strong>n und Seen sowie zur Dimensionierung<br />
von Fliessgewä<strong>sse</strong>rn. Des Weiteren<br />
können morphologische Entwicklungen<br />
untersucht und mittels geeigneter Indizes<br />
die Habitatsvielfalt eines Gewä<strong>sse</strong>rs<br />
bestimmt werden. Im Vergleich zu physikalischen<br />
Experimenten bieten sich<br />
numerische Modelle für Pa<strong>ra</strong>meter- und<br />
Variantenstudien als kostengünstige Alternative<br />
an.<br />
Massgebende Eingriffe zur Verbe<strong>sse</strong>rung<br />
des Hochwa<strong>sse</strong>rschutzes und<br />
der ökologischen Situation bei bestehenden<br />
gro<strong>sse</strong>n Fliessgewä<strong>sse</strong>rn, wie z.B.<br />
der Thur oder der Rhone, wurden in den<br />
letzten Jahren durchgeführt oder sind<br />
noch im Gange. Mit dem Ziel die entsprechenden<br />
Massnahmen sowohl vom flussbaulichen<br />
und ökologischen als auch vom<br />
sozialen Gesichtspunkt zu evaluieren,<br />
wurde im Jahr 2002 des t<strong>ra</strong>nsdisziplinäre<br />
Forschungsprojekt «Rhone-Thur» als wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>liche<br />
Begleitung vom Bundesamt<br />
für Umwelt lanciert. Dieses wurde im<br />
Jahr 2007 in Form des Nachfolgeprojekts<br />
«Integ<strong>ra</strong>les Flussgebietsmanagement»<br />
bis Dato weitergeführt. In diesem Rahmen<br />
wurde die Versuchsanstalt für Wa<strong>sse</strong>rbau,<br />
Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH<br />
Zürich beau<strong>ft</strong><strong>ra</strong>gt, die Simulationsso<strong>ft</strong>ware<br />
BASEMENT («basic simulation environment<br />
for computation of environmental<br />
flow and natu<strong>ra</strong>l hazard simulation») zu<br />
entwickeln. Das Prog<strong>ra</strong>mm inklusive umfangreicher<br />
Dokumentation steht interessierten<br />
Personen kostenlos zur Verfügung<br />
(www.basement.ethz.ch). Im vorliegenden<br />
Beit<strong>ra</strong>g werden die grundsätzlichen Fähigkeiten<br />
des Prog<strong>ra</strong>mms BASEMENT kurz<br />
beschrieben und einige Anwendungsbeispiele<br />
aufgezeigt. Betreffend mathematischer<br />
und numerischer Details sei auf die<br />
Dokumentation (Faeh et al. [2011]) verwiesen.<br />
Eine Einführung zur grundsätzlichen<br />
Vorgehensweise bei der numerischen<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>rmodellierung ist dem entsprechenden<br />
Me<strong>rk</strong>blatt des BAFU («Numerische<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>rmodellierung»,<br />
in Vorbereitung) zu entnehmen.<br />
2. Die Simulationsso<strong>ft</strong>ware<br />
BASEMENT<br />
Das Computerprog<strong>ra</strong>mm BASEMENT ermöglicht<br />
die numerische Simulation der<br />
Strömung und des Sedimentt<strong>ra</strong>nsports in<br />
einem Fliessgewä<strong>sse</strong>r. Die Simulationsso<strong>ft</strong>ware<br />
beinhaltet grundsätzlich zwei<br />
unterschiedliche Modelle; das eindimensionale<br />
Modell (als BASEchain bezeichnet)<br />
ermöglicht die Simulation von Fliessgewä<strong>sse</strong>rn<br />
definiert anhand von Flussquerprofilen<br />
und das zweidimensionale Modell<br />
(als BASEplane bezeichnet) basiert auf<br />
einem dreidimensionalen digitalen Geländemodell.<br />
Details zu den beiden Modellen<br />
sind in den folgenden Abschnitten<br />
beschrieben. Zur Unterstützung der Konfigu<strong>ra</strong>tion<br />
der Modelle, d.h. des Aufsetzens<br />
einer Simulation, besitzt das Prog<strong>ra</strong>mm<br />
eine g<strong>ra</strong>fische Benutzeroberfläche (GUI)<br />
wie in Bild 1 dargestellt. Das GUI beinhaltet<br />
einen «Command File Editor» mit<br />
dem die notwendigen Pa<strong>ra</strong>meter für das<br />
numerische Modell definiert werden können.<br />
Sämtliche Optionen sind mit einer<br />
Beschreibung versehen und mit Beispielen<br />
e<strong>rk</strong>lärt. Eingabefehler werden sofort e<strong>rk</strong>annt<br />
und entsprechend gekennzeichnet.<br />
Des Weiteren besitzt das GUI einen «1D-<br />
Grid Editor» für die Gittererstellung eindimensionaler<br />
Modelle, der eine g<strong>ra</strong>fische<br />
Darstellung der Querprofile samt ihren Eigenscha<strong>ft</strong>en<br />
ermöglicht. Zur Laufzeit der<br />
Berechnung können ausgewählte Resul-<br />
tate wie etwa Wa<strong>sse</strong>rtiefen, Geschwindigkeiten<br />
oder Sohlendifferenzen visualisiert<br />
werden.<br />
Die mit der Simulationsso<strong>ft</strong>ware<br />
modellierten Vorgänge sind grundsätzlich<br />
in zwei Arten zu unterteilen: einerseits die<br />
hydrodynamischen Ansätze zur Modellierung<br />
der Strömung, welche auch die Gerinne<strong>ra</strong>uheit<br />
und die Turbulenz miteinschlie<strong>sse</strong>n,<br />
und andererseits die verschiedenen<br />
Ansätze für die Modellierung des Sedimentt<strong>ra</strong>nsports.<br />
Die einzelnen Vorgänge,<br />
wie in Bild 2 schematisch dargestellt, sind<br />
in den folgenden Abschnitten genauer erläutert.<br />
2.1. Hydrodynamik<br />
Zur Simulation der Wa<strong>sse</strong>rströmung werden<br />
hydrodynamische Modellgleichungen<br />
gelöst, bei welchen die Strömungsgeschwindigkeit<br />
eine über die Abflusstiefe<br />
gemittelte Variable ist. Deshalb werden die<br />
entsprechenden Modellgleichungen auch<br />
als tiefengemittelte Gleichungen bezeichnet.<br />
Diese Vereinfachung basiert auf der<br />
Annahme einer hydrostatischen Druckverteilung<br />
und die Modellgleichungen sind<br />
daher nur dann gültig, wenn die vertikale<br />
Geschwindigkeitskomponente vernachlässigt<br />
werden kann. Bei Fliessgewä<strong>sse</strong>rn<br />
mit einer vorwiegend ebenen, nicht<br />
zu sta<strong>rk</strong> geneigten Sohle und geringen<br />
kontinuierlichen Gefällswechseln sind<br />
diese Annahmen zulässig. Aufgrund der<br />
Bild 2. Vorgänge die mit der Simulationsso<strong>ft</strong>ware BASEMENT modelliert werden<br />
können.<br />
314 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Bild 3. Modellierung eines Flusslaufs im eindimensionanen Modell. Bild 4. Ausschnitt aus einem zweidimensionalen<br />
Modell für ein Flussk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>.<br />
vereinfachten Gleichungen werden somit<br />
p<strong>ra</strong>xis orientierte Simulationen von grossräumigen<br />
Flussabschnitten oder über<br />
einen längeren Zeit<strong>ra</strong>um möglich. Die Wahl<br />
des numerischen Verfahrens, welches zur<br />
Lösung der Gleichungen verwendet wird,<br />
ist entscheidend für die Genauigkeit und<br />
Stabilität des Modells. In BASEMENT<br />
wird dazu eine Finite-Volumen-Methode<br />
in Kombination mit einem als Riemann-<br />
Löser bezeichneten Verfahren verwendet,<br />
welches auch für sta<strong>rk</strong> instationäre<br />
Abflussvorgänge, wie z.B. Fliesswechsel<br />
oder die Ausbreitung einer Dammbruchwelle,<br />
stabil bleibt und akku<strong>ra</strong>te Resultate<br />
liefert.<br />
Zur Berücksichtigung der Gerinne<strong>ra</strong>uheit<br />
können verschiedene Reibungsgesetze<br />
verwendet werden, wobei<br />
der Reibungskoeffizient z.B. in Form des<br />
gebräuchlichen Strickler-Beiwerts angegeben<br />
werden kann. Die empirische Natur<br />
der Reibungsgesetze bedingt je nach<br />
Problemstellung eine Variation des Reibungsbeiwerts.<br />
Dies bedeutet, dass die<br />
Gerinne<strong>ra</strong>uheit die massgebende Grö<strong>sse</strong><br />
zur Kalibrierung der hierin erwähnten hydrodynamischen<br />
Modelle ist.<br />
2.2 1D-BASEchain<br />
Beim eindimensionalen Ansatz wird das<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>r in Form von Fluss-Querprofilen<br />
idealisiert (Bild 3). Dabei hängen<br />
die Genauigkeit und die Stabilität des Modells<br />
hauptsächlich vom Abstand der Querprofile<br />
ab. Die entsprechenden Modellgleichungen<br />
basieren auf den Gleichungen<br />
von De Saint-Venant. Pro Querprofil wird<br />
die zeitliche Variation des Abflu<strong>sse</strong>s und<br />
der durchflo<strong>sse</strong>nen Fläche bestimmt, wo<strong>ra</strong>us<br />
über das Querprofil gemittelte Werte<br />
für die Fliessgeschwindigkeit und die Wa<strong>sse</strong>rspiegellage<br />
resultieren. Zudem können<br />
pro Querprofil late<strong>ra</strong>le Zuflü<strong>sse</strong> oder eine<br />
seitliche Entlastung berücksichtigt werden.<br />
Durch die sta<strong>rk</strong>e Idealisierung<br />
eines realen Fliessgewä<strong>sse</strong>rs auf wesentliche,<br />
die Abflusskapazität bestimmende<br />
Grö<strong>sse</strong>n, sind Simulationen mit einem relativ<br />
kleinen Berechnungsaufwand möglich.<br />
Daher eignet sich das 1D-Modell vor<br />
allem für langfristige oder räumlich ausgedehnte<br />
Simulationen, bei welchen der<br />
lokale Detailgehalt eine untergeordnete<br />
Rolle spielt.<br />
2.3 2D -BASEplane<br />
Für F<strong>ra</strong>gestellungen, bei welchen detailliertere<br />
ebene Strömungsvorgänge von<br />
Intere<strong>sse</strong> sind, wie etwa die Ausbreitung<br />
einer Flutwelle in einer Ebene oder die Vereinigung<br />
oder die Au<strong>ft</strong>eilung von Abflü<strong>sse</strong>n,<br />
ist die Anwendung des zweidimensionalen<br />
Modells sinnvoll. Zur Lösung der<br />
Strömungsgleichungen muss das Berechnungsgebiet,<br />
wie in Bild 4 dargestellt,<br />
in einzelne dreieckige oder viereckige<br />
Rechenzellen unterteilt werden. Die benötigten<br />
topog<strong>ra</strong>phischen Informationen<br />
werden in der Regel anhand eines dreidimensionalen<br />
digitalen Höhenmodells auf<br />
das Berechnungsgitter interpoliert. Ähnlich<br />
wie beim 1D-Modell ist die Qualität<br />
und Auflösung des Gitters entscheidend<br />
für die Güte der Resultate. Dies bedeutet<br />
insbesondere, dass ein optimales Berechnungsgitter<br />
sich an den Strömungs-<br />
vorgängen zu orientieren hat. Das aus der<br />
Dreiecksvermaschung des Höhenmodells<br />
resultierende Gitter genügt dieser Anforderung<br />
normalerweise nicht.<br />
Als Ergebnis erhält der Anwender<br />
Wa<strong>sse</strong>rspiegellagen und eine tiefengemittelte<br />
Fliessgeschwindigkeit für jedes<br />
Rechenelement in Abhängigkeit der Zeit.<br />
2D-Modelle eignen sich beispielsweise<br />
für die Berechnung von Ausuferungen<br />
au<strong>sse</strong>rhalb des eigentlichen Fliessgewä<strong>sse</strong>rs,<br />
zur Gefahrenkartierung oder für die<br />
Dimensionierung von Rückhalteräumen<br />
und Flussaufweitungen.<br />
2.4 Sedimentt<strong>ra</strong>nsport<br />
Ergänzend zur Berechnung der Wa<strong>sse</strong>rströmung<br />
können Module zur Simulation<br />
von Sedimentt<strong>ra</strong>nsport angewendet<br />
werden, um zeitliche Veränderungen der<br />
Lage der Flusssohle zu berechnen. Der<br />
Sedimentt<strong>ra</strong>nsport wird unterteilt in Geschiebe-<br />
resp. Suspensionst<strong>ra</strong>nsport<br />
sowie g<strong>ra</strong>vitationsinduzierter T<strong>ra</strong>nsport.<br />
Der Geschiebet<strong>ra</strong>nsport beschreibt die<br />
Bewegung von Sedimenten an der Oberfläche<br />
der Flusssohle aufgrund der vorhandenen<br />
Strömungsbelastung, wofür<br />
verschiedene empirische Formeln zur<br />
Verfügung stehen, wie etwa der bekannte<br />
Ansatz von Meyer-Peter und Müller. Der<br />
Suspensionst<strong>ra</strong>nsport findet hingegen im<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong>örper statt und wird direkt durch<br />
die Wa<strong>sse</strong>rströmung bestimmt. Entsprechend<br />
wird dazu eine Advektion-Diffusions-Gleichung<br />
gelöst. Damit kann der<br />
T<strong>ra</strong>nsport von suspendiertem Sohlenmaterial<br />
oder auch die Ausbreitung von<br />
gelösten Stoffen simuliert werden. Zur<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 315<br />
Flussgebietsmanagement
Flussgebietsmanagement<br />
Beschreibung des Austausches des suspendierten<br />
Materials zwischen der Sohle<br />
und dem Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong>örper stehen ebenfalls<br />
verschiedene empirische Ansätze zur Auswahl.<br />
Die g<strong>ra</strong>nulare Zusammensetzung der<br />
t<strong>ra</strong>nsportierten Sedimente kann mittels<br />
beliebig vieler Kornkla<strong>sse</strong>n berücksichtigt<br />
werden, wobei pro Kornkla<strong>sse</strong> jeweils eine<br />
T<strong>ra</strong>nsportgleichung gelöst wird.<br />
Zusätzlich zum Geschiebe- und<br />
Suspensionst<strong>ra</strong>nsport, bei denen die Wa<strong>sse</strong>rströmung<br />
die treibende K<strong>ra</strong><strong>ft</strong> ist, kann<br />
das Sohlenmaterial auch durch rein g<strong>ra</strong>vitationsinduzierte<br />
Vorgänge, wie etwa eine<br />
Böschungsrutschung, verlagert werden.<br />
Diese Proze<strong>sse</strong> werden vereinfacht mit<br />
einem geometrischen Modell in Abhängigkeit<br />
des kritischen Böschungswinkels<br />
abgebildet.<br />
2.5 Anfangs- und Randbedinungen<br />
Bei einem numerischen Modell beschreiben<br />
die Anfangsbedingungen den Zustand<br />
des gesamten Modells zu Beginn<br />
der Simulation und die Randbedingungen<br />
(stationär oder zeitlich veränderlich) die<br />
Grö<strong>sse</strong>n an de<strong>sse</strong>n Be<strong>ra</strong>ndung. Die wohl<br />
wichtigste Anfangsbedingung für die hier<br />
aufgezeigten numerischen Modelle ist die<br />
Topog<strong>ra</strong>phie. Üblicherweise liegen die<br />
topog<strong>ra</strong>phischen Informationen für ein<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>r in Form von Gerinnequerprofilen<br />
vor. Vielfach werden die Profile<br />
mit beachtlichem Abstand aufgenommen<br />
und haben dementsprechend für die Zwischenräume<br />
einen vagen Informationsgehalt.<br />
Mit Hilfe von Lu<strong>ft</strong>bildern sowie<br />
Kenntnis der Situation vor Ort kann aus<br />
einer meist dünnen Datenlage das Optimum<br />
gewonnen werden. Insbesondere bei<br />
2D-Modellen werden die Querprofildaten<br />
entlang des Fliesswegs interpoliert um ein<br />
verdichtetes Höhenmodell zu erhalten. Für<br />
das Umland hingegen existieren üblicherweise<br />
Höheninformationen in guter räumlicher<br />
Auflösung (z.B. Daten basierend auf<br />
Lase<strong>ra</strong>btastung). Bei der Umwandlung der<br />
topog<strong>ra</strong>phischen Rohdaten in ein zweckmässiges<br />
Berechnungsgitter ist auf die<br />
Definition von Bruchkanten besonderes<br />
Augenme<strong>rk</strong> zu legen. Nebst der Topog<strong>ra</strong>phie<br />
gibt es weitere Anfangsbedingungen,<br />
wie etwa die Gerinne<strong>ra</strong>uheit, anfängliche<br />
Wa<strong>sse</strong>rspiegellagen oder die Zusammensetzung<br />
der Gerinnesohle.<br />
Die Randbedingungen für die<br />
Strömungsberechnung können auf verschiedene<br />
Art und Weise definiert werden.<br />
Als Zufluss<strong>ra</strong>ndbedingung können<br />
z.B. repräsentative Abflussganglinien von<br />
Messstationen des BAFU oder Resultate<br />
eines hydrologischen Modells verwendet<br />
werden. Dabei wird am Zufluss<strong>ra</strong>nd von<br />
Normalabflussbedingungen ausgegangen<br />
um lokale Instabilitäten zu vermeiden.<br />
Für die Randbedingung am Abfluss<strong>ra</strong>nd<br />
stehen verschiedene Ansätze wie etwa<br />
Wa<strong>sse</strong>rstands-Abfluss-Beziehungen<br />
oder hyd<strong>ra</strong>ulische Strukturen wie Wehre<br />
oder Schützen zur Verfügung. Der Einsatz<br />
dieser Strukturen innerhalb des Rechengebiets<br />
ist ebenfalls möglich, wobei diese<br />
dann als «innere Randbedingungen» bezeichnet<br />
werden.<br />
Im Vergleich zu hydrologischen<br />
Informationen ist die Datengrundlage für<br />
Simulationen des Sedimentt<strong>ra</strong>nsports<br />
meistens spärlich. Zur Bestimmung der<br />
Zufluss<strong>ra</strong>ndbedingung kann, sofern vorhanden,<br />
auf Geschiebehaushaltsstudien<br />
zurückgegriffen werden oder es muss anhand<br />
von Abschätzungen über den totalen<br />
jährlichen Sedimenteint<strong>ra</strong>g eine Geschiebefunktion<br />
in Abhängigkeit des hyd<strong>ra</strong>ulischen<br />
Abflusshydrog<strong>ra</strong>phen konstruiert<br />
werden. Diese Funktion hängt massgeblich<br />
von den verwendeten Ansätzen für den<br />
Sedimentt<strong>ra</strong>nsport ab und basiert o<strong>ft</strong> auf<br />
der Annahme, dass die ganze T<strong>ra</strong>nsportkapazität<br />
ausgeschöp<strong>ft</strong> wird.<br />
3. Erweiterungen<br />
und Spezialitäten<br />
3.1. Effizienzsteigerung<br />
Anwendungen von numerischen Modellen<br />
in der Ingenieurp<strong>ra</strong>xis sind üblicherweise<br />
mit Terminvorgaben verbunden und erfordern<br />
diesbezüglich eine überschaubare<br />
Berechnungszeit. Dies lässt sich<br />
einerseits durch ein wohlgewähltes Berechnungsgitter<br />
erzielen, bei dem kleine<br />
Gitterzellen nicht an der Stelle tendenziell<br />
gro<strong>sse</strong>r Geschwindigkeiten zu liegen<br />
kommen. Andererseits gibt es so<strong>ft</strong>waretechnische<br />
Ansätze wie die bei BASE-<br />
MENT implementierte Pa<strong>ra</strong>llelisierung der<br />
Berechnungsverfahren. Dieser Ansatz ist<br />
vor allem seit der Ausstattung handelsüblicher<br />
Computer mit Meh<strong>rk</strong>ernprozessoren<br />
zweckmässig, wobei der Benutzer<br />
die Anzahl der eingesetzten Rechenkerne<br />
selber wählen kann. Jedoch ist die Anwendung<br />
des pa<strong>ra</strong>llelisierten Modells kein<br />
Allerheilmittel gegen lange Rechenzeiten,<br />
da andere Faktoren wie die vo<strong>ra</strong>ngehend<br />
erwähnte Qualität des Berechnungsgitters<br />
oder die Auslastung der einzelnen Rechenkerne<br />
ebenfalls eine Rolle spielen.<br />
Bezüglich Simulationen mit Sedimentt<strong>ra</strong>nsport<br />
gibt es verschiedene Möglichkeiten,<br />
die Effizienz der Berechnung zu<br />
steigern. Zu diesen zählen vorbereitende<br />
Massnahmen wie die Reduktion des Simu-<br />
Bild 5. Möglichkeiten zur Kopplung des<br />
1D- und 2D-Modells von BASEMENT.<br />
lationszeit<strong>ra</strong>ums auf t<strong>ra</strong>nsportwi<strong>rk</strong>same<br />
Phasen oder die Verwendung von nur einer<br />
repräsentativen Korngrö<strong>sse</strong>. Des Weiteren<br />
bietet BASEMENT einen numerischen Ansatz<br />
an, der als quasi-stationärer Berechnungszyklus<br />
bezeichnet wird. Dabei wird<br />
für geeignete Situationen davon ausgegangen,<br />
dass Veränderungen der Gerinnesohle<br />
eher langsam erfolgen und deren<br />
Einfluss auf die Wa<strong>sse</strong>rströmung für einen<br />
gegebenen Zeitabschnitt vernachlässigbar<br />
ist. Die erwähnten Möglichkeiten sind<br />
in den meisten Fällen ein sehr effektives<br />
Mittel um die Berechnungszeit zu reduzieren.<br />
Zu deren erfolgreichen Anwendung ist<br />
jedoch eine gewi<strong>sse</strong> Erfahrung bezüglich<br />
der Modellierung mit Sedimentt<strong>ra</strong>nsport<br />
unabdingbar.<br />
3.2. Kopplung der Modelle<br />
Für grossräumige Flussgebiete mit unterschiedlichen<br />
F<strong>ra</strong>gestellungen mag es<br />
sinnvoll sein, das Berechnungsgebiet in<br />
einzelne Bereiche zu unterteilen, um eine<br />
effiziente Simulation zu ermöglichen. Konkret<br />
bedeutet dies, dass gewi<strong>sse</strong> Flussabschnitte<br />
vereinfacht als 1D-Modell betrieben<br />
werden können und in Bereichen<br />
wo ein grö<strong>sse</strong>rer Detailg<strong>ra</strong>d gefordert ist<br />
oder horizontal zweidimensionale Strömungsverhältni<strong>sse</strong><br />
eine Rolle spielen ein<br />
2D-Modell eingesetzt werden kann. Dazu<br />
bietet BASEMENT die Möglichkeit, die<br />
beiden Simulationsansätze auf verschiedene<br />
Weise miteinander zu koppeln (siehe<br />
316 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Bild 5). So ist es beispielsweise möglich,<br />
die Ausbreitung einer Hochwa<strong>sse</strong>rwelle in<br />
einem Flussschlauch in einer Dimension<br />
zu berechnen und etwaige Ausuferungen<br />
mit einer gekoppelten 2D-Region zu simulieren.<br />
Dabei können auch allfällige Rückstau-<br />
oder Rückflu<strong>sse</strong>ffekte berücksichtigt<br />
werden.<br />
3.3. Regelung<br />
Der Betrieb von Stauhaltungen in Flü<strong>sse</strong>n<br />
oder die Abflussregulierung von Seen<br />
unterliegen häufig einem vorgegebenen<br />
Reglement. Zur Berücksichtigung solcher<br />
Verhältni<strong>sse</strong> bietet die So<strong>ft</strong>ware den<br />
Einsatz von pa<strong>ra</strong>metrisierten Reglern, für<br />
welche zweckmässige Sollgrö<strong>sse</strong>n wie<br />
etwa Abfluss oder Wa<strong>sse</strong>rspiegel und<br />
Stellgrö<strong>sse</strong>n von Abflussorganen definiert<br />
werden können. Dadurch la<strong>sse</strong>n sich z.B.<br />
Wehre und Schützen gemäss den vorgegebenen<br />
Zielkriterien automatisch regeln.<br />
Ebenso kann mittels der Regelung der unbestimmte<br />
Abfluss eines Zubringers abgeschätzt<br />
werden.<br />
3.4. Turbulenzmodell<br />
Bei den vorliegenden Modellen sind einerseits<br />
turbulente Effekte aufgrund der Beschaffenheit<br />
der Gerinnesohle pauschal<br />
in den entsprechenden Ansätzen für die<br />
Gerinne<strong>ra</strong>uheit enthalten. Andererseits<br />
können bei horizontal zweidimensionalen<br />
Strömungen Situationen au<strong>ft</strong>reten, bei<br />
denen der Einfluss der Turbulenz massgebend<br />
sein kann, wie z.B. bei Nischenströmungen<br />
oder bei Einmündungen in einen<br />
flachen See. Zur numerischen Simulation<br />
solcher Vorgänge mit Berücksichtigung<br />
der Turbulenz mü<strong>sse</strong>n die Gleichungen<br />
des tiefengemittelten 2D-Modells erweitert<br />
werden. Als einfacher Ansatz bietet<br />
sich dazu die Verwendung eines Wirbelviskositätsmodells,<br />
wie in BASEMENT<br />
implementiert, an. Dabei kann eine turbulente<br />
Viskosität vorgegeben werden, welche<br />
in Kombination mit der Veränderung<br />
des Geschwindigkeitsg<strong>ra</strong>dienten einen<br />
zusätzlichen Strömungswiderstand bewi<strong>rk</strong>t,<br />
häufig auch als «innere Reibung»<br />
bezeichnet.<br />
4. Genauigkeit und Aufwand<br />
Die Genauigkeit numerischer Resultate<br />
hängt massgeblich vom verwendeten Verfahren<br />
und de<strong>sse</strong>n vereinfachenden Annahmen<br />
sowie von der Qualität der Daten<br />
für die Topog<strong>ra</strong>phie und der Randbedingungen<br />
ab. Bei der Anwendung numerischer<br />
Verfahren gilt im Allgemeinen, dass<br />
sich der numerische Fehler bei höheren<br />
Gitte<strong>ra</strong>uflösungen ve<strong>rk</strong>leinert. Dieses Ver-<br />
halten wird als Konvergenz bezeichnet.<br />
Bei p<strong>ra</strong>ktischen Anwendungen ist die Gitte<strong>ra</strong>uflösung<br />
allerdings beschränkt durch<br />
die da<strong>ra</strong>us resultierende Rechenzeit. Ein<br />
numerisches Resultat ist daher immer ein<br />
Kompromiss zwischen Genauigkeit und<br />
Berechnungsaufwand.<br />
Generell sollte der Aufwand für<br />
numerische Simulationen nicht unterschätzt<br />
werden. Ein lauffähiges Modell<br />
kann bereits mit geringem Aufwand erstellt<br />
werden. Für qualitativ hochstehende<br />
und quantitativ belastbare Resultate ist<br />
allerdings eine vertie<strong>ft</strong>e Auseinandersetzung<br />
mit der Problemstellung und deren<br />
Umsetzung unabdingbar. Bereits die Gittererstellung<br />
kann entscheidend sein für<br />
die Stabilität der Simulation, den zeitlichen<br />
Rechenaufwand aber auch für die Güte der<br />
Resultate. Um Probleme im späteren Verlauf<br />
der Simulationen zu vermeiden, ist ein<br />
zeitlicher Meh<strong>ra</strong>ufwand für die Gittererstellung<br />
in den meisten Fällen lohnenswert.<br />
Für 2D-Modelle ist bei der Gittererstellung<br />
ein besonderes Augenme<strong>rk</strong> auf<br />
die vorhandenen Bruchkanten zu legen.<br />
Nach der Interpolation der Höheninformation<br />
auf das Rechengitter sollten wichtige<br />
Bruchkanten nochmals kontrolliert und<br />
bei Bedarf angepasst werden. Dadurch<br />
können au<strong>ft</strong>retende Schwachstellen, wie<br />
z.B. ein intakter Hochwa<strong>sse</strong>rdamm de<strong>sse</strong>n<br />
Kronenverlauf aufgrund von Interpolationsfehlern<br />
nicht durchgehend modelliert<br />
wird, im Vornherein beseitigt werden.<br />
Ein anderer Schwachpunkt eines Modells<br />
liegt häufig auch in den Randbedingungen.<br />
Eine ungünstige Definition der Randbedingungen<br />
oder deren Vorgabe an einer ungeeigneten<br />
Stelle kann zu fluktuierendem<br />
Bild 6. Simulierte Wa<strong>sse</strong>rtiefen in einer Flussaufweitung.<br />
Verhalten der Randbedingungen führen.<br />
Zum Beispiel ist es <strong>ra</strong>tsam zu überprüfen,<br />
ob der definierte Zuflussquerschnitt eine<br />
genügende Kapazität bezüglich des maximal<br />
vorgesehenen Zuflu<strong>sse</strong>s aufweist<br />
und ob das lokale Normalabflussgefälle<br />
pa<strong>sse</strong>nd gewählt ist. Des Weiteren ist es<br />
üblich, die Randbedingungen möglichst<br />
weit weg vom eigentlich interessierenden<br />
Gebiet anzuordnen um eventuelle Randeffekte<br />
zu minimieren.<br />
Für eine konkrete p<strong>ra</strong>xisbezogene<br />
Problemstellung sollte der Anwender die<br />
zugrundeliegenden Modellannahmen beachten.<br />
Für die ein- und zweidimensionalen<br />
hyd<strong>ra</strong>ulischen Modelle wird eine hydrostatische<br />
Druckverteilung angenom men.<br />
Zudem gelten die Gleichungen streng -<br />
genommen nur für mode<strong>ra</strong>te Sohlneigungen<br />
und kleine Gefällsänderungen.<br />
Auch Geschiebet<strong>ra</strong>nsportformeln gelten<br />
meistens nur für einen eingeschränkten<br />
Bereich betreffend des Korndurchme<strong>sse</strong>rs<br />
oder dem Gefälle der Sohle. Deshalb<br />
wird ein numerisches Modell üblicherweise<br />
kalibriert, um allfällige Unzulänglichkeiten<br />
über das gesamte Modellgebiet zu<br />
minimieren und ein konsistentes Modell zu<br />
erhalten. Bei der Kalibrierung werden die<br />
massgebenden Modellpa<strong>ra</strong>meter wie etwa<br />
die Gerinne<strong>ra</strong>uheit solange variiert, bis das<br />
Simulationsresultat einem geme<strong>sse</strong>nen<br />
Referenzzustand bestmöglich entspricht.<br />
Dennoch werden in vielen p<strong>ra</strong>ktischen Fällen<br />
die oben erwähnten Grundannahmen<br />
lokal im Modellgebiet verletzt, wo<strong>ra</strong>us Abweichungen<br />
der Berechnungsresultate zu<br />
geme<strong>sse</strong>nen Werten resultieren. Letztendlich<br />
muss der Modellierer entscheiden,<br />
ob die gewählten Pa<strong>ra</strong>meter und die<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 317<br />
Flussgebietsmanagement
Flussgebietsmanagement<br />
Kalibrierung des Modells zweckmässig für<br />
die F<strong>ra</strong>gestellung sind. Zur Unterstützung<br />
eines solchen Entscheids ist, wenn immer<br />
möglich, eine Validierung anhand eines<br />
zum Kalibrierungslastfall deutlich unterschiedlichen<br />
Lastfalls durchzuführen.<br />
Berechnungen mit Sedimentt<strong>ra</strong>nsport<br />
benötigen vielfach einen erheblichen<br />
Kalibrierungsaufwand. Im Vergleich zur<br />
reinen Hyd<strong>ra</strong>ulik existiert eine ungleich<br />
grö<strong>sse</strong>re Anzahl an Pa<strong>ra</strong>metern, welche<br />
zur Kalibrierung verändert werden können.<br />
Zusätzlich beruhen die Randbedingungen<br />
bezüglich des zugeführten Sedimentvolumens<br />
meistens auf groben Abschätzungen<br />
und haben gleichzeitig einen gro<strong>sse</strong>n Einfluss<br />
auf die Resultate. Vielfach können<br />
Modelle mit Sedimentt<strong>ra</strong>nsport nicht ausreichend<br />
kalibriert und validiert werden,<br />
weil keine topog<strong>ra</strong>phischen Informationen<br />
zu verschiedenen Zeitpunkten existieren.<br />
All diesen Unsicherheiten ist Rechnung<br />
zu t<strong>ra</strong>gen, indem die Berechnungsergebni<strong>sse</strong><br />
kritisch begutachtet und auf ihre<br />
Plausibilität geprü<strong>ft</strong> werden.<br />
5. Anwendungen<br />
Im Folgenden werden typische Problemstellungen<br />
anhand von konkreten Anwendungen<br />
aus der P<strong>ra</strong>xis vorgestellt.<br />
5.1. Hyd<strong>ra</strong>ulische Wi<strong>rk</strong>ungsweise<br />
einer Flussaufweitung (2D)<br />
An einem kanalisierten Fliessgewä<strong>sse</strong>r<br />
wird eine Flussaufweitung geplant, um<br />
den Hochwa<strong>sse</strong>rschutz zu verbe<strong>sse</strong>rn<br />
und gleichzeitig die ökologische Vielfalt<br />
zu fördern. Ein regulierbares Wehr in der<br />
Flussaufweitung dient als Hochwa<strong>sse</strong>rentlastung<br />
für extreme Ereigni<strong>sse</strong>.<br />
Mit einer rein hyd<strong>ra</strong>ulischen 2D-<br />
Simulation wurde die Wi<strong>rk</strong>ungsweise der<br />
Flussaufweitung bestimmt (siehe Bild 6).<br />
Zu diesem Zweck wurden diverse Lastfälle<br />
simuliert. Von Intere<strong>sse</strong> waren insbesondere<br />
die Strömungsrichtungen sowie die<br />
maximalen Fliessgeschwindigkeiten und<br />
Wa<strong>sse</strong>rstände während den definierten<br />
Hochwa<strong>sse</strong>rereigni<strong>sse</strong>n. Diese Ergebni<strong>sse</strong><br />
aus den numerischen Simulationen<br />
wurden als Randbedingung für ein physikalisches<br />
Modell der geplanten Hochwa<strong>sse</strong>rentlastung<br />
innerhalb der Flussaufweitung<br />
verwendet.<br />
5.2. Automatische Regelung am<br />
Beispiel Mittellandseen (1D)<br />
Mit einem Testfall wurden die Fähigkeiten<br />
der So<strong>ft</strong>ware bezüglich Regelung<br />
von hyd<strong>ra</strong>ulischen Strukturen in einem<br />
grossräumigen Flussgebiet eruiert. Das<br />
numerische Modell beinhaltet die drei<br />
Bild 7. Simulierte Sohlendifferenzen des Alpenrheins in 1D von verschiedenen Massnahmen<br />
nach einer Simulationszeit von 50 Jahren gegenüber der Ausgangslage im<br />
Jahr 2005 (Null-Linie).<br />
Ju<strong>ra</strong><strong>ra</strong>ndseen mit ihren Verbindungskanälen<br />
sowie Teile der Aare und der Emme.<br />
Für die Modellierung wurde das gesamte<br />
Gebiet in einzelne 1D-Modelle unterteilt,<br />
welche untereinander gekoppelt sind und<br />
insgesamt über 800 Querprofile enthalten.<br />
Die Grenzen der einzelnen Modellgebiete<br />
wurden durch die fünf vorhandenen Flussk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
bestimmt. Die Abflussregulierungs-Reglemente<br />
der einzelnen Wehre<br />
sind unterschiedlich.<br />
Das Modell wurde anhand eines<br />
drei Monate langen Ereigni<strong>sse</strong>s von 2005<br />
kalibriert und anschlie<strong>sse</strong>nd anhand eines<br />
Ereigni<strong>sse</strong>s aus dem Jahr 2007 erfolgreich<br />
validiert. Danach wurden mit dem<br />
validierten Modell verschiedene Szenarien<br />
bezüglich der Staustufen sowie der Seeregulierung<br />
berechnet. Die Simulationen auf<br />
einem handelsüblichen Computer waren<br />
um mehrere tausend Faktoren schneller<br />
als die Ereigni<strong>sse</strong> in Realität. Somit konnte<br />
gezeigt werden, dass die So<strong>ft</strong>ware BASE-<br />
MENT für grossräumige Simulationen mit<br />
regulierten Strukturen geeignet ist.<br />
5.3. Einfluss von flussbaulichen<br />
Eingriffen auf die Sohlenentwicklung<br />
am Alpenrhein (1D)<br />
Am Alpenrhein zwischen der Illmündung<br />
und dem Bodensee soll der Schutz vor<br />
Hochwa<strong>sse</strong>rereigni<strong>sse</strong>n verbe<strong>sse</strong>rt und<br />
gleichzeitig den Anliegen der Bereiche<br />
Grundwa<strong>sse</strong>rnutzung, Ökologie, Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
und Naherholung be<strong>sse</strong>r Rechnung<br />
get<strong>ra</strong>gen werden. Regelmässige Vermessungen<br />
der Sohle des Alpenrheins zeigen,<br />
dass die Sohle in den letzten 40 Jahren<br />
insgesamt leicht aufgeschottert wurde.<br />
Bauliche Massnahmen werden die langfristige<br />
Entwicklung der Sohle weiter ver-<br />
ändern. Um diese Veränderungen für die<br />
nächsten 50 Jahre zu quantifizieren, wurden<br />
in einer ersten Planungsphase verschiedene<br />
Massnahmenvarianten simuliert.<br />
Aufgrund des 50 km umfa<strong>sse</strong>nden<br />
Modellgebiets und der langen Zeitdauer<br />
wurden die Simulationen in einer Dimension<br />
durchgeführt.<br />
Für den Geschiebet<strong>ra</strong>nsport wurde<br />
ein Meh<strong>rk</strong>ornverfahren mit acht Kornf<strong>ra</strong>ktionen<br />
verwendet. Das Modell wurde aufgrund<br />
einer zehnjährigen Periode kalibriert<br />
und anschlie<strong>sse</strong>nd anhand eines anderen<br />
20-jährigen Zeit<strong>ra</strong>ums validiert. Die unterschiedlichen<br />
Verhältni<strong>sse</strong> im Kalibrierungs-<br />
und Validierungszeit<strong>ra</strong>um konnten<br />
die Güte des numerischen Modells belegen.<br />
Mit dem validierten Modell wurde<br />
dann die Sohlenentwicklung von sieben<br />
verschiedenen Massnahmenvarianten für<br />
die nächsten 50 Jahre simuliert und im Hinblick<br />
auf das zu erreichende Hochwa<strong>sse</strong>rschutzziel<br />
evaluiert (siehe Bild 7).<br />
Die Prognoserechnungen zeigten,<br />
dass grundsätzlich eine Tendenz zur Auflandung<br />
bestehen bleibt. Die Sohlenentwicklung<br />
hängt primär von der Menge des<br />
einget<strong>ra</strong>genen Geschiebes ab. Wenn die<br />
Unsicherheiten der einget<strong>ra</strong>genen Geschiebemengen<br />
eingegrenzt werden, liefert<br />
das numerische Modell belastbare<br />
Resultate.<br />
5.4. Morphologische Entwicklung<br />
einer Flussmündung in einen<br />
See am Beispiel der Rheinvorstreckung<br />
Der Alpenrhein mündet in Form eines<br />
künstlichen Gerinnes – die sogenannte<br />
Rheinvorstreckung – in den Bodensee.<br />
Dabei werden gro<strong>sse</strong> Mengen an feinkör-<br />
318 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Bild 8. Sohlentopog<strong>ra</strong>phie im Bereich der Rheinvorstreckung in den Bodensee.<br />
nigem Sediment in die Vorstreckung und<br />
den Bodensee einget<strong>ra</strong>gen. Um langfristige<br />
Prognosen über die Sohlenentwicklung<br />
des Vorstreckungsgerinnes zu ermöglichen,<br />
wurde ein numerisches Modell des<br />
Mündungsbereichs in zwei Dimensionen<br />
erstellt (siehe Bild 8). Die Topog<strong>ra</strong>phie der<br />
Rheinvorstreckung ist zu zwei Zeitpunkten<br />
im Abstand von etwa 500 Tagen bekannt.<br />
Ausgehend vom früheren Zeitpunkt wurde<br />
das numerische Modell dahingehend kalibriert,<br />
dass die geme<strong>sse</strong>nen Sohlendifferenzen<br />
durch die Simulation qualitativ und<br />
quantitativ reproduziert werden konnten.<br />
Für die Sedimentumlagerungen<br />
wurde aufgrund der kleinen Korndurchme<strong>sse</strong>r<br />
primär Suspensionst<strong>ra</strong>nsport<br />
modelliert. Bei der Bestimmung der sedimentologischen<br />
Randbedingungen<br />
weist insbesondere die Bestimmung der<br />
Schwebstoffkonzent<strong>ra</strong>tion in Abhängigkeit<br />
des Abflu<strong>sse</strong>s eine hohe Unsicherheit<br />
auf. Um das Modell für Langzeitprognosen<br />
verwenden zu können, muss noch eine<br />
Validierung über einen anderen Zeit<strong>ra</strong>um<br />
erb<strong>ra</strong>cht werden.<br />
Die Berechnung läu<strong>ft</strong> auf einem<br />
handelsüblichen Computer durchschnittlich<br />
etwa 300 Mal schneller als in Realität.<br />
Das Modell ist somit in der Lage, Langzeitsimulationen<br />
über mehrere Jahre mit vertretbarem<br />
Aufwand zu simulieren.<br />
5.5. Abschätzung der Habitatsvielfalt<br />
am Beispiel der Sense<br />
Die Sense ist ein Fluss, welcher sich streckenweise<br />
noch in seinem natürlichen Zustand<br />
befindet. Für einen zwei Kilometer<br />
langen Abschnitt mit der Cha<strong>ra</strong>kteristik<br />
eines verzweigten Gerinnes wurde ein<br />
Modell in zwei Dimensionen erstellt. Für<br />
die Kalibrierung des Modells standen umfangreiche<br />
Daten wie Fliessgeschwindig-<br />
keiten und Abflusstiefen zu verschiedenen<br />
Abflusszuständen zur Verfügung.<br />
Mit dem kalibrierten Modell wurden<br />
die Auswi<strong>rk</strong>ungen von verschiedenen Geschiebet<strong>ra</strong>nsportformeln<br />
(Ein- und Meh<strong>rk</strong>orn)<br />
auf die Morphologie und die Veränderungen<br />
der hyd<strong>ra</strong>ulischen Habitatstypen<br />
untersucht. Dazu wurde eine Abflussganglinie<br />
über ein Jahr simuliert. Es konnte gezeigt<br />
werden, dass das Geschiebe im untersuchten<br />
Abschnitt nur umgelagert wird<br />
und sich die Habitatsvielfalt nicht verändert.<br />
Dies belegt, dass sich die Sense im<br />
Modellperimeter in einem Gleichgewichtszustand<br />
befindet. Die Indikatoren für die<br />
Habitatsvielfalt liefern allerdings nur für<br />
hohe Gitte<strong>ra</strong>uflösungen verwertbare Resultate.<br />
6. Zukün<strong>ft</strong>ige Entwicklungen<br />
Der vorliegende Beit<strong>ra</strong>g beschreibt die<br />
grundlegenden Fähigkeiten und einige<br />
Spezialitäten des Simulationsmodells<br />
BASEMENT. Die aktuelle Version der<br />
So<strong>ft</strong>ware ist auf der Webseite www.basement.ethz.ch<br />
abrufbar und beinhaltet eine<br />
Vielzahl an weiteren Details auf welche<br />
hier nicht weiter eingegangen wurde. Der<br />
heutige Stand des Prog<strong>ra</strong>mms ermöglicht<br />
dem Benutzer die numerische Simulation<br />
von Fliessgewä<strong>sse</strong>rn mit Sedimentt<strong>ra</strong>nsport<br />
zur Untersuchung p<strong>ra</strong>xisrelevanter<br />
sowie wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>licher F<strong>ra</strong>gestellungen.<br />
Dennoch ist die Entwicklung der<br />
