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Contura DE Herbst/Winter 2022

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<strong>Herbst</strong> / <strong>Winter</strong><br />

<strong>2022</strong> / 23<br />

<strong>Contura</strong><br />

Das Magazin der Rhätischen Bahn


Bitte<br />

einsteigen<br />

Allegra, liebe Fans der Rhätischen Bahn<br />

Was für ein Jahr, dieses <strong>2022</strong>! Wir haben es geschafft:<br />

Der längste Reisezug der Welt hat im<br />

Rahmen des Weltrekordversuchs die Herzen der<br />

Welt erobert. Dieser ellenlange rote Tatzelwurm<br />

der Rhätischen Bahn – 1906 Meter lang, zusammengesetzt<br />

aus 25 mal 4 Wagen unserer neusten<br />

Triebzüge namens «Capricorn» – steht sinnbildlich<br />

für die Ausstrahlungskraft, welche unser<br />

traditionsreiches und gleichzeitig innovatives Unternehmen<br />

geniesst. Der Anlass war zugleich ein<br />

Tatbeweis für «175 Jahre Mobilitäts- und Eisenbahnland<br />

Schweiz» und damit für vorwärts<br />

gerichtete Eisenbahnmobilität. Swiss made, versteht<br />

sich.<br />

Die RhB ist seit Stunde null ein Pionierunternehmen<br />

und hat sich noch nie gescheut, anspruchsvollste<br />

Aufgaben mit Tatendrang und wachem<br />

Geist in Angriff zu nehmen. Der Weltrekordversuch<br />

auf der UNESCO Welterbestrecke zwischen<br />

Preda und Bergün und weiter über unseren<br />

«Leuchtturm», den Landwasserviadukt, belegt<br />

das virtuose Zusammenspiel von Mensch, Technik<br />

und Organisation. Dabei stehen wir – und<br />

unsere Kompetenzpartner – immer im Dienste<br />

der lebenswichtigen ÖV-Ader in unserem hochalpinen<br />

Kanton.<br />

In den aktuellen Diskussionen ums Thema Fortbewegung<br />

lässt sich ein Faktor nicht ignorieren:<br />

die Nachhaltigkeit. Gut für uns: Bahnfahren per se<br />

gilt als nachhaltig, denn verglichen mit anderen<br />

Verkehrsträgern ist die Eisenbahn sehr energieeffizient.<br />

Auf die RhB trifft dies in speziellem<br />

Masse zu, denn unsere Züge fahren zu hundert<br />

Prozent mit Energie, die aus Bündner Wasserkraft<br />

gewonnen wird. Wenn wir dann noch einkalkulieren,<br />

dass wir dank Rekuperation beim Bremsen<br />

auf jeder Fahrt talwärts sogar Energie zurückgewinnen,<br />

dann liefert die RhB ihren Beitrag – in<br />

diesen bewegten Zeiten erst recht.<br />

So macht Reisen im 21. Jahrhundert Sinn –<br />

und Spass. Gute Fahrt!<br />

Renato Fasciati<br />

Direktor der<br />

Rhätischen Bahn


Long Way<br />

Home*<br />

«Gleis null» – eine Kolumne von Arno Camenisch<br />

In Graubünden hat jeder Bahnhof sein Dorf und das<br />

ist immer hinter dem Bahnhof. Ich bin in Tavanasa<br />

gleich an der Bahnlinie aufgewachsen. Von der Haustüre<br />

bis zum Bahnhof brauchten wir genau 20 Sekunden;<br />

wir waren trotzdem jeweils 20 Minuten früher<br />

am Bahnhof, um ja nicht den Zug zu verpassen, der<br />

einmal die Stunde das Tal hinauffuhr und einmal die<br />

Stunde das Tal hinunter.<br />

In der ersten Klasse durften wir dann allein nach Ilanz<br />

fahren, wo wir dreimal um den Block gingen, in der<br />

Migros oder am Kiosk was kauften und dann wieder<br />

zurückfuhren. In der Oberstufe fuhren wir nach Chur,<br />

wo wir zuerst in den Vilan gingen und nachher zum<br />

Fotoautomaten in der Passage. Dort konnte man für<br />

zwei Franken vier Schwarz-Weiss-Fotos machen und<br />

wenn man etwas eng stand, hatten fünf von uns im<br />

Automaten Platz. Die Fotos rochen nach faulen Eiern,<br />

wenn sie aus dem Automaten kamen; wir schnitten<br />

sie auseinander und tauschten sie aus wie Panini-<br />

Bilder, zogen noch etwas durch die Stadt und fuhren<br />

dann mit dem Zug wieder heim.<br />

Als wir in der Gymnasialstufe waren, fuhren wir am<br />

Sonntagabend mit dem letzten Zug nach Chur, wo wir<br />

unter der Woche wohnten. Der Zug war jeweils voll<br />

und das Herz war einem etwas schwer, weil das Wochenende<br />

bereits wieder vorbei war und man gerne<br />

noch geblieben wäre. Am Freitagabend nahmen wir<br />

bereits einen früheren Zug nach Hause und liessen<br />

die letzte Lektion vom Nachmittag sausen. Und wenn<br />

wir daheim ankamen, stand der Toni Maissen, der den<br />

Bahnhof bediente, vor dem Bahnhof und schaute mit<br />

seinem Käppi auf dem Kopf dem einfahrenden Zug zu.<br />

Und als ich nicht mehr im Tal wohnte und wieder mal<br />

auf dem Weg in die Surselva war und darüber staunte,<br />

wie viel Zeit wieder vergangen war, seit ich das letzte<br />

Mal da gewesen war, und in Chur in die Rhätische<br />

Bahn stieg, fühlte es sich an, als komme man nach<br />

einer langen Reise wieder heim.<br />

* Lied von Tom Waits<br />

Arno Camenisch<br />

ist Schriftsteller.<br />

Soeben ist sein neuer<br />

Roman «Die Welt»<br />

im Diogenes Verlag<br />

erschienen.<br />

Editorial 1


Zwischenstopp<br />

Rhätische Bahn<br />

UNESCO Welterbe RhB<br />

Bernina Express Bus<br />

Tirano – Lugano<br />

28 – 31<br />

Andri<br />

Ragettli<br />

Powerplay<br />

Zürich<br />

St.Ga<br />

Ilanz<br />

R<br />

T<br />

Disentis /<br />

Mustér<br />

S u r s e l v<br />

a<br />

Thus<br />

Oberalppass<br />

Andermatt<br />

Visp<br />

Zermatt<br />

Impressum<br />

© Copyright / Herausgeberin<br />

Rhätische Bahn AG,<br />

Bahnhofstrasse 25, CH-7001 Chur<br />

Technische Daten RhB<br />

Konzept / Text Panta Rhei PR AG<br />

(Anina Rether rea, Erika Suter sue,<br />

Franz Bamert ba, Reto Wilhelm rw,<br />

Sabrina Gallati sga)<br />

Grafik Süsskind SGD Chur<br />

Fotos<br />

Janosch Abel S. 1<br />

Daniel Meuli S. 4 – 11<br />

swiss-image.ch/Philipp Schmidli<br />

S. 3, 12 / 13, 16, Umschlag<br />

swiss-image.ch/Mayk Wendt S. 15<br />

Meinrad Schade S. 36 – 39<br />

Nicola Pitaro S. 12 – 15, 24 – 27, 32 – 34, 48<br />

Nina Mann S. 42<br />

Engadin St. Moritz Tourismus AG/Filip Zuan S. 45<br />

Falls nicht speziell erwähnt von der RhB<br />

und Partnern zur Verfügung gestellt<br />

Ausgabe<br />

Nr. 13 <strong>Herbst</strong> / <strong>Winter</strong> <strong>2022</strong> / 23<br />

