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Soziale Identität als Stresspuffer in Bewertungssituationen

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Antrag an die Ethik-Kommission<br />

der Stiftung Universität Hildesheim<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Identität</strong> <strong>als</strong> <strong>Stresspuffer</strong> <strong>in</strong> <strong>Bewertungssituationen</strong><br />

Kontaktadresse:<br />

Prof. Dr. Andreas Mojzisch<br />

Institut für Psychologie<br />

Universität Hildesheim<br />

Marienburgerplatz 22<br />

31141 Hildesheim<br />

Antragsteller:<br />

Prof. Dr. Andreas Mojzisch<br />

Dr. Jan Häusser


1. Ausgangspunkt der Studie und Fragestellung<br />

In der beantragten experimentellen Studie soll untersucht werden, ob das „Wir-Gefühl“, das<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sozialen Gruppe entstehen kann, den negativen E<strong>in</strong>fluss belastender Situationen auf<br />

das Individuum „puffern“ kann. Vere<strong>in</strong>facht ausgedrückt: Entwickelt sich e<strong>in</strong> Wir-Gefühl <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Gruppe, dann sollte der negative Effekt stressauslösender Situationen abgeschwächt<br />

werden. Grundlage dieser Annahme ist die Social Identity Theory (Tajfel & Turner, 1979) und<br />

die Self-Categorization Theory (Turner, 1985). Diese Theorien gehen davon aus, dass das<br />

Selbstkonzept von Individuen nicht nur aus e<strong>in</strong>er persönlichen Komponente, der persönlichen<br />

<strong>Identität</strong>, sondern zusätzlich auch aus e<strong>in</strong>er sozialen Komponente, der sozialen <strong>Identität</strong>,<br />

besteht. Die persönliche <strong>Identität</strong> wird durch das Individuum selbst geprägt, während die<br />

soziale <strong>Identität</strong> durch soziale Gruppen, denen das Individuum angehört, bee<strong>in</strong>flusst wird. In<br />

der bisherigen Forschung konnte gezeigt werden, dass es Probanden, deren soziale <strong>Identität</strong><br />

aktiviert war (d.h. dem Bewusstse<strong>in</strong> leichter zugänglich), gelang, e<strong>in</strong>e Situation, die <strong>in</strong>dividuell<br />

<strong>als</strong> Stress auslösend erfahren wurde, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e positive Erfahrung umzuwandeln und <strong>als</strong><br />

e<strong>in</strong>e Herausforderung anzusehen (Haslam & Reicher, 2006).<br />

Das Ziel der beantragten Studie ist es, diesen Effekt erstmalig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kontrollierten Laborexperiment<br />

nachzuweisen. Es wird mit Hilfe e<strong>in</strong>er etablierten stress<strong>in</strong>duzierenden Aufgabe<br />

(dem Trier Social Stress Test) untersucht, ob die experimentelle Manipulation der persönlichen<br />

bzw. sozialen <strong>Identität</strong> die psychologische und hormonelle Stressreaktion bee<strong>in</strong>flusst.<br />

2. Genereller Ablauf des Experiments<br />

Das Experiment wird gemäß der „Declaration of Hels<strong>in</strong>ki - Ethical Pr<strong>in</strong>ciples for Medical Research<br />

Involv<strong>in</strong>g Human Subjects” durchgeführt.<br />

Als Probanden sollen 50 weibliche und 50 männliche Studierende akquiriert werden. Die<br />

Probanden werden <strong>in</strong> gleichgeschlechtlichen 5er Gruppen zufällig den Versuchsbed<strong>in</strong>gungen<br />

zugewiesen. Die Teilnahme an dem Experiment ist für die Probanden zu jedem<br />

Zeitpunkt absolut freiwillig. Es werden ke<strong>in</strong>e personenbezogenen Daten erhoben und die<br />

Datenanalyse erfolgt vollständig anonymisiert (d.h. <strong>in</strong> dem Datensatz f<strong>in</strong>den sich ke<strong>in</strong>e<br />

Namensangaben). Die studentischen Versuchsleiter sowie die Antragsteller s<strong>in</strong>d an ihre<br />

Schweigepflicht gebunden, d.h. Informationen, die sie von den Probanden im Verlauf des<br />

Experiments erfahren, dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden.<br />

