Zukunft Forschung 02/2022
Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck
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TITELTHEMA<br />
DIE i-BOX ist ein System aus<br />
mehreren Messstationen, um<br />
ein möglichst vollständiges<br />
Bild der Grenzschichtprozesse<br />
im Inntal erzeugen zu können.<br />
Im Mittelpunkt des Interesses<br />
stehen dabei die Turbulenzen,<br />
da die Turbulenzstruktur eine<br />
wichtige Rolle bei Austauschprozessen<br />
von Impuls, Masse<br />
und Energie zwischen der Erdoberfläche<br />
und der Atmosphäre<br />
spielt. Zum Einsatz kommen<br />
dabei u. a. Sonic Anemometer,<br />
also Sensoren, die – wie hier<br />
am Arbeser Kogel – mittels<br />
akustischer Signale Turbulenzen<br />
in der Atmosphäre messen<br />
können.<br />
Das Tal im wattig-weißen Frühnebel,<br />
die Berghänge hingegen im gleißenden<br />
Sonnenlicht – für die einen fantastische<br />
Aussicht nach mühevollem Aufstieg,<br />
für andere, vor allem für Meteorologinnen<br />
und Meteorologen, ein Blick auf den oberen<br />
Rand der atmosphärischen Grenzschicht. Mit<br />
einem Mantel, der die Erdoberfläche umhüllt,<br />
verglich der deutsche Meteorologe und Klimatologe<br />
Karl Schneider-Carius (1896 – 1959)<br />
jene unterste Schicht der Atmosphäre und benannte<br />
sie nach peplos – altgriechisch für Mantel<br />
– Peplosphäre.<br />
Weniger metaphorisch ist heute die Bezeichnung<br />
atmosphärische Grenzschicht<br />
(atmospheric boundary layer, ABL) in Verwendung,<br />
was nichts daran ändert, dass sie<br />
im Zentrum zahlreicher <strong>Forschung</strong>svorhaben<br />
steht. Kein Wunder, ist der – im Schnitt – erste<br />
Kilometer über der Erdoberfläche doch<br />
höchst relevant für unser Wetter und Klima.<br />
„Die Grenzschicht ist vor allem interessant,<br />
weil in ihr alle Austauschvorgänge zwischen<br />
Erdoberfläche und freier Atmosphäre<br />
stattfinden“, erläutert Mathias Rotach vom<br />
Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften<br />
der Universität Innsbruck.<br />
Ausgetauscht werden etwa Impuls, Wärme,<br />
Wasser und Spurenstoffe, Schadstoffe eingeschlossen.<br />
„Verdunstung passiert an der<br />
Erdoberfläche. Wasserdampf steigt auf und<br />
kondensiert, es kommt zur Wolkenbildung<br />
und zum Niederschlag. Dies wird durch die<br />
Grenzschicht bewerkstelligt“, beschreibt Rotach<br />
einen solchen Austauschvorgang. Angetrieben<br />
werden diese Austausche durch eine<br />
„chaotische Bewegung“, die Turbulenz. In<br />
der Folge wirken sie sich auf so unterschiedliche<br />
Phänomene wie Klima, Sturmsysteme,<br />
Luftverschmutzung oder Gletscherschmelze<br />
aus. „Der Output von atmosphärischen<br />
Modellen wird daher von Kolleginnen und<br />
Kollegen genutzt, um z. B. hydrologische Modelle<br />
zu erstellen“, erklärt Rotach.<br />
Das Verständnis der atmosphärischen<br />
Turbulenz und der Art und Weise, wie sie in<br />
Wetter- und Klimamodellen berücksichtigt<br />
wird, stammt allerdings von Beobachtungen<br />
und Messungen über flachem Gelände, Austauschprozesse<br />
über komplexem Gelände wie<br />
z. B. über Gebirgen sind vielschichtiger. Rund<br />
30 Prozent der Erdoberfläche bestehen aus<br />
solch komplexem Gelände, das mangelnde<br />
Wissen über die darüber, in der Gebirgsgrenzschicht<br />
(mountain boundary layer, MoBL)<br />
stattfindenden Austauschprozesse führt zu<br />
Unsicherheiten bei Wettervorhersagen und<br />
Klimaprojektionen über Berggebieten, aber<br />
10 zukunft forschung <strong>02</strong>/22<br />
Foto: Ivana Stiperski (1), Grafik: TEAMx (1)