Gedruckt in der Schweiz<br />

Lukmanier<br />

Biasca<br />

24 – 27<br />

Im<br />

Naturwunder<br />

Ruinaulta<br />

Bellinzona<br />

Lugano<br />

Milano<br />

San<br />

Bernardino<br />

Chiavenna


N<br />

Basel<br />

Bern<br />

SCHWEIZ<br />

Zürich<br />

Chur<br />

Graubünden<br />

Genève<br />

Zermatt<br />

Lugano<br />

len<br />

Landeck<br />

is<br />

Rhein<br />

Landquart Ried<br />

Igis<br />

Zizers<br />

rvaz-Trimmis<br />

Haldenstein<br />

r Wiesental<br />

ur West<br />

erg<br />

eichenauamins<br />

nauamins<br />

Chiavenna<br />

Lugano<br />

venna<br />

no<br />

Landquart<br />

Landquart<br />

Chur<br />

Chur<br />

Tiefencastel<br />

Tiefencastel<br />

Plessur<br />

Weisshorn<br />

2653 m<br />

Lenzerheide<br />

Savognin<br />

Arosa<br />

P r<br />

P r<br />

Filisur<br />

ä t t<br />

ä t t<br />

Arosa<br />

Bergün<br />

Filisur<br />

i g a<br />

Landwasser<br />

u<br />

Landquart<br />

i g a<br />

Samedan<br />

St.Moritz<br />

u<br />

Davos<br />

Platz<br />

Albulatunnel<br />

Samedan<br />

St. Moritz<br />

Klosters<br />

Platz<br />

Malans<br />

Seewis-Pardisla<br />

Grüsch<br />

Schiers<br />

Furna<br />

Jenaz<br />

Fideris<br />

Chur Altstadt<br />

Küblis<br />

Lüen-Castiel<br />

St. Peter-Molinis<br />

Saas<br />

Peist<br />

Klosters Dorf<br />

Langwies<br />

Litzirüti<br />

Bergün/Bravuogn<br />

Piz Ela<br />

3339 m<br />

Piz Nair<br />

3057 m<br />

Maloja<br />

Davos Wiesen<br />

Preda<br />

Davos Frauenkirch<br />

Davos Glaris<br />

Davos Monstein<br />

36 – 39<br />

Spinas<br />

Cavadürli<br />

Davos Laret<br />

Davos Wolfgang<br />

Davos Dorf<br />

Davos Platz<br />

Celerina<br />

Celerina Staz<br />

Punt Muragl Staz<br />

Camera<br />

obscura<br />

Bernina<br />

Pontresina<br />

Vereinatunnel<br />

Klosters Platz<br />

O b e r e n g a<br />

Pontresina<br />

Piz Bernina<br />

Vereinatunnel<br />

d i n<br />

O b e r e n g a<br />

Bever<br />

Piz Bernina<br />

4049 m<br />

Valposchiavo<br />

Piz Palü<br />

3901 m<br />

Lugano<br />

Piz Linard<br />

3411 m<br />

Zernez<br />

d i n<br />

Zuoz<br />

Madulain<br />

La Punt Chamues-ch<br />

Punt Muragl<br />

Surovas<br />

Morteratsch<br />

Bernina Suot<br />

Berninapass<br />

Muottas Muragl<br />

2453 m<br />

Berninapass<br />

S-chanf<br />

Poschiavo<br />

Valposchiavo<br />

U n<br />

t<br />

Livigno<br />

e r e<br />

Tirano<br />

g<br />

Edolo<br />

Val Camonica<br />

Brescia<br />

n a<br />

Na tiona lpa rk<br />

Susch<br />

Poschiavo<br />

U n<br />

Sagliains<br />

Zernez<br />

Cinuos-chel–Brail<br />

Bernina Diavolezza<br />

Bernina Lagalb<br />

Ospizio Bernina<br />

Alp Grüm<br />

Cavaglia<br />

Cadera<br />

Li Curt<br />

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Scuol-Tarasp<br />

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Ftan<br />

Ardez<br />

Guarda<br />

Lavin<br />

Livigno<br />

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Bormio<br />

g<br />

n a<br />

Müstair<br />

Na tiona lpa rk<br />

Le Prese<br />

Miralago<br />

Brusio<br />

Campascio<br />

Campocologno<br />

Tirano<br />

Samnaun<br />

Inn<br />

n<br />

d i<br />

Scuol-Tarasp<br />

12 – 19<br />

Mals<br />

Meran<br />

Geglückt:<br />

Weltrekord<br />

Bormio<br />

UNESCO Welterbe RhB<br />

Müstair<br />

<strong>Contura</strong> online<br />

Hier können Sie das<br />

neue <strong>Contura</strong> online<br />

durchblättern.<br />

Landeck<br />

Mals<br />

Meran<br />

→ www.rhb.ch/contura


Halt auf<br />

Verlangen<br />

Haltestellen entlang unserer Route<br />

4 – 11<br />

Aftermath<br />

von Daniel Meuli<br />

Scena<br />

18 / 19<br />

Zahlen und<br />

Fakten<br />

zum Weltrekordversuch<br />

12 – 17<br />

Geglückt:<br />

Weltrekord<br />

UNESCO Welterbe RhB<br />

20 – 23<br />

Mechanikerin<br />

Jeannette Schönholzer<br />

Passion<br />

RhB Blog<br />

Entdecken, was sich alles<br />

bewegt rund um<br />

die Rhätische Bahn!<br />

Scena, 4 – 11<br />

Passion, 20 – 23<br />

→ www.rhb.ch/blog<br />

2 www.rhb.ch/contura


RhB Newsletter<br />

Jetzt abonnieren<br />

und immer auf dem<br />

Laufenden sein.<br />

