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<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
Teamplayer<br />
Andrea Dissauer<br />
Das <strong>Zinshaus</strong><br />
ist alternativlos<br />
Michael Schmidt<br />
Wir leben Immobilien.<br />
Vermittlung | Verwaltung | Bewertung | Baumanagement<br />
ehl.at
CARE Österreich<br />
CO2-neutral<br />
Worte füllen ke<br />
Ihre
ine Hilfspakete.<br />
Spende schon.<br />
paket.care.at
22<br />
ESG in der<br />
<strong>Zinshaus</strong>bewertung<br />
Coverinterview<br />
06<br />
Michael Schmidt<br />
ZINSHAUS<br />
SPECIAL<br />
12<br />
Umfrage zu<br />
Bestandgebäuden<br />
05 EDITORIAL<br />
06 DAS ZINSHAUS IST ALTERNATIVLOS<br />
Coverinterview mit Michael Schmidt<br />
12 BRENNENDE FRAGEN ZUM ZINSHAUS<br />
Die große Umfrage<br />
18 ZINSHÄUSER BENÖTIGEN BESSERE<br />
RAMENBEDINGUNGEN<br />
Kommentar von Martin Prunbauer<br />
20 CSR, ESG, EU-TAXONOMIE UND DAS ZINSHAUS<br />
Kommentar von Anna-Vera Deinhammer<br />
21 DAS NACHHALTIGE GRÜNDERZEITHAUS<br />
Kommentar von Margot Grim-Schlink<br />
22 ESG IN DER ZINSHAUSBEWERTUNG<br />
Interview mit Astrid Grantner-Fuchs<br />
26 ZINSHAUS UND ESG?<br />
Kommentar von Wolfgang M. Fessl<br />
27 IMMOBILIENINVESTMENT ZINSHAUS<br />
Kommentar von Herweg Peham<br />
28 MIETZINSBILDUNG IM ALTBAU<br />
Kommentar von Christoph Kothbauer<br />
30 RAUS AUS GAS<br />
Kommentar von Peter Wirth<br />
32 ENERGIEAUTARKES ZINSHAUS<br />
34 IMPRESSUM<br />
Fotos: Adobe Stock, Rustler<br />
04 <strong>ImmoFokus</strong>
Auf das <strong>Zinshaus</strong><br />
kommt einiges zu<br />
„Best-Practice-Beispiele<br />
zeigen, dass es<br />
möglich ist, Zinshäuser<br />
CO2-neutral zu machen.“<br />
I<br />
mmer öfter prasseln die Begriffe Green<br />
Deal, EU-Taxonomie und ESG nun auch<br />
auf das <strong>Zinshaus</strong> ein. Doch was bedeutet<br />
das? Wie kommt Nachhaltigkeit in<br />
ein <strong>Zinshaus</strong>? Und vor allem: Wer finanziert das?<br />
Das Mietrechtsgesetz (MRG) ist eisern festgeschrieben<br />
und die dürftigen Mieteinnahmen<br />
lassen den Vermietern kaum die Möglichkeit,<br />
eine Sanierung, Dämmung beziehungsweise<br />
neue Heizungsanlagen zu finanzieren. Dennoch<br />
fordern Green Deal und EU-Taxonomie die CO2-<br />
Neutralität von Gebäuden. Was fehlt sind effiziente<br />
Systeme, mit denen Gebäude umgestellt<br />
werden können. Die derzeitigen Möglichkeiten<br />
zur Umstellung sind rar, die Kosten hoch, und<br />
dann müssen auch noch alle Mieter einverstanden<br />
sein. Kein leichtes Unterfangen also.<br />
Aber…<br />
Die ersten <strong>Zinshaus</strong>besitzer nehmen Geld in<br />
die Hand, um ihre Immobilien fit zu machen.<br />
Ein Anreiz von Seiten der Politik in Form von<br />
Förderungen wird für die Massen an Umstellungen<br />
von Nöten sein. Interessant könnte<br />
auch ein Anreiz in Form einer Reform des<br />
MRG sein, wenn der Vermieter nach dem<br />
Einsatz erheblicher Eigenmittel einen angemessenen<br />
Mietzins verlangen kann. Ein ewiger<br />
Wunschtraum vermutlich. Verschließen<br />
kann sich das <strong>Zinshaus</strong> den ESG-Kriterien auf<br />
Dauer nicht. Die Banken werden den Druck<br />
über die Finanzierungsseite erhöhen und<br />
eventuell in einigen Jahren nicht taxonomiekonforme<br />
Zinshäuser nicht mehr finanzieren.<br />
Auch Mieter und Käufer von Altbauwohnungen<br />
werden langfristig Druck ausüben, wenn<br />
sowohl die Betriebs- als auch die Heizkosten<br />
immer mehr in die Höhe schnellen.<br />
Dennoch…<br />
Der Immobilienbranche ist durchaus bewusst,<br />
dass eine Umstellung auf eine CO2-<br />
Neutralität unumgänglich ist. Ein Anschluss<br />
an die Fernwärme ist wohl der einfachste<br />
Weg, diese zu erreichen. Auch wenn die<br />
Fernwärme mit 60 Prozent Gas befeuert<br />
wird, wird auch diese CO2-neutral werden<br />
müssen. Tiefbohrungen, Wärmepumpen,<br />
Gemeinschaftsheizanlagen, Wärmetauscher<br />
und Photovoltaikanlagen sind – so lieferbar<br />
– derzeit verfügbar. Viele warten auf innovative<br />
Lösungen. Fakt ist, die Häuser müssen<br />
gesamt umgestellt werden. Da braucht es<br />
auch die Unterstützung der Politik, damit<br />
sich nicht einzelne Mieter aus dem System<br />
ausnehmen können. Druck kann da derzeit<br />
nur über die Kosten ausgeübt werden. Dass<br />
das funktioniert, sehen wir an der Auswirkung<br />
der EU-Taxonomie auf die Finanzierungen.<br />
Bis dahin schaut man andächtig auf<br />
Best-Practice-Beispiele wie den Smart-Block<br />
Geblergasse im 17. Bezirk in Wien, bei dem<br />
im Zuge einer Sockelsanierung erstmals<br />
in Österreich im historischen Bestandsbau<br />
Geothermie zum Einsatz kommt. Die<br />
Erdwärme-Anlage lässt jederzeit einen Ausbau<br />
zu, sodass das technische Versorgungskonzept<br />
in Zukunft zu einem Anergienetz<br />
für den gesamten Straßenblock ausgebaut<br />
werden kann. Weitere Projekte folgen, wie<br />
das energieautarke <strong>Zinshaus</strong> in der Linzer<br />
Straße im 14. Bezirk von Pentas Investments.<br />
Diese Entwicklung zeigt, dass es möglich ist,<br />
Zinshäuser CO2-neutral zu machen. Ein Hoffnungsschimmer,<br />
passend zu Weihnachten.<br />
Lisa Grüner<br />
Chefredakteurin<br />
Foto: Adobe Stock<br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
05
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
Das <strong>Zinshaus</strong><br />
ist alternativlos<br />
Detailverliebt. Michael Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter der 3SI Immogroup,<br />
spricht im Interview über Zinshäuser als Liebhaberobjekt und Investmentmöglichkeit.<br />
Darüber, wie sich der Markt verändert und warum eine nachhaltige Sanierung unumgänglich ist.<br />
Das Gespräch führte: Lisa Grüner<br />
Sie glauben an das <strong>Zinshaus</strong>. Warum?<br />
Michael Schmidt: Das <strong>Zinshaus</strong> ist für mich<br />
Liebhaberobjekt und Investmentmöglichkeit<br />
zugleich. In keiner weiteren Asset-Klasse lässt<br />
sich Erspartes so nachhaltig, krisensicher<br />
und sinnvoll investieren, wie in Zinshäuser,<br />
die auch noch enormes Potenzial bieten. Die<br />
geflügelte Begrifflichkeit des Betongolds<br />
kommt nicht von ungefähr. Gute Gründe, um<br />
weiterhin an das <strong>Zinshaus</strong> zu glauben.<br />
Die Renditen sind geschmolzen,<br />
dennoch werden Zinshäuser gekauft.<br />
Warum ist das so?<br />
Auch wenn sich Renditen verringern, bleibt<br />
das <strong>Zinshaus</strong> eine sichere Anlageform. Darüber<br />
hinaus ist eine Immobilie mehr als die<br />
reine Rendite, die ihr beim Ankauf bescheinigt<br />
wird. Ein <strong>Zinshaus</strong> entwickelt sich über die<br />
Jahre und birgt, langfristig betrachtet, durch-<br />
aus viel Potenzial, etwa durch den Ausbau des<br />
Dachgeschosses.<br />
Ist die Nachfrage nach Zinshäusern<br />
gestiegen?<br />
Die Nachfrage nach Zinshäusern ist nach wie<br />
vor gut, wobei natürlich auch diese Asset-<br />
Klasse von der aktuellen Weltwirtschaftslage<br />
betroffen ist.<br />
Beim Thema <strong>Zinshaus</strong> blickt man in erster<br />
Linie nach Wien. Wie aber sieht es mit den<br />
<strong>Zinshaus</strong>-Märkten in den Landeshauptstädten<br />
Linz/Salzburg/Graz aus?<br />
Auch die <strong>Zinshaus</strong>märkte in den Landeshauptstädten<br />
entwickelten sich in den letzten<br />
Jahren sehr gut, teilweise im Verhältnis sogar<br />
noch besser als der Wiener Markt. Da die<br />
Rendite dort doch noch höher ist als in Wien,<br />
wichen in den letzten Jahren viele Anleger auf<br />
diese Märkte aus. Insbesondere Graz, Linz und<br />
Salzburg profitierten davon.<br />
Wie steht es um das Angebot?<br />
Die aktuelle Weltwirtschaftslage hat das<br />
Angebot an am Markt verfügbaren Immobilien<br />
merkbar verändert. Nun werden wieder<br />
schönere Zinshäuser angeboten, die man vor<br />
Jahren hätte suchen müssen, sofern sie denn<br />
überhaupt in den Verkauf gelangt wären. Das<br />
freut uns natürlich, dass wir so das eine oder<br />
andere Schmuckstück erwerben konnten.<br />
Gibt es Alternativen zum <strong>Zinshaus</strong>?<br />
Meiner Meinung nach nicht – und wenn man<br />
genügend Kapital hat, sollte sich zumindest<br />
ein <strong>Zinshaus</strong> im Portfolio befinden. Wiewohl<br />
es natürlich davon abhängt, von welcher<br />
Warte aus man es betrachtet. Als Person, die<br />
investieren möchte: Ja, auch Eigentumswoh-<br />
06 <strong>ImmoFokus</strong>
nungen sind natürlich eine hervorragende<br />
Anlageform. Ein ganzes <strong>Zinshaus</strong> sein<br />
Eigen zu nennen, ist aber trotzdem etwas<br />
Unvergleichliches. Zumal man mit dessen<br />
Instandhaltung auch Wohnraum schaffen, das<br />
Stadtbild prägen und positiv verändern kann.<br />
Ihre Liebe gilt dem Altbau, warum?<br />
Das liegt vermutlich schon in meiner Kindheit<br />
begründet. Mein Vater hat mich bereits als<br />
Bub zu <strong>Zinshaus</strong>begehungen mitgenommen,<br />
mit mir darüber gesprochen, wie man das<br />
Haus sanieren und entwickeln könnte. Dass<br />
ich bereits in jungen Jahren so stark in die<br />
Materie <strong>Zinshaus</strong> eintauchen konnte, hat<br />
sicherlich maßgeblich zu meiner Liebe zu<br />
Altbauten beigetragen.<br />
Das Problem bei Altbauten ist oft der<br />
Grundriss…<br />
Wir stecken bei den Altbauten, die wir<br />
entwickeln, sehr viel Liebe ins Detail. Dabei<br />
sind die Grundrisse ein ganz wichtiger Faktor.<br />
Ich bekomme die Grundrisse jeder einzelnen<br />
Wohnung auf meinen Tisch und gebe sie<br />
frei, wenn das Maximum herausgeholt ist.<br />
Ich bringe mich auch bei der Auswahl des<br />
Parkettbodens, der Fliesen, der Duschkabinen<br />
et cetera ein. Wir wollen kein standardisiertes<br />
Massenprodukt verkaufen. Und der Markt<br />
gibt uns Recht, wir haben gute Verkaufszahlen<br />
und einen exzellenten Ruf, was die Qualität<br />
unserer Immobilien anbelangt.<br />
Sie interessieren sich ja auch für die<br />
eingesetzten Materialien…<br />
Ich habe einen großen Hang zur Optik. Es geht<br />
mir es in erster Linie um die Schönheit und<br />
Hochwertigkeit. Das ist ja bei den Käufern und<br />
Mietern gleich, denen geht es ebenso hauptsächlich<br />
um die Optik und darum, dass sie für<br />
ihr Geld eine entsprechende Qualität erhalten.<br />
Fassade, Stiegenhaus, Eingangsbereich,<br />
Badezimmer müssen gefallen.<br />
Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit aus?<br />
Nachhaltigkeit ist ein Thema, sowohl für uns<br />
als auch unsere Kunden. Ich persönlich finde<br />
es mehr als begrüßenswert, dass sich in den<br />
letzten Jahren ein starkes Interesse seitens<br />
der Käufer entwickelt hat, was eine ressourcenschonende<br />
Bauweise und Nutzung einer<br />
Immobilie anbelangt. Wir versuchen bei unseren<br />
Immobilien Fernwärme wo auch immer<br />
möglich zu implementieren beziehungsweise<br />
Luftwärmepumpen oder Photovoltaikanlagen<br />
einzubauen. Im <strong>Zinshaus</strong>bereich hoffe ich,<br />
dass die Forschung hier schnell Lösungen<br />
finden kann, um nachhaltige Heizmöglichkeiten<br />
anzubieten. Die entsprechende<br />
Außendämmung, Fenster- und Türentausch,<br />
Smart-Home-Systeme zur Optimierung des<br />
Energiebedarfs – das ist bei uns seit Langem<br />
bereits Standard. In gewisser Weise ist man<br />
aber durch die bestehende Substanz natürlich<br />
auch beschränkt. Ein kompletter Heizungswechsel<br />
ist in einem bewohnten <strong>Zinshaus</strong><br />
beispielsweise nur unter einem ziemlichen<br />
Planungsaufwand realisierbar.<br />
Nachhaltigkeit bietet auch einen<br />
Mehrwert…<br />
Natürlich, es geht ja nicht ausschließlich nur<br />
um Nachhaltigkeit, sondern auch darum,<br />
wie wir Wärme und Strom günstig erzeugen<br />
können. Das Ziel ist, langfristig Häuser autark<br />
zu machen. Daran arbeiten wir.<br />
Ist bei Altbauhäusern ESG beziehungsweise<br />
die EU-Taxonomie Thema?<br />
Ja, ganz klar. Wir wollen jedes Haus, das wir<br />
im Altbau bauen, zertifizieren lassen. Man<br />
muss sich vor Augen halten, wie nachhaltig<br />
Altbauten, also Bestand ist. Viele der Immobilien<br />
existieren schon über 100 Jahre. Bei<br />
jedem Objekt, das wir nicht abreißen und<br />
neu bauen müssen, sparen wir viel CO2. Ein<br />
Neubau braucht Jahrzehnte, um das aufzuholen.<br />
Im Neubau ist es leichter, verschiedene<br />
Nachhaltigkeitskriterien einzuhalten. Gibt es<br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
07
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
rundherum mehr Fläche, sind auch Tiefbohrungen<br />
