faktor Winter 2022
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18. Jahrgang <strong>Winter</strong> <strong>2022</strong>/23 8 Euro<br />
› MEHR ALS EIN MAGAZIN<br />
› DAS MAGAZIN FÜR ERFOLGSGESCHICHTEN<br />
Der Rebell CEO Kornelius Thimm besinnt sich auf Wurzeln und Werte und bewegt das Familienunternehmen aus Northeim 68
Jan Förster Dipl.-Finw.(FH)<br />
Steuerberater<br />
Miriam Engel Dipl.-Kffr.<br />
Steuerberaterin<br />
Tatjana Wucherpfennig B.Sc.<br />
Steuerberaterin<br />
Immer die richtige Finanzmedikation<br />
Damit Abgaben nicht zur bitteren Pille werden, finden Mediziner in Quattek &<br />
Partner ihren „Facharzt“ unter den Steuerberatern. Wir verstehen uns als wirtschaftliche<br />
Wegbegleiter der Heilberufe. Unser Rezept für das monetäre Wohlergehen:<br />
effektive Finanzdiagnostik und wirksame Therapien von der Praxisübernahme<br />
über den laufenden Betrieb bis hin zur Nachfolgeregelung.<br />
Steuerprognosen, Liquiditäts- und Planrechnungen sowie Branchen- und Mehrjahresvergleiche<br />
helfen uns, Probleme frühzeitig zu erkennen und eine entsprechende<br />
„Medikation“ vorzunehmen. Die Ergebnissituation fassen wir nachvollziehbar<br />
in speziellen Quartalsberichten und Überschussrechnungen zusammen.<br />
Als Spezialisten auf dem Gebiet der Heilberufe betreuen wir mit besonders ausgebildeten<br />
und motivierten Mitarbeitern eine Vielzahl von niedergelassenen Medizinern<br />
der verschiedensten Fachrichtungen und Praxen unterschiedlichster<br />
Größenordnungen und Organisationsformen.<br />
Jürgen Hollstein Dipl.-Kfm.<br />
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Roland Haever Dipl.-Kfm.<br />
Wirtschaftsprüfer · Steuerberater<br />
Fritz Güntzler Dipl.-Kfm.<br />
Wirtschaftsprüfer · Steuerberater<br />
Johann-Karl Vietor Dipl.-Kfm.<br />
Steuerberater<br />
Thorsten Kumpe Dipl.-Kfm.<br />
Wirtschaftsprüfer · Steuerberater<br />
Miriam Engel Dipl.-Kffr.<br />
Steuerberaterin<br />
Lutz Becker<br />
Rechtsanwalt<br />
Jan Förster Dipl.-Finw. (FH)<br />
Steuerberater<br />
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editorial<br />
»Wenn du ein Problem<br />
hast, versuche es zu lösen.<br />
Kannst du es nicht<br />
lösen, dann mache kein<br />
Problem daraus.«<br />
MESSE<br />
NEUHEITEN<br />
VON DER ORGATEC, DIE LEITMESSE FÜR<br />
MODERNE ARBEITSWELTEN<br />
– Buddha<br />
FOTO COVER: ALCIRO THEODORO DA SILVA / FOTO EDITORIAL: LUKA GORJUP<br />
Was auf den ersten Blick nach einer leichtfertigen Antwort auf eine Herausforderung klingt,<br />
ist vielmehr der Schlüssel zum Glück. Sagt zumindest Buddha. Und Stephan Ferneding.<br />
Wir treffen den Geschäftsführer des Göttinger Messtechnikunternehmens Accurion, um mit ihm<br />
über den gelungenen Verkauf seines Unternehmens an Südkoreaner zu sprechen. Doch was mich<br />
neben dieser Erfolgsgeschichte vor allem beeindruckt, ist seine Einstellung zum Leben.<br />
Einige seiner Mitarbeiter hätten geweint, als sie von der bevorstehenden Veränderung hörten.<br />
Nicht nur, weil sie fürchteten, im schlimmsten Fall ihren Arbeitsplatz zu verlieren, sondern in den<br />
nächsten Jahren auch ihren lieb gewonnenen Chef. Die überraschend kühl klingende Reaktion<br />
von Ferneding auf diese Tränen: „Leiden gehört zum Leben dazu.“ Ziemlich hart, denke ich –<br />
und erfahre dann: Der 57-Jährige ist Buddhist. Und hat erkannt, dass sich die Tugenden Buddhas –<br />
sei es Uneigennützigkeit, Wohltätigkeit oder Aufrichtigkeit – auch nach über 2.000 Jahren bestens<br />
als moralisches Fundament für menschliche Führung eignen.<br />
Denn Buddha lehrt, dass Reichtum, Einfluss und Ansehen kein Schlüssel zu einem gelungenen<br />
Leben sind und uns auch nicht vor dem Unerfreulichen der menschlichen Existenz schützen.<br />
Äußere Sicherheit ist immer flüchtig, kann die innere nicht ersetzen. Nur in uns selbst finden<br />
wir Zufriedenheit.<br />
Inzwischen haben auch andere Arbeitgeber in Südniedersachsen erkannt, dass heute mehr<br />
zählt als ein gutes Gehalt. Einige von ihnen präsentieren sich in dieser Ausgabe in unserem<br />
Spezial ,Top-Arbeitgeber der Region‘.<br />
Und auch Kornelius Thimm, der Enkel des Firmengründers und unser Covergesicht, weiß,<br />
wie wichtig die richtigen Werte sind und möchte auf dieser Grundlage als neuer CEO so<br />
einiges verändern. Außerdem lernen Sie Katja Thiele-Hann kennen, die nach 150 Jahren in<br />
Familienhand die erfolgreiche Bäckereikette verkauft hat und uns verrät, mit welchen<br />
waghalsigen Aktivitäten sie seit einem Jahr ihren neuen Freiraum füllt. So viel vorweg:<br />
Für das Foto shooting trafen wir die 53-Jährige in der Falknerei der Sababurg.<br />
Gehen Sie mit uns auf Schussfahrt mit Luisa Grube, der sehbehinderten Profi-Ski-Rennfahrerin<br />
aus Göttingen, schauen Sie den Porzellinern im Schloss Fürstenberg bei ihrer Arbeit mit dem<br />
,Weißen Gold‘ über die Schulter und tauchen Sie in die skurrile Welt des Dr. Wolf in seiner<br />
Wunderkammer in Hann. Münden ein. Bei all dem wünsche ich viel Vergnügen –<br />
und kommen Sie zufrieden mit sich durch den <strong>Winter</strong>!<br />
Ihre Elena Schrader<br />
Chefredakteurin<br />
schrader@<strong>faktor</strong>-magazin.de<br />
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Gern zeigen wir Ihnen<br />
die Neuheiten ganz<br />
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4 |<strong>2022</strong> 3
inhalt<br />
unternehmen<br />
20 Brennen für den Erfolg<br />
Ofenbauer Onejoon aus Bovenden<br />
blickt auf mehr als 125 Jahre<br />
bewegte Firmengeschichte zurück<br />
34 Asien im Blick<br />
Accurion-Chef Stephan Ferneding<br />
über den erfolgreichen Verkauf an<br />
Südkoreaner und seine Pläne für ein<br />
buddhistisches Zentrum<br />
Schwerpunkt im Magazin:<br />
Top-Arbeitgeber der Region<br />
Südniedersachsen<br />
ab Seite 111<br />
80 Zu Gast im Schloss<br />
275 Jahre Porzellan. Zum Jubiläum<br />
besucht <strong>faktor</strong> die Porzellanmanufaktur<br />
Fürstenberg und erfährt von Museumsleiter<br />
Christian Lechelt, was das weiße Gold<br />
bis in die Gegenwart so wertvoll macht.<br />
111 Top-Arbeitgeber der Region<br />
präsentieren sich<br />
wissen<br />
44 Auf den Punkt gebracht<br />
20. Innovationspreis des Landkreises<br />
Göttingen als Schaufenster für<br />
Kreativität und Tatkraft<br />
48 Mehr Medizin für morgen<br />
Neue Stiftung ins Leben gerufen:<br />
UMG add on<br />
54 Die Wunderwaffe unseres Körpers<br />
Das Immunsystem –<br />
eine raffinierte Abwehr<br />
mensch<br />
62 Frei wie ein Vogel<br />
Nach fast 150 Jahren in<br />
Familienhand verkauft Katja<br />
Thiele-Hann die Bäckereikette<br />
68 Der Rebell<br />
Als neuer CEO will Kornelius<br />
Thimm in Northeim viel verändern<br />
74 „Stillstand macht mir Angst“<br />
Zum 50. Jubiläum des Landkreises<br />
Göttingen gewährt Landrat<br />
Marcel Riethig persönliche Einblicke<br />
leben<br />
80 Weißes Gold<br />
275 Jahre Porzellan aus Fürstenberg<br />
92 Immer Vollgas<br />
Sehbehinderte Ski-Rennfahrerin<br />
Luisa Grube auf dem Weg nach oben<br />
96 „Lasst uns das machen!“<br />
Vorgestellt: die Göttinger Stiftung<br />
Vielfalt der Kulturen<br />
98 Die Kammer der Wunder<br />
Zu Besuch in Dr. Wolfs skurriler<br />
Wunderkammer in Hann. Münden<br />
service<br />
3 Editorial<br />
6 Momentaufnahmen<br />
Besondere Augenblicke<br />
vergangener Tage<br />
13 Aktuelles<br />
Neues aus der Redaktion<br />
16 „Entscheidend sind die Menschen“<br />
Fußball-Vizeweltmeister Marco Bode<br />
spricht über erfolgreiche Teams<br />
auf der 37. <strong>faktor</strong>-Business-Lounge<br />
129 Impressum<br />
130 Wissensbissen<br />
Gute Vorsätze vs. Die Power<br />
des Unperfekten<br />
gezeichnet von Tanja Wehr<br />
4 4 |<strong>2022</strong>
FOTOS: ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
98 Dr. Wolfs Wunderkammer<br />
62 Frei wie ein Vogel<br />
Neues wagen. Nachdem Katja Thiele-Hann die Expansion des Bäckerei-Betriebs deutlich<br />
vorangetrieben hat, verkaufte sie das Unternehmen – nach fast 150 Jahren in Familienhand.<br />
Ihren neu gewonnenen Freiraum füllt sie unter anderem mit Greifvögeln und Eisklettern.<br />
» Ein bisschen kann man<br />
sich hier verlieren.<br />
Deshalb ist es wichtig,<br />
nicht alleine durchzugehen.«<br />
68 Der Rebell<br />
Mit Wurzeln und Werten. Kornelius Thimm zog von Northeim in die Welt hinaus und kam<br />
mit frischen Ideen zurück. Damit will der Enkel des Gründers, der seit dem Sommer als<br />
CEO die THIMM-Gruppe führt, viel bewegen und verändern.<br />
34 Blick nach Asien<br />
Neue Chancen. Stephan Ferneding hat seine<br />
Messtechnikfirma Accurion nach 30 Jahren<br />
an Südkoreaner verkauft. Für die letzten<br />
Jahre als Geschäftsführer stellt er sich der<br />
Herausforderung, die neue Firmenkultur an<br />
seine Mitarbeiter zu vermitteln.<br />
4 |<strong>2022</strong> 5
momentaufnahmen<br />
6 4 |<strong>2022</strong>
momentaufnahmen<br />
Momentaufnahmen<br />
<strong>faktor</strong> lässt besondere Ereignisse in der Region mit ausgewählten Impressionen Revue passieren.<br />
TEXT KIM HENNEKING FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Große Zeichen im Herbst<br />
Bei seiner 31. Auflage schaffte es der Göttinger Literaturherbst in diesem Jahr,<br />
seinen bisherigen Publikumsrekord zu übertreffen: Bei den rund 70 über die<br />
Region verteilten Lesungen konnten die Veranstalter knapp 20.000 Besucher<br />
begrüßen. Bestseller-Autoren und prominente Gäste aus Wissenschaft, Politik<br />
und Kultur waren im Oktober und November wieder einmal zu Gast, um ihre<br />
neuesten literarischen Werke zu präsentieren – wie beispielsweise ,Blutbuch‘.<br />
Kim de l’Horizon (Foto) thematisiert darin die Ich-Findung eines nonbinären<br />
Menschen und gewann damit nicht nur die Herzen der begeisterten Besucher im<br />
Alten Rathaus in Göttingen, sondern ebenso den Deutschen Buchpreis <strong>2022</strong>.<br />
Bereits bei der Verleihung, die kurz zuvor im Frankfurter Römer stattfand,<br />
hinterließ de l'Horizon bleibenden Eindruck und solidarisierte sich mit der<br />
Protestbewegung im Iran: ohne große Rede – dafür mit Rasierer.<br />
4 |<strong>2022</strong> 7
momentaufnahmen<br />
8 4 |<strong>2022</strong>
momentaufnahmen<br />
Göttingen jazzt wieder<br />
Das 45. Göttinger Jazzfestival konnte im November endlich wieder ein Programm im<br />
Vor-Corona-Umfang anbieten. Internationale Künstler boten feinste Improvisationskunst von den<br />
Ursprüngen des Jazz bis zu Grenzgängen entlang von Folk, Minimal, World Music, Neuer Musik<br />
und Techno. Der US-amerikanische Trompeter Theo Croker (Foto) eröffnete mit seiner Band das<br />
große Programmwochenende im Deutschen Theater mit Gospel, Blues, Jazz, Soul und Funk.<br />
Neben vielen Einzelkonzerten wurde erstmals auch eine Art-Techno-Jazz-Party mit<br />
DJ Leonhard Kuhn im DT-Keller gefeiert.<br />
4 |<strong>2022</strong> 9
momentaufnahmen<br />
Denkmal!<br />
Im Oktober lockte Hann. Münden mit dem Festival ,DenkmalKunst-KunstDenkmal‘<br />
über 7.000 Besucher in die Region. Neun Tage lang stellten rund 130 Künstler ihre Werke in<br />
34 historischen Denkmälern der Drei-Flüsse-Stadt aus. Auch kulturelle Veranstaltungen wie<br />
Theater, Kabarett, Lesungen, Filmvorführungen und Mitmachaktionen fanden an den<br />
außergewöhnlichen Orten statt. Das Festival wird alle zwei Jahre organisiert und soll Leben<br />
in teils ungenutzte und verfallende Fachwerkhäuser bringen – und das Konzept geht auf:<br />
Laut den Veranstaltern wurden bereits mehr als 20 Häuser verkauft und saniert.<br />
10 4 |<strong>2022</strong>
momentaufnahmen<br />
4 |<strong>2022</strong> 11
Selbst die Stärksten<br />
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aktuelles<br />
<strong>faktor</strong>-Mittagsclub<br />
Impulse für Entscheider<br />
FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Zu Gast im Mittagsclub Gründerin Amy Peters<br />
Der <strong>faktor</strong>-Mittagsclub ermöglicht seinen Mitgliedern einmal im Monat<br />
einen Blick hinter die Kulissen regionaler Unternehmen. Nach einem<br />
Impulsvortrag können sich die Teilnehmer der exklusiven Gruppe beim<br />
Mittagessen im Restaurant Amavi austauschen.<br />
Im September erklärte Daniel Liebermann vom Coachingunternehmen nevo,<br />
was es mit dem PersonalMapping auf sich hat. Dabei fanden sich die Teilnehmer<br />
auf einer riesigen, detaillierten Landkarte stehend wieder, auf der ihre<br />
Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale dargestellt werden.<br />
Im Oktober waren Amy Peters und Maurice Jedlicka zu Gast. Mit ihrem<br />
Start-up Molly Suh produzieren sie nachhaltige Kerzen aus Frittenfett. Mit<br />
dieser zukunftsfähigen Idee haben sie bereits die Gründungswett bewerbe der<br />
PFH und der Uni Göttingen gewonnen. Im Mittagsclub erzählen die zwei von<br />
ihren Anfängen, den Schwierig keiten auf dem Weg und davon, wie sie ihre<br />
Kerzen erfolgreich in der Region platzieren wollen.<br />
Im November sprach Rainer Giese vom <strong>faktor</strong>-Partner VersicherungsKontor<br />
Osterode über Cyber-Attacken und Möglichkeiten, sich dagegen zu wappnen.<br />
Unterstützt wurde er dabei von Ersin Kaplan von Howden, einem ,Ethical<br />
Hacker‘ (Berater für Informationssicherheit). Als einer der Top-Spezialisten<br />
in Deutschland gab dieser den Mittagsclub-Teilnehmern konkrete<br />
Handlungsempfehlungen mit auf den Weg.<br />
Neugierig geworden? Einen lebendigen Eindruck vom exklusiven<br />
<strong>faktor</strong>-Mittagsclub bekommen Sie in unserem Video unter:<br />
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Der Fachkräftemangel zeigt sich auch in Südniedersachsen immer stärker.<br />
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4 |<strong>2022</strong> 13
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FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Zum Genießen<br />
Premiere für die<br />
1. <strong>faktor</strong>-Küchenparty bei Viani<br />
Ende September fand in Kooperation mit der Quattek & Partner<br />
Steuerberatungsgesellschaft die 1. <strong>faktor</strong>-Küchenparty in der<br />
Cucina Viani statt. Bei diesem exklusiven Format brachte <strong>faktor</strong><br />
erstmals ausschließlich Ärzte und Mediziner der Region an einen<br />
Tisch. Im Mittelpunkt standen der Austausch untereinander und<br />
der Genuss – die Gäste konnten mit einem exzellenten Glas Wein<br />
in der Hand mit Kollegen sprechen, selbst eine Pizza Napoletana<br />
zubereiten und in den fast 500 Grad heißen Ofen schieben.<br />
Die Reaktion der Teilnehmenden war so positiv, dass <strong>faktor</strong> nun<br />
weitere Küchenpartys plant – jeweils für Familienunternehmer,<br />
für Marketingbeauftragte und Personalleiter.<br />
Impressionen des Abends finden Sie in der <strong>faktor</strong>-Bildergalerie unter:<br />
www.<strong>faktor</strong>-magazin.de/fotostrecken/<br />
bildergalerie-zur-<strong>faktor</strong>-kuechenparty-fuer-mediziner<br />
<strong>faktor</strong>-Newsletter<br />
Immer auf dem Laufenden<br />
Kennen Sie schon ,Marco Böhmes <strong>faktor</strong>-Woche‘? Mit diesem E-Mail-Newsletter<br />
informiert der <strong>faktor</strong>-Herausgeber wöchentlich über das, was die Region<br />
Süd niedersachsen bewegt. Er berichtet von Empfängen und Events und verlost<br />
Karten für den <strong>faktor</strong>-Mittagsclub und die <strong>faktor</strong>-Business-Lounge.<br />
Als erfahrener Unternehmer gibt er Entscheidern persönliche Tipps – vor allem zum<br />
Thema Sichtbarkeit – sowie einen exklusiven Einblick in die Arbeit der Redaktion.<br />
Zudem verlost Böhme weitere attraktive Preise wie beispielsweise<br />
die zehn Viani-Genuss-Geschenkboxen anlässlich des 50-jährigen Bestehens<br />
des Göttinger Traditionsbetriebs.<br />
Lesen lohnt sich!<br />
Interesse? Anmeldung unter: <strong>faktor</strong>-magazin.de<br />
4 |<strong>2022</strong> 15
aktuelles<br />
„Entscheidend sind die Menschen“<br />
Werder-Bremen-Legende und Vizeweltmeister Marco Bode sprach auf der 37. <strong>faktor</strong>-Business-Lounge<br />
über erfolgreiche Teams – auch abseits des Fußballplatzes.<br />
TEXT & VIDEO CHRISTIAN VOGELBEIN FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Wie war das damals eigentlich mit Thomas<br />
Schaaf in der Kabine? Kam Aílton wirklich immer<br />
zu spät zum Training? Und wie sieht die<br />
Taktik aus, die – auch abseits eines Bolzplatzes – aus<br />
einzelnen Spielern ein erfolgreiches Team macht? Es waren<br />
diese und noch mehr brennende Fragen, die gestandene<br />
Unternehmerinnen und Unternehmer aus Südniedersachsen<br />
bei der 37. <strong>faktor</strong>-Business-Lounge unter<br />
den Nägeln brannten und so manche von ihnen für einen<br />
Moment wieder in ihre Jugendzeit zurückversetzten.<br />
DENN GASTREDNER DER LOUNGE, die am 17. November<br />
in Kooperation mit dem VersicherungsKontor<br />
Osterode im sportlichen Rahmen des Fun Golf Bovenden<br />
stattfand, war kein geringerer als Werder- Bremen-<br />
Legende und Vizeweltmeister Marco Bode – wieder<br />
heimgekehrt, könnte man sagen, denn der ehemalige<br />
Fußballprofi wuchs im Osteroder Ortsteil Schwiegershausen<br />
auf. Und er hatte nicht nur viele Geschichten und<br />
Anekdoten aus 14 Jahren Bundesliga mit in der Trainingstasche,<br />
sondern auch jede Menge Wissen über<br />
aktuelle Ansätze aus der Coaching- und Managementpraxis.<br />
UNEITEL UND MIT EINER GEHÖRIGEN PORTION<br />
HUMOR sprach Bode über sehr persönlichen Erfahrungen:<br />
Einstellung, Teamgeist und Risikobereitschaft –<br />
Zufall, Talent oder Konzept, worauf kommt es an?<br />
Der Profi erläuterte sein Prinzip von einem ,Winning<br />
Team‘, das einen tieferen Blick auf die verschiedenen<br />
charakterlichen Eigenschaften von Mitarbeitenden zulässt<br />
– von Führungspersonen, Individualisten, Kreati-<br />
16 4 | <strong>2022</strong>
aktuelles<br />
Bilder des Abends Weitere Impressionen der 37. <strong>faktor</strong>-Business-Lounge mit Marco Bode gibt es in unserer Bildergalerie.<br />
ven und Idealisten. Aus seiner Sicht entscheidend sind<br />
die Menschen und die richtigen Werte. Denn am Ende<br />
könne Höchstleistung im Team nur erbracht werden,<br />
wenn die einzelnen Mitarbeiter ihr ganzes Potenzial<br />
entfalten.<br />
FÜR BESONDERE BEGEISTERUNG sorgten am Ende des<br />
Abends doch vor allem die Geschichten aus den Umkleidekabinen<br />
aus aller Welt bis hin zum Treffen mit Nelson<br />
Mandela, der Bodes markantes Gesicht einst mit dem<br />
von Steffi Graf verglich – nicht nur für eingefleischte<br />
Werder-Fans ein Highlight. Grünweiße Schals über dem<br />
eleganten Jacket waren ein klarer Ausdruck dafür, dass<br />
diese 37. <strong>faktor</strong>-Business- Lounge bei den Gästen neben<br />
interessanten Impulsen und Denkanstößen einen besonderen<br />
Platz in ihren Herzen hinterlassen wird. ƒ<br />
Sie haben die Lounge verpasst? Kein Problem.<br />
In unserem <strong>faktor</strong>digital-Video können Sie sich<br />
einen persönlichen Eindruck von Marco Bode<br />
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4 |<strong>2022</strong> 17
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20 4 |<strong>2022</strong>
unternehmen<br />
Brennen<br />
für den Erfolg<br />
Onejoon blickt auf mehr als 125 Jahre bewegte Firmengeschichte zurück.<br />
Heute ist der Hersteller von Industrieöfen – nach Eigentümerwechsel und Insolvenz –<br />
wieder auf Betriebstemperatur: Die Bovender sind Technologieführer und<br />
die Auftragsbücher voll.<br />
TEXT SVEN GRÜNEWALD FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
4 |<strong>2022</strong> 21
unternehmen<br />
22 4 |<strong>2022</strong>
unternehmen<br />
LESEZEIT: 8 MINUTEN<br />
Im Testzentrum von Onejoon in Bovenden riecht<br />
es nach Metall, Öl – nach Werkstatt. Riesige<br />
Öfen sind in der hohen Seitenhalle aufgebaut, die<br />
bis zu 3.000 Grad Celsius erreichen und auf<br />
Techniken basieren, die mit unterschiedlichen<br />
Gasatmosphären gefahren werden können. Hier<br />
lassen Industriepartner und -kunden testen, mit welchem<br />
Ansatz sich bestmögliche Resultate in ihrem jeweiligen<br />
Produktionsprozess erreichen lassen.<br />
Das Testzentrum ist noch relativ neu, aber inzwischen<br />
voll ausgebucht. Es veranschaulicht gut die Welle des Erfolgs,<br />
auf der Onejoon derzeit surft. Zwei Standorte hat<br />
das Unternehmen in Deutschland – außer dem in Bovenden<br />
noch einen in Böblingen. Dort sind rund 100 Mitarbeiter<br />
beschäftigt, in Bovenden 140 – Tendenz stark<br />
wachsend. 2021 lag der Auftragseingang bei rund 100<br />
Millionen Euro, <strong>2022</strong> werden es voraussichtlich bereits<br />
300 sein.<br />
ES GIBT KAUM EINE INDUSTRIE, die ohne Öfen auskommt.<br />
Zum Beispiel bei der Produktion von Nassrasierern:<br />
Die in ihre Form gestanzten Klingen werden in Ofenanlagen<br />
gezielt erwärmt und gehärtet. Erst dann können<br />
sie scharf geschliffen werden. Für eine sanfte Rasur<br />
erhalten die Klingen in einer anderen Ofenanlage<br />
schließlich noch eine Teflon-Beschichtung. Ohne die<br />
Wärmebehandlungen in diesen Öfen wären die Klingen<br />
stumpf und würden wie eine spitze Harke auf die Haut<br />
wirken.<br />
Die Assoziation mit dem guten alten Backofen ist dabei<br />
nicht ganz falsch. Die Grundprinzipien der Erwärmung<br />
mittels Strahlung oder Umluft sind noch die gleichen wie<br />
früher. Die technische Entwicklung steckt im Detail – und<br />
auch in der Größe: Eine industrielle Ofenstraße kann<br />
durchaus 50 bis 100 Meter lang werden.<br />
Öfen für Rasierklingen sind ein kleiner Markt, aber<br />
einer, den die Firma bereits seit über 80 Jahren bedient.<br />
Denn das Unternehmen in Bovenden blickt auf eine<br />
mehr als 125-jährige Firmengeschichte zurück. 1888<br />
gründeten die Brüder Adolf und Ernst Ruhstrat ein Elektrogeschäft;<br />
aus der Zusammenarbeit mit der Universität<br />
entstand letztlich auch der erste elektrisch beheizte<br />
Hochtemperaturofen. Die Produktion dieser Öfen wurde<br />
jedoch 1896 separat ausgegliedert, in die Elektromechanischen<br />
Werkstätten Gebr. Ruhstrat, den Vorläufer<br />
des heutigen Unternehmens. 2011 wurde Ruhstrat dann<br />
von der Eisenmann AG übernommen, der Traditionsname<br />
verschwand und wurde durch Eisenmann Thermal<br />
Solutions GmbH & Co. KG ersetzt.<br />
Zur Person<br />
André Görnhardt, Jahrgang 1963, ist Geschäftsführer von<br />
Onejoon Deutschland und bereits seit langer Zeit im<br />
Unternehmen: 1986 machte er während des Studiums<br />
bei Eisenmann in den USA ein Praktikum, 1990 fing er<br />
dort auch beruflich an. Die Firma hatte einen kleinen<br />
amerikanischen Ofenbauer aufgekauft, dessen weltweiten<br />
Vertrieb Görnhardt mit aufbaute. 2006 übernahm er die<br />
Leitung des Geschäftsbereichs Ofenbau bei Eisenmann;<br />
2011 kam nach der Ruhstrat-Übernahme auch deren<br />
Geschäftsführung hinzu.<br />
4 |<strong>2022</strong> 23
unternehmen<br />
HISTORIE<br />
1896<br />
Ruhstrat gründet den Geschäftsbereich<br />
Ofenbau und baut den<br />
ersten widerstandsbeheizten<br />
Hochtemperaturofen.<br />
1911<br />
Das Firmengebäude in der<br />
Langen Geismarstraße 74<br />
wird um neue Geschäftsräume<br />
gleich nebenan erweitert.<br />
1933<br />
Beginn der internationalen<br />
Expansion in das europäische Ausland<br />
und die USA – das Exportgeschäft<br />
macht bereits 40 Prozent<br />
des Gesamtumsatzes aus.<br />
1888<br />
Die Gebrüder Adolf und Ernst<br />
Ruhstrat gründen und eröffnen<br />
ein kleines Elektrogeschäft in<br />
Göttingen.<br />
1910<br />
Die Elektro-Schalt-Werke AG<br />
wird von Ruhstrat als Spezialfabrik<br />
für elektrische Apparate<br />
besonders hervorgehoben. Im<br />
Krieg versorgte sie die Reichsmarine<br />
mit Notbeleuchtungen.<br />
1921<br />
Die Vereinigung Göttinger Werke<br />
VGW, Vorläufer des Measurement<br />
Valley, wird gegründet – Ruhstrat<br />
ist Gründungsmitglied.<br />
1938 – 1945<br />
In den dunklen Zeiten als<br />
Wehrmachtsbetrieb produziert<br />
Ruhstrat unter anderem<br />
Verdunkelungseinrichtungen,<br />
Zubehörteile für die Luftwaffe<br />
sowie Sprengminen.<br />
Eisenmann war jedoch vorrangig ein Lackieranlagenhersteller<br />
mit Fokus auf die Autobranche, der Ofenbau<br />
war eine kleinere Geschäftseinheit. „Im Gegensatz dazu<br />
kommt unser Mutterkonzern Onejoon direkt aus dem<br />
Ofenbau“, sagt Geschäftsführer André Görnhardt, der<br />
bereits 1986 bei Eisenmann angefangen hatte und 2004<br />
die Geschäftsleitung des Bereichs Ofenbau übernahm.<br />
„Unser Markt wandelt sich aber sehr schnell. Das machte<br />
die Weiterentwicklung nicht ganz einfach, insbesondere<br />
wenn es schnelle Entscheidungen brauchte.“<br />
2019 RUTSCHTE DIE EISENMANN-HOLDING dann<br />
kurzerhand in eine Insolvenz, nachdem ein Großauftrag<br />
aus dem Automobilbereich weggebrochen war. Die Rettung<br />
kam aus Südkorea. Mit Onejoon, einem koreanischen<br />
Ofenbauer, bestand schon seit 2016 eine Kooperation.<br />
„Hintergrund war, dass wir in den Ofenbau für<br />
den Batteriemarkt einsteigen wollten, und Onejoon<br />
brachte die Kontakte zu großen koreanischen Firmen<br />
wie LG und Samsung mit. Onejoon wiederum war auf<br />
der Suche nach einem global aufgestellten Partner“, erzählt<br />
Görnhardt. Gemeinsam wurde zunächst ein Joint<br />
Venture für den chinesischen Markt gegründet. „Das<br />
Ziel war damals eigentlich, dass Eisenmann 50 Prozent<br />
von Onejoon übernimmt – doch da kam die Insolvenz<br />
dazwischen.“<br />
Die Vorteile, die eine Kooperation beiden Unternehmen<br />
bringen würde, blieben jedoch bestehen. Also drehte<br />
Onejoon den Deal um und übernahm die Ofenbausparte<br />
von Eisenmann; die Koreaner konnten sich<br />
schließlich gegen 22 Mitbewerber durchsetzen. Onejoon<br />
ist damit heute ein global agierender Ofenbauer,<br />
der bei einer ganzen Reihe von Anwendungen weltweit<br />
in der Technologiespitze mitspielt. „Wir sind beispielsweise<br />
Marktführer bei Carbon fasern“, erklärt Görnhardt<br />
überzeugt. Der Bereich hat sich in den vergangenen<br />
Jahren als ein sehr starker Wachstumsmarkt erwiesen<br />
– die Luftfahrtindustrie kommt ohne nicht mehr aus,<br />
im Automobilbereich kommen Carbonfasern verstärkt<br />
zum Einsatz, und auch das Wachstum von Windenergieanlagen<br />
geht ohne diese Fasern nicht mehr, weil die<br />
Spannweiten von Rotoren inzwischen dem Flügel eines<br />
Airbus A 380 entsprechen.<br />
Carbonfasern haben etwa die siebenfache Festigkeit<br />
von Stahl. Doch damit sie entstehen können, braucht es<br />
konstante Temperaturen und eine gleichmäßige Strömungsgeschwindigkeit<br />
mit nur minimalen Schwankungen<br />
über eine lange Zeit.<br />
24 4 |<strong>2022</strong><br />
WAS FÜR GÖRNHARDT DAS SPANNENDE am Ofenbau<br />
ist: Thermische Prozesse werden praktisch in fast<br />
allen industriellen Produktionsabläufen benötigt. „Am<br />
Ende geht es darum, aus Materialien immer mehr besondere<br />
Eigenschaften hervorzuholen. Ein Handy
unternehmen<br />
Farbechte Vollendung In der großen Lackierkabine bekommen die Ofengehäuse ihre Farbe.<br />
4 |<strong>2022</strong> 25
unternehmen<br />
1956<br />
Gebr. Ruhstrat teilt sich auf in<br />
zwei unabhängige Unternehmen:<br />
Adolf Ruhstrat und Ruhstrat GmbH.<br />
1961<br />
Die Ruhstrat GmbH verlegt<br />
ihren offiziellen Firmensitz zur<br />
Kapazitätserweiterung in das<br />
6.000 Quadratmeter große<br />
Industriewerk nach Lenglern.<br />
1971<br />
Ernst Ruhstrat ist Mit-Initiator<br />
der späteren HAWK Hochschule<br />
für angewandte Wissenschaft und<br />
Kunst in Göttingen.<br />
2003<br />
Der erste Eisenmann-<br />
Standort in Shang hai, China,<br />
wird gegründet.<br />
2009<br />
Eisenmann Shanghai<br />
expandiert mit der Geschäftseinheit<br />
Thermal Solutions.<br />
2008<br />
Die Zusammenarbeit zwischen<br />
dem Eisenmann-Konzern in<br />
Böblingen und der Ruhstrat<br />
GmbH in Bovenden beginnt.<br />
Zur Übersicht Mit einer solchen Medientafel lässt sich die Zufuhr<br />
zum Beispiel leistet heute unglaublich viel mehr als vor<br />
20 Jahren, ohne dass es größer geworden ist. Das geht<br />
nur, wenn man die Materialien weiterentwickelt.“ Im<br />
Handy stecken sehr viele elektrokeramische Bauteile, die<br />
das ermöglichen – und die immer thermisch behandelt<br />
werden müssen, um diese Eigenschaften aufzuweisen.<br />
„Deswegen entwickeln sich die thermischen Prozesse<br />
auch so schnell – mit den gehobenen Ansprüchen an die<br />
Materialien steigen meistens auch die Anforderungen an<br />
den thermischen Prozess.“<br />
26 4 |<strong>2022</strong><br />
2013<br />
Der Firmensitz der Ruhstrat<br />
GmbH wird von Lenglern<br />
nach Bovenden verlegt.<br />
2011<br />
Die Ruhstrat GmbH wird<br />
durch die Eisenmann AG<br />
akquiriert.<br />
AUSSER DEM TREIBER HANDYMARKT machen sich<br />
auch die Themen Ressourceneffizienz, Energiewende und<br />
-einsparungen deutlich in steigender Nachfrage nach Öfen<br />
und neuen Anwendungen bemerkbar. „Fast alle Märkte,<br />
in denen wir uns gerade neu positionieren, werden durch<br />
Klimawandel, Energiekosten, Elektromobilität und<br />
CO 2-Footprint und damit politische Richtungsentscheidungen<br />
getrieben“, sagt Görnhardt. Der Bereich, der sich<br />
bei Onejoon derzeit am stärksten entwickelt und einer<br />
der Haupttreiber des Unternehmenserfolgs ist, ist der<br />
Batteriemarkt: Er wächst derzeit jährlich um 20 bis 30<br />
Prozent.<br />
