Zukunft Forschung 02/2022
Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck
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TITELTHEMA<br />
GRENZEN DER MORAL<br />
Zivilgesellschaftliches Engagement zum Schutz von Migrant*innen läuft offizieller Politik von<br />
Nationalstaaten meist zuwider. Die daraus entstehenden Dilemmas und Konflikte stehen im Kern<br />
eines aktuellen Projekts von Julia Mourão Permoser.<br />
Bei ihrem Antrittsbesuch in Brüssel<br />
Anfang November betonte<br />
die neue italienische Ministerpräsidentin<br />
Giorgia Meloni, in der Migrationspolitik<br />
einen Fokus auf Außengrenzsicherung<br />
legen zu wollen. Kurz<br />
davor war bekannt geworden, dass ihre<br />
Regierung Schiffen von Seenotrettungs-<br />
Organisationen mit insgesamt rund 1.000<br />
geretteten Flüchtlingen ein Anlegen an<br />
italienischen Häfen untersagt. „Italien<br />
erlässt hier Verordnungen und Gesetze,<br />
die das Betreten des Hafens verbieten.<br />
Zugleich gibt es internationale Regelungen,<br />
die zur Rettung aus Seenot verpflichten<br />
– welche Norm zählt mehr?<br />
Diese Dilemmas und Konflikte, die ja<br />
fast immer auch mit Werten und Fragen<br />
der Moral verbunden sind, interessieren<br />
mich“, sagt Julia Mourão Permoser<br />
vom Institut für Politikwissenschaft,<br />
derzeit Gastprofessorin an der Universität<br />
Wien. „Zu Wertekonflikten gibt es<br />
einiges an <strong>Forschung</strong>sliteratur, im Fokus<br />
stehen dort aber meist Fragen wie die<br />
gleichgeschlechtliche Ehe, Abtreibung,<br />
sexuelles Verhalten – also der Gegensatz<br />
zwischen konservativ-religiösen und liberal-säkularen<br />
Einstellungen“, erklärt<br />
sie. Migrationspolitik ist genauso „moralisch“,<br />
folgt aber anderen Trennlinien.<br />
Vor allem im Gegensatz zwischen säkularen<br />
und religiösen Positionen ergeben<br />
sich hier teils völlig andere Standpunkte<br />
als bei den „klassischen“ Moralfragen.<br />
In ihrem Projekt „Migration as Morality<br />
Politics“ sieht sich Mourão Permoser<br />
politische Konflikte rund um Migration<br />
genauer an, insbesondere in Bezug auf<br />
die normativen Trennlinien.<br />
Zivilgesellschaft<br />
„Ich interessiere mich für zivilgesellschaftliches<br />
Engagement, das im Widerstand<br />
zu nationaler oder europäischer<br />
Politik stattfindet. Politik, die von diesen<br />
Akteur*innen aus grundsätzlichen<br />
Gründen als illegitim oder unmoralisch<br />
abgelehnt wird“, sagt die Politikwissenschaftlerin.<br />
Sie untersucht dabei Schutzräume,<br />
in denen Menschen, die nicht die<br />
Erlaubnis haben, sich in einem Land aufzuhalten,<br />
Schutz vor der Staatsmacht erhalten<br />
und in denen die Durchsetzungs-<br />
14 zukunft forschung <strong>02</strong>/22<br />
Fotos: AdobeStock / Giorgos (1), Foto Schuster (1)