möglich.<br />
Nachverdichtung finde ich viel ökologischer<br />
als neue Bodenversiegelungen. Mit unseren<br />
Dachbodenausbauten schaffen wir neuen<br />
Wohnraum - und das im städtischen, bereits<br />
stark verbauten Gebiet, in dem Wohnraum<br />
nicht nur notwendig ist, sondern auch stark<br />
nachgefragt wird. Aber natürlich kann man<br />
den Neubau nicht wegdiskutieren, weil<br />
auch eine bestimmte Menge an Wohnungen<br />
gebraucht wird.<br />
<strong>Zinshaus</strong>revitalisierung ist somit ein Paradebeispiel<br />
für die immer öfter geforderte<br />
Dekarbonisierung im Immobilienbereich.<br />
Dämmung wird immer wichtiger. Man<br />
sagt, als erstes müssen die Fenster erneuert<br />
werden. Wie sehen Sie das?<br />
Dämmung ist natürlich wichtig, das betrifft<br />
sowohl die Fassade als auch die Fenster. Beim<br />
Altbau kann man naturgemäß leichter die<br />
Fenster tauschen als die gegliederte Fassade zu<br />
dämmen. Hier setzen wir natürlich an, wobei<br />
wir allerdings auch auf Kasten- und Holzfenster<br />
setzen, da man auch im Altbau immer auf<br />
die Optik achten muss.<br />
Wie stehen Sie zur Dämmung von<br />
Fassaden?<br />
Prinzipiell absolut positiv. Fassadendämmung<br />
ist eine zentrale Maßnahme, um nicht notwendigen<br />
Energieverbrauch durch Abwärme<br />
zu reduzieren. Bei stark gegliederten Fassaden<br />
steht das Bauunternehmen durchwegs vor<br />
Herausforderungen, in der Praxis muss der<br />
Stuck entfernt, die Fassade gedämmt und<br />
der alte oder neu angefertigte Stuck wieder<br />
angebracht werden. Auf schmucklosen Hofseiten<br />
oder Fassaden sind Dämmmaßnahmen<br />
wesentlich einfacher auszuführen, dies setzen<br />
wir auch laufend auf unseren Baustellen um.<br />
Worauf müssen Besitzer von denkmalgeschützten<br />
Zinshäusern achten?<br />
In diesem Fall ist mit dem Denkmalamt alles<br />
abzuklären, was Denkmalgeschütztes betrifft.<br />
Hier geht es um Materialien, räumliche Veränderungen<br />
oder auch um die Farbwahl. Kurz<br />
gesagt: Im denkmalgeschützten Bereich darf<br />
nichts ohne Abstimmung gemacht werden.<br />
Sie haben ja Spaß an der Immobilienentwicklung.<br />
Werden Sie auch in der derzeitigen<br />
Situation weiter kaufen, entwickeln<br />
und verkaufen?<br />
Ja, denn das Schlimmste für mich ist der<br />
Stillstand. Wir entwickeln uns in der Firma,<br />
mit unseren Projekten, immer weiter,<br />
versuchen Neues, Besseres, Qualitatives in<br />
unsere Wohnungen hineinzubringen und uns<br />
vom Markt abzuheben. 0815 ist mir zu wenig,<br />
wir wollen besser sein als die anderen. Auch<br />
ich versuche, mich immer neu zu erfinden.<br />
Gerade das Thema der Nachhaltigkeit und<br />
Ressourcenschonung gibt uns als Bauträgern<br />
die Möglichkeit, innovativ zu sein und Neues<br />
auszuprobieren.<br />
Wirklich? Die meistern jammern über die<br />
hohen Grundstückspreise…<br />
Wir kaufen dennoch weiter ein. Jede Krise<br />
bringt auch eine Chance mit sich, wir haben<br />
in der letzten Zeit wieder ein bisschen besser<br />
eingekauft, weil viele Teilnehmer am Markt<br />
zuwarten beziehungsweise nicht kaufen<br />
können oder zu teuer gekauft haben. Einige<br />
wunderschöne Zinshäuser sind so in den<br />
vergangenen Monaten in unseren Besitz<br />
gekommen. Viele Marktteilnehmer sind davon<br />
ausgegangen, dass die Preise weiter steigen<br />
und sie das Grundstück schnell wieder drehen,<br />
also für sie gewinnbringend weiterverkaufen<br />
können. Dieses Konzept geht gerade jetzt nicht<br />
mehr auf. Wir haben wiederum kein Interesse<br />
daran, erworbene Immobilien umgehend<br />
wieder weiterzuverkaufen, wir wollen uns als<br />
Bauträger etablieren und den schwierigeren<br />
Weg gehen, viele Objekte selbst zu bauen. Das<br />
ist uns in den letzten Jahren sehr gut gelungen,<br />
deswegen sind wir jetzt nicht so stark vom<br />
<strong>Zinshaus</strong>- beziehungsweise Grundstücksmarkt<br />
abhängig. Wir fahren in diesem Bereich einen<br />
anderen Kurs als viele Marktteilnehmer.<br />
Geht sich das mit Rendite aus?<br />
Das kommt immer auf die Kaufpreise an.<br />
Auch bei den Baupreisen habe ich das Jammern<br />
nie ganz verstanden. Natürlich, wenn<br />
ich am obersten Peak kaufe und dann die<br />
Baupreise und die Zinsen steigen, dann geht<br />
08 <strong>ImmoFokus</strong>
ist jedoch immer die Lage, der Zustand des<br />
Hauses und ein entsprechend guter Ausblick<br />
entscheidend, selbstverständlich muss auch<br />
die Ausführung top sein.<br />
Kaufen Sie auch rund um Wien?<br />
Wir haben unseren Ankaufsfokus primär<br />
auf Liegenschaften in urbanen Gebieten<br />
wie Wien, Graz, Linz und Salzburg gelegt.<br />
Grünland mit Umwidmungsoptionen reizt<br />
mich weniger.<br />
„Die Preise werden sich weiter nach<br />
oben entwickeln und die Renditen<br />
durch die Indexanpassungen zirka<br />
dasselbe Niveau halten.“<br />
es sich von der Rendite nicht mehr aus. Wir<br />
haben immer etwas konservativer gerechnet,<br />
alle unsere Projekte sind in trockenen<br />
Tüchern, auch wenn sich die Zinsen auf vier<br />
Prozent raufbewegen. Aber freuen würden<br />
wir uns darüber natürlich nicht. Und ich<br />
muss dazusagen: Man darf nicht immer das<br />
Schlechte sehen. Es sind die Verkaufspreise<br />
von Wohnungen parallel gestiegen, damit<br />
relativiert sich vieles wieder.<br />
Wie werden sich die Renditen bei Zinshäusern<br />
in den kommenden fünf Jahren<br />
entwickeln?<br />
Ich denke, dass sich die Preise weiter nach<br />
oben entwickeln und die Renditen durch die<br />
Michael Schmidt,<br />
3SI Immogroup<br />
Indexanpassungen zirka dasselbe Niveau<br />
halten werden. Das heißt, dass sie weiterhin<br />
niedrig bleiben. Aber ein <strong>Zinshaus</strong> lebt ja nicht<br />
nur von der Ankaufsrendite, sondern hat<br />
ganzheitlich viel Potenzial, das man über die<br />
Jahre erwirtschaftet.<br />
Angesichts der hohen Baupreise/Zinsen –<br />
können sich Dachboden-Ausbauten noch<br />
rechnen?<br />
Ja natürlich! Mit der Vermietung nach<br />
einem Ausbau ist es natürlich schwer, dass<br />
sich diese in Anbetracht der entstandenen<br />
Baukosten überhaupt rechnet. Im Eigentum<br />
sind Käufer durchwegs bereit, Spitzenpreise<br />
für Dachgeschosswohnungen zu zahlen. Hier<br />
Sinken die Preise oder steigen sie?<br />
Im gehobenen Wohnungssegment muss jede<br />
Wohnung einzigartig sein, mit hoher Qualität<br />
begeistern. Diese Objekte sind sehr gefragt,<br />
deswegen haben wir im Sommer gut verkauft.<br />
Bei den Zinshäusern spürt man ein Abwarten.<br />
Wir sehen eine Marktberuhigung, eine<br />
Verlangsamung. Das betrifft nicht nur den<br />
Immobilienmarkt, sondern die ganze Welt.<br />
Man weiß nicht, wie sich der Krieg weiterentwickelt,<br />
aber ich glaube an die Immobilie<br />
und ans <strong>Zinshaus</strong>. Mit gewissen preislichen<br />
Schwankungen ist dahingehend die nächsten<br />
Monate wohl noch zu rechnen.<br />
Ihr Unternehmen hat eben erst ein<br />
Leibrentenmodell gelauncht. Wie kamen<br />
Sie dazu?<br />
Ich bin sehr oft in den USA gewesen und<br />
habe mir dort angesehen, wie diese Modelle<br />
funktionieren. In anderen Staaten in Europa<br />
ist das Leibrentenmodell ebenfalls gang und<br />
gäbe. Nur in Österreich hat sich das Leibrentenmodell<br />
noch nicht wirklich etabliert.<br />
Das wollten wir ändern. Nach fünf Jahren<br />
Arbeit haben wir das Produkt mit der Wiener<br />
Leibrentenpension auf den Markt gebracht.<br />
Es schafft eine Win-Win-Situation für Käufer<br />
und Verkäufer. Der Verkäufer, der bereits in<br />
seinem letzten Lebensdrittel ist, bekommt<br />
keinen Kredit mehr, um sich etwa ein Auto<br />
oder dem Enkerl eine Wohnung zu kaufen,<br />
eine Weltreise zu leisten, oder auch seine<br />
Wohnung generalzusanieren. Zeitgleich will<br />
er aber auch sein Haus nicht verkaufen und<br />
seine Wohnung aufgeben, nur um sich solche<br />
Dinge leisten zu können. Das Modell der Leib-<br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
09
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
Michael Schmidt<br />
Michael Schmidt, geboren 1980 in Wien, gründete nach der Matura in der HTL Mödling 2001<br />
mit seinem Vater Harald und seinem Bruder Claus das Familienunternehmen 3SI Immogroup.<br />
Der inhabergeführte Immobilienentwickler hat sich neben dem Ankauf und der umfassenden<br />
Revitalisierung von Zinshäusern in den letzten Jahren auch auf die Errichtung von modernen,<br />
nachhaltig errichteten Neubauobjekten spezialisiert. Das Familienunternehmen ist in Wien,<br />
Graz, Salzburg und weiteren urbanen Gebieten Österreichs aktiv.<br />
rente passt perfekt in diese Lebensphase. Der<br />
Verkäufer erhält eine monatliche Pension und<br />
ein Wohnrecht aufs Haus beziehungsweise<br />
auf seine Wohnung. Für den Käufer ist es eine<br />
weitere Alternative, anzukaufen, auch wenn<br />
es eigenmittelintensiv ist.<br />
Wie ist die bisherige Resonanz auf Ihr<br />
Leibrenten-Angebot?<br />
Wir haben viele Anfragen und führen<br />
laufend Gespräche mit potenziellen Verkäufern.<br />
Dadurch, dass das Leibrentenmodell<br />
eben noch nicht so auf dem heimischen<br />
Markt etabliert ist, tauchen auch viele Fragen<br />
auf. Mein Team nimmt sich hier in jedem<br />
Einzelfall die entsprechende Zeit, um alles bis<br />
ins kleinste Detail zu erklären und Fragen zu<br />
beantworten.<br />
Wie beschaffen Sie Ihr Kapital?<br />
Worauf wir stolz sind, ist, dass wir noch nie<br />
auf Mezzaninkapital oder Crowdfunding<br />
zurückgreifen mussten. Wir haben viele<br />
Eigenmittel, den Rest finanzieren die Banken.<br />
Wir haben in den letzten Jahren sehr gut<br />
gearbeitet und sind deswegen kapitalstark.<br />
Wir werden gut durch diese Krise kommen.<br />
Wie ist die Strategie in der nächsten Zeit?<br />
Momentan schauen wir von Monat zu Monat<br />
und von Jahr zu Jahr, im Hintergrund haben<br />
wir allerdings immer eine Fünf-Jahres-<br />
Planung. Diese ist durch den Ukraine-Krieg<br />
durcheinandergeraten, hat sich aber in ihren<br />
Grundzügen nicht wesentlich verändert.<br />
Meine Strategie ist: Wir kaufen weiter, wir<br />
bauen weiter, und wir verkaufen weiter. Ich<br />
kann jetzt nicht alles über Bord werfen. Wir<br />
sind am Markt gut aufgestellt und etabliert,<br />
verfügen über ausreichend Eigenmittel und<br />
können in der derzeitigen Situation auch<br />
weiterhin Immobilien erwerben. Wir haben<br />
uns mit guten Baufirmen zusammengetan und<br />
bauen weiter. Natürlich trifft uns der Baumaterialmangel,<br />
wie alle anderen Marktteilnehmer<br />
auch. Deswegen habe ich in ein eigenes<br />
Lager einiges an Material eingebracht. Zwei<br />
Baustellen in einem Altbau könnte ich sofort<br />
bestücken. Ich denke immer vor. Vielleicht bin<br />
ich zu übervorsichtig; aber was ist, wenn man<br />
kein Parkett, keine Fliesen oder Ytongsteine<br />
bekommt und eine Baustelle fertig werden<br />
muss? Dann kann ich auf mein eigenes Lager<br />
zurückgreifen und habe keine Bauverzögerung.<br />
Das ist für meine Kunden wichtig und für<br />
10 <strong>ImmoFokus</strong>
mich selbst auch, ich komme ja erst zu meinem<br />
Geld, wenn ich die Wohnungen übergebe. Wir<br />
haben in den letzten Monaten wieder zahlreiche<br />
Liegenschaften dazubekommen, zum<br />
Beispiel ein Grundstück im 17. Bezirk, auf dem<br />
wir rund 3.000 Quadratmeter Wohnfläche<br />
schaffen werden. Noch bis zum Jahresende<br />
rechne ich mit einigen interessanten Liegenschaftsankäufen.<br />
„Wir kaufen weiter, wir bauen weiter,<br />
und wir verkaufen weiter. Wir werfen<br />
jetzt nicht alles über Bord.“<br />
Michael Schmidt,<br />
3SI Immogroup<br />
Wie streng sind die Banken bei der Kreditvergabe<br />
in Bezug auf ESG?<br />
Wir werden alle Altbauten zertifizieren lassen,<br />
die wir revitalisieren und gegebenenfalls im<br />
Dachgeschoss ausbauen. Als nächstes werde<br />
ich versuchen, für ein vollvermietetes Haus,<br />
dessen Dachgeschoss bereits seit Jahren<br />
ausgebaut ist und das wir renoviert haben, ein<br />
Zertifikat zu bekommen. Beim Altbau ist ESG<br />
für die Banken noch kein Thema, wenn, dann<br />
betrifft das eher den Neubau. Vor allem, wenn<br />
Fonds ankaufen wollen.<br />
Haben Sie jemals überlegt, Anleihen<br />
aufzulegen?<br />
Wir sind sehr stolz, dass wir die letzten 21<br />
Jahre, die wir auf dem Markt sind, ohne<br />
Fremdkapital, außer der Bankenfinanzierung,<br />
ausgekommen sind. Aufgrund der Corona-<br />
Krise haben wir sehr vorausschauend unsere<br />