Die Einstellung der Produktion von Verbrennungsmotoren,<br />
in Deutschland bis 2035 beschlossen, schafft eine<br />
enorme Nachfrage nach Batterien. Die wiederum brauchen<br />
Materialien für Kathoden und Anoden, zwischen
unternehmen<br />
2015<br />
Ruhstrat und die Eisenmann<br />
Business Unit Process and<br />
High Temperature Technology<br />
werden zur Eisenmann Thermal<br />
Solutions GmbH & Co. KG.<br />
2016<br />
Die Zusammenarbeit<br />
zwischen Eisenmann Thermal<br />
Solutions und Onejoon Co. Ltd.<br />
in Suwon und Hwaseong,<br />
Südkorea beginnt.<br />
2019<br />
Zwischen Eisenmann Thermal<br />
Solutions und Onejoon Korea<br />
wird das chinesische Joint<br />
Venture ,ETS Zhejiang Co. Ltd.‘<br />
gegründet.<br />
von verschiedenen Gasen oder Wasser zur Kühlung steuern.<br />
denen der Strom fließt. „Die herzustellen ist ein anspruchsvoller<br />
thermischer Prozess. Da sind wir inzwischen<br />
einer der Marktführer.“ Es ist auch ein Bereich, in<br />
dem derzeit viel Materialforschung und Entwicklung<br />
stattfindet – das Anodenmaterial beeinflusst ganz wesentlich<br />
die Haupt<strong>faktor</strong>en Kapazität bzw. Reichweite,<br />
Ladezeit und Sicherheit der Batterie. Die Ausgangsmaterialien<br />
werden dann in mehreren Verfahrensschritten<br />
,gebacken‘, um die nötigen Eigenschaften zu generieren.<br />
„Dafür braucht man Öfen, die mit verschiedenen Atmosphären<br />
betrieben werden und die wir liefern.“<br />
2019<br />
Das Geschäftsfeld ,Electrical<br />
Technology‘ wird von der Eisenmann<br />
Thermal Solutions & Co. KG<br />
auf die RPT Ruhstrat Power<br />
Technology GmbH übertragen.<br />
2020<br />
Übernahme der Eisenmann<br />
Thermal Solutions durch<br />
Onejoon Co. Ltd. Korea und<br />
Firmierung als Onejoon GmbH.<br />
2019<br />
Insolvenz des Eisenmann-<br />
Konzerns und der Eisenmann<br />
Thermal Solutions GmbH & Co. KG.<br />
2015 WURDE DIE FIRMA STRATEGISCH NEU ausgerichtet<br />
und nicht nur als Lieferant, sondern als Partner der Kunden<br />
positioniert. „Ziel ist, die Kunden auf ihrem Weg vom<br />
Labor hin zu großen Produktionsanlagen zu begleiten, zu<br />
beraten und zu unterstützen und damit unsere Technik<br />
als Standard im Markt zu etablieren“, so Görnhardt.<br />
Deswegen wurde das Testcenter eingerichtet. Es ermöglicht<br />
Kunden, ein unter idealen Laborbedingungen entwickeltes<br />
Produkt unter industriellen Fertigungsbedingungen<br />
zu testen. „Wenn wir das gut machen, haben wir<br />
das Vertrauen des Kunden“, erklärt der Geschäftsführer.<br />
„Dann liefern wir normalerweise auch eine Pilotanlange,<br />
mit der man im kleinen Produktionsmaßstab ausprobiert<br />
und die Technik optimiert, und anhand der Ergebnisse<br />
wird dann die große Anlage gebaut.“<br />
2021<br />
Eröffnung eines weiteren<br />
Produktionsstandortes<br />
in Polen.<br />
2020<br />
Eröffnung der Standorte<br />
Onejoon Inc. in<br />
Minneapolis und Atlanta,<br />
USA.<br />
4 |<strong>2022</strong> 27
unternehmen<br />
Bis ins kleinste Detail Für optimale Ergebnisse findet regelmäßig die Modifikation der Testofenanlage statt.<br />
28 4 |<strong>2022</strong>
unternehmen<br />
4 |<strong>2022</strong> 29
unternehmen<br />
Enorme Ausmaße Ofeninneneinbauten, sogenannte Muffeln, stehen in der Fertigung in Reih und Glied und warten auf den finalen Einbau.<br />
DEN ZWEITEN GROSSEN WETTBEWERBSVORTEIL sieht<br />
Görnhardt im Ansatz von Onejoon, den Ofen optimal in<br />
den jeweiligen Produktionsprozess zu integrieren. „Deswegen<br />
sind wir schon lange bestrebt, Kunden nicht nur<br />
einen Ofen anzubieten, sondern eine komplette Anlage,<br />
das heißt die Automatisierung und Prozesstechnik.“ Im<br />
Batteriebereich bietet Onejoon daher bereits komplette<br />
Anlagen zur Herstellung von Anoden und Kathoden an,<br />
in deren Herz jedoch immer ein Ofen ist.<br />
„Unser Ziel ist es, die Technik am Markt mitzubestimmen“,<br />
betont André Görnhardt. Dank der engen Entwicklung<br />
bei und mit den Kunden, starker Forschungskooperationen<br />
mit Partnern und Hochschulen sowie eigener<br />
Entwicklungen im Haus hat sich Onejoon weltweit<br />
eine starke Position erarbeitet. Wuchs die Mitarbeiterzahl<br />
2021 um 20 Prozent, sollen es dieses Jahr 25 bis<br />
30 Prozent werden. „Wider Erwarten tun wir uns nicht<br />
so schwer, Leute zu rekrutieren. Ich denke, durch unsere<br />
Märkte sind wir eine sehr interessante Firma – wir besetzen<br />
die dringenden Themen unserer Zeit wie Elektromobilität,<br />
Klimaneutralität und wir sind technologisch führend.“<br />
Öfen sind halt alles andere als altbacken. ƒ<br />
Zum Unternehmen<br />
Onejoon ist ein koreanischer Industrieofenbauer, der<br />
2020 die Ofenbau-Sparte der insolventen Eisenmann AG<br />
übernommen hat. In Deutschland ist Onejoon mit zwei<br />
Standorten in Bovenden und Böblingen und mit derzeit<br />
rund 240 Mitarbeitern vertreten. Der Auftragseingang<br />
lag 2021 bei etwa 100 Millionen Euro. Das Geschäft<br />
entwickelt sich derzeit sehr dynamisch mit entsprechenden<br />
Wachstumsraten bei Umsatz und Mitarbeitern.<br />
Aus dem Firmennamen ergibt sich die Bedeutung von<br />
,one‘ wie ,Ass, Top und der Beste‘. ,Joon‘ bedeutet der<br />
,höchste Berg‘ – der Wert, den das Unternehmen anstrebt.<br />
www.Onejoon.de<br />
30 4 |<strong>2022</strong>
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Der Weg des Dr.-Ing. Udo Pauly vom Ökospinner zum nachhaltigen Unternehmer<br />
„Ökologisch zu denken, heißt,<br />
angepasst an die Situation zu<br />
denken. Die Natur regelt vieles<br />
selbst, so wie die Urtypen unserer<br />
Schilfpflanzen. Nur Veränderung<br />
bringt uns weiter. Wir wollen bewusst<br />
Dinge bewegen und denken daher<br />
von Natur aus smart – mit nachhaltigem<br />
Erfolg. Für uns war das<br />
immer die Kombination aus<br />
nachhaltigen ökologischen Vorteilen<br />
und ökonomischem Nutzen!“<br />
DR.-ING. UDO PAULY<br />
Man kann die Natur in ihrem Wirken vielleicht<br />
sogar philosophisch betrachten. „Das haben<br />
wir bei unserer Fokussierung auf den Wurzelraum<br />
von Schilfpflanzen getan – mit einem<br />
wertvollen Ergebnis: eine biologische Wasserund<br />
Abwasserbehandlung und die Behandlung<br />
von Klärschlamm aus klassischen Kläranlagen<br />
ohne wesentlichen Verbrauch fossiler Energie.<br />
Doch es bedurfte viel Engagements und einiger<br />
Überzeugungsarbeit, diese für viele zunächst<br />
absurd klingende, aber wegweisende<br />
Idee im Markt zu platzieren.“<br />
Oppositionspartei ohne Parteibuch. „Mit diesen<br />
Worten belächelte man unser Team um<br />
Professor Kickuth, Dozent der Ökochemie. Anfang<br />
der 1980er-Jahre war ich als Student der<br />
Landwirtschaft auf seine Forschung gestoßen,<br />
Abwasser in einem mit Schilf bewachsenen<br />
Bodenkörper zu reinigen. Ich fand die Idee<br />
revolutionär und war fasziniert u. a. von der<br />
Fähigkeit der Ökosysteme, sich selbst zu regulieren.<br />
Mein Forscherdrang war geweckt. Heute<br />
nutzen wir die Fähigkeit von Ökosystemen zur<br />
Selbstregulation in Hunderten Projekten.“<br />
Antrag im Schlummermodus. „Zum Ende<br />
meines Agraringenieurstudiums 1982 formulierten<br />
wir einen Antrag zur Abwasser- und<br />
Schlammbehandlung in und auf dem Wurzelraum<br />
von Schilfpflanzen nach Kickuth<br />
– der im Bundesministerium nur sehr lang-<br />
sam bearbeitet wurde. Ich nutzte die Zeit als<br />
Quer einsteiger im Ingenieurbüro für Umweltplanung,<br />
INFU, und startete von dort als<br />
Entwicklungshelfer nach Togo.“<br />
Spiegel oder Humanreflektor. „1986 wurde<br />
unser Antrag endlich bewilligt. Der Prüfer hatte<br />
Dinge wie Reisekosten und Literatur gestrichen.<br />
Sein Argument: „Wir fördern nur die uns<br />
unbekannten Posten, sonst wäre es ja keine<br />
Forschung.“ Einen ‚Spiegel‘ würde er nicht genehmigen,<br />
einen ‚Humanreflektor‘ wohl eher.<br />
Schließlich hatte das lange Warten ein gutes<br />
Ende: Wir starteten unser Fünf-Jahres-Projekt.“<br />
Geschwärzte Weinkorken auf weißer Papiertischdecke.<br />
„Dieses Bild habe ich immer noch<br />
vor Augen: Wie wir so, ein Team aus Agrarund<br />
Elektroingenieuren, Chemikern, Biologen,<br />
Landschaftsplanern, unsere Beobachtungen<br />
und Ideen sammelten und diskutierten. Zwar<br />
lieferte die Analyse einer Wasserprobe ein<br />
Ergebnis – aber warum hinten sauberes Wasser<br />
rauskam, wenn vorne dreckiges reinfloss,<br />
konnten wir nur interdisziplinär ergründen.<br />
Was passierte zwischen Zu- und Ablauf der<br />
Anlage? Was davon leistete einen wichtigen<br />
Beitrag zur Abwasserreinigung? Wo floss das<br />
Abwasser entlang, wie lange war es im System,<br />
und was veränderte sich? Was wurde an das<br />
Substrat gebunden, was abgebaut – und welchen<br />
Beitrag leistete das Schilf?“
PROFIL<br />
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Vom Forscher und Überzeugungstäter zum Unternehmer: Dr.-Ing. Udo Pauly hat der Natur zugehört.<br />
Grüne Revolution im Kleingarten. „Trotz der<br />
sehr erfolgreichen Versuchsanlage blieben<br />
die Kommunen skeptisch: Mit dem Ökosystem<br />
Schilf ganz ohne Chemie, fossile Energie<br />
und Maschinen Abwasser reinigen und Klärschlamm<br />
entwässern? Das klang der technisch<br />
geprägten Fachwelt zu grün-alternativ,<br />
und sie wies uns zunächst ab. So kam es, dass<br />
wir bundesweit zumindest kleine Pflanzenkläranlagen<br />
bei Einfamilienhäusern bauten.“<br />
Polaroid-Bilder auf Norderney. „Das Glück<br />
kam kurz vor Projektende mit einem Großauftrag<br />
für eine Anlage zur Klärschlammvererdung<br />
aus Norderney. Schilf ist den Insulanern<br />
näher als Beton. Wir prüften anhand<br />
unterschiedlicher Arten, wie lange sich die<br />
Monokultur selbst regulieren kann, entwickelten<br />
eine Methode zur Beurteilung des Klärschlamms,<br />
der ins Schilf gegeben werden<br />
kann, und bauten schließlich eine Anlage<br />
für 50.000 Einwohner. Mit unserer Polaroid-<br />
Kamera dokumentierten die Betreiber dann<br />
die Pflanzenbefunde. Das war wertvolle Pionierarbeit.“<br />
Plötzlich Generalunternehmer. „Das große<br />
Risiko, das wir 1991 mit dem Bauprojekt eingingen,<br />
hatte anfangs ein Investor gesichert.<br />
Seitdem arbeiten wir nach der Devise, an der<br />
Seite unserer Kunden die Projekte gemeinsam<br />
zum Erfolg zu führen. 1995 gründeten wir die<br />
EKO-PLANT GmbH, heute beschäftigt The<br />
Pauly Group über 100 Menschen.“<br />
Da wo der Hammer hängt. „Die Fridays-for-<br />
Future-Bewegung hat sehr klargemacht, wo<br />
der Hammer hängt. Jetzt erst blüht das ökologische<br />
Bewusstsein, das in den 1980er-Jahren<br />
gepflanzt wurde, richtig auf. Schon vor 40 Jahren<br />
hatten wir diskutiert, dass Schilf Wasser in<br />
der Region hält, heute sind Schwammstädte<br />
ein Thema.“<br />
Der Sinn der Arbeit. „Ökologisch zu denken,<br />
heißt, angepasst an die Situation zu denken.<br />
Die Natur regelt vieles selbst, so wie die Urtypen<br />
unserer Schilfpflanzen. Nur Veränderung<br />
bringt uns weiter. Wir wollen bewusst<br />
Dinge bewegen und denken daher von Natur<br />
aus smart – mit nachhaltigem Erfolg. Für uns<br />
war das immer die Kombination aus nachhaltigen<br />
ökologischen Vorteilen und ökonomischem<br />
Nutzen!“<br />
Der Markt hat Fahrt aufgenommen. „In unserer<br />
Start-up-Phase waren wir den Entscheidern<br />
zu ‚grün‘, heute müssen wir ihnen nachweisen,<br />
dass wir ‚echt öko‘ sind. Manchmal<br />
verwirrt mich das noch, aber letztlich haben<br />
wir einen guten Weg zurückgelegt. Ungefähr<br />
100 Anlagen zur Klärschlammvererdung und<br />
viele chlorfreie Freibäder (FreibadPlus, siehe<br />
in Weende) arbeiten heute mit unserer Idee.<br />
Das ist ein Ergebnis, das mich und mein Team<br />
stolz macht.<br />
The Pauly Group – da ist mein Name drin. Ich<br />
bin Familienunternehmer aus Überzeugung.<br />
Von Natur aus smart.<br />
KONTAKT<br />
TEXT: CLAUDIA KLAFT<br />
THE PAULY GROUP GmbH & Co. KG<br />
Bahnhofstraße 12<br />
37249 Neu-Eichenberg<br />
Tel. 05542 9361-0<br />
info@thepaulygroup.de<br />
www.thepaulygroup.de
unternehmen<br />
Asien<br />
im<br />
Blick<br />
Stephan Ferneding hat seine Messtechnikfirma<br />
Accurion nach 30 Jahren an Südkoreaner<br />
verkauft. Für die letzten Jahre als Geschäftsführer<br />
stellt er sich der Herausforderung, die<br />
neue Firmenkultur an seine Mitarbeiter zu<br />
vermitteln. Welche Chancen der 57-Jährige<br />
für den Göttinger Standort in der<br />
Halbleiterindustrie sieht und welche Pläne<br />
er für ein buddhistisches Zentrum in Asien<br />
hat, erzählt er <strong>faktor</strong> im Interview.<br />
TEXT SVEN GRÜNEWALD<br />
FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
34 4 |<strong>2022</strong>
unternehmen<br />
4 |<strong>2022</strong> 35
unternehmen<br />
36 4 |<strong>2022</strong>
unternehmen<br />
Fertigung nach Maß<br />
Jedes Messgerät von Accurion ist<br />
letztlich eine Einzel anfertigung, die<br />
individuelle Ansprüche der Kunden<br />
berücksichtigt. Rund zwei bis drei<br />
Monate braucht es insgesamt –<br />
von der Bestellung und Materialbeschaffung<br />
über den mehrwöchigen<br />
Zusammenbau bis zum Versand.<br />
LESEZEIT: 7 MINUTEN<br />
Accurion ist eines ,der‘<br />
Mess technik-Unternehmen<br />
des Measurement Valley, die<br />
sich ein weltweites Alleinstellungs<br />
merkmal erarbeitet<br />
haben: Keiner ist so gut darin<br />
wie die Göttinger, Oberflächen<br />
mit der Dicke von nur<br />
einem Molekül auf flüssigen<br />
oder festen Materialien zu<br />
vermessen und die Messung auch noch schwingungsfrei<br />
durchzuführen. Samsung und Apple beispielsweise bauen<br />
mithilfe der Accurion-Messtechnik Funktionsschichten<br />
für ihre Displays, die aus über 100 verschiedenen<br />
ultradünnen Schichten mit jeweils unterschiedlichen<br />
Eigenschaften bestehen. Auch Nobelpreisträger Stefan<br />
Hells Mikro skoptechnik setzt die Schwingungsisolation<br />
von Accu rion ein, ebenso wie Einrichtungen, die mit<br />
künstlicher Befruchtung arbeiten.<br />
HERVORGEGANGEN IST ACCURION 1991 aus der<br />
Entwicklung eines wissenschaftlichen Messgerätes am<br />
Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische<br />
Chemie, die zur der Ausgründung unter dem Namen<br />
Nanofilm führte. Später kam noch die Neugründung<br />
Halcyonics hinzu. Von den ursprünglich fünf Gründern<br />
verblieben am Ende drei: Dirk Hönig, Marcus Liemen<br />
und Stephan Ferneding. Nach dreißig Jahren im Unternehmen<br />
stellten diese sich die Frage, wie es weitergehen<br />
soll. Die Pläne, das Unternehmen zu verkaufen, gab es<br />
dabei schon länger.<br />
Nanofilm verkaufte hauptsächlich Einzelgeräte an<br />
Forschungseinrichtungen und -abteilungen. Da die Geräte<br />
eine sehr lange Lebenszeit haben, wuchs sich eine<br />
Phase schwacher Nachfrage 2008 zu einer Insolvenz aus.<br />
Halcyonics übernahm die Nanofilm und fusionierte mit<br />
ihr 2009 zur heutigen Accurion. „Damals gab es erste<br />
Überlegungen zu einem Verkauf, aber es war nicht der<br />
richtige Zeitpunkt“, erzählt Stephan Ferneding heute.<br />
„Wir wollten das Unternehmen erst wieder aufbauen<br />
und zum Laufen bringen.“ Das hat rund zehn Jahre gedauert.<br />
„Wir haben uns im Gesellschafterkreis 2018 darauf<br />
geeinigt, dass wir versuchen, drei gute Jahre nacheinander<br />
hinzulegen, und uns dann gezielt nach einem<br />
strategischen Partner umsehen.“<br />
Dem weiteren Wachstum von Accurion waren aufgrund<br />
der geringen Unternehmensgröße hingegen Grenzen<br />
gesetzt. In ihrem Bereich der schwingungsfreien<br />
Schichtdickenmessung ist die Firma praktisch konkurrenzlos<br />
unterwegs, aber es ist ein Nischenmarkt. „Deswegen<br />
wollten wir schon länger in den industriellen<br />
Bereich einsteigen, um so mehr Einheiten am Stück verkaufen<br />
zu können. Aber das haben wir alleine gar nicht<br />
geschafft – wir waren zu klein und konnten den weltweiten<br />
Service gar nicht liefern“, sagt Ferneding. 43 Mitarbeiter<br />
hat Accurion heute, darunter einen Servicetechniker.<br />
„Damit werden Sie von den großen Produzenten<br />
gar nicht ernst genommen“, so der Geschäftsführer.<br />
Er sei jetzt 57. Und bei einem Verkauf müsse man für<br />
eine Übergangsphase ohnehin noch ein paar Jahre dabeibleiben.<br />
„Die letzten waren für uns sehr erfolgreich, deswegen<br />
ist jetzt ein guter Zeitpunkt gewesen“, erklärt der<br />
Jurist. Also wurden ein Businessplan erstellt, eine Story<br />
entwickelt und potenzielle Kontakte identifiziert. Doch<br />
bevor die richtig losging, klingelte 2021 bereits Park<br />
Systems an der Tür.<br />
DIE PARK SYSTEMS AG hat einen ähnlichen Hintergrund<br />
wie Accurion: Auch sie ist als klassische Garagenfirma<br />
im Silicon Valley gestartet. Heute hat sie ihren Sitz<br />
in Südkorea und ist mit über 400 Mitarbeitern im Halbleiterbereich<br />
in der Qualitätssicherung tätig – mit einzigartigen<br />
automatisierten Rastersondenmikroskopen,<br />
die mit atomarer Auflösung arbeiten. „Mit unserer Technologie<br />
wollen sie die nächste Messtechnikgeneration in<br />
der Qualitätskontrolle einführen“, erzählt Ferneding.<br />
Park bringt genau das mit, was Accurion fehlt: eine weltweite<br />
Servicestruktur und einen Zugang zu diesem<br />
Markt.<br />
Der Tipp, auf Accurion zuzugehen, kam von Parks<br />
Kunden Samsung. „Die haben über unsere Technologie<br />
gesagt, dass sie gut ist, und wenn es einer hinbekommt,<br />
die immer kleiner werdenden Strukturen im Halbleiterbereich<br />
zu vermessen, dann seien wir das“, so Ferneding.<br />
„Allerdings seien wir zu klein, aber falls Park uns übernehme,<br />
könne man sich eine weitere Zusammenarbeit<br />
vorstellen.“ Der erste Kontakt entstand auf Arbeits ebene<br />
mit Überlegungen für ein gemeinsames Entwicklungsprojekt.<br />
Im Laufe der ersten Gespräche kam dann schnell<br />
die Frage auf, ob sich Accurion auch eine engere Kooperation<br />
vorstellen könne oder sogar eine Übernahme<br />
möglich wäre.<br />
„ZU DIESEM ZEITPUNKT GAB ES dann auch schon weitere<br />
Anfragen von anderen Unternehmen“, sagt Ferneding.<br />
Die Vorstellungen unterschieden sich jedoch deutlich:<br />
„Teilweise waren Standortverlagerungen geplant, andere<br />
4 |<strong>2022</strong> 37
unternehmen<br />
In der Produktion Hier ist noch jeder Arbeitsschritt echte Handarbeit – weil die Stückzahlen gering sind und die Qualitätsansprüche hoch.<br />
wollten nur einen Geschäftsbereich übernehmen, das<br />
wollten wir aber alles nicht.“ Am Ende blieben zwei Anbieter<br />
übrig: Park Systems und ein ungarisches Unternehmen.<br />
Das Angebot von Park Systems war zwar niedriger,<br />
aber die Koreaner hatten das eindeutig bessere<br />
Konzept, die Perspektiven waren besser, und der Standort<br />
sollte erhalten und ausgebaut werden. „Das war für<br />
alle Beteiligten viel spannender, deswegen haben wir uns<br />
für die Koreaner entschieden.“<br />
Am 1. September <strong>2022</strong> wurde der Kaufvertrag unterzeichnet<br />
– im Eingangsbereich von Accurion hängt bereits<br />
das neue Firmenlogo. Doch der alte Name soll nicht<br />
ganz verschwinden, er wird in Form des Produktnamens<br />
für die Göttinger Erzeugnisse weiterleben: „Denn der<br />
Name genießt eine große Bekanntheit.“ Amüsante<br />
Randnotiz: Vor rund 20 Jahren hatte Ferneding den<br />
Gründer und heutigen Park-CEO Sang-il Park bereits in<br />
den USA besucht, um ihm die Accurion-Produkte zu verkaufen.<br />
„Das war damals nicht erfolgreich, weil Park<br />
noch mitten in seiner Entwicklungsphase steckte.“<br />
WIE SOLL ES NUN IN GÖTTINGEN unter koreanischer<br />
Führung weitergehen? Die internen Abläufe ändern sich<br />
zunächst dergestalt, dass sich Accurion nicht mehr selbst<br />
um den Vertrieb kümmern muss, sondern das weltweite<br />
Sales-Netzwerk von Park Systems schult. „Wenn die alle<br />
trainiert sind, werden wir deutlich mehr Umsatz hinlegen,<br />
weil das Team mit einer ganz anderen Power an den<br />
Markt herangehen kann, als wir das je gekonnt hätten“,<br />
erklärt Ferneding. „Es ist absehbar, dass der Göttinger<br />
Standort massiv wachsen wird und sich die Mitarbeiterzahlen<br />
verdoppeln werden. Deswegen führen wir bereits<br />
Gespräche über einen neuen Standort.“<br />
INTERN WIRD EINE DER GROSSEN Herausforderungen<br />
sein, sich in einen größeren Konzern zu integrieren. Die<br />
Geschwindigkeiten seien nun ganz andere: „Bei Park hat<br />
jeder seine spezialisierte Aufgabe, bei uns landen daher<br />
jetzt viele Anfragen von verschiedensten Park-Kollegen<br />
bei einer Person hier im Haus. Da mussten wir schon etwas<br />
auf die Bremse treten“, erzählt der Geschäftsführer.<br />
Auch die Mitarbeiter müssen mitgenommen werden, denn<br />
die koreanische Unternehmenskultur ist doch etwas anders.<br />
„Wir haben immer Rücksicht auf jeden Einzelnen<br />
und seine individuelle Situation genommen. Auch gab es<br />
immer große Entscheidungsfreiräume bei den Abteilungsleitungen.“<br />
In einer größeren Konzernstruktur muss man<br />
erst einmal herausfinden, welche Hierarchien einzuhalten<br />
sind und wer überhaupt etwas entscheiden darf.<br />
Der 57-Jährige hofft nun, dass in Göttingen nicht einfach<br />
die koreanische Verfahrensweise Einzug hält,<br />
sondern er auch in den letzten Jahren, die er noch im<br />
38 4 |<strong>2022</strong>
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unternehmen<br />
Alles bleibt anders Der Zuschlag ging an die Koreaner, die nicht nur das bessere Konzept mitbrachten – auch die Perspektiven sind besser,<br />
und der Standort in Göttingen soll erhalten und ausgebaut werden.<br />
Unternehmen tätig sein will, für seinen Ansatz Werbung<br />
machen kann. Dennoch, die Kommunikation läuft gut.<br />
Zudem hatte Accurion bereits Zweigstellen in Asien,<br />
und auch aus persönlichen Gründen hat Ferneding eine<br />
große Nähe nach Fernost aufgebaut. „Ich bin seit einigen<br />
Jahren Buddhist und habe viel aus dieser Philosophie<br />
für meinen Führungsstil und meine Persönlichkeitsentwicklung<br />
übernommen. Ich möchte künftig aber<br />
noch tiefer in buddhistische Werte eintauchen.“ Deswegen<br />
hat er sich auch eine kleine Klausel in den neuen<br />
Vertrag schreiben lassen: Zweimal im Jahr wird ihm von<br />
Park ein zweiwöchiger Aufenthalt in einem koreanischen<br />
buddhistischen Kloster organisiert.<br />
Mittelfristig hat Stephan Ferneding aber noch mehr<br />
vor. „Ich habe die Absicht, gemeinsam mit anderen in<br />
Asien ein buddhistisches Seminarzentrum aufzubauen.“<br />
Das soll sich vor allem an Europäer richten, die entweder<br />
tiefer in buddhistische Werte einsteigen möchten,<br />
oder an Unternehmensmitarbeiter, die nach Asien geschickt<br />
wurden, damit sie die asiatische Kultur besser<br />
kennenlernen. Nach einem genauen Standort sucht<br />
Ferneding noch. Sein Ziel hingegen ist klar: einen neuen<br />
,Spirit‘ zu etablieren und das Wirtschaften menschlicher<br />
zu machen. ƒ<br />
ZUR PERSON<br />
Bereits während seines Jura-Studiums in Göttingen wurde<br />
Stephan Ferneding Mitgründer des Accurion-Vorläufers<br />
Nanofilm und ist heute einer von drei Inhabern. Auch<br />
nach dem Verkauf seiner Firma an das koreanische<br />
Unternehmen Park Systems wird der 57-jährige Buddhist<br />
noch für einige Jahre als Geschäftsführer die Integration<br />
in den Konzern gestalten. Auch für die Zeit danach hat<br />
er bereits spannende Pläne: Er will ein buddhistisches<br />
Seminarzentrum in Asien aufbauen. Als leidenschaftlicher<br />
Stepptänzer schaffte es Ferneding bereits viermal an der<br />
Deutschen Meisterschaft teilzunehmen und qualifizierte<br />
sich sogar einmal zur Europameisterschaft und<br />
zweimal zur Weltmeisterschaft.<br />
ÜBRIGENS …<br />
Mehr über den Menschen Stephan Ferneding – und wie<br />
er gestärkt aus einer Insolvenz hervorging – lesen Sie im<br />
<strong>faktor</strong>-Beitrag ,Leben voller Gegensätze‘ (2020) unter:<br />
www.<strong>faktor</strong>-magazin.de/leben-voller-gegensaetze<br />
40 4 |<strong>2022</strong>
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die Region – 25 Jahre Zentrum<br />
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24-Stunden-Überwachung durch die Notruf- und<br />
Serviceleitstelle<br />
„Wir sind im Notfall immer für<br />
unsere Kunden erreichbar.<br />
Viele von ihnen kennen wir<br />
persönlich und arbeiten schon<br />
lange Zeit zusammen.“<br />
THOMAS GIEHNE<br />
25 Seit der ersten Stunde mit<br />
Jahre gibt es das Ruhstrat<br />
Zentrum für Sicherheit (ZfS)<br />
Am Leinekanal in Göttingen.<br />
dabei ist Thomas Giehne, Leiter des Bereichs<br />
Sicherheitsdienstleistungen und der Notrufund<br />
Serviceleitstelle. Wenn man ihn fragt, was<br />
die Kunden am ZfS besonders schätzen, so<br />
antwortet er: „Wir sind im Notfall immer für<br />
unsere Kunden erreichbar. Viele von ihnen<br />
kennen wir persönlich und arbeiten schon<br />
lange Zeit zusammen. Da unser Standort<br />
im Zentrum Göttingens ist, kennen unsere<br />
Mitarbeitenden die Gegebenheiten vor Ort<br />
und können auf Herausforderungen flexibel<br />
mit entsprechenden Maßnahmen reagieren.<br />
Zudem sind wir keine anonyme Hotline irgendwo<br />
außerhalb Göttingens, sodass sich<br />
viele Dinge auf dem kurzen Dienstweg klären<br />
lassen.“ Alle 50 Mitarbeitenden sind speziell<br />
für den Einsatz als Sicherheitskraft ausgebildet<br />
und die meisten schon lange im Unternehmen.<br />
Der größte Teil von ihnen wird im<br />
Streifen- und Interventionsdienst eingesetzt.<br />
Hierbei werden zum Abend hin Gebäude<br />
von Geschäftskunden kontrolliert und verschlossen.<br />
Falls vorhanden, wird zudem die<br />
Gefahrenmeldeanlage aktiviert. Durch die Fernüberwachung<br />
über die 24 Stunden besetzte<br />
Notruf- und Serviceleistelle ist das Gebäude<br />
dann zuverlässig gegen Einbruch, Diebstahl<br />
und Brand geschützt. Falls ein Alarm ausgelöst<br />
wird, kann der zertifizierte Interventionsdienst<br />
nach einem vorher mit dem Kunden<br />
abgestimmten Einsatzplan sofort reagieren.<br />
Als zusätzliche Schutzmaßnahme finden in<br />
der Nacht und am Wochenende durch den<br />
Streifendienst unregelmäßige Objektkontrollen<br />
statt. Weitere Einsatzbereiche der Beschäftigten<br />
sind im Objekt- und Werkschutz, bei<br />
dem ein festes Team beispielsweise an der<br />
Werkspforte den Zugang zum Gebäude regelt<br />
oder nachts eine komplette Überwachung mit<br />
Sicherheitsmitarbeitenden vor Ort stattfindet.<br />
DER BEREICH SICHERHEITSDIENSTLEIS-<br />
TUNGEN des ZfS ist in die Ruhstrat Facility<br />
Management GmbH integriert. Die Installa -<br />
tion, Wartung und Reparatur von Einbruch-,<br />
Überfall- und Brandmeldesystemen übernimmt<br />
die Schwesterfirma der Ruhstrat Haus- und<br />
Versorgungstechnik GmbH. Schon seit dem<br />
Gründungsjahr 1888 sind Alarmanlagen ein<br />
elementarer Bestandteil des Unternehmens.<br />
Beide Firmen werden von Daniela und Steven<br />
Ruhstrat als Familienunternehmen in der vierten<br />
Generation geführt. „Unser Ziel ist es, für<br />
unsere Kunden die beste Lösung für den jeweiligen<br />
Anwendungsbereich zu finden“, sagt<br />
Daniela Ruhstrat. „Ebenso wie mit unseren<br />
Kunden pflegen wir mit unseren Mitarbeitenden<br />
einen offenen und fairen Umgang, mit
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FOTOS: RUHSTRAT<br />
PROFIL<br />
Die Sicherheit ihrer Kunden fest im Blick: Geschäftsführerin Daniela Ruhstrat und<br />
Abteilungsleiter Thomas Giehne<br />
Sicherheitsmitarbeiter im Außeneinsatz bei der<br />
Zufahrtskontrolle<br />
dem Ziel einer langfristigen harmonischen<br />
Zusammenarbeit.“<br />
Wenn man Thomas Giehne nach den besonderen<br />
Entwicklungen der letzten 25 Jahre<br />
fragt, so nennt er insbesondere die Weiterentwicklung<br />
der Technik. Wo man früher vor einem<br />
Bildschirm am Computer gesessen hat<br />
und viele Kontakte über das Telefon liefen,<br />
werden heute alle Meldungen elektronisch<br />
übermittelt, und es gibt zahlreiche Monitore<br />
zur Kontrolle. Die Möglichkeit der Videoüberwachung<br />
ist mittlerweile problemlos möglich.<br />
Ebenso können Heizungs- und Klimaanlagen<br />
zum Beispiel von Serverräumen, Laboren oder<br />
Produktionsstätten über die Notrufzentrale<br />
überwacht werden. Störungen oder Ausfälle<br />
dieser Anlagen werden sofort erkannt und<br />
können behoben werden, bevor es zu größeren<br />
Schäden kommt.<br />
VERSCHÄRFT WURDEN AUCH die rechtlichen<br />
Vorgaben des Gesetzgebers an Sicherheitsunternehmen,<br />
was die Eignung und<br />
Qualifizierung der Mitarbeitenden und die<br />
Anforderungen an die technischen Systeme<br />
angeht. Die regelmäßige Überprüfung der<br />
technischen und organisatorischen Voraussetzungen<br />
durch die VdS Schadenverhütung<br />
GmbH gewährleistet dem Kunden zudem<br />
einen hochwertigen zertifizierten Sicherheitsstandard.<br />
Um die Zuverlässigkeit der Meldesysteme<br />
und die IT-Sicherheit zu verbessern,<br />
wurde in den letzten Jahren ein sechsstelliger<br />
Betrag in technische Weiterentwicklungen<br />
investiert. Zu ihrem besonderen Schutz sind<br />
alle Mitarbeitenden mit speziellen Handys<br />
ausgestattet. Diese können Stechstellen erfassen<br />
und verfügen über Zusatzfunktionen,<br />
etwa die Alarmübermittlung bei Überfällen.<br />
Alle Firmen fahrzeuge sind GPS-überwacht,<br />
sodass im Alarmfall gleich erkannt werden<br />
kann, welches Fahrzeug am schnellsten zum<br />
Einsatzort kommt.<br />