→ www.rhb.ch/newsletter<br />

Weltrekord, 12 – 19 Kulinarik, 32 – 34<br />

32 – 34<br />

Orma –<br />

Bündner Whisky<br />

Kulinarik<br />

42 – 44<br />

RhB als<br />

Krimischauplatz<br />

Kultur<br />

35<br />

Mitmachen und<br />

gewinnen<br />

Verlosung<br />

46 / 47<br />

<strong>Winter</strong>reise:<br />

Lichterland<br />

Clà Ferrovia<br />

36 – 39<br />

Camera<br />

obscura<br />

Bernina<br />

48<br />

Interview mit<br />

Zugreisendem<br />

Fensterplatz<br />

Inhaltsverzeichnis 3


Aftermath<br />

von Daniel Meuli<br />

Nomen: /aftär – mas/<br />

Übersetzung: Auswirkungen, Nachwirkungen<br />

4


5


«Was ist Schnee?»<br />

«Der Schnee fungiert als Filter der Umwelt.»<br />

Daniel Meulis Heimat ist das Engadin. In dieser imposanten<br />

Bergwelt lebt er seit seiner Kindheit, die raue<br />

Landschaft hat ihn geformt und berührt ihn noch<br />

heute. «Die Natur ist jederzeit berauschend ehrlich»,<br />

sagt er. «In meiner Arbeit möchte ich die Erhabenheit,<br />

Schönheit und Ehrlichkeit der Natur weitergeben.»<br />

Sein adäquates Mittel dazu hat er in der analogen<br />

Fotografie wiedergefunden: Mit seiner überdimensionierten<br />

Kamera – einer selbst gebauten Camera obscura<br />

– streift er durch die Landschaft. Das Licht trifft<br />

unverfälscht auf Papier und wird darauf festgehalten.<br />

In der Serie «Aftermath» erkundet Daniel Meuli die<br />

fast schon gesellschaftspolitische Eigenschaft des<br />

Schnees. Die direkte Technik, mit der das Licht auf dem<br />

Fotopapier festgehalten wird, reduziert auf die ungeschönte<br />

Wirklichkeit: den Schnee als unwiderlegbaren<br />

Zeitzeugen der Umweltverschmutzung. Meulis<br />

Bilder zeigen, wie der Schnee seiner weissen, unbefleckten<br />

Unschuld beraubt wird. Die Schneebälle, die<br />

Daniel Meuli an sorgfältig ausgesuchten Orten als<br />

Untersuchungsproben der Natur entnahm, machen<br />

es deutlich: Jeder Schneeball ist Zeuge der menschlichen<br />

Aktivitäten. Haben die Menschen dort gefeiert,<br />

geraucht, geskimarathont? Wie ein Schnee-Chirurg<br />

operiert Daniel Meuli mit seinen Fotografien die Informationen<br />

heraus.<br />

Der Faktor Zeit ist dabei eine Herausforderung. Nicht<br />

nur den Weg von der Natur ins Atelier, auch die Fotoaufnahme<br />

muss der Schnee überstehen: Meulis<br />

selbst gebaute Lochkamera benötigt eine Belichtungszeit<br />

von sieben Minuten, während denen der<br />

Schneeball seine Haltung bestmöglich bewahren<br />

muss. Doch mit der Zeit wird die einst perfekte weisse<br />

Kugel zum Matschklumpen, zum Schmutzdestillat.<br />

Zurück bleiben Kies, Papierfetzen, Flaschendeckel,<br />

Auspuffrückstände. Die Überbleibsel eines Luxuslebens.<br />

Wenn die Idylle schmilzt, ist das <strong>Winter</strong>märchen<br />

ausgeträumt: Aftermath.<br />

→ www.danielmeuli.com<br />

6 www.rhb.ch/contura


Rubrik<br />

7


8 www.rhb.ch/contura


Scena<br />

9


10 www.rhb.ch/contura


Scena<br />

11


12 www.rhb.ch/contura


Perfekt eingespielt:<br />

Zugpferde im Hintergrund<br />

Gelungener Weltrekord<br />

UNESCO Welterbe RhB 13


Dieses Jahr gab es bei der RhB fast nur ein Thema: den<br />

gross angelegten Weltrekordversuch. Am Samstag,<br />

29. Oktober <strong>2022</strong> ging das Spektakel über die Bühne –<br />

oder besser: über die Gleise. Und prompt wurde es<br />

zum bahnbrechenden Erfolg; der Eintrag ins Guinnessbuch<br />

der Rekorde ist beantragt. Fazit: Es braucht<br />

ein gut eingespieltes Zahnradwerk, um den Weltrekordversuch<br />

der RhB zu stemmen. Über drei Zahnrädchen,<br />

die zum Erfolg beigetragen haben, berichten<br />

wir in diesem <strong>Contura</strong>.<br />

Stein um Stein: gepflegte Gleise<br />

Wie sie sich bettet, so rollt sie: Ein sauberes Schotterbett<br />

zwischen den Gleisen ist essenziell, wenns bei<br />

der RhB rundlaufen soll. Dabei geht es nicht nur um<br />

die Sicherheit des Bahnbetriebs, sondern auch um<br />

den nachhaltigen Umgang mit einem raren Gut: dem<br />

Gleisschotter. Statt jedes Mal das ganze Gleisbett mit<br />

neuem Schotter aufzufüllen, kann die Schotterreinigungsmaschine<br />

von Sersa, die eigens für die Meterspur<br />