Eigenmittelquote erhöht. Dadurch brauchen<br />
wir keine weitere Finanzierung. Wir streben<br />
ein kontinuierliches Wachstum an. Dadurch<br />
konnte ich zwar das eine oder andere nicht<br />
realisieren, aber wer weiß, wofür das gut war.<br />
Es gibt aber keine Projekte, die wir nicht umsetzen<br />
könnten. Für uns als 3SI Immogroup<br />
schließe ich jedenfalls Anleihen aus.<br />
Anlässlich des Jahreswechsels: Was<br />
wünschen Sie sich für das kommende<br />
Jahr?<br />
Frieden auf der Welt – das ist sicherlich<br />
nicht nur mein größter Wunsch. Und damit<br />
einhergehend wieder positivere Nachrichten<br />
in so vielen Bereichen, die das Leben eines<br />
jeden Einzelnen tagtäglich tangieren.<br />
Erster Wiener <strong>Zinshaus</strong>-Marktbericht<br />
Herbstausgabe 2022<br />
· Die flächendeckende Studie über das Wiener Gründerzeithaus<br />
· Der bedeutende Maßstab am Wiener Immobilienmarkt seit 2009<br />
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01 512 77 77-341 zinshaus@otto.at<br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022 11
Das <strong>Zinshaus</strong><br />
im Blickpunkt<br />
Nachgefragt. Das <strong>Zinshaus</strong> unterlag immer schon dem Wandel. Der <strong>ImmoFokus</strong> hat bei den<br />
<strong>Zinshaus</strong>profis Winegg Realitäten, Plenus Immobilien, 3SI Immogroup, Arnold Immobilien, Hudej Zinshäuser<br />
Wien und Otto Immobilien nachgefragt, vor welchen Herausforderungen der Markt jetzt steht.<br />
FRAGE 1<br />
Beim Thema <strong>Zinshaus</strong> blickt man in erster Linie nach Wien. Wie aber<br />
sieht es mit den <strong>Zinshaus</strong>-Märkten in den Landeshauptstädten Linz,<br />
Salzburg und Graz aus?<br />
FRAGE 2<br />
Angesichts der hohen Baupreise/Zinsen: Können sich<br />
Dachbodenausbauten noch rechnen?<br />
FRAGE 3<br />
Werden Sie in den kommenden drei Jahren in nachhaltige Sanierung<br />
investieren? Wieviel Budget haben Sie dafür vorgesehen?<br />
FRAGE 4<br />
Braucht es Förderungen für nachhaltige Sanierungsmaßnahmen, damit<br />
sie umgesetzt werden können? Welche wären Ihrer Meinung nach am<br />
sinnvollsten?<br />
FRAGE 5<br />
Welche Rolle spielen Nachhaltigkeits-Zertifizierungen in Ihrem Bestand?<br />
FRAGE 6<br />
Muss das klassische Wiener <strong>Zinshaus</strong> ESG/EU-Taxonomie-tauglich<br />
werden und wenn ja, wie?<br />
FRAGE 7<br />
Wie werden sich die Renditen bei Zinshäusern in den kommenden fünf<br />
Jahren entwickeln?<br />
12 <strong>ImmoFokus</strong>
„Beim Bestand scheinen Nachhaltigkeits-<br />
Zertifizierungen eher ein Zukunftsthema zu sein.“<br />
Markus Arnold,<br />
Arnold Immobilien<br />
1 Speziell Käufer mit langfristigen Haltestrategien wie zum Beispiel Stiftungen und Family-<br />
Offices setzen unserer Erfahrung nach weiterhin eher auf Wien. Zunehmend blicken Investoren<br />
auch über den Wiener Tellerrand hinaus und Landeshauptstädte wie Graz, Linz oder St. Pölten<br />
haben sich ebenso zu interessanten <strong>Zinshaus</strong>märkten entwickelt. Diese Entwicklung dürfte<br />
nicht zuletzt auf die etwas höheren Renditen außerhalb von Wien zurückzuführen sein. Zudem<br />
werden Städte mit einer besonders guten Anbindung an Wien und einer günstigen demografischen<br />
Entwicklung ebenfalls gut nachgefragt, wie zum Beispiel Tulln.<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
Aufgrund der hohen Preise haben sich zuletzt eher Dachgeschossausbauten im Luxussegment<br />
gelohnt. Berlin beispielsweise, wo wir mit einer eigenen Niederlassung präsent sind, plant<br />
daher, die Genehmigungsverfahren und Auflagen wie zum Beispiel für einen Lifteinbau zu<br />
erleichtern. Dadurch möchte man gewährleisten, dass mehr leistbarer Wohnraum geschaffen<br />
werden kann. Das macht natürlich Sinn und wäre in Wien auch wünschenswert, denn die<br />
Nachverdichtung von Städten ist meist deutlich nachhaltiger als ein Neubau.<br />
Wir sehen uns als Investmentmakler-Unternehmen ausschließlich unseren Kunden verpflichtet<br />
und besitzen daher keinen eigenen Immobilienbestand.<br />
Da müssten viele Impulse gesetzt werden und die derzeitige politische Diskussion rund um<br />
den Austausch von Heizkesseln greift zu kurz. Das beginnt bei einem vereinfachten Zugang<br />
zu Förderungen, um die Sanierungsrate von derzeit etwas über ein Prozent auf zwei bis drei<br />
Prozent zu erhöhen. Die Abwicklung der Förderungen müssten insgesamt unbürokratischer<br />
gestaltet und Fördermöglichkeiten für stufenweise Sanierungen et cetera eröffnet werden.<br />
Zusätzliche steuerliche Anreize wie zum Beispiel die Verkürzung der Abschreibungsmöglichkeiten<br />
von 15 auf zehn Jahre könnten ebenfalls Impulse bringen. Unserer Ansicht nach gehört<br />
auch die Bauordnung in Richtung Nachhaltigkeit angepasst, um zum Beispiel im Dachgeschoss<br />
Photovoltaik-Anlagen zu ermöglichen. In Österreich hat man den Eindruck, dass es Hausbesitzern<br />
extra schwierig gemacht wird, nachhaltige Sanierungen umzusetzen.<br />
Bei großen Neubauprojekten gehört heute eine Zertifizierung fast schon zum Standard. Beim<br />
Bestand scheinen Nachhaltigkeits-Zertifizierungen eher ein Zukunftsthema zu sein. Unserer<br />
Erfahrung nach werden aktuell bei Bestandsbauten die Kosten für eine Zertifizierung und der<br />
zusätzliche Nutzen sorgfältig abgewogen.<br />
Foto: Arnold Immobilien<br />
6<br />
7<br />
Das klassische Wiener <strong>Zinshaus</strong> ist ESG-tauglich! Bei vielen Häusern wurden immer wieder<br />
kleinere oder größere Sanierungsmaßnahmen im Laufe der Jahre durchgeführt, damit reicht es<br />
Experten zufolge meist schon für Taxonomie-Grün. Bei Fünfziger- beziehungsweise Sechziger-<br />
Bauten sieht das Thema aufgrund der schlechteren Bausubstanz natürlich ganz anders aus.<br />
Das ist eine schwierige Frage und in unruhigen Zeiten, wie wir sie derzeit erleben, nicht seriös<br />
zu prognostizieren. Wir rechnen weiterhin mit einer guten Nachfrage, denn Geld ist ja vorhanden<br />
und muss investiert werden. Meiner Erfahrung nach wird ein großer Teil davon immer in<br />
Grund und Boden fließen! Ich persönlich sehe keine negativen Aussichten für Immobilien. Wie<br />
schon in den letzten Jahrhunderten auch nicht.<br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
13
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
„Ein revitalisierter,<br />
sanierter Altbau ist per se<br />
ein Paradebeispiel<br />
für Nachhaltigkeit am<br />
Immobilienmarkt.“<br />
Michael Schmidt,<br />
3SI Immogroup<br />
3 Wir werden natürlich in nachhaltige Revitalisierungsmaßnahmen<br />
investieren und tun dies auch schon die letzten<br />
Jahre über. Unsere Neubauprojekte sollen auch zertifiziert<br />
werden; wir streben bei jeder einzelnen Immobilie den<br />
ÖGNI-Gold-Status an – und ich bin überzeugt, diesen auch<br />
zu erreichen. Was Altbauten anbelangt, haben wir Ähnliches<br />
geplant. Wobei ich sagen muss, dass ein revitalisierter,<br />
sanierter Altbau per se ein Paradebeispiel für Nachhaltigkeit<br />
am Immobilienmarkt ist. Hier wird, besonders durch die<br />
Entwicklung von Dachböden, kein Boden neu versiegelt, oft<br />
seit über 100 Jahren existierender Bestand nicht abgerissen,<br />
sondern für die nächsten hundert Jahre – und darüber<br />
hinaus – erhalten. Ein Mitgrund, weshalb ich ein starker<br />
Verfechter davon bin, wo auch immer möglich zu sanieren<br />
statt abzureißen.<br />
4 Meiner Meinung nach muss viel mehr in die Forschung zu<br />
alternativen Energien investiert werden, natürlich wäre<br />
auch eine finanzielle Unterstützung bei nachhaltigen Sanierungsmaßnahmen<br />
vorteilhaft. Wir als Bauträger nehmen<br />
die Verantwortung sehr ernst, die wir durch die Errichtung<br />
von Wohnraum haben, der noch über Jahrzehnte hinweg<br />
bestehen wird. Die Herausforderung, immer nachhaltiger<br />
zu bauen, nehmen wir auch sehr gerne an. Die Forschung<br />
selbst muss aber maßgeblich von anderen Stellen finanziert<br />
und dadurch intensiv gefördert werden.<br />
5<br />
6<br />
Bei Zinshäusern spielen sie eigentlich noch keine große<br />
Rolle. Bei Neubauten sind sie fast schon ein Must-have.<br />
Das <strong>Zinshaus</strong> ist es doch schon jetzt. Die Mengen, die allein<br />
an Energie und ausgestoßenem CO2 eingespart werden, nur<br />
dadurch, dass die Immobilie nicht abgerissen und gegen<br />
einen Neubau ersetzt, sondern revitalisiert und technisch<br />
wie auch energetisch auf den neuesten Stand gebracht<br />
wird – hier muss ein Neubau Jahrzehnte lang existieren, bis<br />
er dieses Einsparungspotenzial „erwirtschaftet“ hat.<br />
„Bestandsobjekte<br />
haben, wenn sie<br />
gesamtheitlich entwickelt<br />
werden, durchaus ein<br />
hohes Potenzial.“<br />
Christian Winkler,<br />
Winegg Realitäten<br />
2 Jedes <strong>Zinshaus</strong> hat eine einzigartige Geschichte, einen<br />
gewissen Charme und ist zudem ein limitiertes Gut. Daher<br />
haben Bestandsobjekte durchaus ein hohes Potenzial – vorausgesetzt,<br />
diese werden gesamtheitlich entwickelt. Kunden<br />
sind durchaus bereit, höhere Preise für diese Lebensqualität<br />
in einem nachhaltig und qualitativ hochwertigen Revitalisierungsprojekt<br />
zu zahlen.<br />
5 WINEGG forciert bereits seit einigen Jahren eine umfassende<br />
und vor allem langfristige Nachhaltigkeitsstrategie,<br />
im Neubausegment als auch bei Bestandsobjekten. Wir nehmen<br />
unsere sozioökonomische Verantwortung sehr ernst<br />
und lassen alle Wohnprojekte unabhängig zertifizieren. Wir<br />
merken zudem, dass unsere Kunden Nachhaltigkeits-Zertifikate<br />
vermehrt fordern, da sie hiervon ebenfalls langfristig<br />
profitieren. Beispielsweise durch niedrigere Betriebskosten,<br />
eine höhere Lebensqualität sowie eine langfristige Wertsteigerung.<br />
6 In der Projektentwicklung legen wir unseren Fokus besonders<br />
auf Nachhaltigkeit, Regionalität und Energieeffizienz.<br />
Die EU-Taxonomie-Verifikation wird dabei in Zukunft eine<br />
wesentliche Rolle spielen. Diese bringt im <strong>Zinshaus</strong>bereich<br />
eine große Herausforderung mit sich: den Umstieg von<br />
fossilen Brennstoffen auf alternative Energieversorgungen.<br />
Dafür muss das <strong>Zinshaus</strong> gesamtheitlich betrachtet und eine<br />
zentrale Lösung implementiert werden.<br />
Fotos: Stefan Gergely, Hudej<br />
14 <strong>ImmoFokus</strong>
„Der Markt beschränkt sich nicht allein auf Wien.<br />
Auch Graz, Linz und Salzburg sind spannend.“<br />
Mathias Miller-Aichholz,<br />
Hudej Zinshäuser Wien<br />
1 Als einziger <strong>Zinshaus</strong>-Spezialist mit Büros in allen Landeshauptstädten haben wir als Erster<br />
verstanden, dass der Markt sich nicht allein auf Wien beschränkt.<br />
Die Aufmerksamkeit für die drei größten Landeshauptstädte ist in den vergangenen Jahren<br />
deutlich gestiegen. Die Gründe dafür sind vielfältig, teilweise spielen lokale Faktoren eine wichtige<br />
Rolle. Beispiel Graz: Durch die kontinuierlich sinkenden Renditen in Wien begann in den 2010er<br />
Jahren das Interesse für Graz merklich zu wachsen. Doch es gab einen weiteren Grund für das<br />
Marktwachstum: die Entwicklung der Reininghausgründe. Hier entstanden große Neubauprojekte,<br />
die in- und ausländische institutionelle Investoren erstmals auf Graz aufmerksam machten.<br />
Beispiel Linz: Der oberösterreichische Zentralraum mit Linz, Wels und Steyr sowie deren Umland<br />
ist eines der wichtigsten Wohngebiete Gebiete Österreichs. Hier leben rund 600.000 Personen. Die<br />
Kombination aus Städten, weitläufigen Flächen für Betriebsansiedlungen, Nahversorgung und<br />
Erholung verleiht dieser Region ihre spezielle Qualität. Dementsprechend wächst auch in Linz die<br />
Nachfrage seitens in- und ausländischer Investoren.<br />
Beispiel Salzburg: Wie keine andere Landeshauptstadt punktet Salzburg mit der einzigartigen<br />
Kombination aus unvergleichlicher historischer Bausubstanz, internationaler Kulturszene,<br />
zentraler Lage und landschaftlicher Schönheit. Daher ist die Nachfrage nach Zinshäusern hier<br />
immer schon relativ hoch gewesen – und das Angebot niedrig. In der Innenstadt bewegen sich die<br />
Preise auf Wiener Niveau. Salzburg profitiert diesbezüglich auch von der Nähe zum süddeutschen<br />
Raum (Bayern).<br />
4<br />
7<br />
Es geht nicht nur um Förderungen. Man muss auch über die Sinnhaftigkeit so mancher<br />
legistischer Maßnahme nachdenken. Wenn es bis 2035 wirklich keine Gasheizung in Wiener<br />
Zinshäusern mehr geben soll, drängt sich die Frage auf, was die Alternativen sind und ob<br />