NEBEN DEM SICHERHEITSDIENST bietet<br />
die Ruhstrat Facility Management GmbH<br />
weitere Dienstleistungen rund ums Gebäude<br />
an, wie beispielsweise Hausmeister- und Reinigungsservice<br />
sowie Hausverwaltung. Auch<br />
für diese Bereiche können die Kundinnen und<br />
Kunden den Notfallservice des Zentrums für<br />
Sicherheit nutzen. „In der Dienstleistungsbranche<br />
hängt viel von der Zuverlässigkeit,<br />
Flexibilität und Einsatzfreude der Beschäftigten<br />
ab. Über die letzten 25 Jahre haben wir<br />
ein tolles Team aufgebaut, auf das ich mich<br />
immer verlassen kann“, so Daniela Ruhstrat.<br />
„Das ist nicht selbstverständlich, und dafür<br />
bin ich sehr dankbar. Deshalb blicke ich trotz<br />
aller derzeitigen Herausforderungen optimistisch<br />
in die Zukunft und freue mich auf die<br />
nächsten Jahre.“<br />
KONTAKT<br />
Ruhstrat Facility Management GmbH<br />
Am Leinekanal 4<br />
37073 Göttingen<br />
Tel. 0551 5488585<br />
info@ruhstrat-fm.de<br />
www.ruhstrat-fm.de<br />
KONTAKT<br />
Ruhstrat Haus- und Versorgungstechnik GmbH<br />
Adolf-Hoyer-Straße 6<br />
37079 Göttingen<br />
Tel. 0551 69404-0<br />
info@ruhstrat.de<br />
www.ruhstrat.de
wissen<br />
Auf den Punkt gebracht<br />
Der 20. Innovationspreis des Landkreises Göttingen als Schaufenster für Kreativität und Tatkraft der Region<br />
Unter dem Motto ,Auf den Punkt gebracht‘<br />
startete im Mai <strong>2022</strong> die Jubiläumsrunde<br />
des Innovationspreises des Landkreises<br />
Göttingen, der jährlich von der WRG<br />
Wirtschaftsförderung Region Göttingen<br />
organisiert wird – auf der Suche nach innovativen Produkten,<br />
Verfahren, Dienstleistungen, Prozessen oder<br />
Geschäftsideen von Gründern, Unternehmen, Institutionen,<br />
freien Trägern oder Einzelpersonen aus der ganzen<br />
Region und darüber hinaus.<br />
AM 10. NOVEMBER WAR ES DANN SO WEIT: Knapp<br />
400 Gäste verfolgten die Gala im Deutschen Theater, bei<br />
der in feierlichem Rahmen die glücklichen Gewinner unter<br />
den 122 eingereichten Bewerbungen verkündet wurden.<br />
„Gerade in diesem Jahr freuen wir uns über die<br />
hohe Wettbewerbsbeteiligung“, kommentierte Landrat<br />
Marcel Riethig. „2020 waren die Konsequenzen der<br />
Coronapandemie deutlich spürbar, heute ist es die Energiekrise<br />
aufgrund des Ukrainekrieges.“ Daher freue man<br />
sich umso mehr, dass trotz dieser enormen Herausforderungen<br />
wieder eine hohe Beteiligung am Wett bewerb und<br />
eine hohe Qualität der Beiträge im Jubiläumsjahr erreicht<br />
wurden. „Dies zeigt, dass Südniedersachsen eine Aufsteigerregion<br />
ist und die Unternehmen auch in Krisenzeiten<br />
Mut und Unternehmungsgeist besitzen. Der Innovationspreis<br />
des Landkreises Göttingen ist das Schaufenster für<br />
Kreativität und Tatkraft unserer Region.“ Auch die enge<br />
Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium, das zum<br />
dritten Mal in diesem Rahmen seinen mit 10.000 Euro<br />
44 4 |<strong>2022</strong>
wissen<br />
Bühne frei Im Deutschen Theater wurden im November die Sieger des Innovationspreises <strong>2022</strong> ausgezeichnet.<br />
dotierten Klima-Innovationspreis Niedersachsen verlieh,<br />
mache dies deutlich und trüge zur Strahlkraft des<br />
Wettbewerbs über die Region hinaus bei, so Riethig.<br />
„Klimaschutz ist die Generationenaufgabe dieses Jahrzehnts“,<br />
erklärte der neue niedersächsische Wirtschaftsminister<br />
Olaf Lies, der zugleich auch Vorsitzender des<br />
Lenkungskreises der Niedersachsen Allianz für Nachhaltigkeit<br />
(NAN) ist, der Ausrichterin des Klima-Innovationspreises.<br />
„Dafür brauchen wir kluge und innovative neue<br />
Lösungen und mutige Partner aus der Wirtschaft.“<br />
Mehr als 50 Bewerbungen aus ganz Niedersachsen hätten<br />
deutlich gemacht, welches enorme Potenzial für die<br />
Unternehmen im Klimaschutz stecke. „Viele Betriebe<br />
haben das trotz oder gerade wegen der Energiekrise erkannt<br />
und gehandelt.“<br />
INSGESAMT GAB ES PREISE in sieben Kategorien – siehe<br />
Seite 46. Die Erstplatzierten erhielten jeweils 3.000 Euro,<br />
die Zweitplatzierten 2.000 Euro und die Drittplatzierten<br />
1.000 Euro. Im Jubiläums jahr wurde zudem erstmals ein<br />
Publikumspreis unter den nicht platzierten Nominierten<br />
verliehen, über den die Gäste im Deutschen Theater live<br />
abstimmten. Unterstützt wurde der Wettbewerb erneut<br />
von den Sparkassen Göttingen, Duder stadt und Osterode,<br />
der EAM, dem MEKOM Regionalmanagement Osterode<br />
am Harz sowie dem Wirtschaftsverband Measurement<br />
Valley. <strong>faktor</strong> gratuliert allen Teilnehmenden zu<br />
ihrem Mut und Ideenreichtum!<br />
TEXT CHARLOTTE VOGEL<br />
FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
4 |<strong>2022</strong> 45
wissen<br />
DIE GEWINNER<br />
DES INNOVATIONS-<br />
PREISES <strong>2022</strong><br />
Kategorie: Gründer und Jungunternehmer<br />
1. PLATZ<br />
Grünfuchs Logistik GmbH, Göttingen<br />
Entlastung der Innenstädte vom Lieferverkehr<br />
Die Idee: Der Lieferverkehr in Innenstädten soll durch eine zentrale Sammelstelle<br />
und Lastenräder entlastet werden.<br />
2. PLATZ<br />
Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, Göttingen<br />
Verbesserte Diagnose von Krankheiten<br />
Die Idee: frühere Diagnose von Krebs und neurodegenerativen Krankheiten<br />
und Sichtbarmachung von Stoffwechselkrankheiten mithilfe eines neuen Kontrastmittels<br />
und MRT-Verfahrens<br />
3. PLATZ<br />
3Digity, Göttingen<br />
Plattform für Orthesen<br />
Die Idee: Patientenspezifische Orthesen werden automatisch per Bildanalyse<br />
und 3D-Druck generiert.<br />
Kategorie: Unternehmen bis 20 Mitarbeiter<br />
1. PLATZ<br />
Aqua Computer GmbH & Co. KG, Gleichen<br />
Schutz vor Feuchtigkeit<br />
Die Idee: Computer sollen mithilfe eines Vakuums im Leitungssystem vor austretender<br />
Flüssigkeit geschützt werden.<br />
2. PLATZ<br />
MID Solutions GmbH, Gittelde<br />
Verbesserte Metallisierung<br />
Die Idee: neuartiges Verfahren zur strukturierten Metallisierung von Kunststoffen<br />
und Keramiken<br />
3. PLATZ<br />
HAWK-Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst,<br />
Fakultät Ingenieurwissenschaften und Gesundheit, Göttingen<br />
Robotiksystem überwacht Lebenszyklus von Pflanzen<br />
Die Idee: Aussaat, Bewässerung, Düngung und Unkrautkontrolle von Pflanzen<br />
mithilfe von multisensoriellen Datenfusionsansatz und autonomer Navigationsfähigkeit.<br />
Kategorie: Unternehmen über 20 Mitarbeiter<br />
1. PLATZ<br />
Flügel GmbH, Osterode am Harz<br />
Schutz vor Borkenkäfern<br />
Die Idee: Autarkes Gerät zum Monitoring von Umweltbedingungen und<br />
Borkenkäferpopulationen sowie Grundlagenforschung zur Wirkung von<br />
Duftstoffen auf Käfer<br />
2. PLATZ<br />
Excor Korrosionsschutz-Technologien und Produkte GmbH, Hann. Münden<br />
Gezielter Korrosionsschutz<br />
Die Idee: Korrosionsschutzfolie ICB schützt Bauteile, Mitarbeiter und Ressourcen.<br />
3. PLATZ<br />
doks.innovations GmbH, Kassel<br />
Bestandsdatenerfassung per Drohne<br />
Die Idee: Drohnensystem InventAIRy XL erfasst Bestand im Palettenregallager.<br />
Sonderpreis Integration und Soziales<br />
Aleksandra Yemelyanovich<br />
Leselern-App Elli<br />
Die Idee: Leselern-App unterstützt Kinder mit Trisomie 21.<br />
Sonderpreis Wissenschaft und Bildung<br />
III. Physikalische Institut der Georg-August-Universität Göttingen<br />
Züchten funktionaler Muskelgewebe aus Zellen<br />
Die Idee: Erstmals ist ein Einblick in die Muskelentstehung und -erkrankung<br />
auf subzellulärer Ebene möglich. Dadurch können die Prozesse besser verstanden<br />
und Therapeutika entwickelt werden.<br />
Sonderpreis Mathematik<br />
Ludwig Nano Präzision GmbH, Northeim<br />
LNP-Universaltester<br />
Die Idee: Testgerät zur Qualitätssicherung im Bereich der Elastomere und<br />
Kunststoffe. Alle Prüfverfahren können mit einem Gerät erledigt werden,<br />
das dank seiner Software genauer und aussagekräftiger als herkömmliche<br />
Härteprüfgeräte ist.<br />
Publikumspreis<br />
Jacobi Tonwerke, Bilshausen<br />
Solarziegel Stylist-PV<br />
Die Idee: TDachziegel mit eingebauter Photovoltaik-Technik<br />
46 4 |<strong>2022</strong>
„Es ist wichtig, bei der Planung und<br />
Durchführung des Unternehmensverkaufs<br />
einen vertrauensvollen<br />
Gesprächspartner wie Matthias zu<br />
haben, der tief im Thema steckt.“<br />
Stephan Ferneding<br />
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<strong>2022</strong> verkauft an Park Systems Group<br />
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Premieren<br />
Zerstörte Straßen<br />
Natalia Voroschbit<br />
Regie Niklas Ritter<br />
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Pirsch<br />
Ivana Sokola<br />
Regie Christina Gegenbauer<br />
Uraufführung<br />
ab 21.1.<br />
Hedwig and<br />
the Angry Inch<br />
Rockmusical von Mitchell und Trask<br />
Regie Moritz Franz Beichl<br />
ab 28.1.<br />
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wissen<br />
Mehr Medizin<br />
für morgen<br />
Die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) hat eine neue Stiftung ins Leben gerufen: UMG add on.<br />
Hochkarätige Unterstützer aus der Region helfen der Privatstiftung dabei, flexibler Gelder einzuwerben.<br />
Finanziert werden sollen zunächst zwei Projekte in der Onkologie und Kardiologie.<br />
TEXT CHARLOTTE VOGEL FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
48 4 | <strong>2022</strong>
wissen<br />
Die Situation für die Hochschulen in Niedersachsen<br />
ist nicht ganz einfach. Zuletzt<br />
kürzte die Landesregierung 2020 gegen<br />
den Bundestrend den Wissenschaftsetat<br />
deutlich. Die zusätzlichen finanziellen Belastungen<br />
durch die Pandemiemaßnahmen und die starken<br />
Kostensteigerungen aufgrund der Energiekrise lassen<br />
die zukünftigen Finanzierungsperspektiven nicht besser<br />
aussehen.<br />
WER ABER WEITER INTERNATIONAL in der Forschungsspitze<br />
mitspielen will, braucht große Investitionen.<br />
Mit denen sieht es in Göttingen auch unabhängig von<br />
der Tagespolitik nicht unbedingt rosig aus. Das Land<br />
Nieder sachsen baut in Oldenburg derzeit sein drittes<br />
Uni-Klinikum auf, Forderungen nach einem vierten<br />
Uni-Klinikum in Braunschweig gibt es ebenfalls. Bei begrenzten<br />
Mitteln ist die Folge klar: Kannibalisierung<br />
oder Warteschleife der bestehenden Standorte.<br />
„Gerade Forschungsgebäude sind extrem schwierig zu<br />
finanzieren“, erklärt Wolfgang Brück, Sprecher des Vorstandes<br />
der UMG. Bund und Länder müssen diese gemeinsam<br />
finanzieren, die Kosten liegen aber schnell im<br />
mittleren zweistelligen Millionenbereich. „Daher werden<br />
wir nur alle fünf bis zehn Jahre berücksichtigt.“<br />
Dem stehen 60 verschiedene Kliniken und Institute gegenüber,<br />
die in den Forschungsschwerpunkten der UMG<br />
gute Arbeit leisten. Das heißt, viele Forschungsgebäude<br />
sind alt und haben bauliche Mängel. Das Hauptgebäude<br />
der UMG stammt noch aus den 1970er-Jahren. Das vom<br />
Land bereitgestellte Sondervermögen für den Neubau<br />
finanziert aber nur den Krankenhausbetrieb, nicht Forschung<br />
und Lehre. Auch eine voll ausgestattete Forschungsprofessur<br />
ist mit rund 2,5 Millionen Euro nicht<br />
ganz günstig. „Deswegen brauchen wir neue Finanzierungsquellen“,<br />
so Brück.<br />
WOLFGANG BRÜCK<br />
Vorstandsvorsitzender UMG add on –<br />
Sprecher des Vorstandes der UMG<br />
„Wir haben in Südniedersachsen eine enorme Kompetenz in<br />
der Gesundheitswirtschaft und der Biotechnologie. Für die<br />
Landesregierung ist aufgrund der Bedeutung von Volkswagen<br />
das hauptsächliche Schwerpunktthema Mobilität, der Rest<br />
wird noch nicht so prioritär gesehen. Das Potenzial, der<br />
Wachstumsmarkt für Biotechnologie, wenn man Göttingen,<br />
Braunschweig und Hannover international konkurrenzfähig<br />
ausbauen würde, ist jedoch gigantisch.“<br />
ANDREAS PHILIPPI<br />
Beirat – Bundestagsabgeordneter für Göttingen, SPD<br />
„Ich habe selbst in Göttingen Medizin studiert, die Entwicklung<br />
der UMG ist mir daher eine Herzensangelegenheit. In Berlin bin<br />
ich gesundheitspolitisch unterwegs – daher stimme ich mich eng<br />
mit der UMG ab, um über diesen kurzen Weg etwas für den<br />
Standort zu bewegen. Die neue Stiftung tut angesichts der Finanzierungsprobleme<br />
not. Wir müssen sie jedoch langfristig an legen.<br />
Wenn wir jetzt starten, werden wir die Früchte in 10, 15 Jahren<br />
ernten. Das ist letztlich wie Prävention in der Medizin.“<br />
4 |<strong>2022</strong> 49
wissen<br />
JOACHIM KREUZBURG<br />
Kuratorium – Vorstandsvorsitzender Sartorius AG<br />
„Die Universitätsmedizin als Spitzenversorger ist aus meiner<br />
Sicht ein extrem wichtiger Faktor in der Region und für die<br />
Stadt. Das machen sich vielleicht einige Menschen nicht klar.<br />
Man kann daher nur ein Fan der Unimedizin sein. Gleichzeitig<br />
hat sie eine riesige Herausforderung vor sich. Deswegen will<br />
ich gerne dazu beitragen, dass die UMG auch in Zukunft so<br />
erfolgreich wie bisher sein kann. Eine erfolgreiche Stiftung darf<br />
aber nicht dazu führen, dass sich die Politik mittel- bis<br />
lang fristig weiter aus der Finanzierung zurückzieht.“<br />
DIE UMG HAT SICH DAHER für einen weiteren Ansatz entschieden:<br />
Als Universität und Universitätsmedizin Göttingen<br />
2003 in eine Stiftung des öffentlichen Rechts umgewandelt<br />
wurden, war damit nicht nur die Absicht verbunden, organisatorisch<br />
flexibler zu werden, sondern auch Stifter und Spender<br />
zu gewinnen.<br />
Immer mehr Vorhaben konnten mithilfe privater Spenden<br />
umgesetzt werden. „Wir haben seit 2004 über das zentrale<br />
Fundraising rund 21 Millionen Euro eingeworben“, so Wolfgang<br />
Brück. Mit dem Erfolg reifte die Entscheidung, Fundraising<br />
zum festen Bestandteil der UMG zu machen. Die<br />
Fundraising-Aktivitäten sind vielfältig, sodass es zum einen<br />
das zentrale Fundraising abbildet, welches sich um die Bedarfe<br />
des wissenschaftlichen und klinischen Alltags kümmert<br />
und die im Jahr 2021 ins Leben gerufene Stiftung privaten<br />
Rechts UMG add on. Die neu errichtete Stiftung übernimmt<br />
das Großspenden-Fundraising und richtet sich gezielt an vermögende<br />
Privatpersonen, Institutionen und Unternehmen.<br />
„In den USA und Israel gibt es eine andere Spendenkultur,<br />
dort sammeln die Hochschulen und Kliniken sehr hohe Beträge<br />
ein“, erklärt Brück. „Die UMG add on ist der Versuch,<br />
auf ähnliche Weise erfolgreich zu sein.“<br />
Beispiele aus Deutschland zeigen, dass es geht. „Sehr erfolgreich<br />
agiert die TU München“, sagt Alice Schütze, die die<br />
Geschäftsstelle der UMG add on und deren Fundraising leitet.<br />
Die deutsche Muster-Uni, die in vielen Belangen Vorreiterin<br />
ist, verfolgt den Stiftungsansatz bereits seit über 20 Jahren<br />
und hat dafür einen großen Mitarbeiterstab aufbauen<br />
können. „Am Beispiel der TU München sieht man auch, dass<br />
der Stiftungserfolg einem Triathlon gleicht: Es geht nicht von<br />
heute auf morgen, man braucht ein kontinuierliches Bemühen<br />
über einen langen Zeitraum.“<br />
UM DIE BEDARFE DER UMG, die nicht über die öffentliche<br />
Hand finanziert werden können, zu decken, verfolgt die<br />
UMG add on einen dreigleisigen Ansatz, der bundesweit<br />
agiert: Zum einen sollen Alumni aktiv angesprochen werden,<br />
die inzwischen auf wichtigen Posten sitzen, beispielsweise in<br />
der Pharmaindustrie. Zum anderen werden, zunächst auf<br />
Niedersachsen begrenzt, gezielt Unternehmer angeschrieben.<br />
Der dritte Weg sind die persönlichen Kontakte, die insbesondere<br />
über die Gremienmitglieder der UMG add on als Multi-<br />
50 4 | <strong>2022</strong>
wissen<br />
plikatoren geknüpft werden sollen. Das Vorgehen ist<br />
dabei immer eine direkte Ansprache, um für die Ziele<br />
der UMG add on zu begeistern. Aus den diskreten Gesprächen<br />
erwachsen wiederum neue Kontakte. Deswegen<br />
wurden auch bekannte Persönlichkeiten wie der<br />
tedox-Gründer und Unternehmer Karl-Heinz Rehkopf,<br />
Vorstandsmitglied der Sparkasse Göttingen Michael Birlin<br />
und Burkhard Balz, Vorstand der Deutschen Bundesbank,<br />
für eine Stiftungsmitwirkung angesprochen und<br />
gewonnen. Auch <strong>faktor</strong>- Herausgeber Marco Böhme<br />
unterstützt im Beirat.<br />
„In den zurückliegenden Gesprächen mit potenziellen<br />
Unterstützern, die wir dieses Jahr geführt haben, haben<br />
wir die Erfahrung gemacht, dass für die Menschen Gesundheit<br />
das Wichtigste überhaupt ist“, so Alice Schütze.<br />
„Und wenn man Gesundheitsförderung unter Betrachtung<br />
des Menschen als Ganzes vermitteln kann, dann<br />
stößt man schnell auf Spendenbereitschaft.“<br />
WOLFGANG LEHMANN<br />
Vorstand – Direktor der Klinik für Unfallchirurgie,<br />
Orthopädie und Plastische Chirurgie<br />
„Am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf wurde<br />
beispielsweise die Kinderklinik zu einem großen Teil durch<br />
Spenden finanziert. Wir sehen, dass es eine große private<br />
Spendenbereitschaft gibt. Wir müssen es nur schaffen, dass<br />
wir die Spendenzwecke sichtbar und konkret machen, damit<br />
wir dafür Begeisterung wecken können.“<br />
DIE ERSTEN FÖRDERGELDER sollen entsprechend auch<br />
in zwei Stiftungsprofessuren fließen, die dem Leitgedanken<br />
der personalisierten Medizin folgen. Statt davon auszugehen,<br />
dass ein Behandlungsansatz allen Menschen gerecht<br />
wird, stehen zunehmend auf den individuellen Patienten<br />
abgestimmte Therapien im medizinischen Fokus.<br />
Die UMG will hierbei an ihren Schwerpunkten in der<br />
Krebs-, Herz-Kreislauf- und neurowissenschaftlichen<br />
Forschung anknüpfen und über interdisziplinäre Pionierprojekte<br />
Therapien entwickeln und schneller an den Patienten<br />
bringen. Langfristig, wenn sich die UMG add on<br />
etabliert hat, soll es aber auch um größere Projekte wie<br />
etwa Forschungsgebäude gehen. Auf der Bedarfsliste<br />
steht ein Krebsforschungszentrum.<br />
„Wir gehen das pragmatisch an“, sagt Alice Schütze. „Im<br />
nächsten Jahr 2,5 Millionen Euro für die Ausstattung einer<br />
kompletten Stiftungsprofessur einzuwerben, wäre<br />
wunderbar, ist jedoch eher illusorisch. Wir werden aber<br />
nicht warten, bis wir eine solche Summe zusammen haben,<br />
sondern werden sukzessive in Bedarfe investieren.“ Das<br />
könne beispielsweise ein besonderes Mikroskop sein,<br />
das benötigt wird. So werde auch schnell sichtbar, welchen<br />
Beitrag die Spenden leisten können.<br />
4 |<strong>2022</strong> 51
wissen<br />
„GENAU DARAUF KOMMT ES AUCH AN“, betont<br />
Joachim Kreuzburg, Vorstandsvorsitzender der<br />
Sartorius AG und Kuratoriumsmitglied der Stiftung.<br />
„Natürlich versteht man, dass es um Gesundheit<br />
allgemein geht und hier enorme Innovationssprünge<br />
gemacht werden, aber anhand konkreter<br />
Projekte und Erfolge wird das greifbar – und das<br />
motiviert viel stärker zum Engagement.“<br />
„Für alle Stifter ist ebenfalls wichtig, dass das<br />
Engage ment nach außen sichtbar wird“, sagt Professor<br />
Wolfgang Lehmann vom Vorstand der<br />
UMG add on. Lehmann selbst hat von seinen Eltern<br />
eine Stiftung geerbt und bringt entsprechende Erfahrung<br />
mit. „Wir müssen ein Konzept entwickeln, wie<br />
wir das schaffen – dann wäre ich optimistisch, dass<br />
es uns auch gelingt, Großspender zu gewinnen.“<br />
Olaf Feuerstein, Geschäftsführer des Hotels Freizeit<br />
In und ebenfalls Kuratoriumsmitglied, hat in<br />
seinem privaten wie geschäftlichen Umfeld häufig<br />
die Erfahrung gemacht, dass „viele Menschen gerne<br />
etwas spenden wollen, aber nicht wissen, wofür.<br />
Dafür brauchen wir eine zeitgerechte Ansprache.<br />
Ich bin zuversichtlich, dass wir als Netzwerker allein<br />
schon in der Region Südniedersachsen erfolgreich<br />
sein können.“<br />
OLAF FEUERSTEIN<br />
Kuratorium – Geschäftsführer Freizeit In,<br />
CDU-Stadtratsmitglied<br />
„Ich habe ein Helfersyndrom, aber Zeit habe ich eigentlich<br />
gar nicht – deswegen schaue ich genau hin, wofür ich mich<br />
engagiere. Was mir am Stiftungskonzept gefiel und weshalb<br />
ich mich dort einbringe, ist zweierlei: Erstens die klare, kernige<br />
und effiziente Struktur – keine Verwaltung, keine Politik,<br />
sondern eine konkrete, sachliche Zielorientierung. Zweitens<br />
bringt der Kreis der für die Stiftungsgremien gewonnenen<br />
Personen eine hohe Energie mit. Das ist erfolgversprechend.“<br />
OBWOHL DIE UMG ADD ON NOCH in der Wiege<br />
liegt, konnten schon die ersten Großspenden eingeworben<br />
werden. Das bekräftigt, dass die Idee gut<br />
ist und die Stiftung langfristig wirken soll. Zunächst<br />
werden Mittel für zwei dringend benötigte<br />
Stiftungsprofessuren aus dem Bereich der Onkologie<br />
und Kardiologie eingeworben. Bis es so weit ist,<br />
dass tatsächlich in Gebäude investiert werden<br />
kann, geht Wolfgang Brück gegenwärtig aber noch<br />
von bis zu zehn Jahren aus. Schließlich ist das Etablieren<br />
einer Stiftung – insbesondere auch angesichts<br />
der Konkurrenz und der gesamtgesellschaftlichen<br />
Lage – harte Arbeit, die nicht von heute auf<br />
morgen erledigt ist. ƒ<br />
52 4 | <strong>2022</strong>
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Niedersächsischer Gesundheitspreis<br />
für Schwangeren-App HEDI<br />
Projekt der Gesundheitsregion Göttingen/Südniedersachsen<br />
Am 5. Dezember konnten Jens Düwel,<br />
der für die GWG Gesellschaft für Wirt -<br />
schafts för de rung und Stadtentwick lung<br />
Göttin gen als Projektträgerin anwesend war,<br />
und Dr. Corinna Morys-Wortmann, Ge sund heitsregion<br />
Göttingen/Südniedersachsen, in Hanno -<br />
ver den diesjährigen Niedersächsischen Gesund -<br />
heitspreis in der Kategorie ‚eHealth: Digitale<br />
Technologien für mehr Gesundheit‘ entgegennehmen.<br />
Die prämierte HEDI-Plattform verknüpft Infor<br />
mationen zu Schwangerschaft, Geburt und<br />
erstem Lebensjahr mit den regionalen Kontaktadressen<br />
in Südniedersachsen und demnächst<br />
auch in weiteren Landkreisen. Alle Texte und<br />
das Glossar sind in Deutsch, Englisch, Französisch,<br />
Ukrainisch und Farsi sowie als<br />
jeweilige Audiodatei enthalten. Die Suche nach<br />
Hebammen und Beratungsstellen sowie die<br />
Kon taktaufnahme sind in der Plattform integriert.<br />
DER CHAT bietet einen gesicherten Austausch<br />
zwischen Hebammen und Schwangeren –<br />
auch per Video. Die Infotexte können beim<br />
Chat mit Schwangeren einfach eingebunden<br />
werden und werden in der jeweils gewünschten<br />
Sprache angezeigt. Hebammen können<br />
zudem die komfortablen Koordinierungstools<br />
im Hintergrund nutzen. Die Firma aidminutes<br />
GmbH, spezialisiert auf die kultursensible, digitale<br />
Umsetzung von medizinischen Inhalten,<br />
war für die technische Realisierung zuständig.<br />
Hebammen, Beratungskräfte und Schwangere<br />
aus der Region waren von Anfang an eingebunden,<br />
sodass die Erfahrungen aus der Praxis in<br />
die Entwicklung einfließen konnten.<br />
KONTAKT<br />
Das südniedersächsische<br />
Projekt HEDI hat zum Ziel,<br />
Schwangere und junge Eltern<br />
mit Hebammen, Gynäkolog*<br />
innen, Kinderärzt*innen und<br />
sozialen Anlaufstellen zu<br />
vernetzen. Zu diesem Zweck<br />
wurde eine mehrsprachige,<br />
kostenlose und werbefreie<br />
Plattform entwickelt:<br />
www.hedi.app<br />
GWG Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und<br />
Stadtentwicklung Göttingen mbH<br />
Gesundheitsregion Göttingen/Südniedersachsen<br />
Bahnhofsallee 1b<br />
37081 Göttingen<br />
www.gesundheitsregiongoettingen.de<br />
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wissen<br />
Die Wunderwaffe<br />
unseres Körpers<br />
„Keime müssen draußen bleiben“ – so lautet das Grundgesetz der Körperpolizei. Doch wie es so ist<br />
im Leben: Es gibt immer welche, die sich nicht an die Gesetze halten. Gegen diese Gesetzlosen hat<br />
der menschliche Organismus eine raffinierte, leider aber nicht absolut sichere Abwehr entwickelt.<br />
TEXT STEFAN LIEBIG ILLUSTRATIONEN STOCK.ADOBE.COM<br />
Das ,Wunderwerk Immunsystem‘ arbeitet mit<br />
seinen eigenen, wie in einem Orchester aufeinander<br />
abgestimmten Instrumenten, um unsere<br />
Gesundheit zu schützen. Doch wie macht es<br />
das? Wer spielt im Orchester mit? Wer ist der Dirigent?<br />
Und warum erwischt es uns doch immer wieder? Um all<br />
das zu verstehen, müssen wir in das komplexe System unseres<br />
Körpers eintauchen.<br />
Abwehr ein Leben lang<br />
Verschiedene Abwehrmechanismen müssen harmonieren,<br />
damit sich unser Körper vor krankheitsauslösenden<br />
Bakterien, Viren oder Pilzen schützen kann. Glücklicherweise<br />
ist uns eine angeborene, auch unspezifisch genannte<br />
Grundimmunität genetisch mitgegeben, wenn wir auf<br />
die Welt kommen. So kann der kleine Babykörper sich<br />
schon gegen einige Erreger schützen. Doch dieses System<br />
reicht nicht aus. Es muss wachsen, um den vielfältigen<br />
Bedrohungen standhalten zu können. Diese erworbene<br />
oder auch spezifische Abwehr ist uns zwar auch angeboren,<br />
muss aber lebenslang lernen. Die meisten von uns<br />
stärken sie zudem mit gezielten Impfungen. Denn nur so<br />
kann der Körper reagieren und Infektionen vermeiden<br />
oder – wenn es zu spät ist – bekämpfen und letztlich hoffentlich<br />
mit seinen pass genauen Abwehrzellen und Antikörpern<br />
besiegen.<br />
Wächterzellen sind die Brücke zwischen<br />
dem spezifischen und dem<br />
unspezifischen Immunsystem. Ob<br />
man es glaubt oder nicht, diese<br />
dendritischen Zellen knabbern<br />
ständig an den Subs tanzen in ihrer<br />
Umgebung herum. So entdecken sie<br />
beispielsweise Bakterien und Viren,<br />
die über eine Verletzung, die Atemwege<br />
oder die Nahrungsaufnahme in den Körper<br />
eingedrungen sind. Haben sie solche erkannt,<br />
können sie manche selbst unschädlich<br />
machen oder auch Helfer herbeirufen, die sich<br />
um die Einbrecher kümmern.<br />
54 4 | <strong>2022</strong>
Nasen- und<br />
Rachenschleimhäute<br />
siehe Haut<br />
wissen<br />
AUFBAU DES IMMUNSYSTEMS<br />
Das Immunsystem bekämpft Krankheitserreger<br />
auf der Haut, im Gewebe und in Körperflüssigkeiten<br />
wie dem Blut. Dazu gehören ganze Organe<br />
und Organteile, aber auch einzelne Zellen.<br />
Auch zahlreiche Botenstoffe spielen eine Rolle.<br />
Wichtige Bestandteile sind zum Beispiel:<br />
Abwehrzellen im Blut<br />
Die wichtigsten Zellen des<br />
Abwehr systems sind die verschiedenen<br />
weißen Blutkörperchen.<br />
Dazu zählen unter anderem:<br />
Mandeln<br />
Sie enthalten ebenfalls Abwehrzellen,<br />
die Antikörper bilden können.<br />
Thymus Hier reifen<br />
einige Abwehrzellen<br />
(T-Zellen) vollständig aus.<br />
B-Lymphozyten<br />
Monozyten<br />
Lymphknoten<br />
und -bahnen<br />
Sie sind Sammelstelle<br />
und Transportwege für<br />
Abwehrzellen und Antikörper,<br />
die Antikörper<br />
bilden (B-Zellen).<br />
Makrophagen<br />
Knochenmark<br />
Es bildet die meisten<br />
Vorstufen und einige<br />
reife Abwehrzellen.<br />
Darm<br />
siehe Haut<br />
Milz<br />
Sie speichert<br />
Abwehrzellen.<br />
DOPPELTER SCHUTZ<br />
Das Immunsystem besteht aus der<br />
an geborenen Abwehr, die gegen<br />
Fremdkörper, Verletzungen und<br />
Krankheitserreger schützt, und der<br />
erworbenen Abwehr, die gegen<br />
bestimmte Krankheitserreger oder<br />
veränderte Körperzellen vorgeht.<br />
Beide Systeme sind eng miteinander<br />
verzahnt und übernehmen<br />
unterschiedliche Aufgaben.<br />
Haut<br />
Die Haut und Schleimhäute<br />
zum Beispiel<br />
von Nase, Rachen und<br />
Darm: Diese sind oft<br />
Eintrittspforte für die<br />
Erreger, hier finden<br />
aber auch bereits erste<br />
Abwehrreaktionen statt.<br />
4 |<strong>2022</strong> 55
wissen<br />
AUS DER REGIONALEN WISSENSCHAFT<br />
Plasmawundheilung als Immunschutz<br />
Unsere Haut ist ein wichtiger Schutz<strong>faktor</strong> für das<br />
Immunsystem. Umso bedeutender sind die Fortschritte,<br />
die der HAWK Hochschule für angewandte<br />
Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/<br />
Göttingen in den vergangenen Jahren im Bereich der<br />
Plasmaforschung gelungen sind: Chronische Wunden,<br />
die sich kaum oder gar nicht mehr schließen ließen,<br />
werden durch eine direkte Kaltplasmaanwendung<br />
deutlich stimuliert. Die Wundheilung verbessert sich<br />
signifikant, und der Verlauf wird positiv beeinflusst.<br />
Bei bereits austherapierten Wunden kann die Therapiefähigkeit<br />
wiederhergestellt werden. Dabei stellt<br />
sich das Plasma als antimikrobiell und hochwirksam<br />
heraus, auch bei multiresistenten Keimen. Das alles<br />
komplett schmerzfrei, in minimaler Anwendungszeit<br />
und nahezu ohne bekannte Nebenwirkungen.<br />
Catch me if you can – die Antikörperflucht<br />
Impfungen zum Schutz unserer Gesundheit sind<br />
nicht erst seit der Corona-Pandemie in aller Munde,<br />
haben aktuell jedoch eine größere Brisanz denn je.<br />
Denn Impfstoffe schützen vor einer schweren Erkrankung,<br />
und die Antikörperantwort gegen diese Impfstoffe<br />
trägt wesentlich zum Schutz bei. Auf diesem<br />
Gebiet leistet derzeit das in Weende ansässige<br />
Deutsche Primatenzentrum (DPZ) Pionierarbeit:<br />
Die Forschenden haben festgestellt, dass sich neue<br />