entwickelt wurde, das bestehende Material reinigen.<br />

Das schont die Ressourcen.<br />

Dafür braucht’s ein starkes Zugpferd – das übrigens<br />

auch ein Star war am Weltrekordtag in Bergün. Diese<br />

Maschinen haben gewaltige Dimensionen und reinigen<br />

rund 150 Meter Schotterbett pro Nacht. Abhängig<br />

ist dies mitunter von der Steigung: «Die Weltrekordstrecke<br />

von Bergün nach Preda mit ihren 35 Promille<br />

Steigung fordert uns jeweils tüchtig: Hier kommen<br />

unsere Maschine und der ganze Tross mit Schotterwagen<br />

im Schlepptau entsprechend langsam voran»,<br />

erklärt Christian Schnyder, Geschäftsleitungsmitglied<br />

der Sersa Schweiz.<br />

Doch wie wird so ein Schotterbett überhaupt gereinigt?<br />

Als Erstes zieht die Maschinencrew eine Kette<br />

mit «Maulwurftatzen» unter dem Gleisrost und den<br />

Schwellen hindurch. Diese Kette hilft, den gesamten<br />

Schotter zu erfassen. Der Gleisrost wird leicht<br />

angehoben, die Kette tut ihren Dienst und schiebt<br />

den Schotter weg: via Tatzen hinauf auf die Maschine,<br />

wo das ganze Schottermaterial auf einem Schüttelsieb<br />

landet. Dieses rüttelt und schüttelt gewaltig,<br />

die zu grossen Steine werden dadurch sofort aus-<br />

sortiert. Das kleinere Material fällt auf ein zweites<br />

Sieb, wo die idealen Steine in einer Grösse zwischen<br />

36 und 70 Millimetern liegen bleiben, während zu<br />

kleine Steine herunterfallen: auf ein drittes Förderband,<br />

das sie wegtransportiert. Das hochwertige,<br />

gute Schottermaterial wird nun – rund eineinhalb<br />

bis zwei Meter nach der Erfassung durch die Maschine<br />

– wieder aufs Gleisbett, aber auch unter den<br />

Gleisrost und zwischen die Schwellen geschüttet. Auf<br />

diese sogenannte «Vorschotterung» folgt anschliessend<br />

das eigentliche Einschottern und Stopfen, dann<br />

ist der Streckenabschnitt feinsäuberlich aufbereitet<br />

und kann frühmorgens vom Sicherheitschef wieder<br />

zum Befahren freigegeben werden. Bedient wird die<br />

Maschine von drei Personen: dem Maschinisten und<br />

zwei Fachleuten, welche die Förderkette unter ihren<br />

Fittichen haben. Unterstützt wird das Trio meistens<br />

noch von zwei Helfern, die den Schotter, der neben<br />

den gewünschten Zielort fällt, mit dem Rechen an die<br />

richtige Stelle bringen.<br />

Herr über 25 Züge und 100 Wagen<br />

Sind die Gleise sicher, kann er losfahren: Andreas Kramer,<br />

seines Zeichens Lokführer bei der RhB und im<br />

Alltag für die Inbetriebsetzung von RhB-Zügen zuständig<br />

– wenn er denn nicht gerade den längsten<br />

Reisezug der Welt steuert. Am 29. Oktober <strong>2022</strong> hatte<br />

er sage und schreibe 25 Capricorn-Formationen à je<br />

vier Wagen, also einen Zug von 1906 Meter Länge, im<br />

Rücken. Unterstützt wurde er bei diesem einmaligen<br />

Unterfangen von sechs erfahrenen Lokführer-Kollegen,<br />

welche jeden Gefällsbruch, jede Neigung auf<br />

der Albulastrecke in- und auswendig kennen. Für sie<br />

alle begann das Abenteuer Weltrekordversuch aber<br />

schon lange vor dem sonnigen Samstag Ende Oktober:<br />

«Natürlich sind wir den Ablauf vorgängig immer<br />

und immer wieder durchgegangen. Die grösste logistische<br />

Herausforderung war es, die 25 Capricorn-Formationen<br />

in den Albulatunnel zu befördern, wo wir<br />

den Rekordzug in der Nacht auf den 29. Oktober zusammengesetzt<br />

haben. Die Frage, ob das Zusammenhängen<br />

im entscheidenden Moment wirklich klappt,<br />

machte uns schon etwas kribbelig», gesteht Kramer.<br />

14 www.rhb.ch/contura


UNESCO Welterbe RhB 15


16 www.rhb.ch/contura


Denn der erste Testlauf im Mai ging schief: Der Zug<br />

fuhr damals keinen Meter, weil von einem der bedienten<br />

Führerstände keine Schnellbremsung ausgelöst<br />

werden konnte. Ein technisches Problem, das<br />

aus Sicherheitsgründen eine Abfahrt verunmöglichte.<br />

«Zudem haben wir bei den Tests bemerkt, dass<br />

wir Lokführer uns in den Tunnels nicht per Funk<br />

oder Handy austauschen können, weil natürlich das<br />

Netz fehlt. So organisierten wir das Feldtelefon der<br />

Schweizer Armee, über dessen Leitung wir uns alle<br />