So<strong>ft</strong>ware nicht als abgeschlo<strong>sse</strong>n zu bet<strong>ra</strong>chten.<br />
Einerseits besteht nach wie vor<br />
Potenzial zur Effizienzsteigerung der Modelle<br />
sowie für funktionale Erweiterungen,<br />
wie z.B. eine gebietsinterne Kopplung der<br />
Modelle zur Simulation von Durchlä<strong>sse</strong>n<br />
sowie Stollen mit Druckabfluss, die Erweiterung<br />
des Geschiebet<strong>ra</strong>nsports für Situationen<br />
mit Nichtgleichgewichtst<strong>ra</strong>nsport,<br />
BASEMENT<br />
Das Prog<strong>ra</strong>mm BASEMENT und die<br />
dazugehörige Dokumentation (Faeh et<br />
al. 2011) sind kostenlos erhältlich unter<br />
www.basement.ethz.ch. Dort sind<br />
ebenfalls Eingabedateien für verschiedene<br />
Übungsbeispiele und Testfälle<br />
abrufbar, was den Einstieg in die numerische<br />
Modellierung erleichtern soll.<br />
die Berück sichtigung von Sekundärströmungseffekten<br />
oder die Implementierung<br />
eines effizienten dreidimensionalen Strömungsmodells.<br />
Andererseits generiert die<br />
zunehmende Anwendung des Prog<strong>ra</strong>mms<br />
neue Anforderungen, wie etwa eine be<strong>sse</strong>re<br />
Benutzerfreundlichkeit, eine erweiterte<br />
Funktionalität der g<strong>ra</strong>fischen Benutzeroberfläche<br />
oder die Kombination der<br />
Simulationsso<strong>ft</strong>ware mit heute gängigen<br />
Geoinformationssystemen. Bei der Entwicklung<br />
der So<strong>ft</strong>ware waren Qualität,<br />
Flexibilität und Stabilität, mit Hinblick auf<br />
eine p<strong>ra</strong>xisorientierte Anwendung, stets<br />
die Schwerpunkte. Dieser Fokus soll für<br />
die weitere Entwicklung von BASEMENT<br />
beibehalten werden.<br />
Verdankung<br />
Die Entwicklung der Simulationsso<strong>ft</strong>ware<br />
BASEMENT wurde vom Bundesamt für Umwelt<br />
(BAFU) unterstützt.<br />
Lite<strong>ra</strong>tur<br />
Faeh, R., Mueller, R., Rouselot, P., Vetsch, D.,<br />
Volz, C., Vonwiller, L., Veprek, R., Farshi, D.<br />
(2011). System Manuals of BASEMENT, Version<br />
2.2. Labo<strong>ra</strong>tory of Hyd<strong>ra</strong>ulics, Glaciology<br />
and Hydrology (VAW). ETH Zurich.<br />
Anschri<strong>ft</strong> der Verfa<strong>sse</strong>r<br />
David Vetsch, Patric Rou<strong>sse</strong>lot, Roland Fäh<br />
VAW, ETH Zürich<br />
Gloriast<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 37/39, CH-8092 Zürich<br />
vetsch@vaw.baug.ethz.ch<br />
rou<strong>sse</strong>lot@vaw.baug.ethz.ch<br />
faeh@vaw.baug.ethz.ch<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 319<br />
Flussgebietsmanagement
Flussgebietsmanagement<br />
Refuges à poissons aménagés dans les<br />
berges de rivières soumises aux éclusées<br />
Jean-Marc Ribi, Jean-Louis Boillat, Armin Peter, Anton Schleiss<br />
Résumé<br />
Dans la perspective d’atténuer les impacts des éclusées hydroélectriques, un refuge<br />
laté<strong>ra</strong>l a été étudié comme mesure de protection des poissons. Suivant une procédure<br />
expérimentale, des truites fario juvéniles ont été soumises à des vite<strong>sse</strong>s épuisantes<br />
dans un canal expérimental alimenté en eau de rivière. Ce canal long de 12 m,<br />
comporte un élargi<strong>sse</strong>ment rectangulaire local dans lequel une circulation d’eau est<br />
forcée par l’installation d’un épi de dérivation. Grâce à cet artifice, la majeure partie des<br />
poissons impliqués dans les essais se dirige vers le refuge. En optimisant la position<br />
et l’orientation de cet épi, le taux de présence moyen a atteint 87%. Recherchant à<br />
déceler les conditions hyd<strong>ra</strong>uliques qui attirent les poissons, des champs de vite<strong>sse</strong>s<br />
2D ont été simulés dans le plan horizontal et des profils de vite<strong>sse</strong>s verticaux ont été<br />
mesurés par ult<strong>ra</strong>sons. Cette documentation a permis de reconnaître les vite<strong>sse</strong>s<br />
recherchées par les poissons pour rejoindre le refuge. Sur cette base la configu<strong>ra</strong>tion<br />
la plus prometteuse a été identifiée, et des recommandations sont proposées pour<br />
la réalisation de prototypes de refuges en rivière.<br />
Zusammenfassung<br />
Um die Auswi<strong>rk</strong>ungen von Schwall und Sunk in Flü<strong>sse</strong>n unterhalb Speiche<strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en<br />
zu vermindern, wurde die Wi<strong>rk</strong>ung von an Ufern angeordneten Buchten untersucht,<br />
welche als Fischrefugien dienen können. Die experimentelle Studie wurde in einem<br />
Versuchskanal mit Flusswa<strong>sse</strong>r und Forellenjährlingen durchgeführt, indem letztere<br />
Fliessbedingungen ausgesetzt wurden wie sie bei Schwall und Sunk vo<strong>rk</strong>ommen. In<br />
einem Kanal von 12 m Länge wurde seitlich eine rechteckförmige Bucht als Fischrefugium<br />
angeordnet. Eine Umlenkbuhne bewi<strong>rk</strong>te dass eine bestimmte Abflussmenge<br />
vom Kanal in diese Bucht umgelenkt wurde. Dank dieser in die Bucht eintretende Abflussmenge,<br />
wurden die meisten Fische von diesem Refugium während Schwall und<br />
Sunk angezogen. Mit einer optimalen Ausgestaltung dieser Umlenkbuhne resp. -insel<br />
konnte ein mittlere Aufenthaltszeit der Fische im Refugium von 87% erreicht werden.<br />
Um die hyd<strong>ra</strong>ulischen Bedingungen be<strong>sse</strong>r zu verstehen, welche für die Lockströmung<br />
in die Bucht ve<strong>ra</strong>ntwortlich sind, wurden 2D-Strömungsberechnungen durchgeführt<br />
sowie die horizontalen und vertikalen Geschwindigkeitsverteilungen im Versuchskanal<br />
mit Ult<strong>ra</strong>schallsonden geme<strong>sse</strong>n. Die beobachteten Fliesswege der Fische in<br />
die seitliche Bucht geben einen klaren Hinweis über die Geschwindigkeitsverteilung,<br />
welche erforderlich ist, so dass die meisten Fische das Refugium schnell finden. Aufgrund<br />
der erfolgversprechendsten Anordnung von Bucht und Umlenkbuhne können<br />
erste Empfehlungen für die Umsetzung von Uferbuchten als Rückzugmöglichkeit für<br />
Fische während Schwall und Sunk in Fliessgewä<strong>sse</strong>rn abgegeben werden.<br />
1. Problématique des éclusées<br />
La problématique des éclusées est associée<br />
à la production d’électricité à partir des<br />
cent<strong>ra</strong>les hyd<strong>ra</strong>uliques à accumulation. Par<br />
vocation, la production d’électricité répond<br />
à la demande des consommateurs dont<br />
elle suit les variations au cours du temps.<br />
Les aménagements hydroélectriques<br />
constitués d’un ou plusieurs réservoirs,<br />
sont particulièrement bien adaptés pour<br />
produire l’énergie électrique nécessaire<br />
pour couvrir les pointes journalières. En<br />
Sui<strong>sse</strong>, la production des cent<strong>ra</strong>les à<br />
accumulation représente plus du tiers de la<br />
consommation totale. Selon les prévisions,<br />
il est encore possible, d’augmenter la<br />
production de ces aménagements de 6%<br />
en moyenne annuelle, et de 20% en hiver<br />
(Schleiss, 2007). Les rivières alpines et<br />
préalpines d’importance sont directement<br />
Figure 1. Canal expérimental de la Maig<strong>ra</strong>uge,<br />
Fribourg (Sui<strong>sse</strong>).<br />
concernées.<br />
L’un des corollaires de ce mode<br />
d’exploitation dit «par éclusées», est une<br />
modification du régime hydrologique des<br />
cours d’eau concernés (Meile & al. 2011).<br />
Sans précautions particulières, le régime<br />
naturel est affecté la plupart du temps, par<br />
une alternance cadencée et monotone des<br />
débits, en aval des points de restitution.<br />
Il est alors question de débits maximaux<br />
valant de 10 à 40 fois les débits de base.<br />
Ces derniers correspondent en géné<strong>ra</strong>l<br />
aux débits naturels et dans certains cas<br />
aux débits de dotation. Depuis plus de<br />
3 décennies, les impacts négatifs de ce<br />
régime artificiel d’éclusées sont étudiés.<br />
Le <strong>ra</strong>pport final du projet «Réseau sui<strong>sse</strong><br />
poissons en diminution» (Fischnetz, 2004)<br />
relève une diminution de 60% de la prise<br />
de truites dans les rivières sui<strong>sse</strong>s depuis<br />
1980. La pauvreté en refuges naturels dans<br />
les rivières chenalisées, combinée avec<br />
le stress induit par les éclusées figurent<br />
parmi les causes du déclin piscicole<br />
observé. En relation avec les éclusées,<br />
Peter & Schager (Fischnetz, 2004)<br />
soulignent l’importance de la morphologie<br />
et du degré d’aménagement sur l’impact<br />
320 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
écologique des éclusées. Ils préconisent<br />
l’amélio<strong>ra</strong>tion prioritaire de la qualité des<br />
habitats dans les tronçons influencés.<br />
Le <strong>ra</strong>pport de synthèse «Schwall/Sunk»<br />
du projet Rhône-Thur (2005), mentionne<br />
pour les régions alpines, les variations de<br />
la tempé<strong>ra</strong>ture de l’eau et de sa turbidité<br />
comme effets nuisibles des éclusées, en<br />
plus du colmatage des lits et des crues<br />
artificielles hivernales qui affectent les<br />
f<strong>ra</strong>yères. A propos des conséquences<br />
écologiques des éclusées, la revue<br />
bibliog<strong>ra</strong>phique de l’OFEV (2003) donne<br />
un état de l’art. Elle propose un cadre<br />
méthodologique pour l’évaluation des<br />
impacts et des recommandations pour<br />
atténuer leurs effets.<br />
2. Intérêt d’un refuge laté<strong>ra</strong>l<br />
pour les poissons<br />
Les préoccupations concernant la gestion<br />
des éclusées ne sont pas récentes.<br />
En 1939, Vibert affirmait que le maintien de<br />
débits minimaux en aval des bar<strong>ra</strong>ges ne<br />
constituait pas une mesure suffisante pour<br />
protéger les poissons. Plus récemment,<br />
Heller (2007) a proposé une gestion des<br />
débits d’éclusées par épanchement<br />
dans un aménagement hyd<strong>ra</strong>ulique à<br />
buts multiples, attenant au cours d’eau<br />
principal. Dans ce contexte, Pellaud<br />
(2007) a montré que la meilleure réponse<br />
écologique d’un tel aménagement résulte<br />
de la combinaison d’un marnage mitigé et<br />
d’une morphologie diversifiée des berges<br />
du cours d’eau. En réponse à ce dernier<br />
point, le refuge à poissons proposé ici<br />
contribue à l’amélio<strong>ra</strong>tion des habitats<br />
laté<strong>ra</strong>ux. Il fait suite aux t<strong>ra</strong>vaux de Meile<br />
(2007) qui a étudié l’influence de macrorugosités<br />
de berges sur l’atténuation des<br />
éclusées.<br />
Du<strong>ra</strong>nt les éclusées, les vite<strong>sse</strong>s<br />
d’écoulement élevées affaibli<strong>sse</strong>nt les<br />
poissons et provoquent leur dépéri<strong>sse</strong>ment<br />
ainsi que celui des invertébrés (Jungwirth<br />
& al., 2003). Lors de l’arrêt des turbines,<br />
l’abai<strong>sse</strong>ment <strong>ra</strong>pide du plan d’eau peut<br />
également ent<strong>ra</strong>iner l’échouage des<br />
poissons sur le subst<strong>ra</strong>t du lit majeur<br />
(Baumann & Klaus, 2003). Une dég<strong>ra</strong>dation<br />
géné<strong>ra</strong>le des habitats naturels est aussi<br />
observée le long des rivières concernées<br />
(Valentin & al. 1996, Ovidio & al. 2006,<br />
Gou<strong>ra</strong>ud & al. 2008). Elle est principalement<br />
engendrée par la modification du régime<br />
de charriage (Baumann & Klaus 2003,<br />
Eberstaller & Pinka 2001). Face à ces<br />
impacts, le refuge laté<strong>ra</strong>l s’inscrit comme<br />
mesure de protection des poissons contre<br />
les vite<strong>sse</strong>s d’écoulement excessives,<br />
dans les rivières soumises aux éclusées.<br />
Figure 2. Pa<strong>ra</strong>mètres hyd<strong>ra</strong>uliques du canal mis en relation avec les courbes de préférence<br />
de vite<strong>sse</strong> pour la truite fario au stade juvénile (tiré de Visma<strong>ra</strong> & al. 2001).<br />
Figure 3. Configu<strong>ra</strong>tions de refuge testées. Le t<strong>ra</strong>it g<strong>ra</strong>s représente la paroi de dérivation.<br />
3. Etude expérimentale<br />
Face à l’intérêt revêtu par l’installation de<br />
refuges laté<strong>ra</strong>ux, l’objectif de la présente<br />
recherche est d’en élaborer les formes et<br />
les conditions d’implantation, dans le but<br />
de maximiser leur taux d’occupation par les<br />
poissons lors des éclusées. Elle débouche<br />
sur des recommandations en vue de la<br />
réalisation de prototypes en rivière.<br />
L’approche expérimentale consiste<br />
à mettre des poissons en situation<br />
d’éclusée dans un canal comprenant<br />
un refuge laté<strong>ra</strong>l. Dans ce but, un canal<br />
ad hoc a été construit dans l’ancienne<br />
usine hydroélectrique de la Maig<strong>ra</strong>uge,<br />
à Fribourg (Sui<strong>sse</strong>). Ce site a été choisi<br />
car il bénéficie d’une alimentation en eau<br />
cou<strong>ra</strong>nte prélevée de la Sarine. D’une<br />
longueur utile de 12 m, le canal a une<br />
largeur de 1.2 m (Figure 1). Le refuge à<br />
parois vitrées, est aménagé en rive droite<br />
sur une largeur de 1.2 m et une longueur<br />
de 2 m. Le fond du canal, peint en blanc<br />
pour une meilleure visibilité des poissons,<br />
est constitué de galets colmatés au<br />
mortier. Le fond du refuge est recouvert<br />
de galets de rivière. L’éclusée est générée<br />
par l’ouverture de la vanne de régulation.<br />
Le débit est mesuré en continu, au même<br />
titre que la tempé<strong>ra</strong>ture de l’eau. Les<br />
dimensions du canal sont adaptées à<br />
l’espèce de poissons retenue pour les<br />
essais. Il s’agit en l’occurrence de la truite<br />
fario (Salmo trutta fario) juvénile (0+ et 1+).<br />
Elle a été choisie pour sa représentativité<br />
de la population des rivières sui<strong>sse</strong>s<br />
concernées par les éclusées, et son stade<br />
de croissance pour sa vulné<strong>ra</strong>bilité. De<br />
surcroit, elle a fait l’objet d’importantes<br />
recherches biologiques (Schager & Peter,<br />
2001–2002), notamment en relation avec<br />
les éclusées (Murchie & al. 2008, Gou<strong>ra</strong>ud<br />
& al. 2008, Flodma<strong>rk</strong> 2006, Valentin 1995,<br />
Scruton & al. 2003).<br />
Les dimensions du canal sont<br />
fixées de manière à disposer de conditions<br />
de vite<strong>sse</strong>s moyennes successivement<br />
favo<strong>ra</strong>bles et défavo<strong>ra</strong>bles, au sens<br />
des courbes de préférence d’habitat de<br />
l’espèce cible (Visma<strong>ra</strong> & al. 2001, Figure 2<br />
droite). Disposant d’un débit maximum<br />
de 220 l/s, la vite<strong>sse</strong> moyenne dans le<br />
canal pa<strong>sse</strong> de 0.1 m/s pour l’écoulement<br />
du débit de base de 10 l/s, à 0.8 m/s en<br />
situation d’éclusée (Figure 2 gauche),<br />
sous des hauteurs d’eau respectives de<br />
0.10 et 0.24 m. D’autre part, la surface au<br />
sol du canal est fixée par la densité des<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 321<br />
Flussgebietsmanagement
Flussgebietsmanagement<br />
poissons. Souhaitant mettre en action<br />
10 ou 20 poissons par essai, les densités<br />
retenues sont de 1 à 2 poissons/m 2 dans<br />
le canal et de 5 à 10 poissons/m 2 dans le<br />
refuge.<br />
Les individus d’une longueur<br />
moyenne de 16.5 cm, ont été capturés à<br />
l’état sauvage, par pêche électrique au<br />
Tannenbach à Büttisholz (LU). Sur le site<br />
expérimental, ils séjournaient dans un<br />
aquarium alimenté en eau de rivière et<br />
étaient nourris avec des macroinvertébrés<br />
vivants. Une marque distinctive permettait<br />
de partager l’effectif expérimental en 2<br />
groupes de 10 poissons, qui étaient soumis<br />
chacun à 5 séquences d’éclusée d’une<br />
durée de 3 heures, réparties régulièrement<br />
sur 3 semaines. A la fin de cette période,<br />
ils étaient <strong>ra</strong>pportés sur le site de capture<br />
et remplacés par un nouveau groupe de<br />
20 individus.<br />
Concernant la tempé<strong>ra</strong>ture de<br />
l’eau, différentes études (Küttel & al. 2002,<br />
Jungwirth & al. 2003) font état d’une vitalité<br />
du poisson optimale et peu influencée<br />
par les variations de ce pa<strong>ra</strong>mètre, dans<br />
l’intervalle de 6 à 14°C. Pour se trouver<br />
dans cette situation, les essais se sont<br />
déroulés au printemps et en automne,<br />
au cours des années 2008 et 2009.<br />
Préalablement à chaque essai le débit de<br />
10 l/s était établi et les poissons introduits<br />
à l’entrée du canal, dans un compartiment<br />
provisoirement cloisonné. Après une<br />
phase d’acc<strong>lima</strong>tation, les poissons<br />
étaient libérés et le débit augmenté en<br />
quelques minutes à 220 l/s, puis maintenu<br />
pendant 3 heures. Du<strong>ra</strong>nt cette période<br />
d’essai, la position des poissons était<br />
relevée visuellement à intervalles de 20<br />
minutes, et leurs déplacements étaient<br />
enregistrés par une camé<strong>ra</strong> vidéo installée<br />
à l’aplomb de la zone du refuge. Afin de<br />
valider les résultats, chaque configu<strong>ra</strong>tion<br />
du refuge a été testée 3 fois. Le 1 er et le 2 ème<br />
essai étaient réalisés avec deux groupes<br />
distincts de 10 poissons et le 3 ème avec les<br />
20 poissons. Chaque individu bénéficiait<br />
d’un temps de repos d’au moins 24 heures<br />
entre 2 essais.<br />
Afin de pouvoir générer de nouvelles<br />
configu<strong>ra</strong>tions de refuge à partir des<br />
observations antécédentes, une connaissance<br />
des champs de vite<strong>sse</strong>s dans<br />
le secteur concerné était nécessaire. Ils<br />
ont été produits par simulation numérique<br />
2D avec le logiciel BASEMENT «BASic<br />
EnvironMENT for simulation of natu<strong>ra</strong>l flow<br />
and hazard simulation» (Faeh & al. 2010),<br />
qui résout les équations des écoulements<br />
non-permanents à surface libre, par la<br />
méthode des volumes finis. La constitution<br />
du maillage, le pré- et post-t<strong>ra</strong>itement des<br />
données ainsi que la visualisation des<br />
résultats ont été effectués avec le logiciel<br />
SMS «Surface Water Modelling System».<br />
A la suite des essais avec les<br />
poissons, chaque configu<strong>ra</strong>tion a également<br />
fait l’objet d’une série de mesures de<br />
profils verticaux de vite<strong>sse</strong>s d’écoulement<br />
avec la technique UVP (Ult<strong>ra</strong>sonic Velocity<br />
Profiler). Six sondes alignées en pa<strong>ra</strong>llèle<br />
sur un support, étaient disposées successivement<br />
au droit de 4 sections ca<strong>ra</strong>ctéristiques:<br />
2 sections t<strong>ra</strong>nsversales dans<br />
le canal, en amont et en aval du refuge, et 2<br />
autres sur la section interface entre le canal<br />
et le refuge, en amont et en aval de la paroi<br />
de dérivation.<br />
4. Optimisation de la configu<strong>ra</strong>tion<br />
du refuge laté<strong>ra</strong>l<br />
La configu<strong>ra</strong>tion basique du refuge a été<br />
testée initialement (Configu<strong>ra</strong>tion C0 de la<br />
Figure 3). Ces premiers essais mont<strong>ra</strong>ient<br />
que l’att<strong>ra</strong>ctivité de cette simple cavité<br />
aménagée dans la berge, est très limitée<br />
pour le poisson. Les comptages donnent<br />
une fréquentation moyenne du refuge de<br />
33%, ca<strong>ra</strong>ctérisée par une forte variabilité<br />
au cours des 3 heures d’essai. Ce désintérêt<br />
relatif peut s’expliquer par le faible<br />
échange d’eau entre le canal et le refuge.<br />
Afin de créer un flux att<strong>ra</strong>ctif dans<br />
le refuge, une paroi plane et verticale a été<br />
placée perpendiculairement à l’écoulement<br />
principal, au milieu de la ligne interface<br />
(Configu<strong>ra</strong>tion C1 de la Figure 3), sur toute<br />
la hauteur d’eau. L’extrémité extérieure<br />
de cette paroi pénètre de 30 cm dans la<br />
section du canal et son extrémité intérieure<br />
lai<strong>sse</strong> un espace de 50 cm jusqu’à la paroi<br />
du refuge. Du<strong>ra</strong>nt les 3 essais d’une durée<br />
de 3 heures chacun, 74% des poissons<br />
en jeu étaient en moyenne présents dans<br />
le refuge (Figure 7). Cette performance<br />
résulte de la circulation d’un débit de 43 l/s<br />
dans le refuge, forcée par la présence de<br />
la paroi de dérivation. Ce débit représente<br />
19% du débit total de 220 l/s (Figure 6). Sur<br />
la base de ce résultat, une maximisation de<br />
la présence moyenne a été recherchée par<br />
Figure 4. Champ de vite<strong>sse</strong>s simulé par BASEMENT 2D, pour la configu<strong>ra</strong>tion C1. Eléments<br />
significatifs de l’écoulement au voisinage et à l’intérieur du refuge.<br />
Figure 5. Distribution des vite<strong>sse</strong>s d’écoulement le long de la ligne interface (ligne<br />
continue), à 0.025 m du fond, superposée à la distribution du nombre d’entrées des<br />
poissons (bâtonnets verticaux), pour la configu<strong>ra</strong>tion C1.<br />
322 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
la production systématique d’un ensemble<br />
de configu<strong>ra</strong>tions (Figure 3). Celles-ci se<br />
distinguent par la position et l’orientation<br />
de la paroi de dérivation autour de 3 points<br />
fixes, dont 2 correspondent aux extrémités<br />
de la paroi de la configu<strong>ra</strong>tion C1 et le 3 ème<br />
au centre de la ligne interface.<br />
La procédure méthodologique<br />
décrite précédemment a ainsi été appliquée<br />
aux 12 configu<strong>ra</strong>tions retenues.<br />
Chacune est documentée par un champ<br />
de vite<strong>sse</strong>s simulé avec BASEMENT 2D,<br />
un ensemble de 27 fiches de relevés<br />
de la position des poissons, 9 heures<br />
Figure 6. Débits dérivés dans le refuge <strong>ra</strong>pportés au débit total t<strong>ra</strong>nsitant dans le canal<br />
expérimental, pour chaque configu<strong>ra</strong>tion.<br />
Figure 7. Taux de présence des poissons dans le refuge, moyennés sur les 3 essais<br />
relatifs à chaque configu<strong>ra</strong>tion, valeurs maximales, moyennes et minimales, avec<br />
mention chiffrée des valeurs moyennes.<br />
Figure 8. Dimensions proportionnelles du refuge pour la configu<strong>ra</strong>tion C8. L’unité est<br />
donnée par la largeur de la zone d’influence du refuge, inférieure ou égale à la demilargeur<br />
du cours d’eau.<br />
d’enregistrement vidéo, et 24 profils<br />
de vite<strong>sse</strong>s mesurés par UVP dans 4<br />
sections. Ces informations permettent<br />
de définir le débit dérivé dans le refuge<br />
(Figure 6), le taux de présence moyen<br />
de poissons dans le refuge (Figure 7), le<br />
nombre de passages de poissons ent<strong>ra</strong>nt<br />
dans le refuge à t<strong>ra</strong>vers la ligne interface<br />
décomposée en intervalles de 10 cm, ainsi<br />
que les vite<strong>sse</strong>s d’écoulement rencontrées<br />
au milieu des mêmes intervalles. Les<br />
structures d’écoulement significatives de<br />
la configu<strong>ra</strong>tion C1 sont mises en évidence<br />
sur la Figure 4, en superposition du champ<br />
de vite<strong>sse</strong>s simulées avec BASEMENT 2D.<br />
Concernant la distribution des vite<strong>sse</strong>s le<br />
long de la ligne interface (Figure 5), elle<br />
montre 2 pointes, l’une pour le flux ent<strong>ra</strong>nt<br />
dans le refuge et l’autre pour le flux sortant.<br />
Chacune est attenante à une zone de<br />
vite<strong>sse</strong>s en sens opposé, délimitée par un<br />
point intermédiaire où la vite<strong>sse</strong> s’annule,<br />
le point de cisaillement. Quant aux entrées<br />
des poissons (Figure 5), elles ont lieu de<br />
manière préférentielle aux alentours du<br />
point de cisaillement, là où le g<strong>ra</strong>dient de<br />
vite<strong>sse</strong>s est important. Par ailleurs elles<br />
sont nettement plus nombreuses dans la<br />
partie de la section interface située en aval<br />
de la paroi de dérivation.<br />
L’ensemble de ces constatations<br />
est géné<strong>ra</strong>lisable à toutes les configu<strong>ra</strong>tions<br />
qui comprennent une paroi de<br />
dérivation. A cet égard, il est clairement<br />
démontré que les vite<strong>sse</strong>s recherchées<br />
par les poissons pour entrer dans le<br />
refuge sont majoritairement comprises<br />
entre 0 et 0.3 m/s. Il est dès lors possible<br />
de conclure à l’importance de la structure<br />
des écoulements dans le refuge. D’une<br />
part, le cou<strong>ra</strong>nt dérivé est indispensable<br />
pour attirer le poisson vers le refuge,<br />
d’autre part, les cellules de rotation sont<br />
e<strong>sse</strong>ntielles pour faciliter leur entrée.<br />
Les résultats présentés sur la<br />
Figure 7, montrent que les configu<strong>ra</strong>tions<br />
C8 et C3 ont les meilleurs taux de<br />
présence, soit 87 et 82% respectivement.<br />
Ces 2 configu<strong>ra</strong>tions ont en commun la<br />
position et l’orientation de la face amont<br />
de la paroi de dérivation, qui peuvent être<br />
considérées comme les plus favo<strong>ra</strong>bles.<br />
Avec son taux de présence maximum, la<br />
configu<strong>ra</strong>tion C8 est proposée comme<br />
référence pour la réalisation de prototypes<br />
en rivière (Figure 8).<br />
5. Recommandations<br />
Pour la t<strong>ra</strong>nsposition en rivière du refuge<br />
expérimental, la question des dimensions<br />
adéquates se pose en premier ordre. Le<br />
problème réside dans la définition de<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 323<br />
Flussgebietsmanagement
Flussgebietsmanagement<br />
Figure 9. Distribution des vite<strong>sse</strong>s d’écoulement le long de la ligne interface (ligne<br />
continue), à 0.025 m du fond, superposée à la distribution du nombre d’entrées par<br />
poisson (bâtonnets verticaux), dans la configu<strong>ra</strong>tion C8.<br />
Figure 10. Champ de vite<strong>sse</strong>s simulé par BASEMENT 2D, pour la configu<strong>ra</strong>tion C8, proposée<br />
pour la réalisation de prototypes en rivière. Les t<strong>ra</strong>its g<strong>ra</strong>s indiquent les parois à<br />
bien marquer dans le projet, les pointillés indiquent les zones de t<strong>ra</strong>nsition.<br />
l’emprise nécessaire de la zone d’influence<br />
du refuge sur la largeur de la rivière, pour<br />
attirer le poisson. Différents scénarios<br />
examinés (Ribi, 2011) conduisent à<br />
proposer la règle suivante:<br />
Au delà d’une valeur minimale de 10 m<br />
qui s’impose pour se prémunir contre<br />
les obstructions, la longueur de la ligne<br />
interface dev<strong>ra</strong>it être comprise entre<br />
la moitié de la largeur du lit, pour des<br />
cours d’eau importants et sa totalité<br />
pour de petites rivières. Toutes les autres<br />
dimensions du refuge sont à reporter<br />
proportionnellement, en référence à celles<br />
de la Figure 8.<br />
D’un point de vue constructif, il<br />
est e<strong>sse</strong>ntiel de reproduire fidèlement<br />
la structure des écoulements dans le<br />
refuge, en particulier le profil de vite<strong>sse</strong>s<br />
dans la section interface (Figure 9). Pour<br />
y parvenir il est nécessaire d’implanter en<br />
conformité les parois qui guident le débit<br />
dérivé dans le refuge (Figure 10). Leur<br />
parement dev<strong>ra</strong>it être constitué de blocs<br />
d’enrochement empilés en pente <strong>ra</strong>ide sur<br />
plus de la moitié de la hauteur de marnage,<br />
avec des extrémités bien marquées. Les<br />
autres faces peuvent être aménagées<br />
avec des enrochements en pente douce<br />
(Figure 11). Le subst<strong>ra</strong>t du fond du refuge<br />
doit être semblable à celui de la rivière.<br />
Sur le profil t<strong>ra</strong>nsversal (Figure 11),<br />
une surélévation du fond du refuge de<br />
l’ordre de 0.5 à 1.0 m par <strong>ra</strong>pport au lit de<br />
la rivière est préconisée, pour favoriser le<br />
t<strong>ra</strong>nsit des alluvions charriées en situation de<br />
crue. Cette mesure requiert le maintien d’un<br />
niveau d’eau minimum d’autant plus élevé,<br />
afin de préserver les habitats dans le refuge.<br />
Si le niveau d’eau minimum souhaité dans<br />
le refuge est de l’ordre de 0.5 m, la hauteur<br />
d’eau minimale dans la rivière adjacente doit<br />
être supérieure à 1.0 m.<br />
Concernant l’équidistance entre<br />
les refuges, 2 critères peuvent être<br />
avancés. Le premier concerne la densité<br />
de poissons. Si celle du refuge peut être<br />
estimée à 10 à 20 individus/m 2 , celle<br />
du lit est variable dans une proportion<br />
supérieure à 1/10 selon la taille de la<br />
rivière (Schager & Peter, 2007). Le second<br />
critère concerne la capacité du poisson<br />
à rejoindre un refuge en phase montante<br />
de l’éclusée. La distance recherchée<br />
est alors celle que les poissons peuvent<br />
parcourir en vite<strong>sse</strong> de croisière avant<br />
qu’ils ne soient emportés par le cou<strong>ra</strong>nt.<br />
A cet égard, un accroi<strong>sse</strong>ment de débit en<br />
paliers peut augmenter leur distance de<br />
parcours. Dans les 2 cas, la détermination<br />
de l’équidistance est dépendante du cas<br />
d’espèce, soit de la rivière concernée<br />
et du déroulement des éclusées qu’elle<br />
subit. Des investigations expérimentales<br />
en rivière sont donc requises pour se<br />
prononcer sur ce point.<br />
Quant à la distribution des refuges<br />
le long des berges, elle est en principe<br />
prévue en alternance de part et d’autre du<br />
cours d’eau. En réalité il faud<strong>ra</strong> éviter des<br />
zones d’atterri<strong>sse</strong>ments potentiels.<br />
6. Conclusions<br />
Les principaux enseignements tirés de<br />
cette recherche peuvent se résumer<br />
comme suit:<br />
En situation d’éclusées, le refuge<br />
laté<strong>ra</strong>l simple est une mesure faible -<br />
ment att<strong>ra</strong>ctive pour le poisson.<br />
L’installation dans le refuge d’un épi de<br />
dérivation d’une partie du cou<strong>ra</strong>nt,<br />
produit un att<strong>ra</strong>it remarquable pour<br />
le poisson. L’orientation et la position<br />
de cet épi permettent de maximiser la<br />
performance.<br />
La restitution au canal du débit dérivé<br />
produit le cou<strong>ra</strong>nt d’att<strong>ra</strong>it. Les poissons<br />
entrent principalement dans le<br />
refuge par la section située en aval de<br />
la paroi de dérivation. Ils recherchent<br />
le point de cisaillement pour rejoindre<br />
la cellule de rotation, attenante au<br />
couloir de circulation du débit dérivé.<br />
La configu<strong>ra</strong>tion C8 est recommandée<br />
pour la réalisation de prototypes en<br />
rivière (Figure 11). Outre le taux de<br />
présence maximum qu’elle induit, cette<br />
configu<strong>ra</strong>tion présente l’avantage<br />
d’un épi de dérivation en forme d’ilot.<br />
Son emprise massive lui donne une<br />
bonne stabilité et la végétation qui<br />
pour<strong>ra</strong> s’implanter à sa surface contribue<strong>ra</strong><br />
à la valorisation écologique<br />
et paysagère de l’ouv<strong>ra</strong>ge.<br />
Préalablement à la réalisation<br />
géné<strong>ra</strong>lisée de refuges, une validation en<br />
rivière doit être opérée. De cette façon,<br />
l’adaptation du dispositif se<strong>ra</strong> testée avec<br />
324 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Figure 11. Esqui<strong>sse</strong> pour un prototype de refuge avec des dimensions minimales indicatives<br />
[m] : a) Vue en plan, b) Coupe t<strong>ra</strong>nsversale en amont de l’ilot de dérivation.<br />
d’autres espèces à d’autres stades de<br />
croissance, sous toutes conditions de<br />
tempé<strong>ra</strong>ture. Selon cette démarche, les<br />
présentes recommandations seront utiles<br />
à la réalisation de prototypes de refuges,<br />
qui feront l’objet d’un suivi scientifique.<br />
A l’issue de ce processus le produit se<strong>ra</strong><br />
véritablement opé<strong>ra</strong>tionnel.<br />
Remerciements<br />
Les partenaires académiques de cette recherche<br />
sont le Labo<strong>ra</strong>toire de Constructions<br />
Hyd<strong>ra</strong>uliques de l’EPFL, l’EAWAG et l’Ecole<br />
d’Ingénieurs et d’Architectes de Fribourg. Elle<br />
est au bénéfice d’un subside CTI sous-projet<br />
9676.1 PFIW-IW «Nachhaltige Nutzung der<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> – Innovative Massnahmen zur Reduzierung<br />
der Schwall- und Sunkproblematik».<br />
Les partenaires de l’économie sont le Groupe-E<br />
SA, l’Etat de Fribourg, Ribi SA et KWO-Grimselstrom.<br />
La recherche fait également partie<br />
du projet interdisciplinaire «Integ<strong>ra</strong>les Flussgebietsmanagement»<br />
(Schleiss & al. 2008) soutenu<br />
par l’OFEV. Le canal expérimental a été<br />
financé par l’EIA-Fr et a pu être installé à l’usine<br />
de la Maig<strong>ra</strong>uge grâce à la bienveillance du<br />
Groupe-E SA. Les simulations numériques ont<br />
été effectuées avec la collabo<strong>ra</strong>tion de Kathrina<br />
Steffen dans le cadre de son projet de master<br />
à l’EPFL.<br />
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Flussgebietsmanagement
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Adre<strong>sse</strong> des auteurs<br />
Jean-Marc Ribi, Dr. Ecole d’Ingénieurs et<br />
d’Architectes (EIA-Fr), Pérolles 80, CH-1700<br />
Fribourg.<br />
Jean-Louis Boillat, Dr.<br />
Anton Schleiss, Prof. Dr.<br />
Labo<strong>ra</strong>toire de Constructions Hyd<strong>ra</strong>uliques<br />
(LCH), Ecole Polytechnique Fédé<strong>ra</strong>le de Lausanne<br />
(EPFL), LCH-IIC-EPFL, Station 18, CH-<br />
1015 Lausanne.<br />
Armin Peter, Dr. EAWAG, Seest<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 79,<br />
CH-6047 Kastanienbaum.<br />
326 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Der hydromorphologische Index<br />
der Diversität<br />
«eine Messlatte für das ökologische Potenzial von Hochwa<strong>sse</strong>rschutzprojekten»<br />
Walter Gostner, Anton Schleiss<br />
Zusammenfassung<br />
Im modernen Flussbau mü<strong>sse</strong>n nicht nur schutzwa<strong>sse</strong>rbauliche,<br />
sondern auch ökologische Anforderungen berücksichtigt<br />
werden. Durch entsprechende Gestaltung ist ein möglichst<br />
gro<strong>sse</strong>r Strukturreichtum anzustreben, da dieser zweifelsfrei<br />
eine der Grundvo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzungen für eine hohe Biodiversität in<br />
einem Fliessgewä<strong>sse</strong>r darstellt.<br />
Im vorliegenden Artikel wird ein neuer hydromorphologischer<br />
Index der Diversität (HMID) vorgestellt. Der HMID wurde im<br />
Rahmen des Forschungsprojektes «Integ<strong>ra</strong>les Flussgebietsmanagement»<br />
mittels umfangreicher Felderhebungen, numerischer<br />
Modellierungen und statistischer Analysen an drei<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>rn in der Schweiz entwickelt.<br />
Er enthält in seiner Formulierung die hyd<strong>ra</strong>ulischen Variablen<br />
Fliessgeschwindigkeit und Fliesstiefe, welche aufgrund der<br />
vorhandenen Wechselwi<strong>rk</strong>ungen mit anderen hyd<strong>ra</strong>ulischen<br />
und geomorphischen Grö<strong>sse</strong>n die Strukturvielfalt eines Fliessgewä<strong>sse</strong>rs<br />
zu cha<strong>ra</strong>kterisieren vermögen.<br />
Mit dem HMID steht dem Wa<strong>sse</strong>rbauer ein We<strong>rk</strong>zeug zur Verfügung,<br />
das es ihm erlaubt, bei Hochwa<strong>sse</strong>rschutzprojekten<br />
auch den Strukturreichtum zu optimieren und damit möglichst<br />
günstige hydromorphologische Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzungen für die Wiederherstellung<br />
der natürlichen Funktionen eines Fliessgewä<strong>sse</strong>rs<br />
zu schaffen.<br />
1. Einführung<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>r erfüllen wichtige ökologische,<br />
wirtscha<strong>ft</strong>liche und soziale Funktionen.<br />
Eingriffe an den Fliessgewä<strong>sse</strong>rn<br />
auf verschiedenen Ebenen waren und<br />
sind die Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzung für die Entwicklung<br />
unserer Zivilgesellscha<strong>ft</strong>en. Durch<br />
die mannigfaltigen Nutzungs- und Verbauungsformen<br />
zählen Fliessgewä<strong>sse</strong>r<br />
heutzutage jedoch zu den am vielfältigsten<br />
und schwersten beeinträchtigten Ökosystemen<br />
(Jungwirth et al., 2003). Zudem<br />
hat der klassische Hochwa<strong>sse</strong>rschutz o<strong>ft</strong><br />
seine gewünschte Wi<strong>rk</strong>ung nicht erreicht.<br />
Extreme Hochwä<strong>sse</strong>r haben gezeigt, dass<br />
ein absoluter Schutz nicht möglich ist und<br />
die t<strong>ra</strong>ditionellen He<strong>ra</strong>ngehensweisen zu<br />
überdenken sind.<br />
Aus diesen Beweggründen he<strong>ra</strong>us<br />
hat sich ein Wandel weg von einer sektoriellen<br />
Bet<strong>ra</strong>chtungsweise hin zu ganzheit-<br />
lichen und integ<strong>ra</strong>len Ansätzen vollzogen.<br />
In den einschlägigen Gesetzen hat dieser<br />
Pa<strong>ra</strong>digmenwechsel Eingang gefunden.<br />
Demnach mü<strong>sse</strong>n die Kantone nicht nur<br />
die Gefahrengebiete bezeichnen, sondern<br />
auch den Raumbedarf der Gewä<strong>sse</strong>r festlegen,<br />
