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Zukunft Forschung 02/2022

Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck

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WIRTSCHAFT<br />

DIE VIRTUALISIERUNG<br />

VON ORGANISATIONEN<br />

Andreas Eckhardt forscht zur <strong>Zukunft</strong> der Arbeit und untersucht, wie virtuelle<br />

Organisationen Unternehmen helfen können, auf die Herausforderungen unserer Zeit zu reagieren.<br />

Klimakrise, Fachkräftemangel, immer<br />

kürzer werdende Entwicklungszyklen<br />

und eine Arbeitswelt,<br />

die immer digitaler wird – auf alle diese<br />

Entwicklungen müssen Unternehmen<br />

aktuell reagieren. Eine Lösung, mit diesen<br />

Herausforderungen umzugehen,<br />

sieht Andreas Eckhardt, Professor für<br />

Wirtschaftsinformatik, in der virtuellen<br />

Organisation. „Darunter ist eine Organisationsform<br />

zu verstehen, die primär in<br />

der virtuellen Welt existiert. Die Belegschaft<br />

arbeitet dabei komplett virtuell,<br />

zeitlich und örtlich ungebunden, Firmengebäude<br />

und Büros gibt es nahezu nicht<br />

mehr“, so Eckhardt, der am Institut für<br />

Wirtschaftsinformatik, Produktionswirtschaft<br />

und Logistik der Universität Innsbruck<br />

forscht.<br />

Diese Organisationsform funktioniert<br />

bereits vor allem für Unternehmen des<br />

Informationssektors, die Wissensarbeiter*innen<br />

beschäftigen, wie beispielsweise<br />

Programmierer*innen, Designer*innen<br />

oder Texter*innen. Doch für<br />

Eckhardt ist die virtuelle Organisation<br />

langfristig auch in anderen Branchen<br />

denkbar: „Im Austausch mit Firmen<br />

bemerke ich häufig noch Vorbehalte<br />

gegenüber einer Virtualisierung der eigenen<br />

Organisation. Die digitale Transformation<br />

ist jedoch nicht mehr aufzuhalten<br />

– sie findet statt, egal ob einzelne<br />

Unternehmen mitmachen oder nicht.<br />

Auch Industrie-Produkte und deren Fertigung<br />

werden immer digitaler, es gibt<br />

sogar bereits erste virtuelle Fabriken, in<br />

denen ausschließlich Roboter in der Fertigung<br />

agieren und Menschen nur noch<br />

die Prozesskontrolleure sind. Meiner<br />

Meinung nach ist es nur eine Frage der<br />

Zeit, bis sogenannte First-Mover auch in<br />

der Produktion vollständig virtuell agieren<br />

und so den Weg für weitere Unternehmen<br />

bereiten.“<br />

Neue Arbeitswelt<br />

Dabei bringt der Schritt in die digitale<br />

Welt diverse Vorteile mit sich: Sind Mitarbeiter*innen<br />

nicht mehr an einen bestimmten<br />

Ort gebunden, erweitert das<br />

den Radius für Unternehmen, geeignete<br />

Fachkräfte zu finden. Wegfallendes<br />

Pendeln und das Einstellen von Reisetätigkeiten<br />

wirken sich positiv auf die<br />

CO 2 -Bilanz aus, und insgesamt können<br />

virtuelle Unternehmen sich schneller und<br />

kostengünstiger auf neue Anforderungen<br />

einstellen. Wie die Transformation hin zu<br />

einer virtuellen Organisation gelingen<br />

kann, daran forscht Eckhardt bereits seit<br />

2017. Konkret beschäftigt er sich unter<br />

anderem damit, wie Mitarbeiter*innen<br />

darauf vorbereitet werden können, sich<br />

in einer virtuellen Organisation zurechtzufinden.<br />

„Dass Menschen aus dem Homeoffice<br />

arbeiten, das gibt es nicht erst seit dem<br />

Beginn der Corona-Pandemie. Die Literatur<br />

zu virtuellen Teams geht zurück<br />

bis in die 1980er-Jahre. In einer meiner<br />

Studien, die Ende 2019 erschienen ist,<br />

habe ich gemeinsam mit Kolleg*innen<br />

ein dreistufiges Modell präsentiert, wie<br />

ANDREAS ECKHARDT ist seit 2<strong>02</strong>0<br />

Universitätsprofessor für Wirtschaftsinformatik<br />

am Institut für Wirtschaftsinformatik,<br />

Produktionswirtschaft und Logistik<br />

der Universität Innsbruck. Er promovierte<br />

und absolvierte seine akademische Ausbildung<br />

an der Goethe-Universität in<br />

Frankfurt am Main. Neben der Virtualisierung<br />

von Organisationen forscht er<br />

zu Themen wie Cybersecurity, Electronic<br />

Commerce sowie der ethischen Entwicklung<br />

und Nutzung von IT-Systemen. Vor<br />

seiner akademischen Laufbahn arbeitete<br />

er als Projektmanager für DaimlerChrysler<br />

Taiwan in Taipeh.<br />

die vollständige Virtualisierung der eigenen<br />

Organisation gelingen kann. Kurz<br />

darauf kam die Corona-Pandemie und<br />

unser Gedankenkonstrukt wurde plötzlich<br />

Realität“, berichtet Eckhardt. Heute,<br />

drei Jahre später, haben viele Arbeitnehmer*innen<br />

sich an das flexible Arbeiten<br />

aus dem Homeoffice gewöhnt. Unternehmen<br />

stehen nun vor dem Problem,<br />

dass sie ihre Belegschaft wieder zurück<br />

in die Büros holen müssen, obgleich viele<br />

Arbeitnehmer*innen dies gar nicht<br />

mehr wollen. Schuld daran sind nicht<br />

zuletzt auch die – derzeit stark steigenden<br />

– Kosten für die Bereitstellung und<br />

das Heizen von Bürogebäuden, welche<br />

Unternehmen rechtfertigen müssen.<br />

Hinzu kommt die verbreitete Meinung,<br />

dass beim dauerhaften Arbeiten aus<br />

dem Home office das soziale Miteinander<br />

verloren geht. Ein Argument, das für<br />

Andreas Eckhardt nur bedingt zählt: „Es<br />

gibt bereits erste <strong>Forschung</strong>sergebnisse,<br />

die zeigen, dass Mitarbeiter*innen auch<br />

in einer völlig virtuellen Arbeitsumgebung<br />

starkes Vertrauen zueinander fassen<br />

können, ohne sich jemals in Präsenz<br />

gesehen zu haben. Nicht jeder Mensch<br />

braucht den direkten Kontakt zu Kolleginnen<br />

und Kollegen.“<br />

Neue Organisationsform<br />

Teil der <strong>Forschung</strong> von Andreas Eckhardt<br />

sind auch Dezentralisierte Autonome<br />

Organisationen (engl.: decentralized<br />

autonomous organizations), kurz DAOs.<br />

Sie stellen die Extremform der virtuellen<br />

Organisation dar. Bei diesem Organisationstypus<br />

arbeiten Menschen komplett<br />

virtuell und dezentralisiert über den Globus<br />

hinweg verteilt zusammen an einem<br />

gemeinsamen Ziel. DAOs weisen keine<br />

hierarchischen Management-Strukturen<br />

mehr auf, alle Regeln, Rollen und Prozesse<br />

dieser Unternehmung sind als Code<br />

26 zukunft forschung <strong>02</strong>/22<br />

Foto: Andreas Friedle

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