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Zukunft Forschung 02/2022

Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck

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INFORMATIK<br />

DER ROBOTER LERNT, von einer gelernten<br />

Bewegung auf ähnliche Bewegungen<br />

zu generalisieren.<br />

von A nach B zu legen. Soll er ihn aber mit<br />

der gleichen Bewegung nach dem weiter<br />

entfernten C legen, weiß er nicht, was zu<br />

tun ist. Er hat diese – längere – Bewegung<br />

im Training nicht gesehen.“ Dem Roboter<br />

fehlt die Fähigkeit, zu extrapolieren, sich<br />

aus Bekanntem Neues zu erschließen.<br />

Um diese Fähigkeit zu verbessern, setzt<br />

Piaters Team auf ein anderes künstliches<br />

neuronales Netzwerk (KNN) als üblich.<br />

Ein KNN besteht aus künstlichen Neuronen<br />

(Units), die über mehrere Eingänge Informationen<br />

als reale Zahlenwerte erhalten<br />

und diese mit einem Faktor multiplizieren.<br />

Die Resultate werden summiert und ergeben<br />

das Aktionspotenzial der Unit. „In<br />

sogenannten Equation Learner Networks<br />

berechnen Units hingegen ausdrucksstärkere<br />

Funktionen. Nicht die Summe, sondern<br />

z. B. das Produkt von zwei Eingängen.<br />

Oder die Sinusfunktion von lediglich<br />

einem Eingang“, erklärt Piater. Der Hintergedanke<br />

dabei: „Viele reale physikalische<br />

Prozesse sind durch derartige Funktionen<br />

beschrieben. Daher sollten wir auch solche<br />

Funktionen für die Repräsentation dieser<br />

Prozesse verwenden, damit die Repräsentation<br />

die realen physikalische Prozesse<br />

möglichst genau widerspiegelt.“ Darauf<br />

fußte die Annahme der Informatiker, dass<br />

Roboter mit Equation Learner Networks<br />

besser extrapolieren können. Und die Annahme<br />

konnten sie in der Simulation und<br />

im Praxisversuch bestätigen – obwohl der<br />

Roboter diese Bewegung nicht gelernt hatte,<br />

bewegte er den Stift von A nach C. Genauer<br />

gesagt: Nicht ganz bis nach C.<br />

„Im Prinzip funktionierte die Exploration<br />

auf die größere Strecke sehr gut. Es<br />

kam allerdings zu systematischen Abweichungen“,<br />

räumt Piater ein. Es zeigte<br />

sich, dass der Roboter die neue, weitere<br />

Bewegung zwar ausführen konnte, je<br />

weiter sie aber wurde, desto größer wurden<br />

die Abstände zum eigentlichen Ziel.<br />

Die Lösung fand Matteo Saveriano, ein<br />

inzwischen an der Università di Trento<br />

tätiger Mitarbeiter Piaters, gemeinsam<br />

mit Dissertant Héctor Pérez Villeda. „Sie<br />

entwickelten mit Hilfe von Quadratic<br />

Programing eine Methode, die gezeigte<br />

Bedingungen imitiert und dabei Randbedingungen<br />

erfüllt“, erläutert Piater. Dem<br />

Roboter werden Bewegungen gezeigt, die<br />

er lernt, zu rekonstruieren – inklusive der<br />

festgelegten Bedingung, dass die Bewegung<br />

von einem Anfang bis zu einem Ende<br />

reichen muss. In Kombination mit der<br />

erlernten Explorationsfähigkeit aus dem<br />

ersten Schritt gelingt es dem Roboter nun<br />

tatsächlich, den Stift von A nach C zu bewegen<br />

– egal, wie weit entfernt C auch ist.<br />

Robotik & Affordanzen<br />

Auf die Kollaboration mit Menschen<br />

zielt mit ELSA, kurz für Effective Learning<br />

of Social Affordances for Human-Robot<br />

Interaction, ein anderes Innsbrucker<br />

Robotik-Projekt ab. In französisch-österreichischer<br />

Zusammenarbeit wollen Forscherinnen<br />

und Forscher aus Informatik<br />

und Psychologie Robotern beibringen,<br />

sogenannte Affordanzen zu erkennen.<br />

„Der Begriff stammt aus der Psychologie<br />

und bezeichnet Aktionsmöglichkeiten,<br />

die ein Objekt einem Aktor bietet. In EL-<br />

SA haben wir den Begriff auf die soziale<br />

Ebene erweitert, nämlich auf Menschen,<br />

die ihrem Umfeld Interaktionsmöglichkeiten<br />

anbieten“, erklärt Piater. Durch<br />

das Erkennen solcher Affordanzen sollen<br />

Roboter lernen, mit ihrem menschlichen<br />

Umfeld zielgerichteter zu interagieren:<br />

„Menschen haben unterschiedliche Fähigkeiten,<br />

zum Beispiel, wenn sie bestimmte<br />

Werkzeuge bei sich haben. Jemanden mit<br />

einer Schere kann ein Roboter bitten, ein<br />

Blatt Papier durchzuschneiden. Die gleiche<br />

Bitte ohne Schere in der Nähe ergibt<br />

aber keinen Sinn, das muss ein Roboter<br />

allerdings auch begreifen“, erläutert Piater.<br />

Das bis 2<strong>02</strong>6 laufende Projekt, angesiedelt<br />

am Institut für Informatik und am<br />

„Digital Science Center“ (DiSC) der Uni<br />

Innsbruck, soll das Handlungsrepertoire<br />

von Robotern in Zusammenarbeit mit<br />

Menschen deutlich erweitern.<br />

Ein weiterer Schritt also zum humanoiden<br />

Roboter, wie ihn Čapek in R. U. R. konzipierte?<br />

„Aus wissenschaftlicher Sicht ist<br />

es extrem interessant, daran zu arbeiten.<br />

Wir lernen dabei viel über Intelligenz,<br />

Autonomie und wie der Mensch funktioniert“,<br />

sagt dazu Piater: „Ob aber jemals<br />

humanoide Roboter im Einsatz sein werden,<br />

ist offen, da die Komplexität immens<br />

ist. Möglicherweise kommt man mit spezialisierten<br />

Robotern viel weiter.“ ah<br />

JUSTUS PIATER (*1968 in Bremen) studierte<br />

Informatik an der TU Braunschweig<br />

sowie der Universität Magdeburg und<br />

schloss 1994 mit dem Diplom ab. An<br />

der University of Massachusetts machte<br />

er einen M. Sc. (1998) und einen Ph. D.<br />

(2001) in Computer Science. Nach einer<br />

Zeit als PostDoc am <strong>Forschung</strong>sinstitut<br />

INRIA Rhône-Alpes wechselte er 20<strong>02</strong> an<br />

die Université de Liège in Belgien. 2010<br />

wurde er an das Institut für Informatik<br />

der Universität Innsbruck berufen, wo er<br />

die Arbeitsgruppe Intelligent and Interactive<br />

Systems leitet.<br />

zukunft forschung <strong>02</strong>/22 29

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