der für den Schutz vor Hochwa<strong>sse</strong>r<br />
und für die Erfüllung der ökologischen<br />
Funktionen der Gewä<strong>sse</strong>r notwendig ist.<br />
Bei Hochwa<strong>sse</strong>rschutzprojekten sind also<br />
auch die ökologischen Defizite zu ermitteln<br />
und zu beheben. Weiters sind die Kantone<br />
verpflichtet, die Revitalisierung ihrer Gewä<strong>sse</strong>r<br />
vorzunehmen, wobei darunter die<br />
Wiederherstellung der natürlichen Funktionen<br />
der oberirdischen Fliessgewä<strong>sse</strong>r zu<br />
verstehen ist.<br />
Der Wa<strong>sse</strong>rbauingenieur benötigt<br />
demzufolge nicht mehr nur Instrumente<br />
zur fachgerechten Auslegung der Hochwa<strong>sse</strong>rschutzmassnahmen,<br />
vielmehr<br />
Résumé<br />
Dans l’ingénierie fluviale moderne, il est non seulement<br />
nécessaire de considérer les exigences de protection contre<br />
les crues, mais également les demandes écologiques. Avec<br />
une configu<strong>ra</strong>tion du lit optimisée, une riche<strong>sse</strong> structurelle<br />
peut être retrouvée. Elle représente sans aucun doute une des<br />
conditions de base pour une biodiversité élevée dans un cours<br />
d’eau.<br />
Dans le présent article, un nouvel indice hydro-morphologique<br />
de diversité (HMID) est présenté. Le HMID a été développé dans<br />
le cadre du projet «Gestion intég<strong>ra</strong>le des réseaux fluviaux» à<br />
l’aide d’investigations in situ, de modélisations numériques et<br />
d’analyses statistiques sur trois cours d’eau situés en Sui<strong>sse</strong>.<br />
Dans sa formulation, il contient les variables hyd<strong>ra</strong>uliques, tel<br />
que les vite<strong>sse</strong>s d’écoulement et les profondeurs d’eau, qui,<br />
suite aux correlations avec d’autres g<strong>ra</strong>ndeurs hyd<strong>ra</strong>uliques<br />
et géomorphiques, sont capables de ca<strong>ra</strong>ctériser la riche<strong>sse</strong><br />
structurelle d’un cours d’eau.<br />
En utilisant le HMID, l’ingénieur hyd<strong>ra</strong>ulicien dispose d’un<br />
outil qui lui permet d’optimiser la riche<strong>sse</strong> structurelle d’un<br />
cours d’eau, dans le cadre des projets de protection contre<br />
les crues. Par conséquent, il peut générer des conditions<br />
hydro-morphologiques optimales pour la restau<strong>ra</strong>tion de ses<br />
fonctions naturelles.<br />
muss er imstande sein, die Projekte so zu<br />
gestalten, dass auch die Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzungen<br />
für das ökologische Potenzial der Fliessgewä<strong>sse</strong>r<br />
verbe<strong>sse</strong>rt werden.<br />
Der in diesem Artikel vorgestellte<br />
«hydromorphologische Index der Diversität»<br />
(HMID) ist aus diesen Anforderungen<br />
he<strong>ra</strong>us im Rahmen des Forschungsprojektes<br />
«Integ<strong>ra</strong>les Flussgebietsmanagement»<br />
entstanden. Er soll als We<strong>rk</strong>zeug<br />
dienen, bei Hochwa<strong>sse</strong>rschutzprojekten<br />
die hydromorphologischen Eigenscha<strong>ft</strong>en<br />
des betroffenen Fliessgewä<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bschnitts<br />
so zu gestalten, dass möglichst gute Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzungen<br />
für de<strong>sse</strong>n natürliche Funktionen<br />
geschaffen werden. Durch die Ermittlung<br />
des HMID für verschiedene Projektvarianten<br />
und die Überprüfung weiterer<br />
hydromorphologischer Kriterien können<br />
die aus gesamtheitlicher Sicht zu priorisierenden<br />
Varianten festgelegt werden.<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 327<br />
Flussgebietsmanagement
Flussgebietsmanagement<br />
2. Der hydromorphologische<br />
Index der Diversität<br />
2.1 Strukturvielfalt als Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzung<br />
für die Funktionsfähigkeit<br />
der Gewä<strong>sse</strong>rökosysteme<br />
Für die Funktionsfähigkeit der Fliessgewä<strong>sse</strong>rlebensräume<br />
ist eine Vielzahl sich<br />
gegenseitig beeinflu<strong>sse</strong>nder Faktoren abiotischer<br />
und biotischer Natur mitbestimmend.<br />
Bei den abiotischen Faktoren spielen<br />
die hydromorphologischen Eigenscha<strong>ft</strong>en<br />
eine t<strong>ra</strong>gende Rolle. Stellt man<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>r mit natürlicher und künstlicher<br />
Morphologie einander gegenüber,<br />
ist in natürlichen Abschnitten (Beispiel in<br />
Bild 1, links) in der Regel eine gro<strong>sse</strong> Variabilität<br />
der Strömung, d.h. der hyd<strong>ra</strong>ulischen<br />
Variablen, zu e<strong>rk</strong>ennen. Zonen mit<br />
hoher Fliessgeschwindigkeit wechseln<br />
sich ab mit Bereichen mittlerer Fliesstiefe<br />
und -geschwindigkeit und mit Stellen hoher<br />
Tiefe und geringer Fliessgeschwindigkeit.<br />
Weiter gibt es Flachwa<strong>sse</strong>rbereiche mit<br />
geringer Strömung, Kiesbänke unterschiedlicher<br />
Höhe mit dementsprechend<br />
verschiedenen Vegetationscha<strong>ra</strong>kteristiken<br />
und Sukzessionsstadien, Vo<strong>rk</strong>ommen<br />
von Totholz und ein buntes Muster<br />
an verschiedenen Subst<strong>ra</strong>tgrö<strong>sse</strong>n. Auch<br />
ist zwischen dem Fliessgewä<strong>sse</strong>r und dem<br />
Umland o<strong>ft</strong> ein breiter Ufergürtel vorhanden.<br />
Man stellt also eine hohe Vielfalt an<br />
aquatischen und terrestrischen Lebensräumen<br />
fest. In kanalisierten Abschnitten<br />
hingegen (Beispiel in Bild 1, rechts) ist eine<br />
sta<strong>rk</strong>e Monotonie mit konstant bleibenden<br />
Strömungsmustern sowohl in Längs- als<br />
auch in Querrichtung und einem eingeschränkten<br />
Angebot an Lebensräumen zu<br />
beobachten.<br />
Die hydromorphologische Vielfalt,<br />
häufig auch als Strukturvielfalt bezeichnet,<br />
ist einerseits bedingt durch die morphologischen<br />
Eigenscha<strong>ft</strong>en, also durch die<br />
räumliche Variabilität, und andererseits<br />
durch das hydrologische bzw. abflussdynamische<br />
Geschehen, also durch die<br />
zeitliche Komponente. Aus dem Zusammenspiel<br />
von Morphologie mit dem Abfluss<br />
entstehen jene hyd<strong>ra</strong>ulischen Variablen<br />
(Fliesstiefe, Fliessgeschwindigkeit,<br />
Subst<strong>ra</strong>teigenscha<strong>ft</strong>en, u.a.), welche das<br />
Habitatangebot für aquatische Lebensgemeinscha<strong>ft</strong>en<br />
bestimmen, aber auch die<br />
Randbedingungen für die flussbegleitende<br />
Flo<strong>ra</strong> und Fauna.<br />
Die Veränderung und vor allem Homogenisierung<br />
der physikalischen Habitate<br />
mit der damit einhergehenden Ve<strong>ra</strong>rmung<br />
der Strukturvielfalt in den Fliessgewä<strong>sse</strong>rn<br />
ist die bedeutsamste Bedrohung für<br />
die Biodiversität und führt zu einer Reduzierung<br />
von Artenreichtum und Bioma<strong>sse</strong><br />
(Allan & Castillo, 2007). In der Schweiz<br />
sind rund 15 000 km der Fliessgewä<strong>sse</strong>r<br />
sta<strong>rk</strong> verbaut (BAFU 2010), dort sind verschiedene<br />
Fischarten nicht mehr vorhanden<br />
bzw. hat sich in den letzten Jahren die<br />
Fischbioma<strong>sse</strong> auf bis zu einem Zehntel<br />
dezimiert (Peter A. in Häusler, 2011). Im<br />
Umkehrschluss gilt der Grundsatz, dass<br />
die Vielfalt der Habitate in verschiedenen<br />
räumlichen Massstabsebenen eine der<br />
wichtigsten Grundvo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzungen für die<br />
Entwicklung und Erhaltung artenreicher<br />
Lebensgemeinscha<strong>ft</strong>en ist (Jungwirth et<br />
al., 2003).<br />
2.2 Grundlegende Hypothesen<br />
Aus diesen grundsätzlichen Bet<strong>ra</strong>chtungen<br />
leiten sich die zur Herleitung des hydromorphologischen<br />
Indexes der Diversität<br />
(HMID) folgenderma<strong>sse</strong>n postulierten<br />
Hypothesen ab (Gostner et al., 2011a,<br />
Gostner et al., 2011b):<br />
Die Strukturvielfalt eines Fliessgewäs -<br />
se<strong>ra</strong>bschnittes lässt sich mit Hilfe der<br />
hyd<strong>ra</strong>ulischen Grö<strong>sse</strong>n Fliessgeschwin-<br />
digkeit und Fliesstiefe sowie ihrer statistischen<br />
Pa<strong>ra</strong>meter cha<strong>ra</strong>kterisieren.<br />
Die statistischen Pa<strong>ra</strong>meter dieser hyd<strong>ra</strong>ulischen<br />
Grö<strong>sse</strong>n können anhand<br />
einer mathematischen Definition in einer<br />
Masszahl, dem HMID, kombiniert<br />
werden. Dieser cha<strong>ra</strong>kterisiert somit<br />
die Strukturvielfalt der aquatischen<br />
Lebensräume eines Fliessgewä<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bschnittes<br />
direkt und der flussbegleitenden<br />
Lebensräume indirekt.<br />
Die räumliche Variabilität der aquatischen<br />
Habitate ist in einem natürlichen<br />
oder naturnahen Fliessgewä<strong>sse</strong>r<br />
höher als in einem künstlichen,<br />
während die zeitliche Variabilität in<br />
einem künstlichen Fliessgewä<strong>sse</strong>r<br />
höher ist und dort somit eine geringere<br />
zeitliche Persistenz der Habitate<br />
gegeben ist.<br />
2.3 Anwendungsbereich<br />
Bisher war man in Ermangelung be<strong>sse</strong>rer<br />
Hilfsmittel bei Hochwa<strong>sse</strong>rschutzprojekten<br />
auf qualitative und gutachterliche<br />
Expertenbeurteilungen angewiesen, wenn<br />
es darum ging, auch die Strukturvielfalt zu<br />
verbe<strong>sse</strong>rn. Der HMID (siehe Infobox )<br />
trägt den Anforderungen nach einer quantitativen<br />
und objektiven Beurteilung Rechnung.<br />
Er besitzt nämlich die Fähigkeit zur<br />
Vorhersage. Anhand von numerischen Abflussmodellierungen<br />
und da<strong>ra</strong>uffolgender<br />
statistischer Analyse der massgebenden<br />
hyd<strong>ra</strong>ulischen Variablen kann der HMID für<br />
einzelne zur Diskussion stehende Varianten<br />
auf einfache Weise berechnet werden.<br />
Aus dem Vergleich des für die einzelnen<br />
Bild 1. Links: unverbauter, natürlicher Abschnitt an der Sense (Kt. Freiburg) mit Bereichen mittlerer Fliessgeschwindigkeit und<br />
–tiefe (Rinner) (1), Zonen hoher Fliessgeschwindigkeit (Furt) (2), hoher Fliesstiefe (Kolk) (3), Flachwa<strong>sse</strong>rbereichen (4), Kiesbänken<br />
unterschiedlicher Höhe (5), Totholz (6), wechselnden Subst<strong>ra</strong>teigenscha<strong>ft</strong>en (7) und einem breiten Ufergürtel (8).<br />
Rechts: verbauter, kanalartiger Abschnitt an der Bünz (Kt. Aargau) mit sta<strong>rk</strong> reduziertem Habitatangebot (aquatisch: Rinner, terrestrisch:<br />
Böschung konstanter Neigung mit G<strong>ra</strong>sbewuchs und Sträuchern).<br />
328 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Varianten berechneten Wertes für den<br />
HMID kann man jene Variante definieren,<br />
die das Fliessgewä<strong>sse</strong>r mit der besten<br />
Strukturvielfalt auszustatten imstande ist<br />
und deshalb die aus ökologischer Sicht<br />
zu priorisierende Variante darstellt. Auch<br />
kann eine Abschätzung darüber getroffen<br />
werden, inwieweit eine gewählte Variante<br />
sich in bezug auf die Strukturvielfalt an den<br />
Referenzzustand annähern kann.<br />
In zeitlicher Abfolge bet<strong>ra</strong>chtet reiht<br />
sich der HMID zwischen den Methoden,<br />
welche eine Bewertung des Ist-Zustandes<br />
Bild 2. Übersicht der untersuchten Fliessgewä<strong>sse</strong>r.<br />
eines Fliessgewä<strong>sse</strong>rs erlauben (z.B.<br />
BUWAL, 1998) und den Anlass zur Lancierung<br />
eines Projektes geben können, und<br />
den Methoden für die Erfolgskontrolle (z.B.<br />
Woolsey, 2005), welche nach Umsetzung<br />
des Projekts zur Anwendung kommen, ein.<br />
Er füllt damit jene Lücke, die zwischen der<br />
Bewertung von Fliessgewä<strong>sse</strong>rn vor und<br />
nach Durchführung eines Projektes liegt<br />
und schaf<strong>ft</strong> eine Möglichkeit, eine a-priori<br />
Bewertung vorzunehmen und die Projekte<br />
in strukturell-morphologischer Hinsicht zu<br />
optimieren.<br />
Der HMID ist an kiesführenden<br />
Alpenflü<strong>sse</strong>n, die in ihrem Referenzzustand<br />
entweder einen pendelnden bis hin<br />
zu einem gewundenen oder verzweigten<br />
Verlauf aufwiesen, entwickelt worden. Dieser<br />
morphologischer Flusstyp war in den<br />
Alpen häufig anzutreffen, weshalb sich für<br />
die Anwendung des HMID ein breites Betätigungsfeld<br />
ergibt.<br />
3. Herleitung und Entwicklung<br />
des HMID<br />
3.1 Durchgeführte Arbeiten<br />
3.1.1 Feldarbeiten<br />
An drei Fliessgewä<strong>sse</strong>rn in der Schweiz<br />
wurden umfangreiche Felderhebungen<br />
durchgeführt (siehe Bild 2). Bei der Auswahl<br />
der Fliessgewä<strong>sse</strong>r wurde da<strong>ra</strong>uf geachtet,<br />
dass Abschnitte mit unterschiedlicher<br />
morphologischer Ausprägung vorhanden<br />
sind, um die Strukturvielfalt am Fliessgewä<strong>sse</strong>r<br />
in Funktion der morphologischen<br />
Eigenscha<strong>ft</strong>en erfa<strong>sse</strong>n zu können.<br />
Die Bünz liegt im Kanton Aargau,<br />
hat ein Einzugsgebiet von 111 km 2 und<br />
mündet bei Wildegg in den Aare. Die Venoge<br />
hingegen weist eine Einzugsgebietsgrö<strong>sse</strong><br />
von 238 km 2 auf und mündet in den<br />
Genfer See. Die Sense wiederum entwä<strong>sse</strong>rt<br />
ein Einzugsgebiet mit einer Fläche<br />
von 432 km², sie mündet bei Laupen (Kan-<br />
Bild 3. Aufnahmen der Untersuchungsabschnitte. Bünz (oben): (1) durch Jahrhunderthochwa<strong>sse</strong>r 1999 geformtes pendelndes System<br />
(«Bünzaue»), (2) naturbela<strong>sse</strong>n pendelnd, (3) kanalisiert, (4) revitalisiert.<br />
Venoge (Mitte): (1) naturbela<strong>sse</strong>n ge<strong>ra</strong>dlinig, (2) kanalisiert, (3) kanalisiert, (4) naturbela<strong>sse</strong>n mäandrierend.<br />
Sense (unten): (1) naturbela<strong>sse</strong>n verzweigt, (2) naturbela<strong>sse</strong>n in einer Schlucht pendelnd, (3) naturbela<strong>sse</strong>n verzweigt, geringfügig<br />
verbaut, (4) rechtsufrig verbaut, linksufrig naturbela<strong>sse</strong>n, (5) kanalisiert.<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 329<br />
Flussgebietsmanagement
Flussgebietsmanagement<br />
ton Bern) in die Saane. Die untersuchten<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>r weisen pluviales bzw.<br />
nivo-pluviales Abflussregime auf, wobei<br />
sich das hydrologische Regime weitgehend<br />
in seinem natürlichen Zustand befindet.<br />
Es gibt nämlich keine bedeutenden<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bleitungen, auch sind keine grö<strong>sse</strong>ren<br />
Staustufen vorhanden. Die Sense<br />
kann auf einem Grossteil ihres Verlaufes<br />
als Referenzgewä<strong>sse</strong>r bezeichnet werden:<br />
sie weist eine nahezu naturbela<strong>sse</strong>ne Morphologie<br />
auf und ist vom längsten zusammenhängenden<br />
Auenwald der Schweiz<br />
flankiert.<br />
An jedem Fliessgewä<strong>sse</strong>r wurden<br />
mehrere Untersuchungsabschnitte festgelegt<br />
(siehe Bild 3). Entlang von Querprofilen<br />
erfolgte in einem Abstand von<br />
durchschnittlich 100–150 cm zwischen<br />
den einzelnen Messpunkten die Aufnahme<br />
der topog<strong>ra</strong>phischen Lage, der Sohlhöhe,<br />
der Wa<strong>sse</strong>rtiefe und der mittleren Fliessgeschwindigkeit<br />
(Übersicht über die wichtigsten<br />
Kenndaten der Untersuchungsabschnitte<br />
und der Messungen in Tabelle 1).<br />
An der Sense wurden zudem die Subst<strong>ra</strong>teigenscha<strong>ft</strong>en,<br />
die Höhe des bordvollen<br />
Abflu<strong>sse</strong>s, die Dichte der Ufervegetation<br />
und die Totholzvolumina erhoben,<br />
eine detaillierte Geländevermessung mit<br />
Erfassung des Talweges, der Kiesbänke,<br />
der Ufe<strong>ra</strong>nschlagslinien und aller anderen<br />
ma<strong>rk</strong>anten Bruchkanten im Gelände gemacht<br />
sowie eine Tempe<strong>ra</strong>turmesskampagne<br />
durchgeführt.<br />
3.1.2 Numerische Modellierung<br />
Die Felderhebungen stellen lediglich einen<br />
Schnappschuss der im Jahresverlauf au<strong>ft</strong>retenden<br />
Situationen dar. Da auch die<br />
zeitliche Variabilität der untersuchten Variablen<br />
für die Entwicklung des HMID von Intere<strong>sse</strong><br />
war, wurde für die Untersuchungsabschnitte<br />
an der Sense mit der So<strong>ft</strong>ware<br />
Basement eine numerische 2d-Modellierung<br />
durchgeführt. Diese bietet auch den<br />
Vorteil, dass im Gegensatz zur Aufnahme<br />
entlang von Querprofilen in jedem Element<br />
des Gitternetzes die hyd<strong>ra</strong>ulischen Variablen<br />
ermittelt werden, damit eine flächige<br />
Abbildung gegeben und somit eine be<strong>sse</strong>re<br />
Repräsentation der tatsächlichen Situation<br />
gewährleistet ist.<br />
Folgenden Daten dienten als Input<br />
für die Modellierung:<br />
Abflusswerte, abgelesen von Daue<strong>rk</strong>urven,<br />
die für jeden Untersuchungsabschnitt<br />
mithilfe von regionalisierten<br />
Modellen (Pfaundler & Zappa, 2006)<br />
und mittels Interpolation anhand der<br />
Abflussstatistik an drei im Einzugsgebiet<br />
vorhandenen Pegeln ermittelt wurden;<br />
aus der Vermessung gewonnene x-,<br />
y-, z-Koordinaten der Geländepunkte;<br />
Rauhigkeitsbeiwerte, welche anhand<br />
der mittels der Pebble-Count Metho -<br />
de (Wolman, 1954) ermittelten cha<strong>ra</strong>kteristischen<br />
Korndurchme<strong>sse</strong>r der<br />
Deckschicht berechnet und anhand<br />
der Feldmessungen und der Abfluss-<br />
Tabelle 1. Überblick über die Untersuchungsabschnitte mit den wichtigsten Kenndaten.<br />
tiefe bei bordvollem Abfluss geeicht<br />
wurden.<br />
3.2 Resultate<br />
3.2.1 Räumliche Variabilität<br />
Die Boxplots in Bild 4 zeigen an den jeweiligen<br />
Untersuchungsabschnitten die<br />
aus den Felderhebungen gewonnenen<br />
hyd<strong>ra</strong>ulischen Grö<strong>sse</strong>n Fliessgeschwindigkeit<br />
und Fliesstiefe, Tabelle 2 (oben)<br />
listet jeweils die Mittelwerte mit den dazugehörigen<br />
Standardabweichungen auf. In<br />
kanalisierten Abschnitten (S3 an der Bünz,<br />
S2 und S3 an der Venoge, S5 an der Sense)<br />
ist die Streuung und somit auch Diversität<br />
der Variablen gering. In diesen Abschnitten<br />
ist auch eine hohe durchschnittliche<br />
Fliessgeschwindigkeit zu beobachten,<br />
Ruhewa<strong>sse</strong>rzonen sind kaum vorhanden.<br />
An den natürlichen Abschnitten (S1 und S2<br />
an der Bünz, S1 und S4 an der Venoge, S1<br />
bis S3 an der Sense) hingegen lässt sich<br />
eine ausgeprägtere Variabilität der Grö<strong>sse</strong>n<br />
feststellen.<br />
Die statistische Auswertung bestätigt<br />
somit die visuelle Wahrnehmung<br />
(Bild 1). Mit dem G<strong>ra</strong>d der Naturbela<strong>sse</strong>nheit<br />
eines Fliessgewä<strong>sse</strong>rs nimmt auch<br />
die Variabilität der hyd<strong>ra</strong>ulischen Grö<strong>sse</strong>n<br />
zu. Je natürlicher also ein Gewä<strong>sse</strong>r<br />
ist, desto grö<strong>sse</strong>r ist die Vielfältigkeit der<br />
aquatischen Lebensräume.<br />
3.2.2 Formulierung des HMID<br />
Die Standardabweichung σ ist eine statistische<br />
Kenngrö<strong>sse</strong> zur Beschreibung<br />
der Diversität einer Grö<strong>sse</strong> (Palmer et al.,<br />
1997). Deren Aussagek<strong>ra</strong><strong>ft</strong> hängt allerdings<br />
eng mit der Grö<strong>sse</strong> des Mittelwertes µ zusammen.<br />
Eine gleich bleibende Standardabweichung<br />
hat nämlich bei einem grö<strong>sse</strong>ren<br />
Mittelwert eine geringeres Gewicht.<br />
Um die Standardabweichung als Vergleichsmass<br />
he<strong>ra</strong>nzuziehen, ist es somit<br />
zielführend den Variationskoeffizienten c v<br />
zu verwenden, welcher den Quotienten<br />
aus Standardabweichung und Mittelwert<br />
darstellt und damit ein relatives Streuungsmass<br />
ausdrückt (Schneider, 1994). Da<strong>ra</strong>us<br />
lässt sich ein Indikator für die Strukturvielfalt<br />
an einem Fliessgewä<strong>sse</strong>r errechnen<br />
(Schleiss, 2005). Die Teilvielfältigkeit für<br />
eine einzelne Grö<strong>sse</strong> wird folgenderma<strong>sse</strong>n<br />
ausgedrückt:<br />
330 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden<br />
(1)<br />
Der HMID für einen Abschnitt wird aus<br />
dem Produkt der Teilvielfältigkeitsindizes<br />
für Fliessgeschwindigkeit v und –tiefe t berechnet:
Bild 4. Boxplots der hyd<strong>ra</strong>ulischen Grö<strong>sse</strong>n Fliessgeschwindigkeit und Fliesstiefe. Die Boxplots geben jeweils den Medianwert<br />
(horizontale schwarze Linie) an, die untere und obere horizontale Begrenzung der Box zeigt das 25 bzw. 75% Perzentil der Daten<br />
(d.h. 50% der Daten liegen innerhalb dieses Bereiches), die vertikalen strichlierten Linien decken jenen Bereich ab, der ca.zwei<br />
Standardabweichungen entspricht. Au<strong>sse</strong>rhalb dieses Bereiches liegende Messdaten sind Ausrei<strong>sse</strong>r und werden als Einzelpunkte<br />
dargestellt.<br />
(2)<br />
Bei jedem der untersuchten Fliessgewä<strong>sse</strong>r<br />
weisen die kanalisierten Abschnitte (S3<br />
bei der Bünz, S2 und S3 bei der Venoge,<br />
S5 bei der Sense) den niedersten HMID auf<br />
(Tabelle 2, unten). Es folgen Abschnitte,<br />
die bis zu einem gewi<strong>sse</strong>n G<strong>ra</strong>d revitalisiert<br />
(S4 bei der Bünz) bzw. teilverbaut (S4<br />
bei der Sense) sind. Den höchsten HMID<br />
weisen naturbela<strong>sse</strong>ne Abschnitte (S1 und<br />
S2 bei der Bünz, S1 und S4 bei der Venoge,<br />
S1 bis S3 bei der Sense) auf. Diese Feststellungen<br />
la<strong>sse</strong>n den Schluss zu, dass<br />
der HMID die Strukturvielfalt eines Fliessgewä<strong>sse</strong>rs<br />
in geeigneter Art und Weise zu<br />
cha<strong>ra</strong>kterisieren vermag.<br />
3.2.3 Vergleich mit einer visuellen<br />
Bewertungsmethode<br />
Um die Aussagek<strong>ra</strong><strong>ft</strong> des vorgeschlagenen<br />
Indexes weiter validieren zu können,<br />
ist den errechneten Werten für den<br />
HMID eine multimetrische Methode gemäss<br />
den Bewertungsprotokollen der<br />
Tabelle 2. Mittelwerte und Standardabweichung (±) der hyd<strong>ra</strong>ulischen Variablen Fliessgeschwindigkeit<br />
v und Fliesstiefe t (oben). Berechnung der Vielfältigkeitsindizes und<br />
des HMID (unten).<br />
USEPA (Barbour et al., 1999) gegenübergestellt<br />
worden. Bei diesem Verfahren<br />
zur Habitatbewertung wird für zehn<br />
Kriterien eine visuelle Bewertung abgegeben<br />
und auf einer Skala von 1–20 ein<br />
Wert zugewiesen. Durch Summieren<br />
der einzelnen Werte ergibt sich eine Gesamtpunkteanzahl<br />
für jeden bewerteten<br />
Abschnitt, wobei maximal 200 Punkte<br />
erreicht werden können. Die berücksich-<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 331<br />
Flussgebietsmanagement
Flussgebietsmanagement<br />
tigten Kriterien betreffen dabei den allgemeinen<br />
morphologischen Zustand des<br />
Abschnittes sowie die Situation an der<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>rsohle und an den Ufern.<br />
Aus Bild 5 ist ersichtlich, dass sich eine<br />
gute Übereinstimmung zwischen den<br />
beiden Methoden ergibt, obwohl die Ansätze<br />
völlig unterschiedlich sind.<br />
3.2.4 Statistische Auswertung der<br />
erhobenen Variablen<br />
Ein Fliessgewä<strong>sse</strong>r und seine Komponenten<br />
sind niemals sektoriell zu bet<strong>ra</strong>chten.<br />
Die abiotischen und biotischen Faktoren<br />
beeinflu<strong>sse</strong>n sich nämlich auf mannigfaltige<br />
Weise, was zu verschiedenen Formen<br />
von Wechselwi<strong>rk</strong>ungen führt. Ob der Kom-<br />
plexität der in einem Fliessgewä<strong>sse</strong>r sich<br />
abspielenden Inte<strong>ra</strong>ktionen könnte man<br />
versucht sein, angesichts der Einfachheit<br />
seiner Formulierung die Repräsentativität<br />
des HMID in F<strong>ra</strong>ge zu stellen.<br />
Aus diesem Grund wurden die im<br />
Feld erhobenen Variablen unter Anwendung<br />
der So<strong>ft</strong>ware R (R Development Core<br />
Team, 2009) umfangreichen statistischen<br />
Auswertungen unterzogen, um Korrelationen<br />
zu e<strong>rk</strong>ennen und die Verwendung<br />
von lediglich zwei Variablen zur Cha<strong>ra</strong>kterisierung<br />
der Strukturvielfalt rechtfertigen<br />
zu können.<br />
Folgende F<strong>ra</strong>gen standen dabei im<br />
Vordergrund:<br />
Wie hängen die hyd<strong>ra</strong>ulischen mit<br />
Bild 5. Gegenüberstellung des HMID mit einem multimetrischen, visuell bestimmten<br />
Habitatsindex.<br />
Bild 6. Links: Boxplots der Korngrö<strong>sse</strong>nverteilung des Sohlsubst<strong>ra</strong>tes in den fünf Untersuchungsabschnitten<br />
an der Sense. Ein Kruskal-Wallis Test (McDonald, 2009), die<br />
nicht pa<strong>ra</strong>metrische Version einer ANOVA, zeigte signifikante Effekte (p
Bild 7. Interdependenzen zwischen morphologischen und hyd<strong>ra</strong>ulischen<br />
Grö<strong>sse</strong>n.<br />
obachten, dass in Fliessgewä<strong>sse</strong>rn natürlicher<br />
Morphologie der prozentuelle Anteil<br />
eines Habitats am Gesamthabitatangebot<br />
immer ähnlich bleibt, bei bettbildenden<br />
Proze<strong>sse</strong>n finden lediglich räumliche Umlagerungen<br />
mit Neubildung der Habitate<br />
statt (s. auch Arscott et al., 2002).<br />
In einem künstlichen Fliessgewä<strong>sse</strong>r<br />
hingegen sind die aquatischen Lebewesen<br />
einem grö<strong>sse</strong>ren Stress ausgesetzt.<br />
Sich ändernde Abflü<strong>sse</strong> bedeuten immer<br />
auch eine Änderung der hyd<strong>ra</strong>ulischen<br />
Randbedingungen und somit der Habitate.<br />
Deshalb haben sich Lebewesen in einem<br />
künstlichen Fliessgewä<strong>sse</strong>r nicht nur mit<br />
einem ve<strong>ra</strong>rmten Lebens<strong>ra</strong>um auseinanderzusetzen,<br />
sondern auch mit sich ständig<br />
wandelnden Lebensbedingungen.<br />
In Bild 9 sind die Zeitreihen für den<br />
HMID am Beispiel der Sense dargestellt.<br />
Es la<strong>sse</strong>n sich mehrere Beobachtungen<br />
anstellen:<br />
In natürlichen Abschnitten (Abschnitt<br />
1 bis Abschnitt 3) bleibt der HMID für<br />
den gesamten Jahresverlauf annäh -<br />
ernd konstant. Erst bei einem Abfluss<br />
mit einer Überschreitungsdauer von<br />
ein bis zwei Tagen, also bei einem Abfluss,<br />
der mindestens einem Jahreshochwa<strong>sse</strong>r<br />
entspricht und an dem<br />
grö<strong>sse</strong>re bettbildende Proze<strong>sse</strong> stattfinden,<br />
fällt der HMID sta<strong>rk</strong> ab.<br />
Bereits eine leichte Verbauung (in Abschnitt<br />
3 ist das rechte Ufer teilweise<br />
durch Zyklopensteine gesichert) oder<br />
eine durch die Natur vorgegebene Beschränkung<br />
der Seitenausdehnung<br />
(Abschnitt 2 verläu<strong>ft</strong> in einer Schlucht)<br />
führt dazu, dass die Strukturvielfalt<br />
geringer ist als in Fliessgewä<strong>sse</strong>rn im<br />
Referenzzustand (Abschnitt 1).<br />
In teilverbauten oder gänzlich kanalisiertenFliessgewä<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bschnit-<br />
Bild 8. Änderung der Fliesstiefe bei gleicher Zunahme des<br />
Abflu<strong>sse</strong>s in einem verbauten (links) und in einem natürlichen<br />
(rechts) Abschnitt.<br />
Bild 9. Zeitreihen für den HMID für verschiedene Verbauungsg<strong>ra</strong>de am Beispiel der<br />
Sense.<br />
Tabelle 3. Zeitreihenvariabilität der Fliessgeschwindigkeit und –tiefe sowie des HMID<br />
für verschiedene Verbauunsg<strong>ra</strong>de am Beispiel der Sense.<br />
ten nimmt der HMID kontinuierlich mit<br />
steigendem Abfluss ab. Diese Tendenz<br />
verstä<strong>rk</strong>t sich mit dem Verbauungsg<strong>ra</strong>d<br />
des Abschnittes: man kann beobachten,<br />
dass beim teilverbauten Abschnitt<br />
4 die Neigung der HMID-Linie<br />
geringer ist als beim kanalisierten Abschnitt<br />
5.<br />
Bei kleineren Abflü<strong>sse</strong>n (in der G<strong>ra</strong>phik<br />
im rechten Bereich) nähern sich<br />
die Werte für den HMID einander an,<br />
während bei Mittelwa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bflü<strong>sse</strong>n<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 333<br />
Flussgebietsmanagement
Flussgebietsmanagement<br />
der HMID jene Werte annimmt, welche<br />
die Strukturvielfalt des Fliessgewä<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bschnittes<br />
am besten zu<br />
cha<strong>ra</strong>kterisieren vermögen.<br />
Zieht man nun wiederum den Variationskoeffizienten<br />
he<strong>ra</strong>n, um auch die Variabilität<br />
der Zeitreihen zu analysieren, werden<br />
diese Feststellungen bestätigt (Tabelle 3).<br />
Je natürlicher der Abschnitt, desto geringer<br />
ist die zeitliche Variabilität sowohl<br />
für die sepa<strong>ra</strong>t gesehenen hyd<strong>ra</strong>ulischen<br />
Grö<strong>sse</strong>n als auch für den HMID.<br />
4. Anwendung des HMID<br />
4.1 Vorgehensweise<br />
Der HMID soll vor allem dazu dienen, dem<br />
Wa<strong>sse</strong>rbauer ein Instrument für die Optimierung<br />
von Hochwa<strong>sse</strong>rschutzprojekten<br />
in strukturell-morphologischer Hinsicht in<br />
die Hand zu geben.<br />
Da bei einem Hochwa<strong>sse</strong>rschutzprojekt<br />
die Durchführung von 2d-Modellierungen<br />
zur Untersuchung des Hochwa<strong>sse</strong>rverhaltens<br />
für verschiedene Varianten<br />
heutzutage Standard ist, bedeutet die Berechnung<br />
des HMID keinen wesentlichen<br />
Meh<strong>ra</strong>ufwand.<br />
Für einzelne zur Diskussion stehende<br />
Projektvarianten wird der HMID nun<br />
folgenderma<strong>sse</strong>n ermittelt:<br />
Durchführung einer numerischen 2D-<br />
Modellierung für den Mittelwa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bfluss.<br />
Als Eingabedaten für die Modellierung<br />
dienen das digitale Höhenmodell<br />
(inklusive Rauhigkeitsbeiwerte) der<br />
einzelnen Varianten und der Mittelwa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bfluss,<br />
der entweder zu berechnen<br />
ist oder aus einer für den betroffenen<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bschnitt vorliegenden<br />
Abflussdaue<strong>rk</strong>urve abgelesen<br />
werden kann;<br />
Auslesen der Fliessgeschwindigkeiten<br />
und -tiefen in den einzelnen Zellen des<br />
Gitternetzes des 2d-Modells für den<br />
Mittelwa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bfluss, wobei bei sta<strong>rk</strong><br />
unterschiedlichen Zellengrö<strong>sse</strong>n eine<br />
Gewichtung der Werte über die Fläche<br />
empfehlenswert ist;<br />
Berechnung der Mittelwerte und Standardabweichungen<br />
und Berechnung<br />
des HMID gemäss Formel in Kapitel<br />
3.2.2.<br />
Durch die Anwendung des HMID eröffnet<br />
sich die Möglichkeit, Hochwa<strong>sse</strong>rschutzprojekte<br />
hinsichtlich der Verbe<strong>sse</strong>rung der<br />
Strukturvielfalt zu optimieren. Je höher der<br />
HMID, desto höher ist die Vielfalt der aquatischen<br />
Habitate, die im Projektabschnitt<br />
geschaffen werden. Durch die Erlangung<br />
eines hohen Strukturreichtums schaf<strong>ft</strong><br />
man günstige morphologisch-strukturelle<br />
Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzungen für ein hohes ökologisches<br />
Potenzial und als Folge davon für<br />
eine hohe Biodiversität.<br />
4.2 Weitere Überprüfungen<br />
Die Untersuchungen zur Entwicklung der<br />
HMID haben die Annahme bestätigt, dass<br />
die zeitliche Variabilität der aquatischen<br />
Habitate in natürlichen Fliessgewä<strong>sse</strong>rn<br />
niederer ist als in verbauten Fliessgewä<strong>sse</strong>rn.<br />
Deshalb ist es nicht ausreichend,<br />
ein Fliessgewä<strong>sse</strong>r nur für einen bestimmten<br />
Projektzustand mit einer hohen<br />
Strukturvielfalt auszustatten. Es ist zu<br />
überprüfen, ob die zeitliche Stabilität der<br />
Strukturvielfalt gewährleistet bleibt.<br />
Dazu stehen zwei Möglichkeiten,<br />
die sich ergänzen können, zur Auswahl:<br />
Überprüfung des HMID für mehrere<br />
Abflü<strong>sse</strong>. Der HMID soll auch für Abflü<strong>sse</strong>,<br />
die höher oder niederer als der<br />
Mittelwa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bfluss sind, einen ähnlichen<br />
Wert wie für den Mittelwa<strong>sse</strong>r -<br />
abfluss aufweisen. Diese Überprüfung<br />
kann die zeitliche Stabilität der Habitate<br />
bestätigen. Eine Ausnahme bilden<br />
Abflü<strong>sse</strong> mit sta<strong>rk</strong>en Geschiebeumlagerungen.<br />
Bei diesen nimmt der<br />
HMID auch in Fliessgewä<strong>sse</strong>rn, die<br />
dem Referenzzustand nahe kommen,<br />
sta<strong>rk</strong> ab.<br />
Überprüfung des Verhältni<strong>sse</strong>s der<br />
benetzten Breite bei Mittelwa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bfluss<br />
und bei bordvollem Abfluss. In<br />
ihrem natürlichen Zustand beanspruchen<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>r gro<strong>sse</strong> Flächen.<br />
Innerhalb des so genannten pa<strong>ra</strong>fluvialen<br />
Bereiches (Lo<strong>ra</strong>ng & Hauer,<br />
2006) entwickelt sich die volle Dynamik<br />
mit Erosions- und Auflandungsproze<strong>sse</strong>n,<br />
der Laufverlagerung und der da<strong>ra</strong>uffolgenden<br />
Neubildung der Habitate<br />
bei geschiebeumlagernden Proze<strong>sse</strong>n.<br />
Die von kiesführenden, verzweig -<br />
ten Alpenflü<strong>sse</strong>n in ihrem Referenzzustand<br />
beanspruchte Breite liegt um<br />
ein Vielfaches höher als die bei verbauten<br />
Flü<strong>sse</strong>n noch vorhandene<br />
Breite. An der Sense zum Beispiel<br />
weist die aktive Flusssohle am natürlichen<br />
Abschnitt 1 eine Breite von ca.<br />
150 m auf. Bei Hochwa<strong>sse</strong>r wird die<br />
gesamte Breite beansprucht, während<br />
bei Mittel- und Niederwa<strong>sse</strong>r lediglich<br />
ca. 20% der Fläche des pa<strong>ra</strong>fluvialen<br />
Bereiches benetzt sind (Gostner et al.,<br />
2010). Im kanalisierten Abschnitt 5<br />
hingegen beträgt die Breite bei bordvollem<br />
Abfluss ca. 30 m. Die benetzte<br />
Breite bleibt für alle Abflü<strong>sse</strong> annähernd<br />
konstant. Bei steigenden Ab-<br />
flü<strong>sse</strong>n kann es kaum zu einer Beanspruchung<br />
nicht benetzter Bereiche<br />
kommen. Dies schlägt in einer sta<strong>rk</strong>en<br />
Änderung von Fliessgeschwindigkeit<br />
und –tiefe und dementsprechend in<br />
einer gro<strong>sse</strong>n zeitlichen Instabilität der<br />
aquatischen Habitate zu Buche. Je<br />
kleiner also das Verhältnis zwischen<br />
benetzter Breite bei Mittelwa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bfluss<br />
und Breite bei bordvollem Abfluss<br />
ist, desto näher kommt man – indikativ<br />
gesehen – dem Referenzzustand.<br />
4.3 Einschränkungen<br />
Es besteht kein Zweifel darüber, dass<br />
die hydromorphologische Strukturvielfalt<br />
eine notwendige Bedingung für eine reiche<br />
Biodiversität am Fliessgewä<strong>sse</strong>r darstellt.<br />
Dass die Erfüllung dieser Bedingung aber<br />
nicht immer hinreichend ist, bringen unterschiedliche<br />
Untersuchungen klar zum<br />
Ausdruck (Gostner & Schleiss, 2010, Alp<br />
et al., 2011).<br />
Damit eine strukturmorphologische<br />
Gewä<strong>sse</strong>rsanierung nicht zum<br />
Selbstzweck ve<strong>rk</strong>ommt bzw. einen rein<br />
ästhetischen Wert erhält, ist es notwendig,<br />
den Fokus nicht nur auf lokale Defizite<br />
zu beziehen, sondern auch au<strong>sse</strong>rhalb des<br />
Projektperimeters liegende Proze<strong>sse</strong> mit<br />
einzubeziehen (Rau & Peter, 2011).<br />
In erster Linie ist bei Projekten im<br />
Flussbau ein Leitbild mit klar definierten<br />
Zielen zu e<strong>ra</strong>rbeiten und dementsprechend<br />
die F<strong>ra</strong>ge zu beantworten, ob die strukturell-morphologischen<br />
Eigenscha<strong>ft</strong>en tatsächlich<br />
eine relevante Hürde auf dem<br />
Weg zu diesem Leitbild darstellen. Sind<br />
nämlich andere Elemente massgebend für<br />
eine ve<strong>ra</strong>rmte Biodiversität (z.B. Nährstoff-<br />
und Sedimenteinträge durch intensive<br />
landwirtscha<strong>ft</strong>liche Nutzung bis an den<br />
Gewä<strong>sse</strong>r<strong>ra</strong>nd, chemische Belastung<br />
des Fliessgewä<strong>sse</strong>rs, F<strong>ra</strong>gmentierung<br />
des betroffenen Fliessgewä<strong>sse</strong>rs, durch<br />
Wa<strong>sse</strong>rnutzungen verändertes Abflussregime,<br />
usw.) und wird dieser F<strong>ra</strong>ge nicht auf<br />
den Grund gegangen, können Massnahmen<br />
zur Verbe<strong>sse</strong>rung der Strukturvielfalt<br />
eventuell ohne positive Effekte bleiben und<br />
damit den erwarteten Erfolg des Projektes<br />
nicht erreichen.<br />
Ein Kernthema in diesem Zusammenhang<br />
bildet die Vernetzung des Fliessgewä<strong>sse</strong>rs<br />
und seiner Umgebung. Die<br />
longitudinale, late<strong>ra</strong>le und vertikale Vernetzung<br />
sind grundlegende Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzung<br />
dafür, dass mit der Verbe<strong>sse</strong>rung<br />
der Strukturvielfalt eine höhere Biodiversität<br />
einhergeht.<br />
Auch ist das Wechselspiel zwi-<br />
334 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
schen Morphologie und Geschiebehaushalt<br />
zu beleuchten. Fliessgewä<strong>sse</strong>r, die<br />