beziehungsweise wie sie technisch realisiert werden können.<br />
Die Frage nach der Rendite eines <strong>Zinshaus</strong>es kann letztlich nur individuell pro Objekt beantwortet<br />
werden, da sie von vielen Einzelfaktoren abhängt. Die Ist-Rendite zum Kaufzeitpunkt ist<br />
beim klassischen Gründerzeit-<strong>Zinshaus</strong> weniger relevant als das Potenzial – sofern das Haus<br />
nicht fertig entwickelt ist. Bei fertig entwickelten Zinshäusern und Neubauprojekten stellt<br />
sich die Frage nach dem Potenzial weniger. Hier müssen wir aber unterscheiden zwischen<br />
Investoren, die fremdfinanzieren, und Cash-Zahlern. Letztere sind zwar in der Minderheit, aber<br />
sie streben in Zeiten hoher Inflation nach Vermögensabsicherung, was die Frage der Rendite<br />
relativiert. Zurück zum klassischen Gründerzeithaus. Das Potenzial ist grundsätzlich in drei<br />
Bereichen zu finden: erstens das Neubaupotenzial in Dachgeschossen, Regelgeschossen,<br />
Hinterhöfen et cetera; zweitens das Mietenpotenzial, zum Beispiel bei Altmietverträgen, die<br />
nach regulärer Beendigung und Sanierung der Wohnung durch ertragreichere Bestandsverhältnisse<br />
ersetzt werden können, oder das Potenzial, das leerstehende Erdgeschossflächen bei<br />
erfolgreicher gewerblicher Vermietung versprechen (lageabhängig). Drittens gibt es noch das<br />
juristische Potenzial, das durch Überprüfung der Mietverhältnisse und Richtigstellen etwaiger<br />
Fehler gehoben werden kann. Erst nach Überprüfung und Einwertung all dieser Faktoren kann<br />
die Rendite realistisch beurteilt werden.<br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
15
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
„Ohne Förderungen oder entsprechende<br />
Mietanpassungen sind viele der Maßnahmen<br />
kaum umsetzbar“<br />
Thomas Gruber,<br />
Plenus Immobilien<br />
2<br />
6<br />
7<br />
Wie immer bei Immobilien zählt hier Lage, Lage, Lage, und gerade in Zeiten starker Veränderung<br />
noch mehr. Sofern die Kriterien wie Mindestgrößen ab 300 Quadratmetern Gesamtbauvolumen,<br />
gute Schnitte und Freiflächen umsetzbar sind, können auch entsprechende Verkaufspreise<br />
weiterhin erzielt werden. Die Dachgeschoss-Käufer-Zielgruppe ist zumeist jene, die einen<br />
hohen Eigenkapitalanteil beim Erwerb darstellen und somit auch weiterhin besonders schöne<br />
Objekte erwerben kann.<br />
Natürlich ein klares „Ja“, jedoch muss man hier etwas sensibler sowohl auf die technischen als<br />
auch auf die kaufmännischen Möglichkeiten eingehen. Jahrhunderte alten Bestand zu modernisieren<br />
ist möglich und gerade das <strong>Zinshaus</strong> hat ja schon den Sprung toll geschafft – raus aus<br />
Öl und Kohle hin zu Gas oder Fernwärme. Hier könnten technische Möglichkeiten wie Solarziegel,<br />
Tiefenbohrungen und so weiter ein Weg sein, um die Optik der schönen Häuser nicht zu<br />
zerstören. Auch die Anbindung an Fernwärme, soweit vorhanden, kann ein wesentlicher Schritt<br />
sein. Grenzen werden hier allerdings wirtschaftliche Möglichkeiten sein, denn ohne Förderungen<br />
oder entsprechende Mietanpassungen sind viele der Maßnahmen kaum umsetzbar.<br />
Derzeit besteht noch eine breite Spreizung zwischen Angebot und Nachfrage, die sich vor allem<br />
in nicht innerstädtischen Toplagen bereits zu schließen beginnt. Finanztechnisch müssten<br />
Renditen nun wieder deutlich über 3 Prozent gehen, jedoch ist das aus verschiedenen wirtschaftlichen<br />
Gründen, wie der Preisentwicklung der letzten Jahre, ohne tiefe Einschnitte kaum<br />
möglich. Daher wird jetzt verstärkt Parifizierung und Abverkauf in Wohnungseigentum stattfinden.<br />
Wenn es bei den Finanzierungszinsen wieder zur Entspannung kommt, dann werden<br />
auch die schönen Zinshäuser in weiterem Einzeleigentum bleiben können. Generell bleibt aber<br />
das <strong>Zinshaus</strong>, aufgrund der Knappheit und der damit verbundenen Wertentwicklung, weiterhin<br />
eines der besten und stabilsten Immobilien-Investments überhaupt.<br />
Fotos: PLENUS Immobilien, Otto Immobilien<br />
16 <strong>ImmoFokus</strong>
„Das Wiener <strong>Zinshaus</strong> wird sich weder der<br />
EU-Taxonomie noch den ESG-Kriterien<br />
verschließen können.“<br />
Eugen Otto,<br />
Otto Immobilien<br />
1 Wien ist aufgrund seines großen gründerzeitlichen Altbestandes eindeutig die Stadt der Zinshäuser,<br />
trotzdem gibt es auch in den größeren Landeshauptstädten immer wieder Verkäufe. Größenordnungsmäßig<br />
werden pro Jahr in Graz durchschnittlich rund 35 Objekte veräußert, in Linz rund<br />
die Hälfte, während in Salzburg die Transaktionsanzahl zumeist im einstelligen Bereich liegt.<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
Seit dem zweiten Quartal beobachten wir, dass <strong>Zinshaus</strong>entwickler ein allfälliges Dachgeschosspotenzial<br />
zumindest defensiver einpreisen. In der Praxis haben sich individuelle Untergrenzen<br />
hinsichtlich der erzielbaren Nutzfläche noch stärker etabliert. So wird auch in Bestlagen<br />
ein relativ niedriges bauliches Potenzial derzeit weniger oft realisiert, in B-Lagen muss<br />
das Potenzial hoch sein, um im derzeitigen Marktumfeld tatsächlich mit dem Bau beginnen zu<br />
können. Ungebrochen vorangetrieben werden allerdings die vorbereitenden Maßnahmen, wie<br />
beispielsweise die Erstellung einer Einreichplanung, um in einem günstigeren Marktumfeld<br />
idealerweise bereits über eine aufrechte Baugenehmigung zu verfügen.<br />
Wir selbst entwickeln keine Immobilien, aber bei unseren Klienten ist das ein sehr großes<br />
Thema. Gerade große Bestandshalter analysieren ihr Portfolio sehr intensiv, um festzustellen,<br />
in welcher Weise und mit welchem Aufwand gründerzeitliche Zinshäuser zukunftsfit gemacht<br />
werden können. Da es viele Möglichkeiten der „Ertüchtigung“ gibt – und gerade im Altbestand<br />
auch einige Restriktionen baulicher oder technischer Natur – lässt sich dafür auch kein grobes<br />
Budget pro Immobilie ansetzen. Hier muss man den Einzelfall betrachten.<br />
Wir haben die Fördermöglichkeiten in unserem aktuellen <strong>Zinshaus</strong>-Marktbericht genau erläutert.<br />
Neben subventionierten Förderungsmaßnahmen durch die öffentliche Hand erscheint<br />
als zusätzlicher Anreiz eine Reform des Mietrechtsgesetzes denkbar. So könnte beispielsweise<br />
im Rahmen des §16 MRG ein neuer Tatbestand geschaffen werden, der dem Vermieter bei<br />
Aufwendung erheblicher Eigenmittel die Möglichkeit einräumt, den angemessenen Mietzins<br />
zu verlangen. So wären Eigentümer auch finanziell motiviert, die kapital- und zeitintensiven<br />
Adaptierungsarbeiten durchzuführen.<br />
Zertifizierungen für die Nachhaltigkeit von Gebäuden waren ursprünglich primär bei Gewerbeimmobilien<br />
zu finden, bevor sie jetzt stärker in den Wohnbereich vorgedrungen sind, hier<br />
aber ausschließlich in den Neubau. Es gibt auch für den <strong>Zinshaus</strong>bereich mittlerweile Bestrebungen,<br />
Zertifizierungen einzuführen, die ESG-Kriterien auch im mietrechtlichen Altbestand<br />
transparent zu erfassen und nach außen hin sichtbar machen.<br />
Das Wiener <strong>Zinshaus</strong> wird sich weder der EU-Taxonomie noch den ESG-Kriterien verschließen<br />
können. Hier kommt auch Druck über die Finanzierungseite. Banken sind in der Kreditvergabe<br />
gesetzlich angehalten, zunehmend restriktiv bei Immobilienprojekten vorzugehen, die ESG-<br />
Kriterien kaum erfüllen. Langfristig werden Banken mit hoher Wahrscheinlichkeit derartige<br />
Projekte gar nicht mehr finanzieren dürfen.<br />
Eine Prognose über einen derart langen Zeitraum kann nicht seriös abgegeben werden. In den<br />
letzten Jahren ist die Rendite im <strong>Zinshaus</strong>bereich stetig gesunken, da die Preissteigerungen der<br />
Immobilien die Mietsteigerungen in der Regel deutlich übertroffen haben.<br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
17
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
Zum Autor<br />
Martin Prunbauer ist seit 2012 Präsident des Österreichischen<br />
Haus- und Grundbesitzerbundes (ÖHGB), seit 2020<br />
Präsident des Zentralverband Haus und Eigentum und im<br />
Zivilberuf als Rechtsanwalt in Wien tätig.<br />
Zinshäuser benötigen<br />
bessere Rahmenbedingungen!<br />
Kommentar: Martin Prunbauer<br />
Foto: Michael Büchling<br />
Prunkvolle Fassaden, hochwertige Parkettböden, elegante Flügeltüren,<br />
hohe Decken und aufwändig gefertigte Kastenfenster: Das<br />
klassische „<strong>Zinshaus</strong>“ hat nach wie vor nichts von seiner Attraktivität<br />
verloren. Zu beobachten ist allerdings, dass sich zwischen den Jahren<br />
2007 und 2019 der Bestand dieser Objekte um zwölf Prozent, exakt um<br />
2.117 Häuser, reduziert hat. Die Nachfrage auf dem Immobilienmarkt ist<br />
jedoch nach wie vor ungebrochen.<br />
Dieser Rückgang ist weniger dem Umstand geschuldet, dass Gründerzeithäuser<br />
das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben und altersbedingt<br />
abgerissen werden müssen, um Neubauten zu weichen, sondern<br />
vielmehr der Tatsache, dass 80 Prozent dieser Häuser parifiziert und in<br />
Eigentumswohnungen umgewandelt wurden.<br />
Der Grund für diese Entwicklung ist denkbar einfach: Die Herausforderungen<br />
für den privaten <strong>Zinshaus</strong>besitz stiegen in den letzten Jahren und<br />
erfordern vermehrt Investitionen.<br />
Problem stark regulierter Mietzins<br />
Abgesehen von den stark regulierten Mietzinsen ist die Bandbreite an<br />
Beschränkungen groß, die die Bewirtschaftung eines solchen Mehrparteienhauses<br />
erschweren. Unzureichend sind die Möglichkeiten für eine<br />
– wenn auch nur sukzessive – Anhebung des Mietzinses im Fall eines<br />
Altmietvertrages. Extensive Regelungen gestatten einem großen Kreis<br />
von Angehörigen den privilegierten Eintritt in ein bestehendes Mietverhältnis,<br />
erlauben dem Vermieter aber auf der anderen Seite keine oder<br />
nur eine unangemessene Möglichkeit einer Mietzinsanhebung. Mietverhältnisse<br />
wirken wie Zwangsdauerschuldverhältnisse, aus denen<br />
sich der Eigentümer nur aus triftigen Gründen und unter erschwerten<br />
Bedingungen befreien kann. Dem Kündigungsgrund des Eigenbedarfs<br />
etwa kommt aufgrund der strengen Judikatur kaum eine praktische<br />
Anwendung zu. Der Gewährung eines Lagezuschlages – der auch den<br />
subjektiven Wohnwert widerspiegeln soll – wird durch schwer nachvollziehbare<br />
Auslegung nicht der zugedachte Anwendungsbereich<br />
zuteil. Auch unverhältnismäßig hohe Abschläge beschränken befristet<br />
abgeschlossene Mietverträge und noch einiges mehr.<br />
Gesetzliche Wertanpassungen der ohnehin stark gedeckelten Mietzinse<br />
zur Erhaltung eines Hauses werden der aktuellen Krisensituation keinesfalls<br />
gerecht. Im Gegenteil: Der Baupreisindex, der für die Preisentwicklung<br />
im Baubereich verantwortlich ist, ist um vieles höher gestiegen als<br />
der Verbraucherpreisindex, der für die gesetzliche Anpassung der Richtwert-<br />
und Kategoriemieten herangezogen wird. Unter dem Blickwinkel<br />
der Vornahme von notwendigen Investitionen in den Hausbestand läge<br />
eine Bindung der Mieten an den Baupreisindex nahe.<br />
Aussetzen von Erhöhungen<br />
Fand die gesetzliche Wertanpassung der Richtwertmietzinse ursprünglich<br />
jährlich statt, wurde der Zeitraum inzwischen auf zwei Jahre ausgedehnt.<br />
Um Mieter zu entlasten, wurden bereits mehrmals Valorisierungen der<br />
Kategorie- und Richtwertmieten ausgesetzt, zuletzt im Zusammenhang<br />
mit der Pandemie. Diese „großzügigen Geschenke des Staates“, die in<br />
Wahrheit der Vermieter bezahlt, erhalten uneingeschränkt alle Mieter<br />
des regulierten Mietsegments – egal ob bedürftig oder nicht.<br />
In naher Zukunft kommen aus klimapolitischen Gründen neue Hürden<br />
für Eigentümer hinzu:<br />
Eine Novelle der EU-Gebäuderichtlinie zielt auf eine energietechnische<br />
Optimierung von Gebäuden zwecks Erreichung energetischer Mindestanforderungen<br />
durch umfassende Sanierungen ab. Gebäude mit<br />
schlechten Energiewerten sollen vorrangig saniert werden. Dazu sollen<br />
einheitliche und harmonisierte Mindesteffizienzanforderungen festgelegt<br />
werden. Können diese innerhalb der vorgegebenen Fristen nicht erreicht<br />
werden, ist vorgesehen, dass solche Gebäude nicht mehr benutzt<br />
werden dürfen.<br />
18 <strong>ImmoFokus</strong>
| MT12-02G |<br />
Medien- und Steuerungstechnik<br />