stets hören konnten.»<br />

Denn genau darin lag die grosse Kunst: Die sieben<br />

Lokführer müssen zu hundert Prozent synchron agieren,<br />

zu jeder Sekunde. Auch wenn der Zug nur mit 30<br />

bis 35 Stundenkilometern über die Gleise rollt: Jeder<br />

muss mit seinem Fahr- und Bremshebel im Führerstand<br />

das Tempo und die anderen Systeme jederzeit<br />

unter Kontrolle haben. Dass der rekordlange Zug nicht<br />

schneller von Preda nach Bergün und weiter nach<br />

Filisur und bis zum Landwasserviadukt fuhr, hatte<br />

übrigens weniger mit dem Zug als mit dem Strom zu<br />

tun. Die 25 Capricorns hätten durchaus schneller fahren<br />

können, doch hätten sie dann zu viel Strom produziert:<br />

Jeder Zug, der talwärts fährt, produziert viel<br />

Strom und der musste gezügelt werden, sonst hätten<br />

buchstäblich die Sicherungen oder Fahrleitungen<br />

durchbrennen können.<br />

Energieeffizient zum Rekord: kraftvolle Steinböcke<br />

Gleise fit, Männer startklar, jetzt fehlen noch die Maschinen.<br />

Damit der längste Reisezug der Welt losrollen<br />

konnte, brauchte es auch die richtige Technologie,<br />

namentlich im Bereich elektrische Antriebe sowie der<br />

Erzeugung und Verteilung von Energie. Mit an Bord<br />

der 25 neuen Capricorn-Züge war deshalb die Expertise<br />

von ABB. Die Partnerschaft zwischen ABB und RhB<br />

ist übrigens nicht ganz neu: Bereits 1913 lieferte das<br />

Unternehmen, das damals noch BBC hiess, die ersten<br />

Lokomotiven für die Albulastrecke und war massgeblich<br />

an der späteren Elektrifizierung des RhB-Netzes<br />

beteiligt. «Der Weltrekordversuch erlaubte es der<br />

ABB, die technologischen Grenzen bei der nachhaltigen<br />

Mobilität auszuloten», sagt Edgar Keller, Leiter<br />

der ABB-Division Traction. Konkret: Für einen<br />

energieeffizienten Fahrbetrieb des Weltrekordzugs<br />

sorgten Traktionsumrichter von ABB. Sie steuern die<br />

Fahrmotoren stets mit der benötigten Frequenz und<br />

Spannung an. Wenn der Zug talwärts fährt, garantieren<br />

diese Traktionsumrichter die maximale Rückspeisung<br />

von Bremsenergie ins Netz. Diesen Vorgang<br />

nennt man auch Rekuperation.<br />

In den letzten Jahren wurden die Traktionsumrichterlösungen<br />

fundamental weiterentwickelt: Dank modernster<br />

Halbleitertechnologie spart die neue Capricorn-Flotte<br />

im Vergleich zu bisher jährlich rund 900<br />

Megawattstunden ein. «Das entspricht dem Jahresverbrauch<br />

von rund 200 Schweizer Vierpersonenhaushalten»,<br />

stellt Edgar Keller fest.<br />

Und nicht nur das Innere des Zugs funktioniert energieeffizient,<br />

auch in der vorgelagerten Energiekette –<br />

also bis der Strom den Zug effektiv bewegt – reduziert<br />

die RhB konsequent ihren ökologischen Fussabdruck:<br />

Sie nutzt zu hundert Prozent Energie, die aus der<br />

Wasserkraft des Bündner Energiepartners Repower<br />

gewonnen wird. Die dazu notwendige Infrastruktur<br />

ist wiederum mit Schlüsseltechnologien von ABB bestückt.<br />

Antriebs- und Elektrifizierungslösungen sowie<br />

Prozessleitsysteme sorgen für eine nachhaltige und<br />

zuverlässige Versorgung mit elektrischer Energie –<br />

von der Turbine bis zur Lokomotive.<br />

Rund um die Welt<br />

Der Jubel über den geglückten Weltrekord war nicht<br />

nur bei der RhB und im Bündnerland gross. Das Ereignis<br />

schlug Wellen – weltweit: von Peking bis Luzern,<br />

von Indien bis Südafrika, von der FAZ bis zu CNN. Der<br />

Dank gebührt allen beteiligten Partnern – sie alle haben<br />

diese bahnbrechende Geschichte, die Geschichte<br />

schreibt, erst möglich gemacht. (sue/rw)<br />

Nächster Halt – Medienportal<br />

Da gibt’s noch ganz viel zu sehen<br />

und nachzulesen.<br />

→ www.rhb.ch/weltrekord<br />

UNESCO Welterbe RhB 17


Weltrekord vom<br />

29. Oktober <strong>2022</strong><br />

Schon gewusst?<br />

Filisur<br />

25<br />

Kilometer<br />

lang war die Weltrekordstrecke von Preda bis Alvaneu.<br />

Länge des Zuges: 1 906 Meter<br />

Alvaneu Bad<br />

Der Weltrekordzug fuhr mit einer Geschwindigkeit<br />

von 30 bis 35 Stundenkilometern.<br />

4 550 Sitzplätze hatte der Weltrekordzug insgesamt,<br />