langfristig positive strukturelle Lebensbedingungen<br />
anbieten, sind durch ein dynamisches<br />
Gleichgewicht gekennzeichnet.<br />
Es treten zwar in periodischen Abständen<br />
bettbildende Proze<strong>sse</strong> mit der Neubildung<br />
der Habitate auf, es kommt aber<br />
zu keinen irreversiblen Eintiefungs- bzw.<br />
Auflandungstendenzen. Um diese Vorgänge<br />
beurteilen zu können, sind Untersuchungen<br />
des Geschiebehaushaltes in<br />
Verbindung mit abflussdynamischen Proze<strong>sse</strong>n<br />
auf der Einzugsgebietsebene notwendig.<br />
Zum Beispiel kann eine mangelnde<br />
Geschiebezufuhr aus dem Oberlauf in Verbindung<br />
mit anthropogen veränderten und<br />
häufiger au<strong>ft</strong>retenden Hochwa<strong>sse</strong>rspitzen<br />
dazu führen, dass die Verbe<strong>sse</strong>rung oder<br />
Wiederherstellung der Strukturvielfalt nur<br />
kurzfristig wi<strong>rk</strong>sam ist, da sich der Hauptarm<br />
durch die Aufnahme von Geschiebe<br />
aus der Sohle eintie<strong>ft</strong> und sich auf lange<br />
Sicht wiederum ein Gewä<strong>sse</strong>r mit Verödungsflächen<br />
und einem ve<strong>ra</strong>rmten Lebens<strong>ra</strong>umangebot<br />
bildet. Deshalb ist bei<br />
Hochwa<strong>sse</strong>rschutzprojekten nicht nur eine<br />
Verbe<strong>sse</strong>rung der Strukturvielfalt notwendig.<br />
Die Erreichung eines ausgeglichenen<br />
Geschiebehaushalts kann nicht nur die<br />
Dauerha<strong>ft</strong>igkeit der Schutzmassnahmen<br />
gewährleisten, sondern auch dafür sorgen,<br />
dass die Ökosystemleistungen des<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>rs von Dauer sind.<br />
5. Zusammenfassung<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>r sind komplexe Systeme.<br />
Mit dem HMID steht dem Wa<strong>sse</strong>rbauer ein<br />
We<strong>rk</strong>zeug zur Verfügung, einzelne Projektvarianten<br />
im Hinblick auf die Verbe<strong>sse</strong>rung<br />
der Strukturvielfalt vergleichen und bewerten<br />
zu können.<br />
Der Formel zur Berechnung des<br />
HMID enthält die hyd<strong>ra</strong>ulischen Variablen<br />
Fliessgeschwindigkeit und –tiefe. Diese<br />
können gewi<strong>sse</strong>rma<strong>sse</strong>n als repräsentativ<br />
für die Strukturvielfalt eines Fliessgewä<strong>sse</strong>rs<br />
angesehen werden, da sie aufgrund<br />
der vorhandenen Wechselwi<strong>rk</strong>ungen sta<strong>rk</strong><br />
mit anderen hyd<strong>ra</strong>ulischen und morphologischen<br />
Variablen korrelieren.<br />
Bei einem vorhandenen 2d-Modell,<br />
was heutzutage bei der Ausarbeitung von<br />
Hochwa<strong>sse</strong>rschutzprojekten zum Standard<br />
gehört, kann der HMID mit wenig<br />
Zusatzaufwand für die zur Diskussion stehenden<br />
Projektvarianten berechnet werden.<br />
Durch zusätzliche Überprüfungen<br />
(Berechnung des HMID für mehrere Abflü<strong>sse</strong>,<br />
Untersuchung der Regimebreite<br />
im Vergleich zur Breite bei bordvollem Abfluss)<br />
ist die zeitliche Stabilität der Habitate<br />
Infobox<br />
Der hydro-morphologische Index der Diversität – Wichtigste Me<strong>rk</strong>male<br />
Was ist neu am HMID?<br />
Der HMID verwendet die statistischen Pa<strong>ra</strong>meter von hyd<strong>ra</strong>ulischen, die aquatischen<br />
Habitate kennzeichnenden Grö<strong>sse</strong>n. Im Gegensatz zu Bewertungsmethoden (wie<br />
zum Beispiel Ökomorphologie des Modul-Stufen-Konzepts), die auf teilweise subjektiven<br />
Einschätzungen des Bet<strong>ra</strong>chters im Feld aufbauen, basiert der HMID damit<br />
auf objektiven Kriterien.<br />
Was sind die Vorteile des HMID?<br />
Die Verwendung von numerischen, zweidimensionalen Abflussmodellen zur Beurteilung<br />
von wa<strong>sse</strong>rbaulichen Projekten im Hochwa<strong>sse</strong>rfall ist heutzutage Standard.<br />
Mit geringem Zusatzaufwand können diese Modelle dazu verwendet werden, auch<br />
die Mittelwa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bflü<strong>sse</strong> zu modellieren und aus den da<strong>ra</strong>us resultierenden hyd<strong>ra</strong>ulischen<br />
Kenngrö<strong>sse</strong>n den HMID zu berechnen.<br />
Welche Lücke schliesst der HMID?<br />
Der HMID hat die Fähigkeit zur Vorhersage. Durch Anwendung des HMID in wa<strong>sse</strong>rbaulichen<br />
Projekten können Projektvarianten im Hinblick auf die Verbe<strong>sse</strong>rung der<br />
Strukturvielfalt quantitativ verglichen werden. Der HMID soll also weder ein neues<br />
Instrument zur Beurteilung des IST-Zustandes eines Fliessgewä<strong>sse</strong>rs noch zur Erfolgskontrolle<br />
nach der Durchführung von Projekten sein, sondern sich, in zeitlicher<br />
Abfolge gesehen, dazwischen einreihen.<br />
und somit des Lebens<strong>ra</strong>umes der aquatischen<br />
Flo<strong>ra</strong> und Fauna zu verifizieren.<br />
Natürliche Fliessgewä<strong>sse</strong>r befinden sich<br />
in einem dynamischen Gleichgewicht und<br />
sind durch eine hohe zeitliche Stabilität der<br />
Lebensräume cha<strong>ra</strong>kterisiert. Deshalb ist<br />
dies auch bei Hochwa<strong>sse</strong>rschutzprojekten<br />
als Ziel anzustreben. Ist man imstande, ein<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>r mit einem hohen HMID<br />
auszustatten und gleichzeitig de<strong>sse</strong>n<br />
zeitliche Stabilität bis zum Eintreten von<br />
Schwellenereigni<strong>sse</strong>n, d.h. von Ereigni<strong>sse</strong>n<br />
mit intensiven Geschiebeumlagerungsproze<strong>sse</strong>n,<br />
zu gewährleisten, schaf<strong>ft</strong><br />
man die für ein hohes ökologisches Potenzial<br />
notwendigen hydromorphologischen<br />
Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzungen.<br />
Ob ein Projekt schlu<strong>sse</strong>ndlich erfolgreich<br />
im Hinblick auf die Verbe<strong>sse</strong>rung<br />
der Biodiversität ist, hängt damit zusammen,<br />
ob auch andere wichtige Faktoren<br />
(z.B. Nährstoff- und Sedimenteinträge,<br />
chemische Belastung, F<strong>ra</strong>gmentierung,<br />
verändertes Abflussregime, usw.) auf der<br />
Einzugsgebietsebene richtig e<strong>rk</strong>annt und<br />
analysiert werden und nicht einer oder<br />
mehrere dieser Faktoren einen Erfolg von<br />
vorneherein verhindern können.<br />
Danksagung<br />
Wir bedanken uns bei Prof. William K. Annable<br />
(University of Waterloo/Kanada) für die gro<strong>sse</strong><br />
fachliche und p<strong>ra</strong>ktische Hilfe bei der Durchführung<br />
der Feldarbeiten, bei Prof. Piotr Pa<strong>ra</strong>siewicz<br />
(Rushing Rivers Institute, Massachusetts/<br />
USA) für wertvolle wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>liche Unterstützung,<br />
bei Lau<strong>ra</strong> Vigne für die Datenerhebung<br />
und –analyse an der Venoge, bei Fabri Haldi für<br />
die Durchführung der 2D-Modellierungen an der<br />
Sense und beim Team der Ingenieure Patscheider<br />
& Partner GmbH (Südtirol/Italien) für den unermüdlichen<br />
Einsatz bei den Feldarbeiten und<br />
der Ausarbeitung der G<strong>ra</strong>phiken.<br />
Das gegenständliche Projekt ist im Rahmen<br />
des Forschungsprojektes «Integ<strong>ra</strong>les Flussgebietsmanagement»<br />
ausgearbeitet worden. Den<br />
Kollegen der EAWAG, WSL und VAW, insbesondere<br />
Maria Alp und Patric Rou<strong>sse</strong>lot, sind wir<br />
Dank schuldig für die sehr wertvolle und konstruktive<br />
interdisziplinäre Zusammenarbeit.<br />
An das BAFU und die Autonome Provinz Bozen/<br />
Südtirol geht der Dank für die Finanzierung des<br />
Projektes.<br />
Lite<strong>ra</strong>tur<br />
Allan J.D., Castillo MM. 2007. Stream Ecology.<br />
Structure and Function of Running Waters.<br />
Second Edition. Springer, Dordrecht, Netherlands.<br />
Alp, M., Karpati, Th., Werth, S., Gostner, W.,<br />
Scheidegger, Ch., Peter, A. 2011. Erhaltung und<br />
Förderung der Biodiversität von Fliessgewä<strong>sse</strong>rn.<br />
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Arscott, D. B., Tockner, K., Nat, D., van der<br />
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802–814.<br />
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Benthic Macroinverteb<strong>ra</strong>tes and Fish»,<br />
Second Edition, EPA 841-B-99-002. U.S. Environmental<br />
Protection Agency; Office of Water,<br />
Washington, D.C., 337 S.<br />
BAFU (Hrsg). 2010. Strukturen der Fliessgewäs-<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 335<br />
Flussgebietsmanagement
100. Flussgebietsmanagement<br />
Hauptversammlung 2011<br />
ser in der Schweiz. Zustand von Sohle, Ufer und<br />
Umland (Ökomorphologie); Ergebni<strong>sse</strong> der ökomorphologischen<br />
Kartierung. Stand: April 2009.<br />
Umwelt Zustand Nr. 0926. Bundesamt für Umwelt,<br />
Bern. 100 S.<br />
BUWAL (Bundesamt für Umwelt, Wald und<br />
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Methoden zur Untersuchung und Beurteilung<br />
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zum Gewä<strong>sse</strong>rschutz Nr. 27, 51 S.<br />
Gostner, W., Schleiss, A.J. 2010. «Der hyd<strong>ra</strong>ulisch-morphologische<br />
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der Wa<strong>sse</strong>rbau-Institute<br />
TU München, TU G<strong>ra</strong>z und ETH Zürich, vol.<br />
124, pp. 1–10.<br />
Gostner, W., Schleiss, A. J., Annable, W. K.,<br />
Paternolli, M. 2010 «G<strong>ra</strong>vel bar inundation frequency:<br />
an indicator for the ecological potential<br />
of a river». Proceedings of the River Flow<br />
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in B<strong>ra</strong>unschweig, pp. 1485–1494.<br />
Gostner, W., Alp, M., Schleiss, A.J., Robinson,<br />
C.T. 2011a. The hydro morphological index of<br />
diversity: a tool for river resto<strong>ra</strong>tion planning.<br />
Eingereicht bei Hydrobiologia.<br />
Gostner, W., Pa<strong>ra</strong>siewicz, P., Schleiss, A.J.<br />
2011b. Spatial and tempo<strong>ra</strong>l hyd<strong>ra</strong>ulic variabi-<br />
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lity in an Alpine g<strong>ra</strong>vel bed river with changing<br />
morphological cha<strong>ra</strong>cteristics. In Einreichung<br />
bei Ecohydrology.<br />
Häusler, Th. 2011. Bahn frei für die Flü<strong>sse</strong>. Wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong><strong>sse</strong>ndung<br />
Kontext, ausgest<strong>ra</strong>hlt am<br />
14.09.2011 auf DRS2.<br />
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Schmutz S. 2003. Angewandte Fischökologie<br />
an Fliessgewä<strong>sse</strong>rn. Facultas Universitätsverlag,<br />
Wien, 547 S.<br />
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Proce<strong>sse</strong>s. Hauer F.R. and Lamberti G.A.<br />
(Eds.) Methods in Stream Ecology, 2nd edition<br />
Elsevier Academic Press, 877 pp.<br />
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Baltimore, Maryland.<br />
Palmer, M.A., Hakenkamp, C.C., Nelson Baker,<br />
K. 1997. Ecological heterogeneity in streams:<br />
why variance matters. Journal of the North American<br />
Benthological Society 16: 189–202.<br />
Pfaundler, M., Zappa, M. 2006. Die mittleren Abflü<strong>sse</strong><br />
über die ganze Schweiz Ein optimierter<br />
Datensatz im 500×500 m Raster. Wa<strong>sse</strong>r Energie<br />
Lu<strong>ft</strong>. He<strong>ft</strong> 4: 291–298.<br />
Rau, Ch., Peter, A. 2011. Fliessgewä<strong>sse</strong>rrevitalisierungen<br />
– das gro<strong>sse</strong> Potenzial kleiner Bäche.<br />
Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>. He<strong>ft</strong> 1: 43–48.<br />
R Development Core Team. 2009. R: A langu-<br />
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age and environment for statistical computing.<br />
R Foundation for Statistical Computing, Vienna,<br />
Austria. ISBN 3-900051-07-0, URL http://www.<br />
R-project.org.<br />
Schleiss, A.J. 2005. Flussbauliche Hochwa<strong>sse</strong>rschutzmassnahmen<br />
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Gewä<strong>sse</strong>rökologie – Vorschlag eines hyd<strong>ra</strong>ulisch<br />
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Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>. He<strong>ft</strong> 7/8: 195–199<br />
Schneider, D.C. 1994. Quantitative ecology:<br />
spatial and tempo<strong>ra</strong>l ecology. Academic Press:<br />
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Wolman, M.G. 1954. A method of sampling<br />
coarse bed material. American Geophysical<br />
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Woolsey, S., Weber, C., Gonser, T., Hoehn, E.,<br />
Hostmann, M., Junker, B., Roulier, C., Schweizer,<br />
S., Tiegs, S., Tockner, K., Peter, A. 2005.<br />
Handbuch für die Erfolgskontrolle bei Fliessgewä<strong>sse</strong>rrevitalisierungen.<br />
Publikation des Rhone<br />
Thur Projektes. Eawag, WSL, LCH EPFL, VAW<br />
ETHZ, 112 S.<br />
Anschri<strong>ft</strong> der Verfa<strong>sse</strong>r<br />
Walter Gostner, Anton Schleiss, Labo<strong>ra</strong>toire de<br />
constructions hyd<strong>ra</strong>uliques (LCH), Ecole polytechnique<br />
fédé<strong>ra</strong>le del Lausanne (EPFL), Station<br />
18, CH-1015 Lausanne, secrétariat.lch@<br />
epfl.ch, http://lch.epfl.ch<br />
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Die beiden Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektionen in<br />
historischer Perspektive<br />
Matthias Nast<br />
1. Die Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
in der T<strong>ra</strong>dition Tullas<br />
«Die Geschichte des Menschengeschlechts<br />
ist auch die seines Verhältni<strong>sse</strong>s<br />
zu der Natur.» (Ritter, Johann Wilhelm, zit.<br />
in: Schipperges 1969: 179f.). Dieses beme<strong>rk</strong>enswerte<br />
Zitat von 1810 finden wir im<br />
Nachlass des aus Schlesien stammenden<br />
und zuerst in Jena und später an der Bayerischen<br />
Akademie der Wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>en<br />
wi<strong>rk</strong>enden Physikers und Philosophen Johann<br />
Wilhelm Ritter.<br />
Vor dem Hintergrund dieser Aussage<br />
gewinnt Johann Gottfried Tullas<br />
Devise an Bedeutung, der 1812, nur zwei<br />
Jahre nach Ritters naturphilosophischer<br />
Bet<strong>ra</strong>chtung, folgende Losung ausgab:<br />
«Ein Fluss oder Strom hat nur ein Bett<br />
nötig, man muss daher, wenn er mehrere<br />
Arme hat, auf die Ausbildung eines geschlo<strong>sse</strong>nen<br />
Laufs hinwi<strong>rk</strong>en. Dieser ist<br />
soviel als möglich ge<strong>ra</strong>de zu halten, damit<br />
dem Hochwa<strong>sse</strong>r ein geregelter Abfluss<br />
verschaf<strong>ft</strong> wird, die Ufer leichter erhalten<br />
werden können, der Fluss sich tiefer einbette,<br />
also der Wa<strong>sse</strong>rspiegel sich senke,<br />
und das Gelände nicht überschwemmt<br />
werde. Die alten Flussarme sind zur Verlandung<br />
zu bringen, verlandete Flächen<br />
sind anzupflanzen.» (Tulla, Johann Gottfried,<br />
zit. in: Vischer 2003: 24).<br />
Tullas Leitspruch prägte ganze Gene<strong>ra</strong>tion<br />
von Flussbauingenieuren. Nicht<br />
zuletzt in der Schweiz, wo im 19. Jahrhundert<br />
flussbauliche Massnahmen, welche<br />
die Bevölkerung nachhaltig vor Hochwa<strong>sse</strong>rereigni<strong>sse</strong>n<br />
zu schützen vermochten,<br />
Symbole für den politischen und wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>lichen<br />
Fortschritt waren. So war es<br />
niemand Geringeres als Johann Gottfried<br />
Tulla, der zusammen mit Hans Kon<strong>ra</strong>d<br />
Escher die Linthkorrektion (1807–1816)<br />
leitete. Diese Korrektionsarbeiten wiederum<br />
dienten den Promotoren der Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
als Vorbild, obwohl<br />
die Grö<strong>sse</strong> des Seeländer Projektes die<br />
Massnahmen in der Linthebene bei weitem<br />
übert<strong>ra</strong>fen.<br />
Rückblickend bet<strong>ra</strong>chtet hatte Tullas<br />
Devise für die biologische Vielfalt verheerende<br />
Konsequenzen. Ehemals weit<br />
verzweigte Flussarme wurden auf schmale<br />
Gerinne reduziert und deren Ufer befestigt.<br />
Diese gewä<strong>sse</strong>rbaulichen Massnahmen<br />
führten zusammen mit der zunehmenden<br />
Gewä<strong>sse</strong>rverschmutzung seit dem Ende<br />
des 19. Jahrhundert in Flü<strong>sse</strong>n, Seen und<br />
Feuchtgebieten zu einem d<strong>ra</strong>matischen<br />
Artenverlust in den Schweizer Gewä<strong>sse</strong>rn.<br />
Das zeigt sich auch im Seeland: Vor<br />
der Ersten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion ström -<br />
te die Aare zwischen Aarberg und Meienreid<br />
als mächtiger Fluss durch die Landscha<strong>ft</strong>.<br />
Ulrich Ochsenbein (1811–1890) beschrieb<br />
das Gebiet 1854 wie folgt: «Kaum<br />
hat nämlich die Aare Aarberg verla<strong>sse</strong>n, so<br />
erweitert sie ihr Bett bis nach Meienried in<br />
einer Breite, die zuweilen 10 bis 20 Minuten<br />
bet<strong>ra</strong>gen mag und einen Flächen<strong>ra</strong>um<br />
von nicht weniger als 3194 Jucharten [gut<br />
1100 ha] darbietet. In diesem Bette hat sie<br />
au<strong>sse</strong>r ihrem gewöhnlichen Rinnsal, eine<br />
unzählige Menge mehr oder weniger tiefe<br />
Kanäle, die während acht bis neun Monaten<br />
leer, und nur dazu bestimmt sind, im<br />
Sommer das Hochwa<strong>sse</strong>r aufzunehmen,<br />
de<strong>sse</strong>n Abfluss nach Meienried aufzuhalten<br />
und zu verzögern, bis da<strong>sse</strong>lbe wieder<br />
fällt und seine normale Höhe erreicht,<br />
was gewöhnlich in verhältnismässig kurzer<br />
Zeit geschieht.» (Ochsenbein, Ulrich, zit.<br />
in: Holenstein 2009: 481).<br />
Die beiden Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektionen<br />
(1868–1891 und 1962–1973) bedeuteten<br />
das d<strong>ra</strong>matische Ende dieser<br />
natürlichen Flusslandscha<strong>ft</strong>: «Zahlreiche<br />
Flü<strong>sse</strong> und Bäche wurden regelrecht aus<br />
der Landscha<strong>ft</strong> <strong>ra</strong>diert: Zwischen 1870<br />
und 1990 sank die Länge der Fliessgewä<strong>sse</strong>r<br />
von rund 1000 Kilometer auf unter<br />
500 Kilometer». Insbesondere die Melio<strong>ra</strong>tionsarbeiten<br />
im Zuge der Zweiten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
hätten, so Ewald und<br />
Klaus, «die Landscha<strong>ft</strong> regelrecht umgepflügt<br />
und seien aus Sicht des Natur-<br />
und Landscha<strong>ft</strong>sschutzes […], ein Biozid<br />
für freilebende Tiere und wildwachsende<br />
Pflanzen.» (Ewald/Klaus 2009: 109).<br />
Bild 1. Erste genaue Karte des Korrektionsgebietes: «Gene<strong>ra</strong>l Charte der Ju<strong>ra</strong> Gewae<strong>sse</strong>r». Aufgenommen 1816/1817 durch F.<br />
Trechsel, gezeichnet durch J. Opfikofer. (Staatsarchiv des Kantons Bern).<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 337<br />
100. Hauptversammlung 2011
100. Hauptversammlung 2011<br />
2. Trockenes Seeland<br />
Bei aller Kritik, die vor allem die Zweite Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
auf sich gezogen<br />
hat, ist es allerdings eine Tatsache, dass<br />
es allein den beiden Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektionen<br />
zu verdanken ist, dass das Seeland,<br />
aber auch die Kantone Solothurn und Aargau,<br />
in den letzten Jahrzehnten von zerstörerischen<br />
Hochwa<strong>sse</strong>rn verschont geblieben<br />
sind.<br />
So lesen wir etwa in den Freiburger<br />
Nachrichten vom 8. September 2005:<br />
«Ende August 2005. Die ganze Schweiz<br />
steht nach tagelangen Niederschlägen<br />
unter Wa<strong>sse</strong>r. Die ganze Schweiz? Nein!<br />
Ein kleines Fischerdorf am Murtensee<br />
lässt sich durch den andauernden<br />
Regen nicht beunruhigen.»<br />
Mit diesen Worten beschrieb die Zeitung<br />
die Situation in Muntelier im Kanton Freiburg.<br />
Während Ende August 2005 das<br />
halbe Land im Wa<strong>sse</strong>r versank, im Berner<br />
Oberland, in G<strong>ra</strong>ubünden und in der Zent<strong>ra</strong>lschweiz<br />
Ve<strong>rk</strong>ehrswege unterbrochen<br />
wurden, vier Menschenleben zu beklagen<br />
waren und Schäden in Milliardenhöhe entstanden,<br />
blieb das Seeland mehr oder weniger<br />
von den Naturgewalten verschont. Es<br />
wurden zwar auch hier Schäden gemeldet,<br />
im Vergleich zu den anderen Landesteilen<br />
waren diese aber gering. (Nast 2011, Aareteufel:<br />
264).<br />
Beim August-Hochwa<strong>sse</strong>r von<br />
2007 wurde das seit der Zweiten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
als hochwa<strong>sse</strong>rsicher<br />
geltende System hingegen überlastet.<br />
Das angestrebte Ziel, die Seeanstö<strong>sse</strong>r<br />
der Ju<strong>ra</strong><strong>ra</strong>ndseen und der Unterlieger ent-<br />
Bild 2. Die Gewä<strong>sse</strong>r des Seelandes vor der Ersten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion.<br />
(S´AT-sand<strong>ra</strong>s atelier, Bern).<br />
lang der Aare vor Überschwemmungen<br />
zu schützen, wurde nicht erreicht. (BAFU<br />
2009: 7, 9). Die Autoren der Ereignisanalyse<br />
zum Hochwa<strong>sse</strong>r von 2007 kommen<br />
jedoch zum Schluss, dass «ohne die<br />
dämpfende Wi<strong>rk</strong>ung dieses Systems […]<br />
die Folgen des Ereigni<strong>sse</strong>s bedeutend g<strong>ra</strong>vierender<br />
gewesen [wären].» (BAFU 2009:<br />
7).<br />
3. Das Seeland vor der Ersten<br />
Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
Seit dem Ende der mittelalterlichen Warmphase<br />
und dem Beginn der kleinen Eiszeit<br />
vernichteten Hochwa<strong>sse</strong>r regelmässig<br />
die Ernten und bedrohten die Häuser,<br />
Ställe und das Vieh. Der Geog<strong>ra</strong>phe Martin<br />
Grosjean fasst einige zeitgenössische<br />
Bericht wie folgt zusammen: «1480 [flüchteten]<br />
die Leute oberhalb Solothurn auf die<br />
Bäume. 1579 ging der Pfarrer von Nidau<br />
mit dem Schiff zur Predigt, 1758 ert<strong>ra</strong>nken<br />
50 Prozent der Kühe und zwei Drittel der<br />
Schafe.» Besonders schlimm sei die Situation<br />
zwischen 1810 und 1900 gewesen, so<br />
Grosjean und schliesst: «In diese Zeit fällt<br />
die Planung und Verwi<strong>rk</strong>lichung der Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion.»<br />
(Grosjean 2004: 3).<br />
Die Ebene zwischen den Ju<strong>ra</strong><strong>ra</strong>ndseen<br />
– wo Kelten und Römer in früheren<br />
Jahrhunderten noch erfolgreich Ackerbau<br />
betrieben haben – versump<strong>ft</strong>e zusehends.<br />
Bald nannte die Bevölkerung diese grösste<br />
zusammenhängende Flachmoorlandscha<strong>ft</strong><br />
der Schweiz «Ma<strong>ra</strong>is d’Aarberg» und<br />
später ganz einfach «Gro<strong>sse</strong>s Moos».<br />
1835 schilderte Johann Rudolf<br />
Schneider, der später als «Retter des Seelandes»<br />
in die Geschichte eingegangen<br />
ist, die Situation in d<strong>ra</strong>matischen Worten:<br />
«Wahrlich ein t<strong>ra</strong>uriger, schrecklicher Anblick,<br />
so viele tausend Jucharten fruchtbares<br />
Land mit allen seinen Früchten unter<br />
Wa<strong>sse</strong>r beg<strong>ra</strong>ben zu sehen! Das Unglück<br />
ist unermesslich. Verloren, gänzlich verloren<br />
sind die Früchte des eisernen Flei<strong>sse</strong>s<br />
dieser arbeitsamen Bevölkerung. Es<br />
scheinen die drei Seen von Murten, Neuenburg<br />
und Biel nur ein gro<strong>sse</strong>s Wa<strong>sse</strong>rbecken<br />
zu bilden. […] Die Kartoffeln sind<br />
durchaus verloren, die Dörfer mit zusammengeführtem<br />
Un<strong>ra</strong>t angefüllt und die<br />
Wohnungen die Zufluchtstätten allen Ungeziefers<br />
geworden.» (Schneider 1836).<br />
Besonders katastrophal war die<br />
Situation 1852, als Mitte September ein<br />
langanhaltender Landregen in der ganzen<br />
Schweiz zu schweren Überschwemmungen<br />
führte. Die Aare durchb<strong>ra</strong>ch etwas<br />
oberhalb von Aarberg die Dämme und<br />
setzte die Ebene von Aarberg bis Meienried<br />
und Studen vollständig unter Wa<strong>sse</strong>r.<br />
Das Gro<strong>sse</strong> Moos bildete zwischen dem<br />
Murten-, Neuenburger- und Bielersee wiederum<br />
eine einzige zusammenhängende<br />
Wa<strong>sse</strong>rfläche. Ebenfalls sta<strong>rk</strong> betroffen<br />
waren die Kantone Solothurn und Aargau,<br />
da vor der Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion die<br />
Hochwa<strong>sse</strong>rwellen der Aare noch ungebremst<br />
durch diese Landscha<strong>ft</strong>en fluteten.<br />
Es verwundert daher kaum, dass die Aare<br />
früher auch «Aareteufel» genannt worden<br />
ist. (Müller, Hans, zit. In: Frey 1956: 22).<br />
4. Eine wilde Landscha<strong>ft</strong><br />
Die alles bestimmende Landscha<strong>ft</strong>sgestaltung<br />
ging von den Flü<strong>sse</strong>n aus. Sie<br />
strömten in alle Himmelsrichtungen – sich<br />
stets neue Flussbette g<strong>ra</strong>bend, sich verästelnd,<br />
vielarmig; dazwischen Sand- und<br />
Bild 3. Die Erste Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion (1868–1891). (S´ATsand<strong>ra</strong>s<br />
atelier, Bern).<br />
338 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Bild 4. Die Zweite Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion (1962–1973). (S´ATsand<strong>ra</strong>s<br />
atelier, Bern).<br />
Kiesbänke, umgeben von Schilffeldern<br />
und Auenwäldern. Entlang den verschlungenen<br />
Flussläufen erstreckten sich Sumpfebenen;<br />
Altwa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>rme griffen ins Land<br />
hinein. Zwischen den Seen lag das Gro<strong>sse</strong><br />
Moos. Die grösste zusammenhängende<br />
Moorfläche der Schweiz war uneinheitlich<br />
strukturiert. Es gab gefährliche, mo<strong>ra</strong>stige<br />
Stellen, die sich kaum jemand zu betreten<br />
get<strong>ra</strong>ute, und solche, wo das Riedg<strong>ra</strong>s<br />
gedieh, das die Moosanstö<strong>sse</strong>r dem Vieh<br />
verfütterten. Die Wege quer durchs Moos<br />
waren äu<strong>sse</strong>rst tückisch und nur selten<br />
sicher begehbar. Wa<strong>sse</strong>rgräben durchzogen<br />
das Riedland. Während der Moosheuet<br />
dienten sie den Bauern als kleine<br />
Bootskanäle. Und immer wieder wurde<br />
das Moos überschwemmt.<br />
Aus heutiger Sicht waren die Flussläufe<br />
wildromantisch, so dass jeder Naturliebhaber<br />
seine wahre Freude da<strong>ra</strong>n<br />
gehabt hätte. Die Broye wies zahlreiche<br />
Windungen auf. Seicht und mit wenig<br />
Gefälle mäanderte sie in gemächlichen<br />
Windungen vom Murten- dem Neuenburgersee<br />
zu. Die Zihl verliess beim Maison<br />
Rouge den Neuenburgersee und durchzog<br />
in Schlingen das Galser Moos. (Nast<br />
2006: 48f.).<br />
Den Zeitgeno<strong>sse</strong>n galt das Gro<strong>sse</strong><br />
Moos jedoch als eine wüste Landscha<strong>ft</strong>.<br />
Der Korrespondent des «Berner Blatt»<br />
beschrieb am 3. Oktober 1865 die Situation<br />
wie folgt: «Stellt man sich auf irgend<br />
eine Höhe, so geniesst man der herrlichen<br />
Rundsicht. Aber in der Nähe umdüstert<br />
den Blick das hässliche gro<strong>sse</strong> Moos. […]<br />
Es ist entsetzlich in Steuerregister fort und<br />
fort die Beme<strong>rk</strong>ung<br />
zu lesen, dass die<br />
Aare da ein Stück<br />
Land und dort eines<br />
weggeschwemmt<br />
hat. […] Gegenüber<br />
der Aare liegt<br />
Lyss. Dort hat man<br />
die nämliche trostlose<br />
Erscheinung, dass die Aare fortwährend<br />
Land wegschwemmt. Viele Jucharten<br />
sind seit wenigen Jahren verschwunden.<br />
Zudem lastet auf dem der Überschwemmung<br />
ausgesetzten Lande eine erdrückende<br />
Schwellenpflicht. Zehnten und<br />
Bodenzinse waren ein Spass gegenüber<br />
dieser Last.»<br />
5. Ursachen für die schweren<br />
Überschwemmungen<br />
Vor der Ersten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
mündete die Aare nicht in den Bielersee,<br />
sondern floss bei Aarberg ostwärts Richtung<br />
Lyss, Dotzigen und Meienried und<br />
erreichte das flache Becken des Seelandes.<br />
Das Geschiebe der ungezähmten<br />
Fliessgewä<strong>sse</strong>r liess Kies- und Sandbänke<br />
entstehen; schliesslich wuchs ein riesiger<br />
Schuttfächer he<strong>ra</strong>n, der über Lyss bis nach<br />
Büren reichte und einerseits bei Meienried<br />
die in die Aare einmündende untere Zihl<br />
staute. Andererseits verbaute sich der<br />
Fluss das eigene Flussbett, was zu periodischen<br />
Ausbrüchen der Aare führte.<br />
Damit noch nicht genug, nimmt die Aare<br />
bei Luterbach unterhalb von Solothurn<br />
zusätzlich das Wa<strong>sse</strong>r und Geschiebe der<br />
au<strong>sse</strong>rordentlich wilden Emme auf.<br />
Bild 5. Das K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Hagneck: Ansichtskarte von 1932. (mémreg<br />
– Regionales Gedächtnis: URL: http://www.memreg.ch).<br />
Bild 6. Flugaufnahme während des Hochwa<strong>sse</strong>rs von 1944: Muttenhof<br />
oberhalb von Solothurn. (archiv suzanne muller).<br />
D<strong>ra</strong>matisch wurde die Situation<br />
während der «Kleinen Eiszeit»: In dieser<br />
Phase mit kühlen, teilweise auch feuchten<br />
K<strong>lima</strong>bedingungen, die um 1850 den<br />
Höhepunkt erreichte, t<strong>ra</strong>ten regelmässig<br />
schwere Hochwa<strong>sse</strong>rereigni<strong>sse</strong> auf und<br />
die Entwä<strong>sse</strong>rung der gesamten Seenlandscha<strong>ft</strong><br />
war nicht mehr gewährleistet.<br />
(Grosjean 2004: 3)<br />
6. Politischer Durchbruch<br />
Die Auswi<strong>rk</strong>ungen auf Landwirtscha<strong>ft</strong> und<br />
Gewerbe, ja auf die Seeländer Bevölkerung<br />
insgesamt, waren katastrophal. Die<br />
regelmässig au<strong>ft</strong>retenden Überschwemmungen,<br />
die extremen Pegelstände und<br />
die fortwährende Versumpfung weiter<br />
Landstriche bedrohten Äcker, Weiden,<br />
Haus und Vieh, mitunter waren auch Leib<br />
und Leben in Gefahr. Die wachsende Not<br />
trieb manch ve<strong>ra</strong>rmten Seeländer auf ein<br />
Auswanderschiff, schlimmstenfalls jedoch<br />
in den Alkohol.<br />
Trotz allen Elendes und wiederholter<br />
Hilferufe der Seeländer Bevölkerung<br />
kamen die zahlreichen Projekte für eine<br />
Korrektion der Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong>r lange Zeit<br />
nicht vom Fleck. (Nast 2006: 63ff.). Eine<br />
umfa<strong>sse</strong>nde Gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion be-<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 339<br />
100. Hauptversammlung 2011
100. Hauptversammlung 2011<br />
Bild 7. Aushub der letzten Verengung<br />
bei Sugiez im Broyekanal während der<br />
Zweiten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion. (archiv<br />
suzanne muller).<br />
Bild 8. Verbreiterung des Zihlkanals zwischen Neuenburger-<br />
und Bielersee (oben) während der Zweiten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion.<br />
(archiv suzanne muller).<br />
t<strong>ra</strong>f nämlich das Gebiet der fünf Kantone<br />
Bern, Freiburg, Neuenburg, Solothurn<br />
und Waadt. Bevor also an eine umfa<strong>sse</strong>nde<br />
Korrektion zu denken war, mussten<br />
sich die Kantone einigen. Der politische<br />
Durchbruch gelang erst mit der Gründung<br />
des Bundesstaates 1848. (Summermatter<br />
2007: 202).<br />
Der sogenannte Wohlfahrtsartikel<br />
verlieh dem Bund das Recht, «im Intere<strong>sse</strong><br />
der Eidgeno<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong> oder eines gro<strong>sse</strong>n<br />
Teils derselben auf Kosten der Eidgeno<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong><br />
öffentliche We<strong>rk</strong>e zu errichten<br />
oder die Errichtung derselben zu unterstützen.»<br />
(Schweizerische Bundesverfassung<br />
von 1848, Art. 21).<br />
Johann Rudolf Schneider:<br />
Der Retter des Seelandes<br />
Der Dass der Bund die Dringlichkeit<br />
einer Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion e<strong>rk</strong>annte<br />
und diese zu einer nationalen Angelegenheit<br />
e<strong>rk</strong>lärte, ist nicht zuletzt der unermüdlichen<br />
Lobbyarbeit Johann Rudolf<br />
Schneiders (1804–1880) zu verdanken.<br />
Der aus Meienried/BE stammende<br />
Politiker, Publizist und Arzt kannte die<br />
Überschwemmungen aus eigener, bitterer<br />
Erfahrung. Bereits als Knabe hatte<br />
er eine ganze Serie von Hochwa<strong>sse</strong>rn<br />
erlebt. Später – als Arzt – e<strong>rk</strong>annte er<br />
den Zusammenhang zwischen den verheerenden<br />
Überschwemmungen und<br />
dem schlechten Gesundheitszustand<br />
der Seeländer Bevölkerung. Ob als Arzt,<br />
Publizist oder Politiker, sein ganzes Wi<strong>rk</strong>en<br />
hatte nur ein Ziel: die Zähmung der<br />
Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong>r und die Entsumpfung<br />
des Seelandes. (Fischer 1963; Nast<br />
2006: 68ff.).<br />
Damit war das System des Kostenausgleichs<br />
zwischen Bund, Kantonen und<br />
Gemeinden geboren, das bis heute – unter<br />
dem jeweiligen Getöse – zum erfolgreichen<br />
Bestehen des Bundesstaates beiträgt. 1867<br />
entschied der Bund, von den budgetierten<br />
14 Millionen F<strong>ra</strong>nken deren fünf zu übernehmen.<br />
Der oben genannte Wohlfahrtsartikel<br />
kam nicht zufällig zustande: Dieser geht auf<br />
das Bestreben des Berner Regierungs<strong>ra</strong>tes<br />
Johann Rudolf Schneider zurück. Da sein<br />
damaliger Freund Ulrich Ochsenbein der<br />
Verfassungskommission vorstand, konnte<br />
Schneider direkt Einfluss nehmen auf die<br />
Ausformulierung dieses Artikels. (Fischer<br />
1963: 389; Müller 2004: 96).<br />
Johann Rudolf Schneider: «Der Retter<br />
des Seelandes». (Staatsarchiv des<br />
Kantons Bern).<br />
Bild 9. Steinwüste oder Uferschutz: Ufe<strong>ra</strong>usbau während der<br />
Zweiten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion. (archiv suzanne muller).<br />
7. Die Erste Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
Die von Schneider präsidierte Vorbereitungsgesellscha<strong>ft</strong><br />
für die Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
holte den Bündner Oberingenieur<br />
Richard La Nicca (1794–1883) mit ins<br />
Boot, welcher den Plan ins Auge fasste,<br />
die Aare bei Aarberg in den Bielersee abzuleiten.<br />
Schneider setzte alles da<strong>ra</strong>n, diesen<br />
Plan in ein konkretes Projekt überzuführen.<br />
Doch er stiess auf Widerstand. Insbesondere<br />
Ulrich Ochsenbein, sein ehemaliger<br />
Mitstreiter, äu<strong>sse</strong>rte seine Bedenken «mit<br />
Applomb» (Holenstein 2009: 475).<br />
Ochsenbein wies da<strong>ra</strong>uf hin,<br />
340 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
dass die vollständige Entwä<strong>sse</strong>rung der<br />
Sümpfe zur Absenkung der Böden führen<br />
würde. Damit hatte er, wie sich später<br />
zeigen sollte, nicht Unrecht. Ochsenbein<br />
sp<strong>ra</strong>ch sich auch gegen die Ableitung der<br />
Aare in den Bielersee aus, womit aus heutiger<br />
Sicht eine zweifellos einmalige Flusslandscha<strong>ft</strong><br />
gerettet worden wäre. Trotz<br />
Ochsenbeins Kritik wurden die Korrektionsarbeiten<br />
unter der Leitung von Gustav<br />
Albert Bridel (1827–1884) zwischen 1868<br />
und 1891 planmässig ausgeführt:<br />
Korrektionsarbeiten zur Ersten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
(1868–1891)<br />
Ableitung der Aare von Aarberg in den<br />
Bielersee durch den neuen Hagneckkanal<br />
(acht Kilometer, davon 900 Meter<br />
Seerückendurchstich);<br />
Ableitung des im Bielersee vereinigten<br />
Wa<strong>sse</strong>rs von Aare, Broye, Zihl und<br />
Schüss durch den neuen Nidau-Büren-<br />
Kanal (12 Kilometer);<br />
Korrektion der oberen Zihl zwischen<br />
Neuenburger- und Bielersee (Zihlkanal:<br />
8.5 Kilometer);<br />
Korrektion der unteren Broye zwischen<br />
Murten- und Neuenburgersee (Broyekanal:<br />
acht Kilometer);<br />
Trockenlegung der Moore mit weitverzweigt<br />
angelegte Binnenkanälen (Binnenkorrektion:<br />
zi<strong>rk</strong>a 400 km 2 );<br />
Senkung der drei Seen um 2.5 Meter.<br />
Der Durchstich des Seerückens war eindeutig<br />
das Pièce de résistance der Ersten<br />
Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion. Der insgesamt<br />
acht Kilometer lange Hagneckkanal musste<br />
auf einer Länge von 900 Meter 34 Meter<br />
tief ausgeg<strong>ra</strong>ben werden. Der Sandstein<br />
wurde weggesprengt, die weiteren Arbeiten<br />
erfolgten von Hand. Die Arbeiter hoben<br />
den Kanal indes nicht gänzlich aus, sie gruben<br />
lediglich einen Leitkanal auf die volle<br />
Sohlentiefe. Den Rest erledigte das ab<br />
1878 sukzessive eingeleitete Aarewa<strong>sse</strong>r,<br />
das über zwei Millionen Kubikmeter Material<br />
– oder fast zwei Drittel des Kanalquerschnitts<br />
– in den Bielersee schwemmte.<br />
(Ehrsam 1973; Vischer 2003: 105ff.)<br />
8. Neuland<br />
Die Senkung der Seen, die Kanalisierung<br />
der Flü<strong>sse</strong> sowie die Entwä<strong>sse</strong>rung des<br />
Gro<strong>sse</strong>n Mooses veränderten das Antlitz<br />
der Landscha<strong>ft</strong> tiefgreifend. Wie der Rücken<br />
eines Wales hob sich etwa der alte<br />
Heidenweg aus dem Bielersee und aus der<br />
Sankt-Peters-Insel wurde wie zur Römerzeit<br />
eine Halbinsel. Entlang des Südufers<br />