Varianten des SARS-CoV-2, insbesondere die<br />
Omi kron-Variante, teilweise der Antikörperantwort<br />
entziehen, was den Impfschutz vermindert – hier<br />
spricht man von Antikörperflucht.<br />
Gegenwärtig wird erforscht, wie wirksam neue<br />
Varianten, die demnächst das Infektionsgeschehen<br />
dominieren könnten, durch Antikörper gehemmt werden.<br />
Dabei steht zum einen die Frage im Vordergrund,<br />
ob bestimmte Varianten gegebenenfalls resistent<br />
gegen alle therapeutischen Antikörper sind, zum<br />
anderen jene, wie gut die Infektion durch Antikörper,<br />
die durch angepasste Impfstoffe induziert wurden,<br />
gehemmt wird.<br />
Angriff auf den eigenen Körper<br />
Woher weiß das Wächtersystem aber, welche Strukturen körpereigen<br />
sind und welche nicht? Für diese Unterscheidung ist der Thymus<br />
zuständig. Er bildet die Abwehrzellen zu den wichtigen T-Zellen aus,<br />
die am Ende für einen erfolgreichen Immunschutz verantwortlich<br />
sind. Problematisch wird es immer dann, wenn Erreger zu körperähnlich<br />
sind, dann kann es zu den gefährlichen Autoimmunreaktionen<br />
wie etwa beim Typ-1-Diabetes oder beim Heuschnupfen<br />
kommen. Das heißt, dass sich das Immunsystem gegen den eigenen<br />
Körper richtet und dort auch Schäden verursachen kann.<br />
Experten raten vor allem, dem eigenen System keinen unnötigen<br />
Schaden zuzufügen. Dies sei das beste Mittel, um Autoimmunreaktionen<br />
vorzubeugen. Um solche Stress<strong>faktor</strong>en zu eliminieren, sollte<br />
man natürlich wissen, wo das eigene Abwehrsystem seine Kraft hernimmt.<br />
Die im Schaubild (Seite 55) aufgeführten wichtigen Bestandteile<br />
der Abwehr stellen anatomische Barrieren für die Eindringlinge<br />
dar. Bevor sie bei uns Schnupfen, Husten und Heiserkeit verursachen,<br />
müssen sie erstmal an Flimmerhärchen, Schleimhäuten oder der<br />
Haut vorbei. Das gelingt glücklicherweise den meisten nicht.<br />
Lebensführung stärkt die Abwehr<br />
Verletzungen oder Schäden durch Rauchen und Alkoholgenuss<br />
schwächen diese Barrieren jedoch und öffnen quasi die Schleuse in<br />
den Körper. Die Keime, die dann ungeschoren an den Enzymen in<br />
Speichel, Urin oder Tränenflüssigkeit sowie dem Schleim der Atemwege<br />
oder der ätzenden Magensäure und der schützenden Darmflora<br />
vorbeikommen, können sich aber noch längst nicht sicher sein,<br />
dass sie uns niederstrecken. Denn jetzt treffen die Fieslinge zunächst<br />
auf die oben erwähnte unspezifische Abwehr, also die von Botenstoffen<br />
gesteuerten Fresszellen (Makrophagen, Monozyten und Granulozyten)<br />
und im Blut aufgelöste Eiweiße mit Abwehrfunktion. Je<br />
mehr Erfahrung der Körper dann gesammelt hat, desto mehr kann er<br />
sich auf die spezifische Abwehr verlassen: B-Lymphozyten, also weiße,<br />
im Knochenmark gebildete Blutkörperchen, die sich in Lymphknoten<br />
und Milz sammeln, entwickeln angepasste Antikörper. Diese<br />
heften sich an den Erreger. So markiert, kann er schnell von den<br />
Fresszellen gefunden und vernichtet werden. Gleichzeitig bilden sich<br />
B-Zellen, die bei einer erneuten Infektion zur Stelle sind, um rechtzeitig<br />
alles abzusichern. Da diese spezifische Schutzfunktion oft ein<br />
paar Tage braucht, um ihre volle Kraft zu entfalten, ist es gegebenenfalls<br />
schon zu einer Erkrankung gekommen. Das ist zwar unschön,<br />
doch immerhin schützt das immunologische Gedächtnis das System<br />
nach den meisten Infekten anschließend für mehrere Jahre.<br />
Was lässt sich also tun, um diesem fein aufeinander abgestimmten<br />
Orchester die nötige Unterstützung zukommen zu lassen? So schwierig<br />
ist es zum Glück gar nicht: Bewegung an der frischen Luft,<br />
Saunagänge sowie eine nährstoff- und vitaminreiche Ernährung, die<br />
neben viel Obst und Gemüse auch die Spurenelemente Zink und<br />
Eisen enthält, gewährleisten schon eine gute Basis für einen effektiven<br />
Immunschutz. Den Rest übernehmen die unzähligen Orchestermitglieder<br />
in unserem Körper – hoffentlich … ƒ<br />
56 4 | <strong>2022</strong>
wissen<br />
Was stärkt unsere Abwehr?<br />
Ansteckungsrisiko reduzieren<br />
Regelmäßiges Händewaschen<br />
mindert das Risiko, mit Viren und<br />
Bakterien in Kontakt zu treten.<br />
Für unterwegs eignet sich ein<br />
Händedesinfektionsmittel.<br />
Raumklima<br />
Heizungsluft trocknet die<br />
Schleimhäute der Atemwege aus –<br />
daher gilt: überheizte Räume meiden<br />
und die Schleimhäute feucht<br />
halten zum Beispiel mit<br />
Meerwassersprays.<br />
Darmgesundheit<br />
Eine intakte Darmflora sorgt für eine<br />
sichere Abwehr, denn ein Großteil<br />
des Immunsystems wird hier gebildet.<br />
Daher auf eine abwechslungs reiche<br />
Ernährung achten – fünf Por tionen<br />
Obst und Gemüse und etwa zwei<br />
Liter Flüssigkeit am Tag, Fett und<br />
Zucker nur in Maßen – und immer<br />
langsam und gut kauen.<br />
Abwehrkiller meiden<br />
Wie so oft gilt: alkoholische<br />
Getränke, Koffein und Rauchen<br />
– alles nur in Maßen.<br />
Wechselduschen und Sauna<br />
Wechselduschen regen den<br />
Kreislauf an, stärken die Gefäße<br />
und trainieren die Wärmeregulation.<br />
So wird der Körper auf die kalte<br />
Jahreszeit vorbereitet.<br />
Vitamine<br />
Für ein schlagkräftiges Immunsystem<br />
sind Zink und Vitamin C<br />
von zentraler Bedeutung!<br />
Wenig Stress und viel Schlaf<br />
Das Stresshormon Cortisol bremst<br />
die Abwehr. Ruhe und ausreichend<br />
Schlaf sind unverzichtbar.<br />
Bewegung<br />
Ausdauertraining erhöht nachweislich<br />
die Stressresistenz und stärkt die<br />
Abwehr. Wer jeden Tag 30 Minuten<br />
flott geht oder walkt, kurbelt sein<br />
Immunsystem an.<br />
Grippeschutzimpfung<br />
Das Robert-Koch-Institut (RKI) rät<br />
vor allem älteren Menschen ab<br />
60 Jahren, Schwangeren, Menschen<br />
mit chronischen Erkrankungen und<br />
medizinischem Personal zu einer<br />
Grippeschutzimpfung.<br />
BUCHTIPP<br />
zur weiterführenden Lektüre<br />
Hendrik Streeck, 1977 in Göttingen geboren und<br />
aufgewachsen, ist heute einer der gefragtesten<br />
Virologen und medialen Gesichter der Corona-<br />
Pandemie. Beim 31. Göttinger Literaturherbst<br />
stellte er sein neuestes Werk vor: ,Unser Immunsystem<br />
– Wie es Bakterien, Viren & Co. abwehrt<br />
und wie wir es stärken | Das umfassende<br />
Gesundheitsbuch mit praktischen Tipps für<br />
unsere Gesundheit‘.<br />
Piper Verlag<br />
22 Euro<br />
4 |<strong>2022</strong> 57
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Über kurz oder lang<br />
… müssen wir uns alle mit dem Altern befassen. Humangenetiker Professor Bernd Wollnik<br />
und sein Team erforschen die molekularen Mechanismen der Alterung und schauen dabei auch<br />
besonders auf die Länge von Chromosomenenden.<br />
SCIEPRO/SHUTTERSTOCK.COM<br />
TTAGGG – Durch die häufige Wiederholung dieser<br />
DNA-Sequenz schützen Telomere die Enden von<br />
Chromosomen.<br />
Stück für Stück schrumpfen die Enden<br />
unserer Chromosomen. Jedes Mal,<br />
wenn sich eine Zelle teilt, muss die gesamte<br />
DNA verdoppelt und auf die Tochterzellen<br />
verteilt werden. Die DNA ist in Chromosomen<br />
organisiert, 46 hat jeder Mensch, und<br />
gerade an den Enden der Chromosomen ist<br />
der Verdoppelungsvorgang fehleranfällig. Die<br />
Folge: Die Chromosomen werden kürzer. Dass<br />
unser Erbgut dennoch über unzählige Zellteilungen<br />
hinweg stabil weitergegeben werden<br />
kann, liegt auch an den Telomeren. So werden<br />
die Enden der Chromosomen bezeichnet. Sie<br />
bestehen aus vielen Wiederholungen derselben<br />
Abfolge von DNA-Bausteinen, enthalten<br />
aber keine entscheidenden genetischen<br />
Infor mationen wie zum Beispiel unsere Gene.<br />
Vielmehr funktionieren sie wie schützende<br />
Kappen, die sich nach und nach abnutzen. Unterschreiten<br />
sie eine kritische Länge, verändert<br />
sich der Schutz der Chromosomenkappen,<br />
das Genom wird instabil und die Funktion<br />
der Zelle gestört – alles Faktoren, die dann zur<br />
Alterung beitragen.<br />
DIE SCHUTZWIRKUNG VON TELOMEREN<br />
ist auf ein komplexes Zusammenspiel von DNA,<br />
RNA, verschiedener Proteine und Proteinkomplexe<br />
sowie weiterer Moleküle in der Zelle angewiesen.<br />
Dass offenbar nicht nur die Länge<br />
der Telomere, sondern besonders auch ihre<br />
räumliche Anordnung eine wesentliche Rolle<br />
spielt, hat sich bereits herauskristallisiert.<br />
„Doch vieles ist noch unklar“, sagt Professor<br />
Bernd Wollnik, Direktor des Instituts für Humangenetik<br />
der Universitätsmedizin Göttin-
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FOTOS: RONALD SCHMIDT<br />
PROFIL<br />
Die Wissenschaftler*innen nutzen Hochdurchsatzsequenzierung, aber auch hochauflösende Mikroskopierverfahren, um den Mechanismen der Alterung auf die<br />
Spur zu kommen.<br />
gen (UMG). „Uns interessieren die Antworten<br />
auf so viele Fragen: Welche Gene sind involviert?<br />
Welche Signalwege und Mechanismen<br />
greifen im Alterungsprozess ineinander? Ab<br />
welcher Verkürzung der Telomerlänge bricht<br />
deren räumliche Struktur zusammen?“ Diesen<br />
Fragen auf den Grund zu gehen und die<br />
Dynamik von Telomeren zu entschlüsseln –<br />
sowohl im natürlichen Alterungsprozess als<br />
auch in der Entstehung und Entwicklung von<br />
altersassoziierten Erkrankungen, etwa des<br />
Herzens –, das hat sich das Team um Bernd<br />
Wollnik vorgenommen.<br />
UNTERSCHIEDLICHSTE TECHNIKEN weiterentwickeln<br />
und neu kombinieren – auf diese<br />
Weise gelangen die Wissenschaftler*innen<br />
zu neuen Erkenntnissen. Gerade im technologischen<br />
Bereich haben sich Bernd Wollnik<br />
zufolge in den letzten Jahren neue Horizonte<br />
eröffnet: „Die enorme technologische<br />
Ent wicklung in der Humangenetik hat uns<br />
eine Vielzahl neuer Werkzeuge beschert. Die<br />
verschiedenen Methoden der Hochdurchsatzsequenzierung<br />
versetzen uns in die<br />
Lage, nahezu jede Veränderung in der DNA<br />
aufzuspüren, im gesamten Genom eines<br />
Menschen. Wir haben erst kürzlich und erstmalig<br />
die komplette Telomerlänge einzelner<br />
Chromosomen präzise bestimmen können.<br />
Eine bahnbrechende Methodik, die nun viele<br />
Türen für die Beantwortung all unserer<br />
Fragen öffnet“, sagt Bernd Wollnik. „Aber wir<br />
beschränken uns nicht auf DNA-Analysen. Wir<br />
ermitteln zum Beispiel durch RNA-Sequenzierung,<br />
welche Gene wann abgelesen, also<br />
aktiviert werden. Zu welchem Zeitpunkt? In<br />
welcher Zelle?“ Konkret bestimmen die Forschenden<br />
also die Länge von Telomeren in<br />
verschiedenen Zelltypen und Zellentwicklungsstadien,<br />
in Zellen mit krankheitsverursachenden<br />
Gendefekten und in gesunden Zellen.<br />
Sequenzdaten kombinieren sie mit neuesten<br />
hochauflösenden Mikroskopierverfahren.<br />
EINE WEITERE BESONDERHEIT: Im Unterschied<br />
zu früher geht es ihnen nicht darum,<br />
eine durchschnittliche Länge von Telomeren<br />
aus vielen Zellen einer Blut- oder Gewebeprobe<br />
zu bestimmen. Stattdessen fokussieren<br />
sie sich auf einzelne Zellen und sogar<br />
auf einzelne Chromosomen. Sie fragen: Wie<br />
sieht das Telomer eines bestimmten Chromosoms<br />
aus? Lassen sich spezifische Effekte<br />
auf die Zellalterung oder die Entstehung<br />
von Erkrankungen ableiten? Besonders im<br />
Rahmen der unterschiedlichen wissenschaftlichen<br />
Aktivitäten des Teams der Humangenetik<br />
im Herzzentrum der UMG (zum Beispiel<br />
des Sonderforschungsbereichs SFB1002<br />
oder der Studien im Deutschen Zentrum für<br />
Herz-Kreislauf-Forschung, DZHK) liefern diese<br />
Methoden neue Einblicke in die Alterung<br />
des Herzens und die Entstehung der Herzschwäche.<br />
Eine weitere Strategie, um den<br />
Alterungsprozess auf molekularer Ebene zu <br />
„Die enorme technologische<br />
Entwicklung in der Humangenetik<br />
hat uns eine Vielzahl<br />
neuer Werkzeuge beschert.<br />
Die verschiedenen Methoden<br />
der Hochdurchsatzsequenzierung<br />
versetzen uns in die<br />
Lage, nahezu jede Veränderung<br />
in der DNA aufzuspüren,<br />
im gesamten Genom eines<br />
Menschen.<br />
PROF. DR. MED. BERND WOLLNIK
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Prof. Dr. med. Bernd Wollnik<br />
„Diese neuen Möglichkeiten<br />
und Perspektiven sind Motor<br />
und Motivation für das<br />
gesamte Team!“<br />
ergründen und Hinweise zu liefern, wie sich<br />
altersassoziierte Erkrankungen vermeiden<br />
oder behandeln lassen, besteht darin, Genvarianten<br />
zu identifizieren, die seltene angeborene<br />
Erkrankungen mit beschleunigter<br />
Alterung verursachen, sogenannte Progerien.<br />
Damit befasst sich sehr erfolgreich auch eine<br />
weitere, von Professor Uwe Kornak geleitete<br />
Forschungsgruppe am Institut für Humangenetik.<br />
So konnte das Team um Professor<br />
Kornak erst kürzlich mit BUD13 ein neues Gen<br />
und einen neuen Krankheitsmechanismus für<br />
eine progeroide Erkrankung entschlüsseln<br />
und international sichtbar publizieren.<br />
SO ZWANGSLÄUFIG DER ALTERUNGSPRO-<br />
ZESS IST, so komplex sind die molekularen<br />
und zellulären Vorgänge, die dabei ineinandergreifen.<br />
Telomerverkürzung ist hier nur ein Faktor.<br />
Genomische Instabilität, epigenetische Veränderungen,<br />
mitochondriale Dysfunktion sind<br />
weitere, aber noch lange nicht alle Merkmale des<br />
Alterns. Um solche Details aufzuklären, muss<br />
man gleichzeitig die gesamte Zelle in den Blick<br />
nehmen: DNA, RNA, Proteine, Stoffwechselprodukte<br />
und andere Moleküle. Und natürlich ihre<br />
Interaktionen und Wechselbeziehungen mitund<br />
untereinander. Solche Untersuchungen<br />
werden unter dem Begriff der Omics-Technologien<br />
zusammengefasst, mit der Genomik,<br />
Transkriptomik, Proteomik, Metabolomik etc.<br />
Die UMG ist in diesem Jahr der Translations-<br />
Allianz In Niedersachsen (TRAIN) beigetreten,<br />
und Bernd Wollnik ist seit Kurzem UMG-Standortsprecher<br />
im Bereich ,Trainomics‘: „Es ist<br />
ein sehr dynamisches Verbundmodell, welches<br />
die kooperative und komplementäre Nutzung<br />
und Weiterentwicklung von Omics-Ressourcen<br />
und Omics-basierten Forschungsstudien durch<br />
Forschungseinrichtungen in Braunschweig,<br />
Göttingen und Hannover unterstützt.“<br />
UND DANN IST DA JA AUCH NOCH DIE<br />
ANDERE TECHNOLOGISCHE REVOLUTION:<br />
die „Genschere“ CRISPR/Cas. Sie wird die<br />
Humangenetik in Zukunft maßgeblich prägen,<br />
besonders im therapeutischen Bereich.<br />
Dieses Tool zur Genomeditierung ermöglicht<br />
es, DNA gezielt an gewünschten Stellen zu<br />
verändern, also Bausteine auszuschneiden,<br />
einzufügen oder auszutauschen und somit<br />
Fehler in der DNA oder Fehlfunktionen<br />
von Genen und Proteinen zu korrigieren. In<br />
der humangenetischen Forschung erleichtert<br />
dieses mächtige Werkzeug nicht nur die<br />
funktionelle Charakterisierung genetischer<br />
Veränderungen in Zellen, um grundlegende<br />
Signalwege und Vorgänge zu entschlüsseln,<br />
sie ebnet auch den Weg zur Entwicklung neuer<br />
Behandlungsstrategien, auch für altersassoziierte<br />
Erkrankungen. Bernd Wollnik erklärt:<br />
„Im Unterschied zu früher sind wir jetzt<br />
in der humangenetischen Forschung in der<br />
Lage, die ganze Strecke zurückzulegen: Wir<br />
identifizieren genetische Krankheitsursachen,<br />
entschlüsseln die molekularen und zellulären<br />
Auswirkungen von Genvarianten, gewinnen<br />
Erkenntnisse über grundlegende Prozesse in<br />
der gesunden, der alternden und der kranken<br />
Zelle und liefern so Ansatzpunkte für therapeutische<br />
Optionen. Diese neuen Möglichkeiten<br />
und Perspektiven sind Motor und Motivation<br />
für das gesamte Team!“<br />
KONTAKT<br />
Institut für Humangenetik<br />
Universitätsmedizin Göttingen<br />
Prof. Dr. med. Bernd Wollnik<br />
Tel. 0551 39-60606<br />
bernd.wollnik@med.uni-goettingen.de<br />
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mensch<br />
62 4 |<strong>2022</strong>
mensch<br />
Frei wie<br />
ein Vogel<br />
Nachdem Katja Thiele-Hann die Expansion des Bäckerei-Betriebs<br />
deutlich vorangetrieben und die Mitarbeiterzahl fast verfünffacht hat,<br />
verkaufte sie das Unternehmen – nach fast 150 Jahren in Familienhand.<br />
Ihren neu gewonnenen Freiraum füllt sie heute mit Greifvögeln und<br />
Eisklettern in luftiger Höhe und bleibt der Branche dennoch erhalten.<br />
TEXT TOBIAS KINTZEL FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
4 |<strong>2022</strong> 63
mensch<br />
LESEZEIT: 9 MINUTEN<br />
Richtig klar geworden ist mir die<br />
Veränderung in meinem Leben in<br />
der ersten Januarwoche dieses Jahres“,<br />
erzählt Katja Thiele-Hann mit<br />
einem ansteckenden Lächeln. Als<br />
zum ersten Mal seit vielen Jahren<br />
keine Nachrichten in den diversen<br />
WhatsApp-Gruppen der Bäckerei Thiele ankamen. Morgens<br />
waren auch keine E-Mails im Posteingang. „Ich<br />
habe direkt meinen Mann gefragt, ob mit dem Server<br />
alles in Ordnung ist.“ Natürlich war alles in bester Ordnung.<br />
Katja Thiele-Hann stand bloß – 30 Jahre nach<br />
dem Eintritt in das Familienunternehmen – nicht mehr<br />
in der Verantwortung bei der Feinbäckerei Thiele. Im<br />
April 2021 hatten ihr Mann Michael Hann und sie das<br />
Unternehmen verkauft, ebenso wie die Bäckerei Apel,<br />
die sie im Jahr 2009 dazu übernommen hatten. Beide<br />
Betriebe gehören seitdem zum Frankfurter ,Haus der Bäcker‘.<br />
Während ihr Mann schon seit dem Verkauf nicht<br />
mehr aktiv eingebunden war, begleitete die ausgebildete<br />
Konditorin Thiele-Hann das Geschehen noch als Geschäftsführerin<br />
weiter. Bis Ende Dezember des vergangenen<br />
Jahres auch damit Schluss war.<br />
Es wirkt beinahe anrührend, dass es eine so kleine Sache<br />
wie ein leeres Postfach brauchte, um ihr den großen<br />
Einschnitt noch einmal vor Augen zu führen. Die Erklärung<br />
leuchtet ein: Seit sie das Unternehmen als 29-Jährige<br />
von ihrem Vater gekauft hat, habe sie sich eine morgendliche<br />
Routine angewöhnt. „Beim ersten Kaffee habe<br />
ich die Umsätze des Vortages angesehen und bin immer<br />
sofort alle Nachrichten durchgegangen.“ So kam bei<br />
bundesweit mehr als 85 Filialen und über 730 Mitarbeitenden<br />
meist schon in den Morgenstunden sehr viel Post<br />
zusammen, auch solche mit drängenden Problemen.<br />
Stets startete sie unter Hochdruck in den Tag, nicht selten<br />
folgten elf, zwölf oder mehr Arbeitsstunden. Auf die<br />
Frage, ob sie den Trubel vermisse, kommt die Antwort<br />
von Katja Thiele-Hann ohne Zögern: „Mein Leben ist<br />
heute mindestens so lebendig wie früher – ich muss nur<br />
weniger Probleme lösen.“<br />
UND DANN ERZÄHLT SIE von diesem neuen, anders gefüllten<br />
Leben. „Dieses Jahr war ein Jahr des Ausprobierens.<br />
Ich habe Dinge gemacht, die früher nicht gingen,<br />
weil ich Verantwortung für unser Unternehmen und unsere<br />
Mitarbeitenden getragen habe oder weil schlicht die<br />
Zeit gefehlt hat“, erzählt Thiele-Hann. Nun aber war es<br />
an der Zeit, ihre Grenzen auszuloten. So hatte sie schon<br />
vor ihrem endgültigen Austritt Eisklettern in den Bergen<br />
in Bad Gastein gebucht. „Erst dachte ich: ,Das kannst du<br />
nicht bringen‘ und war schwer beeindruckt, als ich vor<br />
der enormen Eiswand stand“, sagt sie und lacht. „Aber<br />
gemeinsam mit einem tollen Bergführer habe ich die körperliche<br />
Herausforderung gemeistert.“ Mindestens genauso<br />
spannend sei das Abseilen aus 34 Metern Höhe<br />
von einem Aquädukt in der Nähe des Edersees gewesen.<br />
Das Schwingen durch luftige Höhen scheint ihr Ding.<br />
Denn Thiele-Hann schaffte es im vergangenen Jahr, endlich<br />
noch eine Herzensangelegenheit zu vertiefen: ihre<br />
Leidenschaft für Greifvögel. Mehrere Tage lang versorgte<br />
sie gemeinsam mit dem Falkner im Tierpark Sababurg<br />
die Vögel bei der Greifvogelstation, säuberte Unterkünfte<br />
und half beim Training sowie bei der Flugschau mit.<br />
„Das war eine wundervolle Erfahrung, ein erhabenes<br />
Gefühl, mit den großen Tieren wie dem Weißkopfseeadler<br />
zu arbeiten“, sagt sie von Erinnerungen beseelt. Kurz<br />
darauf besuchte sie auch bei einer Dubai-Reise eine<br />
Greifvogelshow – und überzeugte kurzerhand den dortigen<br />
Falkner, sie ebenfalls als Assistentin einzusetzen.<br />
Eine zupackende Frau, die weiß, was sie will.<br />
DEN NEU GEWONNENEN FREIRAUM verdankt die<br />
53-Jährige in doppelter Hinsicht auch ihrem Vater. An<br />
ihm habe sie sich ein Beispiel genommen: „Er ist ein toller<br />
Typ. In einer Branche, in der Senioren traditionell<br />
eher lange im Unternehmen bleiben, hat er als einer der<br />
Jüngsten bereits mit 57 Jahren den Betrieb an die nächste<br />
Generation übergeben.“ Auch bei der schwierigen<br />
Entscheidung, das Unternehmen – das 1878 von Friedrich<br />
Wilhelm Thiele und seiner Frau Albertine gegründet<br />
wurde – nach fünf Generationen nicht in Familienhand<br />
64 4 | <strong>2022</strong>
mensch<br />
» Mein Leben ist heute mindestens<br />
so lebendig wie früher – nur mit<br />
weniger ernsten Themen.«<br />
zu belassen, sei er ein starker Rückhalt gewesen. „Ich<br />
habe mir das nicht leicht gemacht“, erzählt sie. Als „Bäckerkind“,<br />
wie sie sich selber nennt, habe sie ab dem<br />
vierten Lebensjahr mitbekommen, wie alles funktioniert.<br />
„Mein Vater hat auch am Küchentisch viel aus dem Betrieb<br />
erzählt“, sagt Katja Thiele-Hann. Eine Trennung<br />
von Privat- und Arbeitsleben habe es nie gegeben.<br />
Als sie den Betrieb übernommen habe, hatte er 150<br />
Mitarbeiter. Über nahezu 25 Jahre sei sie mit dem Unternehmen<br />
gewachsen und habe das nötige Tempo für die<br />
heutige Größe Schritt für Schritt erarbeitet. „Die<br />
Familien bäckerei Thiele gibt es jetzt so nicht mehr, aber<br />
das Unternehmen lebt weiter. Von 730 Mitarbeitern sind<br />
zum Verkaufszeitpunkt nur zwei gegangen: mein Mann<br />
und ich.“ Mit diesem Gedanken im Kopf kann sie heute<br />
in eine Thiele-Filiale gehen, ohne melancholisch zu<br />
werden. „Ich muss nur aufpassen, nicht aus purer Gewohnheit<br />
direkt nach hinten durchzulaufen“, erzählt sie<br />
augenzwinkernd.<br />
Wie sehr Katja Thiele-Hann dem eigenen Betrieb und<br />
dem Bäckerhandwerk überhaupt verbunden ist, zeigt<br />
unter anderem die Tatsache, dass sie für ihre Arbeit bereits<br />
mehrfach ausgezeichnet wurde: Der damalige Vizekanzler<br />
Franz Müntefering verlieh ihr das Bundesverdienstkreuz<br />
für ihr Engagement im Bereich der Ausbildung,<br />
und nur ein Jahr später erhielt sie die Auszeichnung<br />
als Ausbildungs- Ass der IHK für die Schaffung<br />
hervorragender Ausbildungsbedingungen.<br />
DAS KAPITEL FAMILIENUNTERNEHMEN mag Thiele-<br />
Hann inzwischen beendet haben, der Branche bleibt sie<br />
erhalten: Sie schreibt für den Inger Verlag Artikel für die<br />
Zeitschrift Bäckerwelt und gibt mit einer wöchentlichen<br />
Kolumne Impulse für Bäckerei-Inhaber. In ihrem kleinen<br />
Nebenprojekt, dem Podcast ,Zuckersüß ins Wochenende‘,<br />
teilte sie mit ihren Hörern in elf Folgen „heitere Beobachtungen<br />
aus dem Leben“.<br />
Um ihr umfangreiches Wissen an Bäckerinnen und Bäcker<br />
weiterzugeben, gründete sie Anfang <strong>2022</strong> die bundesweit<br />
aktive KTH Beratung. Nicht als Unternehmerin,<br />
ZUR PERSON<br />
Katja Thiele-Hann kommt 1969 in Göttingen zur Welt.<br />
1988 beginnt sie eine Ausbildung als Konditorin in Hannover.<br />
Nach einer weiteren Ausbildung zur Industriekauffrau<br />
bei der Tchibo GmbH tritt sie 1993 in das Familienunternehmen<br />
Feinbäckerei Thiele ein, das sie fünf Jahre später<br />
mit nur 29 Jahren von ihrem Vater kauft. Gemeinsam mit<br />
ihrem Mann baut sie das Unternehmen von 150 auf mehr<br />
als 730 Mitarbeitende in 86 Filialen aus – unter anderem<br />
mit dem Kauf der Bäckerei Apel im Jahr 2009.<br />
Für ihre Arbeit erhält Thiele-Hann im Jahr 2007 die Auszeichnung<br />
als Ausbildungs-Ass der IHK für die Schaffung<br />
hervorragender Ausbildungsbedingungen. Im selben Jahr<br />
verleiht ihr der damalige Vizekanzler Franz Müntefering<br />
das Bundesverdienstkreuz. Von 2007 bis 2014 ist sie die<br />
erste weibliche Kreishandwerksmeisterin des Landes<br />
Niedersachsen und seit ihrem Rücktritt Ehrenkreishandwerksmeisterin.<br />
4 |<strong>2022</strong> 65
mensch<br />
Zum Abbau von Emotionen Sport war für Thiele-Hann schon immer ein überlebenswichtiger Ausgleich: Selbst nach einem<br />
sehr langen Tag geht sie erst ins Bett, wenn sie ihre Lieblingsstrecke am Göttinger Kehr mit dem Rad gefahren ist.<br />
66 4 | <strong>2022</strong>
mensch<br />
sondern „nur“ als Selbstständige, wie sie betont – Mitarbeiterzahl:<br />
eins. Mit Messe-Besuchen und zahllosen<br />
Stippvisiten in Betrieben, auch außerhalb ihrer Beratungstätigkeit,<br />
hält sie engen Kontakt zur Branche und<br />
bleibt thematisch auf der Höhe der Zeit. „Ich sehe mir<br />
nahezu jede Bäckerei an, an der ich vorbeikomme“, sagt<br />
sie. Das sei schon immer so gewesen, auch auf Reisen im<br />
Ausland, denn jedes Land habe „eine individuelle Bäckerei-Kultur“.<br />
Zu ihren Lieblingsprodukten gehören<br />
Schweizer Brot mit dunkel ausgebackener Kruste,<br />
Zimtschnecken in Skandinavien und die unglaublichen<br />
Mengen an Baguette in Frankreich.<br />
„IHRE BRANCHE“ STÜNDE VOR großen Herausforderungen,<br />
der Beratungsbedarf sei enorm. „Frühere Probleme<br />
wirken heute wie Problemchen, heute ist Krise.“<br />
Durch steigende Kosten für Mieten und Energie und<br />
Schwierigkeiten in den Lieferketten würden Betriebsergebnisse<br />
schlechter. Viele Familien müssten sich fragen,<br />
ob sie gemeinsam bereit sind, durch diese Zeit zu gehen.<br />
Die angespannte Personalsituation verschärfe die Lage.<br />
„Das Thema Personal ist in der Beratung und in meinen<br />
Artikeln ganz zentral“, sagt Thiele-Hann. „Das war immer<br />
meine Stärke, und in diesem Bereich habe ich aus<br />
meiner Sicht dem eigenen Unternehmen besonders gedient.“<br />
Menschliche Nähe sei ein Pfund, mit dem kleinere<br />
Betriebe wuchern könnten: Sie hat gute Erfahrungen<br />
damit gemacht, selbst in Bewerbungsgesprächen zu sitzen,<br />
neuen Mitarbeitenden Produktionsbesichtigungen<br />
anzubieten und Schulungen selber durchzuführen. „Ich<br />
habe regelmäßig Fahrer auf ihren Touren begleitet. Die<br />
waren dann oft sehr erstaunt, wenn ich im Morgengrauen<br />
mit dickem Pullover und Turnschuhen am LKW stand<br />
und mitfahren wollte“, erzählt sie. „Das ist sinnvoll investierte<br />
Zeit. Die Fahrer bekommen in allen Filialen auf<br />
ihrer Tour mit, was los ist. Als Unternehmer erhalten sie<br />
so ungeahnt gute Einblicke.“<br />
DIE FRAGE, OB ES IN ZEHN JAHREN noch Bäckereien<br />
geben werde oder Backwaren dann nur noch in Supermärkten<br />
erhältlich seien, beantwortet sie so: „Für eine<br />
Zukunft mit handwerklich hergestellten Backwaren sind<br />
Unternehmer nötig, die den Mut haben, ihr Sortiment zu<br />
verkleinern und Öffnungszeiten zu kürzen.“ Aber auch<br />
die Kunden müssten treu zu ihrer Stammbäckerei stehen.<br />
„Ich wünsche der Branche Kunden, die nicht am Abend<br />
noch das volle Sortiment erwarten und die akzeptieren,<br />
dass es Spezialprodukte nur an bestimmten Tagen gibt.“<br />
Obwohl Katja Thiele-Hann und ihr Mann mittlerweile<br />
einen Zweitwohnsitz in Hamburg haben, sind sie Göttingen<br />
und der Region immer noch eng verbunden, die<br />
sie als umtriebige Netzwerkerin und erste weibliche<br />
Kreishandwerksmeisterin des Landes Niedersachsen von<br />
2007 bis 2014 mitgeprägt hat – so erfolgreich, dass sie<br />
nach ihrem Rücktritt einstimmig zur Ehrenkreishandwerksmeisterin<br />
gewählt wurde. Auch über ihren „geliebten“<br />
Club der Göttinger Wirtschaft hält sie weiter den<br />
Kontakt. „Bei den Exkursionen des Clubs in die Unternehmen<br />
lerne ich tolle Hidden Champions kennen“, erzählt<br />
Thiele-Hann. „Ich erfahre, was Unternehmer aus<br />
anderen Branchen in ihrem Alltag umtreibt.“ Für diese<br />
stünde sie auch gerne als Sparringspartnerin zur Verfügung,<br />
unentgeltlich, als „Göttingerin für Göttinger“.<br />
NACH DEN WÜNSCHEN FÜR SICH SELBST GEFRAGT,<br />
antwortet sie: „Ich würde mir vor allem wünschen, dass<br />
ich bald wieder so viel reisen kann wie vor Corona.“<br />
Sonst sei sie mit ihrem ,neuen‘ Leben sehr zufrieden.<br />
Ohne sie nach ihrer Lieblingsbackware zu Weihnachten<br />
zu fragen, konnten wir das Gespräch mit dem ,Bäckerkind‘<br />
nicht beenden. Nach kurzem Überlegen legt sie<br />
sich fest: „Zimtsterne mag ich sehr gern – sie selbst zu<br />
backen, ist allerdings eine Strafarbeit.“ Sie habe zwar<br />
Freude am Backen, aber nicht zu Hause. „Mit Mengen<br />
unter 160 Kilogramm“, sagt Thiele-Hann noch lächelnd,<br />
„kann ich nicht so gut umgehen.“ƒ<br />
ZUM UNTERNEHMEN<br />
Die Bäckerei Thiele wurde 1878 von Friedrich Wilhelm<br />
Thiele gegründet und seit 1998 von Katja Thiele-Hann in<br />
fünfter Generation geführt. In den 1950er Jahren konnte<br />
die Firma stark vergrößert werden: Lebensmittelhändler,<br />
Krankenhäuser und die Bundeswehr erhöhten den Absatz.<br />
1979 eröffnete die erste Filiale in Grone, bis 1996 folgten<br />
weitere Zweigstellen zwischen Hannover und Kassel.<br />
2009 wurde die Bäckerei Apel in Kassel mit 250<br />
Mitarbeitern hinzuerworben.<br />