auf einer Plattform:<br />
mit PC-based Control<br />
Beleuchtung<br />
Control<br />
Panel<br />
Audio<br />
Fassade<br />
Heizung,<br />
Lüftung,<br />
Klima<br />
Das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz<br />
Ebenso Kopfzerbrechen bereitet das in parlamentarischer Behandlung<br />
befindliche Erneuerbaren-Wärme-Gesetz, mit dem die Wärmeversorgung<br />
von Gebäuden vollständig auf erneuerbare Energieträger umgestellt<br />
werden soll. Zur Erreichung dieser Ziele soll ein stringenter Stufenplan<br />
mit ebenfalls viel zu knappen Fristen zum Einsatz kommen.<br />
Gerätemanagement<br />
Video<br />
Mediensteuerung<br />
Die Liste an Schwierigkeiten, die mit diesen legislativen Vorhaben in Zusammenhang<br />
stehen, ist lang: Eine effektive thermische Sanierung eines<br />
Gründerzeithauses ist aufgrund gegliederter Fassaden kaum zu bewerkstelligen.<br />
Der Einbau einer Wärmepumpe erfordert in so manchem Althaus<br />
eine Kernsanierung, die nicht nur einen enormen technischen, sondern<br />
auch entsprechend hohen Kostenaufwand bedeutet. Wärmepumpen<br />
lassen sich auch nicht beliebig nebeneinander installieren, Fernwärme ist<br />
nicht allerorts möglich, Pelletheizungen scheiden im städtischen Bereich<br />
mangels Lagermöglichkeiten zumeist aus und vieles mehr.<br />
In steuerlicher Hinsicht wurden Eigentümern über die Jahre bewährte<br />
und für die Bewirtschaftung bedeutende Erleichterungen genommen.<br />
Das fängt bei der steuerfreien Rücklage zum Ansparen größerer Investitionen<br />
an und hört bei einer Verkürzung der Abschreibungszeiten bei<br />
Vornahme von Instandhaltungsmaßnahmen auf.<br />
Medientechnik neu gedacht: Als Spezialist für PC-basierte Steuerungssysteme<br />
ermöglicht es Beckhoff mit einem umfassenden und<br />
industrieerprobten Automatisierungsbaukasten, Multimedia,<br />
Gebäudeautomation sowie Entertainmentkonzepte vernetzt und<br />
integriert umzusetzen. Mit der modularen Steuerungssoftware<br />
TwinCAT und direkter Cloud- und IoT-Anbindung werden alle<br />
Gewerke von der A/V-Technik über die Gebäudeautomation<br />
bis hin zu Digital Signage Control, Device Management und<br />
Condition Monitoring, auf einer Plattform kombiniert. Hinzu kommt<br />
die maximale Skalierbarkeit aller Komponenten und die Unterstützung<br />
aller gängigen Kommunikationsstandards. So schafft Beckhoff die<br />
Grundlage für neue mediale und architektonische Erlebniswelten.<br />
Anstelle von Strafen, Sanktionen und Beschränkungen müssen Anreize<br />
geschaffen werden, damit sich die auf den Hausbestand zukommenden<br />
Investitionen auch tatsächlich schultern lassen. Der Wert<br />
von Zinshäusern – oft über Generationen im Familienbesitz und mit<br />
einer emotionalen Bindung an die Liegenschaft verbunden – ist mehr<br />
als seine Mauern. Diese Häuser existieren seit Jahrhunderten, „erzählen<br />
Geschichten“ und locken Jahr für Jahr Touristen in unsere Städte.<br />
Die Interessenspolitik für das Eigentum ist nicht nur herausfordernd,<br />
sondern auch lohnend, denn „wo das Eigentum aufhört, hört auch die<br />
Freiheit auf“ (Julius Raab).<br />
Scannen und die<br />
Beckhoff Highlights<br />
für die AV- und<br />
Medientechnik<br />
entdecken<br />
IoT<br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
19
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
Zum Autor<br />
Anna-Vera Deinhammer ist Strategin und Integralingenieurin;<br />
sie verstärkt seit 10/2022 unter anderem das Team der ÖGNI.<br />
CSR, ESG, EU-Taxonomie und das <strong>Zinshaus</strong> –<br />
der Versuch einer Annäherung<br />
Kommentar: Anna-Vera Deinhammer<br />
Fotos: Adobe Stock<br />
Die EU-Taxonomie-Verordnung bildet als Klassifizierungssystem,<br />
das auch für nachhaltige Immobilien angewendet wird, die Klammer<br />
zwischen CSR- und ESG-Berichterstattung. Während die Darstellung<br />
der Corporate Social Responsibility Einblicke gibt, welche ökologischen,<br />
sozialen und ökonomischen Aspekte Relevanz für ein Unternehmen haben,<br />
zeigt Environment, Social und Governance Reporting die ökologischen<br />
und gesellschaftlichen Chancen und Risiken, die mit den Aktivitäten<br />
der Unternehmensführung einhergehen. Dieser Wirkmechanismus<br />
verbindet die Tätigkeiten des Bauens mit denen des Investierens und<br />
Wirtschaftens direkt.<br />
Zusätzlich zu den Faktoren, mit deren Hilfe der Wert eines <strong>Zinshaus</strong>es<br />
ermittelt wird – zum Beispiel Lage, Ausbaupotenzial und Anteil und Art<br />
bereits vermieteter Wohnnutzfläche – kann der Nachweis der EU-Taxonomie-Konformität<br />
des Objekts Bedeutung erlangen. Beispielsweise<br />
sind EU-Taxonomie-konforme<br />
Aktivitäten Teil der Definition<br />
von „nachhaltigem Investment“<br />
und definieren, wo ein Fonds<br />
auf der Skala von hell-grün bis<br />
dunkel-grün steht.<br />
Erreichung der Umweltziele<br />
Kurz angerissen, muss eine nachhaltige<br />
Immobilie zu einem der<br />
sechs Umweltziele der EU-Taxonomie<br />
einen wesentlichen Beitrag<br />
leisten und darf die anderen<br />
nicht erheblich beeinträchtigen.<br />
Eine umfassende thermische<br />
und energetische Sanierung<br />
adressiert intensiv das Ziel „Klimaschutz“.<br />
„Anpassung an den<br />
Klimawandel“ mittels zum Beispiel Regenwassermanagement-Maßnahmen<br />
birgt gute Möglichkeiten für kleinklimatische Verbesserungen im<br />
Sinne der EU-Taxonomie. Aufgrund der soliden Bauweise und Art der<br />
Materialien, die in der Epoche vor 1945 bei der Errichtung von Zinshäusern<br />
eingesetzt wurden, stehen die Chancen für eine effiziente Nutzung<br />
von durch Sanierung freiwerdende Ressourcen gut – also die Würdigung<br />
des Ziels „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“.<br />
Gesamtgesellschaftliche Verantwortung<br />
Das Erhalten und Bereitstellen von Wohnraum geht mit großer gesamtgesellschaftlicher<br />
Verantwortung einher. Deshalb haben wandlungsfähige<br />
Erdgeschosszonen, die an attraktiv gestaltete öffentliche Räume<br />
angrenzen und vielleicht mit alternativen Mobilitäts- und Stellplatzangeboten<br />
kombiniert sind, massiven Einfluss auf die Lebensqualität im<br />
gesamten Quartier. Die Auswirkung des Gebäudes auf die Identität eines<br />
Ortes erfährt eine Renaissance. Renaissance<br />
deshalb, weil ein gründerzeitliches<br />
<strong>Zinshaus</strong> diese Auswirkung<br />
mit seiner historistischen<br />
Ausstrahlung bereits in seiner<br />
DNA trägt. Zinshäuser definieren<br />
in vielen zentral-europäischen<br />
Städten das Antlitz, mit dem sich<br />
die Bürger identifizieren.<br />
Wir erkennen: Dies sind keine<br />
revolutionären Neuerungen.<br />
Hans-Busso von Busse hatte wahrscheinlich<br />
genau dies im Sinne, als<br />
er 1972 im Manifest „für Architektur“<br />
postulierte: „[…] wer für sich<br />
ein Innen baut, baut für die Allgemeinheit<br />
ein Aussen.“<br />
20 <strong>ImmoFokus</strong>
Zum Autor<br />
Margot Grim-Schlink ist Gesellschafterin von e7 und Vorstandsmitglied<br />
der IG Lebenszyklus.<br />
Das nachhaltige Gründerzeithaus<br />
Kommentar: Margot Grim-Schlink<br />
Fotos: Adobe Stock<br />
ESG, EU-Taxonomie, Klimaneutralität,<br />
Energiekrise. Schlagworte, die<br />
in der Immobilienwirtschaft in den<br />
letzten Monaten kaum einen Stein auf<br />
dem anderen gelassen haben. Neuentwicklungen,<br />
welche die geforderten<br />
Kriterien nicht einhalten, werden<br />
schlechter gehandelt. Bauträger und<br />
Projektentwickler haben darauf bereits<br />
reagiert.<br />
Aber wie sieht es im Bestand aus? Vor<br />
allem dieser muss in den nächsten Jahren seinen Beitrag zum Klimaschutz<br />
und zur Ressourcenknappheit leisten, denn unsere Umwelt ist<br />
bereits gebaut. Aber insbesondere bei Gründerzeithäusern hört man<br />
immer wieder, dass man diese ja nicht thermisch ertüchtigen kann und<br />
dass alternative Energiesysteme für diese nicht möglich sind. Da halte<br />
ich dagegen: Doch, das geht!<br />
Erster Schritt Energiebedarfsreduktion<br />
Ohne Energiebedarfsreduktion wird die Energiewende nicht zu stemmen<br />
sein. Deshalb gilt als oberste Prämisse bei jeder Sanierung: Energiebedarf<br />
runter, erst dann Heizungstausch. Bei Gründerzeithäusern<br />
gibt es dabei aber kein Patentrezept. Abhängig vom Gebäude können<br />
Einzelmaßnahmen oft schon eine deutliche Reduktion bewirken. Mögliche<br />
Maßnahmen können sein: Dämmung der obersten Geschossdecke,<br />
Fenstertausch, Einbau einer mechanischen Be- und Entlüftung, Dämmung<br />
von nicht strukturierten Außenwänden, Dämmputze, Innendämmung,<br />
außenliegende Verschattung.<br />
Die Reduktion des Energiebedarfs hat aber vor allem den Vorteil, dass<br />
dadurch gleich einmal die Energiekosten sinken, was bei einem reinen<br />
Heizungstausch nicht zwingend der Fall ist. Weiters reduzieren sich<br />
auch die Investitionskosten für den Heizungstausch,<br />
weil die Anlagen gleich wesentlich kleiner ausfallen<br />
können.<br />
Zweiter Schritt Heizungstausch<br />
Gerade Gründerzeitgebäude sind sehr oft mit dezentralen<br />
Gasetagenheizungen ausgestattet. Heißt die Devise<br />
„Raus aus Gas“, ist eine Zentralisierung zu empfehlen.<br />
Egal welcher erneuerbare Energieträger (Wärmepumpe,<br />
Pellets beziehungsweise früher oder später die Fernwärme),<br />
eine zentrale Anlage macht vieles leichter.<br />
Für einen ersten Schritt kann diese auch noch mit dem<br />
bestehenden Gassystem umgesetzt werden. So ist es möglich, nach und<br />
nach einzelne Wohnungen anzuschließen, um einen späteren Umstieg<br />
auf erneuerbare Wärme zu erleichtern.<br />
Gibt es Fernwärme ums Eck, ist oft die leichteste Variante, sich an<br />
diese anzuschließen. Aber auch Wärmepumpentechnologien sind im<br />
Gründerzeitbau möglich. Bestehende Radiatoren können hier auch weiterverwendet<br />
werden. Abhängig von der zuvor gelungenen Energieverbrauchsreduktion<br />
können diese schon ausreichend für eine Beheizung<br />
sein, oder es braucht gegebenenfalls noch weitere Heizflächen, zum Beispiel<br />
etwas größere Radiatoren oder Heizsegel. Bestehende Parkettböden<br />
können so oft verschont bleiben. Bei thermisch völlig ungedämmten<br />
Gebäuden können auch Wärmepumpen in Reihe geschalten werden,<br />
um die notwendigen Temperaturen zu erreichen.<br />
Sanierungsfahrplan/Förderungen<br />
Gibt es nicht ausreichend Investitionen für eine gesamtheitliche Sanierung<br />
am Stück, so ist es dennoch sinnvoll, ein Gesamtkonzept vor Augen<br />
zu haben, welches in Teilschritten umgesetzt werden kann. Solche<br />
gesamtheitlichen Konzepte werden derzeit auch von der Stadt Wien<br />
gefördert. Die dafür zuständige Anlaufstelle ist die Hauskunft.<br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
21
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
ESG in der<br />
<strong>Zinshaus</strong>bewertung<br />
Brennpunkt Bestandgebäude. „Ist es nachhaltig oder nicht?“ – Astrid Grantner-Fuchs,<br />
Geschäftsführerin bei EHL Immobilien Bewertung, spricht im Interview über den Einfluss von<br />
ESG aus Bewertersicht und warum sie zuletzt eine Prüfung zum ÖGNI-Consultant abgelegt hat.<br />
Das Gespräch führte: Lisa Grüner<br />
Das Wiener <strong>Zinshaus</strong> ist Ihre Lieblings-<br />
Asset-Klasse. Warum?<br />
Astrid Grantner-Fuchs: Mich begeistert die<br />
historische Bausubstanz. Bei Besichtigungen<br />
finde ich immer wieder Baudetails oder Ornamente,<br />
die mein Herz höherschlagen lassen.<br />
Darüber hinaus gefällt mir die Beständigkeit<br />
dieser Objekte – in meiner Vorlesung an der<br />
TU ist das <strong>Zinshaus</strong> das klassische Beispiel, um<br />
im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen<br />
Gesamtnutzungsdauer von Gebäuden den<br />
Begriff „fiktives Baujahr“ zu erklären. Ein<br />
solide saniertes und entwickeltes <strong>Zinshaus</strong> ist<br />
für mich eines der besten Beispiele für eine<br />
nachhaltige Immobilienentwicklung.<br />
Was sind die wichtigsten Faktoren, in<br />
denen sich die Nachhaltigkeit aus Ihrer<br />
Sicht widerspiegelt?<br />
Im Wesentlichen sind das drei Faktoren. Zum<br />
Ersten: so einfach es klingt – das Objekt steht<br />
schon da, die Ressourcen, die vor über 100<br />
Jahren verbraucht wurden, sind dort schon<br />
gebunden. Dann sind die Potenziale aus der<br />
Nachverdichtung durch Zu- und Ausbau des<br />
Bestands ein ganz wesentlicher Punkt. Es werden<br />
zwar durch Neuherstellung von Gebäu-<br />
„Wir sind gefordert, da es unsere<br />
zentrale Aufgabe ist, in der<br />