des Neuenburgersees tauchte eine mehrere<br />
100 Meter breite Sandbank auf, die<br />
von aus dem Gro<strong>sse</strong>n Moos vertriebenen<br />
Tieren und Pflanzen <strong>ra</strong>sch besiedelt und<br />
bewachsen wurde. Die G<strong>ra</strong>nde Cariçaie<br />
ist heute das grösste zusammenhängende<br />
Schilf- und Riedgebiet der Schweiz und erstreckt<br />
sich über eine Distanz von 40 Kilometern<br />
Länge (Nast 2011, Cariçaie). Siedlungen<br />
rückten vom Ufer weg, Häfen, aber<br />
auch Ufermauern und Brücken mussten<br />
umgebaut oder völlig neu errichtet werden.<br />
Allgemein wi<strong>rk</strong>te sich die Umgestaltung<br />
der Landscha<strong>ft</strong> massiv auf das<br />
ökologische System aus. Die natürliche<br />
Dynamik in den Gewä<strong>sse</strong>rn wurde massiv<br />
gestört, den Auenwäldern ging das Wa<strong>sse</strong>r<br />
aus und die biologische Vielfalt nahm<br />
d<strong>ra</strong>stisch ab. Jedoch machte sich darüber<br />
kaum jemand Gedanken; der Schutz vor<br />
den wilden Natu<strong>rk</strong>rä<strong>ft</strong>en, der Gewinn von<br />
landwirtscha<strong>ft</strong>lich nutzbaren Flächen und<br />
die um die Jahrhundertwende aufkommende<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung hatten damals<br />
absoluten Vor<strong>ra</strong>ng.<br />
9. Intere<strong>sse</strong>nkonflikte<br />
Die Resultate der Korrektionsarbeiten<br />
waren zwiespältig: Zwar schaf<strong>ft</strong>e die Erste<br />
Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion viele Probleme<br />
aus der Welt. Da jedoch das erste Korrektionsprojekt<br />
keine Regulierung der Seen<br />
vorsah, schwankten die Pegelstände in<br />
den Seen und Flü<strong>sse</strong>n weiterhin sta<strong>rk</strong> und<br />
aus dem Bielersee floss entweder zu viel<br />
oder zu wenig Wa<strong>sse</strong>r ab.<br />
Das hatte nicht nur bedrohliche<br />
Hochwa<strong>sse</strong>r zur Folge, es kam in den<br />
Seen, Kanälen und Flü<strong>sse</strong>n auch immer<br />
wieder zu extremen Niedrigwa<strong>sse</strong>rständen.<br />
Au<strong>sse</strong>rdem sackten, wie vo<strong>ra</strong>usgesagt,<br />
die trockengelegten Torfböden im<br />
Gro<strong>sse</strong>n Moos rund einen Meter ab. (Peter<br />
1922).<br />
Vor diesem Hintergrund t<strong>ra</strong>ten<br />
kaum überwindbare Intere<strong>sse</strong>nkonflikte<br />
an den Tag: So verlangten die Landwirte<br />
den vollständigen Schutz vor Überschwemmungen<br />
und Versumpfung. Auch<br />
die St<strong>ra</strong>ndbodenbesitzer begehrten, dass<br />
ihr Land nicht bei jedem Hochwa<strong>sse</strong>r überschwemmt<br />
wird. Die Fischer wiederum<br />
verlangten kleinere Niveauschwankungen<br />
der Seespiegel und konstante Pegel während<br />
der Laichzeit, damit der Laich nicht<br />
trockenfällt. Da die Schiffe bei Niedrigwa<strong>sse</strong>r<br />
o<strong>ft</strong> zu wenig Wa<strong>sse</strong>r unter dem Kiel hatten,<br />
forderte die Schifffahrt möglichst hohe<br />
Wa<strong>sse</strong>rstände, damit der Wa<strong>sse</strong>rweg von<br />
Yverdon bis Solothurn jederzeit befahrbar<br />
bleibt. Die Hausbesitzer wünschten sich<br />
ebenfalls hohe Wa<strong>sse</strong>rpegel, damit das<br />
Grundwa<strong>sse</strong>r nicht weiter absinkt.<br />
Mit den K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>betreibern t<strong>ra</strong>ten<br />
um die Jahrhundertwende weitere<br />
Akteure auf, welche ihre Intere<strong>sse</strong>n in die<br />
Debatte einbringen wollten. Bei der Planung<br />
und Durchführung der Ersten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
war die Nutzung der<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> zur Stromproduktion noch<br />
kein Thema. Das änderte sich, als 1900<br />
das K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> in Hagneck den Betrieb<br />
aufnahm. Später folgten weitere We<strong>rk</strong>e<br />
unterhalb des Bielersees. Diese waren<br />
dringend auf die regelmässige Wa<strong>sse</strong>rführung<br />
angewiesen. Vor allem im Winter<br />
war diese aber nicht gewährleistet. Wegen<br />
akuten Wa<strong>sse</strong>rmangels musste die Stromproduktion<br />
jeweils sta<strong>rk</strong> zurückgefahren<br />
werden, was zu empfindlichen Einbu<strong>sse</strong>n<br />
und entsprechenden Reklamationen der<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>betreiber führte. Die K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>betreiber<br />
forderten deshalb eine gleichmässige<br />
Wa<strong>sse</strong>rführung und insbesondere<br />
einen höheren und regulierten Abfluss<br />
des Bielersees im Winter. Aufgrund ihrer<br />
volkswirtscha<strong>ft</strong>lichen Bedeutung nahmen<br />
Regierung und Behörden diese Kritik sehr<br />
ernst.<br />
10. Erneute<br />
Überschwemmungen<br />
1910 liess ein Rekordhochwa<strong>sse</strong>r die Seen<br />
über die Ufer treten und führte im Gro<strong>sse</strong>n<br />
Moos erneut zu schweren Überschwemmungen.<br />
Das Wehr bei Nidau konnte die<br />
Wa<strong>sse</strong>rma<strong>sse</strong>n bei weitem nicht meistern.<br />
Die Kantone Freiburg, Neuenburg<br />
und Waadt teleg<strong>ra</strong>fierten nach Bern und<br />
verlangten die sofortige Sprengung des<br />
Bauwe<strong>rk</strong>s. Der damalige bernische Baudirektor<br />
Karl Könitzer (1854–1915) kabelte<br />
treffend zurück:<br />
«Nume nid gschprängt».<br />
Nein, gesprengt wurde das Bauwe<strong>rk</strong> nicht.<br />
Nicht auszudenken, welche Verheerungen<br />
bei einer Sprengung die in Sekundenschnelle<br />
freigela<strong>sse</strong>nen Wa<strong>sse</strong>rma<strong>sse</strong>n<br />
in den weiter unten liegenden Kantonen<br />
Solothurn und Aargau angerichtet hätten.<br />
Doch die Angelegenheit war dringend. Von<br />
1936 bis 1940 wurde deshalb das Regulierwehr<br />
bei Port als vorgezogene Massnahme<br />
zur Zweiten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
errichtet. Das Bauwe<strong>rk</strong> ist nach wie vor<br />
ein Kernstück der gesamten Korrektionsarbeiten<br />
im 20. Jahrhundert.<br />
Den schweren Überschwemmungen<br />
von 1910 folgten weitere Hochwa<strong>sse</strong>rereigni<strong>sse</strong>,<br />
so 1944, 1948, 1950,<br />
1952, 1953 und 1955. Es zeigte sich, dass<br />
die Arbeiten zur Ersten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
die Region nicht ausreichend gesichert<br />
haben und sich eine Zweite Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
aufdrängte.<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 341<br />
100. Hauptversammlung 2011
100. Hauptversammlung 2011<br />
11. Die Zweite<br />
Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
1960 sicherte die Bundesversammlung<br />
den fünf Kantonen einen Bundesbeit<strong>ra</strong>g<br />
von 50 Prozent zu. Unter der Leitung von<br />
Robert Müller (1908–1987) wurden die Arbeiten<br />
der Zweiten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
in Angriff genommen.<br />
Korrektionsarbeiten zur Zweiten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
(1962–1973)<br />
Erstellung des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>es Flumenthal<br />
als Regulierwehr;<br />
Korrektion der Aare zwischen Büren<br />
a. A. und Flumenthal samt Entfernung<br />
des sogenannten Emmeriegels;<br />
Verbreiterung, Vertiefung und Ufe<strong>ra</strong>usbau<br />
des Broye-, Zihl- und Nidau-<br />
Büren-Kanals sowie des Aarelaufes<br />
Büren-Flumenthal.<br />
Dank der Zweiten Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion<br />
konnten die Spiegelschwankungen der<br />
Ju<strong>ra</strong><strong>ra</strong>ndseen weiter vermindert werden:<br />
Einerseits wurden die Hochwa<strong>sse</strong>rstände<br />
den bisherigen Landabsenkungen angepasst<br />
– und somit um rund einen Meter<br />
gesenkt. Andererseits wurden die Niedrigwa<strong>sse</strong>rstände<br />
zugunsten der Schifffahrt,<br />
der Fischerei und des Landscha<strong>ft</strong>sbildes<br />
um knapp einen Meter angehoben. (BVE).<br />
Diese Eingriffe stie<strong>sse</strong>n auf Kritik.<br />
So nannte der Volksmund die Uferverbauungen<br />
entlang der Kanäle abschätzig<br />
«Professor Müllers Steinwüste». In den<br />
Leserbriefspalten war vom «Landscha<strong>ft</strong>smord<br />
im Gro<strong>sse</strong>n Moos» die Rede. Fischereikreise<br />
und Naturschützer beschwerten<br />
sich über die Versenkung von Aushubmaterial<br />
in den Seen.<br />
Die Pläne zur Schiffbarmachung<br />
der Aare und der Ju<strong>ra</strong><strong>ra</strong>ndseen sowie zum<br />
Bau einer Verbindung zwischen Neuenburger-<br />
und Genfersee b<strong>ra</strong>chten das Fass<br />
fast zum Überlaufen. Gewä<strong>sse</strong>r- und Umweltschutzorganisationen<br />
bekämp<strong>ft</strong>en<br />
diesen T<strong>ra</strong>nshelvetischen Kanal vehement.<br />
(mémreg; Nast 2010: 25).<br />
12. Gezähmte Landscha<strong>ft</strong><br />
Heute ist das Gebiet der drei Ju<strong>ra</strong><strong>ra</strong>ndseen<br />
in weiten Teilen eine von Menschenhand<br />
geschaffene Landscha<strong>ft</strong>. Dank der Zähmung<br />
der wilden Wa<strong>sse</strong>r konnte sich das<br />
Seeland in einen prosperierenden Lebens-,<br />
Wirtscha<strong>ft</strong>s- und Erholungs<strong>ra</strong>um entwickeln.<br />
Im bernischen und freiburgischen<br />
Teil des Seelandes wird rund ein Viertel der<br />
Schweizer Freiland-Gemüse ernte produziert.<br />
Was für die Menschen ein Segen<br />
war, bedeutete allerdings Unheil und Verderben<br />
für das Tier- und Pflanzenreich.<br />
Mit der Trockenlegung der grössten<br />
Moorlandscha<strong>ft</strong> der Schweiz, den da<strong>ra</strong>n<br />
anschlie<strong>sse</strong>nden Melio<strong>ra</strong>tionen, der Kanalisierung<br />
der Fliessgewä<strong>sse</strong>r und dem<br />
Verschwinden der Auenwälder verloren<br />
unzählige Tiere und Pflanzen ihre Lebensgrundlage.<br />
Heute gibt der Mensch zwar Gegensteuer:<br />
In renaturierten Wa<strong>sse</strong>rläufen<br />
nagen erste Biber wieder an Baumstämmen.<br />
Ausgewiesene Naturschutzgebiete<br />
ga<strong>ra</strong>ntieren das Überleben seltener Tiere<br />
und Pflanzen und Umgehungsgerinne bei<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en sollen die Fischgängigkeit<br />
sicherstellen.<br />
In Zusammenhang mit den anstehenden<br />
Sanierungsarbeiten und vor<br />
dem Hintergrund des revidierten Gewä<strong>sse</strong>rschutzgesetzes<br />
stehen heute auch<br />
die K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>betreiber in der Pflicht. Um<br />
den weiteren Rückgang der Artenvielfalt<br />
zu stoppen und die Isolierung verbleibender<br />
Populationen aufzubrechen, sind<br />
ökologische Aufwertungsmassnahmen<br />
dringend notwendig. Dass dies möglich<br />
ist, zeigen exemplarisch die Sanierung<br />
des Hagneckkanals oder der Neubau des<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s Hagneck. Die hier an<br />
die Hand genommenen Revitalisierungsprojekte<br />
und Vernetzungsmannsnahmen<br />
zeigen zweierlei: Erstens dient Tullas vor<br />
200 Jahren ausgegebene Losung nicht<br />
mehr als alleinige Richtschnur im Wa<strong>sse</strong>rbau.<br />
Zweitens – um an dieser Stelle an den<br />
eingangs zitierten Johann Wilhelm Ritter<br />
zu erinnern – ist das Verhältnis des Menschen<br />
zur Natur in historischer Perspektive<br />
stets im Wandel begriffen. Stand früher der<br />
Schutz der Bevölkerung vor den wilden<br />
Wa<strong>sse</strong>rn im Vordergrund, sind wir heute<br />
aufgefordert, den Schutz der natürlichen<br />
Umwelt vor<strong>ra</strong>ngig zu beachten. Die Einhaltung<br />
der gesetzlichen Minimalbestimmungen<br />
sind inde<strong>sse</strong>n nicht hinreichend.<br />
Zwar sind der Hochwa<strong>sse</strong>rschutz und die<br />
Gewinnung elektrischer Energie massgebende<br />
Faktoren. Darüber hinaus soll den<br />
Gewä<strong>sse</strong>rn jedoch wieder jener Raum zugestanden<br />
werden, den sie benötigen, um<br />
auch in Zukun<strong>ft</strong> ihre Funktion als Lebensadern<br />
der Natur wahrnehmen zu können.<br />
Lite<strong>ra</strong>tur<br />
BAFU – Bundesamt für Umwelt 2009: Ereignisanalyse<br />
Hochwa<strong>sse</strong>r August 2007. Analyse der<br />
Meteo- und Abflussvorhersagen; vertie<strong>ft</strong>e Analyse<br />
der Hochwa<strong>sse</strong>rregulierung der Ju<strong>ra</strong><strong>ra</strong>ndgewä<strong>sse</strong>r.<br />
Bern.<br />
BVE – Bau-, Ve<strong>rk</strong>ehrs- und Energiedirektion des<br />
Kantons Bern: URL: http://www.bve.be.ch/bve/<br />
de/index/wa<strong>sse</strong>r/wa<strong>sse</strong>r/gewae<strong>sse</strong>runterhalt.<br />
html, Version vom 28.10.2011.<br />
Ehrsam, Emil 1974: Zusammenfa<strong>sse</strong>nde Dar-<br />
stellung der beiden Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektionen.<br />
Ausgeführt in den Jahren 1868–1891 und 1962–<br />
1973. Bern.<br />
Ewald, Klaus C. / Klaus, Gregor 2009: Die ausgewechselte<br />
Landscha<strong>ft</strong>. Vom Umgang der<br />
Schweiz mit ihrer wichtigsten natürlichen Ressource.<br />
Bern, Stuttgart, Wien.<br />
Fischer, Hans 1963: Dr. med. Johann Rudolf<br />
Schneider. Retter des westschweizerischen<br />
Seelandes. Bern.<br />
Frey, Arnold Alfred (Hg.) 1956: Von der I. zur II.<br />
Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion. De la Ire à la IIe correction<br />
des eaux du Ju<strong>ra</strong>. Twann.<br />
Grosjean, Martin 2004: Die Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion.<br />
Ein wa<strong>sse</strong>rbaulicher Grossversuch und<br />
seine Folgen. Biel.<br />
mémreg – Regionales Gedächtnis: URL: http://<br />
www.memreg.ch. Stichwort: «T<strong>ra</strong>nshelvetischer<br />
Kanal», Version vom 28.10.2011, Autor:<br />
Matthias Nast.<br />
Müller, Reto 2004: Das wild gewordene Ele<br />
ment. Gesellscha<strong>ft</strong>liche Reaktionen auf die beiden<br />
Hochwa<strong>sse</strong>r im Schweizer Mittelland von<br />
1852 und 1876. Nordhausen.<br />
Nast, Matthias 2006: Überflutet – überlebt<br />
– überlistet. Die Geschichte der Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektionen.<br />
Biel.<br />
Nast, Matthias 2010: Blickpunkt ungezähmte<br />
Gewä<strong>sse</strong>r: 50 Jahre Rheinaubund. In: natur und<br />
mensch (2/2010). S. 23–27.<br />
Nast, Matthias 2011: Der Aareteufel oder die<br />
Zähmung der Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong>r. In: Peter Martig<br />
(Hg.): Berns moderne Zeit. Das 19. und 20. Jahrhundert<br />
neu entdeckt. Bern 2011. S. 265–268.<br />
Nast, Matthias 2011: Die G<strong>ra</strong>nde Cariçaie – ein<br />
historischer Streifzug durch die Camargue der<br />
Schweiz. In: natur und mensch (1/2011). S.<br />
22–25.<br />
Peter, Arthur 1922: Die Ju<strong>ra</strong>gewä<strong>sse</strong><strong>rk</strong>orrektion.<br />
Bericht über die Vorgeschichte, Durchführung,<br />
Wi<strong>rk</strong>ung und Neuordnung 1921 der Korrektion<br />
der seeländischen Gewä<strong>sse</strong>r von Entreroches<br />
bis Luterbach. Bern.<br />
Schipperges, Heinrich (Ndr., Hg.) 1969: F<strong>ra</strong>gmente<br />
aus dem Nachlass eines jungen Physikers.<br />
Bd. 2. Heidelberg. (F<strong>ra</strong>gm. 596/1804).<br />
Schneider, Johann Rudolf 1835: Gesp<strong>ra</strong>eche<br />
über die Ueberschwemmungen im Seelande<br />
der westlichen Schweiz: über die Mittel zu Austrocknung<br />
und zum Anbau seiner Suempfe und<br />
Mooser. Bern.<br />
Vischer, Daniel L. 2003: Die Geschichte des<br />
Hochwa<strong>sse</strong>rschutzes in der Schweiz. Von den<br />
Anfängen bis ins 19. Jahrhundert. Biel.<br />
Anschri<strong>ft</strong> des Verfa<strong>sse</strong>rs<br />
Matthias Nast, stv. Studienleiter BSc Kommunikation,<br />
HWZ Hochschule für Wirtscha<strong>ft</strong> Zürich<br />
Freier Historiker und Texter, kulturvermittler.ch<br />
CH-8003 Zürich, m.nast@kulturvermittler.ch<br />
342 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Neuer Schub für die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>!<br />
Caspar Baader<br />
Sehr geehrte Damen und Herren<br />
Wer sich in den vergangenen Monaten mit<br />
der Schweizerischen Energie- und Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>spolitik<br />
befasst hat, kam nicht<br />
um den Begriff «Fukushima» herum. Wie<br />
ein Schock wi<strong>rk</strong>ten die Ereigni<strong>sse</strong> rund um<br />
die infolge des au<strong>sse</strong>rordentlich he<strong>ft</strong>igen<br />
Tsunami au<strong>sse</strong>r Kontrolle ge<strong>ra</strong>tenen Japanischen<br />
Kernk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e auf viele Menschen<br />
in unserem Land und vor allem auch<br />
auf diverse Politikerinnen und Politiker.<br />
Und es scheint, dass einige dabei auch<br />
den gesunden Menschenverstand verloren<br />
haben. Wir können doch nicht einfach die<br />
KKWs abstellen und – wenn unsere Industrie<br />
am Morgen ihre Maschinen anstellen<br />
will – steht alles still. Ich habe nichts dagegen,<br />
wenn wir irgendeinmal später Strom<br />
anders als durch Kernk<strong>ra</strong><strong>ft</strong> produzieren<br />
können, aber zuerst muss man gleichwertige<br />
Technologien haben, die den benötigten<br />
Strombedarf realistischerweise zu<br />
decken vermögen, bevor der Ausstieg beschlo<strong>sse</strong>n<br />
wird. Ich bin davon überzeugt,<br />
unsere Wirtscha<strong>ft</strong> kann die Arbeitsplätze<br />
nur halten, wenn sie genügend kostengünstige<br />
Energie bekommt. Mit dem vorgestrigen<br />
Entscheid in der Ständerätlichen Kommission<br />
beginnt es anscheinend zu tagen!<br />
Nun aber zurück zur Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>.<br />
Wie sah eigentlich die Schweizer Energiepolitik<br />
bezogen auf die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> in der<br />
Zeit vor und wie sieht sie in der Zeit nach<br />
«Fukushima» aus?<br />
Vor Fukushima: Kompromi<strong>sse</strong> bei<br />
langjährigen Gesetzesprojekten.<br />
Auf den Beginn des Jahres 2011, also noch<br />
in der Phase Vor-«Fukushima» haben sich<br />
nach langjährigen für unsere Tätigkeit relevanten<br />
Gesetzesprojekten diverse Kompromi<strong>sse</strong><br />
durchgesetzt.<br />
So hat das Parlament noch im<br />
Herbst 2010 nach langem Ringen das<br />
Stauanlagengesetz ve<strong>ra</strong>bschiedet. Während<br />
der Geltungsbereich gegenüber der<br />
heutigen Regelung weitgehend unverändert<br />
bleibt, wurde im neuen Gesetz allerdings<br />
die Ha<strong>ft</strong>ung für die Inhaber von Stauanlagen<br />
ausgedehnt und eine zusätzliche<br />
Aufsichtsabgabe eingeführt. Beides führt<br />
National<strong>ra</strong>t Caspar Baader,<br />
Präsident <strong>SWV</strong>.<br />
letztlich zu einer Stromverteuerung! Der<br />
<strong>SWV</strong> und die B<strong>ra</strong>nche haben sich in ihren<br />
Vernehmlassungen gegen diese Zusatzbelastungen<br />
ausgesprochen, die neuen Rahmenbedingungen<br />
sind nun aber zu akzeptieren.<br />
Das Gesetz soll zusammen mit der<br />
aktuell in E<strong>ra</strong>rbeitung stehenden Revision<br />
der Verordnung ca. Mitte 2012 in K<strong>ra</strong><strong>ft</strong> gesetzt<br />
werden.<br />
Bereits auf Anfang 2011 wurde<br />
eine andere Gesetzesrevision in K<strong>ra</strong><strong>ft</strong> gesetzt,<br />
die zu Mehrbelastungen bei den<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>betreibern führt. Es ist dies<br />
die Revision des Wa<strong>sse</strong>rrechtsgesetzes<br />
zur Erhöhung der Wa<strong>sse</strong>rzinsen bzw. des<br />
bundesgesetzlichen Maximums. Dieses<br />
Maximum wird nun bis 2015 in zwei Schritten<br />
von bisher 80.– CHF auf 110.– CHF pro<br />
Kilowatt Bruttoleistung erhöht. Dies entspricht<br />
der nunmehr sechsten Erhöhung<br />
des Wa<strong>sse</strong>rzinsmaximums seit seiner Einführung<br />
vor gut 100 Jahren und beschert<br />
den konzessionsgebenden Gemeinwesen<br />
Zusatzeinnahmen von rund 150 Mio. CHF<br />
pro Jahr und der Wirtscha<strong>ft</strong> und den privaten<br />
Stromkonsumenten entsprechende<br />
Meh<strong>rk</strong>osten.<br />
Pa<strong>ra</strong>llel dazu hat das Parlament auch<br />
die Revision des Energiegesetzes zur Aufstockung<br />
der Mittel für die kos tendeckende<br />
Einspeisevergütung (KEV) ve<strong>ra</strong>bschiedet.<br />
Das bei allen Stromkonsumenten mit der<br />
Stromrechnung einkassierbare Maximum<br />
wird damit ab 2013 von heute 0.6 Rp./kWh<br />
auf 0.9 Rp./kWh erhöht. Dadurch stehen<br />
jährlich maximal rund 500 Mio. CHF für die<br />
Förderung von Strom aus Neuen Erneuerbaren<br />
Quellen sowie Kleinwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> bis<br />
10 MW zur Verfügung. Das Parlament will<br />
damit den Abbau der langen KEV-Warteliste<br />
beschleunigen. An der fehlerha<strong>ft</strong>en<br />
Grundkonzeption dieser KEV, dass mit<br />
diesen Fördermitteln vor allem die unrentabelsten<br />
und nicht die wi<strong>rk</strong>ungsvollsten<br />
Projekte subventioniert werden, hat sich<br />
auch mit dieser Revision nichts geändert.<br />
Und schliesslich gilt es noch das<br />
einschneidendste vom Parlament zum Abschluss<br />
geb<strong>ra</strong>chte Projekt zu erwähnen: die<br />
Revision des Gewä<strong>sse</strong>rschutzgesetzes.<br />
Als Antwort auf die von den eid-genössischen<br />
Räten deutlich abgelehnte Volksinitiative<br />
«Lebendiges Wa<strong>sse</strong>r» – welche am<br />
13. Mai 2010 zurückgezogen wurde – ist<br />
das revidierte Gewä<strong>sse</strong>rschutzgesetz als<br />
indirekter Gegenvorschlag ebenfalls bereits<br />
seit dem 1. Januar 2011 in K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>. In den<br />
nächsten 80 Jahren sollen rund 4000 km<br />
verbaute Gewä<strong>sse</strong>r revitalisiert werden,<br />
das entspricht 1 km aufwändiger<br />
Revitalisierung à je 1 Mio. CHF<br />
pro Woche!<br />
Und über die nächsten 20 Jahre sollen die<br />
wesentlichen Beeinträchtigungen durch<br />
die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung (Schwall/Sunk und<br />
Hinderni<strong>sse</strong> bei der Fischwanderung) behoben<br />
werden. Finanziert werden die Revitalisierungsmassnahmen<br />
mit jährlich rund<br />
60 Mio. CHF durch die Steuerzahler von<br />
Bund und Kantonen, und die Sanierungen<br />
im Bereich der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> über einen von<br />
den Stromkonsumenten zu bezahlenden<br />
Zuschlag auf die Übert<strong>ra</strong>gungskosten von<br />
0.1 Rp./kWh, entsprechend jährlich rund<br />
50 Mio. CHF bzw. total 1 Mrd. CHF durch<br />
die Stromkonsumenten.<br />
Es ist ein ausgesprochen ambitiöses<br />
Projekt, das sich die Schweiz mit dieser<br />
Revision gegeben hat. Für die Umsetzung<br />
des Vorhabens sind alle Beteiligten<br />
sta<strong>rk</strong> gefordert. Neben den Inhabern der<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen sind das allen vo<strong>ra</strong>n<br />
die Kantone, die für die Analyse der Defizite,<br />
die Abstimmung und Priorisierung<br />
der Sanierungsplanungen sowie für die<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 343<br />
100. Hauptversammlung 2011
100. Hauptversammlung 2011<br />
Genehmigungsverfahren zuständig sind.<br />
Angesichts des sehr ehrgeizigen Zeitplans<br />
dür<strong>ft</strong>en die Kantonsbehörden an die Grenzen<br />
ihrer Ressourcen – und darüber hinaus<br />
– sto<strong>sse</strong>n.<br />
Gefordert ist aktuell aber noch die<br />
Bundesverwaltung, da sie die Ausführungsbestimmungen<br />
auszuarbeiten hat.<br />
Die Entwürfe der drei Vollzugshilfen «Revitalisierung»,<br />
«Fischdurchgängigkeit» und<br />
«Schwall/Sunk» waren über die Sommermonate<br />
in der Anhörung. Sie richten sich<br />
zwar primär an die Kantone, der <strong>SWV</strong> hat<br />
aber die Entwürfe analysiert und den Bundesbehörden<br />
– im Hinblick auf umsetzbare<br />
Vorgaben – detaillierte Anme<strong>rk</strong>ungen und<br />
konkrete Anträge zukommen la<strong>sse</strong>n. In unserer<br />
Einschätzung werden insbesondere<br />
die Kosten und der Zeitbedarf für die Analysen<br />
massiv unterschätzt. Die Konzent<strong>ra</strong>tion<br />
auf das Wesentliche ist deshalb unabdingbar.<br />
Der <strong>SWV</strong> trägt diesen Kompromiss<br />
mit und unterstützt die zielgerichtete Umsetzung<br />
der Sanierung von wesentlichen<br />
Beeinträchtigungen. Dies insbesondere<br />
auch aufgrund der sichergestellten Finanzierung<br />
und unter der auch vom Parlament<br />
geforderten Prämi<strong>sse</strong>, dass dadurch keine<br />
für die Versorgungssicherheit relevanten<br />
Verluste bei der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>produktion<br />
entstehen. Solche Einbu<strong>sse</strong>n wären schon<br />
Vor-«Fukushima» den energiepolitischen<br />
Zielen zur Förderung der erneuerbaren Energien<br />
diamet<strong>ra</strong>l zuwider gelaufen – und sie<br />
würden es jetzt erst recht.<br />
Nach Fukushima: Postulierte Energiewende<br />
Seit März 2011 sind wir in der Phase Post-<br />
«Fukushima». Die Ereigni<strong>sse</strong> rund um die<br />
au<strong>sse</strong>r Kontrolle ge<strong>ra</strong>tenen Kernk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
im 10 000 Kilometer entfernten Japan<br />
haben die Auseinandersetzung zur Energiezukun<strong>ft</strong><br />
der Schweiz schlagartig intensiviert.<br />
Zwar lehrt uns die Katastrophe bisher<br />
nichts wi<strong>rk</strong>lich Neues. Aber die durch<br />
Medien und Politik ausgelöste Hektik hat<br />
zu einem abrupten Wandel der veröffentlichten<br />
Meinung geführt. Das Risiko eines<br />
Kernk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>unfalls in der Schweiz wurde breit<br />
thematisiert und diskutiert.<br />
Alleine in der Frühling<strong>sse</strong>ssion<br />
der eidgenössischen Räte wurden über<br />
150 neue politische Vorstö<strong>sse</strong> zu diesem<br />
Thema eingereicht. Von der Forderung<br />
nach «Mühleberg sofort stilllegen» über<br />
«Wüstenstrom für die Schweiz», «Weniger<br />
Stromverb<strong>ra</strong>uch und tiefere K<strong>ra</strong>nkenka<strong>sse</strong>nprämien»<br />
bis hin zu Vorschri<strong>ft</strong>en<br />
«Stromsparen bei Settop-Boxen» ist den<br />
Parlamentariern in diesem Wahljahr aller-<br />
hand eingefallen. Und bescherte vo<strong>ra</strong>b<br />
dem Parlament, aber natürlich auch der<br />
Verwaltung viel Papier und Arbeit – und<br />
erzeugte im Vorfeld der eidgenössischen<br />
Wahlen vom 23. Oktober 2011 auch Druck<br />
auf den Bundes<strong>ra</strong>t.<br />
Der Bundes<strong>ra</strong>t hat diesem Druck<br />
nachgegeben und Ende Mai mit seinem<br />
Grundsatzentscheid über einen Ausstieg<br />
frühzeitig und ohne klare Alternativen die<br />
energiepolitische Wende proklamiert: In<br />
der Schweiz sollen die laufenden Kernk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
schrittweise vom Netz genommen<br />
und keine neuen Anlagen gebaut<br />
werden. Ob Parlament und Stimmvolk<br />
dem Bundes<strong>ra</strong>t auch längerfristig – zum<br />
Beispiel nach den Wahlen – noch folgen<br />
und welche konkreten Massnahmen zum<br />
realistischen Ersatz dieser wegfallenden<br />
Kernenergie mehrheitsfähig sein werden,<br />
wird sich in den nächsten Monaten und<br />
Jahren zeigen.<br />
Der National<strong>ra</strong>t hat in seiner Sondersession<br />
von Anfang Juni 2011 mit der Behandlung<br />
der hängigen Vorstö<strong>sse</strong> diesbezüglich<br />
erste Zeichen gesetzt. So stützt der<br />
Erst<strong>ra</strong>t – ebenfalls ohne die realistischen Alternativen<br />
für die Stromproduktion zu kennen<br />
– grossmehrheitlich die bundesrätliche<br />
St<strong>ra</strong>tegie für einen schrittweisen Ausstieg<br />
aus der Kernenergie, lehnt allerdings die<br />
sofortige Au<strong>sse</strong>r betriebnahme der älteren<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e ab. Er will unter anderem auch<br />
die Verfahren für den Bau von Anlagen für<br />
Erneuerbare Energien vereinfachen und<br />
beschleunigen, die Begrenzung der KEV-<br />
Fördermittel aufheben und schliesslich das<br />
Verbandbeschwerderecht im Energiebereich<br />
ein-schränken.<br />
Der Stände<strong>ra</strong>t hat die Sonderdebatte<br />
auf den Herbst 2011 verschoben und<br />
wird am 28. September 2011 die relevanten<br />
Vorstö<strong>sse</strong> behandeln und beurteilen. Die<br />
ständerätliche Energiekommission hat den<br />
Beschluss des National<strong>ra</strong>tes an ihrer Sitzung<br />
vom 29. August 2011 relativiert. So<br />
soll die Kernenergie in der Schweiz auch<br />
in Zukun<strong>ft</strong> nicht unmöglich werden und<br />
auf eine gestaffelte Stilllegung bestehender<br />
We<strong>rk</strong>e soll verzichtet werden. Es kann<br />
deshalb sein, dass der Zweit<strong>ra</strong>t noch vor<br />
den Wahlen gewi<strong>sse</strong> Korrekturen an den<br />
vom National<strong>ra</strong>t überwiesenen Vorstö<strong>sse</strong>n<br />
anbringt. In jedem Fall wird sich nach der<br />
Debatte klarer zeigen, welche Weichenstellungen<br />
mehrheitsfähig sind und wohin<br />
die Energiereise der Schweiz gehen soll.<br />
Klar ist bereits heute: der postulierte<br />
Aus- und Umstieg wird kein Selbstläufer.<br />
Durch den mittelfristigen Wegfall der<br />
Kernenergie sind rund 25 TWh (vor allem<br />
Bandenergie) zu ersetzen. Dies entspricht<br />
bereits bei heutiger Nachf<strong>ra</strong>ge 40% unserer<br />
Stromproduktion! Und der Stromverb<strong>ra</strong>uch<br />
wächst bekanntlich weiter an. Im<br />
letzten Jahr waren es wiederum satte 4%<br />
Mehrverb<strong>ra</strong>uch – für mehr Einwohner, mehr<br />
Komfort, mehr elektronische Gadgets,<br />
mehr öffentlicher Ve<strong>rk</strong>ehr, mehr Ersatz von<br />
fossilen Energieträgern, usw., usw. Wie<br />
also ist eine solche Wende zu schaffen?<br />
Und sind alle Beteiligten bereit, die nötigen<br />
Kompromi<strong>sse</strong> beim Verb<strong>ra</strong>uch, beim<br />
Strompreis sowie beim Kli-ma-, Gewä<strong>sse</strong>r-<br />
und Landscha<strong>ft</strong>sschutz einzugehen? Und<br />
sind de<strong>ra</strong>rtige Strompreisverteuerungen in<br />
Anbet<strong>ra</strong>cht des ohne hin schon bestehenden<br />
internationalen Wettbewerbnachteils<br />
durch den hohen F<strong>ra</strong>nkenkurs und die sich<br />
abflachende Nachf<strong>ra</strong>ge aus dem Ausland<br />
überhaupt zu ve<strong>ra</strong>ntworten?<br />
Der Bundes<strong>ra</strong>t setzt zum einen auf<br />
Effizienzsteigerung und Lenkungsabgaben<br />
zur Stabilisierung der Stromnachf<strong>ra</strong>ge<br />
auf heutigem Niveau. Da aber trotz dieser<br />
sehr ambitiösen Zielsetzung weiterhin rund<br />
25 TWh zu ersetzen bleiben, soll der Ausbau<br />
der erneuerbaren Stromproduktion<br />
forciert werden, unter anderem durch die<br />
Erhöhung der Produktion aus Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
um netto 4 TWh bis 2050 (ohne Pumpspeicherung)<br />
– der Grossteil davon allerdings<br />
bereits bis 2035.<br />
Da auch dies bei weitem nicht<br />
reichen wird, ge<strong>ra</strong>ten auch die jahrelangen<br />
Bemühungen zur Reduktion der<br />
Treibhausgase in den Hintergrund, und<br />
Gaskombi-K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e sollen plötzlich<br />
wieder salonfähig werden.<br />
Ausbauziel Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Was ist von der Zielsetzung zum Ausbau<br />
der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> zu halten? Grundsätzlich<br />
begrü<strong>sse</strong>n wir das Ausbauziel. Denn obwohl<br />
bereits wieder Stimmen laut werden,<br />
die von der «Ausbeutung der letzten intakten<br />
Gewä<strong>sse</strong>r» sprechen, bleibt die erneuerbare<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> der wichtigste Trumpf<br />
der Schweiz. Sie ist eine sehr effiziente<br />
und insgesamt die umweltschonendste<br />
Form der Stromproduktion. Und mit der<br />
Revision des Gewä<strong>sse</strong>rschutzgesetzes<br />
wurden die Anforderungen an Bau und Betrieb<br />
von Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen ja nochmals<br />
erhöht. Zudem liefert die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> sowohl<br />
Bandenergie wie auch Spitzenenergie<br />
und kann die mit dem forcierten Ausbau<br />
der Produktion aus Photovoltaik- und<br />
Windk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen zunehmend benötigte<br />
Speiche<strong>rk</strong>apazität abdecken.<br />
Angesichts der Tatsache jedoch,<br />
dass sich an den Rahmenbedingungen für<br />
die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> auch nach dem Grund-<br />
344 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
satzentscheid noch nichts geändert hat<br />
– und eine Änderung politisch sta<strong>rk</strong> umstritten<br />
sein dür<strong>ft</strong>e – mutet das neue Ausbauziel<br />
um netto 4 TWh bis 2050 bzw. bereits<br />
bis 2035 unrealistisch an. Unter den<br />
heutigen Rahmenbedingungen ist dieser<br />
Ausbau nicht zu erreichen. Im Gegenteil:<br />
Aufgrund der zu erwartenden Energieverluste<br />
aus den Restwa<strong>sse</strong>rbestimmungen<br />
sowie aus dem K<strong>lima</strong>wandel, von insgesamt<br />
2–3 TWh, muss ohne Anpassungen<br />
der Rahmenbedingungen mit einem Rückgang<br />
der Produktion aus der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
gerechnet werden.<br />
Es gibt noch Ausbaupotenzial im<br />
Wa<strong>sse</strong>rschloss Schweiz und zahlreiche<br />
sinnvolle Erneuerungs- und Ausbauideen<br />
bei bestehenden K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en mit Zusatzproduktionen<br />
von 30, 100 oder mehr GWh.<br />
Viele scheitern aber noch an der Rentabilität,<br />
an ungeregelten Konzessionserneuerungen<br />
oder an dogmatischen Interpretationen<br />
unzähliger Schutzanliegen. Soll es<br />
vorwärts gehen, b<strong>ra</strong>ucht es neue Kompromi<strong>sse</strong><br />
und konkrete Taten. Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzung<br />
dazu ist auch eine Verschiebung der Krä<strong>ft</strong>everhältni<strong>sse</strong><br />
in Politik und Verwaltung zu<br />
Gunsten der Nutzung der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>.<br />
Fazit<br />
Zur Zeit ist in der Schweizerischen Energiepolitik<br />
vieles offen und in Bewegung. Alle<br />
Beteiligten mü<strong>sse</strong>n über die Bücher. Und<br />
es sind neue Kompromi<strong>sse</strong> auszuhandeln.<br />
Klar scheint zum heutigen Zeitpunkt, dass<br />
die Wertschätzung für die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
steigt und neue Nutzungen einen Schub<br />
erhalten dür<strong>ft</strong>en – zu Recht, wie ich meine.<br />
Die Schweiz tut gut da<strong>ra</strong>n, den Standortvorteil<br />
effizient zu nutzen. Dazu b<strong>ra</strong>ucht es<br />
aber eine Politik, welche die Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
nicht einfach als gegeben e<strong>ra</strong>chtet<br />
oder mit laufend neuen Abgaben und<br />
Schutzanliegen schwächt. Nur mit guten<br />
Rahmenbedingungen werden Investitionen<br />
in die Erneuerung und den Ausbau der<br />
erneuerbaren, einheimischen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
att<strong>ra</strong>ktiv bleiben.<br />
Sie sehen also, meine Damen und<br />
Herren, die Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong> und damit der<br />
<strong>SWV</strong> sind weiterhin gefordert. Wir b<strong>ra</strong>uchen<br />
den Verband, um Positionen zu e<strong>ra</strong>rbeiten,<br />
Diskussionen über laufende Begehren und<br />
Vorhaben zu führen sowie den Fachaustausch<br />
– wie zum Beispiel anlässlich der<br />
vo<strong>ra</strong>usgegangenen Tagung oder durch<br />
die Fachzeitschri<strong>ft</strong> – zu pflegen. Wir sind<br />
überzeugt, dass der Verband hierbei als<br />
Plattform und Koordinationsstelle weiterhin<br />
wertvolle Unterstützung bieten kann.<br />
Damit e<strong>rk</strong>läre ich die heutige Versammlung<br />
als eröffnet.<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 345<br />
100. Hauptversammlung 2011
100. Hauptversammlung 2011<br />
Protokoll der<br />
100. ordentlichen Hauptversammlung<br />
des Schweizerischen<br />
Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sverbandes<br />
vom Donnerstag, 1. September 2011 in Solothurn<br />
Begrüssung<br />
Der Präsident, National<strong>ra</strong>t Caspar Baader,<br />
heisst die anwesenden Mitglieder und<br />
Gäste zur 100. ordentlichen Hauptversammlung<br />
des Schweizerischen Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sverbandes<br />
im Hotel an der Aare<br />
in Solothurn herzlich willkommen.<br />
Im Besonderen begrüsst er die anwesenden<br />
Vertreter von Behörden und Partnerverbänden,<br />
namentlich: Renauld Juille<strong>ra</strong>t,<br />
Vorstandsmitglied im <strong>SWV</strong> und Vertreter<br />
des Bundesamts für Energie, Anton Schleiss,<br />
Vertreter des Schweiz. Talsperrenkomitee<br />
und Ausschussmitglied im <strong>SWV</strong>, Peter<br />
Quadri, Vertreter von swiss electric, Dorothea<br />
Tiefenauer, Vertreterin des VSE sowie<br />
NR Kurt Fluri, National<strong>ra</strong>t und Stadtpräsident<br />
von Solothurn. Die Verbandsgruppen<br />
des Schweizerischen Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sverbandes<br />
sind vertreten durch Hans Bodenmann,<br />
Präsident des Verbandes Aare-<br />