2013 beginnt die Kooperation mit der AWO Göttingen.<br />
Das Projekt ,Brot-Galerie – Bestes von gestern‘ ermöglicht<br />
psychisch erkrankten Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt<br />
keine Chance haben, eine angemessene Berufstätigkeit.<br />
Im selben Jahr wird auch die Kooperationsvereinbarung<br />
,Schulbetrieb‘ mit dem Landkreis beschlossen.<br />
Im April 2021 verkauft Katja Thiele-Hann das Familienunternehmen<br />
an das Frankfurter ,Haus der Bäcker‘.<br />
Nachdem sie im Dezember 2021 auch als Geschäftsführerin<br />
ausscheidet, gründet sie die KTH Bäckereiberatung.<br />
www.kth-beratung.de<br />
4 |<strong>2022</strong> 67
mensch<br />
Kornelius Thimm zog von Northeim in die Welt hinaus und kam mit frischen Ideen zurück.<br />
Damit will der Enkel des Gründers, der seit dem Sommer als CEO die THIMM-Gruppe<br />
mit rund 2.500 Mitarbeitern führt, viel bewegen und verändern.<br />
Dabei besinnt sich der 45-Jährige zugleich auf die Wurzeln des Familienunternehmens:<br />
„Werte sind mehr als das, was man mal so an die Wand schreibt.“<br />
TEXT ANJA DANISEWITSCH FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
68 4 |<strong>2022</strong>
mensch<br />
Der Rebell<br />
4 |<strong>2022</strong> 69
mensch<br />
damals trennen zwei schwere<br />
Doppeltüren das Büro des Fir-<br />
1982<br />
–<br />
mengründers Walter Felix Thimm<br />
vom restlichen Teil des Unternehmens THIMM-Verpackung.<br />
Der fünfjährige Kornelius Thimm steht oft ehrfürchtig<br />
in dem dahinter geschützten, holzvertäfelten<br />
Büro seines Großvaters. „Für uns Kinder war das etwas<br />
ganz Be sonderes, da überhaupt reinzugehen“, erzählt<br />
Kornelius Thimm, der heute, 40 Jahre später, selbst CEO<br />
der THIMM-Gruppe ist. Vieles hat sich über die Jahre<br />
verändert. Aus dem kleinen Wellpappe-Produzenten aus<br />
Northeim wurde ein europaweit agierender Hersteller<br />
für Produktverpackungen mit innovativen und nachhaltigen<br />
Lösungen. Aus geschlossenen Büros wurden flache<br />
Hierarchien. Geblieben ist: ein mit Leidenschaft geführtes<br />
Familienunternehmen.<br />
ALS KORNELIUS THIMM ZUR WELT KOMMT, ist sein<br />
Vater Klaus Thimm bereits als Geschäftsführer mit ins<br />
Unternehmen eingestiegen. Und so wächst Kornelius<br />
zwar irgendwie ganz normal in Northeim auf, geht hier<br />
in den Kindergarten und zur Schule – und doch ist er<br />
auch immer das Unternehmerkind. In einer Kleinstadt<br />
kann das mehr oder weniger positiv sein. „Da gab es<br />
Lehrer, die meinten, ich beteilige mich am Unterricht,<br />
wo ich doch die ganze Zeit nur geschlafen habe“, sagt<br />
der Enkel des Gründers lachend. Er hat keine Angst, sich<br />
authentisch zu zeigen – im Gespräch wie in seinem Führungsstil.<br />
Überhaupt findet das Interview in sehr entspannter<br />
Atmosphäre statt. Kornelius Thimm sitzt offen und zugewandt<br />
auf seinem Stuhl am Konferenztisch und hat<br />
sichtlich Freude daran, aus seinem Leben zu erzählen. Er<br />
erinnert sich an Samstage, an denen er seinen Vater ins<br />
Unternehmen begleiten durfte und dann mit dem Pförtner<br />
zusammen ‚die Runde gemacht hat‘, wie er sagt. Und<br />
an Ostern oder Weihnachten bringt er gemeinsam mit<br />
seinem Vater den Mitarbeitern Kekse und Kaffee vorbei.<br />
„Das heißt, die Verantwortung für das Unternehmen<br />
kenne ich schon von Kindesbeiden an“, erzählt er rückblickend.<br />
Das habe ihn geprägt. Und später in der Oberstufe<br />
stand er in den Sommerferien hinter der Maschine.<br />
Das war, bevor viele der Prozesse automatisiert abliefen.<br />
„Ich habe noch Einzelstapel per Hand auseinandergerissen<br />
und palettiert“, sagt er. „Ich habe im Schichtdienst<br />
gearbeitet und Nachtschichten gemacht.“ Dass er tatsächlich<br />
in den väter lichen Betrieb einsteigen werde,<br />
stand für ihn zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht<br />
fest.<br />
Erst seit Juli dieses Jahres ist der 45-Jährige neuer<br />
CEO der THIMM-Gruppe und übernimmt damit den<br />
Posten von Mathias Schliep, der 23 Jahre lang Vorsitzender<br />
der Geschäftsführung war. Schliep ist sein Schwager<br />
und wird die THIMM-Gruppe im Verwaltungsrat weiterhin<br />
beraten und begleiten. Zeitgleich mit dem Antritt<br />
von Kornelius Thimm erfährt die Unternehmensgruppe<br />
eine einschneidende Veränderung. Während die Firma in<br />
den 1990er-Jahren noch unter der Leitung seines Vaters<br />
zunehmend auf Diversifikation setzt und somit mit einem<br />
breit aufgestellten Portfolio ein enormes Wachstum<br />
vorantreibt, zielt die Entwicklung heute auf Fokussierung.<br />
ANFANG <strong>2022</strong> ZÄHLEN ZUR THIMM-GRUPPE 21 Standorte,<br />
einige davon gehören zum Geschäftsbereich Thimm<br />
Packaging Systems, der auf Verpackungssysteme für<br />
Industriegüter wie die Automobilbranche spezialisiert<br />
ist. Im Zuge der langfristigen Strategieweiterentwicklung<br />
trennt sich die THIMM-Gruppe jedoch Mitte dieses<br />
Jahres von diesem Bereich, um den Fokus auf die<br />
Konsumgüterindustrie auszurichten. THIMM Packaging<br />
Systems sei sehr erfolgreich gewesen, jedoch zeige<br />
sich im Bereich Industriegüter seit einigen Jahren ein<br />
nicht vernachlässigbarer Trend der Globalisierung. „Aus<br />
eigener Kraft hätten wir dies nur langsam umsetzen können<br />
– zu langsam. Daher haben wir diesen Geschäftsbereich<br />
an einen langjährigen Partner verkauft, der bereits<br />
global aufgestellt ist“, erklärt Kornelius Thimm, um<br />
im gleichen Atemzug auf die Zukunft zu schauen. „Wir<br />
sehen im Bereich Konsumgüterindustrie unsere Kernkom<br />
petenz, hier können und wollen wir weiter wachsen.<br />
Dafür haben wir bereits ein Investitionsprogramm von<br />
über 400 Millionen Euro aufgesetzt“, erzählt der CEO.<br />
Bis 2030 soll sich der Umsatz verdoppeln. Um dieses<br />
Ziel zu erreichen, braucht es ein neues Setup und neue<br />
Strukturen. Ausruhen auf dem Erfolg – das war bei<br />
THIMM noch nie die Devise. Mit der Neuausrichtung<br />
gehören jetzt 13 Standorte zum Unternehmen. Die Mitarbeiterzahl<br />
reduzierte sich von mehr als 3.600 auf ungefähr<br />
2.500.<br />
70 4 | <strong>2022</strong>
mensch<br />
NACH DEM ABITUR VERLÄSST THIMM sowohl das Unternehmen<br />
seiner Ferienjobs als auch seine Geburtsstadt<br />
Northeim. „Ich habe meine Karriere unabhängig von<br />
unserem Familienbetrieb gemacht – von einem kleinen<br />
Intermezzo von 2010 bis 2012 abgesehen, wo ich zweieinhalb<br />
Jahre eng mit meinem Vater zusammengearbeitet<br />
habe.“ Er studiert Maschinenbau in Aachen und absolviert<br />
seinen Master of Business Administration in der<br />
Schweiz. Bereits mit 30 Jahren leitet er in der BMW<br />
Group Entwicklungsprojekte in München und Detroit.<br />
Auf seinem weiteren Karriereweg verantwortet er die<br />
Geschäftsentwicklung bei Conprinta Printing Technology<br />
und leitet als Director Customer Support bei der Beumer<br />
Maschinenfabrik unter anderem die Organisation und<br />
den Vertrieb des Customer Supports in Europa, dem<br />
Mittleren Osten und Afrika.<br />
Konzernstrukturen, Start-up-Mentalität und Fami lien -<br />
unternehmen – sein Werdegang ließ ihm genügend Freiheit,<br />
seinen eigenen Weg zu finden. „Ich durfte eine weltweite<br />
Funktion ausfüllen und auch einfach Geschäft<br />
ZUR PERSON<br />
Kornelius Thimm ist der Enkel des Firmengründers<br />
Walter Felix Thimm von THIMM-Verpackung. Der 45-Jährige<br />
übernimmt in <strong>2022</strong> nach einer weltweiten Karriere in<br />
unterschiedlichsten Unternehmen die Geschäftsführung<br />
(CEO) der THIMM-Gruppe. Bereits vorher hatte er die<br />
Geschäftsführung von Conprinta Printing Technology<br />
und die Geschäftsführung von der THIMM-Tochter<br />
Christiansen Print übernommen. Als CEO tritt er die<br />
Nachfolge seines Schwagers Mathias Schliep an, der im<br />
Verwaltungsrat das Unternehmen weiterhin begleiten<br />
wird. Kornelius Thimm fühlt sich mit seiner Heimtatstadt<br />
sehr verbunden. Wenn er mal kein Unternehmen leitet,<br />
kocht er leidenschaftlich gern und verbringt am liebsten<br />
Zeit mit seiner Familie.<br />
4 |<strong>2022</strong> 71
mensch<br />
gestalten“, sagt er mit Begeisterung. Selbst gestalten zu<br />
dürfen und kreativ zu sein, das gefällt dem 45-Jährigen<br />
noch immer. Ihm ist bewusst, dass es Menschen gibt, die<br />
im Gegensatz dazu sagen, ‚Ich weiß ganz genau, was<br />
mein Plan ist‘. „Ich hingegen lebe im Hier und Jetzt und<br />
schaue, welche Herausforderungen es heute gibt – und<br />
was ich erreichen will “, sagt Thimm mit Nachdruck.<br />
Mit seiner Rückkehr nach Northeim vor fünf Jahren<br />
und dem Einstieg in die Geschäftsführung bei THIMM,<br />
zunächst als Chief Operating Officer (COO), änderte<br />
sich seine Rolle. „Vorher war ich der junge, kreative Rebell,<br />
der einfach gesagt hat: ‚Nein, jetzt machen wir das<br />
ab morgen anders‘“, sagt er. Das geht heute nicht mehr.<br />
Dennoch: Ganz verschwunden ist der Rebell von damals<br />
nicht. Auch heute will er etwas bewegen und verändern.<br />
Authentisch zu sein, das ist ihm wichtig. Und<br />
dass er als Führungskraft und als einer von vier Erben<br />
des Familienunternehmens eine Verantwortung übernommen<br />
hat, die keine Last, sondern die Chance auf<br />
Weiterentwicklung in sich trägt.<br />
EINE FRAGE, DIE IHM AUCH NACH ÜBER FÜNF JAHREN<br />
immer wieder gestellt wird: ‚Warum sind Sie nach Northeim<br />
zurückgekehrt?‘ Zurück in die Provinz. Zurück zu<br />
den großväterlichen Wurzeln. Manchmal muss man<br />
fortgehen, um aus vollem Herzen schätzen zu können,<br />
was vor einem liegt. „Ich sehe hier so viel Potenzial.<br />
Unser Unternehmen hat diese Mischung aus Modernität,<br />
aber auch Stabilität, Flexibilität und nachhaltigem<br />
Denken. Und auch die Region hat so große Chancen,<br />
sich weiterzuentwickeln“, sagt der Northeimer. Keine<br />
Wehmut nach nüchternen Konzernstrukturen, die sehr<br />
viel aufwenden müssen, um einen Funken Emotionalität<br />
aufzubringen oder nach Start-ups, die mit einer wahnsinnigen<br />
Dynamik ebenfalls einen anderen Fokus haben.<br />
Stattdessen lebt Kornelius Thimm die Familienwerte<br />
weiter, die mit den Unternehmenswerten verwoben sind.<br />
Das kann nur entstehen, wenn man seine Wurzeln nicht<br />
vergisst. Wertschätzung. Veränderungsbereitschaft. Erfolgsorientierung.<br />
„Die Basis dieser Werte hat mein<br />
Vater gesetzt. Wir haben noch abfotografierte Overheadfolien<br />
von ihm, die ab und an rausgezogen werden“,<br />
sagt der Sohn. Als sein Vater vor zwei Jahren starb, ging<br />
ein großer Visionär, der das Familienunternehmen maßgeblich<br />
geprägt hat. Schon dieser übernahm von seinem<br />
Vater die Maxime ,Es geht nicht darum, wie wir mehr<br />
Gewinne erzielen. Wir fragen immer: Kunde, was können<br />
wir besser machen?‘<br />
GENAU DIESE KUNDENORIENTIERUNG, die kreative<br />
Gestaltung von Prozessen und Zusammenarbeit mit<br />
Kunden auf Augenhöhe, prägen das Bild der THIMM-<br />
Gruppe nach außen. Im Inneren findet sich eine lebendige<br />
Firmenkultur. „Ich sehe mich eher als Sparringspartner<br />
und Coach, als dass ich selbst Lösungen entwickle.<br />
Dafür gibt es hier einfach Menschen, die viel mehr Expertise<br />
haben“, sagt Kornelius Thimm. „Und das macht<br />
mir sehr, sehr viel Freude: gemeinsam die beste Lösung<br />
zu finden.“<br />
BEI ALLEN ERFOLGSMELDUNGEN und positiven Entwicklungen:<br />
Der Markt ist hart und umkämpft, und die<br />
Mitarbeitenden erleben gute und schwere Zeiten – auch<br />
hier. Veränderungsprozesse sind ein Stück weit auch immer<br />
ein Leidensweg, weil Transformation und Entwicklung<br />
nicht im Bällebad stattfinden. Es ist zu spüren, dass<br />
Kornelius Thimm vor der Aufgabe, die vor ihm liegt,<br />
Respekt hat. „Bei uns sind Werte mehr als das, was man<br />
mal so an die Wand schreibt – und darum werden wir<br />
auch unsere Zukunft erfolgreich gestalten.“ Da sitzt er –<br />
immer noch entspannt und selbstbewusst – und trinkt den<br />
letzten Schluck Kaffee aus. Er weiß, wofür er erfolgreich<br />
sein will. Für seine Familie, für seine Kunden und für seine<br />
Mitarbeiter. „Das ist der Kern, warum wir da sind.“ƒ<br />
Einen noch persönlicheren Eindruck vom Kreativkopf<br />
und CEO der THIMM-Gruppe Kornelius Thimm<br />
bekommen Sie in unserem <strong>faktor</strong>digital-Video unter:<br />
www.<strong>faktor</strong>-magazin.de/<strong>faktor</strong>-video<br />
Zum Unternehmen<br />
Den Grundstein für die THIMM-Gruppe legte 1949<br />
Walter Felix Thimm mit ,THIMM-Wellpappe‘. Aus dem<br />
kleinen Familienbetrieb wurde eine international agierende<br />
Unternehmensgruppe, die heute in dritter Generation<br />
geführt wird. THIMM produziert Transport- und Verkaufsver<br />
packungen aus Wellpappe, Verkaufsaufsteller sowie<br />
Druckprodukte für die industrielle Weiterverarbeitung.<br />
Zur Gruppe gehören die Geschäftsbereiche THIMM<br />
pack’n’display, Christiansen Print, das Start-up Cartonara<br />
sowie die digit49. Mit dem Verkauf des Indus trie bereichs<br />
Packaging Systems fokussiert sich die Gruppe auf die<br />
Konsumgüterbranche und investiert 400 Millionen Euro,<br />
um bis 2030 ihren Umsatz zu verdoppeln.<br />
72 4 | <strong>2022</strong>
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mensch<br />
74 4 | <strong>2022</strong>
mensch<br />
„Stillstand macht<br />
mir Angst“<br />
Anlässlich des 50. Jubiläums des Landkreises Göttingen trifft <strong>faktor</strong> Marcel Riethig an<br />
seinem Lieblingsort. Dort erzählt der Landrat, wie seine Pflegeeltern sein Verständnis von<br />
Verantwortung für die Gesellschaft nachhaltig beeinflusst haben und er sich vom<br />
ruhigen Zeitgenossen zum Klassenclown entwickelte.<br />
TEXT TOBIAS KINTZEL FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
LESEZEIT: 6 MINUTEN<br />
Zum Interview im Europäischen Brotmuseum<br />
in Ebergötzen kommt der Lokalpolitiker<br />
Marcel Riethig wenige Minuten<br />
zu spät: Als Landrat des drittgrößten<br />
Landkreises in Niedersachsen ist er ein<br />
gefragter Mann mit vielen Terminen im Kalender. Dennoch<br />
wirkt er nicht abgehetzt. Anlaufzeit braucht er<br />
keine und erklärt als Erstes, warum er das Brotmuseum<br />
als Treffpunkt ausgewählt hat. „Abgesehen von meiner<br />
Wohnung auf den Zietenterrassen ist hier einer der<br />
Orte im Landkreis, an dem ich mich privat am häufigsten<br />
aufhalte“, sagt der 39-Jährige. „Vor allem natürlich<br />
mit meinen Söhnen. Der ältere ist großer Windmühlen-Fan.“<br />
Im Anschluss an diesen persönlichen Start entspinnt<br />
sich ein Gespräch, in dem der Landrat Marcel<br />
Riethig nicht nur weitere Einblicke in sein bisheri ges<br />
Leben, sondern auch in seine Pläne für die Zukunft gewährt.<br />
„Ich bin ein Kind der Region, in Eddigehausen am<br />
Fuße der Burg Plesse aufgewachsen“, erzählt Riethig. Er<br />
habe viele schöne, lebhafte Kindheitserinnerungen an<br />
Wochenendausflüge ins Wellenbad in Bad Lauterberg,<br />
zum Abenteuerspielplatz in Sieber oder an Sommernachmittage<br />
im Freibad in Reyershausen. „Das ist auch heute<br />
noch, genau wie das Naturfreibad in Grone, eines der<br />
schönsten in der Region.“ Und dann erklärt er, warum<br />
seine Eltern ihm und seiner Schwester nicht nur eine erfüllte<br />
Kindheit und Jugend ermöglicht, sondern auch<br />
nachhaltig seine Idee von Politik beeinflusst hätten.<br />
„Unsere Eltern haben uns wenig Grenzen gesetzt, wir<br />
durften uns ausprobieren“, sagt Riethig. Ausprobiert hat<br />
er sich im Sport, als Handballtorwart bei der HSG Plesse,<br />
und auch musikalisch, indem er Trompete spielen<br />
lernte und später eine Ausbildung zum Chorleiter für<br />
einen Posaunenchor absolvierte.<br />
DAS GRUNDVERTRAUEN, das ihm seine Eltern jederzeit<br />
entgegenbrachten, sei für ihn heute auch die Basis des<br />
Handelns in der Politik – „unabhängig davon, ob es um<br />
die interkommunale Zusammenarbeit in den Landkreisen,<br />
den täglichen Austausch mit den Bürgerinnen und<br />
Bürgern oder auch mit dem Team in der Verwaltung<br />
geht“. Außerdem habe er – und das sei viel entscheidender<br />
– von seinen Eltern gelernt, was es bedeute, Verantwortung<br />
zu übernehmen. „Sie haben mich bei sich als<br />
Pflegekind aufgenommen, als ich drei Monate alt war“,<br />
erzählt er offen, sichtlich gerührt und dankbar.<br />
Darüber hinaus sei seine Mutter in der Arbeiterwohlfahrt<br />
sozial engagiert gewesen. Beide, Mutter und Vater,<br />
hätten schon in frühen Jahren vorgelebt, dass man nicht<br />
nur für sich, sondern auch für die Gesellschaft Verantwortung<br />
übernehmen kann. „Gemeinschaft funktioniert<br />
nur, wenn man sich auch um andere kümmert“, sagt<br />
Riethig im Brustton der Überzeugung. Hier spricht eindeutig<br />
der Mensch, nicht der Politiker. „Wir können uns<br />
doch zum Beispiel glücklich schätzen, dass wir in der<br />
Region über 150 freiwillige Feuerwehren mit etwa<br />
5.400 aktiven Feuerwehrleuten haben.“<br />
4 |<strong>2022</strong> 75
mensch<br />
Doch obwohl – oder gerade, weil – Marcel Riethig eine<br />
schöne Kindheit in der Region verbracht, das Abitur am<br />
Otto-Hahn-Gymnasium absolviert und sein Studium der<br />
Sozialwissenschaften an der Georg-August-Universität<br />
abgeschlossen hatte, zog es ihn „zunächst in die weite<br />
Welt“. Schon während des Studiums hatte er in Brüssel<br />
im Europaparlament gearbeitet, aber schnell gemerkt,<br />
dass sich die Idee, dort langfristig zu arbeiten, nicht als<br />
richtig für ihn herausstellte. „Brüssel war und ist für<br />
mich eine Art Raumschiff und zu weit weg von operativer<br />
politischer Arbeit.“ Davon, wie die funktioniert,<br />
machte er sich im Anschluss an sein Studium 2009 ein<br />
Bild: als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Berliner Büro<br />
des 2020 verstorbenen Bundestagsabgeordneten und<br />
SPD-Politikers Thomas Oppermann.<br />
DORT SEI IHM KLAR GEWORDEN, dass Lokalpolitik<br />
perfekt zu ihm passe. „Mir liegt es, Pläne zu machen, sie<br />
schnell umzusetzen und ihre Auswirkungen direkt zu sehen“,<br />
sagt er. Und so kehrte er zum Start in seine lokalpolitische<br />
Karriere zu seinen Wurzeln zurück: Marcel<br />
Riethig wurde im Jahr 2011 in der Kreisverwaltung des<br />
Alt-Landkreises Göttingen Pressesprecher und Leiter der<br />
Stabsstelle Zentrale Steuerung. Im Jahr 2014 wurde er in<br />
den Kreisrat gewählt und verantwortete als Dezernent<br />
die Bereiche Jugend, Bildung, Arbeit, Soziales und Kultur.<br />
Nach seiner Wiederwahl im Jahr 2016 bekleidete er<br />
den Posten bis ins Jahr 2021.<br />
Gefragt, welches Projekt ihm aus der Zeit besonders<br />
in Erinnerung geblieben ist, gibt er eine Antwort, die vor<br />
dem Hintergrund seiner eigenen Lebensgeschichte nicht<br />
überraschend ist: „Wir konnten damals die Anzahl der<br />
Mitarbeiter im Pflegekinderdienst verdoppeln und<br />
haben damit etwas sozialpolitisch Sinnvolles erreicht“,<br />
erzählt er strahlend. „Mit den neuen Mitarbeitern ist es<br />
uns gelungen, 30 zusätzliche Familien für die Aufnahme<br />
von Pflegekindern zu gewinnen.“ Dass der Landkreis<br />
durch diese Maßnahme zusätzlich Geld gespart habe,<br />
weil die Unterbringung in Familien günstiger als im<br />
Heim sei, sei ein willkommener finanzieller Nebeneffekt<br />
gewesen.<br />
SEINEN BISHER LETZTEN und vielleicht wichtigsten<br />
Schritt in der politischen Karriere machte Riethig im vergangenen<br />
Jahr: Seit dem 1. November 2021 ist er Landrat<br />
des Landkreises Göttingen und damit Nachfolger<br />
76 4 | <strong>2022</strong>
mensch<br />
» Mir liegt es, Pläne zu machen, sie schnell umzusetzen und<br />
ihre Auswirkungen direkt zu sehen. «<br />
von Bernhard Reuter, der nach zehn Jahren im Amt nicht<br />
mehr zur Wahl angetreten war. „Auf den Posten bewirbt<br />
man sich nicht einfach, man wird von den Bürgerinnen<br />
und Bürgern gewählt. Das bedeutet mir sehr viel“, erklärt<br />
Riethig. Mit 63,5 Prozent der Stimmen hatte er<br />
sich gegen Marlies Dornieden (CDU) in einer Stichwahl<br />
durchgesetzt. Der Posten sei eine große Herausforderung<br />
und eine mindestens genauso große Freude, betont<br />
er. „Ich stehe damit viel in der Öffentlichkeit. Es wird<br />
genau darauf geachtet, was ich wie sage.“ Mit einem<br />
ausgeprägten Wunsch nach Sicherheit sei er als Kind<br />
eher schüchtern gewesen und habe nie gern vor anderen<br />
geredet. Eher langsam habe er sich dahin entwickelt –<br />
„vom ruhigen Zeitgenossen über den Klassenclown zum<br />
Schülersprecher“. Genau das habe er auch bis heute aus<br />
seiner Kindheit mitgenommen: gerade trotz seines<br />
Sicherheitsbedürfnisses unangenehme Situationen zu<br />
suchen und daran zu wachsen. „Ich möchte nicht in Gewohnheit<br />
erstarren. Stillstand macht mir eher Angst“,<br />
gibt Riethig unumwunden zu. „Ich empfinde Weiterentwicklung<br />
und Veränderung als durchweg positiv.“<br />
WEITERENTWICKELN WILL ER AUCH die Verwaltung<br />
des Landkreises. Mit den Führungskräften will er den<br />
Landkreis als attraktiven Arbeitgeber aufstellen, bei dem<br />
ein starkes Teamgefühl dafür sorgt, dass Mitarbeitende<br />
gern kommen und bleiben. „Bei uns macht das ‚Wir‘ den<br />
Unterschied“, sagt er und klingt nun doch ein wenig wie<br />
der geübte Politiker. Mindestens genauso wichtig sei es<br />
ihm, den Landkreis zu einem zuverlässigen Dienstleister<br />
zu machen. „Verwaltung ist Gemeinwohlmaximierung.<br />
Wir wollen ein modernes Verständnis von Ver waltung in<br />
Prozesse zur Erfüllung der Wünsche und Ansprüche der<br />
Bürgerinnen und Bürger überführen.“ Dazu gehöre,<br />
nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen und auf Augenhöhe<br />
mit den Kunden, also den Bürgerinnen und<br />
Bürgern, zu arbeiten. „Außerdem wünsche ich mir mehr<br />
direkte Kommunikation, mehr Telefon als Briefe.“<br />
Entscheidend sei, sein Handeln transparent zu kommunizieren.<br />
„Das wichtigste Wort im politischen Wirken<br />
ist ‚damit‘, weil man so einer Maßnahme Sinn geben, ein<br />
Ziel beschreiben und sie erklären kann.“ Ein Schwerpunkt<br />
seiner Arbeit wird in der Stärkung der regionalen<br />
Zusammenarbeit liegen: „Wir haben als erste Region<br />
den Zuschlag für die Förderung im Rahmen des Programms<br />
‚Zukunftsregionen in Niedersachsen‘ erhalten“,<br />
sagt Marcel Riethig freudestrahlend. Jetzt ginge es darum,<br />
gemeinsame Projekte umzusetzen, die Region als<br />
Ganzes zu präsentieren. Dafür stehen den kooperierenden<br />
Landkreisen Göttingen, Northeim, Goslar und<br />
Holzminden sowie der Stadt Göttingen für die nächsten<br />
sieben Jahre rund sechs Millionen Euro zur Verfügung.<br />
„Unsere Südniedersachsenstiftung, deren Vorsitz ich<br />
übernommen habe, ist dafür eine wunderbare Klammer.“<br />
Auch für das am 1. Januar 2023 beginnende<br />
Jubiläumsjahr des Landkreises Göttingen – 50 Jahre<br />
sind es inzwischen – laufen Planungen, wenngleich noch<br />
keine konkreten.<br />
WIE SEINE EIGENEN, KONKRETEN PLÄNE aussehen,<br />
weiß Riethig hingegen bereits: „Meine persönliche Challenge<br />
ist die Verbesserung meiner sportlichen Ausdauer.<br />
Ich möchte wieder das Niveau von früher erreichen, als<br />
ich auf dem Rennrad locker 120 Kilometer durch unsere<br />
schöne Region fahren konnte.“ Beruflich sei er ganz im<br />
Hier und Jetzt. „Ich möchte meine Aufgaben so gut machen,<br />
dass ich im Jahr 2026 wiedergewählt werde“, gesteht<br />
er ein. Das große Ziel dabei sei der Ausbau des<br />
präventiven Sozialstaates, mit dem so wenig Menschen<br />
wie möglich in Not gerieten. Er hat am eigenen Leib erfahren,<br />
dass das gelingen kann – wenn alle sich für die<br />
Gemeinschaft einsetzen. ƒ<br />
ZUR PERSON<br />
Marcel Riethig wurde 1982 in Göttingen geboren,<br />
wuchs in Eddigehausen auf und besuchte das Otto-<br />
Hahn-Gymnasium in Göttingen. Nach seinem Abitur<br />
2003 absolvierte er ein Studium der Sozialwissenschaften<br />
an der Georg-August-Universität. Nach dem Abschluss<br />
arbeitete er von 2009 bis 2011 als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter von Thomas Oppermann, MdB, in Berlin.<br />
Seit 2011 war er in der Kreisverwaltung des Landkreises<br />
Göttingen als Pressesprecher und Leiter der Stabsstelle<br />
Zentrale Steuerung tätig. 2014 wurde er zum Kreisrat<br />
gewählt und war als Dezernent für die Bereiche Jugend,<br />
Bildung, Arbeit, Soziales und Kultur verantwortlich.<br />
Zwei Jahre später wurde er wiedergewählt.<br />
Am 1. November 2021 trat er seinen Posten als Landrat<br />
des Landkreises Göttingen an. Marcel Riehtig hat zwei<br />
Kinder und wohnt in Göttingen.<br />
4 |<strong>2022</strong> 77
Göttinger Legenden wissen:<br />
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nicht als Probleme zu sehen, sondern als Chancen zu nutzen.<br />
Der Agile Collaboration Hub auf den<br />
Göttinger Zietenterrassen strahlt in<br />
den Unternehmensfarben Blau und<br />
Weiß. Oehlbrecht und sein Team, das mittlerweile<br />
zehn Mitarbeitende umfasst, haben sich<br />
ein Umfeld geschaffen, das zur Kreativität<br />
anregt. Das Team verfügt über ein Ton- und<br />
Videostudio, um Inhalte auch über digitale<br />
Plattformen, Podcasts und Videos teilen zu<br />
können. Eine kleine Bibliothek enthält Fachbücher<br />
zu Themen rund um Agilität, Führung<br />
und persönliche Weiterentwicklung. An den<br />
Wänden befinden sich mehrfarbige Sticker<br />
mit Ideen und neuen Konzepten. Strukturierte<br />
Boards bieten eine Übersicht über aktuelle<br />
Projekte. Wer hier eine Idee hat, der findet<br />
nährreichen Boden.<br />
FREIHEIT, MUT UND LEIDENSCHAFT<br />
zeichnen den Gründer aus. Seit über einem<br />
Jahrzehnt schlägt sein Herz für Agilität. Die<br />
Anfänge seiner beruflichen Karriere machte<br />
der 31-jährige Göttinger in der IT eines ehemaligen<br />
DAX-Konzerns. Dort entwickelte er sein<br />
Interesse für Agilität, Führung und Zusammenarbeit:<br />
„Mein Verständnis von Agilität<br />
hat mir privat und beruflich zahlreiche neue<br />
Chancen ermöglicht, deswegen war für mich<br />
klar: Das ist mein Thema“, so Oehlbrecht.<br />
Sein beruflicher Weg führte ihn nach Kanada<br />
und Alaska, wo er mit einem Pick-up-Truck<br />
durch die Landschaft reiste, Grizzlybären und<br />
Elche fotografierte und der Drang nach einer<br />
persönlichen Veränderung stärker wurde. In<br />
einem späteren Familienurlaub bekam er den<br />
entscheidenden Anstoß und setze seine Idee<br />
in die Tat um – die Sascha Oehlbrecht GmbH<br />
war geboren. Seitdem setzt das Unternehmen<br />
seine Mission durch die Agile Leader Initiative<br />
mit seinen Kunden um.<br />
„Wir wollen Unternehmen die Angst vor Veränderungen<br />
nehmen und ihnen umsetzbares<br />
Wissen mitgeben, durch das sie aufkommende<br />
Herausforderungen als Chance nutzen<br />
können, bevor es ihre Wettbewerber tun“, so<br />
Oehlbrecht. Der Führungsstil von Oehlbrecht<br />
orientiert sich an seinem großen Idol, Michael<br />
Schumacher, einem „ Teamplayer, der durch<br />
seine Art und sein Interesse an den Menschen<br />
ein wahrer Leader ist“. Privat fährt der Jungunternehmer<br />
aber keinen Ferrari, sondern einen<br />
Tesla. Sein Team besteht aus engagierten<br />
Menschen, die für Agilität brennen und mit ihrer<br />
persönlichen Expertise und Erfahrung individuell<br />
auf Kundenbedürfnisse eingehen. Bei<br />
der Auswahl von neuen Mit arbeitenden sind<br />
für Oehlbrecht drei Faktoren entscheidend:<br />
„Sie müssen mir das Gefühl geben, dass sie<br />
sich kontinuierlich weiterentwickeln wollen,<br />
unsere Mission teilen und das Unternehmen<br />
langfristig mitgestalten.“<br />
KONTAKT<br />
Sascha Oehlbrecht GmbH<br />
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www.agileleaderinitiative.com<br />
TEXT: BENJAMIN KALLAUCH
leben<br />
Weißes Gold<br />
Seit 275 Jahren thront im Schloss Fürstenberg die zweitälteste Porzellanmanufaktur<br />
Deutschlands. Zum Jubiläum besucht <strong>faktor</strong> die Porzelliner, die sich mit Hand und Herz<br />
dem wertvollen Material verschrieben haben, und erfährt, wie hoch über der Weser<br />
bis in die Gegenwart Krisen gemeistert werden.<br />
TEXT STEFANIE WASKE FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
80 4 |<strong>2022</strong>
leben<br />
4 |<strong>2022</strong> 81
leben<br />
Leidenschaft für Porzellan Christian Lechelt, Leiter des Museums Schloss Fürstenberg<br />
82 4 |<strong>2022</strong>
leben<br />
Der Wind hat längst das gelblich-braune Laub<br />
von den knorrigen Platanen gefegt. Nun liegen<br />
die Blätter auf dem alten Natursteinpflaster im<br />
Innenhof der Porzellanmanufaktur Fürstenberg.<br />
Das Jubiläumsjahr neigt sich dem Ende zu.<br />
Der Blick fällt rundherum auf eine Reihe<br />
historischer Gebäude mit weißgetünchten<br />
Fassaden, dunklem Fachwerk und verwitterten<br />
Sandsteindächern. Sie umrahmen das Schloss<br />
mit seinen Verzierungen, wo einst die Jagdgesellschaften<br />
der Braunschweiger Herzöge feierten,<br />
in das Mitte des 18. Jahrhunderts die Manufaktur<br />
einzog und das heute das Museum beherbergt.<br />
EIN ORT MIT GESCHICHTE. Und Geschichten des Porzellans<br />
– einem eigenwilligen, geheimnisvollen Material.<br />
Im Gegensatz zu anderen Keramiken lässt es Licht<br />
durchscheinen, ist härter und strahlt in hellem Weiß. Das<br />
machte es einst so anziehend, dass Menschen in ganz<br />
Europa in Porzellanbegeisterung verfielen. Adlige und<br />