davon waren 150 Plätze von geladenen Gästen besetzt.<br />

Auf dieser Strecke überwand<br />

der Zug 789,4 Höhenmeter.<br />

18 rhb.ch/contura


Bergün<br />

Preda<br />

Bei der Weltrekordfahrt mussten alle 25 Züge à je 4 Wagen<br />

gleichzeitig beschleunigen oder abbremsen.<br />

1 906<br />

Meter<br />

lang war der Weltrekordzug mit seinen<br />

100 Wagen.<br />

Um den Zug fahren zu können, waren<br />

7 Lokführer und 21 Techniker<br />

im Einsatz.<br />

74<br />

Minuten<br />

dauerte die gesamte Weltrekordfahrt vom Albulatunnel<br />

bis zum Landwasserviadukt.<br />

Zahlen und Fakten<br />

19


Gleiche<br />

unter Gleichen<br />

Als Frau im Männerjob<br />

Sie arbeitet mit schwerem Gerät in der RhB-Werkstatt<br />

Samedan und rückt aus, wenn ein Zug entgleist.<br />

Jeannette Schönholzer backt aber auch mal einen Kuchen<br />

für die Crew und sagt: «Ohne meine Kollegen<br />

bin ich hier nichts.»<br />

Auf diese Frau hatte niemand gewartet. Zumindest<br />

nicht an ihrer neuen Arbeitsstelle, der RhB-Werkstatt<br />

in Samedan. «Dich hätte ich nie angestellt», sagte<br />

Toni Conrad, ein Werkstatt-Urgestein, zu Jeannette<br />

Schönholzer an ihrem ersten Arbeitstag. Er hatte ihr<br />

die harte Arbeit schlicht und einfach nicht zugetraut.<br />

«Heute», sagt derselbe Toni Conrad, «heute würde ich<br />

sie nicht mehr hergeben.»<br />

Mit Hammer und Computer<br />

Zwischen den zwei Aussagen liegen nur zwei Jahre.<br />

Zwei Jahre, in denen sich die 37-jährige Frau den<br />

Respekt und das Wohlwollen der knapp 20-köpfigen<br />

männerdominierten Werkstatt-Crew erarbeitet hat.<br />

«Sie macht alles, was wir Männer auch machen»,<br />

sagt Conrad. Alles heisst in diesem Fall eben wirklich<br />

alles: «Wir betreuen hier von der 110-jährigen<br />

Dampflok bis zur allerneusten Zugskomposition die<br />

unterschiedlichsten Wagentypen», sagt die gebürtige<br />

Thurgauerin. Somit ist das Arbeitsfeld riesig: Vom<br />

Hammer bis zum Computer kommen alle möglichen<br />

Tools zum Einsatz. «Unsere Lokomotiven und Bahnwagen<br />

werden nach ganz bestimmten Vorgaben<br />

täglich, wöchentlich und monatlich geprüft, gewartet<br />

und allenfalls repariert», erklärt sie. Nach zehn<br />

Jahren wird jeder Wagen in seine Einzelteile zerlegt,<br />

auf Herz und Nieren geprüft, zusammengesetzt und<br />

sozusagen neu geboren wieder auf die Schienen gesetzt.<br />

«Wir rücken aber auch aus, wenn ein entgleister<br />

Zug auf die Schienen gehievt werden muss oder<br />

eine Lokomotive aus irgendeinem Grund eine Fehlermeldung<br />

hat», erzählt die Frau mit dem violetten<br />

Touch in den Haaren und den Schmierölspuren in<br />

den Fingerporen. «Wirklich saubere Hände hast du<br />

in meinem Job nur nach 14 Tagen Ferien», meint sie<br />

auf die entsprechenden Blicke.<br />

Vom Schuhladen in die Rekrutenschule<br />

Dass sie einmal im Engadin in der RhB-Werkstatt stehen<br />

würde, darauf hätte noch vor ein paar Jahren<br />

niemand gewettet. «Ich habe Schuhverkäuferin gelernt»,<br />

blickt Jeannette Schönholzer zurück und sieht<br />

dabei aus, als ob sie das selbst kaum glauben kann.<br />

Dann tauschte sie die modischen Schuhe für fremde<br />

Füsse gegen eigene Militärstiefel: «Ich machte die<br />

Rekrutenschule. Damals merkte ich zum ersten Mal,<br />

dass nicht ich Probleme in einer Männergesellschaft<br />

habe, sondern dass allenfalls die Männer durch eine<br />

einzelne Frau verunsichert sind.»<br />

Aufeinander angewiesen<br />

Inzwischen ist ein neuer Wagen in der Werkstatt angekommen,<br />

an dem die Bremsklötze ersetzt werden<br />

müssen. «Das ist wohl der körperlich schwerste Job<br />

hier», bemerkt die feingliedrige Frau, der man auf<br />

den ersten Blick keine wirklich harten Arbeiten zutrauen<br />

würde. Auf den zweiten übrigens auch nicht.<br />

Aber eben, das täuscht. Und wie. «Die Bremsklötze<br />

wiegen um die zehn Kilo, du arbeitest über Kopf und<br />

20 www.rhb.ch/contura


Macht alles, was ihre männlichen Kollegen auch machen:<br />

Mechanikerin Jeannette Schönholzer.<br />

Passion 21


Wirklich saubere Hände<br />

hast du in meinem Job nur<br />

nach 14 Tagen Ferien.<br />