Rheinwe<strong>rk</strong>e (VAR), und Michelangelo Gio -<br />
vannini, Präsident des Rheinverbandes<br />
(RhV). Laurent Filippini, Präsident des Tessiner<br />
Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sverbandes (ATEA),<br />
lässt sich entschuldigen.<br />
Verschiedene Personen, welche<br />
an der Versammlung nicht teilnehmen<br />
können, haben sich entschuldigt. Auf das<br />
Verlesen der Entschuldigungsliste wird<br />
verzichtet.<br />
Vorbeme<strong>rk</strong>ung<br />
Alle angemeldeten Mitglieder des Verbandes<br />
haben ihre Stimmrechtsausweise<br />
zur Versammlung erhalten. Ebenso die<br />
Stimmkarten, welche für den Fall zum Einsatz<br />
kommen, dass bei einer Abstimmung<br />
die Stimmen ausgezählt werden müssten.<br />
Der Einfachheit halber und soweit dies zu<br />
keinen Fehlinterpretationen der Meinung<br />
der Stimmenden führen kann, werden die<br />
Abstimmungen im Einvernehmen mit der<br />
Versammlung jedoch ohne Auszählung<br />
der Stimmabgabe durchgeführt.<br />
Genehmigung der T<strong>ra</strong>ktanden<br />
Die Einladung zur Hauptversammlung<br />
wurde im Juni 2011 zusammen mit dem<br />
Jahresbericht in der Verbandszeitschri<strong>ft</strong><br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong> – Eau énergie air»<br />
He<strong>ft</strong> 2/2011 allen Mitgliedern des Verbandes<br />
zugestellt. Die T<strong>ra</strong>ktandenliste<br />
wurde allen Angemeldeten mit der Bestätigung<br />
zur Teilnahme versandt. Folgende<br />
T<strong>ra</strong>ktandenliste wird von der Versammlung<br />
genehmigt:<br />
1. Protokoll der 99. Hauptversammlung<br />
vom 2. September 2010 in Zürich<br />
2. Jahresbericht 2010<br />
3. Berichte aus den Fachbereichen<br />
4. Rechnung 2010, Bilanz auf den<br />
31.12.2010, Genehmigung, Entlastung<br />
der Organe<br />
5. Festlegen der Mitgliederbeiträge 2012,<br />
Vo<strong>ra</strong>nschlag 2012<br />
6. Gesamterneuerungswahlen 2011–<br />
2014<br />
7. Festlegen der Hauptversammlung<br />
2012<br />
8. Verschiedene Mitteilungen<br />
9. Umf<strong>ra</strong>ge<br />
Die Erhebung der anwesenden Stimmrechtsausweise<br />
ergibt eine Vertretung von<br />
insgesamt 270 Stimmen, bei einem Total<br />
von 889 Stimmrechten.<br />
T<strong>ra</strong>ktandum 1:<br />
Protokoll der 99. Hauptversammlung vom<br />
2. September 2010 in Zürich<br />
Das Protokoll der 99. Hauptversammlung<br />
wurde in der Verbandszeitschri<strong>ft</strong><br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong> – Eau énergie<br />
air» He<strong>ft</strong> 4/2010 vom 9. Dezember 2010<br />
auf den Seiten 343 bis 346 abgedruckt.<br />
Es sind keine schri<strong>ft</strong>lichen Anme<strong>rk</strong>ungen<br />
zum Protokoll eingegangen. Das Wort wird<br />
auch von der Versammlung nicht verlangt.<br />
Die Versammlung genehmigt das Protokoll<br />
einstimmig.<br />
T<strong>ra</strong>ktandum 2: Jahresbericht 2010<br />
Der Jahresbericht 2010 ist im WEL, He<strong>ft</strong><br />
2/2011, Seiten 149 bis 169, veröffentlicht<br />
bzw. den Mitgliedern im Juni 2011 zugestellt<br />
worden. Der Präsident verzichtet da<strong>ra</strong>uf,<br />
den Bericht zu verlesen. Es erfolgen<br />
keine Wortmeldungen. Der Jahresbericht<br />
wird ebenfalls einstimmig genehmigt.<br />
T<strong>ra</strong>ktandum 3: Berichte aus den<br />
Fachbereichen<br />
Eine Übersicht über die Tätigkeiten der<br />
Kommissionen des Verbandes im Jahr<br />
2010 findet sich im Jahresbericht. Deshalb<br />
wird an der Versammlung nur auf ein paar<br />
zusammengefasste Hauptaktivitäten des<br />
vergangenen und des laufenden Jahres in<br />
den zwei Bereichen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> und Hochwa<strong>sse</strong>rschutz/Wa<strong>sse</strong>rbau<br />
hingewiesen:<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Revidiertes Gewä<strong>sse</strong>rschutzgesetz<br />
Das aufgrund der Initiative «Lebendiges<br />
Wa<strong>sse</strong>r» revidierte Gewä<strong>sse</strong>rschutzgesetz<br />
ist seit dem 1.1.2011 und die zugehörige<br />
Verordnung seit dem 1.6.2011 in<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>. Aktuell ist die Bundesverwaltung in<br />
der Ausarbeitung der Vollzugshilfen. Das<br />
Thema hat den <strong>SWV</strong> in den letzten Monaten<br />
und Jahren sta<strong>rk</strong> beschä<strong>ft</strong>igt und wird<br />
es auch weiterhin tun.<br />
Medienreise Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Am 15./16.3.2011 wurde mit 10 Hintergrundjournalisten<br />
eine Medienreise Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
auf die Grimsel organisiert und<br />
durchgeführt. Diese kann auch aufgrund<br />
der anschlie<strong>sse</strong>nden Berichterstattung als<br />
erfolgreich bezeichnet werden. Ein solcher<br />
Anlass könnte in 1–2 Jahren erneut durchgeführt<br />
werden.<br />
Diverse Positionspapiere<br />
Es wurde eine Auslegeordnung zum Thema<br />
«Vorgezogene Neukonzessionierung/<br />
346 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Heimfall» ausgearbeitet und allen WK-Betreibern<br />
gemäss Adressstamm <strong>SWV</strong> versandt.<br />
Ebenso ein Faktenblatt zum Thema<br />
«Stauanlagengesetz» und eines zum<br />
Medienthema «Methan und Stauseen».<br />
Zudem wurden Positionen zu diversen politischen<br />
Vorstö<strong>sse</strong>n ausgearbeitet.<br />
Neue Tagung Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
Eine neue Tagung Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> (eher technische<br />
Ausrichtung, ähnlich der KOHS-Tagung)<br />
ist in Vorbereitung. Die erste Durchführung<br />
dieser Tagung ist für November<br />
2012 geplant. Weitere Informationen folgen,<br />
sobald die Tagung konkretisiert ist.<br />
Hochwa<strong>sse</strong>rschutz<br />
KOHS-Tagung<br />
Im Januar 2011 wurde die t<strong>ra</strong>ditionelle<br />
Fachtagung zum aktuellen Thema «Hochwa<strong>sse</strong>rschutz<br />
und Revitalisierung» durchgeführt.<br />
Diese früher auch als «Bieler Tagung»<br />
bekannte Ve<strong>ra</strong>nstaltung wurde zum<br />
ersten Mal in Olten durchgeführt und war<br />
mit über 230 Teilnehmern ein gro<strong>sse</strong>r Erfolg.<br />
Gewä<strong>sse</strong>rpreis 2011<br />
Im Mai 2011 fand die Verleihung des Gewä<strong>sse</strong>rpreises<br />
Schweiz unter Teilnahme<br />
des Verbandes an den Kanton Tessin und<br />
die Sti<strong>ft</strong>ung «Bolle di Magadino» statt. Der<br />
Gewä<strong>sse</strong>rpreis wird alle zwei Jahre verliehen,<br />
Trägerscha<strong>ft</strong> ist neben dem <strong>SWV</strong><br />
der Verein für Ingenieurbiologie, der Verband<br />
Schweiz. Abwa<strong>sse</strong>r- und Gewä<strong>sse</strong>rschutzfachleute<br />
und Pro Natu<strong>ra</strong>.<br />
Weiterbildungskurse Hochwa<strong>sse</strong>rschutz,<br />
Start 3. Serie<br />
Nachdem in den Jahren 2004–2006 und<br />
2008–2010 die ersten beiden Serien Weiterbildungskurse<br />
durchgeführt wurden,<br />
ist die dritte Serie mit Unterstützung des<br />
BAFU nun vorbereitet und wird mit einer<br />
ersten Durchführung in Lenzburg am<br />
17./18.11.2011 beginnen.<br />
T<strong>ra</strong>ktandum 4: Rechnung 2010,<br />
Bilanz auf den 31. Dezember 2010<br />
Die Rechnung 2010 und Bilanz per<br />
31.12.2010 finden sich im Jahresbericht<br />
2010 im Anhang 1 (veröffentlicht im WEL<br />
2/2011).<br />
Gegenüber den Vorjahren wurde<br />
die Bezeichnung einzelner Positionen und<br />
die Gruppierung leicht angepasst, u.a. im<br />
Hinblick auf die laufende Umstellung der<br />
Finanzbuchhaltung im 2011. Neu wird auf<br />
die Unterscheidung zwischen Verbands-<br />
und Zeitschri<strong>ft</strong>enrechnung verzichtet und<br />
damit auf die gegenseitige fiktive Verrech-<br />
nung von Leistungen. Dies machte jedoch<br />
entsprechende Anpassungen an den genehmigten<br />
Budgetzahlen 2010 und 2011<br />
notwendig.<br />
Die Betriebsrechn. 2010 schliesst<br />
bei Einnahmen von CHF 849 710.66 und<br />
Ausgaben von CHF 836 982.98 mit einem<br />
Einnahmenüberschuss von CHF 12 727.68<br />
ab, was p<strong>ra</strong>ktisch den budgetierten<br />
CHF 13 500.– entspricht. Festzuhalten<br />
ist, dass CHF 24 000.– als au<strong>sse</strong>rordentliche<br />
Sonderlast des Jahres 2010 (100-<br />
Jahr-Feier, Umzug der Geschä<strong>ft</strong>sstelle)<br />
aus Rückstellungen finanziert wurden und<br />
nicht in der Rechnung sondern nur in der<br />
Bilanz erscheinen.<br />
Einnahmeseitig besonders zu erwähnen<br />
sind folgende Hinweise:<br />
Die Finanzkrise schlägt sich in einem<br />
Einbruch des Finanzert<strong>ra</strong>ges nieder,<br />
der aufgrund der Ablösung von Obli -<br />
gationen von rund CHF 30 000.– im<br />
2009 auf rund CHF 8000.– im 2010<br />
geschrump<strong>ft</strong> ist. Auch im laufenden<br />
Jahr dür<strong>ft</strong>en die Erträge deutlich tiefer<br />
als die noch 2009 budgetierten<br />
CHF 25 000.– ausfallen. Für 2012 wur -<br />
de nun vorsichtiger budgetiert.<br />
Die Mitgliederbeiträge sind aufgrund<br />
von Zugängen leicht höher und zwar<br />
um ca. 1% über dem Budget und über<br />
dem Vorjahresniveau.<br />
Erfreulich ist der Inse<strong>ra</strong>tenve<strong>rk</strong>auf für<br />
die Verbandszeitschri<strong>ft</strong>, der gegenüber<br />
dem Vorjahr nochmals gesteigert<br />
werden konnte und nun rund<br />
CHF 82 000.– beträgt; somit können<br />
die reinen Produktionskosten (exklusive<br />
Redaktion) vollumfänglich get<strong>ra</strong>gen<br />
werden.<br />
Ausgabenseitig ist speziell zu erwähnen:<br />
Trotz zweier Doppelbelegungen und<br />
Personalwechsel im Geschä<strong>ft</strong>sjahr liegen<br />
die Personalkosten im Rahmen<br />
des Budgets.<br />
Durch notwendige Anschaffungen auf<br />
der Geschä<strong>ft</strong>sstelle entstand ein höherer<br />
Verwaltungsaufwand. Namentlich<br />
ist dies der Ersatz von drei über<br />
sechsjährigen Personalcomputern,<br />
der Ersatz der ve<strong>ra</strong>lteten Firewall und<br />
die Aktualisierung auf Betriebssystem<br />
Windows 7 (Vista konnte übersprungen<br />
werden).<br />
Die Ausgaben (sowie die Einnahmen)<br />
der Tagungen liegen über dem Budget,<br />
schlie<strong>sse</strong>n jedoch mit angestrebtem<br />
leichten Einnahmenüberschuss ab.<br />
Die Position für Projekte und Studien<br />
mit Dritten ist grösstenteils reiner<br />
Durchlaufposten.<br />
Die Bilanz per 31.12.2010 weist die<br />
aus den Rückstellungen «Tagungen» und<br />
«Mobilien/EDV» finanzierte Sonderlast von<br />
CHF 24 000.– (100-Jahr-Feier, Umzug der<br />
Geschä<strong>ft</strong>sstelle) aus. Somit verbleibt ein<br />
Eigenkapital von rund CHF 1 500 000.–,<br />
das sich aus Rückstellungen und aktivem<br />
Vereinsvermögen zusammensetzt.<br />
Die Rechnung und die Bilanz wurde<br />
von der OBT AG in Brugg am 6. April 2011<br />
im Rahmen einer eingeschränkten Kontrolle<br />
revidiert und für in Ordnung befunden.<br />
Der Revisionsbericht, welcher bei<br />
Bedarf auf der Geschä<strong>ft</strong>sstelle eingesehen<br />
oder bezogen werden kann, liegt vor.<br />
Auf das Vorlesen des Berichtes wird verzichtet.<br />
Da eine eingeschränkte Revision<br />
durchgeführt wurde, liegt kein explizit<br />
ausformulierter Ant<strong>ra</strong>g der Kontrollstelle<br />
auf Annahme der Rechnung vor. Es wurde<br />
versichert, dass die Revisionsstelle keine<br />
Beanstandungen gefunden habe, welche<br />
der Abnahme der Rechnung entgegenstehen<br />
würde.<br />
Die Verbandsrechnung 2010 und<br />
die Bilanz per 31. Dezember 2010 werden<br />
von der Versammlung einstimmig genehmigt<br />
und den ve<strong>ra</strong>ntwortlichen Organen<br />
die Entlastung erteilt.<br />
Im Zusammenhang mit der Rechnung<br />
wird da<strong>ra</strong>uf hingewiesen, dass das<br />
Jahr 2011 mit Meh<strong>rk</strong>osten belastet werden<br />
wird, welche zum Teil ebenfalls au<strong>sse</strong>rhalb<br />
des Budgets liegen. Es sind dies die Aufwendungen<br />
zur notwendigen Modernisierung<br />
auf der Geschä<strong>ft</strong>sstelle, namentlich:<br />
Eine komplett neu gestaltete, modernisierte<br />
Webseite (seit Juni 2011<br />
aufgeschaltet, seit Ende Juli auch in<br />
F<strong>ra</strong>nzösisch).<br />
Die Modernisierung der Adress-,<br />
Mitglieder- und Kursverwaltung sowie<br />
der Finanzbuchhaltung, welche sich in<br />
der Umsetzungsphase befindet.<br />
Es handelt sich hier um keine strukturellen<br />
Meh<strong>rk</strong>osten sondern um Investitionen in<br />
die Zukun<strong>ft</strong>, die durch Rückstellungen gedeckt<br />
sind.<br />
T<strong>ra</strong>ktandum 5: Festlegen der Mitgliederbeiträge<br />
2012, Vo<strong>ra</strong>nschlag<br />
2012<br />
Der Vo<strong>ra</strong>nschlag für das laufende Jahr<br />
wurde bereits anlässlich der Hauptversammlung<br />
2010 genehmigt. Er ist, zusammen<br />
mit dem heute zu genehmigenden<br />
Vo<strong>ra</strong>nschlag 2012, ebenfalls im Jahresbericht<br />
abgedruckt.<br />
Der Vorstand beant<strong>ra</strong>gt für 2012 die<br />
Beibehaltung der Mitgliederbeiträge im bisherigen<br />
Umfang für sämtliche Mitgliede<strong>rk</strong>ategorien.<br />
Die aktuellen Beiträge sind seit<br />
der Hauptversammlung 2004 gültig, wobei<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 347<br />
100. Hauptversammlung 2011
100. Hauptversammlung 2011<br />
alleine die Teuerung 2004–2011 rund 7%<br />
beträgt. Das Budget zeigt jedoch, dass die<br />
geplanten Aufwendungen ohne Beit<strong>ra</strong>gserhöhung<br />
gedeckt werden können. Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzung<br />
ist allerdings, dass die Aktivitäten<br />
im bisherigen Rahmen fortgeführt werden<br />
und keine wesentlichen neuen Aufgaben<br />
dazukommen, die eine Erhöhung der Ressourcen<br />
notwendig machen würden.<br />
Ebenfalls beant<strong>ra</strong>gt der Vorstand<br />
die Genehmigung des Vo<strong>ra</strong>nschlages 2012<br />
wie er im Jahresbericht 2010 mit der letzten<br />
Ausgabe des WEL 2/2011 zugestellt<br />
wurde. Der Vo<strong>ra</strong>nschlag 2012 widerspiegelt<br />
im Wesentlichen eine Fortschreibung<br />
bisheriger Tätigkeiten und setzt vo<strong>ra</strong>us,<br />
dass die Tarife der Mitgliederbeiträge unverändert<br />
bleiben.<br />
Der Vo<strong>ra</strong>nschlag 2012 sieht leicht<br />
höhere Einnahmen aus Mitgliederbeiträgen<br />
durch Neumitglieder sowie höhere<br />
Einnahmen und Ausgaben aus Tagungen<br />
und Kursen (v.a. durch 3. Weiterbildungskurs<br />
Hochwa<strong>sse</strong>rschutz) vor. Der Verwaltungsaufwand<br />
ist leicht höher budgetiert,<br />
vor allem aufgrund der notwendigen Modernisierung<br />
der EDV-Systeme und damit<br />
verbundener Erhöhung laufender Kosten<br />
sowie etwas höheren Personalkosten. Der<br />
Vo<strong>ra</strong>nschlag zielt auf ein ausgeglichenes<br />
Ergebnis der Betriebsrechung (bei Verwendung<br />
der Rückstellungen für die laufende<br />
Modernisierung).<br />
Die Festsetzung der Mitgliederbeiträge<br />
2012 auf dem gleichen Niveau wie im<br />
Vorjahr sowie der Vo<strong>ra</strong>nschlag 2012 werden<br />
einstimmig genehmigt.<br />
T<strong>ra</strong>ktandum 6: Gesamterneuerungswahlen<br />
2011–2014<br />
Im Jahr 2011 stehen Gesamterneuerungswahlen<br />
sämtlicher Verbandsgremien für<br />
die Periode 2011–2014 an. Dies sind einerseits<br />
die Kommissionen, die gemäss<br />
Statuten bereits vom Vorstand gewählt<br />
wurden (in beiden Kommissionen hat der<br />
Geschä<strong>ft</strong>sführer <strong>SWV</strong> statutarisch Einsitz<br />
und ist nicht zu wählen). Und andererseits<br />
Vorstand und Ausschuss, welche von der<br />
Hauptversammlung gewählt werden.<br />
Wahlen in die Kommission Hochwa<strong>sse</strong>rschutz<br />
(KOHS)<br />
Die Kommission Hochwa<strong>sse</strong>rschutz<br />
(KOHS) hat einige altersbedingte Veränderungen<br />
erfahren und wurde vom Vorstand<br />
an seiner Sitzung vom 25. Mai 2011<br />
wie folgt neu gewählt:<br />
Vorsitz<br />
Jürg Speerli, HSR, Rapperswil<br />
Weitere Mitglieder<br />
Tony Arborino, Kanton Wallis<br />
Dominique Bérod, BAFU<br />
Robert Boes, ETH Zürich – VAW<br />
Laurent Filippini, Kantin Tessin<br />
Christoph Hegg, WSL<br />
Lukas Hunzinger, Flussbau AG SAH<br />
Martin Jäggi, Flussbau und Flussmorphologie<br />
Hans Kienholz, Universität Bern<br />
Mario Koksch, Kanton Luzern<br />
Roger Kolb, Niederer + Pozzi Umwelt AG<br />
Dieter Müller, AF-Colenco AG<br />
Ali Neumann, Stucky SA<br />
Matthias Oplatka, AWEL, Kt. ZH<br />
Olivier Overney, BAFU<br />
Hans Romang, MeteoSchweiz<br />
Simon Scherrer, Scherrer AG<br />
Anton Schleiss, EPFL-LCH<br />
Manfred Spreafico, Universität Bern<br />
Rolf Studer, Verein Ingenieurbiologie<br />
Heinz Willi Weiss, Basler & Hofmann AG<br />
Benno Zarn, Hunziker, Zarn & Partner AG<br />
Geschä<strong>ft</strong>sführung <strong>SWV</strong><br />
Roger Pfammatter, <strong>SWV</strong><br />
Wahlen in die Kommission Hydrosui<strong>sse</strong><br />
Die Hydrosui<strong>sse</strong> als Kommission für den<br />
Bereich Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> bleibt bis auf einen<br />
Wechsel (Thomas Zwald für Anton Bucher,<br />
beide VSE) unverändert und setzt sich<br />
nach der Wahl durch den Vorstand nach<br />
seiner Sitzung vom 25. Mai 2011 wie folgt<br />
zusammen:<br />
Vorsitz<br />
Jörg Aeberhard, Alpiq AG<br />
Weitere Mitglieder<br />
Christoph Busenhart, EWZ<br />
Marold Hofstetter, OFIMA SA<br />
Jörg Huwyler, Axpo AG<br />
Peter Molinari, EKW<br />
Mauro Salvador, Alpiq SA<br />
Andreas Stettler, BKW AG<br />
Ständige Gäste<br />
Gianni Biasiutti, KWO AG<br />
Thomas Zwald, VSE<br />
Guido Con<strong>ra</strong>d, KHR AG<br />
Peter Quadri, swi<strong>sse</strong>lectric<br />
Geschä<strong>ft</strong>sführung <strong>SWV</strong><br />
Roger Pfammatter, <strong>SWV</strong><br />
Wahlen in den Vorstand und<br />
Vorstandsausschuss<br />
Der Wahlvorschlag für die Zusammensetzung<br />
von Ausschuss und Vorstand wurde<br />
mit der Sitzungseinladung zugestellt. Im<br />
Ausschuss inklusive Präsidium sind keine<br />
Rücktritte, im Vorstand aber deren fünf zu<br />
vermelden, namentlich:<br />
Gianni Biasiutti (KWO), Alfred Janka (Vertreter<br />
Rheinverband), André Künzi (FM<br />
Chancy Pougny), Albert Fournier (Dept.<br />
TEE Ct. VS) und Andreas Götz (BAFU).<br />
Der Einsatz dieser zurücktretenden<br />
Vorstandsmitglieder wird ganz herzlich<br />
verdankt. Den beiden Anwesenden Andreas<br />
Götz und Albert Fournier wird mit Solothurner<br />
Tropfen ein kleines Zeichen der<br />
Ane<strong>rk</strong>ennung übergeben. Zudem wird allen<br />
austretenden Vorstandsmitgliedern das<br />
vom Schweizerischen Talsperrenkomitee<br />
in Zusammenarbeit mit dem <strong>SWV</strong> im Jahre<br />
2011 he<strong>ra</strong>usgegebene Buch «Dams in Switzerland»,<br />
ein Bildband mit technischen Informationen<br />
zu den wichtigsten Talsperren<br />
der Schweiz, per Post zugestellt.<br />
Durch die vorgeschlagene Neubesetzung<br />
wird die bisherige Vertretung der<br />
Intere<strong>sse</strong>ngruppen in etwa beibehalten.<br />
Die Statuten la<strong>sse</strong>n die Aufstockung des<br />
Vorstandes um ein zusätzliches Mitglied<br />
zu. Die für den Vorstand vorgeschlagenen<br />
sechs neuen Mitglieder sind anwesend<br />
und stellen sich kurz vor:<br />
Felix Vontobel, Stellvertretender CEO Repower<br />
AG<br />
Michelangelo Giovannini, Präsident Rheinverband<br />
Jérôme Bar<strong>ra</strong>s, Directeur FM Chancy<br />
Pougny<br />
Moritz Steiner, Dienstchef Energie und<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> Kanton Wallis<br />
Hanspeter Willi, BAFU, Leiter Abteilung<br />
Gefahrenprävention<br />
Peter Klopfenstein, CEO Hydro Exploitation<br />
SA<br />
Der gesamte Vorstand inklusive<br />
den sechs neuen Mitgliedern sowie der<br />
Ausschuss werden in corpore aufgrund<br />
der Wahlvorschläge wie folgt gewählt:<br />
Präsident<br />
Caspar Baader, National<strong>ra</strong>t, Gelte<strong>rk</strong>inden<br />
Ausschuss<br />
Jörg Aeberhard, Alpiq AG, Olten<br />
Hans Bodenmann, BKW-FMB Energie AG<br />
Rolf W. Mathis, Axpo AG, Baden<br />
Peter Molinari, Engadiner K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e AG<br />
Mauro Salvadori, Alpiq SA<br />
Anton Schleiss, EPFL ENAC LCH<br />
Weitere Mitglieder des Vorstandes<br />
Jérome Bar<strong>ra</strong>s (neu), FM Chancy Pougny<br />
Robert Boes, ETH VAW, Zürich<br />
René Dirren, EnAlpin AG, Visp<br />
Christian Dubois, Andritz Hydro AG<br />
Laurent Filippini, Kanton Tessin<br />
Michelangelo Giovannini (neu), RhV<br />
Renaud Juille<strong>ra</strong>t, BFE, Bern<br />
Anton Kilchmann, SVGW, Zürich<br />
Peter Klopfenstein (neu), Hydro Exploitation<br />
SA, Sion<br />
Michael Roth, EWZ, Zürich<br />
Jürg Speerli, Hochschule Rapperswil<br />
Moritz Steiner (neu), Kanton Wallis<br />
Felix Vontobel (neu), Repower AG<br />
Andreas Weidel, SBB AG, Zollikofen<br />
348 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Hanspeter Willi (neu), BAFU<br />
Ma<strong>rk</strong>us Züst, Regierungs<strong>ra</strong>t Kanton Uri<br />
Der Präsident heisst die neuen Vertreter<br />
im Vorstand willkommen und dankt sämtlichen<br />
Mitgliedern des Vorstandes und<br />
des Ausschu<strong>sse</strong>s sowie ihren Unternehmungen<br />
für die Bereite<strong>rk</strong>lärung zur Ausübung<br />
dieser Mandate.<br />
Kontrollstelle<br />
Als Kontrollstelle wird, wie bereits in den<br />
vo<strong>ra</strong>ngegangenen Jahren, die OBT AG in<br />
Brugg zur jährlichen Wahl vorgeschlagen.<br />
Die Versammlung stimmt auch diesem<br />
Vorschlag einstimmig zu.<br />
T<strong>ra</strong>ktandum 7: Festlegen der<br />
Hauptversammlung 2012<br />
Die Hauptversammlungen des <strong>SWV</strong> sollen<br />
die einzelnen Regionen unseres Landes<br />
berücksichtigen. Der Vorstand schlägt<br />
in Absp<strong>ra</strong>che mit der Geschä<strong>ft</strong>sstelle für<br />
die HV 2012 folgendes Datum und Region<br />
vor:<br />
Termin<br />
Donnerstag/Freitag, 6./7. September 2012<br />
Region<br />
Zent<strong>ra</strong>lschweiz: Raum Sarnen, OW<br />
Die Versammlung stimmt dem Vorschlag<br />
einstimmig zu.<br />
T<strong>ra</strong>ktandum 8: Verschiedene<br />
Mitteilungen<br />
Der Präsident weist da<strong>ra</strong>uf hin, dass das<br />
vor<strong>ra</strong>ngige Ziel der Arbeit des <strong>SWV</strong> nach<br />
wie vor das Erbringen von Dienstleistungen<br />
zu Gunsten der Mitglieder ist. Das<br />
p<strong>ra</strong>ktisch rundum erneuerte Team auf der<br />
Geschä<strong>ft</strong>sstelle ist unter der Leitung des<br />
neuen Geschä<strong>ft</strong>sführers auf diesem Weg<br />
erfolgreich weiter geschritten, hat vieles<br />
fortgeführt und einiges Neues angepackt.<br />
Neben der Verbandszeitschri<strong>ft</strong> sind<br />
die verschiedenen Fachve<strong>ra</strong>nstaltungen in<br />
den Bereichen Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> und Hochwa<strong>sse</strong>rschutz<br />
zu erwähnen, die der <strong>SWV</strong> jedes<br />
Jahr zusammen mit Partnerorganisationen<br />
durchführt. Jedoch auch – und etwas weniger<br />
sichtbar – die Kommis sionsarbeiten zur<br />
Vertiefung aktueller F<strong>ra</strong>gestellungen, das<br />
Einbringen der Intere<strong>sse</strong>n im politischen<br />
Prozess, die Beantwortung zunehmender<br />
Anf<strong>ra</strong>gen von Mitgliedern, der Öffentlichkeit<br />
und vor allem auch der Medien.<br />
Das Eine oder Andere hat sich verändert<br />
und wird sich weiterentwickeln,<br />
dazu gehören: die Neulancierung der<br />
Webseite, welche seit Ende Juni 2011 weiterhin<br />
unter www.swv.ch aufgeschaltet ist<br />
sowie die laufende Modernisierung des<br />
EDV-Systems zur Adressverwaltung, Ve<strong>ra</strong>nstaltungsmanagement<br />
usw. Das sind interne<br />
Projekte, welche den <strong>SWV</strong> fit für die<br />
Zukun<strong>ft</strong> machen und die Geschä<strong>ft</strong>sstelle<br />
zusätzlich he<strong>ra</strong>usfordern.<br />
Die Aktivitäten und Ve<strong>ra</strong>nstaltungen<br />
der kommenden Monate sind auf<br />
der Agenda in unserer Verbandszeitschri<strong>ft</strong><br />
respektive auf unserer Webseite www.<br />
swv.ch zu finden.<br />
T<strong>ra</strong>ktandum 9: Umf<strong>ra</strong>ge<br />
Es erfolgen keine Wortmeldungen.<br />
Danksagung<br />
Der Präsident dankt<br />
den Referenten für die sehr interessanten<br />
Beiträge und das Engagement<br />
anlässlich der vo<strong>ra</strong>ngehenden<br />
Tagung.<br />
den Kollegen im Vorstand und im Ausschuss<br />
für die konstruktive, gute Zusammenarbeit<br />
im Intere<strong>sse</strong> des <strong>SWV</strong>.<br />
allen Mitgliedern und Anwesenden für<br />
ihre Unterstützung und das Intere<strong>sse</strong><br />
an den Aktivitäten des <strong>SWV</strong>.<br />
der <strong>SWV</strong>-Geschä<strong>ft</strong>sstelle in Baden,<br />
welche das ganze Jahr hindurch die<br />
vielfältige Verbands- und Redaktionsarbeit<br />
bewältigt. Es ist dies Roger<br />
Pfammatter, Geschä<strong>ft</strong>sführer, und<br />
seine beiden Sekretärinnen, Esther<br />
Zumsteg und Doris Hü<strong>sse</strong>r, sowie<br />
Manuel Minder von der Redaktion der<br />
Verbandszeitschri<strong>ft</strong>.<br />
Der Präsident e<strong>rk</strong>lärt die 100. ordentliche<br />
Hauptversammlung des Schweizerischen<br />
Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sverbandes für<br />
geschlos sen. Protokoll: Esther Zumsteg<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 349<br />
100. Hauptversammlung 2011
Bestellen Sie unsere Verbandsschri<strong>ft</strong>en direkt unter: www.swv.ch<br />
VS: Nr. 67, Der Schweizerische<br />
Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sverband 1910–<br />
2010, ein Port<strong>ra</strong>it, von Dr. Walter<br />
Hauenstein, 2010, 156 S. Format<br />
17 × 24 cm, ISBN 978-3 85545-<br />
155-5, CHF 40.–.<br />
VS: Nr. 63, Wa<strong>sse</strong>rbauer und Hyd<strong>ra</strong>uliker<br />
der Schweiz. Kurzbiog<strong>ra</strong>phien<br />
ausgewählter Persönlichkeiten,<br />
2001, von Daniel L. Vischer,<br />
CHF 50.–.<br />
VS: Nr. 59, Geschiebet<strong>ra</strong>nsport und<br />
Hochwa<strong>sse</strong>r/Charriage et crues,<br />
Vorträge in Biel, 1998, CHF 50.–.<br />
VS: Nr. 66, Die Engadiner K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
– Natur und Technik in einer<br />
aufstrebenden Region, von Robert<br />
Meier, 2003, 207 S., Format 28.5<br />
× 20.5 cm, ISBN 3-85545-129-X,<br />
CHF 60.–.<br />
VS: Nr. 62, Uferschutz und Raumbedarf<br />
von Fliessgewä<strong>sse</strong>rn/Protection<br />
des rives et espace vital<br />
nécessaire aux cours d’eau, 2001,<br />
Vorträge in Biel, CHF 40.–.<br />
VS: Nr. 58, Entsorgung und Geschwemmsel,<br />
Stand der Technik<br />
– Kosten – Zukun<strong>ft</strong>, Vorträge in<br />
Bad-Säckingen, 1998, CHF 50.–.<br />
VS: Nr. 65, Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> – die erneuerbare<br />
Energie. Beiträge<br />
des internationalen Symposiums<br />
vom 18./19. Okt. 2001 in Chur,<br />
CHF 30.–.<br />
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Momentan<br />
vergriffen!<br />
vergriffen!<br />
VS: Nr. 61, Rechtsf<strong>ra</strong>gen der Was -<br />
se<strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung. Unterhalt und Modernisierung,<br />
Heimfall und Selbstnutzung<br />
von Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>anlagen im<br />
Kanton Wallis. Erhältlich als PDF unter:<br />
www.wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>wallis.ch.<br />
VS: Nr. 57, Betrieb und Wartung<br />
von Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en, 1998,<br />
Bernard Comte, CHF 120.–.<br />
VS: Nr. 64, Ökologische (Teil A)<br />
und technisch/ökonomische Qua -<br />
litäten der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>. ecoconcept<br />
Zürich und Schnyder Ingenieure<br />
AG, Ottenbach, CHF 40.–.<br />
VS: Nr. 60, Externe Effekte der<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung / Effets externe<br />
de l’exploitation des forces<br />
hyd<strong>ra</strong>uliques, 1999, CHF 50.–.<br />
VS: Nr. 54, Directives pour l’exploitation<br />
et la maintenance des<br />
groupes hydroélectriques, 1995,<br />
Bernard Comte, CHF 98.–.<br />
250 350 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 3, 4, CH-5401 Baden
Politik<br />
Energiepolitischer Rückblick Herbstsession:<br />
Sonderdebatte des Stände<strong>ra</strong>tes<br />
zur Kernenergie und zu alternativen<br />
Energien<br />
Der Stände<strong>ra</strong>t hat am 28. und 29. September<br />
2011 in einer Sondersession über<br />
die Kernenergie und alternative Energien<br />
debattiert. Die vom National<strong>ra</strong>t unterbreiteten<br />
Kernenergieausstiegsmotionen hat<br />
der Stände<strong>ra</strong>t mit einer Zweidrittelmehrheit<br />
abgeändert: Obwohl er wie der Bundes<strong>ra</strong>t<br />
und der National<strong>ra</strong>t den Verzicht<br />
auf neue Kernk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e unterstützt, will<br />
er ausdrücklich auf ein Technologieverbot<br />
verzichten. Weitere Forderungen des<br />
Stände<strong>ra</strong>ts bestehen insbesondere darin,<br />
dass die Erforschung und Entwicklung<br />
aller Technologien weiterhin möglich sein<br />
soll und dass der Wirtscha<strong>ft</strong>sstandort<br />
Schweiz durch die neue Energiest<strong>ra</strong>tegie<br />
nicht gefährdet werden darf. Die Energiest<strong>ra</strong>tegie<br />
soll au<strong>sse</strong>rdem auf eine möglichst<br />
auslandunabhängige Stromversorgung<br />
abzielen.<br />
Der neue Vorstosstext im Wortlaut:<br />
1. Es dürfen keine Rahmenbewilligungen<br />
zum Bau neuer Kernk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e erteilt<br />
werden. (=Version NR)<br />
1 bis Das Kernenergiegesetz vom 21. März<br />
2003 ist entsprechend zu ändern.<br />
Damit wird kein Technologieverbot erla<strong>sse</strong>n.<br />
2. Kernk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e, die den Sicherheitsvorschri<strong>ft</strong>en<br />
nicht mehr entsprechen,<br />
sind unverzüglich stillzulegen. (=Version<br />
NR)<br />
3. Es wird eine umfa<strong>sse</strong>nde Energiest<strong>ra</strong>tegie<br />
unterbreitet, um unter anderem<br />
den kün<strong>ft</strong>igen Strombedarf ohne<br />
Atomenergie und durch eine vom Ausland<br />
möglichst unabhängige Stromversorgung<br />
sicherzustellen, ohne den<br />
Wirtscha<strong>ft</strong>s- und Forschungsstandort<br />
Schweiz insgesamt zu gefährden.<br />
Die Förderung der erneuerbaren Energien<br />
und der Energieeffizienz wird zielführend<br />
verstä<strong>rk</strong>t.<br />
4. Bildung, Lehre und Forschung in sämt-<br />
Nachrichten<br />
Informationen aus der Wa<strong>sse</strong>r- und Energiewirtscha<strong>ft</strong><br />
lichen Energietechnologien in der<br />
Schweiz und in der internationalen<br />
Zusammenarbeit werden weiterhin unterstützt.<br />
5. Der Bundes<strong>ra</strong>t berichtet periodisch<br />
über die Entwicklung der Technologien<br />
und die Umsetzung der Energiest<strong>ra</strong>tegie<br />
und stellt Anträge zu Gesetzesänderungen<br />
sowie Prog<strong>ra</strong>mmen. Insbesondere<br />
berichtet er regelmässig<br />
über die Fortschritte in der Kerntechnologie.<br />
Dabei nimmt der Bundes<strong>ra</strong>t<br />
namentlich Stellung zu F<strong>ra</strong>gen der<br />
Sicherheit, der Entsorgung <strong>ra</strong>dioaktiver<br />
Abfälle, sowie der volkswirtscha<strong>ft</strong>lichen,<br />
umwelt- und k<strong>lima</strong>politischen<br />
Auswi<strong>rk</strong>ungen.<br />
Aus den weiteren Entscheiden des Stände<strong>ra</strong>ts<br />
kann abgelesen werden, dass er:<br />
einen effizienteren Einsatz von Strom<br />
und den Abbau von Hürden im Rahmen<br />
der Bewilligungsverfahren für erneuerbare<br />
Energien und Stromnetze befürwortet.<br />
Dazu gehört auch das Überdenken<br />
des Verbandsbeschwerderechts.<br />
auf bundesrechtliche Vorschri<strong>ft</strong>en im<br />
Gebäudebereich verzichten und stattde<strong>sse</strong>n<br />
die Kompetenzen bei den Kantonen<br />
bela<strong>sse</strong>n will.<br />
die Zweckbindung der gesamten Erträge<br />
der CO 2-Abgabe während 20<br />
Jahren.<br />
für die Verminderung der CO 2-Emissionen<br />
von Gebäuden und für die Erforschung<br />
und Entwicklung der erneuerbaren<br />
Energien einsetzen will.<br />
Anreize für die erneuerbaren Energien<br />
schaffen und gesetzliche Hürden beseitigen<br />
will.<br />
eine Aufhebung des bestehenden Gesamtplafonds<br />
und der einzelnen Technologiedeckel<br />
bei der kostendeckenden<br />
Einspeisevergütung KEV ablehnt.<br />
Stattde<strong>sse</strong>n schlägt die kleine Kammer<br />
einen Ersatz des Plafonds durch<br />
Jahreskontingente für baureife Projekte<br />
vor.<br />
Quelle: Energieforum Schweiz, Energie-<br />
Report 40/2011.<br />
Ausbauziel Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>: Plausibilisierung<br />
im Rahmen der bundesrätlichen<br />
Energiest<strong>ra</strong>tegie 2050<br />
Pfa. Das Bundesamt für Energie (BFE)<br />
ist gegenwärtig da<strong>ra</strong>n, das im Juni 2011<br />
kommunizierte Ausbauziel Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
zu plausibilisieren. Neben Einschätzung<br />
der kantonalen Energie- und Umweltfachstellen<br />
werden auch die E<strong>rk</strong>enntni<strong>sse</strong><br />
eines Expertenwo<strong>rk</strong>shops berücksichtigt<br />
und anschlie<strong>sse</strong>nd die neue Einschätzung<br />
des Bundes den Verbänden<br />
zur Stellungnahme geb<strong>ra</strong>cht.<br />
Gemäss einer Mitteilung des BFE ist die<br />
Bundesverwaltung gegenwärtig an einer<br />
Plausibilisierung des Ausbauzieles Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>.<br />
Im Rahmen der neuen bundesrätlichen<br />
Energiest<strong>ra</strong>tegie hatte das BFE das<br />
Potenzial zum Ausbau der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
auf 4 TWh bis 2050 geschätzt (vgl.<br />
dazu Faktenblatt vom 10.6.2011: www.<br />
bfe.admin.ch – >Themen >Energiepolitik<br />
>Energiest<strong>ra</strong>tegie 2050 >Dokumente zum<br />
Thema). Die veröffentlichten Zahlen stellen<br />
gemäss BFE eine erste Grobabschätzung<br />
dar und sollen nun in einer zweiten Phase<br />
plausibilisiert und mit den verschiedenen<br />
Intere<strong>sse</strong>nvertretern abgeglichen werden.<br />
Die Ergebni<strong>sse</strong> aus dem Faktenblatt<br />
vom Juni 2011 sind von den kantonalen<br />
Energiefachstellen bereits kommentiert<br />
worden. Das BFE hat da<strong>ra</strong>ufhin die Projektlisten<br />
übe<strong>ra</strong>rbeitet und die Potenziale<br />
aus diesen Projekten entsprechend angepasst.<br />
Aktuell findet die Bef<strong>ra</strong>gung der<br />
kantonalen Umweltfachstellen statt. Das<br />
BFE wird anschlie<strong>sse</strong>nd gemeinsam mit<br />
dem Bundesamt für Umwelt BAFU bis<br />
Ende November 2011 eine Einschätzung<br />
des Bundes abgeben. Es ist geplant, dass<br />
die Verbände im Dezember 2011 dazu<br />
Stellung nehmen können.<br />
Bild. Speichersee Emosson (Quelle: zvg)<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 351
Nachrichten<br />
Der <strong>SWV</strong> unterstützt die Plausbilisierung<br />
des Ausbaupotenzials. Wie bereits früher<br />
kommuniziert (vgl. aktualisiertes Faktenblatt<br />
Ausbaupotenzial Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> <strong>SWV</strong><br />
vom 10.6.2011, www.swv.ch/Downloads),<br />
ist der postulierte Ausbau der erneuerbaren<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> zu begrü<strong>sse</strong>n<br />
– ge<strong>ra</strong>de auch aufgrund der neuen energiepolitischen<br />
Ausgangslage. Und es gäbe<br />
durchaus noch Ausbaupotenzial und interessante<br />
Erweiterungs- und Ausbauideen.<br />
Viele Ideen und Projekte scheitern jedoch<br />
vor allem am politischen Willen. Unter den<br />
bestehenden Rahmenbedingungen ist der<br />
postulierte Ausbau nicht realisierbar – im<br />
Gegenteil: aufgrund der zu erwartenden<br />
Verluste aus den geltenden Restwa<strong>sse</strong>rbestimmungen<br />
und gegebenenfalls aus<br />
dem K<strong>lima</strong>wandel ist ohne Ausbau mit<br />
einem Rückgang der Produktion aus Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
zu rechnen. Eine sorgfältige Auslegeordnung<br />
über die Möglichkeiten und<br />
damit verbundene notwendige Anpassungen<br />
bildet die Basis für eine breite und<br />
t<strong>ra</strong>nsparente Diskussion und ist deshalb<br />
zu begrü<strong>sse</strong>n.<br />
Vgl. dazu: www.swv.ch/Downloads > Ausbaupotenzial<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> Schweiz 2011<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung<br />
Neues Kleinwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Nandrò in<br />
Betrieb<br />
Nach einer kurzen und intensiven Bauzeit<br />
von rund zwei Jahren steht das neue<br />
Kleinwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Nandrò bereit, ein<br />
Gefälle von 78 Metern für die umweltgerechte<br />
Stromproduktion zu nutzen. Stadt<strong>ra</strong>t<br />
Andres Türler erläutert die Bedeutung<br />
des Projekts für G<strong>ra</strong>ubünden und für die<br />
Stadt Zürich, bevor er das Kleinwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong><br />
feierlich in Betrieb nimmt.<br />
Dieses wird durch eine zusätzliche Wa<strong>sse</strong>rnutzung<br />
jährlich eine Energiemenge<br />