Bewertung den Markt zu<br />
reflektieren.“<br />
deteilen wieder Ressourcen verbraucht, aber<br />
es wird kein weiterer Boden versiegelt und die<br />
Nutzfläche des Bestands kann oft erheblich<br />
vergrößert werden. Dazu kommt als dritter<br />
Punkt der riesige Vorteil der bestehenden<br />
Infrastruktur – Öffi-Anbindung, Nahversorgung<br />
und sonstige soziale Infrastruktur sind<br />
vorhanden – und darauf kann im besten Fall<br />
sogar aufgebaut und das ganze Grätzel positiv<br />
weiterentwickelt werden. Für die öffentliche<br />
Hand sollte allein aus der bloßen Kostensicht<br />
Nachverdichtung oberste Priorität haben.<br />
Astrid Grantner-Fuchs,<br />
EHL Immobilien Bewertung<br />
Nachhaltigkeit ist aber auch unmittelbar<br />
mit dem Thema Energieversorgung<br />
verknüpft. Die meisten Zinshäuser<br />
werden immer noch mit Gas beheizt. Wie<br />
wirkt sich das angesichts der derzeitigen<br />
Energiekrise aus?<br />
Dieses „Schicksal“ der Energieversorgung aus<br />
fossilen Energieträgern teilen sich Zinshäuser<br />
ja grundsätzlich mit dem gesamten<br />
Gebäudebestand. Allein in der Stadt Wien<br />
sollen bis 2040 etwa 400.000 Gasthermen<br />
ausgetauscht werden. Das sind fast 2.000 pro<br />
22 <strong>ImmoFokus</strong>
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
23
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
„Ich bin überzeugt, dass sich<br />
Zinshäuser weiterhin als stabiles<br />
Investment bewähren.“<br />
Monat ab 2023. Das muss man nicht weiter<br />
kommentieren. Im <strong>Zinshaus</strong>bereich stellt<br />
sicher die Umstellung auf Fernwärme eine<br />
praktikable Lösung dar, nur hören wir von den<br />
Entwicklern, dass das nur funktioniert, wenn<br />
die Fernwärme schon vor dem Haus da ist. Das<br />
heißt, Hand in Hand mit diesem ambitionierten<br />
Ziel, aus fossilen Heizsystemen auszusteigen,<br />
müssen auch die entsprechenden<br />
Rahmenbedingungen – wie beispielsweise der<br />
Ausbau des Fernwärmenetzes – geschaffen<br />
werden. Und das ist nur der technische Aspekt<br />
– da sind die ganzen offenen Fragen in Bezug<br />
auf Baurecht, Wohnrecht und Förderungen<br />
noch gar nicht angesprochen. Am Projekt<br />
„Smart Block Geblergasse“ zeigt es sich, dass<br />
Astrid Grantner-Fuchs,<br />
EHL Immobilien Bewertung<br />
es machbar ist, auch im Bestand in Richtung<br />
alternative Energieversorgung zu drehen.<br />
Natürlich müssen die Rahmenbedingungen<br />
stimmen, damit so etwas umgesetzt werden<br />
kann. Es sind jedoch mögliche Zukunftsmodelle.<br />
Jetzt prallen ESG, Green Deal und EU-<br />
Taxonomie auf diese Asset-Klasse ein.<br />
Was bedeutet das für Bewerter?<br />
Gerade in den letzten Jahren haben wir am<br />
<strong>Zinshaus</strong>markt außergewöhnliche Preisentwicklungen<br />
beobachten können. Das hat uns<br />
in der Bewertung durchaus gefordert, zumal<br />
es unsere zentrale Aufgabe ist, in der Bewertung<br />
den Markt zu reflektieren. Im Moment<br />
erleben wir erneut eine herausfordernde<br />
Phase, da die Transaktionen auch im <strong>Zinshaus</strong>bereich<br />
zurückgegangen sind – es ist ein<br />
Abwarten da. 2022 werden die Transaktionszahlen<br />
unter den Niveaus der Jahre zuvor zu<br />
liegen kommen. Das heißt für uns Bewerter,<br />
dass die Evidenz weniger wird. Außerdem<br />
werden einige Transaktionen auch im<br />
<strong>Zinshaus</strong>bereich als Share Deals abgewickelt<br />
und sind dann gar nicht im Grundbuch zu<br />
finden. Derzeit bekommen wir auch mit, dass<br />
sich das Preisniveau, nicht zuletzt aufgrund<br />
der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen,<br />
anpasst und Preise, die bis vor<br />
wenigen Monaten noch aufgerufen wurden,<br />
in der Form wohl nicht mehr bezahlt werden.<br />
Es gibt derzeit viele Unsicherheiten im Markt,<br />
und das muss sich erst wieder einmal stabilisieren.<br />
ESG-Themen spielen im Hinblick auf<br />
die Transaktionsaktivitäten – zumindest im<br />
Moment – in diesem Marktsegment weniger<br />
eine Rolle – vielmehr wirken sich nach wie<br />
vor hohe Baupreise, Inflation und steigende<br />
Zinsen aus.<br />
Welche Rolle spielen die ESG-Kriterien<br />
für Sie als Dienstleister?<br />
Als Dienstleister werden auch wir dahingehend<br />
hinterfragt und geprüft. Bisher war<br />
24 <strong>ImmoFokus</strong>
taxonomiekonformen Objekten wird weiter<br />
steigen und so zu positiveren Bewertungen<br />
solcher Immobilien führen. Die methodische<br />
Abbildung liegt im Ermessen der Gutachter.<br />
im Rahmen einer Bewerter-Due-Diligence<br />
wichtig, wie zum Beispiel das Team aufgebaut<br />
ist, welche Zertifizierungen und Weiterbildungen<br />
wir haben et cetera. Jetzt rücken auch<br />
Themen in Zusammenhang mit ESG in den<br />
Fokus – und das reicht vom Energieverbrauch<br />
im Büro bis zur Mülltrennung. Da müssen wir<br />
uns als Dienstleister entsprechend aufstellen,<br />
um langfristig am Markt attraktiv zu sein.<br />
Für viele unserer Kunden ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />
in den Fokus gerückt,<br />
und da spielt es auch eine Rolle, mit welchen<br />
Dienstleistern sie zusammenarbeiten. Im Hinblick<br />
auf die Immobilien haben wir das gleiche<br />
Thema: Für viele institutionelle Investoren ist<br />
die Erfüllung von Nachhaltigkeitsaspekten<br />
ein Musskriterium geworden, vor allem bei<br />
Neubauprojekten im Ankauf.<br />
Und in Bezug auf die Bewertung?<br />
Wir Bewerter haben ganz generell den<br />
Auftrag, uns laufend fort- und weiterzubilden.<br />
Wir machen selbst zwar keine Gebäudezertifizierung<br />
oder Taxonomiebewertung eines<br />
Objektes, aber wir müssen verstehen, was<br />
taxonomiekonform bedeutet und welche<br />
Kriterien dort eine Rolle spielen. Im Befundteil<br />
eines Gutachtens erfassen wir immer schon<br />
eine Vielzahl an Daten und Fakten, die auch<br />
bei einer Gebäudezertifizierung und in der<br />
EU-Taxonomie abgefragt werden. Aus meiner<br />
Sicht ist es wichtig, diesen Konnex zu verstehen.<br />
Und dafür braucht es die entsprechende<br />
Weiterbildung. Die zentrale Aufgabe in der<br />
Bewertung ist nach wie vor zu erkennen, wie<br />
sich der Markt verhält und welche Trends<br />
sich abzeichnen. Projekte, die insbesondere<br />
für institutionelle Anleger konzipiert sind,<br />
müssen heute taxonomiekonform sein, sonst<br />
werden sie nicht gekauft.<br />
Sie haben ja eben erste eine<br />
Weiterbildung bei der ÖGNI besucht?<br />
Ja, den Consultant-Kurs, die Prüfung habe ich<br />
am 3. Oktober erfolgreich bestanden. Den<br />
Kurs habe ich jetzt nicht gemacht, weil wir in<br />
Zukunft Zertifizierungen in diesem Bereich<br />
anbieten wollen, sondern um die Logik und<br />
Hintergründe besser zu verstehen. Für mich<br />
gab es bei den technischen Details viel Neues<br />
zu lernen.<br />
Wie wird in Bezug auf ESG bewertet?<br />
Ändern sich die Parameter?<br />
Die methodischen Ansätze und Parameter<br />
bleiben grundsätzlich die gleichen. Anpassungen<br />
wird es entsprechend der Sicht der<br />
Marktteilnehmer geben. Die Nachfrage nach<br />
Was erwartet den <strong>Zinshaus</strong>markt 2023?<br />
Das wird ganz wesentlich von der weiteren<br />
Entwicklung äußerer Rahmenbedingungen<br />
abhängen. Gesamtwirtschaftlich sind wir<br />
bereits in einer Rezession und das wird den<br />
Prognosen zufolge auch die nächsten Monate<br />
so bleiben, die BIP-Prognosen für 2023 liegen<br />
nur knapp über einem Null-Wachstum. Wir<br />
haben im Moment eine Vielzahl an Einflussgrößen,<br />
und niemand kann klar einschätzen,<br />
zu welchen Effekten diese komplexe Marktsituation<br />
führt. Steigende Zinsen und straffere<br />
Finanzierungsbedingungen für Konsumenten<br />
haben zu einem Einbruch bei privaten Immobilienfinanzierungen<br />
geführt. Gleichzeitig<br />
sind diese strengeren Regulierungen schon<br />
wieder in Diskussion, und es ist zu erwarten,<br />
dass es hier zu Änderungen kommt, und<br />
die Finanzierung privaten Wohneigentums<br />
wieder erleichtert wird. Die Historie zeigt<br />
aber auch, dass Unsicherheit und steigende<br />
Inflation immer schon zu steigenden Immobilieninvestitionen<br />
geführt haben, und da bin<br />
ich überzeugt, dass sich gerade Zinshäuser<br />
weiterhin als stabiles Investment bewähren<br />
werden.<br />
Astrid Grantner-Fuchs<br />
Astrid Grantner-Fuchs verantwortet seit<br />
über sechs Jahren den Bereich Immobilienbewertung<br />
in der EHL-Gruppe. Sie hat<br />
ein 16-köpfiges Expertenteam aufgebaut<br />
und die EHL Immobilien Bewertung zum<br />
führenden unabhängigen Bewertungsunternehmen<br />
Österreichs gemacht. Frau<br />
Grantner-Fuchs hat Immobilienmanagement<br />
und Bewertung an der TU Wien studiert,<br />
ist zertifizierte Sachverständige und<br />
Mitglied der RICS. Weiters ist sie Vortragende<br />
am ACE der TU Wien, im Vorstand<br />
des Absolventenvereins ImmoABS aktiv<br />
und Mitglied des Salon Real.<br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
25
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
Zum Autor<br />
Wolfgang M. Fessl ist Geschäftsführer bei Reinberg & Partner.<br />
Insgesamt verfügt er über mehr als 20 Jahre Erfahrung im<br />
nationalen und internationalen Immobiliengeschäft.<br />
<strong>Zinshaus</strong> und ESG?<br />
Gelegentlich werden Altbauten als katastrophal dargestellt: keine Dämmung, hohe Räume,<br />
undichte Fenster, energetisch katastrophal. Ist dem wirklich so?<br />
Kommentar: Wolfgang M. Fessl<br />
Fotos: Adobe Stock, Reinberg & Partner<br />
Vorerst: Diese Bauwerke bestehen bereits seit 120 Jahren<br />
oder länger, das ist zumindest doppelt so lang wie die Lebensdauer,<br />
die man einem modernen Zweckgebäude<br />
zuschreibt. Das bedeutet also ein ganz großes Plus<br />
beim E in „ESG“. Nachhaltigkeit war damals, um die<br />
Jahrhundertwende, auch kein Fremdwort, sondern<br />
sogar im Zuge der Bauordnung vorgeschrieben, wie<br />
der Paragraph 27 aus dem Jahr 1859 vorgibt: „Bezüglich<br />
der Nachhaltigkeit wird festgehalten, dass der Bauführer<br />
(ausdrücklich) gute und dauerhafte Materialien verwenden<br />
soll.“ So einfach kann‘s gehen! Ganz ohne Verordnungen und<br />
OIB-Richtlinien.<br />
Auch mit dem S war es damals recht einfach. Dazu muss man sich nur<br />
vor Augen führen, dass Wien vor 100 Jahren schon etwa 2,3 Millionen<br />
Einwohner hatte, und bei weitem nicht so groß war wie heute. Der<br />
Begriff „Bettgeher“ ist heute kaum mehr geläufig. Es hat damals mit<br />
Schichtbelegungen oft gereicht, einzelne, wenn auch kleine, Wohnungen<br />
zur Verfügung zu stellen. ESG um die Jahrhundertwende hat bedeutet:<br />
eine bezahlbare Miete, Wohnungen mit sozial verträglichen ein bis<br />
zwei Zimmern und möglichst keine Brösel mit der Baubehörde.<br />
Möglichkeiten der Energieeffizienz<br />
Man kann also festhalten, dass die Zinshäuser zum Zeitpunkt ihrer<br />
Errichtung ESG-konform waren. Doch wie sieht das heute aus? Die<br />
Kriterien S und G lassen sich durch Maßnahmen im Rahmen der Hausverwaltung<br />
relativ leicht sicherstellen. Schwieriger wird es bei der Energieeffizienz,<br />
doch auch hier gibt es Möglichkeiten.<br />
Sehr einfach, wo es gut zugängliche Hof- oder Freiflächen gibt: Hier können<br />
Tiefenbohrungen angebracht werden, um eine Wärmepumpe zu<br />
speisen. Damit kann so ein Haus hinsichtlich Warmwasser und Heizung<br />
autark werden. Ausgenommen ist die U-Bahn Nähe, denn Tunnel und<br />
Tiefenbohrung vertragen sich nicht. Auch eine Luftwärmepumpe<br />
ist machbar, aber sehr geräuschintensiv und der<br />
Wirkungsgrad ist deutlich geringer. Ebenso ist eine Pelletheizung<br />
umsetzbar, jedoch aufgrund der großformatigen<br />
Bauteile (Schnecke und Kessel) meist nur schwer<br />
einzubauen.<br />
Auch die Nutzung von südseitigen Dachflächen für Photovoltaik-Paneele<br />
ist recht einfach zu bewerkstelligen. Es<br />
gibt jetzt sogar schon Dachziegel, in die die PV-Einheit bereits<br />
integriert ist. Allerdings darf man sich davon nicht zu viel erwarten,<br />
die ausnutzbaren Dachflächen sind in Relation zu den Nutzflächen<br />
im dicht verbauten Gebiet sehr überschaubar. Im Zweifelsfall gehen sich<br />
damit das Stiegenhauslicht und ein Teil des Aufzugbetriebes aus.<br />
Was definitiv nichts bringt ist, die reich gegliederten Fassaden mit<br />
Styropor zu verkleben um die Wärmedämmung der Außenwände zu<br />
erhöhen. Abgesehen vom katastrophalen optischen Eindruck bringt<br />