reiche Bürger gaben ein Vermögen für chinesisches Porzellan<br />
aus und träumten davon, das Geheimnis der Herstellung<br />
zu lüften. Einer von ihnen war Herzog Carl I.<br />
von Braunschweig. Seit diesem Jubiläumsjahr führt ein<br />
Weg zu dem Ort, wo es gelang, das Rätsel zu lösen.<br />
Oberhalb der Manufaktur, die Neue Straße hinauf,<br />
liegt das Haus mit dem ältesten noch erhaltenen<br />
Porzellan- Brennofen in Europa. In der efeubewachsenen<br />
Mühle nebenan tüftelte ab 1747 der Porzellanmaler Johann<br />
Christoph Glaser vergebens. Sechs Jahre später<br />
brachte Johann Kilian Benckgraff aus Höchst das richtige<br />
Rezept mit.<br />
Bald sind die schwierigen Anfänge überwunden. Eine<br />
Vitrine im Erdgeschoss des Museums zeigt Produkte der<br />
ersten Jahrzehnte: darunter eine Tasse mit purpurfarbener<br />
Malerei mit zwei Männern, die um ein Feuer sitzen, eine<br />
blaubemalte Apothekerdose mit Holzdeckel oder eine birnenförmige<br />
Kaffeekanne mit einer Stadtansicht. Sie alle<br />
gehören zur Jubiläumsausstellung ,In Herz und Hand‘.<br />
„In wenigen Tagen werden die seltenen Porzellanstücke<br />
wieder sicher verpackt zu ihren Eigentümern zurückkehren.<br />
Sie gehören Sammlerinnen und Sammlern, die sie<br />
dem Museum zum Jubiläum zur Verfügung gestellt haben“,<br />
erklärt dessen Leiter Christian Lechelt.<br />
DER KUNSTHISTORIKER IST SICH SICHER: Manche der<br />
Stücke werden so schnell nicht wieder öffentlich zu sehen<br />
sein. Er verweist auf einen großen Tafelaufsatz von<br />
1765 gegenüber der Vitrine. „Wir kennen nur noch eine<br />
weitere Ausführung im Hannoveraner Museum August<br />
Kestner.“ Zierliche Putten tragen an allen vier Ecken<br />
Schälchen für Pfeffer und Salz. Der lüsterne Waldgeist<br />
Satyr hält mittig einen zweistöckigen Korb, der für Zitronen<br />
bestimmt war. „Dieses sensationelle Objekt führt<br />
direkt zurück in die opulente Tafelkultur des Rokokos“,<br />
sagt der 45-Jährige.<br />
Manches Teil, wie eine Spülkumme, wirft Fragen auf.<br />
„Damals gab es weder Kaffee- noch Teefilter“, erläutert<br />
der Museumsleiter. Daher blieben nach dem Trinken in<br />
den Gefäßen oft etwas Kaffeemehl oder Stücke der<br />
Teeblätter zurück. „Die Tasse wurde dann in der Spülkumme<br />
am Tisch gereinigt.“<br />
4 |<strong>2022</strong> 83
leben<br />
84 4 |<strong>2022</strong>
leben<br />
Einblick in die Produktion<br />
Ein Mitarbeiter taucht das Porzellan je nach Form<br />
mal schneller, mal kürzer in eine rosafarbene Flüssigkeit.<br />
Die Farbe zeigt, wo noch Glasur fehlt,<br />
verschwindet aber nach dem nächsten Brand.<br />
4 |<strong>2022</strong> 85
leben<br />
Nicht nur der Tafelaufsatz und die Spülkumme verweisen<br />
auf eine andere Tischkultur. Wer über das historische<br />
Treppenhaus mit seinen niedrigen, von endlosen<br />
Schritten geformten Holzstufen hinauf ins Obergeschoss<br />
geht, den erwartet Spektakuläres: eine Tafel mit<br />
185 Teilen – Tellern, Terrinen und Körbchen. Das Service<br />
verkaufte die Fürstenberg Verkaufsniederlassung in<br />
Den Haag 1774 an einen holländischen Kunden. Sieben<br />
Maler hatten über ein Jahr lang die detailreichen Landschaften<br />
und Blumen-Arrangements auf das Porzellan<br />
gebannt, kein Motiv wiederholt sich.<br />
DER GERUCH VON PORZELLANMALFARBEN zieht von<br />
der angrenzenden Museumswerkstatt herüber. Der<br />
Raum erinnert mit seinem Parkett und seinen Maßen<br />
mehr an einen Tanzsaal als an eine Werkstatt. Was in der<br />
Produktion besonders wichtig ist, lässt sich hier erleben<br />
– das Formgeben und das Dekor des Porzellans. Mittig<br />
auf einem weißen Podest arbeiten zwei Porzelliner. Einer<br />
von ihnen gießt gerade Schlicker, flüssige Porzellanmasse,<br />
mit einem Messbecher in handliche Gipsformen. Mit<br />
der freien Hand dreht er eine der Formen auf einer<br />
Scheibe. So verteilt sich die Masse gleichmäßig an den<br />
Außenwänden, bilden sich keine Blasen, die später beim<br />
Brand zerplatzen. Überschüssige Masse gießt er zurück.<br />
Der Gips entzieht der Porzellanmasse Feuchtigkeit. Der<br />
Mitarbeiter öffnet behutsam die Form, nimmt eine wenige<br />
Zentimeter große gräuliche Maus heraus. Mit einem<br />
Pinsel glättet er die Kante, die dort entsteht, wo die<br />
Hälften der Form zusammentreffen. Dann muss das<br />
Mäuschen trocknen bis zum ersten Brand.<br />
NEBENAN ZEIGT MALERIN Dagmar Laske, wo die Manufaktur<br />
beim Dekor den Unterschied macht. Gerade<br />
hat sie mit geübtem Schwung einen Siebdruck mit<br />
kleinsten Punkten um eine Teekanne gelegt. Farbe werde<br />
zudem per Pistole aufgesprüht oder per Hand mit<br />
dem Pinsel aufgetragen. Bei manchem Teil folgen alle<br />
Techniken aufeinander, jede Schicht werde einzeln gebrannt.<br />
Viel Aufwand selbst für kleinste Teile.<br />
Laske weist auf eine Espresso-Tasse, deren Henkel per<br />
Hand vergoldet wurde. Ihre Leidenschaft ist jedoch die<br />
Porzellanmalerei. Zum Jubiläum habe sie eine besondere<br />
Vase bemalt, verrät die 55-Jährige. Ein Geschoss tiefer<br />
thront diese inmitten eines gedeckten Tisches. Bemalt in<br />
gedämpften Sepia- Tönen zeigt sie das alte Brennhaus,<br />
das Schloss und eine Pferdeskulptur. Zweieinhalb<br />
Monate habe sie daran gemalt, berichtet Laske mit freudigem<br />
Stolz.<br />
86 4 |<strong>2022</strong>
leben<br />
Mit Fingerspitzengefühl Viele Schritte in der Produktion sind nach wie vor Handarbeit – wie das Glasieren der Formen und<br />
das Ausputzen von Unebenheiten (Foto) oder auch das Malen der detailreichen Verzierungen.<br />
4 |<strong>2022</strong> 87
leben<br />
Zeitgemäß Geschäftsführer André Neiß weiß um den Wert der historischen Wurzeln – „Wir dürfen aber nicht zu museal werden.“<br />
IM VERWALTUNGSGEBÄUDE, EINIGE SCHRITTE vom<br />
Schloss entfernt, arbeitet man währenddessen am Porzellan<br />
für die gedeckte Tafel der Gegenwart. Hier hat<br />
Geschäftsführer André Neiß sein Büro. Die Jubiläumsausstellung<br />
habe ihn beeindruckt, erzählt er. „Vor<br />
allem zu sehen, wie viele Menschen es gibt, die Porzellan<br />
nach wie vor fasziniert.“ Eine pompöse Feier zu 275 Jahren<br />
habe es bewusst nicht gegeben. „Es ist nicht die rechte<br />
Zeit, sich selbst auf die Schulter zu klopfen“.<br />
Dem Klang seiner Stimme hört man die einstige Hamburger<br />
Heimat an. Der Diplom-Betriebswirt hat in einigen<br />
Branchen Erfahrungen gewonnen, war Wirtschaftsprüfer,<br />
Controller und Vorstandsvorsitzender. Der<br />
63-Jährige wirkt nüchtern-hanseatisch mit dunkelblauem<br />
Anzug und transparentem Brillengestell. Er<br />
kennt die dramatischen Änderungen der Branche: 1990<br />
hatte sie 16.000 Angestellte, 2015 waren knapp 3.900<br />
übrig. Die Zukunft ist angesichts ausländischer Konkurrenz<br />
unsicher. Erst recht bei den immens gestiegenen<br />
Energiepreisen. Erste Porzellan-Hersteller wollen ihre<br />
Produktion im kommenden Jahr einstellen.<br />
In diesen Chor des Niedergangs möchte Neiß nicht<br />
einstimmen. „Natürlich macht uns die Entwicklung<br />
Sorgen. Wir haben unsere Kosten für Energie in diesem<br />
Jahr verdoppelt.“ Bei Brenntemperaturen von bis zu<br />
1.400 Grad Celsius brauche der Ofen einiges an Gas.<br />
Dennoch erwartet der Geschäftsführer ein „recht zufriedenstellendes“<br />
Ergebnis. Während der Corona- Pandemie<br />
hätten offensichtlich viele die Freude des Gastgebens<br />
entdeckt und sich neues Porzellan gekauft – erst über<br />
Händler im Internet, später im Facheinzelhandel. Die<br />
Nachfrage sei gut.<br />
VERHALTENER OPTIMISMUS SCHWINGT bei seinen<br />
Schilderungen mit. Anfang 2021 übernahm er als Interimsgeschäftsführer<br />
die Unternehmensleitung in ernster<br />
Lage. Der Verlust lag bei fünf Millionen Euro, die Manufaktur<br />
war auf weniger als 80 Angestellte geschrumpft.<br />
Der Abbau sei an seine Grenze gekommen, so Neiß.<br />
„Die Richtung muss eine andere werden, wir brauchen<br />
mehr gesunden Umsatz.“ Dafür sei eine neue Art Direktion<br />
entstanden, Marketing und Vertrieb gestärkt worden.<br />
Diese sollen dafür werben, dass Fürstenberg für modernes<br />
Porzellan stehe. „Wir würden vieles nicht können,<br />
wenn wir diese historischen Wurzeln nicht hätten. Wir<br />
dürfen aber nicht zu museal werden.“ Neiß greift nach<br />
einer matt-weißen, zylindrischen Teekanne, die neben<br />
seinem Schreibtisch steht. Diese nutze er täglich. Sie gehört<br />
zum neuesten Service der Manufaktur, das im Jubi-<br />
88 4 |<strong>2022</strong>
leben<br />
läumsjahr auf den Markt gekommen ist: ,Datum‘. Entworfen<br />
hat das stapelbare Geschirr aus Kreisen,<br />
Zylindern und geraden Kanten das weltweit bekannte<br />
Londoner Architekturbüro Foster + Partners.<br />
„Das Geschirr polarisiert“, berichtet Neiß. Einige fänden<br />
das Service zu nüchtern, fühlten sich an Krankenhaus-<br />
oder Jugendherbergsgeschirr erinnert. Andere begeistere<br />
gerade diese Schlichtheit in Form und Farbe.<br />
Die Entwürfe des Büros in Porzellan zu verwandeln, sei<br />
herausfordernd gewesen, erinnert sich der Geschäftsführer.<br />
Das Material sei nicht für einhundertstel Millimeter<br />
geschaffen, anders als Metall. „Porzellan ist eine<br />
Diva, hat seine Eigenarten, liebt solche Formen wie<br />
Zylinder gar nicht.“ Besonders die Kanne für Kaffee,<br />
eine Pressstempelkanne – auch French Press genannt –<br />
erfordere Präzision, sonst laufe die heiße Flüssigkeit an<br />
den Seiten heraus.<br />
IN IHR LEBT AUCH DIE VERGANGENHEIT WEITER.<br />
Nach einigen Jahren Pause setzt sie die Linie zahlloser<br />
Fürstenberger Porzellankannen fort – darunter die birnenförmige<br />
Vorgängerin von 1755, die in der Sonderausstellung<br />
zum Jubiläum gezeigt wurde. Die Tafelkultur<br />
mag heute ganz anders sein, aber wie heißt es im<br />
Museum doch gleich: „Jede Kanne hat ihre Zeit.“ ƒ<br />
AKTUELLE AUSSTELLUNG<br />
,Weißes Gold?! Schmuck aus Porzellan und Fayence von heute‘<br />
Kabinettausstellung in Alter Kapelle<br />
Läuft bis zum 26. Februar 2023<br />
Porzellan als Schmuck scheint auf den ersten Blick ungewöhnlich.<br />
Dabei kann dieses Kunstschaffen auf eine lange<br />
Tradition blicken, die zurückreicht bis ins 18. Jahrhundert,<br />
als in Europa erstmals Porzellan entstand. Bis heute beschäftigen<br />
sich Kreative mit dem zerbrechlichen Schmuck.<br />
Die Kabinettausstellung präsentiert fünf aktuelle Positionen:<br />
Beate Pfefferkorn aus Dresden, das Duo Silke Knetsch und<br />
Christian Streit aus Freiburg im Breisgau mit ihrer Kollektion<br />
,Materia Prima‘, die in Meißen ansässige Silvia Klöde,<br />
das Studio Zschocke Böer aus Dresden sowie<br />
Gésine Hackenberg aus Amsterdam.<br />
Öffnungszeiten des Museums<br />
Di. bis So. sowie an Feiertagen von 10 – 17 Uhr.<br />
19.12. – 26.12. und 31.12.21 – 06.01.23 geschlossen<br />
Die Besucherwerkstatt ist Di. bis So. von 10.30 – 12 Uhr und<br />
12.45 – 16.30 Uhr besetzt. Im Dezember und Februar<br />
ist sie nur an Wochenenden und Feiertagen geöffnet.<br />
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4 |<strong>2022</strong> 89
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Die extra Meile gehen<br />
Das Private Banking der Sparkasse Göttingen ist zum fünften Mal in Folge für seine<br />
hohe Qualität ausgezeichnet worden: Die unabhängigen Tester kürten sie damit<br />
zur besten Bank in Niedersachsen.<br />
Private Banking ist mehr als ,nur‘ die<br />
Wertpapierberatung von vermögenden<br />
Kunden. „Der ausschlaggebende<br />
Ansatz ist, dass jeder unterschiedliche Bedarfe<br />
und Wünsche hat und wir nicht standardisiert<br />
mit Produkten von der Stange<br />
arbeiten“, erklärt Matthias Leonhardt, Leiter<br />
des 17-köpfigen Teams für das Private Banking<br />
bei der Sparkasse Göttingen. „Wir verfolgen<br />
eine sehr breite und individuelle Investmentstrategie<br />
und sind nicht fokussiert<br />
auf unsere hauseigenen Produkte, unser Fokus<br />
gilt dem Kunden.“<br />
DAS HEISST AUCH IMMER WIEDER, die<br />
extra Meile zu gehen. Mit der normalen wöchentlichen<br />
Arbeitszeit ist es meist nicht<br />
getan, der Kunde erwartet eine gute Erreichbarkeit<br />
seines Beraters. „Im Grunde sind wir<br />
so etwas wie ein Privatsekretär für unsere<br />
Kunden – das ist eine gelebte Partnerschaft“,<br />
betont Leonhardt. Er hat das Private Banking<br />
der Sparkasse Göttingen vor rund 20 Jahren<br />
aufgebaut. „Ich glaube, eine langfristige und<br />
vertrauensvolle Zusammenarbeit ist eine<br />
Win-Win-Situation.“<br />
DAS SPEKTRUM DER KUNDENBEDARFE ist<br />
breit: Es reicht von der Vermögensanlage und<br />
dem Kreditgeschäft über die Immobilienmaklerei,<br />
Stiftungsgründungen bis hin zur Testamentsvollstreckung.<br />
Der große Pluspunkt der<br />
Sparkasse – außer dem Engagement und der<br />
Qualität der Berater: „Wir sind sehr nah am<br />
Kunden“, so Markus Herzberg, Berater bei der<br />
Sparkasse. „Entscheidungen können schnell<br />
getroffen und regionale Besonderheiten berücksichtigt<br />
werden.“<br />
DAMIT HEBT MAN SICH VOM TREND vieler<br />
anderer und insbesondere Großbanken ab,<br />
die sich zunehmend aus der regionalen Beratung<br />
zurückziehen und diese zentralisieren;<br />
für die Sparkasse bleibt dieser sehr persönliche<br />
Service vor Ort jedoch weiter wichtig. Für<br />
Markus Herzberg war diese Kundennähe ein<br />
Grund, in das Team der Sparkasse zu wechseln,<br />
ebenso wie für seinen Kollegen Steffen<br />
Beese, die zuvor bei Großbanken tätig waren.<br />
„Wir wissen, dass die Chemie stimmen und<br />
der Berater zu einem Kundentypus passen<br />
muss. Das ist Teil unserer Philosophie“, erklärt<br />
Beese.<br />
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der vom unabhängigen Deutschen Institut für<br />
Bankentests einmal jährlich durchgeführt wird,<br />
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FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA
leben<br />
92 4 |<strong>2022</strong>
leben<br />
Immer Vollgas<br />
Luisa Grube hat es mit 21 Jahren unter die besten Ski-Rennläufer Deutschlands geschafft.<br />
Doch damit soll die Geschichte der sehbehinderten Göttingerin noch längst nicht auserzählt sein:<br />
nächstes großes Ziel sind die <strong>Winter</strong>-Paralympics 2026.<br />
TEXT RUPERT FABIG FOTOGRAFIE PRIVAT<br />
LESEZEIT: 4 MINUTEN<br />
Nehmen Sie sich doch mal die Zeit und absolvieren<br />
Sie die folgende Übung: ein Auge zumachen,<br />
mit dem anderen wie durch ein<br />
Fernrohr durch eine Papierrolle schauen. So<br />
weit, so gut. Nun legen Sie eine Milchglasscheibe ans<br />
vordere Ende ihres Fernrohrs und schauen mal, was Sie<br />
sehen – genau, nahezu nichts. Herzlichen Glückwunsch,<br />
nun sehen Sie in etwa so viel wie Luisa Grube. Mit dem<br />
feinen Unterschied, dass die 21-Jährige mit entspannten<br />
60 bis 100 Stundenkilometern Ski-Weltcup- Pisten hinabschießt.<br />
Immer am Anschlag, immer in Richtung Treppchen,<br />
immer mit vollem Durchblick.<br />
DIE GEBÜRTIGE GÖTTINGERIN, die in Nörten-Hardenberg<br />
aufgewachsen ist, verfügt über eine Sehkraft von<br />
noch rund zwei Prozent. Früher waren es mal fünf Prozent,<br />
doch der grüne Star, an dem sie seit Geburt erkrankt<br />
ist, lässt sich nicht rückgängig machen, sondern lediglich<br />
verzögern. Dabei ist Verzögerung doch so ziemlich das<br />
Letzte, das sich mit Grube in Verbindung bringen lässt.<br />
Etwas anderes als Vollgas kennt die Topathletin nicht.<br />
Klettern, Mountainbiken, und wenn’s mal entspannter<br />
zugehen muss, dann eben Wandern in den Alpen – Grube<br />
beschreibt sich als Adrenalinjunkie. Am erfolgreichsten<br />
holt sie sich den Kick auf der Skipiste: als Teammitglied<br />
der deutschen Paraalpinisten und Niedersachsens große<br />
Hoffnung bei den Paralympischen Spielen 2026 im italienischen<br />
Mailand und Cortina d’Ampezzo.<br />
DOCH WIE KOMMT DIE MITTELDEUTSCHE ins Hochgebirge?<br />
„Mit dem Skifahren hatte ich es eigentlich<br />
schon immer“, erzählt Grube. Bereits als kleines Kind<br />
ging es mit den Eltern in den Skiurlaub, denen sie dann<br />
einfach hinterherfuhr. „Das Problem dabei: Mama und<br />
Papa waren mir einfach zu langsam.“ Also musste Bruder<br />
Dennis als vorausfahrender Guide herhalten. Das<br />
sollte er auch Jahre später auf höherklassigem Niveau.<br />
Mit 16 zieht Luisa Grube aus Südniedersachsen nach<br />
Marburg, um ein Gymnasium für Sehbehinderte und<br />
Blinde zu besuchen. Eine Mitschülerin, damals bereits<br />
Paraskifahrerin, schlägt ihr vor, sie doch mal zu einem<br />
Nach wuchslehrgang zu begleiten. Ihr Talent: unübersehbar.<br />
ENDE 2018 NIMMT SIE an den ersten Rennen teil. In der<br />
Regel verfügen Spitzenathleten dabei über ihren eigenen<br />
Guide – bei Grube ist dies zunächst ihr Bruder. Dieser<br />
nimmt beim Skifahren für Sehbehinderte eine essenzielle<br />
Rolle ein. Bekleidet mit einer schwarzen Jacke und einem<br />
neonfarbenen Leibchen, als Kontrast zum Schnee<br />
und nahestehenden Bäumen, fährt er dem Athleten voraus.<br />
Bis zu zehn Metern gelingt es Grube noch, ihn<br />
wahrzunehmen, darüber hinaus wird es gefährlich. „Ich<br />
fühle mich am sichersten, wenn der Guide mir ungefähr<br />
drei Meter voraus ist“, sagt Grube. Verbunden sind die<br />
beiden Fahrer via Funk. Der Guide beschreibt die anstehenden<br />
Kombinationen und die Pistenbeschaffenheit,<br />
bei Wind und 60 Stundenkilometern nicht immer einfach<br />
zu verstehen. „Im Training tauschen wir aber ab<br />
und zu, um eine neue Perspektive zu bekommen. Das ist<br />
ein guter Übungs effekt“, erzählt sie, die ihren Bruder jedoch<br />
schon bald als Unterstützer ausmustern musste. „Er<br />
hat sein eigenes Leben, in dem er gern Fußball spielt und<br />
nicht immer Zeit hat“, sagt die Slalom- und Riesenslalomspezialistin<br />
und schiebt neckisch hinterher: „Zudem<br />
wären Streitereien unter Geschwistern wohl auch<br />
vorprogrammiert gewesen.“<br />
Nach dem Abitur 2020 zieht es Grube zum Studium<br />
der Erziehungswissenschaften ins österreichische Innsbruck,<br />
um nicht nur an Wochenenden oder während der<br />
Ferien aus Marburg in die Skigebiete anreisen zu können,<br />
sondern ihre Trainingsreviere vor der eigenen Haustür<br />
zu haben. Sölden beispielsweise ist lediglich eineinhalb<br />
Stunden entfernt.<br />
4 |<strong>2022</strong> 93
leben<br />
RUND FÜNFMAL IN DER WOCHE kann Grube so an<br />
ihrem paralympischen Traum arbeiten. Neben den Einheiten<br />
im Schnee steht ein straffes Programm im<br />
Kraftraum und für die Kondition auf dem Plan, den die<br />
Bundestrainer für sie ausgearbeitet haben. Die Spiele<br />
<strong>2022</strong> in Peking hatte Grube knapp verpasst. „Das war<br />
ziemlich frustrierend für mich“, sagt sie rückblickend.<br />
Dass das notwendige Leistungsniveau in ihr steckt, hat<br />
die Athletin des TSV Kareth-Lappersdorf längst nachgewiesen.<br />
Unter anderem als Teilnehmerin bei der Weltmeisterschaft<br />
2021 im norwegischen Lillehammer sowie<br />
als Drittplatzierte eines Weltcuprennens. Zwischenschritt<br />
auf dem Weg nach ganz oben ist die Weltmeisterschaft<br />
2023 in La Molina in Spanien.<br />
Wenngleich Grube den Speed liebt, ist sie auf Skiern<br />
momentan noch eine Technikspezialistin, weswegen sie<br />
überwiegend im Slalom und Riesenslalom antritt.<br />
Super-G und vor allem die Abfahrt sollen in den kommenden<br />
Jahren ins Repertoire aufgenommen werden.<br />
Mit ihrer eisernen Disziplin sollte dies kein Problem<br />
werden. „Mental bin ich ziemlich stark und schaffe es,<br />
fokussiert zu bleiben, wenn mein Körper schon müde<br />
ist“, sagt die 21-Jährige.<br />
Müdigkeit ist ein Thema, das sie in ihrem Umfeld<br />
durchaus begleitet. Grube lebt heute in einer Siebener-WG.<br />
Immer Trubel, sie liebt es. „Und trotzdem gehe<br />
ich im Vorfeld wichtiger Wettkämpfe regelmäßig schon<br />
um 22 Uhr ins Bett und lasse mich durch nichts aus meiner<br />
Routine bringen.“ Eine Frau mit Weitsicht eben. ƒ<br />
ZUR PERSON<br />
Luisa Grube wurde 2001 in Göttingen geboren und<br />
ist in Nörten-Hardenberg aufgewachsen. Heute lebt sie<br />
in Innsbruck und studiert Erziehungswissenschaften.<br />
Als Para-Ski-Sportlerin startet sie international an<br />
Wettbewerben im Riesenslalom und Slalom. Mit zwei<br />
Prozent Sehvermögen nimmt sie in der Startklasse<br />
B2 teil und wird von einem Guide den Berg hinuntergeführt.<br />
Seit 2019 ist sie im Nachwuchskader der<br />
Deutschen Nationalmannschaft und trainiert für die<br />
Teilnahme an den Paralympics. Bei den Weltmeisterschaften<br />
im Para-<strong>Winter</strong>sport 2021 in Lillehammer<br />
(Norwegen) hat sie im Frauenslalom den elften Platz<br />
belegt. Die Nominierung für ein Paralympics-Ticket<br />
<strong>2022</strong> hat sie leider knapp verpasst.<br />
luisa_grube<br />
94 4 |<strong>2022</strong>
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leben<br />
„Lasst uns das machen!“<br />
Für bessere Lebensbedingungen benachteiligter Menschen setzt sich die Göttinger Stiftung<br />
Vielfalt der Kulturen weltweit ein. Mit Fördergeldern und Netzwerkkontakten setzt sie<br />
auf nachhaltige Impulse.<br />
TEXT STEFAN LIEBIG ILLUSTRATION STOCK.ADOBE.COM<br />
96 4 | <strong>2022</strong>
leben<br />
Schulmaterialien für ein Projekt in Guatemala,<br />
ein Nähprogramm in Sarajevo für die Witwen<br />
des Massakers von Srebrenica, ein Beratungszentrum<br />
für Flüchtlinge in Friedland oder das<br />
Waldhüttlprojekt in St. Pölten, bei dem in der<br />
Almhütte über interkulturelles Lernen diskutiert wird –<br />
all dies sind Beispiele für Förderprojekte der Stiftung<br />
Vielfalt der Kulturen.<br />
„Wir können nur von Kulturen lernen, die noch leben“,<br />
sagt Vorsitzender Michael Has und bringt damit die Philosophie<br />
der Göttinger Stiftung, die 2001 von Françoise<br />
Geiger ins Leben gerufen wurde, auf den Punkt. Diese<br />
sieht sich in den Rollen des Vermittlers, Mitorganisators<br />
und Geldgebers von Projekten, die auf möglichst direkte<br />
Unterstützung von Minderheiten abzielen. Projektverantwortliche<br />
können sich an den fünfköpfigen Stiftungsrat<br />
rund um Michael Has wenden und für ihr Hilfsprojekt<br />
Fördermittel beantragen. Diese sind fest an die jeweilige<br />
Vorhaben gebunden.<br />
„Im Stiftungsrat prüfen wir, ob die an uns herangetragenen<br />
Anträge erfolgversprechend und realistisch sind.<br />
Wenn es uns überzeugt, sagen wir: ,Lasst uns das<br />
machen!‘“, erklärt Has, der an der Universität von<br />
Gre noble lehrt und wissenschaftlicher Experte für Nachhaltigkeit<br />
ist. Nachhaltigkeit im Sinne des Überlebens<br />
anderer Kulturen stellt denn auch einen entscheidenden<br />
Aspekt bei der Vergabe der Geldmittel dar.<br />
DIE LISTE DER IN DEN VERGANGENEN 21 JAHREN geförderten<br />
Hilfsinitiativen, die auf der Homepage der<br />
Stiftung abrufbar ist, ist so vielfältig und lang wie beeindruckend:<br />
Aktuelle Projekte sind etwa die Bereitstellung<br />
von Tablets, die die Schüler einer Romaschule in Bosnien<br />
und Herzegowina erhalten, um den Umgang mit digitalen<br />
Medien zu erlernen, oder auch die von der Stiftung<br />
übernommenen Kosten eines deutschen Romas, der an<br />
Schulen über Verfolgungen und Anfeindungen berichtet,<br />
sowie ein Projekt aus der Vergangenheit: die völkerverbindende<br />
Organisation eines Treffens von israelischen<br />
und palästinensischen Schülerinnen in neutraler Umgebung.<br />
Diese Beispiele zeigen, wie gerade jungen Menschen<br />
der Zugang zu zukunftsorientierten und wertvollen<br />
Informationen ermöglicht werden soll. Die Stiftung<br />
sieht dies als wichtige Bausteine für eine perspektivenreiche<br />
Zukunft an. „Mit unseren Projekten etwas zu bewegen,<br />
ist schön“, erklärt Has die gemeinsame Motivation<br />
des Stiftungsteams.<br />
Doch es sind nicht nur die Geldzuwendungen, von denen<br />
die Geförderten profitieren. „Wir begleiten die Antragssteller<br />
auch im Hinblick auf wichtige Kontakte zu<br />
anderen möglichen Sponsoren innerhalb des Netzwerks<br />
der Stiftung“, sagt Has. Dies führe oft zu weiteren finanziellen<br />
Unterstützungen, aber auch – was manchmal<br />
noch wichtiger sein kann – zur Vermittlung von einflussreichen<br />
Ansprechpartnern. Doch woher stammt dieses<br />
Netzwerk? Die Mitglieder des Stiftungsrates verfügen<br />
KONTAKT<br />
Michael Has<br />
Tel. 0176 98652406<br />
michael.has@protonmail.com<br />
www.vielfaltderkulturen.de<br />
Spendenkonto:<br />
Bank: Sparkasse Göttingen<br />
IBAN: DE69 2605 0001 0000 0007 78<br />
BIC: NOLADE21GOE<br />
SIE MÖCHTEN NOCH MEHR HEFLEN?<br />
Auf dem Stiftungsportal Südniedersachsen der<br />
Sparkasse Göttingen können sich potenzielle Stifter und<br />
Interessierte informieren und gemeinsam Gutes tun.<br />
www.stiftungsportal-suedniedersachsen.de<br />
alle über langjährige Erfahrung in der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen<br />
wie etwa in der Gesellschaft<br />
für bedrohte Völker (GfbV), dem Integrationsrat Göttingen,<br />
der Adivasi-Initiative, dem Tourismus mit Einsicht<br />
oder dem World Uranium Hearing.<br />
Eine besondere Rolle hierbei spielt die Göttinger GfbV.<br />
„Die Anfänge der Stiftung waren sehr eng mit der<br />
Menschenrechtsorganisation verknüpft“, erzählt der<br />
Vorsitzende. Die Stiftungsgründerin wollte die politische<br />
Arbeit der GfbV durch aktive Hilfsprojekte ergänzen<br />
und entschloss sich, Kapital für die Gründung der Stiftung<br />
Vielfalt der Kulturen zur Verfügung zu stellen.<br />
DIE IDEE VON FRANCOISE GEIGER kommt von Beginn<br />
an gut an, und es finden sich stets Förderer, die finanzielle<br />
Mittel für die vom Stiftungsrat genehmigten<br />
Hilfsprojekte bereitstellen. Wenngleich, so Has, die finanziellen<br />
Strukturen in den Jahren von Niedrigzinsen,<br />
Finanzkrisen etc. zunehmende Herausforderungen mit<br />
sich brächten. „Dennoch sind wir stolz, aus der Exotenecke,<br />
in der wir uns anfangs befanden, herausgekommen<br />
zu sein und uns etabliert zu haben.“ Wie das gelungen<br />
ist, fasst Has wie folgt zusammen: „Wir müssen gegenseitig<br />
voneinander lernen. Das heißt, beispielsweise auch<br />
von den indigenen Völkern, was aber in keiner Richtung<br />
zu einer Verherrlichung führen darf. So kann es gelingen,<br />
eine lebenswerte gemeinsame Zukunft aller Kulturen zu<br />
ermöglichen.“ ƒ<br />
4 |<strong>2022</strong> 97
leben<br />
98 4 |<strong>2022</strong>
leben<br />
Die Kammer<br />
der Wunder<br />
Es ist ein Ort, prall gefüllt mit weltlichen Gegenständen und Geschichten, die nirgendwo sonst<br />
auf diese besondere Art und Weise zusammenpassen: die Wunderkammer in Hann. Münden.<br />
<strong>faktor</strong> ist eingetaucht in Dr. Wolfs Museum<br />
voller skurriler und gewöhnlicher Zusammenhänge.<br />
TEXT & VIDEO CHRISTIAN VOGELBEIN FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA & PRIVAT<br />
4 |<strong>2022</strong> 99
leben<br />
100 4 | <strong>2022</strong>
leben<br />
D<br />
LESEZEIT: 5 MINUTEN<br />
er knöcherne Schädel finden<br />
eines Rindes hängt an<br />
einem Faden von der Decke,<br />
Taschen uhren sind an<br />
der Wand aufgereiht. Eine<br />
alte Kommode sitzt still in der<br />
Ecke, Schrammen und Kanten bezeugen<br />
lange Reisen und spannende Inhalte.<br />
Kein Zentimeter des engen Hann. Mündener Altbaus ist<br />
ungenutzt. Jede Ecke, jeder Quadratmeter Wand und<br />
jede Fläche ist Ablage für ein Stück große und kleine<br />
Weltgeschichte. Skurriles liegt hier neben Gewöhnlichem,<br />
nie Gesehenes neben Alltäglichem. Erst in dieser<br />
Komplexität und Zusammenstellung entfaltet jeder kleine<br />
Gegenstand seine volle Wirkung.<br />
DANIEL R. WOLF BZW. ,DR. WOLF‘, wie er sich nennt,<br />
ist promovierter Kunsthistoriker. In tausenden Museen<br />
war er, sah Kunst, die nur vom Wissen um ihre Bedeutung<br />
wirklich lebt. In einer Wunderkammer ist das anders. Jeder<br />
Gegenstand, so ordinär er sein mag, hat eine Reise<br />
durch Welt und Zeit hinter sich, bis er seinen Platz bei<br />
Dr. Wolf gefunden hat. Die zugehörigen Geschichten<br />
gibt dieser voller Leidenschaft weiter. „Wir haben ein<br />
Messer, das einem Schamanen gehört haben soll“, erzählt<br />
der beeindruckend aussehende Mann, der das Museum<br />
gemeinsam mit seiner Frau Sarah führt. Meistens<br />
sie die Gegenstände in Haushaltsauflösungen, auf<br />
Flohmärkten oder unter Sammlern. „In diesem Fall wissen<br />
wir das, weil die Besitzerin einen Zettel angeheftet hatte.“<br />
Die Kammer der Wolfs war zunächst ein Sideboard,<br />
dann ein Schrank, schließlich eine Wand und später ein<br />
ganzes Zimmer in der Privatwohnung. „Da haben wir<br />
natürlich keine Besucher empfangen, aber über soziale<br />
Medien ein großes Publikum erreicht“, erzählt Sarah<br />
Wolf, selbst Künstlerin. Lebendig werden diese Sammlungen<br />
aber erst mit einer echten Begegnung, sodass im<br />
April 2020 die Wunderkammer in Hann. Mündens Innenstadt<br />
öffnete. „Ein großartiges Datum“, sagt Daniel<br />
R. Wolf. Denn so richtig öffnen durften und konnten sie<br />
nicht. Die Öffentlichkeit kam wegen der Coronapandemie<br />
zum Erliegen, die Eröffnung der Wunderkammer<br />
blieb eine stille.<br />
SCHON IM EINGANGSBEREICH WIRD dem Besucher<br />
klar, dass er hier in eine außergewöhnliche Welt eintaucht<br />
– ein wenig besitzt die Wunderkammer die Anmut<br />
eines mittelalterlichen Marktes, des Büros einer<br />