von rund 6 GWh produzieren.<br />
Die ersten Ideen zur Nutzung der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
des Baches «Ava da Nandrò» stammen<br />
aus der ersten Häl<strong>ft</strong>e des zwanzigsten<br />
Jahrhunderts. Seit knapp 40 Jahren wird<br />
das Wa<strong>sse</strong>r des «Ava da Nandrò» gefasst<br />
und dem K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Tinizong zugeführt,<br />
bisher allerdings ohne das obere Teilgefälle<br />
für die Stromproduktion zu nutzen.<br />
Im Rahmen einer notwendig gewordenen<br />
Leitungssanierung entschied ewz, das in<br />
diesem Bereich vorhandene Teilgefälle<br />
für die Produktion erneuerbarer Energie<br />
zu nutzen. Dazu musste die bestehende<br />
Freispiegelleitung durch eine druckfeste<br />
Stahlleitung ersetzt und eine Kaverne für<br />
Bild 1. Anlieferung des 30 Tonnen schweren Gene<strong>ra</strong>tors von Savognin zur neuen<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>szent<strong>ra</strong>le Nandrò (Quelle: ewz)<br />
Bild 2. Einbringen der druckfesten Stahlleitung (Quelle: ewz)<br />
die K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>szent<strong>ra</strong>le in den Fels gebaut<br />
werden.<br />
Fakten zum Kleinwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Nandrò.<br />
Für das Projekt waren keine Konzessionsverhandlungen<br />
notwendig, da ein bereits<br />
in der bestehenden Konzession «Marmore<strong>ra</strong>-Radons-Tinizong»<br />
enthaltenes Gefälle<br />
genutzt wird. ewz hat insgesamt Investitionen<br />
in der Höhe von knapp 23 Mio.<br />
F<strong>ra</strong>nken getätigt, damit das Kleinwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong><br />
Nandrò eine Wa<strong>sse</strong>rmenge von<br />
bis zu 2.4 m 3 /s über eine Fallhöhe von<br />
78 Metern nutzen kann. Anschlie<strong>sse</strong>nd<br />
fliesst das Wa<strong>sse</strong>r wie bisher in einen bestehenden<br />
Druckschacht, welcher auch<br />
das Wa<strong>sse</strong>r vom Stausee Marmore<strong>ra</strong> zum<br />
ewz-K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Tinizong leitet. Dort wird<br />
das Wa<strong>sse</strong>r des «Ava da Nandrò» wie bis<br />
anhin bzw. ein weiteres Mal zur umweltfreundlichen<br />
Stromproduktion genutzt. Mit<br />
der installierten Leistung von 1.8 MW wird<br />
das Kleinwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Nandrò jährlich<br />
eine Energiemenge von rund 6 GWh pro-<br />
duzieren. Dies entspricht etwa dem durchschnittlichen<br />
Jahresenergieverb<strong>ra</strong>uch von<br />
1300 Haushaltungen.<br />
Mit seinen Anlagen in Mittelbünden und im<br />
Bergell produziert ewz rund 1200 GWh Energie<br />
und versorgt einen gro<strong>sse</strong>n Teil des<br />
Kantons G<strong>ra</strong>ubünden mit Strom. ewz beschä<strong>ft</strong>igt<br />
über 1000 Mitarbeitende, davon<br />
100 in G<strong>ra</strong>ubünden, und zählt zu den zehn<br />
umsatzstä<strong>rk</strong>sten Energiedienstleistungsunternehmen<br />
in der Schweiz.<br />
Kontakt: ewz, Corpo<strong>ra</strong>te Communications,<br />
Telefon 058 319 49 67, harry.g<strong>ra</strong>f@ewz.ch<br />
Linthal 2015: Durchschlag Druckschacht<br />
1 erfolgt – Zeitplan wird eingehalten<br />
Mit dem Mitte Oktober 2011 erfolgten<br />
Durchschlag der letzten Gesteinspartie<br />
vom ersten Druckschacht in die Schiebe<strong>rk</strong>ammer<br />
hat das Ausbauprojekt<br />
Linthal 2015 der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e Linth-Limmern<br />
AG einen weiteren Meilenstein er-<br />
352 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Bild. Bohrmannscha<strong>ft</strong> nach dem Durchschlag Mitte Oktober 2011 (Quelle: Axpo).<br />
reicht. Während es bei einzelnen Arbeiten<br />
zu Verzögerungen gekommen ist,<br />
hat man bei anderen Vorsprung auf den<br />
Zeitplan. Insgesamt ist das Projekt auch<br />
zeitlich auf Kurs.<br />
Die Tunnelbohrmaschine 2, die sich von<br />
der kün<strong>ft</strong>igen Maschinenkaverne mit einer<br />
Steigung von 90% durch den Fels hocharbeitete,<br />
erreichte am 14. Oktober 2011<br />
die auf 2300 m ü.M. gelegene, unterirdische<br />
Schiebe<strong>rk</strong>ammer. Damit ist der erste<br />
der beiden Druckschächte ausgebrochen.<br />
Die beiden Druckschächte sind mit einer<br />
Länge von je 1030 Metern Teil des Triebwa<strong>sse</strong>rsystems<br />
zwischen der Maschinenkaverne<br />
auf 1700 m ü.M. und dem Muttsee<br />
auf 2500 m ü.M.<br />
Während die Ausbrucharbeiten zu Beginn<br />
mit einer Tagesleistung von 15 bis 20 Metern<br />
auf Kurs waren, wurde bei Tunnelmeter<br />
570 eine prognostizierte Störzone erreicht.<br />
Die Durchquerung des so genannten Mörtalbruchs<br />
erforderte eine technische Aufrüstung<br />
der Tunnelbohrmaschine sowie<br />
zusätzliche Felssicherungsarbeiten. Dies<br />
führte zu einer Verzögerung von rund sechs<br />
Monaten. Mit den eingeleiteten Massnahmen<br />
sollte diese Verzögerung bis Ende<br />
Bauzeit kompensiert werden können. Die<br />
Tunnelbohrmaschine 2 war seit Mitte Dezember<br />
2010 unterwegs.<br />
In den kommenden Wochen werden der<br />
Boh<strong>rk</strong>opf der Tunnelbohrmaschine demontiert<br />
und die Nachläufer durch den<br />
Druckschacht zurückgezogen. Ende März<br />
2012 wird die Maschine erneut einsatzbereit<br />
sein und den Ausbruch des zweiten<br />
Druckschachtes in Angriff nehmen. Pa<strong>ra</strong>llel<br />
dazu beginnt im ersten Druckschacht<br />
der Einbau der Panzerung.<br />
Die Arbeiten im Zugangsstollen 1 von Tierfehd<br />
zur Maschinenkaverne sind im Rück-<br />
stand. Entsprechende Massnahmen wurden<br />
eingeleitet, und der Durchschlag soll<br />
nun im Frühsommer 2012 erfolgen. Früher<br />
als geplant konnte mit dem Mauerbau auf<br />
der Muttenalp begonnen werden. Die ersten<br />
Betonarbeiten, die gemäss Terminplan<br />
für Frühling 2012 vorgesehen waren,<br />
konnten bereits vor einigen Wochen in Angriff<br />
genommen werden.<br />
Insgesamt liegen die Arbeiten auf Kurs,<br />
an der für Ende 2015 geplanten Inbetriebnahme<br />
der ersten Maschinengruppe des<br />
neuen Pumpspeicherwe<strong>rk</strong>s Limmern wird<br />
festgehalten.<br />
Kontakt: Axpo Holding AG, Corpo<strong>ra</strong>te<br />
Communications, Media Hotline 0800 44<br />
11 00.<br />
Gesamterneuerung K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e Hinterrhein:<br />
Teilentleerung Stausee Sufers/Entleerung<br />
Ausgleichsbecken Bärenburg<br />
Bild. Vorentleerung Stausee Sufer im März 2011 (Quelle: KHR).<br />
Anfangs November nahmen die K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e<br />
Hinterrhein die Zent<strong>ra</strong>len Bärenburg<br />
und Sils au<strong>sse</strong>r Betrieb. Der Stausee<br />
Sufers wird abgesenkt, das Ausgleichsbecken<br />
Bärenburg komplett entleert. Die<br />
erste Sanierungsphase dauert bis zum<br />
Ende des Winterhalbjahrs im April 2012.<br />
Die Gesamterneuerung der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>sanlagen<br />
der KHR geht jetzt in die Ausführungsphase.<br />
Das Grossprojekt mit einem<br />
Investitionsvolumen von knapp 300 Mio.<br />
CHF wird mit der Abstellung der K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>szent<strong>ra</strong>len<br />
Bärenburg und Sils, mit<br />
der Entleerung der Stollensysteme, der<br />
Absenkung des Stausees Sufers sowie<br />
mit der Entleerung des Ausgleichsbeckens<br />
Bärenburg so richtig gestartet. Die<br />
umfangreichen Arbeiten umfa<strong>sse</strong>n ca. 20<br />
Bauplätze mit insgesamt rund 300 hauptsächlich<br />
externen Facharbeitern und dauern<br />
bis im April 2012, bis dahin bleiben die<br />
Anlagen au<strong>sse</strong>r Betrieb.<br />
In Sufers bleibt ein Restsee<br />
Die Analyse der Vorentleerung des Stausees<br />
Sufers im Frühjahr 2011 hat gezeigt,<br />
dass eine komplette Seeentleerung aufgrund<br />
der immensen Sedimentablagerungen<br />
im Stau<strong>ra</strong>um zum heutigen Zeitpunkt<br />
nicht möglich ist. Anders als ursprünglich<br />
geplant, bleibt deshalb auch<br />
während der Sanierungsarbeiten ein kleiner<br />
Restsee bestehen. Dies hat zur Folge,<br />
dass in Sufers vorerst nicht sämtliche geplanten<br />
Arbeiten ausgeführt werden können.<br />
Das Ausgleichsbecken Bärenburg<br />
wird nun total entleert und erst im April<br />
2012 wieder eingestaut.<br />
Ökologische Begleitung<br />
Um die ökologischen Auswi<strong>rk</strong>ungen so<br />
gering wie möglich zu halten und um frühzeitig<br />
auf allfällige Folgen mit Lösungen<br />
reagieren zu können, arbeitet KHR sehr<br />
eng mit den Behörden, den Umweltorga-<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 353<br />
Nachrichten
Nachrichten<br />
nisationen und dem Kantonalen Fischereiverband<br />
G<strong>ra</strong>ubünden zusammen. KHR hat<br />
zudem das Umweltfachbüro ecowert und<br />
weitere Experten mit der Begleitung des<br />
Projekts und der Durchführung des Umwelt-<br />
und Gewä<strong>sse</strong>rmonitorings beau<strong>ft</strong><strong>ra</strong>gt.<br />
Die Fachleute begleiten die Arbeiten,<br />
untersuchen die Wa<strong>sse</strong>rqualität und<br />
zeichnen die Ereigni<strong>sse</strong> auf.<br />
Weitere Auskün<strong>ft</strong>e:<br />
Guido Con<strong>ra</strong>d, Direktor KHR<br />
Tel. 081 635 37 37, admin@khr.ch<br />
Baubeginn beim K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> Rüchlig in<br />
Aa<strong>ra</strong>u<br />
Die umfa<strong>sse</strong>nde Teilerneuerung des<br />
K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s Rüchlig in Aa<strong>ra</strong>u hat im Oktober<br />
mit den Erschliessungsarbeiten<br />
begonnen. Das erneuerte K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> soll<br />
Anfang 2015 wieder in Betrieb genommen<br />
werden und mit einer Leistung von<br />
rund 11 MW ca. 64 GWh Strom produzieren,<br />
womit über 14 000 Haushalte versorgt<br />
werden können. Die Anlagenkosten<br />
belaufen sich auf rund 130 Mio. F<strong>ra</strong>nken.<br />
Der Regierungs<strong>ra</strong>t hatte die Konzession<br />
für die nächsten 60 Jahre und die Baubewilligung<br />
am 17. August 2011 erteilt.<br />
Nebst dem kompletten Ersatz der bestehenden<br />
drei Rohrturbinen und dem Einbau<br />
einer vierten identischen Maschine wird<br />
auch ein neues Dotie<strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> in der Aare<br />
erstellt, das die Restwa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>bgaben von<br />
30 bis 40 m 3 /s saisonal angepasst turbiniert.<br />
Die Umwelt profitiert durch zwei neue<br />
Fischpä<strong>sse</strong> und einem Fischabstieg in der<br />
Aare. Weitere ökologische Aufwertungs-<br />
und Ausgleichmassnahmen sind vorgesehen,<br />
unter anderem ein neuer Teich für<br />
Kammmolche im unteren Teil der Zurlindeninsel.<br />
Die Bauphase wird durch eine<br />
be<strong>ra</strong>tende Begleitkommission und eine<br />
Ve<strong>rk</strong>ehrskommission unter der Führung<br />
des Kantons begleitet.<br />
Bild. Visualisierung neues KW Rüchlig (Quelle: Axpo)<br />
Nach der rund zweijährigen Planungs-<br />
und Bewilligungsphase steht nun die rund<br />
vierjährige Realisierungszeit bevor. Die<br />
Bewohner der Quartiere Telli und Scheibenschachen<br />
werden insbesondere vom<br />
neuen Hochwa<strong>sse</strong>rschutz profitieren. Dieser<br />
erlaubt neu eine Abflussmenge von bis<br />
zu 1700 m³/s, was gegenüber der heutigen<br />
Abflussmenge von 1180 m³/s eine wesentliche<br />
Verbe<strong>sse</strong>rung darstellt. Weiter wird<br />
sich auch die Grundwa<strong>sse</strong>rsituation mit<br />
dem neuen Betriebsregime verbe<strong>sse</strong>rn.<br />
Zudem wird sich das Erscheinungsbild<br />
des K<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s zeitgemä<strong>sse</strong>r präsentieren.<br />
Insbesondere wird der Blick auf die<br />
Ju<strong>ra</strong>höhen von der Oberwa<strong>sse</strong>rseite her<br />
wieder freigeben, der heute durch das Maschinenhaus<br />
behindert wird.<br />
Alle Bau- und Lieferverträge für den Bau,<br />
Stahlwa<strong>sse</strong>rbau, Elektromechanik und<br />
Elektrotechnik sind inzwischen abgeschlo<strong>sse</strong>n.<br />
Die ersten Aktivitäten, insbesondere<br />
die Bauvorbereitungsarbeiten,<br />
werden in den nächsten Wochen beginnen.<br />
So gilt es die Baustromversorgung<br />
aufzubauen, bestehende Kabelanlagen<br />
umzulegen, die Installationsplätze für die<br />
Liefe<strong>ra</strong>nten vorzubereiten, und eine temporäre<br />
Dienstbrücke zu erstellen, um den<br />
Ve<strong>rk</strong>ehr be<strong>sse</strong>r führen zu können. Weiter<br />
werden die erforderlichen Rodungen, die<br />
sich vorwiegend im Bereiche des neuen<br />
Dotie<strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>s befinden, ausgeführt.<br />
Im Quartier Telli werden Brunnen erstellt,<br />
um das Grundwa<strong>sse</strong>r bei zu hohen Grundwa<strong>sse</strong>rständen<br />
abzusenken. Diese Arbeiten<br />
sind vor den Bauhauptarbeiten, die<br />
Anfang April 2012 beginnen, abzuschlie<strong>sse</strong>n.<br />
Die Realisierung inkl. Umgebungsarbeiten<br />
dür<strong>ft</strong>e ca. Mitte 2015 abgeschlo<strong>sse</strong>n<br />
sein.<br />
Weitere Auskün<strong>ft</strong>e:<br />
Axpo Holding AG, Corpo<strong>ra</strong>te Communications,<br />
Media Hotline 0800 44 11 00.<br />
Energiewir Energiewirtscha<strong>ft</strong> tscha<strong>ft</strong><br />
Höchstgelegene Windenergieanlage<br />
Europas am Gries im Wallis<br />
Im Beisein von Bundesrätin Doris Leuthard<br />
fand am Freitag, 30. September das Richtfest<br />
der höchsten Windenergieanlage Europas<br />
statt. Martin Senn, Gründer von<br />
SwissWinds, und sein Team stellte sich<br />
der technologisch höchst anspruchsvollen<br />
He<strong>ra</strong>usforderung während der Planungs-<br />
und Realisierungsphase. Die Windanlage<br />
auf rund 2500 m ü.M. gilt als einzigartig in<br />
Europa und ist ein unternehmerisches Pionierwe<strong>rk</strong>.<br />
Nach einer mehrmonatigen Test-<br />
und Einstellphase soll die Windenergieanlage,<br />
eine Enercon E-70, 3 GWh pro Jahr<br />
produzieren, was dem Verb<strong>ra</strong>uch von 650<br />
Haushalten entspricht.<br />
Bild. Die höchstgelegene Windenergie<br />
Europas steht am Gries im Wallis auf<br />
2465 m ü.M. Dieser Standort in der Nähe<br />
des gleichnamigen Staudammes wurde<br />
gewählt, um die Windturbine mit den<br />
vorhandenen elektrischen Leitung verbinden<br />
zu können (Quelle: SwissWinds AG).<br />
Dieses Pilotprojet wurde anlässlich<br />
des Richtfestes von Bundesrätin Doris<br />
Leuthard gewürdigt: «Der Kanton Wallis<br />
macht einen gro<strong>sse</strong>n Schritt in eine erneuerbare<br />
Zukun<strong>ft</strong>. Als High-Tech-Land<br />
können wir uns in einem Umfeld sehr gut<br />
positionieren, in dem natürliche Ressourcen<br />
und Energie zu knappen Konsumgütern<br />
werden. Wenn wir für die Zukun<strong>ft</strong> eine<br />
saubere, eine sichere, eine weitgehend<br />
schweizerische und wirtscha<strong>ft</strong>liche Strom-<br />
und Energieversorgung für die Menschen<br />
und für die Wirtscha<strong>ft</strong> in diesem Land wollen,<br />
dann mü<strong>sse</strong>n wir jetzt handeln. Der<br />
Bundes<strong>ra</strong>t hat bereits dargelegt, dass der<br />
Umbau technisch möglich ist, wenn wir<br />
ihn sorgfältig organisieren und wenn wir<br />
25 bis 30 Jahre Zeit haben. Berechnungen<br />
354 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
der ETH haben es bestätigt.» Die höchstgelegene<br />
Windenergieanlage Europas ist<br />
in mehrerer Hinsicht eine technologische<br />
Spitzenleistung. Erstens hat Martin Senn<br />
ein Spezialgefährt mit dem Übernamen<br />
«Tausendfüssler» entwickeln la<strong>sse</strong>n. Dieser<br />
gegliederte Tieflader war notwendig,<br />
um die 35 m langen Rotorblätter auf den<br />
kurvigen Bergst<strong>ra</strong><strong>sse</strong>n zwischen Airolo im<br />
Tessin und dem Nufenenpass im Wallis<br />
zu t<strong>ra</strong>nsportieren. Ohne dieses innovative<br />
Gefährt hätte die Windenergieanlage<br />
niemals an diesem idealen Standort auf<br />
2465 m in der Nähe der Staumauer Gries<br />
errichtet werden können. Der gewählte Ort<br />
erlaubt die Nutzung der bestehenden elektrischen<br />
Leitungen. Zweitens haben zahlreiche<br />
Vorstudien gezeigt, dass mit einer<br />
solchen Installation der Eingriff in Fauna<br />
und Flo<strong>ra</strong> gering gehalten wird. Die Anlage<br />
integriert sich relativ gut in die Landscha<strong>ft</strong><br />
und respektiert die Umwelt, was den Planern<br />
sehr wichtig war. Schliesslich ist diese<br />
Windenergieanlage wegen der bisweilen<br />
extremen Wetterverhältni<strong>sse</strong>, die im<br />
Winter auf dieser Höhe vorherrschen, mit<br />
einem sparsamen Heizsystem ausgestattet,<br />
welches die Rotorblätter schnee- und<br />
eisfrei hält und vor Immobilität schützt.<br />
Die Bewohner des Goms und die kantonalen<br />
Behörden unterstützten diese technologische<br />
He<strong>ra</strong>usforderung mit Krä<strong>ft</strong>en.<br />
Die Umweltverbände wurden seit dem<br />
Planungsbeginn konsultiert. Die Gesamtkosten<br />
der höchstgelegenen Windenergieanlage<br />
Europas belaufen sich auf 5.5<br />
Millionen F<strong>ra</strong>nken. Der Höhenwindk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>-<br />
Pionier Martin Senn hatte sich mit den Energieversorgern<br />
EnAlpin und Services Industriels<br />
de Genève zusammengetan, um<br />
dieses Pilotprojekt mitzufinanzieren. Die<br />
Gemeinde Obergoms, welche ebenfalls<br />
an diesem innovativen Projekt beteiligt ist,<br />
wird von den wirtscha<strong>ft</strong>lichen Gewinnen<br />
der Windenergieanlage Gries profitieren.<br />
Insgesamt haben sich die Partner in der<br />
Firma GriesWind AG zusammengetan, um<br />
diese Inf<strong>ra</strong>struktur im Oberwallis zu entwickeln.<br />
Sie wird Anfang 2012 definitiv ans<br />
Netz gehen.<br />
Kontakt: SIG: Isabelle Dupont-Zamperini<br />
K<strong>lima</strong><br />
Szenarien zur K<strong>lima</strong>änderung in der<br />
Schweiz CH2011<br />
In der Schweiz wird es wärmer und im<br />
Sommer trockener werden. Von diesen<br />
Veränderungen sind auch Extremereigni<strong>sse</strong><br />
betroffen, so sind zum Beispiel<br />
häufigere und längere Hitzewellen und<br />
längere sommerliche Trockenperioden<br />
zu erwarten. Dies bestätigen die neusten<br />
wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>lichen E<strong>rk</strong>enntni<strong>sse</strong> Schweizer<br />
K<strong>lima</strong>forscher unter der Leitung von<br />
ETH Zürich und MeteoSchweiz, die an<br />
einer Grossve<strong>ra</strong>nstaltung im Auditorium<br />
Maximum der ETH Zürich neue K<strong>lima</strong>szenarien<br />
für die Schweiz vorstellen. Die<br />
Szenarien stützen sich auf verfeinerte<br />
K<strong>lima</strong>simulationen und neue statistische<br />
Verfahren. Erstmals stehen auch detaillierte<br />
Szenariodaten in digitaler Form zur<br />
Verfügung. Diese sollen die Erforschung<br />
von Folgen des K<strong>lima</strong>wandels vo<strong>ra</strong>ntreiben,<br />
und ermöglichen Entscheidungsträgern<br />
in Politik und Wirtscha<strong>ft</strong> Zugriff<br />
auf umfa<strong>sse</strong>nde Informationen über die<br />
K<strong>lima</strong>entwicklung im 21. Jahrhundert in<br />
der Schweiz.<br />
Wie wird sich das K<strong>lima</strong> in der Schweiz in<br />
den nächsten 100 Jahren entwickeln? Eine<br />
F<strong>ra</strong>ge, die viele Schweizer und Schweizerinnen<br />
beschä<strong>ft</strong>igt. Das Center for C<strong>lima</strong>te<br />
Systems Modeling (C2SM), MeteoSchweiz,<br />
die ETH Zürich, der Nationale Forschungsschwerpunkt<br />
K<strong>lima</strong> (NFS K<strong>lima</strong>) und das<br />
OcCC (Be<strong>ra</strong>tendes Organ für F<strong>ra</strong>gen zur<br />
K<strong>lima</strong>änderung) haben in einem mehrjährigen<br />
Projekt intensiv zusammengearbeitet<br />
und Szenarien für die zukün<strong>ft</strong>ige Entwicklung<br />
von Tempe<strong>ra</strong>tur und Niederschlag in<br />
der Schweiz e<strong>ra</strong>rbeitet.<br />
Das Ergebnis: Die mittleren Tempe<strong>ra</strong>turen<br />
werden sehr wahrscheinlich in allen Regionen<br />
der Schweiz und während allen Jahreszeiten<br />
ansteigen. Sogar wenn der globale<br />
Treibhausgas-Ausstoss bis 2050 gegenüber<br />
2000 halbiert werden könnte, wird<br />
sich das Schweizer K<strong>lima</strong> vo<strong>ra</strong>ussichtlich<br />
bis Ende des Jahrhunderts gegenüber<br />
der Periode zwischen 1980 und 2009 um<br />
1.2–1.8 ° C erwärmen. Spätestens ab Mitte<br />
des 21. Jahrhunderts ist im Sommer in der<br />
gesamten Schweiz mit einem Rückgang<br />
der Niederschläge zu rechnen. In der Südschweiz<br />
werden die Winterniederschläge<br />
vo<strong>ra</strong>ussichtlich zunehmen. Durch die Abnahme<br />
der Sommerniederschläge nimmt<br />
auch das Risiko längerer Trockenperioden<br />
zu. Wärmeperioden und Hitzewellen werden<br />
häufiger und intensiver au<strong>ft</strong>reten und<br />
zudem länger anhalten. Gleichzeitig wird<br />
der Winterniederschlag aufgrund der steigenden<br />
Tempe<strong>ra</strong>turen vermehrt als Regen<br />
fallen, wodurch sich das Überschwemmungsrisiko<br />
vor allem in niedrigen Lagen<br />
vergrö<strong>sse</strong>rn wird. Die neuen Szenarien<br />
sind konsistent mit der K<strong>lima</strong>entwicklung<br />
der letzten Jahrzehnte.<br />
K<strong>lima</strong>szenarien liefern einheitliche Planungsgrundlagen<br />
für Wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>, Politik<br />
und Wirtscha<strong>ft</strong><br />
Die ausführlichen Ergebni<strong>sse</strong> sind im Bericht<br />
«Swiss C<strong>lima</strong>te Change Scenarios<br />
CH2011» (deutsch: Szenarien zur K<strong>lima</strong>änderung<br />
in der Schweiz CH2011) nachzulesen.<br />
Eine englische, deutsche, f<strong>ra</strong>nzösische<br />
und italienische Zusammenfassung<br />
des Berichts steht auf der Website www.<br />
ch2011.ch zur Verfügung. Dort können<br />
auch K<strong>lima</strong>szenarien in digitaler Form bezogen<br />
werden. Es stehen zum Beispiel die<br />
Szenario-Daten für Tempe<strong>ra</strong>tur und Niederschlag<br />
der kommenden Jahrzehnte in<br />
täglicher Auflösung an Messstandorten<br />
von MeteoSchweiz zur Verfügung. Die<br />
neuen Daten sollen in zahlreichen Folgestudien<br />
benutzt werden, um die Folgen des<br />
K<strong>lima</strong>wandels auf die Wirtscha<strong>ft</strong> und Umwelt<br />
der Schweiz be<strong>sse</strong>r abzuschätzen.<br />
Für den Bund, der aktuell eine St<strong>ra</strong>tegie zur<br />
Bild. Entwicklung Tempe<strong>ra</strong>tur und Niederschlagsänderung zwischen 1875 und 2100;<br />
Prognose gemäss dem neuen K<strong>lima</strong>szenarien CH2011 [Quelle: MeteoSchweiz/ETHZ,<br />
2011].<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 355<br />
Nachrichten
Nachrichten<br />
Anpassung an die K<strong>lima</strong>änderung erstellt,<br />
bilden diese K<strong>lima</strong>szenarien eine wichtige<br />
Entscheidungsgrundlage. Zudem können<br />
Entscheidungsträger aus Politik und Wirtscha<strong>ft</strong><strong>sse</strong>ktoren<br />
wie Land-, Bau-, Energie-<br />
und Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>, Gesundheit,<br />
Tourismus, Raumplanung, Versicherung<br />
usw. einfach und kostenlos auf die für<br />
sie relevanten Daten zugreifen. Die K<strong>lima</strong>szenarien<br />
CH2011 ermöglichen damit<br />
schweizweit eine einheitliche Planung der<br />
verschiedenen Wirtscha<strong>ft</strong><strong>sse</strong>ktoren.<br />
Das Know-how hinter den K<strong>lima</strong>szenarien<br />
Die CH2011-K<strong>lima</strong>szenarien gründen auf<br />
einer neuen Gene<strong>ra</strong>tion von globalen und<br />
regionalen K<strong>lima</strong>modellen. Zudem verwendeten<br />
die Forschungspartner neue<br />
statistische Methoden, um die Entwicklung<br />
von Tempe<strong>ra</strong>tur und Niederschlag<br />
in den drei Schweizer Regionen Nordostschweiz,<br />
Westschweiz und Südschweiz<br />
abzuschätzen und die Unsicherheit der<br />
K<strong>lima</strong>projektionen zu quantifizieren. Verschiedene<br />
Emissionsszenarien, welche<br />
den kün<strong>ft</strong>igen Ausstoss von Treibhausgasen<br />
prognostizieren, sind die Basis für die<br />
K<strong>lima</strong>modelle. Für die vorliegenden K<strong>lima</strong>szenarien<br />
wurden erstmals drei unterschiedliche<br />
Emissionsszenarien gewählt,<br />
die ein breites Spektrum an möglichen<br />
Wirtscha<strong>ft</strong>sentwicklungen abdecken, darunter<br />
auch ein sogenanntes Mitigations-<br />
Szenario welches umfangreiche Massnahmen<br />
gegen den K<strong>lima</strong>wandel berücksichtigt.<br />
Kontakt:<br />
ETH Zürich<br />
Claudia Naegeli, Medienbeau<strong>ft</strong><strong>ra</strong>gte, claudia.naegeli@hk.ethz.ch,<br />
+41 44 632 89 61<br />
Bundesamt für Meteorologie und K<strong>lima</strong>tologie<br />
MeteoSchweiz, Bärbel Zierl, Kommunikation,<br />
media@meteoschweiz.ch<br />
+41 44 256 93 51<br />
Methan in Seen und Feuchtgebieten<br />
– wie wichtig ist Methan aus Seen für<br />
den K<strong>lima</strong>wandel?<br />
Von Oliver Heiri, Oeschger Zentrum für K<strong>lima</strong>forschung,<br />
Universität Bern<br />
An einem Symposium von Mitte September<br />
2011 in Bern über Methan in Seen und<br />
anderen Feuchtgebieten diskutierten<br />
Wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>er und P<strong>ra</strong>ktiker den Stellenwert<br />
des Treibhausgases Methan.<br />
Wie sich zeigte, ist die Datenlage für Regionen<br />
wie die Schweiz sehr wahrscheinlich<br />
noch zu dünn, um abschlie<strong>sse</strong>nd zu<br />
beurteilen, welche Rolle das Methan aus<br />
Seen für die K<strong>lima</strong>bilanz spielt. Allerdings<br />
weisen die verfügbaren Resultate da<strong>ra</strong>uf<br />
hin, dass Seen als mögliche Methanquellen<br />
in die K<strong>lima</strong>diskussion miteinbezogen<br />
werden sollten.<br />
Sind Seen K<strong>lima</strong>sünder? Ein Blick in die<br />
Pre<strong>sse</strong> könnte diese Vermutung nahe<br />
legen. In den vergangenen Monaten gingen<br />
nämlich verschiedene Zeitungsartikel<br />
der F<strong>ra</strong>ge nach, ob für die Beurteilung des<br />
Einflu<strong>sse</strong>s von Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en aufs<br />
K<strong>lima</strong> nicht auch der Methanausstoss von<br />
Stauseen berücksichtigt werden müsste.<br />
Hintergrund dieser Diskussionen waren<br />
neu veröffentlichte Einzelstudien, die aufzeigten,<br />
dass der Methanausstoss von<br />
Seen bedeutend höher sein kann als bisher<br />
angenommen. In der Öffentlichkeit ist Methan<br />
im Gegensatz zu Kohlendioxid kaum<br />
als Treibhausgas bekannt, obwohl Methan<br />
das bedeutend stä<strong>rk</strong>ere Treibhausgas ist.<br />
Allerdings ist die Konzent<strong>ra</strong>tion von Methan<br />
in der Atmosphäre ein vielfaches kleiner<br />
als diejenige von CO 2. So kommt es<br />
nicht von ungefähr, dass in Studien über<br />
Feuchtgebiete die Bedeutung von Methan<br />
weniger eingehend untersucht wurde als<br />
jene von CO 2. Besonders über die Methanproduktion<br />
von Seen ist noch relativ wenig<br />
bekannt, dies obwohl ihr Methanausstoss<br />
fürs K<strong>lima</strong> relevant ist. So wurde zum Beispiel<br />
geschätzt dass bis zu 16% der natürlichen<br />
Methanemissionen von Seen<br />
stammen, obwohl sie nach verfügbaren<br />
Hochrechnungen wohl weniger als 1% der<br />
Erdoberfläche einnehmen.<br />
Austausch zum Stand der Forschung<br />
Um diese Forschungslücke zu schlie<strong>sse</strong>n,<br />
t<strong>ra</strong>fen sich am 12. September 2011 Vertreter<br />
aus Wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>, der Verwaltung<br />
und Wirtscha<strong>ft</strong> in Bern zu einem Symposium<br />
unter dem Titel «Methan in Seen<br />
und Feuchtgebieten». Ziel der durch das<br />
Oeschger Zentrum für K<strong>lima</strong>forschung der<br />
Universität Bern unterstützten Ve<strong>ra</strong>nstaltung<br />
war es, den 45 Teilnehmenden aus<br />
dem In- und Ausland einen Einblick in den<br />
aktuellen Stand der Forschung zu ermöglichen<br />
und die unterschiedlichen Facetten<br />
der Methanproduktion und -aufnahme<br />
sowie der Methanemission von Seen und<br />
anderen Feuchtgebieten zu diskutieren.<br />
In Seen entsteht Methan in den tiefen, sauerstofflosen<br />
Wa<strong>sse</strong>rschichten oder im Sediment<br />
durch den mikrobiellen Abbau von<br />
organischem Material. Ein Teil des Methans<br />
diffundiert im Sediment und in der Wa<strong>sse</strong>rsäule<br />
in Richtung Wa<strong>sse</strong>r oberfläche.<br />
In Kontakt mit Sauerstoff kann ein gro<strong>sse</strong>r<br />
Teil dieses Methans durch sogenannte<br />
methanoxidierende Bakterien in CO 2 umgewandelt<br />
werden. Ein weitaus bedeutenderer<br />
Teil des Methanaussto<strong>sse</strong>s von<br />
Seen findet jedoch über Gasblasenbildung<br />
statt. Gasblasen können Methan, das sich<br />
in den Tiefen von Seen bildet, sehr schnell<br />
und mit nur sehr geringem Verlust an die<br />
Gewä<strong>sse</strong>roberfläche t<strong>ra</strong>nsportieren. Je<br />
seichter das Gewä<strong>sse</strong>r, um so effizienter<br />
funktioniert normalerweise dieser Gast<strong>ra</strong>nsport<br />
in Form von Blasen. Deshalb sind<br />
seichte Gewä<strong>sse</strong>r für den Methanausstoss<br />
besonders bedeutend. Der Diffusionsgetriebene<br />
Gast<strong>ra</strong>nsport hingegen scheint<br />
vor allem saisonal, während der Umwälzung<br />
geschichteter Seen im Herbst und<br />
Frühjahr einen bedeutenden Beit<strong>ra</strong>g zur<br />
Methanemmission zu leisten.<br />
Komplexe Messung und Bilanzierung der<br />
Methanemissionen<br />
Am Berner Symposium wurde das Thema<br />
«Methan in Seen und Feuchtgebieten» aus<br />
unterschiedlichen Perspektiven bet<strong>ra</strong>chtet.<br />
Dabei zeigte sich, dass Methan aus<br />
Feuchtgebieten eine bedeutende Rolle im<br />
globalen Methanhaushalt spielt und dass<br />
Veränderungen in der Methanproduktion<br />
dieser Gebiete in der Vergangenheit das<br />
K<strong>lima</strong>system wohl deutlich beeinflusst<br />
haben. Allerdings ist viel weniger darüber<br />
bekannt wo genau in bestimmten Landscha<strong>ft</strong>stypen<br />
die höchsten Methanausstoss<strong>ra</strong>ten<br />
zu erwarten sind und welche<br />
Rolle in diesem Kontext Gewä<strong>sse</strong>r spielen.<br />
Dies führt zum Beispiel dazu, dass die Au<strong>ft</strong>rennung<br />
von Überflutungsgebieten und<br />
ganzjährigen Gewä<strong>sse</strong>r bezüglich ihrer<br />
Methanemissionen auf dem regionalen und<br />
globalen Massstab (zum Beispiel in K<strong>lima</strong>modellen)<br />
sehr schwierig ist. Die Messung<br />
der Methanemission von einzelnen Gewä<strong>sse</strong>rn<br />
ist sehr komplex weil diese normalerweise<br />
durch gro<strong>sse</strong> jahreszeitliche und<br />
räumliche Variabilität gekennzeichnet ist.<br />
Bild 1. Sedimentkern für die Bestimmung<br />
des Methangehaltes bei Lej Nair vor dem<br />
Cambrenagletscher am Bernina-Pass,<br />
G<strong>ra</strong>ubünden. (Foto: Ch. Bigler)<br />
356 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Bild 2. Messung der Methanfreisetzung aus einem Sumpfgebiet im Obe<strong>ra</strong>ar (Bild: J.<br />
Zeyer).<br />
Vor allem das Ausperlen und Aufsteigen<br />
des Methans in Form von Gasblasen kann<br />
räumlich sehr heterogen sein und sich auf<br />
kurze Zeitintervalle beschränken.<br />
Verschiedene Beiträge am Symposium<br />
befassten sich denn auch damit, wie sich<br />
der Methanausstoss von Seen am effizientesten<br />
und genausten me<strong>sse</strong>n lässt. Die<br />
diskutierten Ansätze reichten von Messungen<br />
des Gasaussto<strong>sse</strong>s direkt an der<br />
Wa<strong>sse</strong>roberfläche bis zu Zählungen der<br />
aufsteigenden Methanblasen mithilfe hydroakustischer<br />
Methoden. Deutlich wurde<br />
in diesen Diskussionen, dass Einzelmessungen<br />
nur in seltenen Fällen verlässliche<br />
Schätzungen liefern und längere Messreihen<br />
und mehrere Messkampagnen pro<br />
Jahr nötig sind, um den Methanhaushalt<br />
von Seen verlässlich zu quantifizieren.<br />
Ein Teil der Beiträge beschä<strong>ft</strong>igte sich mit<br />
der F<strong>ra</strong>ge, wie man Messdaten zu Schätzungen<br />
des Methanaussto<strong>sse</strong>s auf Landscha<strong>ft</strong>sebene<br />
oder zu globalen Emmissionswerten<br />
für Seen hochrechnen kann.<br />
Hier wurde ersichtlich, dass die heutige<br />
Datenlage für viele Regionen und Seetypen<br />
noch unbefriedigend ist.<br />
Methan als Teil der aquatischen Nahrungskette<br />
Ein weiterer Teil des Symposiums beschä<strong>ft</strong>igte<br />
sich mit der F<strong>ra</strong>ge, welche Faktoren<br />
den Methanhaushalt von Seen und<br />
anderen Feuchtgebieten beeinflu<strong>sse</strong>n und<br />
welche Rolle Methan für aquatische Ökosysteme<br />
spielt. Verschiedene Vorträge<br />
widmeten sich der mikrobiologischen Produktion<br />
von Methan sowie der Oxidation<br />
des Gases durch Bakterien. Ferner wur-<br />
den neuere Resultate gezeigt, die dokumentieren,<br />
dass Methan eine bedeutende<br />
Kohlenstoffquelle für aquatische Nahrungsketten<br />
in Seen und Fliessgewä<strong>sse</strong>rn<br />
darstellen kann. Verschiedene Tiergruppen,<br />
vor allem Wirbellose wie beispielsweise<br />
Insektenlarven und Wa<strong>sse</strong>rflöhe,<br />
können einen bedeutenden Teil ihrer Nahrung<br />
aus Mikroorganismen beziehen, die<br />
ihren Kohlenstoffbedarf mit Methan decken.<br />
Methanogener Kohlenstoff wurde<br />
auch in höheren Gliedern der Nahrungskette<br />
festgestellt. So wurde zum Beispiel in<br />
einem eingehend untersuchten finnischen<br />
See geschätzt, dass bis zu 17% des Kohlenstoffes<br />
im Körper bestimmter Fischsorten<br />
ursprünglich von Methan stammt.<br />
Der abschlie<strong>sse</strong>nde Teil des Symposiums<br />
konzentrierte sich auf die F<strong>ra</strong>ge, wie<br />
sich Veränderungen im Methanhaushalt<br />
von Seen anhand von Seesedimenten<br />
rekonstruieren la<strong>sse</strong>n. Rekonstruktionen<br />
würden es erlauben, anhand der Reaktion<br />
von Seen auf vergangene Umweltveränderungen<br />
abzuschätzen, wie sich der<br />
Methanausstoss in Gewä<strong>sse</strong>rn als Folge<br />
des K<strong>lima</strong>wandels verändert. So könnten<br />
möglicherweise Kohlenstoffisotope in organischen<br />
Sedimentbestandteilen Informationen<br />
über den Methanhaushalt von<br />
Seen in der Vergangenheit liefern.<br />
Fazit<br />
Vorträge und Diskussionen am Berner<br />
Symposium machten klar, dass sich die<br />
Erforschung der Rolle von Methan in Seen,<br />
Flü<strong>sse</strong>n und Feuchtgebieten in einer sehr<br />
dynamischen Phase befindet. Verfügbare<br />
Resultate zeigen allerdings deutlich,<br />
dass Seen und Feuchtgebieten eine bedeutende<br />
Methanquelle sind und dass sie<br />
vermehrt in Studien über den Treibhausgasausstoss<br />
von Landscha<strong>ft</strong>en integriert<br />
werden sollten.<br />
Sind Seen, wie eingangs gef<strong>ra</strong>gt, tatsächlich<br />
K<strong>lima</strong>sünder? Fest steht, dass gewi<strong>sse</strong><br />
Seen eine bedeutende Menge Methan<br />
aussto<strong>sse</strong>n. Doch dies gilt nicht für<br />
alle Seen. Eine wichtige Aufgabe der Forschung<br />
wird es deshalb in den nächsten<br />
Jahren sein, die Faktoren, die zu einem<br />
hohen Methanausstoss führen be<strong>sse</strong>r zu<br />
verstehen. Erst dann la<strong>sse</strong>n sich heute<br />
noch kontrovers diskutierte F<strong>ra</strong>gen abschlie<strong>sse</strong>nd<br />
beantworten wie zum Beispiel<br />
welche Rolle Methan bei der Beurteilung<br />
der K<strong>lima</strong>bilanz von Strom spielt, der mit<br />
Hilfe von Speicherseen produziert wird.<br />
Der Austausch zwischen Wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong><br />
und P<strong>ra</strong>xis wie am Methan-Symposium<br />
hil<strong>ft</strong> mit, die Wi<strong>sse</strong>nsbasis zu erweitern und<br />
das gesicherte Wi<strong>sse</strong>n weiterzuverbreitern.<br />
Zum einen vereinfachen solche themenbezogenen<br />
Ve<strong>ra</strong>nstaltungen die Kommunikation<br />
zwischen Wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>ern aus<br />
unterschiedlichen Fachbereichen. So t<strong>ra</strong>fen<br />
sich in Bern Vertreter aus der K<strong>lima</strong>tologie,<br />
Limnologie, Ökologie und Mikrobiologie.<br />
Andererseits sind auf ein aktuelles<br />
und relevantes Einzelthema fokussierte<br />
Treffen auch für Vertreter aus Verwaltung<br />
und Wirtscha<strong>ft</strong> ergiebiger als thematisch<br />
o<strong>ft</strong> sehr breit gefächerte wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>liche<br />
Fachkongre<strong>sse</strong>. In Bern jedenfalls zeigte<br />
sich das Publikum aus unterschiedlichsten<br />
Fachgebieten äu<strong>sse</strong>rst diskussionsfreudig<br />
und am Austausch interessiert.<br />
Das Symposiumprog<strong>ra</strong>mm und einige der<br />
Präsentationen sind unter http://www.<br />
oeschger.unibe.ch/events/conferences/<br />
methane/ zu finden.<br />