das auch mehr Probleme als Nutzen – Stichwort Taupunkt und Mauerfeuchte.<br />
Was im Altbau immer schon gemacht wurde: die Innenflügel der schönen<br />
Kastenfenster mit zusätzlichen Dichtungen zu versehen. Die sind<br />
einfach anzubringen, verhindern Zugluft und die verbleibenden Undichtigkeiten<br />
ermöglichen dennoch einen kontinuierlichen Luftaustausch,<br />
um ein angenehmes Raumklima zu erhalten.<br />
Letztlich werden aber bei vielen Häusern, die im dicht verbauten Gebiet<br />
stehen, diese Maßnahmen nur eingeschränkt möglich sein. Hier wird<br />
es darauf ankommen, möglichst schnell eine „saubere“ Fernwärme aus<br />
Wasserkraft, Wind und Sonne zu bekommen, da hierfür die Infrastruktur<br />
schon vorhanden ist und dies im urbanen Bereich die wirtschaftlichste,<br />
und oftmals auch einzige, Lösung ist.<br />
26 <strong>ImmoFokus</strong>
Zum Autor<br />
Herwig M. Peham MRICS ist Bereichsleiter bei EHL<br />
Investment Consulting und in dieser Funktion für Investment-Transaktionen<br />
mit nationalen und internationalen<br />
Investoren verantwortlich.<br />
Immobilieninvestment <strong>Zinshaus</strong> –<br />
Die Chance für das 21. Jahrhundert?<br />
Kommentar: Herwig M. Peham<br />
Das klassische, historische <strong>Zinshaus</strong> ist eine ganz besondere Immobilienklasse!<br />
Einerseits zeichnet es sich durch Beständigkeit über Jahrzehnte,<br />
sogar Jahrhunderte, aus und andererseits durch seine Wandlungsfähigkeit<br />
über eben diesen langen Zeitraum.<br />
Gäbe es nicht gerade beim historischen <strong>Zinshaus</strong>, welches vor 1945<br />
errichtet wurde, nach wie vor sehr strenge Regulierungen betreffend<br />
ansetzbarer laufender Kosten und erlaubter Mietzinse, wäre die Investitionsbereitschaft<br />
so mancher langjähriger, aber auch neuer <strong>Zinshaus</strong>besitzer<br />
noch viel größer. Damit ließen sich auch die Vorzüge vieler attraktiver<br />
Zinshäuser wie ausgezeichnete urbane Lage, gute Bausubstanz,<br />
nachhaltige Baumaterialien, einzigartiger Altbaucharme et cetera durch<br />
die Etablierung im 21. Jahrhundert besser hervorheben und langfristig<br />
nutzen.<br />
Taxonomie als Chance für Zinshäuser<br />
Das Thema EU-Taxonomie und ESG (Environment, Social, Governance<br />
– Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) wird nicht spurlos an<br />
den historischen Zinshäusern vorübergehen (können). Dies kann als Belastung,<br />
aber auch als Chance gesehen werden. Gerade der ökologische<br />
Nachhaltigkeitsaspekt kann von seit ewigen Zeiten bestehenden Gebäuden<br />
besonders positiv erfüllt werden, doch werden dafür auch Investitionen<br />
erforderlich sein. Hier wird die Gesetzgebung gefragt sein, auch die<br />
Rahmenbedingungen wie Mietzinsobergrenzen, Befristungsabschläge,<br />
teilweise nicht verrechenbare Betriebskosten und vieles mehr für historische<br />
Zinshäuser in das 21. Jahrhundert zu überführen.<br />
erfordert, das von Banken aber nicht mehr immer unterstützt wird.<br />
Ohne massiven Einsatz von Eigenkapital bleibt auf Dauer meist nur die<br />
Parifizierung und der Einzelabverkauf nach Sanierung und Dachgeschossausbau<br />
beziehungsweise gleich der Abbruch/Neubau. In diesem<br />
Zusammenhang würde sich eine Anpassung der Rahmenbedingungen<br />
zur Erhaltung des einzigartigen <strong>Zinshaus</strong>bestands in Wien und anderen<br />
Landeshauptstädten sicher sehr positiv auswirken.<br />
Finanzierung: Andere Vorzeichen<br />
Wir von EHL verzeichnen in den letzten drei Jahren aufgrund der weltweiten<br />
Corona-Krise eine verstärkte Nachfrage nach besonders stabilen<br />
Wohninvestments, wenn auch mittlerweile unter geänderten Vorzeichen<br />
bei der Finanzierung. Statt Negativzinsen hat sich die Zinsspirale<br />
stark nach oben geschraubt und eine langfristige Fremdfinanzierung ist<br />
kaum noch darstellbar. Ein <strong>Zinshaus</strong> muss sich jemand wirklich leisten<br />
können, doch sollte es im Sinne der Nachhaltigkeit auch ein attraktives<br />
Investment bleiben.<br />
Fotos: Adobe Stock, EHL<br />
Zinshäuser werden schon lange nicht mehr aufgrund der erzielbaren geringen<br />
Renditen erworben. Sie werden aufgrund ihrer meist besonders<br />
hervorragenden Mikrolagen und der Unwiederbringlichkeit im Bestand<br />
saniert und ausgebaut – um einen Mehrwert zu schaffen, dennoch aber<br />
die Substanz zu pflegen, zu erhalten und idealerweise zu verbessern. Ein<br />
Ziel, welches professionelles Know-how und finanzielle Anstrengungen<br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
27
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
Mietzinsbildung<br />
im Altbau<br />
OGH-Urteile. Der auf Altbauliegenschaften typischerweise lastende Preisschutz des Mietrechtsgesetzes<br />
(MRG) weckt naturgemäß Interesse an Fragen hinsichtlich der zulässigen Mietzinsbildung. Beispielhaft<br />
werden im Folgenden einige Erkenntnisse aus rezenten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (OGH)<br />
zusammengefasst.<br />
Autor: Christoph Kothbauer<br />
Freier Mietzins: Teilausnahme für<br />
Dachbodenausbau setzt Neuschaffung<br />
des gesamtem Mietgegenstands voraus<br />
Eine Teilausnahme vom MRG (und demnach<br />
eine Ausnahme vom mietrechtlichen Preisschutz)<br />
liegt vor, wenn der Mietgegenstand<br />
aufgrund einer nach dem 31.12.2001 erteilten<br />
Baubewilligung durch den Ausbau eines<br />
Dachbodens oder einen Aufbau neu errichtet<br />
worden ist (§ 1 Abs 4 Z 2 MRG). Fraglich ist,<br />
wie Dachbodenausbauten und Aufbauten zu<br />
handhaben sind, die (insbesondere in Gestalt<br />
einer Maisonette) mit darunter (nämlich<br />
im bislang letzten Stockwerk des Altbaus)<br />
befindlichen Altbestand verbunden werden.<br />
Mancherorts (so auch im parlamentarischen<br />
Justizausschussbericht zur Wohnrechtsnovelle<br />
2006) wurde die Meinung vertreten, ein<br />
Dachbodenausbau oder Aufbau sei auch dann<br />
als Teilausnahme vom MRG zu qualifizieren,<br />
wenn im Wege einer Verbindung mit „Altbestand“<br />
kein in sich abgeschlossener neuer<br />
Mietgegenstand geschaffen wird, sofern nur<br />
die dadurch neu geschaffene Nutzfläche größer<br />
ist als jene des alten Teils des verbundenen<br />
Mietgegenstands. Nach Ansicht des OGH<br />
(5 Ob 177/20w) ist diese Auslegung aber nicht<br />
mit dem Wortlaut des Gesetzes (der nämlich<br />
ausdrücklich die Neuerrichtung des Mietgegenstands<br />
fordert) in Einklang zu bringen.<br />
Von einer Schaffung eines neuen Mietgegenstands<br />
könne nach höchstgerichtlicher<br />
Auffassung keine Rede sein, wenn bloß ein<br />
bereits zu Wohnzwecken grundsätzlich geeignetes<br />
Objekt um mehr als 50 Prozent seiner<br />
Nutzfläche vergrößert wird. Werden also<br />
im Zuge des nach dem 31.12.2001 bewilligten<br />
oder erfolgten Dachbodenausbaus oder Aufbaus<br />
in den Mietgegenstand Gebäudeteile<br />
einbezogen, die bereits vor diesem Stichtag<br />
errichtet worden waren und aufgrund ihres<br />
Umfangs sowie ihrer Bedeutung als nicht<br />
bloß völlig untergeordnet bezeichnet werden<br />
können, kommt der Preisschutz des MRG<br />
zum Tragen. Mutatis mutandis gilt dies auch<br />
für den Teilausnahmetatbestand der Neuerrichtung<br />
von Mietgegenständen durch Zubau<br />
aufgrund einer nach dem 30.09.2006 erteilten<br />
Baubewilligung (§ 1 Abs 4 Z 2a MRG).<br />
Angemessener Mietzins:<br />
Standardanhebungen und sonstige<br />
Verbesserungen genügen<br />
bei Altbauwohnungen nicht<br />
Es kann in der Vollanwendung des MRG für<br />
Wohnungen nicht nur dann eine sogenannter<br />
(im Wesentlichen nach Marktmechanismen<br />
zu bildender) angemessener Mietzins<br />
vereinbart werden, wenn sie in nach dem<br />
08.05.1945 baubewilligten Neubauten gelegen<br />
sind (§ 16 Abs 1 Z 2 Fall 1 MRG), sondern<br />
auch dann, wenn sie aufgrund einer nach<br />
dem 08.05.1945 erteilten Baubewilligung<br />
durch Um-, Auf-, Ein- oder Zubau neu geschaffen<br />
worden sind. Nach der Rechtsprechung<br />
des OGH (zuletzt 5 Ob 170/20s) sind<br />
aber Standardanhebungen und sonstige<br />
Verbesserungen (etwa auch im Wege von<br />
Zusammenlegungen) nicht ausreichend,<br />
vielmehr muss der jeweilige Mietgegenstand<br />
zur Gänze neu geschaffen worden sein. Eine<br />
Neuschaffung im erwähnten Sinne liegt nur<br />
dann vor, wenn durch bauliche Maßnahmen<br />
Mietgegenstände gewonnen wurden, die<br />
bisher überhaupt nicht zur Verfügung standen<br />
oder zur Verwendung als Wohnräume<br />
oder Geschäftsräume nicht geeignet waren.<br />
Es muss es sich daher für eine Neuschaffung<br />
um die Gewinnung neuen Raumes und nicht<br />
bloß um eine (noch so aufwendige) bauliche<br />
Umgestaltung schon vorhandenen Raumes<br />
für Wohn- und Geschäftszwecke handeln.<br />
Die Umstrukturierung einer Räumlichkeit<br />
durch das Entfernen und/oder Aufstellen<br />
28 <strong>ImmoFokus</strong>
Christoph Kothbauer<br />
von Zwischenwänden und/oder den Einbau<br />
von zeitgemäßen Sanitärräumlichkeiten und<br />
Versorgungseinrichtungen genügt nicht.<br />
Angemessener Mietzins: Im Falle<br />
denkmalgeschützter Häuser muss der<br />
Aufwand erheblicher Eigenmittel zur<br />
Erhaltung bewiesen werden<br />
Das Wort „Denkmalschutz“ lässt viele Vermieter<br />
frohlocken und nährt ihre Hoffnung<br />
auf eine mietzinsrechtliche Privilegierung<br />
im Altbau. Diese ist aber nicht jedenfalls<br />
gegeben. Voraussetzung dafür, in Gebäuden,<br />
an deren Erhaltung aus Gründen des<br />
Denkmalschutzes öffentliches Interesse<br />
besteht, den sogenannten angemessenen<br />
Mietzins vereinbaren zu dürfen, ist nämlich,<br />
dass der Vermieter unbeschadet der Gewährung<br />
öffentlicher Mittel zur Erhaltung des<br />
Gebäudes nach dem 08.05.1945 erhebliche<br />
Eigenmittel aufgewendet hat (§ 16 Abs 1 Z 3<br />
MRG) und dies auch unter Beweis zu stellen<br />
vermag. Um die Qualität der aufgewendeten<br />
Mittel als „erhebliche Eigenmittel“ beurteilen<br />
zu können, muss über den jeweils maßgeblichen<br />
Verrechnungszeitraum (dies ist der<br />
Zeitraum von 10 Jahren vor der betreffenden<br />
Investition) eine vollständige Hauptmietzins-<br />
Abrechnung gelegt werden (5 Ob 18/22s). Für<br />
den Vermieter ist es häufig recht schwierig,<br />
alle anspruchsbegründenden Tatsachen unter<br />
Beweis zu stellen. Mangels vorhandener<br />
Hauptmietzins-Abrechnungen kann etwa oft<br />
schon der Einsatz von Eigenmitteln nicht ausreichend<br />
bewiesen werden. Selbst wenn dies<br />
noch gelingen sollte, muss darüber hinaus<br />
noch unter Beweis gestellt werden, dass die<br />
zugrunde liegenden Aufwendungen nur für<br />
die Erhaltung des Gebäudes (und nicht etwa<br />
für dessen Verbesserung) aufgewendet wurden,<br />
und dass sie die gesetzlich maßgebliche<br />
Erheblichkeitsschwelle überschritten haben.<br />
Christoph Kothbauer<br />
Mag. Christoph Kothbauer, FH-Dozent und Univ.-Lektor, arbeitet als Vortragender und<br />
Autor für Wohn- und Immobilienrecht in Wien.<br />
Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in einer ausgedehnten Lehr- und Vortragstätigkeit<br />
(ua für die FHW, die Universität Wien, die ÖVI-Immobilienakademie, die ARS,<br />
die WKO, die MANZ-Rechtsakademie sowie im Rahmen von Firmenschulungen und<br />
Inhouse-Seminaren), flankiert von wissenschaftlichen Publikationen und Fachbeiträgen<br />
(ua für die Edition ÖVI sowie die Verlage MANZ und Linde). Er betreut ständige<br />
Kolumnen in den Fachzeitschriften immolex und ZLB (jeweils Verlang MANZ) und ist<br />
Kooperationspartner der EHL Immobilien GmbH.<br />
Soeben ist in der Edition ÖVI unter dem Titel „Mietrecht Österreich“ ein von Christoph<br />
Kothbauer verfasstes umfassendes Handbuch mit einer Gesamtdarstellung der<br />
österreichischen Mietrechts erschienen.<br />
Richtwertmietzins: Erfordernis der<br />
schriftlichen Bekanntgabe der für den<br />
Lagezuschlag maßgebenden Umstände<br />
Im Richtwertsystem für Altbauwohnungen<br />
ist ein Lagezuschlag zum Richtwert nur dann<br />
zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich<br />
die Wohnung befindet, eine Lage aufweist,<br />
die besser als durchschnittlich ist (§ 16 Abs<br />
4 Halbsatz 1 MRG). Sogenannte „Gründerzeitviertel“<br />
sind von einem Lagezuschlag<br />
jedenfalls ausgeschlossen, weil sie schon<br />
kraft gesetzlicher Anordnung als höchstens<br />
durchschnittlich einzustufen sind (§ 2 Abs 3<br />
RichtWG). Siehe zur (Über-)Durchschnittlichkeit<br />
einer Wohnumgebung die mittlerweile<br />
umfangreiche „Referenzgebietsjudikatur“<br />
