Zukunft Forschung 02/2022
Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck
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TITELTHEMA<br />
AUSTAUSCHPROZESSE sind in der Grenzschicht<br />
über Bergen komplexer als über flachem<br />
Gelände, zudem wird vermutet, dass der vertikale<br />
Transport in Richtung freier Atmosphäre über<br />
Bergen im Durchschnitt intensiver ist.<br />
auch über die globalen Wasser-, Energie- und<br />
Kohlenstoffkreisläufe.<br />
In TEAMx, einem Projekt, dessen voller Name<br />
Multi-scale transport and exchange processes<br />
in the atmosphere over mountains – programme<br />
and experiment lautet, hat sich nun eine internationale<br />
Gemeinschaft von Forscherinnen und<br />
Forschern zum Ziel gesetzt, das Verständnis<br />
dieser Prozesse in der MoBL zu verbessern.<br />
Langfristige Ziele von TEAMx, das vom Innsbrucker<br />
Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften<br />
koordiniert wird, sind<br />
die Optimierung numerischer Modelle und<br />
Beobachtungssysteme für die Anwendung<br />
über bergigem Gelände, die Verbesserung<br />
von Wettervorhersagen und Klimawandelszenarien<br />
über Gebirgen sowie die genauere<br />
Charakterisierung der globalen Kreisläufe von<br />
Wasser, Energie und Spurengasen.<br />
Messkampagne im Inntal<br />
„Im Frühjahr 2<strong>02</strong>4 wird die große TEAMx-<br />
Messkampagne starten“, berichtet Rotach.<br />
Mit Spezialausrüstungen ausgestattete internationale<br />
<strong>Forschung</strong>sgruppen werden einen<br />
„luftigen“ Brenner Basistunnel samt Zulaufstrecken<br />
unter die Lupe nehmen: das Inntal<br />
in seiner West-Ost-Ausrichtung, das von<br />
Norden nach Süden verlaufende Etschtal,<br />
sowie das Alpenvorland in Süddeutschland<br />
„Prozesse in der Gebirgsgrenzschicht sind für<br />
angewandte Simulationen wichtig – das kann<br />
die Luftqualität, die Wasserversorgung, die<br />
Stromerzeugung durch Erneuerbare Energien<br />
oder die Landwirtschaft betreffen.“ Mathias Rotach<br />
und Norditalien. Vor allem das Inntal bringt<br />
– abseits seiner geografischen Lage – optimale<br />
Voraussetzungen mit, gibt es doch, so Rotach,<br />
„wahrscheinlich keine andere alpine Region,<br />
die derart dicht mit ständigen Messstationen<br />
besetzt ist“. Eine davon ist die von Rotach<br />
initiierte Innsbruck-Box, in Anlehnung an<br />
Apple kurz i-Box genannt. „Um eine Theorie<br />
der Grenzschichtforschung über flachem<br />
und homogenem Gelände zu überprüfen, benötigt<br />
man nur einen Punkt, eine stationäre<br />
Messstation. Nur: Diese Homogenität gibt es<br />
eigentlich nirgends, eventuell in der Wüste“,<br />
sagt Rotach. Zur Überprüfung benötigt es also<br />
auch Höhe, man bedient sich z. B. In-situ-Sensorik<br />
an Masten oder bodengebundener Fernsondierungsverfahren.<br />
Nur: Mit der Höhe allein<br />
ist es auch nicht getan. „Mit der i-Box haben<br />
wir ein dreidimensionales Arrangement“,<br />
erklärt Rotach. Sechs Stationen, an charakteristischen<br />
Plätzen im zentralen Inntal (Nordund<br />
Südhang, Tallage, Bergkamm, Wiese,<br />
Wald, bebautes Gebiet…) aufgestellt, bilden<br />
die i-Box, gemessen werden vor allem Turbulenz,<br />
aber auch Temperatur, Feuchte, CO 2 ,<br />
Sonneneinstrahlung etc. Die vorliegenden, bis<br />
zu zehn Jahre zurückreichenden Messreihen<br />
sollen auch helfen, „Daten aus der TEAMx-<br />
Messkampagne, die wir vielleicht nicht einordnen<br />
können, mit schon vorhandenen zu<br />
vergleichen“, schildert Mathias Rotach.<br />
Die Messkampagne erstreckt sich über ein<br />
komplettes Jahr (Frühjahr 2<strong>02</strong>4 bis Frühjahr<br />
2<strong>02</strong>5) und umfasst zwei Extensive Observation<br />
Periods (EOPs), eine im Sommer und eine im<br />
Winter. Die bestehenden Beobachtungs-<br />
und Überwachungsnetze<br />
werden mit zahlreichen<br />
Instrumentierungen und Messverfahren<br />
ergänzt: Das Karlsruher<br />
Institut für Technologie etwa<br />
rückt dem Inntal mit seinem KITcube<br />
zu Leibe, ein mobiles Gesamtbeobachtungssystem,<br />
das ein Atmosphärenvolumen<br />
von ca. zehn Kilometer Seitenlänge<br />
vermessen kann; die Technische Universität<br />
Braunschweig wiederum reist mit einem speziellen<br />
<strong>Forschung</strong>sflugzeug an, das in der tief<br />
gelegenen MoBL fliegen und messen kann.<br />
Davon Flugstunden gebucht hat unter anderem<br />
Rotachs Institutskollegin Ivana Stiperski,<br />
die in dem Projekt UNICORN – gefördert im<br />
Rahmen des ERC-Consolidator-Programms –<br />
ein neuartiges Framework zum Verständnis<br />
von oberflächennahen Turbulenzen in komplexem<br />
Gelände entwickeln will. ah<br />
AUSGANGSPUNKT des<br />
Projekts TEAMx war die 33.<br />
International Conference on<br />
Alpine Meteorology, die 2015<br />
in Innsbruck stattfand. Am<br />
Schlusstag diskutierte eine<br />
Runde von Forscherinnen<br />
und Forschern die Möglichkeit<br />
einer groß angelegten<br />
Messkampagne, wie sie schon<br />
in der Vergangenheit durchgeführt<br />
worden waren. 2017<br />
erfolgte die Einsetzung einer<br />
Coordination and Implementation<br />
Group, 2018 die Einrichtung<br />
eines Koordinationsbüros<br />
in Innsbruck, 2019 der erste<br />
TEAMx-Workshop in Rovereto<br />
mit 92 Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmern aus elf Nationen.<br />
In dem über die beteiligten Institutionen<br />
finanzierten Projekt<br />
wird eine breite Kampagne mit<br />
zahlreichen bodengestützten<br />
In-situ-, Fernerkundungs- und<br />
Flugzeugmessungen vorbereitet,<br />
die von Frühjahr 2<strong>02</strong>4 bis<br />
Frühjahr 2<strong>02</strong>5 dauern wird. An<br />
der Kampagne beteiligen sich<br />
Universitäten, <strong>Forschung</strong>seinrichtungen<br />
und Wetterdienste<br />
aus elf Ländern in<br />
Europa und den USA.<br />
Info: www.teamxprogramme.org<br />
zukunft forschung <strong>02</strong>/22 11