Wahrsagerin oder einer bunten Trödelsammlung. Wer<br />
will, entdeckt auf jedem Quadratzentimeter einen neuen<br />
Gegenstand, eine neue Geschichte und eine neue Fantasie.<br />
Wem das nicht auf Anhieb gelingt, der lässt sich von<br />
Dr. Wolf durch seine Wunderkammer führen und lauscht<br />
seinen Ausführungen.<br />
4 |<strong>2022</strong> 101
leben<br />
102 4 | <strong>2022</strong>
leben<br />
„Ein bisschen<br />
kann man sich<br />
hier verlieren.<br />
Deshalb ist<br />
es wichtig,<br />
nicht alleine<br />
durchzugehen.“<br />
4 |<strong>2022</strong> 103
leben<br />
Dr. Wolfs Wunderkammer –<br />
Das Museum für Geschichte(n),<br />
Kunst & Kurioses<br />
Grundsätzlich kann ein Besuch in der<br />
Wunderkammer immer von Donnerstag bis<br />
Sonntag gebucht werden. Auch spontane<br />
Führungen sind möglich – aber nur, wenn<br />
der Doktor im Hause ist und die<br />
Kapazitäten es zulassen. Ohne vorherige<br />
Buchung gibt es keine Termingarantie!<br />
www.dr-wolfs-wunderkammer.de<br />
„Ein bisschen kann man sich hier verlieren. Deshalb ist es<br />
wichtig, nicht alleine durchzugehen“. Vieles dort ist, allein<br />
betrachtet, schaurig und gruselig. Jeder Gegenstand<br />
hatte einen Anfang und hat bald auch ein Ende – die<br />
Wunderkammer zeigt, was dazwischen passiert. Alles,<br />
was ausgestellt ist, wurde für diesen Ort ausgesucht und<br />
mit Absicht platziert. „Eigentlich könnte ich hier jeden<br />
Tag umräumen“, sagt Sarah Wolf schwärmerisch und<br />
gleichzeitig ein wenig wehmütig. Dieser Raum, dieses<br />
wachsende Gesamtkunstwerk, nimmt seine Energie<br />
auch aus der andauernden Veränderung.<br />
„ES IST EIN LEBENDIGES MUSEUM voller Geschichte<br />
und Geschichten“, erklärt Daniel R. Wolf. Damit will er<br />
sich auch von einer Kunst abgrenzen, die in seinen Augen<br />
zwar wichtig ist, aber nur dann wirklich greifbar<br />
wird, wenn man sich wissenschaftlich damit beschäftigt<br />
und das Spiel und den Hype mitmacht. „Klassische Museen<br />
haben auch einen klassischen Bildungsauftrag. Sie<br />
sollen objektive Fakten vermitteln“, sagt Wolf. Dabei<br />
entstand die Idee des Museums eigentlich in solchen<br />
Wunderkammern, in der scheinbar losen Zusammenstellung<br />
von Gegenständen aus aller Welt. „Wir sammeln<br />
und archivieren Geschichten und hinterfragen diese gemeinsam<br />
mit unseren Gästen. Wir denken mit Dingen,<br />
könnte man auch sagen.“ Immer wieder ist Neues zu<br />
entdecken. Vor allem aber, dass die Welt voller Wunder<br />
ist. Wie dieser außergewöhnliche Ort in Hann. Münden.<br />
Auf jeden Fall eine Reise wert. ƒ<br />
Sie können es nicht abwarten?<br />
Dann tauchen Sie jetzt direkt ein in die<br />
Welt der Wunder und lassen sich in unserem<br />
<strong>faktor</strong>digital-Video von Dr. Wolf auf eine<br />
außergewöhnliche Reise durch seine<br />
Geschichte(n) mitnehmen.<br />
www.<strong>faktor</strong>-magazin.de/<strong>faktor</strong>-video<br />
104 4 | <strong>2022</strong>
EMPLOYER BRANDING<br />
UNTERNEHMEN, DIE<br />
NICHT BEI TIKTOK UND<br />
INSTAGRAM PRÄSENT<br />
SIND, EXISTIEREN FÜR<br />
DIE GEN Z NICHT.<br />
Eine durchaus gewagte These, ja. Aber auch eine, die sich in<br />
der Vergangenheit immer wieder bewährt hat – that’s why we<br />
should talk. Wir von Lookfamed sind eine Online Marketing<br />
Agentur. Mithilfe unserer Employer-Branding-Specialists<br />
ist es uns zudem möglich, dieses Online-Know-How auch<br />
für das Gewinnen von Fachkräften zu nutzen. Anhand von<br />
spannenden Cases zeigen wir, wie Employer Branding auch<br />
für dein Unternehmen funktioniert, wie du für dich passende<br />
Mitarbeitende gewinnst und vor allem, wie du die jüngere<br />
Generation, die Gen Z, für dich begeisterst.<br />
EMPLOYER BRANDING BY LOOKFAMED<br />
Individuelle Employer Branding und Recruiting<br />
Strategien<br />
Konzeption & Um set zung performancestarker<br />
Kampagnen auf Instagram & TikTok<br />
Denn Unternehmen sind auf qualifizierte und motivierte<br />
Mitarbeitende angewiesen, um langfristig handlungs- und<br />
wettbewerbsfähig zu bleiben. Das führt jedoch auch dazu,<br />
dass der sogenannte „Run for Talents“ härter ist als jemals<br />
zuvor und stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen.<br />
Ihnen fehlen schlichtweg die Ideen, wie sie<br />
potenzielle Mitarbeitende vom eigenen Vorhaben überzeugen<br />
können. Studien zeigen immer wieder, dass die Gen Z<br />
genau da von Unternehmen angesprochen werden möchte,<br />
wo sie sich bereits befinden – auf Instagram und TikTok.<br />
EMPLOYER BRANDING STRATEGIE MIT LOOKFAMED<br />
Erstellung von hochwertigem Foto- und Videocontent<br />
Unser Online-Marketing-Know-How sorgt dafür,<br />
dass der Online-Auftritt als Arbeitgeber überzeugt
EMPLOYER BRANDING<br />
NOVELIS AZUBI-KAMPAGNE <strong>2022</strong><br />
Für den weltweit tätigen Aluminiumhersteller und -recycler Novelis haben wir<br />
eine kanalübergreifende Kampagne für offene Auszubildendenstellen und duale<br />
Studiengänge umgesetzt. Denn: Recruiting von jungen Talenten ist in Zeiten von<br />
TikTok & Co digitaler geworden – und besonders in der industriellen Produktion<br />
eine Herausforderung. Novelis legte Wert darauf, die eigene Unternehmenskultur<br />
über die Kampagne zu transportieren und sie speziell für die Generation Z auszulegen.<br />
Das Motto: „Du im Fokus, die Zukunft im Blick“.<br />
Ergebnisse<br />
Hier gibt‘s mehr zur Kampagne<br />
>320.000<br />
IMPRESSIONEN<br />
>3.600<br />
LINK KLICKS<br />
Regionale<br />
SICHTBARKEIT<br />
ZUFALL FAHRER:INNEN-RECRUITING<br />
Ziel dieser Kampagne gemeinsam mit dem Göttinger Unternehmen ZUFALL war<br />
das Gewinnen von potenziellen Bewerber:innen (Leads) als Berufskraftfahrer:innen<br />
und weiterer Interessent:innen über die Plattformen TikTok und Instagram.<br />
Wir haben uns dazu entschieden, unseren exklusiven Creator @reneschmock<br />
mit ins Boot zu holen, der selbst aus Göttingen kommt und zudem vor seiner<br />
Social Media Karriere als Berufskraftfahrer tätig war. Seine organische Reichweite<br />
wurde zusätzlich durch bezahlte Werbeanzeigen (Spark Ads) auf TikTok<br />
verlängert, um in einer spezifischen Zielgruppe Sichtkontakte zu erzielen.<br />
Ergebnisse<br />
Hier gibt‘s mehr zur Kampagne<br />
1,33 Mio.<br />
IMPRESSIONEN<br />
>10.600<br />
LINK KLICKS<br />
109<br />
LEADS<br />
lookfamed.de<br />
Lies unser kostenloses Journal für noch<br />
mehr Employer Branding Tipps und schau dir<br />
die Videos der Kampagnen an!<br />
PRAXISBEISPIELE
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FOTO: NIKOLAUS FRANK<br />
Aus Zwei mach Eins<br />
Dirk Weitemeyer, Lydia Weitemeyer, Ines Berke<br />
und Mark Berke (v.l.).<br />
Kassebeer setzt auf Wachstum<br />
Die Wilh. F. Kassebeer GmbH & Co. KG aus Northeim übernimmt die Dirk Weitemeyer GmbH als Tochterunternehmen.<br />
Zwei Familienunternehmen in zwei<br />
Städten. Bis vor wenigen Wochen<br />
nannten sie sich noch Mitbewerber. In<br />
den vergangenen Monaten fanden unzählige<br />
Gespräche hinter verschlossenen Türen statt,<br />
Interessen wurden ausgelotet und letztlich<br />
Verträge unterzeichnet.<br />
JETZT IST ES OFFIZIELL: Die Göttinger<br />
Dirk Weitemeyer GmbH gehört seit zwei<br />
Monaten als Tochterunternehmen zur Wilh.<br />
F. Kassebeer GmbH & Co. KG aus Northeim.<br />
„Es war für mich von Anfang an klar, dass ich<br />
das Unternehmen nicht an einen Investor<br />
verkaufen werde. Dass wir mit Kassebeer ein<br />
Familienunternehmen mit gleichen Werten in<br />
der Region gefunden haben, ist für mich der<br />
größte Gewinn“, sagt Dirk Weitemeyer. Der<br />
ehemalige Bundesliga-Basketballspieler gründete<br />
vor 34 Jahren zusammen mit Lydia Weitemeyer<br />
sein Unternehmen. Nun übergibt der<br />
64-Jährige sein Lebenswerk mit einem guten<br />
Gefühl in die Hände von Ines und Mark Berke<br />
von Kassebeer.<br />
DAS NORTHEIMER UNTERNEHMEN mit<br />
seiner über 120-jährigen Geschichte vergrößert<br />
mit dem Zukauf seinen Technikbereich in<br />
Druck- und Kopierlösungen als B2B-Partner<br />
in Südniedersachsen. „Für uns hat es sowohl<br />
aus unternehmerischer als auch aus menschlicher<br />
Sicht sofort gepasst“, sagt Ines Berke,<br />
neue Geschäftsführerin der Dirk Weitemeyer<br />
GmbH.<br />
ALLES NEU UND DOCH BEIM ALTEN:<br />
Kassebeer und Weitemeyer werden weiterhin<br />
als eigenständige Unternehmen agieren, auch<br />
wenn es zukünftig Verknüpfungen geben wird.<br />
Mit der Zusammenführung der beiden Unternehmen<br />
betreut Kassebeer nun über 8.000<br />
Druck- und Kopiersysteme mit insgesamt<br />
zehn Servicetechnikern und besitzt damit in<br />
diesem Bereich den größten Marktanteil in<br />
Südniedersachsen. Ein erstes gemeinsames<br />
Essen mit allen Mitarbeitern wurde schnell zu<br />
einem geselligen Austausch.<br />
DIESE NEUESTE ENTWICKLUNG fügt sich<br />
nahtlos in den bereits laufenden Markenfokussierungs-Prozess<br />
der Northeimer. Neben<br />
den bekannten Marken bueroboss.de und<br />
Die Kaffeemeister als Franchisekonzept wurde<br />
die neue Familienmarke ‚Kassebeer‘ mit dem<br />
Geschäftsfeld ‚kassebeer digital‘ eingeführt.<br />
„Wir sehen uns mit all unseren Kompetenzen<br />
als Sparrings-Partner für neue Bürokultur. Unser<br />
Ziel ist die Vereinfachung von Büroprozessen.<br />
Indem wir die analoge Welt mit der digitalen<br />
intelligent verbinden, schaffen wir neue<br />
Freiräume für unsere B2B-Kunden“, sagt Ines<br />
Berke.<br />
KONTAKT<br />
Wilh. F. Kassebeer GmbH & Co. KG<br />
Matthias-Grünewald-Str. 42<br />
37154 Northeim<br />
kassebeerdigital.de<br />
KONTAKT<br />
Dirk Weitemeyer GmbH<br />
Karl-Arnold-Straße 17<br />
37079 Göttingen<br />
weitemeyer.com
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FOTO: LUKA GORJUP<br />
PROFIL<br />
FOTO: HR INSIDE SUMMIT | NICOLE HEIDEGGER | LUZIA MAHLER<br />
Glückliche Gewinner<br />
Florian Besch und Daniel Liebermann (Foto l.)<br />
von nevo und MapsTell freuen sich über den<br />
zweiten Platz beim HR Award DACH (r.).<br />
Wie halten wir gute Leute im Unternehmen?<br />
Mitarbeiter binden statt ständig neue finden. Wie das geht?<br />
Das nevo-Team bietet ausgezeichnete Tools – meint auch die Jury des HR-Award <strong>2022</strong>.<br />
Was hält uns zusammen? Die ARD<br />
widmete dem Thema Zusammenhalt<br />
kürzlich eine ganze Woche. Da<br />
sollten Unternehmen aufhorchen. „Besteht in<br />
Krisenzeiten keine Anbindung ans Unternehmen,<br />
kündigen die Leute eher“, sagt Daniel<br />
Liebermann von nevo. Eine Forsa-Umfrage<br />
von <strong>2022</strong> zeigt: Fast ein Drittel der Erwerbstätigen<br />
denkt über einen Jobwechsel nach.<br />
Geeignete Fachkräfte zu finden ist schwer –,<br />
und Recruiting-Prozesse schlagen mit bis zu<br />
100.000 Euro zu Buche.<br />
FÜR UNTERNEHMEN IST ES WICHTIG,<br />
Mitarbeiter langfristig zu binden. Wie das<br />
geht? „Über Zufriedenheit – und indem das<br />
Unternehmen zum sicheren mentalen Hafen<br />
für die Menschen wird“, sagt Dr. Florian<br />
Besch. Gerade in Krisenzeiten verlassen immer<br />
mehr Menschen ihr Unternehmen aufgrund<br />
von Problemen – in Teams, mit ihrer<br />
Führungskraft und weil sie sich im Homeoffice<br />
nicht abgeholt fühlen. Das nevo-Team<br />
bietet passende Lösungen: Im Fokus stehen<br />
handlungsorientierte Methoden. „Was Menschen<br />
bei unseren Trainings lernen, bleibt<br />
haften. Denn sie haben es erfahren und nicht<br />
nur darüber geredet“, weiß Besch. Das wirkt<br />
nachhaltig, auch in die ganze Organisation<br />
hinein. Das nevo-Team bietet einen Koffer voller<br />
Tools, die Verhalten am Arbeitsplatz sichtbar<br />
machen und auch Themen wie Stress und<br />
Resilienz angehen.<br />
In der Praxis bauen Teams etwa eine Seilrutsche<br />
über eine Schlucht im Wald. Kollegen<br />
tüfteln gemeinsam an der Aufgabe. Wenn es<br />
gut läuft, hängen am Ende alle in den Seilen<br />
– und jubeln. Ein Erfolgserlebnis! Ob und wie<br />
gut es klappt, hängt von der Zusammen arbeit<br />
ab. Wer die Führung übernimmt, wer sich<br />
rauszieht, wie die Gruppendynamik ist – das<br />
offenbart sich in spielerischer Interak tion.<br />
Und wenn das Team scheitert? „Auch gut,<br />
dann überlegen wir, wo das im Arbeitsleben<br />
ebenso der Fall ist, und gehen den Ursachen<br />
auf den Grund“, erklärt Liebermann.<br />
PREISVERDÄCHTIG IST DIE ART, wie Besch<br />
und Liebermann ihre Tools anwenden. Beim<br />
HR-Award <strong>2022</strong> in Wien holte das nevo-Team<br />
den zweiten Platz in der Kategorie Tools and<br />
Services. Ausgezeichnet wurde das Unternehmen<br />
für die Anwendung von MapsTell.<br />
Nach einem Online-Verhaltensscan stellen die<br />
Coaches ganze Teams auf einer Bodenkarte<br />
auf, die Verhalten als Landkarte sichtbar<br />
macht. Was die nevo-Chefs dabei oft hören,<br />
sind Sätze wie: „Aaah, jetzt verstehe ich dich.“<br />
Die Leute sehen plötzlich, welche Bedürfnisse<br />
hinter Verhaltensweisen von Kollegen stecken,<br />
und bekommen neue Handlungsoptionen.<br />
Dieses Verständnis baut Brücken. „Solche<br />
Momente sind für uns als Coaches besonders“,<br />
sagt Liebermann. „Denn wir sehen uns<br />
als Mitarbeiter- Verbinder.“<br />
KONTAKT<br />
TEXT: ALENA BRANDT<br />
nevo – Training, Coaching, Entwicklung<br />
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Sonntag ist<br />
Familientag.<br />
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Zu familien freundlichen Zeiten arbeiten<br />
wir für das Lächeln des Anderen.<br />
Spannende Stellen an unterschied lichen<br />
Standorten findest du hier:<br />
karriere.rplus-gruppe.de
www.<strong>faktor</strong>-erfolgsgeschichten.de<br />
TOP-ARBEITGEBER<br />
der Region Göttingen <strong>2022</strong>/2023<br />
FOTO: STOCK.ADOBE.COM
Gemeinsam<br />
gewappnet<br />
Mit der Initiative ,TOPAS – TOP Arbeitgeber Südniedersachsen‘<br />
haben Unternehmen seit zehn Jahren die Möglichkeit, sich als Top-Arbeitgeber<br />
zertifizieren zu lassen. Dies hilft aber nicht nur den Firmen, sich im Wettbewerb<br />
um die besten Mitarbeiter zu behaupten – TOPAS stärkt die gesamte Region.<br />
TEXT STEFAN LIEBIG FOTO STOCK.ADOBE.COM<br />
112 TOP-ARBEITGEBER <strong>2022</strong>/23
LESEZEIT: 5 MINUTEN<br />
Bewerben um Bewerbende – so<br />
lautet das Motto des Arbeitgeberlabels,<br />
das inzwischen seit<br />
einem Jahrzehnt engagierte Unternehmen<br />
und Verwaltungen<br />
aus der Region auszeichnet und eint. Im<br />
Februar 2023 startet bereits die siebte Qualifikationsrunde.<br />
„Im Rahmen von TOPAS – TOP Arbeitgeber<br />
Südniedersachsen lassen sich diese gemeinsam<br />
zertifizieren und bilden so auch seit<br />
Jahren ein stetig wachsendes Netzwerk, das<br />
dauerhaft funktioniert – und das, obwohl sie<br />
eigentlich ja im Wett bewerb um Fachkräfte<br />
stehen“, erzählt Susanne Spellerberg. Für die<br />
Leiterin der etablierten Initiative der SüdniedersachsenStiftung<br />
stand dies jedoch nie im<br />
Gegensatz zueinander: „Zum einen profitieren<br />
die Mitglieder vom branchenübergreifenden<br />
Know-how innerhalb des Netzwerks.<br />
Zum anderen stärken sie Südniedersachsen<br />
als Region zum guten motivier Arbeiten und<br />
Leben.“<br />
Und vor allen Dingen stehen alle Akteure<br />
zusammen vor demselben Problem. „Der<br />
Mangel an Arbeitskräften – vom Nachwuchs<br />
über Fachkräfte bis hin zu Führungskräften<br />
– fordert ein aktives Employer Branding“, erklärt<br />
Nadia Mohseni und beschreibt damit<br />
die Herausforderungen für sämtliche Unternehmen.<br />
Die Leiterin der IHK-Geschäftsstelle<br />
Göttingen war, ebenso wie Spellerberg,<br />
schon vor knapp zehn Jahren mit dabei, als<br />
TOPAS seine Premiere feierte. „Arbeitgebermarketing<br />
nimmt bei südniedersächsischen<br />
Unternehmen und bei den Verwaltungen einen<br />
immer höheren Stellenwert ein“, sagt<br />
Mohseni und betont dabei auch die wichtige<br />
Rolle der Kooperationspartner von TOPAS<br />
als Multiplikatoren und Netzwerkende. Neben<br />
der von ihr geleiteten Geschäftsstelle<br />
Göttingen der IHK Hannover und der teneo<br />
Organisationsberatung unterstützen auch die<br />
Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und<br />
Stadtentwicklung Göttingen (GWG), die<br />
Wirtschaftsförderung Region Göttingen<br />
(WRG) und der <strong>faktor</strong> als Me dienpartner<br />
das Arbeitgeberlabel seit seiner Erstauflage.<br />
AKTUELL UMFASST DAS TOPAS-Netzwerk<br />
40 Unternehmen – die meisten von ihnen<br />
sind bereits mehrfach rezertifiziert. Abgänge<br />
sind aufgrund der großen Motivation der<br />
Teilnehmenden äußerst selten. Diese absolvieren<br />
Workshops, Seminare und Gesprächsrunden,<br />
in denen sie sich aktiv und intensiv<br />
austauschen. Spellerberg ist es wichtig, jedes<br />
Unternehmen an seinem Ausgangspunkt abzuholen<br />
und gemeinsam in dividuelle Ziele<br />
zu erarbeiten. Das praxis erprobte Konzept<br />
mit erfahrenen Coaches, unterschiedlichen<br />
Veranstaltungsformaten und einer breiten<br />
Themenauswahl ermöglicht die zielführende<br />
Weiterentwicklung aller Unternehmen –<br />
branchenübergreifend und unabhängig von<br />
den Mitarbeiterzahlen. So gelingt es, die eigene<br />
Arbeitgebermarke nachhaltig zu stärken.<br />
DOCH KÖNNEN AUCH KLEINE Unternehmen<br />
genügend Ressourcen frei machen?<br />
„Wir ermutigen gerade kleinere Unternehmen<br />
zur Teilnahme“, sagt Mohseni, „da sie<br />
– im Rahmen der Initiative gezielt und professionell<br />
begleitet – ihre Arbeitgebermarke<br />
aufbauen oder weiterentwickeln können.“<br />
Hinzu kommt, dass sie von den Gemeinschaftsauftritten,<br />
beispielsweise auf Messen,<br />
AUF IN DIE NÄCHSTE RUNDE!<br />
Die siebte TOPAS-Veranstaltungsreihe<br />
startet im Februar 2023. Sie umfasst<br />
Themenblöcke wie Führung, Diversität<br />
& Chancengleichheit, Wissen &<br />
Kompetenzen, Betriebliches Gesundheitsmanagement,<br />
Kommunikation<br />
und Transparenz und zeigt Strategien<br />
zur erfolgreichen Personalsuche mit<br />
anschließendem Onboarding und<br />
entsprechender Mitarbeiterbindung<br />
auf. Weitere Infos unter:<br />
www.suedniedersachsenstiftung.de/<br />
projekte/topas<br />
TOP-ARBEITGEBER <strong>2022</strong>/23 113
TOPAS-zertifizierte Unternehmen<br />
Autohaus Siebrecht GmbH<br />
Beschäftigungsförderung Göttingen<br />
BKK Technoform<br />
Copernicus GmbH<br />
Daume GmbH<br />
DRK-Kreisverband Göttingen-Northeim e. V.<br />
Ehrhardt Reifen + Autoservice GmbH & Co. KG<br />
EmmaCura GmbH & Co. KG<br />
Engelhardt Möbelschreinerei<br />
Fagus-GreCon Greten GmbH & Co. KG<br />
Finanzämter Südniedersachsen<br />
Göttinger Werkstätten gGmbH<br />
Hausarztpraxis Bilshausen<br />
HKS Sicherheitsservice GmbH<br />
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG<br />
Kreis-Sparkasse Northeim<br />
KWS SAAT SE & Co. KGaA<br />
Landkreis Göttingen<br />
Landkreis Northeim<br />
Minebea Intec Bovenden GmbH<br />
mod IT Services GmbH<br />
NextPharma GmbH<br />
novelis Deutschland GmbH<br />
Obermann Logistik GmbH<br />
Ottobock SE & Co. KGaA<br />
Piller Group GmbH<br />
PMH Personalmanagement Harz GmbH<br />
QUATTEK & PARTNER Steuerberatungsgesellschaft mbB<br />
Refratechnik Cement GmbH<br />
Renneberg – Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte,<br />
Unternehmensberater<br />
RUHSTRAT Haus- und Versorgungstechnik GmbH<br />
Sanitätshaus o.r.t. GmbH<br />
Sartorius Corporate Administration GmbH<br />
Senioren- und Pflegeheime Lamm GmbH<br />
sero handwerker-services GmbH<br />
Smurfit Kappa Herzberg Solid Board GmbH<br />
Sparkasse Duderstadt<br />
Sparkasse Göttingen<br />
Stadt Göttingen<br />
Stiemerling Senioren-Residenzen e. V.<br />
SYCOR GmbH<br />
Tannenhof Fachpflegeheime GmbH<br />
THIMM Group GmbH + Co. KG<br />
Tip Trailer Service GmbH<br />
UMG Gastronomie GmbH<br />
VersicherungsKontor Osterode e. Kfm.<br />
und dem stetigen Austausch innerhalb des<br />
Netzwerks profitieren. Dazu gehört insbesondere<br />
das systematische Bemühen um ein<br />
Personalmanagement, das nach außen für<br />
aktuelle wie künftige Mitarbeitende authentisch<br />
erlebbar und sichtbar wird. „Häufig<br />
sind bereits viele gute Elemente vorhanden,<br />
die mit kleinen Verfeinerungen zum Erfolgs<strong>faktor</strong><br />
werden können“, berichtet Spellerberg<br />
aus eigener Erfahrung. Daher engagieren<br />
sich die TOPAS-Veranstalter so intensiv<br />
für die Etablierung eines professionellen<br />
Employer Brandings in den südniedersächsischen<br />
Betrieben.<br />
BEIM EMPLOYER BRANDING geht es um<br />
zwei Zielbereiche: Beim internen Arbeitgebermarketing<br />
steht die Mitarbeiterbindung<br />
durch Maßnahmen zur Unterstützung und<br />
Förderung eigener Mitarbeiter im Fokus. Im<br />
Zuge des nach außen gerichteten Arbeitgebermarketings<br />
werden neue Mitarbeiter angesprochen,<br />
um sie vom eigenen Unternehmen<br />
zu begeistern und schließlich anzuwerben.<br />
Kernaufgabe ist es nun, individuell herauszufiltern,<br />
was das jeweilige Unternehmen<br />
tun muss, um sich als guter Arbeitgeber zukunftsorientiert<br />
aufzustellen und dementsprechend<br />
zu präsentieren. Die Beispiele hierfür<br />
umfassen ein breites Spektrum: vom<br />
familien freundlichen Betrieb mit unterschiedlichen<br />
Arbeitszeitmodellen (siehe hier zu<br />
auch den Beitrag ab Seite 116) über eine gerechte<br />
Lohn- und Gehaltsstruktur oder das<br />
Betriebliche Gesundheitsmanagement bis hin<br />
zu Aktionen wie Team-Events im Azubi-<br />
Onboarding oder Speeddating zur Arbeitsplatzauswahl.<br />
Viele anspruchsvolle Themen<br />
also, die es in der Wirtschaft zu meistern gilt.<br />
TOPAS begleitet motivierte Arbeitgeber effektiv<br />
auf diesem Weg und verbreitet Optimismus<br />
für ganz Südniedersachsen – ein<br />
echtes Erfolgskonzept. ƒ<br />
Kontakt<br />
Dr. Benjamin W. Schulze<br />
TOPAS-Projektmanagement<br />
SüdniedersachsenStiftung<br />
Maschmühlenweg 105, 37081 Göttingen<br />
topas@suedniedersachsenstiftung.de<br />
114 TOP-ARBEITGEBER <strong>2022</strong>/23
Unabhängig und frei<br />
Inhaber Rainer Giese<br />
IHR VERSICHERUNGSMAKLER IN DER REGION<br />
PARTNER FÜR MITTELSTAND UND INDUSTRIE<br />
Wir schützen IHRE Werte !<br />
Vertrauen. Verlässlichkeit. Loyalität. Unsere<br />
Werte sind unsere Mission – denn wir wollen<br />
wirklich den Unterschied machen.<br />
Fest in der Region Südniedersachsen verwurzelt,<br />
versichern wir nicht einfach nur Unternehmen,<br />
die national und weltweit agieren. Wir begleiten<br />
sie auf ihrem Weg.<br />
Als inhabergeführtes Familienunternehmen<br />
mit über 30 Jahren Erfahrung im Versicherungsgeschäft<br />
suchen wir zusammen mit unseren<br />
Kooperationspartnern – unter anderem mit<br />
Leue & Nill – jeden Tag nach den bestmöglichen<br />
Versicherungslösungen.<br />
Wir kreieren für mittelständische Betriebe und<br />
Industrieunternehmen innovative und individuelle<br />
Lösungen, indem wir die Risiken erkennen<br />
und gemeinsam bewerten.<br />
Wir kennen jeden unserer Kunden persönlich<br />
und sind schnell vor Ort.<br />
Und das ist unser Ziel: Uns IHR Vertrauen verdienen.<br />
Jeden Tag aufs Neue - mit Leidenschaft<br />
und Begeisterung.<br />
Ihr Rainer Giese<br />
Versicherungskontor Osterode<br />
Kornmarkt 2<br />
37520 Osterode am Harz<br />
Tel.: 05522 8687980<br />
Kooperation<br />
Partner der<br />
info@versicherungskontor-osterode.de<br />
www.versicherungskontor-osterode.de
„Die Leute sollen<br />
bleiben wollen!“<br />
Es lohnt sich, über bestehende Arbeitszeitmodelle nachzudenken.<br />
Wo liegen die Ansatzpunkte und die Erfolgschancen?<br />
Beispiele aus der Region zeigen, wie es gehen kann.<br />
TEXT STEFAN LIEBIG FOTO STOCK.ADOBE.COM<br />
116 TOP-ARBEITGEBER <strong>2022</strong>/23
FOTO: FABIAN BERG<br />
LESEZEIT: 5 MINUTEN<br />
Zufriedene Mitarbeiter gleich zufriedene<br />
Kunden – und beides<br />
zusammen bedeutet mehr Umsatz.<br />
Eine einfache Formel, die<br />
auch ein Teil der Antwort auf den<br />
omnipräsenten Fachkräftemangel sein kann.<br />
Doch da, wo Mitarbeiter fehlen, wird oft gerade<br />
der erste Teil der Formel vernachlässigt.<br />
Wer heute als Arbeitgeber bestens aus gebildete<br />
Mitarbeiter anlocken und halten will,<br />
muss weit mehr bieten als ein gutes Gehalt – er<br />
muss auf die Bedürfnisse der Mit arbeitenden<br />
eingehen: Der Trend gehthier zur Flexibilisierung<br />
und Individualisierung. Vor allem Aspekte<br />
wie flexible Arbeitszeiten spielen heute<br />
im Büro und – wo es möglich ist – im<br />
Homeoffice eine wesentliche Rolle, um Arbeit<br />
mit Familie oder Freizeitbeschäftigungen<br />
zu vereinbaren.<br />
Ausgehend von einer 40-Stunden-Woche<br />
gibt es inzwischen Modelle, nach denen an<br />
vier Tagen jeweils zehn Stunden gearbeitet<br />
werden kann und wenn möglich auch Unterbrechungen<br />
oder spätere Anfangszeiten<br />
möglich sind, um beispielsweise die Kinder<br />
zur Schule bringen zu können. Deutlich weiter<br />
geht der Ansatz, bei der Einführung der<br />
Vier- Tage-Woche die tägliche Arbeitszeit<br />
nicht zu verlängern. Statt also wöchentlich<br />
40 nur noch 32 Stunden zu arbeiten – womöglich<br />
sogar noch ohne Gehaltseinbußen!<br />
Welche Herausforderungen bringen solche<br />
Umstellungen mit sich? Ist das in der Praxis<br />
ohne Verluste umsetzbar? Können kleine<br />
und mittelständische Unternehmen das<br />
überhaupt stemmen?<br />
EIN BLICK IN DIE REGION ZEIGT: Es tut<br />
sich was. Wohl eine der radikalsten Formen<br />
der Umstellung wagte Rocco Funke. Im Jahr<br />
2021 wurde dieser mit 49 Jahren nochmal<br />
Vater und versprach seinem Sohn kurz nach<br />
der Geburt: „Ich werde dich ins Leben begleiten.<br />
Wenn du 25 Jahre alt bist, werde ich<br />
noch gesund sein.“ Als Inhaber des in Hundeshagen<br />
im thüringischen Eichsfeld angesiedelten<br />
Unternehmens ELBS ein mutiges<br />
Versprechen, das große Herausforderungen<br />
mit sich bringt. Denn mit fünf Mitarbeitern<br />
kümmert sich der Leckorter in Notfällen<br />
auch an Wochenenden um Schäden an<br />
Rohrleitungen. Ein oft stressiger und zeitintensiver<br />
Job. Doch Funke will natürlich zu<br />
seinem Versprechen stehen.<br />
Genau da kommt ihm zugute, dass er<br />
schon immer auf mitdenkende Mitarbeiter<br />
setzt. Als durch eine spontan eigeninitiativ<br />
gestraffte Arbeitswoche alle Aufträge bereits<br />
an einem Donnerstag abgearbeitet und<br />
die Kunden begeistert waren, gab Funke seinen<br />
Mitarbeitern am Freitag frei. „Das<br />
machte mich neugierig. Wir haben gemeinsam<br />
überlegt, wie wir noch effektiver werden<br />
können“, erzählt der Diplom-Ingenieur.<br />
Heraus kam eine inzwischen etablierte<br />
Vier-Tage-Woche, die nur Gewinner kennt:<br />
Die Mitarbeiter haben bei vollem Lohnausgleich<br />
ab Freitag Wochenende, es sei denn,<br />
es stehen Notfalleinsätze an. Die Kunden<br />
treffen auf stets freundliches, zufriedenes<br />
und hoch motiviertes Personal, und – Versprechen<br />
erfüllt – der kleine Finus kann ab<br />
Freitag mit einem sehr viel entspannteren<br />
„Wir haben Zeitfresser minimiert<br />
und mit externer Unterstützung die<br />
internen Abläufe optimiert.<br />
Und ob Sie es glauben oder nicht:<br />
Wir machen an vier Tagen jetzt<br />
doppelt so viel Umsatz wie<br />
vorher an fünf!“<br />
ROCCO FUNKE, ELBS<br />
TOP-ARBEITGEBER <strong>2022</strong>/23 117
„Menschen wollen keine unnötigen<br />
Nervereien oder Hierarchiekämpfe.<br />
Wir sorgen in unserer Organisation<br />
gemeinsam für ein gutes Umfeld – die<br />
Leute sollen bei uns bleiben wollen.“<br />
MARTIN RENKER, ARINEO<br />
„Wir setzen auch auf in Rente<br />
gehende Kollegen. Das ist wichtig,<br />
um die Erfahrung und das Know-how<br />
der Menschen weiter nutzen und<br />
geben zu können.“<br />
MIRIAM ENGEL,<br />
QUATTEK UND PARTNER<br />
118 TOP-ARBEITGEBER <strong>2022</strong>/23<br />
Papa spielen. „Wir haben Zeitfresser minimiert<br />
und mit externer Unterstützung die<br />
internen Abläufe optimiert. Und ob Sie es<br />
glauben oder nicht: Wir machen an vier Tagen<br />
jetzt doppelt so viel Umsatz wie vorher<br />
an fünf!“, sagt Funke hochzufrieden. Er sei<br />
sogar so begeistert, dass er seinen Mitarbeitern<br />
gern weitere Vorteile biete: Sie fangen<br />
morgens erst an, wenn die Kinder in der<br />
Schule sind und können sogar spontan frei<br />
nehmen, wenn etwas Wichtiges zu erledigen<br />
ist – ein solcher ,Emoji-Tag‘ zählt nicht als<br />
Urlaubstag. Seine Mitarbeiter seien „emotional<br />
gesund“, und das zeigt sich auch im<br />
ex trem niedrigen Krankenstand. Das erfolgreiche<br />
Gesamtpaket zog bereits neue Fachkräfte<br />
an, und inzwischen hält Rocco Funke<br />
sogar in anderen Unternehmen und bei Unternehmerverbänden<br />
Vorträge über ,seinen<br />
Weg‘. In Zukunft möchte er sein Wissen<br />
auch an Meister- oder Hochschulen, IHK<br />
und Innungen weitergeben.<br />
EIN ERFOLGREICHES BEISPIEL – das auch<br />
zum Motto ,Arbeitszeit ist Lebenszeit‘ von<br />
Martin Renker passt. Der Arineo-Geschäftsführer<br />
weiß, wie schwierig es ist, gute<br />
IT-Fachkräfte zu finden. Doch das fünfköpfige<br />
Geschäftsführungsteam setzt auf eine gute<br />
Work-Life-Balance. Klassische Führungskräfte<br />
gibt es nicht, es gilt das Prinzip Selbstorganisation.<br />
„Menschen wollen keine unnötigen<br />
Nervereien oder Hierarchiekämpfe.<br />
Wir sorgen in unserer Organisation gemeinsam<br />
für ein gutes Umfeld – die Leute sollen<br />
bei uns bleiben wollen“, sagt Renker und<br />