des OGH, ausgehend von der „Leitentscheidung“<br />
5 Ob 74/17v: In Wien ist als Referenzgebiet<br />
für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit<br />
der Lage eines Hauses auf jene Teile<br />
des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die<br />
einander nach der Verkehrsauffassung in<br />
ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und<br />
(daher) ein einigermaßen einheitliches<br />
Wohngebiet bilden (RIS-Justiz-Rechtssatz<br />
RS0131812). Außerdem müssen die für den<br />
Lagezuschlag maßgebenden Umstände dem<br />
Mieter in Schriftform bis spätestens bei Zustandekommen<br />
des Mietvertrags schriftlich<br />
bekanntgegeben worden sein (§ 16 Abs 4<br />
Halbsatz 2 MRG). Einer Unterfertigung der<br />
schriftlichen Information bedarf es nicht, die<br />
bloße Textform ist ausreichend (5 Ob 71/16a).<br />
Hinsichtlich der jedenfalls erforderlichen<br />
Bekanntgabe der für den Lagezuschlag maßgeblichen<br />
Umstände reicht es aus, wenn im<br />
Mietvertrag schlagwortartig entsprechende,<br />
den Wohnwert des Hauses beeinflussende<br />
Kriterien angeführt werden. Es ist hierbei<br />
kein allzu strenger Maßstab anzulegen<br />
(vgl RIS-Justiz Rechtssätze RS0114796 und<br />
RS0111820). Ob die von der Vermieterin als<br />
zuschlagsbegründend angesehenen Kriterien<br />
auch tatsächlich vorliegen und einen Lagezuschlag<br />
rechtfertigen, ist für das Formalerfordernis<br />
der Bekanntgabe nicht relevant.<br />
Dies ist vielmehr eine Frage der materiellen<br />
Berechtigung des Lagezuschlags und erst im<br />
weiteren Mietzinsüberprüfungsverfahren zu<br />
klären (5 Ob 143/21x).<br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
29
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
Zum Autor<br />
Peter Wirth ist Geschäftsführender Gesellschafter der<br />
Bluesave Consulting GmbH, sowie ÖGNI zertifizierter EU-<br />
Taxonomy Advisor und DGNB Auditor.<br />
Raus aus Gas –<br />
für den Erfolg des EWG zählt die letzte Meile!<br />
Kommentar: Peter Wirth<br />
Jeder Eigentümer und Verwalter weiß um die Herausforderung,<br />
eine Sanierung auf allgemeinen Teilen des Hauses abzuwickeln. Wer<br />
eine Sockelsanierung noch dazu mit der Sanierung einzelner Wohnungen<br />
im Huckepackverfahren bewerkstelligt hat, weiß Geschichten<br />
über Land und Leute zu erzählen.<br />
Die fossilen Energieträger zu ersetzen, bedeutet Eingriff in jede Wohnung:<br />
im Bereich der Heizung, des Warmwasser und – nicht zu vergessen<br />
– der Kochstelle.<br />
Die Energieversorgung mit Gas und Strom betrifft alle Mieter und<br />
Wohnungseigentümer (natürlich auch die Mieter der Wohnungseigentümer).<br />
Jeder Mieter oder Wohnungseigentümer kann auf Kosten des Eigentümers<br />
oder der Eigentümergemeinschaft darauf bestehen, die Versorgungsleitungen<br />
im Bestand bis zum letztmöglichen Zeitpunkt eines<br />
gesetzlichen Umstellungszwanges aufrechterhalten zu lassen.<br />
Gefahr: Zeitverlust<br />
Die erforderlichen Duldungspflichten des Mieters und Wohnungseigentümers<br />
für eine einheitliche Umstellung des Hauses kann nicht aus<br />
dem Umstellungsgebot des § 11 Erneuerbaren-Wärme-Gesetz (EWG)<br />
rechtsverbindlich abgeleitet werden – es besteht damit die Gefahr des<br />
Zeitverlusts beim Start der Umsetzung. Infolge einer möglichen Rechtsunsicherheit<br />
bewirkt erst die Judikatur Jahre später die erforderliche<br />
Rechtssicherheit.<br />
Vielfältige Einspruchsmöglichkeiten<br />
Aufgrund der wohnrechtlichen Entscheidungsvorgänge ergeben sich<br />
vielfältige Einspruchsmöglichkeiten für alle Beteiligten bei Schlichtungsstellen,<br />
Außerstreitgerichten und Gerichten.<br />
Das stellt sowohl eine finanzielle als auch eine technische Herausausforderung<br />
dar. Es gibt weder unbeschränkten Platz für neu gestemmte<br />
Steigleitungen, noch sind Steigschächte für Doppelversorgungen ausgelegt.<br />
Foto: Adobe Stock<br />
Zeittechnisch nicht zu unterschätzen sind die rechtsberatenden Organisationen,<br />
Rechtsvertretern, Behördenvertreter, Richter und Sachverständige<br />
– je unklarer die Rechtslage, umso mehr besteht Bedarf an<br />
den genannten Mitspielern.<br />
Die Eigentümer oder Eigentümergemeinschaft kann vieles beschließen<br />
– der einzelne Mieter und der Wohnungseigentümer haben die<br />
faktische Verfügung über die Bestandseinheit. Ein Anschlusszwang<br />
an die neue Wärme und Stromversorgung besteht derzeit nicht.<br />
Bei der derzeitigen Rechtslage ist am Ende des Tages faktisch Einstimmigkeit<br />
gefordert – also am Tag der Umsetzung, beim Zugang<br />
zur Wohnung und beim Eingriff in die Versorgungsleitungen des<br />
Nutzers.<br />
Jeder Bewohner, der durch Sanierungsarbeiten finanziellen Schaden<br />
erleidet, hat Anrecht auf Schadenersatz (z.B. Einbauschränke, Durchbrüche,<br />
Malerei, Ersatz nicht geeigneter Heiz- und Hochgeräte) und das<br />
kann teuer werden. Der Eintrittspunkt in das bestehende Leitungsnetz<br />
der Wohnung sollte daher besonders sorgfältig geplant werden.<br />
„Der von der Politik geplante Ausstieg aus Gasheizungen in Wohnungen<br />
und Wohnhäusern bis zum Jahr 2040 würde die rund 910.000 betroffenen<br />
Haushalte bis zu 84 Milliarden Euro kosten,“ so berechnet von Anna<br />
Kleissner, Wirtschaftsforscherin von Econmove berechnet (Presse 5.12)<br />
Keine Zwei-Drittel-Mehrheit<br />
Im November hat die Bundesregierung das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz<br />
(EWG) im Ministerrat beschlossen, welches den Ausstieg aus Gas-<br />
30 <strong>ImmoFokus</strong>
heizungen bis 2040 und aus Ölheizungen bis 2035 vorsieht – geplantes<br />
Inkrafttreten 2023. Derzeit liegt die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit<br />
noch nicht vor, ein Inkrafttreten Mitte des nächsten Jahres ist derzeit<br />
realistisch.<br />
Die politische Idee eines mietrechtlichen Abschlages für Wohnungen<br />
mit fossilen Brennstoffen mutet seltsam an, wenn man Eigentümer begleitet,<br />
welche das EWG umzusetzen versuchen, aber zurzeit am Wohnrecht<br />
scheitern.<br />
Für den gemeinschaftlichen Umstieg auf alternative Heizsysteme wäre<br />
umgekehrt auch ein mietrechtlicher Zuschlag für „Verhinderer“ anzudenken.<br />
Ja, die Politik wird wohl zur Umsetzung des Gemeinschaftsprojektes<br />
„Raus-aus-Gas“ die Individualrechte Einzelner einschränken müssen!<br />
Wird man sich das trauen oder die Umsetzung zukunftsträchtiger<br />
Herausforderungen und Entwicklungen weiter verlangsamen und<br />
behindern?<br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
31
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong><br />
Das Erste seiner Art<br />
Gewusst wie. Eine Gründerzeit-Immobilie in der Linzer Straße kann unter anderem dank zentraler Pelletsund<br />
Wärmepumpenanlage vollständig energieautark betrieben werden. Ein Lokalaugenschein.<br />
Autor: Amelie Miller<br />
D<br />
as Problem ist bekannt. Die<br />
Treibhausgas-Emissionen im<br />
Gebäudesektor sind immens.<br />
Allein ein Drittel der globalen<br />
Treibhausgasemissionen stammt aus dem Gebäudesektor.<br />
In Österreich etwa machen Raumwärme<br />
und Warmwasser rund ein Drittel des<br />
Endenergieverbrauchs aus. Somit ist der Gebäudesektor<br />
unumstritten zentraler Hebel zur Erreichung<br />
der Klimaziele von Paris. Ganz zu<br />
schweigen, wenn es um das klassische Wiener<br />
<strong>Zinshaus</strong> geht. Die Lösung lautet Sanierung,<br />
denn rund drei Viertel der Gebäude in Österreich<br />
wurden vor 1990 errichtet. Laut einer Erhebung<br />
des Klima- und Energiefonds gelten aus energetischer<br />
Sicht ganze 60 Prozent davon als sanierungsbedürftig.<br />
Aber wie bekommt man den<br />
Bestand klimafit?<br />
Wer sich auf die Suche nach einem erfolgreich<br />
sanierten <strong>Zinshaus</strong> im urbanen Raum begibt,<br />
wird in der Linzer Straße 111 im 14. Wiener<br />
Gemeindebezirk fündig. Hier wurde im Jahr<br />
1888 eine Gründerzeit-Immobilie errichtet,<br />
die heute, nach einer umfangreichen Generalsanierung<br />
in den Jahren 2005/2006 sowie<br />
2021 mit gutem Recht als sogenanntes Best-<br />
Practice-Bespiel bezeichnet werden kann.<br />
Für den Eigentümer der Immobilie Leo Patrick<br />
Schembera, CEO und Eigentümer der Pentas<br />
Investment Group, steht jedoch fest: „Wenn<br />
die Voraussetzungen damals, als ich das Haus<br />
gekauft habe, nicht schon da gewesen wären,<br />
hätte ich es vermutlich nicht gemacht.“ Was<br />
Schembera damit meint? Bereits der Vorbesitzer<br />
des <strong>Zinshaus</strong>es hat die Basis für eine<br />
wärme- und energieautarke Versorgung der<br />
damals insgesamt 28 Einheiten geschaffen,<br />
indem er im Keller des Gebäudes eine Wärmepumpe<br />
einbauen ließ.<br />
Gezielte Energiesparmaßnahmen<br />
Im Zuge der Generalsanierung ließ Schembera<br />
nicht nur das Dachgeschoß mit sechs dreistöckigen<br />
Einheiten ausbauen, sondern zusätzlich<br />
eine hauseigene Pelletsanlage einbauen.<br />
Die Suche nach den Professionisten, um das<br />
<strong>Zinshaus</strong> energieautark zu bekommen, war<br />
für Schembera kein Problem, da er die Kontakte<br />
und Empfehlungen bereits vom Vorbesitzer<br />
hatte. Die Kosten für die Maschinen im<br />
Heizkeller belaufen sich auf ca. 7.000 Euro,<br />
die jährlichen Wartungskosten liegen bei ca.<br />
1.000 Euro.<br />
32 <strong>ImmoFokus</strong>
„Wenn die Voraussetzungen damals<br />
für ein energieautarkes <strong>Zinshaus</strong><br />
nicht schon da gewesen wären, hätte<br />
ich es vermutlich nicht gemacht.“<br />
Zusätzlich wurden Solarpaneele auf dem Dach<br />
installiert. Diese versorgen die Allgemeinflächen<br />
mit Strom. Die Kühlung der Dachgeschoßeinheiten<br />
in heißen Sommermonaten<br />
erfolgt mittels Grundwasser-Kältepumpen.<br />
Sämtliche Fenster wurden gegen großflächige<br />
Alu-Glas-Fenster ausgetauscht und alle südseitigen<br />
Terrassen- und Fensterelemente mit<br />
elektrischen Außenjalousien ausgestattet.<br />
Leo Patrick Schembera,<br />
Pentas Investment Group<br />
Theorie vs. Praxis<br />
Um den tatsächlichen Energieverbrauch messen<br />
zu können und um schnell und gezielt<br />
auf mögliche Probleme an der Heizanlage<br />
reagieren zu können, setzt Schembera auf die<br />
sogenannte ECO Building Software. Eine App,<br />
die nicht nur der Hausverwaltung zur Verfügung<br />
steht, sondern auch den Bewohnern<br />
der jeweiligen Dachgeschoßwohnungen. Je<br />
Wohneinheit gibt es einen separaten, fernablesbaren<br />
Wärmemengen-Subzähler, der eine<br />
Abrechnung außerhalb des Heizkostenabrechnungsgesetzes<br />
(HeizKG) ermöglicht.<br />
Ganze 15 Tonnen Pellets lassen sich im Keller<br />
lagern. Aktuell herrscht hier aber gähnende<br />
Leere, da die Preise für Pellets stark gestiegen<br />
sind und das Heizen mit Gas aufgrund eines<br />
Drei-Jahres-Vertrags paradoxerweise aktuell<br />
sogar günstiger ist. Nach Ablauf des Vertrags<br />
will Schembera aber komplett auf die Pelletsheizung<br />
umstellen – das sei innerhalb kürzester<br />
Zeit möglich, versichert er.<br />
Auf die Frage, wann das nächste Vorzeigeprojekt<br />
im energieautarken Bestand in Angriff<br />
genommen wird, antwortet Schembera:<br />
„Wer weiß, was in 18 Jahren ist. Wahrscheinlich<br />
werden viele es in Kauf nehmen, Strafe<br />
zu zahlen statt umzurüsten.“ Er könnte<br />
Recht behalten. <br />
<strong>Zinshaus</strong> <strong>Special</strong> 2022<br />
33
<strong>ImmoFokus</strong>.Rubrik<br />
IMPRESSUM<br />
Vorschau<br />
Lesen Sie im <strong>ImmoFokus</strong><br />
Ausgabe 01/2023<br />
Zerifikate am Prüfstand. Das große Interview mit ..., Zu<br />
Tisch mit ... Welche Rolle spielen Gebäudezertifizierung,<br />
Zertifikate im Vergleich, Klimaneutralität & CO2-<br />
Bilanzierung - MIPIM - SnapShot Immobilienmarkt<br />
- Die Projekt-Pipeline Österreich 2023, Nachhaltige<br />
Energiequellen: Nationale & Internationale Best in Class-<br />
Projekte. Die große <strong>ImmoFokus</strong> Umfrage ...<br />
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Herausgeber<br />
Mag. Michael Neubauer<br />
Chefredaktion<br />
Mag. Lisa Grüner<br />
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Sophie Frenzel<br />
Lektorat<br />
Dr. Melanie Knünz<br />
Michaela Hocek<br />
Ingeborg Morawetz, BA<br />
Autoren dieser Ausgabe<br />
Mag. Patrick Baldia,<br />
Mag. Lisa Grüner, Amelie Miller, BA,<br />
Mag. Michael Neubauer, sowie die Kommentatoren<br />
ERSCHEINUNGSTERMIN: Februar 2023<br />
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