22 www.rhb.ch/contura


im <strong>Winter</strong> tropft ständig der tauende Schnee vom<br />

Unterboden. Wenn du 16 solche Klötze ersetzt hast,<br />

bist du tropfnass von Schweiss und Schmelzwasser.»<br />

Dann muss der Wagen ein paar Meter weitergeschoben<br />

werden. Die Mechanikerin ruft: «Hey, könnt ihr<br />

mir kurz helfen», und ein paar Augenblicke später<br />

sind zwei, drei Männer da und schieben mit. «Alleine<br />

bist du hier nichts», sagt Jeannette danach und fährt<br />

weiter: «Wir sind hier wirklich eine grosse Familie, die<br />

füreinander da ist. Die sich auch mal fetzt. Und sich<br />

wieder versöhnt. Und vor allem: Jeder kann sich auf<br />

jeden verlassen.»<br />

Heiss, dreckig und laut<br />

Nach dem Militär landete Jeannette schon wieder in<br />

einer Männerwelt. «Ich lernte Lastwagenfahren und<br />

pilotierte Trucks durch halb Europa: Holland, Frankreich,<br />

Deutschland … zehn Jahre lang. Ich habe es geliebt.<br />

Vor allem in Holland bist du ja als Chauffeurin<br />

irgendwie King of the Road.» Aber es waren auch<br />

zehn Jahre, in denen der Druck immer grösser wurde,<br />

die Tage länger, der Job härter. Ganz abgesehen<br />

von den abgelegenen und obskuren Parkplätzen, die<br />

einem tiefen Schlaf nicht unbedingt förderlich waren.<br />

«Irgendwann hatte ich es gesehen und verabschiedete<br />

mich von den Kollegen, dem Druck und den<br />

60-Stunden-Wochen auf der Strasse.»<br />

Aber nur, um gleich wieder in einem harten Job anzuheuern.<br />

Diesmal in einem Stahlwerk mit Vier-Schicht-<br />

Betrieb an sieben Tagen in der Woche. «Es war heiss,<br />

dreckig und laut», resümiert die Frau im Rückblick.<br />

Sie biss sich durch, sammelte Erfahrungen, lernte viel,<br />

Jeannette Schönholzer<br />

Hat als Mitglied der<br />

Mechaniker-Crew in<br />

Samedan mit Partner<br />

und Hunden Wurzeln<br />

geschlagen.<br />

und als sie genug vom sprichwörtlichen Dreck auf der<br />

Zunge und Staub in der Lunge hatte, sagte sie Adieu<br />

und zog der Liebe wegen in die Berge – und an die<br />

frische Luft.<br />

Nächster Halt – RhB Blog<br />

Im Interview auf dem Blog erzählt<br />

Jeannette Schönholzer noch mehr<br />

aus ihrem Arbeitsalltag.<br />

<br />

→ www.rhb.ch/blog<br />

Endlich: Wurzeln schlagen<br />

Aber der Mensch lebt nicht von Luft und Liebe allein,<br />

darum arbeitet die junge Frau heute in der RhB-<br />

Werkstatt – als Gleiche unter Gleichen. Oder doch<br />

nicht? «Ich habe mir die Akzeptanz der Crew erarbeiten<br />

müssen. Als es dann so weit war, ist etwas<br />

sehr Schönes passiert: Auf einmal wurde ich nach der<br />

weiblichen Sichtweise gefragt, auf einmal wollen die<br />

Jungs wissen, wie ich als Frau an ein Problem herangehe.<br />

Mir ist auch das Zwischenmenschliche sehr<br />

wichtig. Darum koche ich manchmal für die ganze<br />

Crew oder organisiere einen gemeinsamen Abend.»<br />

Und heute ist es so, dass sie als Betriebssanitäterin<br />

oft nicht nur für die körperliche, sondern auch für die<br />

seelische erste Hilfe in der RhB-Werkstatt zuständig<br />

ist. «Das rührt mich sehr, aber das würde ich der Bande<br />

natürlich nie sagen», lacht Jeannette Schönholzer.<br />

Sie selbst ist im Engadin auch eine andere geworden.<br />

«Mein ganzes Leben lang war ich eigentlich eine Vagabundin<br />

und ich habe dieses Leben, dieses Unterwegssein<br />

geliebt», sagt die Mechanikerin. «Doch seit<br />

ich mit meinem Partner hier bin, mit meinen Hunden<br />

und mit meiner RhB-Familie, bin ich irgendwie zur<br />

Ruhe gekommen», sinniert sie und fügt – vielleicht<br />

zu ihrer eigenen Überraschung – hinzu: «Ich glaube,<br />

ich habe zum ersten Mal seit meiner Kindheit Wurzeln<br />

geschlagen.» (ba)<br />

Passion<br />

23


Natur in ihrer pursten Form:<br />

die Rheinschlucht.<br />

24 www.rhb.ch/contura


Im<br />

Naturwunder<br />

Eindrucksvolle Rheinschlucht<br />

Am Anfang stand ein verheerender Bergsturz. Daraus<br />

formten der Rhein und die Zeit ein Paradies zum Wandern,<br />

Kanufahren, Biken und Baden, aber auch für<br />

seltene Vögel und Pflanzen. Und für Eisenbahnfans.<br />

Nicht hinaufschauen. Und hinunter schon gar nicht.<br />

