Zukunft Forschung 02/2022
Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck
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HOLZBAU<br />
und der HTL Imst entstand ein transportables<br />
Mock-Up einer Wohnanlage der<br />
Gebäudeklasse 5 in Massivholzbauweise,<br />
anhand dessen Holzlösungen bis ins Detail<br />
anschaulich dargestellt werden.<br />
Holz-Lösungen<br />
„Geht es um Holzbau, hört man vor allem<br />
zwei Vorbehalte: Holz ist hellhörig und<br />
Holz brennt“, weiß Kraler. Kein Wunder<br />
also, dass sich der Holzbauexperte<br />
intensiv mit diesen Themen befasst. Im<br />
Betonbau regelt die Masse des Materials<br />
den Luftschallschutz, vergleichbare Massewerte<br />
mit Holz wären nur mit extrem<br />
dicken Wänden erreichbar – und daher<br />
aufgrund des Raumverlusts wirtschaftlich<br />
nicht umsetzbar. Im Holzbau setzt<br />
man daher auf Mehrschaligkeit. „Ähnlich<br />
wie bei Skirennen. Zwei, drei Fangnetze<br />
hintereinander federn den Sturz eines<br />
Läufers ab“, zieht Kraler einen sportlichen<br />
Vergleich. Mit Feder-Masse-Systemen<br />
lässt sich, so zeigen die Erfahrungen, der<br />
gesetzlich vorgeschriebene, in Österreich<br />
sehr strenge Luftschallschutz einhalten.<br />
„Auch für den Trittschallschutz können<br />
wir Lösungen anbieten“, führt der Wissenschaftler<br />
weiter aus. Um Trittschall zu<br />
vermeiden, benötigt es immer eine Mehrschaligkeit.<br />
Im Betonbau kommt Styrolose<br />
als Schüttmaterial zum Einsatz – für Holz<br />
ist der Kunststoff zu leicht, man bedient<br />
sich daher eines Naturmaterials: Kies.<br />
„Beim mehrgeschoßigen Holzwohnbau<br />
in der Innsbrucker Schützenstraße, den<br />
ich 2006 mitbetreuen durfte, kam erstmals<br />
Kies zum Einsatz. Heute ist es Standard“,<br />
erinnert sich Kraler.<br />
Auf Lösungen kann der Holzbau auch<br />
im Brandschutz verweisen. Holz brennt,<br />
logisch, wenn aber, dann gleichmäßig<br />
und langsam – und dieses Brandverhalten<br />
kann genau berechnet und eingeschätzt<br />
werden. Verlangt etwa die Statik eines Gebäudes<br />
zehn Zentimeter dicke Holzwände<br />
und das Abbrennverhalten des Holzes beträgt<br />
zwei Zentimeter in 30 Minuten, bedeutet<br />
dies, dass mit einer zwölf Zentimeter<br />
dicken Wand die Statik des brennenden<br />
Gebäudes für mindestens eine halbe Stunde<br />
gewährleistet ist. „Brandschutz zielt ja<br />
primär darauf ab, dass ein Gebäude lange<br />
genug stehen bleibt, damit Mensch und<br />
Tier es im Brandfall sicher verlassen können“,<br />
erläutert Kraler: „Es geht um Brandverhalten<br />
und Feuerwiderstand. Dafür<br />
können wir Lösungen bieten.“<br />
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HOLZBAU-MOCK-UP ON TOUR: Im<br />
Rahmen des Interreg-Projekts BIGWOOD<br />
entstand ein Vorführmodell der anderen<br />
Art. 1 Ein klassisches Rendering zeigt einen<br />
mögliche Wohnanlage der Gebäudeklasse 5<br />
in Massivholzbauweise. 2 Schülerinnen<br />
und Schüler der HTL Imst und proHolz Tirol<br />
konstruierten in Zusammenarbeit mit der<br />
Universität Innsbruck das entsprechende<br />
Mock-Up. 3 + 4 Das Mock-up ist<br />
zerlegbar und zeigt Strukturen wie z.B.<br />
Rahmenbauweise oder Holzschichten 5 Für<br />
Wohnbauträger, Planer und Architekten<br />
werden die angewandten Lösungen<br />
inklusive möglicher Materialien im Detail<br />
präsentiert.<br />
Lösungen für Objekte der Gebäudeklasse<br />
5, die von Kraler und seinen Projektmitarbeitern<br />
Julian Meyer und Benjamin<br />
Wolf intensiv mit Bauträgern sowie<br />
Expertinnen und Experten aus Architektur,<br />
Ingenieurwesen und Holzbau diskutiert<br />
und auch auf Wirtschaftlichkeit<br />
hinterfragt wurden. Das Ergebnis ist ein<br />
Online-Tool, das detaillierte Holzbau-Lösungen<br />
für Wände, Decken, Balkone, Terrassen,<br />
Fensteranschlüsse etc. bietet. „Immer<br />
mit spezieller Berücksichtigung der<br />
Komponenten Statik, Schall- und Brandschutz.<br />
Ein weiteres Augenmerk liegt<br />
auf dem Wärme- und Feuchteschutz“,<br />
beschreibt Kraler das Projektergebnis,<br />
das auch Vorschläge für Beschaffenheit<br />
und Qualität der zu verwendenden Materialien<br />
beinhaltet. Für ihn ist das Tool<br />
eine Argumentationshilfe, um Bedenken<br />
gegen einen mehrgeschoßigen Holzbau<br />
„fachlich fundiert zu entkräften“.<br />
Veranschaulicht werden die Holzbau-<br />
Lösungen mit dem Mock-Up. Das mittels<br />
3D-Druck von Schülerinnen und Schülern<br />
der HTL Imst sowie von proHolz Tirol gebaute<br />
Modell lässt sich leicht zerlegen und<br />
eröffnet so Blicke auf unterschiedliche<br />
Strukturen und Holzschichten, auf die<br />
Rahmenbauweise, auf Fenster, Fassaden<br />
und weitere Details. Mittels QR-Codes auf<br />
Infoflyern, so der Plan, geht‘s dann direkt<br />
zum Online-Tool. Seit Spätherbst 2<strong>02</strong>2 ist<br />
das Mock-Up auf Tour und kommt auf<br />
Veranstaltungen von Projekt- und assoziierten<br />
Partnern wie der HTL Imst oder<br />
dem Netzwerk Passivhaus zum Einsatz –<br />
und soll helfen, Vorurteile, Bedenken und<br />
Barrieren gegenüber mehrgeschoßigem<br />
Holzbau abzubauen.<br />
ah<br />
zukunft forschung <strong>02</strong>/22 37