Kontakt: Oliver Heiri, Institut für Pflanzenwi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>en<br />
und Oeschger-Zentrum für<br />
K<strong>lima</strong>forschung, Universität Bern, Zähringerst<strong>ra</strong><strong>sse</strong><br />
25, CH-3012 Bern<br />
oliver.heiri@ips.unibe.ch<br />
Beit<strong>ra</strong>g der Stauseen an den Ausstoss<br />
von K<strong>lima</strong>gasen? Resultate einer internationalen<br />
Forschungsarbeit<br />
Pfa. Das bisher umfa<strong>sse</strong>ndste internationale<br />
Forschungsprojekt bringt die notwendigen<br />
Einordnungen zur Relevanz<br />
der K<strong>lima</strong>gase aus Stauseen. Mit nur<br />
rund 4% der Emissionen aller Binnengewä<strong>sse</strong>r<br />
und gar nur 0.5% des gesamten<br />
globalen Aussto<strong>sse</strong>s sind die Emissionen<br />
von absolut untergeordneter Bedeutung.<br />
Aufgrund der Zusammenhänge mit der<br />
geog<strong>ra</strong>phischen Breite und der Verfüg-<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 357<br />
Nachrichten
Nachrichten<br />
Bild: Keine relevanten Methangasemissionen aus hoch gelegenen Speicherseen im<br />
Schweizerischen Alpen<strong>ra</strong>um (Foto: zvg).<br />
ba<strong>rk</strong>eit von organischem Material ist das<br />
Thema zudem vor allem in den tropischen<br />
Gebieten relevant.<br />
Methangas aus natürlichen und künstlichen<br />
Seen ist immer wieder ein Thema in<br />
den Medien. Dabei wird gerne und meist<br />
falsch auch der Zusammenhang mit der<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>produktion in der Schweiz thematisiert.<br />
Ursache und Relevanz<br />
Zum einen ist festzuhalten, dass Methangasemissionen<br />
in natürlichen und künstlichen<br />
Seen primär auf das Angebot natürlicher<br />
oder anthropogener organischer<br />
Substanz zurückzuführen sind und Beiträge<br />
aus Stauseen damit nicht ohne Weiteres<br />
einfach der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong> zugeordnet<br />
werden können (vgl. Beit<strong>ra</strong>g im Nachrichtenteil<br />
WEL 4/2010, Seite 352–353 sowie<br />
Argumentarium des <strong>SWV</strong> zur Methanproduktion<br />
auf www.swv.ch/Downloads). Zum<br />
anderen stellt sich die F<strong>ra</strong>ge, wie gross die<br />
Emissionen aus hydroelektrischen Stauanlagen<br />
im Vergleich zu anderen Quellen<br />
sind und ob diese als relevant eingestu<strong>ft</strong><br />
werden mü<strong>sse</strong>n.<br />
Weltweite Analyse von 85 hydroelektrischen<br />
Anlagen<br />
Zur F<strong>ra</strong>ge der Relevanz bringt nun ein im<br />
Journal Nature Geoscience publizierter<br />
Artikel über Untersuchungen zu K<strong>lima</strong>gas-<br />
Emissionen aus Stauseen (vgl. Barros N. et<br />
al. Nature Geosci. 4, 593–596 [2011]) die<br />
notwendigen Einordnungen. Die Analyse<br />
des internationalen Forscherteams stützt<br />
sich auf weltweit verteilte 85 hydroelektrische<br />
Stauanlagen, die insgesamt rund<br />
20% der Gesamtfläche dieser Systeme<br />
ausmachen – zwar ist die Datenlage damit<br />
weiterhin eher knapp, aber es handelt<br />
sich trotzdem um eine der bisher umfa<strong>sse</strong>ndsten<br />
Untersuchungen.<br />
Weniger als 0.5% der globalen anthropogenen<br />
K<strong>lima</strong>gas-Emissionen<br />
Gemäss den neuen Schätzungen bet<strong>ra</strong>gen<br />
die durch organischen Abbau in hydroelektrischen<br />
Stauanlagen verursachten<br />
Emissionen von Kohlendioxid und Methan<br />
weltweit nur ge<strong>ra</strong>de 4% der Emissionen<br />
aus allen Binnengewä<strong>sse</strong>rn der Welt (natürliche<br />
und künstliche Gewä<strong>sse</strong>r). Der<br />
Anteil an den gesamten anthropogenen<br />
Emissionen beträgt sogar weniger als<br />
0.5% und ist damit weltweit von absolut<br />
untergeordneter Bedeutung. Die grössten<br />
globalen Beiträge sind bei den Kohlendioxid-Emissionen:<br />
die Verbrennung fossiler<br />
Energieträger (rund 80%) sowie die<br />
Landwirtscha<strong>ft</strong> und Abholzung (Rest); und<br />
beim k<strong>lima</strong>schädlicheren Methangas: die<br />
Abwä<strong>sse</strong>r, Gülle/Mist und die Landwirtscha<strong>ft</strong><br />
(v.a. Reisanbau).<br />
Vor allem in den Tropen ein Thema<br />
Die Untersuchungen des internationalen<br />
Forscherteams bestätigen zudem, dass<br />
das Thema vor allem in den tropischen<br />
Gebieten relevant ist. Die Emissionen<br />
aus Seen hängen nämlich primär von folgenden<br />
Faktoren ab:<br />
Verfügba<strong>rk</strong>eit von organischem Material<br />
(je weniger desto geringer)<br />
Geog<strong>ra</strong>phische Breite (je weiter weg<br />
vom Äquator, desto geringer)<br />
Alter der Stauanlage (je älter desto geringer,<br />
<strong>ra</strong>scher Abbau in den ersten 15<br />
Jahren seit dem Bau).<br />
und – nicht beschrieben aber aufgrund<br />
der Abhängigkeit von Tempe<strong>ra</strong>tur und<br />
organischem Material klar – Höhenlage<br />
(je höher/kälter, desto geringer).<br />
Die grössten Emissionen sind aufgrund<br />
dieser Zusammenhänge in den Tropen<br />
und vor allem im Amazonasgebiet zu erwarten.<br />
Bei neuen Vorhaben in tropischen<br />
Gebieten sollte bei der Planung und Projektierung<br />
den Emissionen die notwendige<br />
Beachtung geschenkt werden (möglichst<br />
geringer Eint<strong>ra</strong>g organischer Substanz,<br />
Design von Einlauf und Turbinen).<br />
Keine Relevanz für Schweizer Stauanlagen<br />
Für die meist sehr hoch gelegenen hydroelektrischen<br />
Stauanlagen der Schweiz gilt<br />
aufgrund der k<strong>lima</strong>tischen Verhältni<strong>sse</strong><br />
und der Verfügba<strong>rk</strong>eit von organischem<br />
Material: die Emissionen von Treibhausgasen<br />
sind vernachlässigbar. Die Nutzung<br />
der Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong>rä<strong>ft</strong>e weist den geringsten<br />
Ausstoss an Treibhausgasen aller Stromproduktionstechnologien<br />
auf und bleibt<br />
damit die mit Abstand k<strong>lima</strong>schonendste<br />
Energiequelle.<br />
Quelle:<br />
Nathan Barros et al., Carbon emission from<br />
hydroelectric reservoirs linked to reservoir<br />
age and latitude, Nature Geoscience, published<br />
online 31 July 2011.<br />
Rückblick<br />
Ve<strong>ra</strong>nstaltungen<br />
Exkursion ATEA 2011: Besuch der Baustelle<br />
für ein neues Kleinwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong><br />
bei Ossasco im Valle Bedretto<br />
Pfa. Die t<strong>ra</strong>ditionelle Exkursion des Tessiner<br />
Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sverbandes ATEA<br />
führte Ende Oktober 2011 ins Valle Bedretto<br />
zwischen Airolo und Nufenenpass.<br />
Rund 30 interessierte Teilnehmer<br />
besuchten die aktuelle Baustelle für ein<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong> bei Ossasco, das in Zukun<strong>ft</strong><br />
rund 4.7 GWh erneuerbaren Strom<br />
liefern wird.<br />
Die diesjährige Exkursion des Tessiner<br />
Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sverbandes ATEA führte<br />
ins Valle Bedretto, wo zur Zeit am Bach<br />
Cristallina bei Ossasco ein neues Kleinwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong><br />
entsteht. Die rund 30<br />
Teilnehmer wurden im Gemeindehaus von<br />
Villa Bedretto vom Bürgermeister mit einer<br />
launigen Ansp<strong>ra</strong>che über die Rechte am<br />
Wa<strong>sse</strong>r willkommen gehei<strong>sse</strong>n. Anschlie<strong>sse</strong>nd<br />
erläuterten Vertreter der IM Ingenieria<br />
Maggia SA das Projekt, das nach einigen<br />
Anlaufschwierigkeiten nun doch zur Realisierung<br />
gelangt.<br />
Das Projekt sieht die Fassung des Cri-<br />
358 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
stallinabaches auf 1544 m ü.M. und die<br />
anschlie<strong>sse</strong>nde Turbinierung im Dorf Ossasco<br />
auf 1311 m ü.M. vor. Damit wird in<br />
Zukun<strong>ft</strong> das Wa<strong>sse</strong>r aus einem Einzusgebiet<br />
von rund 7 km 2 für die Produktion von<br />
dringend benötigten 4.7 Gigawattstunden<br />
(entsprechend dem Jahresverb<strong>ra</strong>uch<br />
von rund 1000 Haushalten) erneuerbarem<br />
Strom genutzt.<br />
Kennzahlen des Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>es:<br />
Einzugsgebiet: 7 km 2<br />
Ausbauwa<strong>sse</strong>rmenge: 700 l/s<br />
Restwa<strong>sse</strong>rmenge: 116 l/s<br />
Installierte Leistung: 1270 kW<br />
Energieproduktion: 4.7 GWh/Jahr<br />
Die interessierten Teilnehmer konnten<br />
nach der Einführung unter kundiger Führung<br />
der Bauleitung die Bergbaustelle<br />
besichtigen. Die Tour von der bereits im<br />
Rohbau stehenden Wa<strong>sse</strong>rfassung mit<br />
Entsander über die abenteuerliche Verlegung<br />
der Druckleitung bis zum Bau der<br />
Zent<strong>ra</strong>le in Ossasco ermöglichte einen<br />
guten Eindruck der Bauarbeiten in schwierigem<br />
Gelände.<br />
Bild1 . Die interessierten Teilnehmer der<br />
ATEA beim Besuch der Fassung (Fotos:<br />
Pfa).<br />
Bild 2. Rohbau von Fassung und Entsander<br />
mit temporärer Bachumleitung.<br />
Bild 3. Arbeiten zur Befestigung der<br />
Druck leitung in schwierigem Gelände.<br />
Die Exkursion fand ihren angenehmen<br />
Schlusspunkt bei einem Apéro in der<br />
Schaukäserei Caseifico del Gottardo in<br />
Airolo.<br />
Ve<strong>ra</strong>nstaltungen<br />
KOHS-Tagung 2012/Symposium CIPC<br />
2012<br />
Regulierung Gewä<strong>sse</strong>rsysteme – von<br />
der Vorhersage zum Entscheid<br />
Freitag, 20. Januar 2012, Olten<br />
Vendredi, 20 janvier 2012, Olten<br />
Die jährlich von der Kommission Hochwa<strong>sse</strong>rschutz<br />
(KOHS) des <strong>SWV</strong> organisierte<br />
Fachtagung ist diesmal dem Thema<br />
«Regulierung Gewä<strong>sse</strong>rsysteme – von der<br />
Vorhersage zum Entscheid» gewidmet. Vorhersagen<br />
sind eine wichtige Vo<strong>ra</strong>u<strong>sse</strong>tzung,<br />
um frühzeitig auf kritische Hochwa<strong>sse</strong>r- und<br />
auch Niederwa<strong>sse</strong>rsituationen reagieren zu<br />
können. Neben wi<strong>sse</strong>nscha<strong>ft</strong>lichen Grundlagen<br />
interessieren dabei auch die Randbedingungen<br />
aus Sicht der Entscheidungsfindung<br />
und der Politik. Diese Aspekte werden<br />
an der KOHS-Tagung von ausgewiesenen<br />
Fachleuten ausgeleuchtet und diskutiert.<br />
Tagungssp<strong>ra</strong>chen/Langues<br />
Die Vorträge werden in Deutsch oder F<strong>ra</strong>nzösisch<br />
gehalten. Es ist keine Simultanübersetzung<br />
vorgesehen.<br />
Les conférences seront présentées en allemand<br />
ou f<strong>ra</strong>nçais. La t<strong>ra</strong>duction simultanée<br />
n’est pas prévue.<br />
Tagungskosten/F<strong>ra</strong>is<br />
Mitglieder <strong>SWV</strong>/Membres ASAE<br />
CHF 230.–.<br />
Nichtmitglieder <strong>SWV</strong>/Non-membres<br />
CHF 300.–.<br />
Studierende/Etudiants<br />
CHF 115.–.<br />
Inkl. Fachtagung, Mittage<strong>sse</strong>n, Pausenkaffee,<br />
exkl. 8% MWSt./Y inclus inscription au<br />
symposium, repas de midi, café, 8% TVA<br />
exclue.<br />
Prog<strong>ra</strong>mm<br />
Der diesem He<strong>ft</strong> beiliegende Flyer, der auch<br />
als Download auf unserer Webseite www.<br />
swv.ch erhältlich ist, informiert über das detaillierte<br />
Prog<strong>ra</strong>mm.<br />
Anmeldung/Inscription<br />
Anmeldungen sind ab sofort möglich. Bitte<br />
ausschliesslich einfach und bequem über<br />
die Webseite des <strong>SWV</strong>/Inscriptions uniquement<br />
par le site web de l’ASAE s.v.p:<br />
www.swv.ch<br />
Die Anmeldungen werden nach Eingang<br />
berücksichtigt.<br />
Hochwa<strong>sse</strong>rschutz<br />
KOHS-Weiterbildungskurse 3. Serie<br />
Gefahrengrundlagen und Hochwa<strong>sse</strong>rbewältigung<br />
Rapperswil, 26./27. Januar 2012<br />
Die Kommission Hochwa<strong>sse</strong>rschutz<br />
(KOHS) des <strong>SWV</strong> startet zusammen mit<br />
dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) eine<br />
dritte Serie von Weiterbildungskursen.<br />
Thema der Kur<strong>sse</strong>rie ist die Bewältigung<br />
von Hochwa<strong>sse</strong>rereigni<strong>sse</strong>n, beginnend<br />
mit den für die Notfallplanung benötigten<br />
Gefahrengrundlagen über die Schwach-<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 359<br />
Nachrichten
Nachrichten<br />
stellenanalyse bis hin zu Sofortmassnahmen<br />
während und nach einem Ereignis.<br />
Die zent<strong>ra</strong>len Elemente der Hochwa<strong>sse</strong>rbewältigung<br />
werden von ausgewiesenen<br />
Fachleuten präsentiert und in Wo<strong>rk</strong>shops<br />
diskutiert.<br />
Die KOHS und das BAFU leisten mit diesem<br />
Kurs einen weiteren Beit<strong>ra</strong>g für die Qualitätssicherung<br />
im Hochwa<strong>sse</strong>rschutz. Der<br />
Kurs richtet sich an Fachleute von Ingenieur-<br />
und Be<strong>ra</strong>tungsunternehmen sowie<br />
von kantonalen Verwaltungen.<br />
Kurssp<strong>ra</strong>che<br />
Der Kurs in Rapperswil wird in deutscher<br />
Sp<strong>ra</strong>che durchgeführt (Kurse in f<strong>ra</strong>nzösischer<br />
Sp<strong>ra</strong>che werden folgen).<br />
Kurskosten<br />
Mitglieder <strong>SWV</strong>/VIB CHF 650.–.<br />
Nichtmitglieder <strong>SWV</strong>/VIB CHF 750.–.<br />
Inkl. Kursunterlagen, Verpflegung 1. Tag<br />
Mittag und Abend sowie 2. Tag Mittag,<br />
Pausenkaffee, T<strong>ra</strong>nsporte für die Exkursion;<br />
exkl. 8% MWSt. und allfällige Übernachtungskosten.<br />
Prog<strong>ra</strong>mm<br />
Der diesem He<strong>ft</strong> beiliegende Flyer, der<br />
auch als Download auf unserer Webseite<br />
www.swv.ch erhältlich ist, informiert über<br />
das detaillierte Prog<strong>ra</strong>mm.<br />
Anmeldung<br />
Anmeldungen sind ab sofort möglich. Bitte<br />
ausschliesslich einfach und bequem über<br />
die Webseite des <strong>SWV</strong>: www.swv.ch.<br />
Die Teilnehmerzahl ist auf 25 Personen<br />
beschränkt. Die Berücksichtigung erfolgt<br />
entsprechend dem Eingang der Anmeldungen.<br />
T<strong>ra</strong>ining Wo<strong>rk</strong>shop MesoHABSIM: A<br />
Habitat-Model for River Resto<strong>ra</strong>tion<br />
Planning<br />
The Labo<strong>ra</strong>tory of Hyd<strong>ra</strong>ulic Constructions<br />
(LCH-EPFL), in collabo<strong>ra</strong>tion with<br />
the Rushing Rivers Institute, is pleased to<br />
announce an intensive course in the MesoHABSIM<br />
aquatic habitat modeling approach<br />
and its accompanying SimStream<br />
so<strong>ft</strong>ware. This course will feature the MesoHABSIM<br />
technique, a comprehensive<br />
planning tool used for river scale, quantitative<br />
planning and evaluation of river resto<strong>ra</strong>tion<br />
measures. It is a physical habitat simulation<br />
model that describes the instream<br />
habitat conditions for aquatic fauna, used<br />
to simulate changes in habitat quality and<br />
quantity in response to alte<strong>ra</strong>tions of river<br />
morphology or flows. The course will be<br />
valuable for those interested in habitat modeling,<br />
resto<strong>ra</strong>tion planning and looking for<br />
alternative solutions to tough ecological<br />
questions. It will consist of two sections:<br />
two days of theory in classroom and field<br />
followed by two days of p<strong>ra</strong>ctical so<strong>ft</strong>ware<br />
use. The participants can register for each<br />
of the sections or for both. Course cost will<br />
include the so<strong>ft</strong>ware.<br />
The course is scheduled for 24./25. May<br />
(Introduction to MesoHABSIM with field<br />
wo<strong>rk</strong>) and to 29/30 May (P<strong>ra</strong>ctical so<strong>ft</strong>ware<br />
use) 2012. More details on prog<strong>ra</strong>m, cost<br />
and regist<strong>ra</strong>tion can be found at http://lch.<br />
epfl.ch<br />
Information about the MesoHABSIM method<br />
can be found at website: www.Meso-<br />
HABSIM.org.<br />
Agenda<br />
Rapperswil 11.–13.1.2012<br />
Hydro-Weiterbildungskurs: Betriebsführung<br />
und Unterhalt (F)<br />
Fachhoch schulen in Zusammenarbeit<br />
mit dem <strong>SWV</strong>. Informationen und Anmeldung:<br />
Hydro-Weiterbildungskurse<br />
Olten 20.1.2012<br />
KOHS-Tagung Hochwa<strong>sse</strong>rschutz<br />
2012:<br />
Regulierung Gewä<strong>sse</strong>rsysteme – von der<br />
Vorhersage zum Entscheid, Tagung des<br />
<strong>SWV</strong>; Informationen und Anmeldung:<br />
www.swv.ch<br />
Rapperswil 26./27.01.2012<br />
KOHS-Weiterbildungskurs 3. Serie:<br />
Gefahrengrundlagen und Hochwa<strong>sse</strong>rbewältigung<br />
(2. Kurs), BAFU in Zusammenarbeit<br />
mit der Kommission Hochwa<strong>sse</strong>r<br />
(KOHS) des <strong>SWV</strong>. Informationen<br />
und Anmeldung: www.swv.ch<br />
Martigny 15./16.3.2012<br />
KOHS-Weiterbildungskurs 3. Serie:<br />
Gefahrengrundlagen und Hochwa<strong>sse</strong>rbewältigung<br />
(3. Kurs, F<strong>ra</strong>nzösisch), BAFU<br />
in Zusammenarbeit mit der Kommission<br />
Hochwa<strong>sse</strong>r (KOHS) des <strong>SWV</strong>. Informationen<br />
und Anmeldung: www.swv.ch<br />
Aa<strong>ra</strong>u 20./21.3.2012<br />
Aa<strong>ra</strong>u PLANAT-Plattformtagung 2012:<br />
Instrumente für den Umgang mit Naturgefahren,<br />
Nationale Plattform Naturgefahren.<br />
Weitere Informationen und Anmeldung<br />
ab Januar 2012 unter: Webseite<br />
Planat, http://www.planat.ch<br />
Lausanne 24./25. und 29./30. Mai 2012<br />
T<strong>ra</strong>ining Wo<strong>rk</strong>shop MesoHABSIM: A<br />
Habitat Model for River Resto<strong>ra</strong>tion<br />
Planning<br />
Labo<strong>ra</strong>toire de constructions hyd<strong>ra</strong>uliques<br />
LCH-EPFL, Station 18, CH-1015<br />
Lausanne, Informationen unter: http://lch.<br />
epfl.ch<br />
Zürich 14.6.2012<br />
Fachforum <strong>SWV</strong> an Powertagen 2012:<br />
St<strong>ra</strong>tegien und Rahmenbedingungen der<br />
Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>produktion<br />
Powertagen 2012 – dem B<strong>ra</strong>nchentreffpunkt<br />
der Schweizerischen Stromwirtscha<strong>ft</strong>.<br />
Weitere Informationen: http://<br />
www.powertage.ch/<br />
Lite<strong>ra</strong>tur<br />
Neuerscheinung zum Talsperrenbau:<br />
Les bar<strong>ra</strong>ges – du projet à la mise en<br />
service<br />
Auteurs: Anton J. Schleiss, Henri Pougatsch,<br />
ISBN: 978-2-88074-831-9, 2011,<br />
720 pages imprimées en quadri, 19×24 cm,<br />
relié, Prix: 129.50 CHF<br />
Bezug: Pre<strong>sse</strong>s Polytechniques et Universitaires<br />
Romandes (PPUR), www.ppur.<br />
org<br />
Sujet du livre:<br />
Les bar<strong>ra</strong>ges constituent l’une des réalisations<br />
les plus imposantes et les plus<br />
complexes du génie civil, et depuis toujours<br />
un facteur important de développement<br />
et de prospérité économique. Ils ont<br />
pour rôle majeur de stocker les apports<br />
d’eau afin de répondre aux besoins vitaux<br />
et énergétiques des populations, de<br />
protéger celles-ci et les paysages contre<br />
les effets destructeurs de l’eau, enfin de<br />
servir de recours dans le cas de pénurie<br />
d’eau. L’objectif de ce livre, qui s’adre<strong>sse</strong><br />
principalement aux ingénieurs p<strong>ra</strong>ticiens<br />
et aux étudiants de Master, est de présenter<br />
de manière claire les bases de conception<br />
et de dimensionnement qui régi<strong>sse</strong>nt<br />
l’ingénierie des bar<strong>ra</strong>ges. Il expose en dé-<br />
360 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
tail un concept de sécurité basé sur trois<br />
piliers, les différents types de bar<strong>ra</strong>ges<br />
en béton et en remblai, ainsi que leur impact<br />
sur l’environnement, l’étude des fondations<br />
et les modalités de surveillance<br />
et d’entretien. La matière est enrichie de<br />
nombreux exemples qui reflètent la compétence<br />
internationalement reconnue de<br />
l’ingénierie sui<strong>sse</strong> en matière de conception<br />
de bar<strong>ra</strong>ges. (PPUR)<br />
Am Wa<strong>sse</strong>r gebaut – Bäche und Flü<strong>sse</strong><br />
in Siedlungsräumen<br />
He<strong>ra</strong>usgeber: André Seippel, Gianni Pa<strong>ra</strong>vicini,<br />
für den Kanton Luzern, Bau-, Umwelt-<br />
und Wirtscha<strong>ft</strong>sdepartement, Dienststelle<br />
Ve<strong>rk</strong>ehr und Inf<strong>ra</strong>struktur (vif).<br />
1. Auflage September 2011<br />
ISBN 978-3-271-10045-7<br />
Kantonaler Lehrmittelverlag Luzern, Drucksachen-<br />
und Materialzent<strong>ra</strong>le<br />
Bezug: Das Buch kann für 29 F<strong>ra</strong>nken über<br />
den Buchhandel oder bei der Dienststelle<br />
Ve<strong>rk</strong>ehr und Inf<strong>ra</strong>struktur bezogen werden<br />
(Arsenalst<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 43, CH-6010 Kriens, Tel.<br />
041 318 12 12 oder vif@lu.ch).<br />
Wa<strong>sse</strong>rbau im Siedlungsgebiet stellt die<br />
Wa<strong>sse</strong>rbaufachleute vor besondere He<strong>ra</strong>usforderungen.<br />
Die Publikation «Am<br />
Wa<strong>sse</strong>r gebaut. Bäche und Flü<strong>sse</strong> in Siedlungsräumen»,<br />
he<strong>ra</strong>usgegeben von Gianni<br />
Pa<strong>ra</strong>vicini, Projektleiter der Dienststelle<br />
Ve<strong>rk</strong>ehr und Inf<strong>ra</strong>struktur, und André Seippel,<br />
Landscha<strong>ft</strong>sarchitekt, widmet sich<br />
diesem anspruchsvollen Thema und gibt<br />
Denkanstö<strong>sse</strong> für einen phantasievollen<br />
Wa<strong>sse</strong>rbau. Das Buch wurde anlässlich<br />
der eidgenössischen Wa<strong>sse</strong>rbautagung<br />
in Luzern vorgestellt.<br />
Im he<strong>rk</strong>ömmlichen Wa<strong>sse</strong>rbau in Siedlungsgebieten<br />
konzentriert man sich in erster<br />
Linie auf den Hochwa<strong>sse</strong>rschutz und<br />
die Revitalisierung. Ästhetische F<strong>ra</strong>gen<br />
werden häufig vernachlässigt und es liegt<br />
kaum Fachlite<strong>ra</strong>tur zum Thema vor. Das<br />
vorliegende Buch «Am Wa<strong>sse</strong>r gebaut»<br />
geht konsequent einen Schritt weiter und<br />
vereint Artikel von Fachleuten und Ingenieuren<br />
verschiedener Fachgebiete. Die<br />
Texte sollen Intere<strong>sse</strong>nten aus Verwaltung<br />
und Politik, aus den Baub<strong>ra</strong>nchen und den<br />
gestaltenden Berufen zu einer zukün<strong>ft</strong>ig interdisziplinären<br />
Zusammenarbeit animieren.<br />
Dabei wird die Rolle des Wa<strong>sse</strong>rs in<br />
heutigen Lebenszusammenhängen nicht<br />
nur rein technisch, sondern auch emotional<br />
und kulturhistorisch bet<strong>ra</strong>chtet. Erfahrungsberichte<br />
von Planungsproze<strong>sse</strong>n<br />
stehen neben ökologieorientierten Bet<strong>ra</strong>chtungen;<br />
auf einzelne Ingenieursthemen<br />
wie Brückenbau und Mauerngestaltung<br />
wird im Detail eingegangen. Ergänzt<br />
werden die Beiträge durch einen Anhang<br />
mit Fallbeispielen aus den Kantonen Aargau<br />
und Luzern und thematischen Spots<br />
zu technischen und ästhetischen Aspekten.<br />
(vif Luzern)<br />
Rechtliche Ve<strong>ra</strong>nkerung des integ<strong>ra</strong>len<br />
Risikomanagements beim Schutz vor<br />
Naturgefahren – Rechtsgutachten<br />
He<strong>ra</strong>usgeber: Bundesamt für Umwelt<br />
(BAFU), Autor: Erwin Hepperle, ETHZ<br />
Reihe: Umwelt-Wi<strong>sse</strong>n, Nr. UW-1117-D<br />
Bezug: Download www.umwelt-schweiz.<br />
ch/uw-1117-d (keine gedruckte Fassung)<br />
Das vorliegende Rechtsgutachten gibt<br />
in einem ersten Schritt einen Überblick<br />
über die bestehenden Rechtsgrundlagen<br />
betreffend Schutz vor Naturgefahren auf<br />
Bundesstufe. In einem zweiten Schritt wird<br />
die PLANAT-St<strong>ra</strong>tegie des integ<strong>ra</strong>len Risikomanagements<br />
(IRM) aus juristischer<br />
Sicht untersucht, und in einem dritten<br />
Schritt wird die St<strong>ra</strong>tegie des IRM mit den<br />
geltenden Rechtsgrundlagen verglichen.<br />
Schliesslich macht das Gutachten Vorschläge<br />
für die rechtliche Ve<strong>ra</strong>nkerung<br />
der St<strong>ra</strong>tegie und dient in diesem Sinne als<br />
Grundlage für allfällige Anpassungen von<br />
Gesetzen, Verordnungen und Vollzugshilfen.<br />
(BAFU)<br />
Leben mit Naturgefahren – Ziele und<br />
Handlungsschwerpunkte des BAFU im<br />
Umgang mit Naturgefahren<br />
He<strong>ra</strong>usgeber: Bundesamt für Umwelt<br />
(BAFU), Reihe: Umwelt-Diverses, Nr. UD-<br />
1047-D, Bezug: Download www.umweltschweiz.ch/ud-1047-d<br />
(keine gedruckte<br />
Fassung)<br />
Dieses Dokument befasst sich mit dem<br />
Umgang mit Naturgefahren, insbesondere<br />
dem Schutz vor Hochwa<strong>sse</strong>r (Überschwemmungen,<br />
Ufererosionen, Murgängen),<br />
dem Schutz vor Lawinen, dem Schutz<br />
vor Ma<strong>sse</strong>nbewegungen (Sturzproze<strong>sse</strong>,<br />
Rutschproze<strong>sse</strong>, Fliessproze<strong>sse</strong>) sowie<br />
mit Erdbeben<br />
Wa<strong>sse</strong>r – Grundlage des Lebens. Hydrologie<br />
für eine Welt im Wandel<br />
He<strong>ra</strong>usgeber: G. Strigel et al., 1. Auflage<br />
2010, gebunden, 22×28 cm, ISBN 978-3-<br />
510-65266-2, Kosten: 26.80 Euro<br />
Verlag: Schweizerbart, Stuttgart<br />
www.schweizerbart.de<br />
Das reich illustrierte Buch beschreibt die<br />
Rolle der Hydrologie für unsere Zivilisation<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 361<br />
Nachrichten
Nachrichten<br />
und ihre Geschichte. Von der technischen<br />
Entwicklung wesentlicher hydrologischer<br />
Messgeräte über Bewirtscha<strong>ft</strong>ungsbeispiele<br />
bis zu den aktuellen He<strong>ra</strong>usforderungen<br />
des zunehmenden Wa<strong>sse</strong>rbedarfs<br />
werden die Facetten der Hydrologie im<br />
Zeitfenster der letzten 200 Jahre aufgezeigt.<br />
Das Buch fokussiert auf Deutschland<br />
und richtet sich in allgemeinverständlicher<br />
Form an alle Interessierten der Hydrologie.<br />
Textproben können auf der Webseite des<br />
Verlages eingesehen werden.<br />
Die Themen der deutschen «Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>»<br />
11–12011<br />
Das Nei<strong>sse</strong>-Hochwa<strong>sse</strong>r 2010 – Analyse<br />
und Konsequenzen<br />
Uwe Müller, Pet<strong>ra</strong> Walther<br />
Internationales Hochwa<strong>sse</strong>rrisikomanagement<br />
– zwischen Information<br />
und Harmonisierung<br />
Meike Gie<strong>rk</strong>, Peter Heiland, Thomas<br />
St<strong>ra</strong>tenwerth<br />
Internationale Abstimmung beim<br />
Hoch wa<strong>sse</strong>rrisikomanagement am<br />
Beispiel der IKSR und der IKSMS<br />
André Weidenhaupt, Anne Schulte-<br />
Wülwer-Leidig, Daniel Assfeld<br />
Umsetzung der Europäischen Hochwa<strong>sse</strong>rrisikomanagement-Richtlinie<br />
im Flussgebiet Wei<strong>sse</strong> Elster<br />
Jörg Walther, Matthias G<strong>ra</strong>fe, Hans-<br />
Georg Spanknebel<br />
Pilotprojekt Hochwa<strong>sse</strong>rrisikomanagement-Plan<br />
Nahe<br />
Doris Hässler-Kiefhaber, Kurt Knittel<br />
Heinrich Webler<br />
Beteiligungsmanagement in Rheinland-Pfalz<br />
Werner Theis<br />
Vom Hochwa<strong>sse</strong>rschutzkonzept zum<br />
Hochwa<strong>sse</strong>rrisikomanagement<br />
Horst Geiger<br />
Öffentlichkeitsbeteiligung bei den<br />
sächsischen Hochwa<strong>sse</strong>rschutzkonzepten<br />
Stephan Gerber<br />
Zur Ermittlung von Grundwa<strong>sse</strong>rständen<br />
für Karten zur Gefährdung<br />
des Grundwa<strong>sse</strong><strong>ra</strong>nstiegs infolge<br />
eines Hochwa<strong>sse</strong>rs<br />
Bernhard P. J. Becker, Steffi Forberig,<br />
Roger Flögel, Holger Schüttrumpf, Jür -<br />
gen Köngeter<br />
Hyd<strong>ra</strong>ulische Wi<strong>rk</strong>ung der Deichrückverlegung<br />
Lenzen an der Elbe<br />
Matthias Alexy, Pet<strong>ra</strong> Faulhaber<br />
Experimentelle Bestimmung der Rauheit<br />
eines Maisfeldes mit echten Pflan -<br />
zen<br />
Christoph Rapp, Tobias Hafner<br />
Wa<strong>sse</strong>rnutzungsabgaben auf Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong><br />
– rechtliche und ökonomische<br />
Anforderungen<br />
Katharina Kern, Erik Gawel<br />
Pelton-Turbinen – Ein Beit<strong>ra</strong>g zu Gehäuseabströmung<br />
und Lu<strong>ft</strong>eint<strong>ra</strong>g in<br />
das Unterwa<strong>sse</strong>r<br />
Alexander Arch, Dominik Mayr<br />
Ehemalige Schleuse im Berliner<br />
Spreekanal – Geschichtliche Entwicklung,<br />
Ist-Zustand und zukün<strong>ft</strong>ige<br />
Nutzungsmöglichkeit<br />
Ralf Gastmeyer<br />
Die Themen der ÖWAW 9–11/2011<br />
Integ<strong>ra</strong>tives Flussgebietsmanagement:<br />
Abstimmung wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>licher,<br />
gewä<strong>sse</strong>rökologischer<br />
und naturschutzfachlicher Anforde -<br />
rungen auf Basis verschiedener EU-<br />
Richtlinien (Beispiel Steirische Enns)<br />
S. Muhar, G. Pohl, M. Stelzhammer, M.<br />
Jungwirth, R. Hornich, S. Hohensinner<br />
Rekonstruktion historischer Fluss-<br />
landscha<strong>ft</strong>en als Grundlage im Gewä<strong>sse</strong>rmanagement<br />
– Potenzial und<br />
Limits<br />
G. Haidvogl, S. Hohensinner, S. Preis<br />
Einfluss der Hydromorphologie auf<br />
den Nährstoffrückhalt in Weinviertler<br />
Bächen – Schlussfolgerungen für das<br />
Gewä<strong>sse</strong>rmanagement<br />
G. Weigelhofer, J. Fuchsberger, B.<br />
Teufl, N. Keuzinger, S. Muhar, S. Preis,<br />
K. Schilling, T. Hein<br />
Auswi<strong>rk</strong>ungen des Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>ausbaues<br />
auf die Fischfauna der steirischen<br />
Mur<br />
S. Schmutz, C. Wiesner, S. Preis, S.<br />
Muhar, G. Unfer, M. Jungwirth<br />
Schutz und Sicherung ökologisch<br />
sensibler Fliessgewä<strong>sse</strong>rstrecken:<br />
Anforderungen, Kriterien, Implementierungsprozess<br />
S. Muhar, M. Poppe, S. Preis, M. Jungwirth,<br />
S. Schmutz<br />
Sanierungsarbeiten an Laufk<strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>en<br />
Ch. Otter<br />
Bauwe<strong>rk</strong>e in Lebenszyklen denken<br />
– Österreich auf dem Weg zur Ressourceneffizienz<br />
im Bauwesen<br />
H. Daxbeck, H. Buschmann, J. Flath,<br />
R. Lixia<br />
Bewertung unterschiedlicher Szenarien<br />
der Behandlung von Baurestma<strong>sse</strong>n<br />
anhand von Kosten-Wi<strong>rk</strong>samkeits-Analysen<br />
D. Clement, K. Hammer, P. H. Brunner<br />
Baustoffrecycling<br />
A. Müller<br />
Ersatzbrennstoffe aus Baumischabfall<br />
Ch. Ludwig<br />
362 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
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und Fernwi<strong>rk</strong>systeme. Revitalisierungen,<br />
Modernisierungen und<br />
Neuanlagen. Trink-, Oberflächen- und<br />
Abwa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>we<strong>rk</strong>e.<br />
Werner Berchtold<br />
We<strong>rk</strong>st<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 4<br />
9243 Jonswil<br />
T 079 750 12 54<br />
M werner.berchtold@hydro-care.ch<br />
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Instrumentierung<br />
Stump FORATEC AG<br />
Madetswilerst<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 33, CH-8332 Russikon<br />
Tel. +41 (0)43 355 62 62<br />
Fax +41 (0)43 355 62 60<br />
info@stump.ch, www.stump.ch<br />
D<strong>ra</strong>inagesysteme, Wa<strong>sse</strong>rfassungen, Pendel-,<br />
Brunnen-, Sondier- und Tiefbohrungen, Geothermie,<br />
Geophysik und Messtechnik.<br />
Ihr Unternehmen fehlt in<br />
diesem Verzeichnis?<br />
Infos unter: <strong>SWV</strong> Schweizerischer Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sverband<br />
Rütistr. 3a · CH-5401 Baden<br />
Tel. 056 222 50 69 · m.minder@swv.ch<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 363<br />
Nachrichten
Korrosionsschutz<br />
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Stationäre We<strong>rk</strong>sbetriebe:<br />
CH-5312 Döttingen<br />
CH-6010 Kriens<br />
MARTY KORROSIONSSCHUTZ AG<br />
Stampfst<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 73, CH-8645 Jona<br />
Tel. +41 (0)55 225 40 20<br />
Fax +41 (0)55 225 40 21<br />
info@mkag.ch, www.mkag.ch<br />
Korrosionsschutzbeschichtungen auf Beton und<br />
Stahl, Drucklu<strong>ft</strong>st<strong>ra</strong>hlen mit diversen St<strong>ra</strong>hlmitteln,<br />
Betonsanierung, Laminatbeschichtung,<br />
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Tel. +41 (0)41 872 16 91<br />
Fax +41 (0)41 872 16 92<br />
info@gerbas.ch<br />
www.gerbas.ch<br />
Nebenanlagen<br />
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Rohre<br />
APR ALLPIPES ROHRSYSTEME<br />
(SCHWEIZ) AG<br />
Bachmatten 9, CH-4435 Niederdorf<br />
Tel. +41 (0)61 963 00 30<br />
Fax +41 (0)61 963 00 35<br />
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Schweizerische Fachzeitschri<strong>ft</strong> für Wa<strong>sse</strong>rrecht, Wa<strong>sse</strong>rbau, Wa<strong>sse</strong><strong>rk</strong><strong>ra</strong><strong>ft</strong>nutzung,<br />
Ge wäs ser schutz, Wa<strong>sse</strong>rversorgung, Bewä<strong>sse</strong>rung und Entwä<strong>sse</strong>rung,<br />
Seenregulierung, Hochwa<strong>sse</strong>rschutz, Binnenschifffahrt, Energiewirtscha<strong>ft</strong>,<br />
Lu<strong>ft</strong>hygiene.<br />
Revue sui<strong>sse</strong> spécialisée t<strong>ra</strong>itant de la législation sur l’utilisation des eaux, des<br />
constructions hyd<strong>ra</strong>uliques, de la mise en valeur des forces hyd<strong>ra</strong>uliques, de<br />
la protection des eaux, de l’irrigation et du d<strong>ra</strong>inage, de la régularisation de<br />
lacs, des corrections de cours d’eau et des endiguements de torrents, de la<br />
navigation intérieure, de l’économie énergétique et de l’hygiène de l’air.<br />
Gegründet 1908. Vor 1976 «Wa<strong>sse</strong>r- und Energiewirtscha<strong>ft</strong>», avant 1976 «Cours d’eau et énergie»<br />
Redaktion: Roger Pfammatter (Pfa), Direktor des Schweizerischen Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sver bandes<br />
Layout, Redaktions sekretariat und Anzeigenbe<strong>ra</strong>tung: Manuel Minder (mmi)<br />
ISSN 0377-905X<br />
Verlag und Administ<strong>ra</strong>tion: Schweizerischer Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sverband, Rütist<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 3a, CH-5401 Baden, Telefon 056 222 50 69, Telefax 056 221 10 83,<br />
http://www.swv.ch, info@swv.ch, E-Mail: r.pfammatter@swv.ch, m.minder@swv.ch, Postcheckkonto Zürich: 80-32217-0, «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>», Mehrwertsteuer-Nr.:<br />
351 932<br />
Inse<strong>ra</strong>tenverwaltung: Manuel Minder · Schweizerischer Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sverband (<strong>SWV</strong>)<br />
Rütist<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 3a · 5401 Baden · Telefon 056 222 50 69 · Fax 056 221 10 83 · E-mail: m.minder@swv.ch<br />
Druck: buag G<strong>ra</strong>fisches Unternehmen AG, Täfernst<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 14, 5405 Baden-Dättwil, Telefon 056 484 54 54, Fax 056 493 05 28<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» ist offizielles Organ des Schweizerischen Wa<strong>sse</strong>rwirtscha<strong>ft</strong>sverbandes (<strong>SWV</strong>) und seiner Gruppen: Associazione Ticinese di Economia<br />
delle Acque, Verband Aare-Rheinwe<strong>rk</strong>e, Rheinverband und des Schweizerischen Talsperrenkomitees.<br />
Jahresabonnement CHF 120.– (zuzüglich 2,5% MWST), für das Ausland CHF 140.–, Erscheinungsweise 4 × pro Jahr im März, Juni, September und Dezember<br />
Einzelpreis He<strong>ft</strong>, CHF 30.–, zuzüglich Porto und 2,5% MWST<br />
364 «Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden
Seilbahnen<br />
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Brüggmatteweg 12, CH-3714 Frutigen<br />
Tel. +41 (0) 33 671 32 48<br />
Fax +41 (0) 33 671 22 48<br />
info@zingrich-seilbahnen.com<br />
www.zingrich-seilbahnen.com<br />
Montieren und Vermietung von Materialseilbahnen.<br />
Lösen von T<strong>ra</strong>nsportproblemen.<br />
Stahlwa<strong>sse</strong>rbau<br />
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Steiächer, CH-5316 Leuggern<br />
Tel. +41 (0)56 268 00 20, Fax +41 (0)56 268 00 21<br />
erne@h-erne.ch, www.h-erne.ch<br />
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Gleitschützen, Notverschlü<strong>sse</strong>, Schlauchwehre<br />
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Telefon +41 32 392 73 20 · Fax +41 32 392 73 21<br />
info@taf-taucharbeiten.ch<br />
WILLY STÄUBLI INGENIEUR AG<br />
Grubenst<strong>ra</strong><strong>sse</strong> 2, CH-8045 Zürich<br />
Tel. +41 (0)43 960 82 22<br />
Fax +41 (0)43 960 82 23<br />
ingenieur@willystaeubli.ch<br />
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Tauche<strong>ra</strong>rbeiten, Stahlbau, Wa<strong>sse</strong>rbau.<br />
Wa<strong>sse</strong>rbau<br />
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Tel. +41 (0)44 820 40 34/35<br />
Fax +41 (0)44 820 40 36<br />
Niederlassung Tessin<br />
Casella postale 29, CH-6596 Gordola<br />
Tel. +41 (0)91 730 92 30<br />
Fax +41 (0)91 730 92 31<br />
Niederlassung Yverdon<br />
rue Galilée 15, CH-1400 Yverdon-les-Bains<br />
Tel. +41 (0)21 425 77 40/41/42<br />
Fax. +41 (0)21 425 77 43<br />
«Wa<strong>sse</strong>r Energie Lu<strong>ft</strong>» – 103. Jahrgang, 2011, He<strong>ft</strong> 4, CH-5401 Baden 365
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