Bereits bei der telefonischen Term<strong>in</strong>vere<strong>in</strong>barung werden die Probanden darüber <strong>in</strong>formiert,<br />

dass es möglich ist, dass sie <strong>in</strong> dem Experiment möglicherwesie an e<strong>in</strong>er Assessment<br />

Center ähnlichen Aufgabe teilnehmen werden. Sie werden zudem vorab telefonisch zum<br />

Vorhandense<strong>in</strong> verschiedener Risikofaktoren (psychische, endokr<strong>in</strong>e, kardiovaskuläre oder<br />

andere chronische Erkrankungen) befragt, um sicherzustellen, dass das Experiment ke<strong>in</strong>e<br />

negativen Auswirkungen auf sie hat. Personen, die zu den Risikogruppen gehören oder<br />

schwangere Frauen dürfen nicht an der Studie teilnehmen.<br />

Unmittelbar zu Beg<strong>in</strong>n des Experiments werden die Probanden zur Sicherheit e<strong>in</strong> weiteres<br />

Mal schriftlich nach den oben genannten Ausschlusskriterien befragt. Darüber h<strong>in</strong>aus werden<br />

sie ausführlich über den Ablauf des Experiments <strong>in</strong>formiert und schriftlich wie auch mündlich<br />

darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass sie das Experiment jederzeit folgenlos abbrechen können. Zudem<br />

müssen sie schriftlich versichern, dass sie freiwillig an dem Experiment teilnehmen, und dass<br />

sie damit e<strong>in</strong>verstanden s<strong>in</strong>d, dass die Daten aus dem Experiment anonymisiert für spätere<br />

wissenschaftliche Analysen verwendet werden.<br />

Das Experiment dauert ca. 60 M<strong>in</strong>uten. Nach dem Experiment werden die Probanden, vollständig<br />

über die Ziele des Experimentes aufgeklärt. Den Probanden wird die Teilnahme am<br />

Experiment vergütet (ca. 7€) oder sie erhalten auf Wunsch Credit Po<strong>in</strong>ts, falls sie diese im<br />

Rahmen ihres Studiums benötigen.


3. Stress<strong>in</strong>duktion<br />

Um e<strong>in</strong>e Situation herzustellen, <strong>in</strong> der die soziale <strong>Identität</strong> <strong>als</strong> „Puffer“ wirken kann, wird die<br />

Hälfte der Probanden den „Trier Social Stress Test for Groups“ (TSST-G; von Dawans et al.,<br />

<strong>in</strong> press) durchlaufen. Der TSST-G ist die Gruppenversion des Trier Social Stress Tests<br />

(TSST; Kirschbaum, Pirke, Hellhammer, 1993). Der TSST ist e<strong>in</strong> etablierter, standardisierter<br />

Test, um moderaten Stress im Labor zu erzeugen. Seit der E<strong>in</strong>führung dieses Tests wurden<br />

weltweit mehr <strong>als</strong> 1000 TSST-Experimente durchgeführt Der TSST führt zu e<strong>in</strong>em<br />

kurzfristigen Anstieg der Konzertration des Stresshormons Cortisol, führt aber zu ke<strong>in</strong>en<br />

längerfristigen psychologischen oder physiologischen Bee<strong>in</strong>trächtigung der Probanden.<br />

Unmittelbar vor dem Beg<strong>in</strong>n des TSST werden die Vpn erneut darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass sie<br />

das Experiment jederzeit folgenlos abbrechen können<br />

Der e<strong>in</strong>zige Unterschied zwischen dem TSST und dem TSST-G besteht dar<strong>in</strong>, dass die<br />

Probanden <strong>in</strong> letzterem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe untersucht werden. Der TSST-G besteht wie der<br />

TSST aus drei Phasen: In der ersten Phase, der Antizipationsphase, bereiten die Probanden<br />

e<strong>in</strong>e kurze Rede vor (10 M<strong>in</strong>uten). In der zweiten Phase treten die Probanden geme<strong>in</strong>sam<br />

vor e<strong>in</strong> zweiköpfiges Komitee und halten nache<strong>in</strong>ander e<strong>in</strong>en zweim<strong>in</strong>ütigen freien Vortrag<br />

(ca. 10 m<strong>in</strong>) und <strong>in</strong> der dritten Phase werden die Probanden aufgefordert, für je 80 Sekunden<br />