bringt damit die Aufgabenstellung bei der<br />
Personalgewinnung und -bindung auf den<br />
Punkt. Bei einer Fluktuationsrate von nur<br />
drei Prozent und 70 Neueinstellungen in<br />
den ersten zehn Monaten des aktuellen Jahres<br />
möchte man mehr über die Philosophie<br />
des inzwischen über 330 Mitarbeiter beschäftigenden<br />
IT-Dienstleisters wissen.<br />
Arineo ist laut Renker ein „eigenständiges<br />
Unternehmen in Verantwortungseigentum“,<br />
das über seine Gewinne frei verfügen kann<br />
und ab 2024 allen Mitarbeitern gehören<br />
wird. Jeder hat ein Arbeitszeitkonto, Überstunden<br />
werden ausgezahlt oder in Freizeit<br />
abgegolten. Feste Arbeitszeiten oder Arbeitsorte<br />
gibt es nicht. „Wichtig dabei ist<br />
nur: Wann wer wo arbeitet, muss im jeweiligen<br />
Team abgestimmt sein“, sagt Renker.<br />
Von Kollegen vermittelte Einstellungen werden<br />
zudem honoriert. Die Prämien dafür<br />
wandern in einen Topf, über dessen Verwendung<br />
alle abstimmen. Die Summe wurde<br />
etwa 2021 für die Opfer der Flutkatastrophe<br />
gespendet, aber auch zusätzliche Betriebsfeiern<br />
oder -ausflüge sind möglich.<br />
Das alles führt dazu, dass die Mitarbeiter<br />
auch eigene Bekannte zu Arineo „locken“,<br />
in sozialen Netzwerken für ihren Arbeitgeber<br />
werben oder gar „beim Friseur über uns<br />
sprechen“, berichtet Renker begeistert. „Genau<br />
so gelangte kürzlich eine Bewerbung zu<br />
uns.“ Bei all dem Optimismus vergisst er<br />
aber die zunehmenden Schwierigkeiten auf<br />
dem Fachkräftemarkt nicht: Er weiß, mit<br />
dem Ausscheiden der Baby-Boomer-Generation<br />
wird die Nachfrage nach IT-Experten<br />
weiter steigen.<br />
AUF WORK-LIFE-BALANCE setzt man auch<br />
bei Quattek und Partner. Die 97 Mitarbeiter<br />
der Steuerberatungsgesellschaft profitieren<br />
von regelmäßigen Gesundheitsangeboten wie<br />
Massage oder Yoga sowie von flexiblen und<br />
familienfreundlichen Arbeitszeiten. „Gerade
MÖGLICHE ARBEITSZEITMODELLE<br />
Teilzeit<br />
Längst nicht mehr das Modell nur für Mütter! Entsprechend einer<br />
am Personalbedarfsplan orientierten individuellen Regelung<br />
arbeitet der Mitarbeiter eine festgelegte Wochenstundenzahl, die<br />
in vielen Branchen auch an saisonale Schwankungen angepasst<br />
werden und mit einem Stundenkonto verbunden werden kann.<br />
Letzteres spielt bei uns eine wichtige Rolle, da<br />
wir viele junge Frauen mit Familie beschäftigen“,<br />
sagt Steuerberaterin Miriam Engel und<br />
betont die Bedeutsamkeit dieses Aspekts. So<br />
profitieren diese zum Beispiel auch von der<br />
gemeinsam mit dem ASC Göttingen installierten<br />
Kinderferienbetreuung. Im eigenen<br />
monatlichen TÜV (= team übergreifende<br />
Veranstaltung) wird das Gemeinschaftsgefühl<br />
zudem bei Kaffeeseminaren oder gemeinsamem<br />
Grillen gestärkt. Seit Corona ist<br />
laut Engel auch das Homeoffice ein wichtiger<br />
Punkt: „Wir setzen das sehr individuell<br />
anhand der Bedürfnisse der Einzelnen um.“<br />
Natürlich ist aber auch Quattek und Partner<br />
stets auf der Suche nach neuen, versierten<br />
Steuerfachleuten. Quereinsteiger haben<br />
hier gute Chancen. „Wir setzen auch auf in<br />
Rente gehende Kollegen“, sagt Miriam Engel.<br />
„Sie können bei uns quasi ,nebenbei‘<br />
ihre Lieblingsmandanten weiterbetreuen.<br />
„Das ist wichtig, um die Erfahrung und das<br />
Know-how der Menschen weiter nutzen<br />
und geben zu können.“<br />
ALL DIESE NEUEN ARBEITSKONZEPTE<br />
können individuell auf Unternehmen zugeschnitten<br />
werden und so in der Praxis<br />
funktionieren. Mitarbeiter sollten dafür<br />
teamfähige, verantwortungsbewusste und<br />
strukturierte Personen sein. Dem Arbeitgeber<br />
sollte klar sein: Zufriedene Mitarbeiter<br />
sind die besten. Geld ist dabei längst<br />
nicht mehr alles, immer mehr kommt es auf<br />
die Verbindung von Beruf und Freizeit an.<br />
Da heißt es auf beiden Seiten: flexibel sein.<br />
Das können – wie die regionalen Beispiele<br />
zeigen – kleine und mittelständische Unternehmen<br />
(mindestens) genau so gut wie die<br />
großen. ƒ<br />
Job Sharing<br />
Zwei Fachkräfte teilen sich einen Arbeitsplatz – das kann eine<br />
Win-win-Situation sein: Im Idealfall bekommt der Arbeitgeber so<br />
mehr Ideen und doppelte Motivation und Erfahrung, muss aber<br />
nicht mehr Gehalt zahlen. Eine effiziente Lösung, wenn sich auf<br />
die Vollzeitstelle nur geeignete Kandidaten in Teilzeit bewerben.<br />
Arbeiten nach Renteneintritt<br />
Viele Senioren wollen (oder müssen aus finanziellen Gründen)<br />
auch nach Erreichen des Renteneintrittsalters arbeiten. Ihre<br />
Erfahrungen können sie beispielsweise an Auszubildende weitergeben,<br />
und die oft über Jahrzehnte aufgebauten Netzwerke<br />
werden weiter genutzt.<br />
Homeoffice<br />
Das wohl bekannteste Modell hat gerade in Pandemiezeiten<br />
deutlich an Bedeutung gewonnen. Häufig werden Kernzeiten<br />
vereinbart, um auch im heimischen Büro erreichbar zu sein.<br />
Das Homeoffice ist ideal, um Familie und Beruf zu vereinen,<br />
birgt aber auch die Gefahr, Job und Privates nicht mehr<br />
trennen zu können.<br />
Sabbatical<br />
Wer hätte nicht gerne mal länger als drei Wochen<br />
frei? Mehrere Monate bis zu einem Jahr Auszeit, um<br />
anschließend erholt und motiviert und vielleicht<br />
sogar weitergebildet zurückzukehren – das geht mit<br />
dem Sabbatjahr. Arbeitnehmer und Arbeitgeber<br />
können zur Umsetzung ein individuelles<br />
Modell aushandeln. Dies<br />
kann über ein Überstundenkonto,<br />
Gehaltsverzicht und/oder das<br />
Ansparen von Urlaub funktionieren.<br />
TOP-ARBEITGEBER <strong>2022</strong>/23 119
Wir suchen neue Kolleginnen und Kollegen, die mit uns die<br />
Zukunft prägen, Technologien erforschen und die Branche<br />
revolutionieren wollen – wir sind schon lange mehr als ein reines<br />
Bauunternehmen. Daher sind wir auf der Suche nach Personen,<br />
die in unterschiedlichen Fachbereichen ihre Fähigkeiten, Talente<br />
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unserer Talente – Zukunftsfähigkeit inklusive.<br />
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PROFIL<br />
TOPARBEITGEBER<br />
Ihr seid unsere Zukunft<br />
Zwischen Medien, Tech und Innovation – das Göttinger Unternehmen Hogrefe ist<br />
TOP-Arbeitgeber für Fachkräfte und Azubis.<br />
Hogrefe ist international, familiär und<br />
ständig in Bewegung. Ausgehend von<br />
der Vision, Wissen nutzbar zu machen<br />
und zu verbreiten, veröffentlicht das Unternehmen<br />
Bücher, Zeitschriften und psychologische<br />
Testverfahren, bietet Qualifizierun gen zu den<br />
Produkten und spezialisierte Softwarelösungen<br />
an. Die Mitarbeitenden des Unternehmens<br />
stehen dabei stets im Fokus – Hogrefe pflegt<br />
ein Arbeitsklima, das von einem engen persönlichen<br />
Austausch, Internationalität, Diversität,<br />
kultureller Vielfalt und praktischem Denken<br />
geprägt ist. „Unsere Mitarbeitenden sind sehr<br />
kreativ und erfinden sich immer wieder neu.<br />
Genau das brauchen wir bei Hogrefe“, sagt<br />
Personalleiterin Mariele Walter.<br />
ALS ATTRAKTIVER ARBEITGEBER in der<br />
Region Südniedersachsen und darüber hinaus<br />
ist Hogrefe sehr aktiv, um Talente für<br />
eine Karriere bei Hogrefe zu begeistern. Dazu<br />
gehört auch eine starke Ausbildungsstrategie.<br />
Zukunftssicherung durch Ausbildung ist<br />
eines der Erfolgskonzepte bei Hogrefe. Im<br />
Unternehmen lernen und arbeiten aktuell 16<br />
122 TOP-ARBEITGEBER <strong>2022</strong>/23<br />
Azubis in den Bereichen E-Commerce, Tech,<br />
Lager und in kaufmännischen Berufen. Auf<br />
der diesjährigen Frankfurter Buchmesse wurde<br />
Hogrefe als eines der ersten Unternehmen<br />
das neu geschaffene Gütesiegel des Börsenvereins<br />
„Ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb“<br />
verliehen. Auszubildende Antonia hat Hogrefe<br />
gemeinsam mit dem Azubiteam für diese<br />
Auszeichnung nominiert. „Hogrefe gibt mir<br />
die Freiräume, Dinge auszuprobieren und an<br />
Themen zu arbeiten, für die mein Herz schlägt<br />
– und das auch schon während der Ausbildung“,<br />
sagt Antonia.<br />
Die meisten Azubis bleiben nach Ende ihrer<br />
Ausbildung bei Hogrefe und finden ihren Platz<br />
im Unternehmen, zum Beispiel als Content<br />
Manager, Software Developer, Projektmanager<br />
oder Software-Tester. Sie arbeiten in interdisziplinären<br />
Teams mit erfahrenen Kolleg*innen<br />
zusammen, entwickeln sich fachlich und persönlich<br />
weiter und gehen ihren individuellen<br />
Karriereweg. „Ideenreiche Köpfe, ganz gleich<br />
auf welcher Karriereebene, sind bei Hogrefe<br />
genau richtig“, ist sich Personalleiterin Mariele<br />
Walter sicher.<br />
FACHKRÄFTE MIT MUTIGEN IDEEN und<br />
immer neuen Ansätzen für das Unternehmen<br />
zu begeistern, ist für Hogrefe das Rezept erfolgreichen<br />
Recruitings. Digitales Marketing<br />
geht dabei Hand in Hand mit dem persönlichen<br />
Kontakt zur Zielgruppe. Verschiedene<br />
Messen und Events, unter anderem der GöBit,<br />
sind für das Jahr 2023 bereits in Planung.<br />
„Wir möchten anderen zeigen, dass man als<br />
Azubi bei Hogrefe sehr gut aufgehoben ist<br />
und von allen Seiten unterstützt wird“, erzählt<br />
Aus zubildende Antonia, die an der Projektplanung<br />
beteiligt ist.<br />
KONTAKT<br />
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG<br />
Merkelstraße 3<br />
37085 Göttingen<br />
Tel. 0551 999-500<br />
recruiting@hogrefe.de<br />
hgf.io/karriere
PROFIL<br />
Wer Teil dieses glücklichen Teams werden möchte, kann sich über den QR-Code bewerben.<br />
Ausgezeichnet!<br />
Die hervorragenden Arbeitsbedingungen in der Steuerkanzlei HSP STEUER Göttingen<br />
schlagen sich in zahlreichen Würdigungen nieder.<br />
Gute Arbeit durch ein glückliches<br />
Team: Dieser Grundsatz gilt bei<br />
HSP STEUER Göttingen. Die Steuerkanzlei<br />
verfolgt konsequent den Ansatz, dass<br />
Höchstleistungen für ihre Mandanten nicht<br />
nur von hochqualifizierten, sondern auch<br />
von höchst motivierten Mitarbeitenden erbracht<br />
werden. Deshalb wird die Vereinbarkeit<br />
von Beruf, Freizeit und Familie großgeschrieben.<br />
NEBEN ANGEMESSENER VERGÜTUNG,<br />
intensiver Karriereförderung, laufender fachlicher<br />
Fortbildung und einem sehr hohen Digitalisierungsgrad<br />
werden bei HSP STEUER<br />
Göttingen zudem gegenseitige Wertschätzung<br />
gelebt und die Work-Life-Balance gefördert.<br />
So können die Mitarbeitenden sich die Arbeitszeit<br />
flexibel gestalten, durch Homeoffice<br />
und Remote Working den Arbeitsort frei wählen<br />
und von zahlreichen Zuwendungen profitieren<br />
– bis hin zu einem E-Bike, soweit sie<br />
es wünschen. Kein Wunder, dass die Kanzlei<br />
sich augenzwinkernd als ,Steuerparadies‘ bezeichnet.<br />
Dass diese Ausrichtung erfolgreich ist, lässt<br />
sich an zahlreichen Auszeichnungen ablesen.<br />
So kann sich HSP STEUER Göttingen als<br />
,Most Wanted Employer‘ der Zeit Verlagsgruppe<br />
und als ,Top Arbeitgeber – die familienfreundlichsten<br />
Unternehmen Deutschlands‘<br />
der Zeitschrift freundin bezeichnen. Beide<br />
Siegel beruhen auf Bewertungen der Arbeitgeberbewertungsplattform<br />
kununu, wo die<br />
Kanzlei Bestwerte erzielt. Dabei werden Faktoren<br />
wie flexible Arbeitszeiten, Kinderbetreuung,<br />
betriebliche Altersvorsorge, Vorgesetztenverhalten,<br />
Gleichberechtigung oder Gehalt<br />
beleuchtet.<br />
NEBEN DER AUSZEICHNUNG als ,Exzellenter<br />
Arbeitgeber‘ durch den Steuerberaterverband<br />
Niedersachsen Sachsen-Anhalt ist<br />
HSP STEUER Göttingen seit November <strong>2022</strong><br />
auch Great Place to Work-Certified. Das Zertifizierungsprogramm<br />
des internationalen Forschungs-<br />
und Beratungsinstituts Great Place to<br />
Work ® steht für ein besonderes Engagement<br />
bei der Gestaltung der Arbeitsplatzkultur und<br />
wird nach einem gesicherten Verfahren vergeben.<br />
Bestandteile sind ein unabhängiges, anonymes<br />
Feedback der Mitarbeitenden und die<br />
Analyse von Maßnahmen und Programmen<br />
der Personalarbeit.<br />
HSP STEUER GÖTTINGEN freut sich einerseits<br />
über die Anerkennung, sieht die Auszeichnungen<br />
aber auch als Ansporn, den Weg<br />
der stetigen Verbesserung weiterzuführen.<br />
KONTAKT<br />
HSP STEUER Göttingen GmbH<br />
Steuerberatungsgesellschaft<br />
Andrea Hungerland<br />
Stresemannstraße 28C<br />
37079 Göttingen<br />
Tel. 0551 8208070<br />
a.hungerland@hsp-steuer.de<br />
www.hsp-steuer.de/goettingen<br />
TOP-ARBEITGEBER <strong>2022</strong>/23 123
PROFIL<br />
TOPARBEITGEBER<br />
BELIEBTER ARBEITGEBER<br />
DER REGION<br />
Werksgelände Osterode am Harz<br />
Dr. Detlev Seidel Geschäftsführer Operations<br />
Damit der Strom im entscheidenden<br />
Moment nicht ausfällt<br />
Strom ist in unserer Gesellschaft einfach unerlässlich. Die Anlagen von Piller verhindern Stromausfälle und<br />
sorgen für eine gleichmäßige Versorgung.<br />
124 TOP-ARBEITGEBER <strong>2022</strong>/23<br />
Die Piller Group hat sich als Weltmarktführer<br />
auf dem Gebiet der unterbrechungsfreien<br />
Stromversorgung etabliert.<br />
Hinter dem Erfolg des Global Players<br />
steht eine gelungene Kombination aus Tradition<br />
und Wandlungsfähigkeit.<br />
Der Grundsatz des Firmengründers Anton<br />
Piller, „… durch Verwendung nur besten Materials,<br />
geschulter Arbeitskräfte und erstklassiger<br />
Fabrikationseinrichtungen Erzeugnisse in<br />
höchster Vollendung herzustellen“ hat jeden<br />
Wandel überdauert und spiegelt sich in der<br />
hohen Qualität der USV-Systeme (USV=Unterbrechungsfreie<br />
Stromversorgungssysteme)<br />
wider, die seit über 100 Jahren am Stammsitz<br />
in Osterode am Harz gebaut werden.<br />
Gewandelt und erweitert wurde im Laufe<br />
der Jahrzehnte das Produktportfolio. Vor dem<br />
Hintergrund der steigenden Digitalisierung<br />
gewinnt eine zuverlässige Energieversorgung<br />
immer mehr an Bedeutung. Die USV-Systeme<br />
von Piller sind das Herzstück vieler systemrelevanten<br />
und kritischen Infrastrukturen wie<br />
Rechenzentren, Chipfabriken, Krankenhäuser,<br />
Versorgungsunternehmen oder Flughäfen<br />
und sichern die Stromversorgung auch an extrem<br />
rauen Einsatzorten ab. Auch im Hinblick<br />
auf die Energiewende haben die Piller-Ingenieure<br />
Systeme weiterentwickelt, die die Integration<br />
regenerativer Energieerzeugungsanlagen in<br />
stabile Netze unterstützen.<br />
FRAUEN-POWER wird bei Piller großgeschrieben.<br />
Der Anteil der beschäftigten Frauen im<br />
Unternehmen ist in den vergangenen Jahren<br />
erfreulich gestiegen, sowohl in der Führungsetage<br />
als auch in den technischen Berufen.<br />
Piller engagiert sich beim Niedersachsen-Technikum.<br />
Als Vorbereitung auf technische sowie<br />
naturwissenschaftliche Studiengänge und<br />
Berufe bietet das Technikum eine Kombination<br />
aus beruflicher Praxisorientierung und<br />
Schnupperstudium – ein Konzept zur Gewinnung<br />
weiblichen MINT-Nachwuchses.<br />
Auch wenn Piller in über 50 Ländern tätig<br />
ist und auf fast allen Kontinenten eigene<br />
Tochtergesellschaften unterhält, ist das Unternehmen<br />
regional verwurzelt und der Tradition<br />
verbunden. „Unser Bestreben ist es, auch in<br />
Zukunft attraktive Arbeitsplätze in der Region<br />
anzubieten und gemeinsam auf Erfolgskurs<br />
zu bleiben“, sagt Dr. Detlev Seidel, Geschäftsführer<br />
Operations der Piller Group. Piller beschäftigt<br />
über 600 Mitarbeiter am Standort<br />
Osterode, annähernd 1.000 sind es weltweit.<br />
Über 50 technische und kaufmännische Auszubildende<br />
werden durch qualifizierte Ausbildungsleiter<br />
betreut. Als TOPAS-Arbeitgeber<br />
zeichnet sich das Unternehmen durch ein hohes<br />
Engagement gegenüber seinen Mitarbeitern<br />
aus. Im Unternehmen gilt der Tarifvertrag<br />
der Metallindustrie mit einer 35-Stunden-Woche,<br />
30 Tagen Urlaub und Gleitzeit.<br />
KONTAKT<br />
Piller Group GmbH<br />
Abgunst 24<br />
37520 Osterode<br />
Tel. 05522 311-0<br />
info@piller.com<br />
www.piller.com
PROFIL<br />
Wir geben IT ein Gesicht. Geschäftsführer Guido Lindlar und Thomas Ahlers sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sycor Gruppe.<br />
Top Arbeitgeber in der Region<br />
Sycor. Wandel und Konstanz im Einklang.<br />
Der Göttinger IT-Dienstleister Sycor<br />
geht mit gleich zwei brandaktuellen<br />
Auszeichnungen in das Jahr seines<br />
25-jährigen Bestehens. „Zum zweiten Mal in<br />
Folge stehen wir im brand-eins-Ranking der<br />
,Besten IT-Dienstleister 2023‘ weit vorne“, berichtet<br />
Guido Lindlar, Geschäftsführer der<br />
SYCOR GmbH, stolz. Und Petra Gerweck,<br />
HR-Leiterin der Sycor, ergänzt: „Auch das<br />
Siegel als ,Focus Top Arbeitgeber im Mittelstand‘<br />
dürfen wir 2023 wieder tragen.“<br />
WAS MACHT EINEN ,TOP ARBEITGEBER‘<br />
eigentlich aus? „Mittlerweile haben sich Standards<br />
entwickelt, die jeder Mitarbeiter und jede<br />
Mitarbeiterin erwartet, wie zum Beispiel 30<br />
Urlaubstage oder kostenfreie Getränke in der<br />
Firma“, so Petra Gerweck. „Damit überzeugt<br />
man keine Fach- und Führungskräfte, zu uns<br />
zu wechseln. Sycor ist seit 25 Jahren am Markt.<br />
Da haben sich Konstanten entwickelt. Was aber<br />
wichtig ist, ist die Fähigkeit, sich immer wieder<br />
zu hinterfragen. Maßnahmen abzuleiten.“<br />
So hat Sycor sich in den vergangenen beiden<br />
Jahren neu ausgerichtet, um geschäftlichen Erfolg,<br />
Innovationskraft sowie die Kunden- und<br />
Mitarbeiterzufriedenheit auch in Zukunft zuverlässig<br />
zu realisieren. „Gleichzeitig wurde in<br />
einem Kulturkompass die Vision und Mission<br />
der Sycor angepasst, und wir arbeiten gerade<br />
an neuen Leitlinien für die Zusammenarbeit<br />
und Führung. In diesen Prozess sind alle Mitarbeiter*innen<br />
und Führungskräfte eingebunden“,<br />
erläutert Petra Gerweck.<br />
Außerdem gilt es, die vielen neuen Mitarbeiter*innen,<br />
die in diesem Jahr bereits eingestellt<br />
wurden, mit auf den eingeschlagenen<br />
Weg zu nehmen. Dafür wurde das OnBoarding<br />
neu konzipiert.<br />
BEIM RECRUITING HAT SYCOR zugleich<br />
neue Wege beschritten und sich dem „Fresh<br />
Faces Programm“ der SAP angeschlossen.<br />
„Wir haben in dem von der SAP aktiv unterstützten<br />
Programm fünf junge Mitarbeiter*innen<br />
für die SAP-Beratung gewinnen können“,<br />
so SAP Solution Architect Michael Tilgner, der<br />
das Programm bei Sycor betreut. „Ich bin froh,<br />
mich für Sycor entschieden zu haben, das Betriebsklima<br />
ist mehr als positiv. Wir haben in<br />
den ersten Monaten durch Schulungen, Fallstudien<br />
und Kundenbesuche bereits einen tiefen<br />
Einblick in die SAP-Welt erhalten“, berichtet<br />
Nataliia Moravac, die als „Fresh Face“ im<br />
Juni zu Sycor kam. „So konnte ich das Erlernte<br />
direkt in Kundenprojekten anwenden.“<br />
„Das Programm ist ein voller Erfolg und wird<br />
2023 wiederholt“, resümiert Petra Gerweck.<br />
„Es ist schwer, die benötigte Anzahl an Fachkräften<br />
einzustellen. Wir haben derzeit viele<br />
offene Stellen in unterschiedlichen Bereichen<br />
– und so stellen wir junge Absolventen ein und<br />
bilden sie selbst aus.“<br />
Neben all den Maßnahmen, Entwicklungen<br />
und Gütesiegeln ist sich das Sycor-Management<br />
einig, dass zufriedene Mitarbeiter*innen<br />
und Kund*innen die wichtigsten Trophäen<br />
des Unternehmens bleiben.<br />
KONTAKT<br />
SYCOR GmbH<br />
Heinrich-von-Stephan-Str. 1-5<br />
37073 Göttingen<br />
Tel. 0551 490-0<br />
bewerbungen@sycor.de<br />
www.sycor.de/karriere<br />
TOP-ARBEITGEBER <strong>2022</strong>/23 125
Entdecke,<br />
was abseits der<br />
eingetretenen<br />
Pfade liegt.<br />
Wir sind Taktgeber in der Ökotechnik und<br />
bieten einmalige Entwicklungschancen.<br />
Unsere Unternehmenskultur ist geprägt von Eigeninitiative,<br />
Veränderungsbereitschaft, Vertrauen und<br />
gemeinschaftlichem Miteinander.<br />
Wir unterstützen deine fachliche und persönliche<br />
Weiterentwicklung individuell. Denn wir wissen,<br />
dass dein Beitrag und deine Ideen maßgeblich zu<br />
unserem Erfolg beitragen können. Flexible Arbeitsbedingungen<br />
wie Gleitzeit, Home-Office-Lösungen<br />
oder Förderangebote helfen dir, Beruf und Privates<br />
miteinander in Einklang zu bringen.<br />
STELL DIE WEICHEN AUF ZUKUNFT.<br />
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Von Natur aus smart.
PROFIL<br />
Das Job- und Ausbildungsportal für die Region<br />
Seit 2018 hat sich karriere-suedniedersachsen.de zur Job- und Ausbildungsbörse Nummer 1<br />
der Region entwickelt und jüngst eine neue Marke geknackt: das 600. gelistete Unternehmen.<br />
Die Suche nach einem neuen Job oder<br />
Ausbildungsplatz ist fast immer regional.<br />
Schließlich wollen die meisten<br />
Menschen gerne dort arbeiten, wo sie ,zu<br />
Hause‘ sind. Genau dabei helfen wir: Karriere<br />
Südniedersachsen vereinfacht die Suche nach<br />
einem Job bzw. Ausbildungsplatz genauso<br />
wie das Recruiting auf Unternehmensseite“,<br />
erklärt Adrian Kropiewnicki, Gründer und Betreiber<br />
der Plattform. Das Erfolgsrezept im<br />
Vergleich zu den anderen zahlreichen überregionalen<br />
Jobplattformen auf dem Markt? „Wir<br />
verkaufen keine einzelnen Stellenanzeigen.<br />
Unternehmen haben bei uns die Möglichkeit,<br />
im Rahmen eines überschaubaren Jahresbeitrags<br />
alle offenen Vakanzen zu platzieren und<br />
sich im Rahmen eines Arbeitgeberprofils zu<br />
präsentieren. Das führt dazu, dass wir ein<br />
großes, vielfältiges und einmaliges Angebot<br />
an Stellenangeboten konzentriert auf eine<br />
Region abbilden können.“ In Zahlen bedeutet<br />
dies: 5.900 Stellenangebote und 1.100 Ausbildungsplätze<br />
von 600 Unternehmen sind auf<br />
Karriere Südniedersachsen veröffentlicht.<br />
Das kommt auch auf Seite der Jobsuchenden<br />
und Bewerber an: Über 50.000 User verzeichnet<br />
Karriere Südniedersachsen monat lich<br />
und generiert daraus Tausende Bewerbungen.<br />
„Dafür sorgen zum großen Teil unsere gezielten<br />
Kampagnen über Google AdWords und auf<br />
den sozialen Medien“, erklärt Kropiewnicki.<br />
Gleichzeitig wird Karriere Südniedersachsen<br />
immer mehr zu einer etablierten Marke, wenn<br />
es um das Thema Job und Karriere in der<br />
Region geht.<br />
IM MÄRZ 2023 FEIERT DIE PLATTFORM<br />
ihr fünfjähriges Bestehen. „Gerade in der<br />
Anfangszeit lag die Schwierigkeit darin, die<br />
regionalen Unternehmen von der damals<br />
noch neuen Plattform und dem Konzept zu<br />
überzeugen. Mit Rückendeckung der Wirtschaftsförderungsgesellschaften<br />
für die Stadt<br />
und den Landkreis Göttingen sowie weiterer<br />
Akteure wie der SüdniedersachsenStiftung<br />
konnten wir dann aber schnell die ersten<br />
Unter nehmen gewinnen.“ Fast fünf Jahre später<br />
liegt der Fokus des fünfköpfigen Teams<br />
darauf, das Wachstum weiter beizubehalten<br />
und verstärkt in das Bewerbermarketing zu<br />
investieren. „Gleichzeitig entwickeln wir die<br />
Plattform auch technisch stets weiter“, erklärt<br />
Kropiewnicki. „Aktuell integrieren wir ein Tool<br />
für ein noch stärkeres Azubimarketing.“<br />
KONTAKT<br />
Regionale Karriereportale UG<br />
Adrian Kropiewnicki<br />
Tel. 0551 2887838-0<br />
Maschmühlenweg 81<br />
37081 Göttingen<br />
info@karriere-suedniedersachsen.de<br />
www.karriere-suedniedersachsen.de<br />
TOP-ARBEITGEBER <strong>2022</strong>/23 127
Profitieren Sie von den Vorteilen<br />
eines öffentlichen Arbeitgebers!<br />
Als Kreisverwaltung bieten wir Ihnen viele interessante<br />
Berufsfelder.<br />
Mit 1.900 Kolleg*innen erfüllen Sie vielfältige,<br />
sinnstiftende und zukunftsorientierte Aufgaben.<br />
Bei uns haben Sie die Möglichkeit, ganz konkret<br />
und aktiv zum Gemeinwohl beizutragen.<br />
Unsere Leitlinien für Führung und Zusammenarbeit<br />
sorgen für ein super Arbeitsklima.<br />
Vielfältige Fort- und Weiterbildungen unterstützen<br />
Sie beim lebenslangen Lernen.<br />
Sie kommen voran dank guter Aufstiegs- und<br />
Karrieremöglichkeiten.<br />
Flexible Arbeitszeiten, Teilzeitmodelle und unsere<br />
betriebsnahe Kinderkrippe helfen Ihnen, Beruf,<br />
Familie und Privatleben gut zu vereinbaren.<br />
Körper und Geist kommt unser aktives betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement zugute.<br />
Wir machen Sie mobil mit einem VSN-Jobticket.<br />
Lassen Sie uns gemeinsam etwas bewegen –<br />
für den Landkreis, für die Menschen, für Sie.<br />
Top-Mitarbeiter*innen<br />
benötigen auch Top-<br />
Arbeitsbedingungen.<br />
Deswegen arbeiten wir<br />
kontinuierlich an zielgerichteten<br />
Maßnahmen und<br />
Verbesserungsprozessen.<br />
Das bestätigt unsere Zertifizierung<br />
als TOP-Arbeitgeber.<br />
Überzeugen Sie sich selbst!<br />
Wir freuen uns auf Sie !<br />
Auf Ihre Bewerbung oder Fragen freut sich<br />
Frau Martina Creydt<br />
Tel. 0551 525 2906<br />
bewerbungen@landkreisgoettingen.de<br />
Aktuelle Stellenangebote<br />
finden Sie unter:<br />
landkreisgoettingen.de<br />
www.DomesticCare.<br />
www.DomesticCare.de<br />
Domestic Care<br />
Haushaltsservice<br />
Inhaberin:<br />
Dagmar Crzan<br />
Hauswirtschaftsmeisterin<br />
Wir stehen für<br />
qualitativ hochwertige<br />
Dienstleistungen im Bereich<br />
Hauswirtschaft.<br />
• Familien und Singles verhelfen<br />
wir zu mehr Freiraum<br />
• Betreuung und Entlastung<br />
Hören – Helfen – Handeln<br />
• Leistungen Entlastungsleistungen,<br />
Verhinderungspflege und<br />
anteilige Pflegesachleistungen<br />
können direkt mit der<br />
Pflegekasse abgerechnet werden<br />
Domestic Care<br />
Haushaltsservice<br />
Göttinger Str. 70, 37181 Hardegsen<br />
Telefon 05503 804870<br />
Mobil 0160 3515012
impressum<br />
Herausgeber<br />
<strong>faktor</strong> – das Entscheider- Magazin für die Region Göttingen<br />
Entscheider Medien GmbH<br />
Berliner Straße 10<br />
37073 Göttingen<br />
Tel. 0551 3098390<br />
Fax 0551 30983911<br />
info@<strong>faktor</strong>-magazin.de<br />
www.mehralseinmagazin.de<br />
Herausgeber<br />
Marco Böhme (V.i.S.d.P.)<br />
(boehme@<strong>faktor</strong>-magazin.de)<br />
Chefredaktion<br />
Elena Schrader<br />
(schrader@<strong>faktor</strong>-magazin.de)<br />
Autoren<br />
Anja Danisewitsch, Rupert Fabig, Sven Grünewald,<br />
Kim Henneking, Tobias Kintzel, Stefan Liebig,<br />
Charlotte Vogel, Christian Vogelbein, Stefanie Waske<br />
Art-Direktion & Layout<br />
Julia Braun<br />
Fotografie<br />
Alciro Theodoro da Silva<br />
Lektorat<br />
CoLibris - Lektoratsbüro Dr. Barbara Welzel &<br />
Lektorat Christina Berghold<br />
Anzeigen<br />
Nicole Benseler, Alexander Schneider (Leitung Digitalvertrieb)<br />
Geschäftsführender Gesellschafter<br />
Marco Böhme<br />
Auflage<br />
11.000<br />
Druckerei<br />
Silber Druck oHG, Kassel<br />
Redaktions- und Anzeigenschluss der nächsten Ausgabe<br />
ist der 15. Februar 2023.<br />
Wenn Sie den <strong>faktor</strong> zukünftig nicht mehr kostenfrei erhalten<br />
möchten, nehmen wir Sie aus dem Verteiler, und Sie bekommen<br />
keine Exemplare mehr. Schicken Sie uns dazu bitte eine Mail an:<br />
info@<strong>faktor</strong>-magazin.de<br />
Redaktionsbeirat<br />
Dr. Friedemann Baum, Ulrich G. Büchner, Ines Dietze,<br />
Prof. Dr. Uwe Fischer, Rainer Giese, Fritz Güntzler,<br />
Dr. Klaus Heinemann, Jürgen Hollstein, Jürgen Jenauer,<br />
Carsten Lohrengel, Lars Obermann, Thomas Richter,<br />
Mark C. Schneider, Prof. Dr. Matthias Schumann, Claudia Trepte,<br />
Prof. Dr. Winfried Weber, Dr. Marko Weinrich, Hasso Werk<br />
Wir übernehmen für unverlangt eingesendete Texte, Fotos etc. keine Haftung.<br />
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht die Meinung des Herausgebers<br />
wieder. Von <strong>faktor</strong> gestaltete Anzeigen sind urheberrechtlich geschützt.<br />
Eine anderweitige Verwendung ist nur mit schriftlicher Genehmigung des<br />
Herausgebers möglich. Ein Nachdruck der im <strong>faktor</strong> veröffentlichten<br />
Beiträge ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers möglich.<br />
Bei allen Gewinnspielen ist der Rechtsweg ausgeschlossen.<br />
Redaktioneller Hinweis<br />
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir auf unserer Plattform<br />
die männliche Form (generisches Maskulinum), z.B. ,der Journalist‘.<br />
Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleich behandlung.<br />
Die verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe und ist wertfrei.<br />
<strong>faktor</strong>-Partner<br />
Audi Zentrum<br />
Göttingen<br />
dr. Bodenburg<br />
Zilian<br />
Werk<br />
Rechtsanwalts- und Notarkanzlei in Göttingen<br />
Netzwerkpartner<br />
InnovationsCluster<br />
it GÖTTINGEN<br />
4 |<strong>2022</strong> 129
130 4 |<strong>2022</strong>
Danke<br />
Passion to empower people<br />
Göttingen, unseren Partnern,<br />
Kunden und Kolleg:innen für die<br />
vertrauensvolle und engagierte<br />
Zusammenarbeit.<br />
Ein frohes Weihnachtsfest und<br />
einen guten Rutsch ins neue Jahr!<br />
Arineo ist ein ausgezeichneter IT-Dienstleister mit Hauptsitz im Herzen<br />
Göttingens und Top Job-Arbeitgeber <strong>2022</strong>. Mehr Informationen finden Sie hier:<br />
www.arineo.com
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Lizenzpartner von<br />
MARCO VOGLER<br />
Persönliche Beratung<br />
T +49 3606 50233-26<br />
m.vogler@lichtblick-objekt.de