Kopfrechenaufgaben zu lösen (ca. 6 m<strong>in</strong>). Den Probanden wird suggeriert, dass sie während<br />

des Vortrags und der Rechenaufgaben per Video gefilmt werden. Tatsächlich werden aber<br />

ke<strong>in</strong>e Filmaufnahmen gemacht und das Verhalten der Probanden wird nicht evaluiert.<br />

Diese Täuschung ist erforderlich, um sozio-evaluativen Stress zu <strong>in</strong>duzieren. Am Ende des<br />

Experiments werden die Probanden vollständig über die Täuschung aufgeklärt. Dabei wird<br />

ihnen nicht nur mitgeteilt, dass sie getäuscht wurden, sondern es wird auch ausführlich<br />

erläutert, warum die Täuschung notwendig war. Zudem werden die Probanden darauf<br />

h<strong>in</strong>gewiesen, dass sie sich bei weiteren Nachfragen an die Antragsteller der Studie wenden<br />

können, um von diesen weitere Informationen zu erhalten (z.B. zu den Ergebnissen).<br />

Studentische Hilfskräfte werden vor der Durchführung des Experimentes von den Antragstellern<br />

tra<strong>in</strong>iert, um die Rolle der Kommiteemitglieder zu übernehmen.<br />

4. Physiologische Messungen des Stress-Levels<br />

Als Stress<strong>in</strong>dikatoren werden zu fünf Messzeitpunkten während des Experiments Cortisol<br />

(e<strong>in</strong> Stresshormon, dessen Aktivität über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenr<strong>in</strong>den-Achse<br />

reguliert wird) und Alpha-Amylase (e<strong>in</strong> Speichelenzym, dessen Konzentration mit<br />

der Aktivität des noradrenergen Systems korreliert) über den Speichel entnommen. Die<br />

Speichelproben werden mittels Salivetten® erhoben. Die Speichelsammlung mit der Salivette®<br />

erfolgt durch Kauen auf e<strong>in</strong>er Watterolle. Die vollgesaugte Watterolle wird <strong>in</strong> das Salivetten-E<strong>in</strong>hängegefäß<br />

gesteckt. Dabei handelt es sich um e<strong>in</strong> Standardverfahren <strong>in</strong> der<br />

Hormonforschung, das für die Probanden ke<strong>in</strong>erlei Schmerzen mit sich br<strong>in</strong>gt (bspw. im Vergleich<br />

zu e<strong>in</strong>er Hormonmessung über das Blut). Zudem wird e<strong>in</strong>e saubere und hygienische<br />

Probengew<strong>in</strong>nung gewährleistet. Auf der Salivette® wird der anonymisierte Probanden-Code<br />

e<strong>in</strong>getragen, nicht aber der Probanden-Name. Ferner wird versichert, dass die Speichelproben<br />

nur für die Messung von Cortisol und Alpha-Amylase verwendet werden, nicht aber zur<br />

Messung anderer Hormone oder Neurotransmitter.


5. Literatur<br />

Haslam, S., & Reicher, S. (2006). Stress<strong>in</strong>g the group: Social identity and the unfold<strong>in</strong>g dynamics<br />

of responses to stress. Journal of Applied Psychology, 91(5), 1037-1052<br />

Kirschbaum, C., Pirke, K., & Hellhammer, D. H. (1993). The 'Trier Social Stress Test': A tool<br />

for <strong>in</strong>vestigat<strong>in</strong>g psychobiological stress responses <strong>in</strong> a laboratory sett<strong>in</strong>g.<br />

Neuropsychobiology, 28(1-2), 76-81.<br />

Tajfel, H., & Turner, J. C. (1979). An <strong>in</strong>tegrative theory of <strong>in</strong>tergroup behavior. In W. G.<br />

Aust<strong>in</strong> & S. Worchel (Eds.), The Social Psychology of <strong>in</strong>tergroup relations (pp. 33-47).<br />

Monterey, CA: Brooks/Cole.<br />

Turner, J. C. (1985). Social categorization and the self-concept: A social cognitive theory of<br />

group behaviour. In E. J. Lawler (Ed.), Advances <strong>in</strong> group processes (vol. 2, pp. 77-122)<br />

Greenwich, CT: JAI Press.<br />

von Dawans, B., et al., The Trier Social Stress Test for Groups (TSST-G): A new research<br />

tool for controlled simultaneous social stress exposure <strong>in</strong> a group format.<br />

Psychoneuroendocr<strong>in</strong>ology (2010), doi:10.1016/j.psyneuen.2010.08.004

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