Denn oben scheinen die hohen und schroffen Felswände<br />

zu wanken. Unten brüllt der Fluss wie ein wildes<br />

Tier, krallt sich in den Boden, schiebt Geröll und<br />

riesige Gesteinsbrocken vor sich her und gräbt sich<br />

tiefer und tiefer ins Flussbett hinein. So präsentiert<br />

sich der Rhein in der Ruinaulta nach einem heftigen<br />

Gewitter. Aber es geht auch ganz anders: Friedlich und<br />

freundlich schlängelt sich das spärliche Wasser durch<br />

ein breites Flussbett, hinterlässt Kies- und Sandstrände,<br />

lädt ein zum Baden, Raften, Kanufahren, Laufen<br />

oder einfach zum Sein in einem wunderbaren Stück<br />

Graubünden zwischen Reichenau und Ilanz.<br />

Prossima fermata – Ruinaulta<br />

Entdecken Sie das vielseitigste Naturspektakel<br />

der Alpen und seine Umgebung zu Fuss,<br />

mit dem Velo oder auf dem Wasser.<br />

Hier geht es zu den kulinarischen, kulturellen<br />

und verkehrstechnischen Tipps:<br />

→ www.rheinschlucht.ch<br />

Ruinaulta<br />

25


Kanufahrt durch die archaische Ruinaulta<br />

Punt Ruinaulta bei Trin<br />

Zu Fuss eintauchen in den Kraftort<br />

Aussichtsplattform Il spir<br />

Unterwegs mit dem Bike lohnt sich<br />

die Verschnaufpause mit Ausblick.<br />

26 www.rhb.ch/contura


Wilde Schönheit trifft auf Kunstobjekte<br />

Irgendjemand hat die Ruinaulta den Grand Canyon der<br />

Schweiz genannt. Und es stimmt ja auch: Kaum hat<br />

der Regionalzug oder auch der Glacier Express Reichenau<br />

Richtung Surselva verlassen, wird’s archaisch.<br />

Also archaisch schön. Man könnte hier gut und gerne<br />

einen Western drehen. Doch links und rechts des<br />

Rheins und der RhB-Gleise lauern keine Indianer, keine<br />

Cowboys. Nein, da warten Eisenbahnverliebte auf<br />

den perfekten Schuss. Mit der Fotokamera natürlich.<br />

In der Ruinaulta treffen Menschen, die wandern, raften,<br />

Kanu fahren oder im Zug reisen, auf Natur pur.<br />

Aber auch auf architektonische Schönheiten. Etwa die<br />

Punt Ruinaulta die just beim Bahnhof Trin den Rhein<br />

überspannt. Das ist … ja was eigentlich? Klar, da laufen<br />

Leute drüber. Also eine Brücke. Aber sie ist auch<br />

ein Kunstwerk, ein Landart-Objekt aus Stahl, Seilen<br />

und Holz mit einem asymmetrischen Kulminationspunkt.<br />

Und wenn wir schon dabei sind: Hoch<br />

über der Schlucht bei Conn/Flims steht ein weiteres<br />

Objekt, das man als Landart bezeichnen kann:<br />

Il spir – der Mauersegler. Dieser Mauersegler breitet<br />

seine Schwingen aus, auf denen die Besucherinnen<br />

und Besucher über die Ruinaulta gleiten könnten.<br />

Doch wirklich fliegen muss er gar nicht. Besser als<br />

von hier sieht man den Rhein und die Rheinschlucht<br />

wohl von nirgends. Es gibt dennoch weitere Aussichtsplattformen.<br />

Etwa Alix bei Valendas, Islabord<br />

an der Strasse von Versam zur RhB-Station Versam-<br />

Safien oder Zault an der Strasse nach Bonaduz.<br />

Nicht von Gottes Hand<br />

Das Wort Ruinaulta übrigens ist eine Kombination der<br />

romanischen Wörter Ruina (Geröllhalde) und aulta<br />

(hoch). Hier lohnt sich ein kurzer Blick zurück in lang,<br />

sehr lang vergangene Zeiten. Eines unschönen Tages,<br />

vor rund neun, zehn Jahrtausenden, liessen die Götter<br />

die ungeheure Masse von geschätzten acht Kubikkilometern<br />

über das Vorderrheintal hinabdonnern.<br />

Die Trümmer bauten sich Hunderte von Metern darüber<br />

auf und bedeckten eine Fläche von gut 50 Quadratkilometern.<br />

Dahinter entstand der Ilanzer See. Ein<br />

paar Tausend Jahre später fanden die Wissenschaftler<br />

heraus, dass am Ursprung des europaweit einzigartigen<br />

Ereignisses nicht zornige Götter lagen. Die Erklärung<br />

ist einfacher: Der Vorderrheingletscher hatte sich<br />

zurückgezogen, der Permafrost war aufgetaut und die<br />

Felsmassen hatten keinen Halt mehr – es kam zu diesem<br />

Geschehen, das als Flimser Bergsturz in die Geschichte<br />

einging und dessen Auswirkungen auf die<br />

Landschaft bis heute faszinieren.<br />

Ein riesiges Biotop<br />

Heute, eben ein paar Tausend Jahre später, erweist<br />

sich dieser Bergsturz als Glücksfall. Wohl kein Gebiet<br />

im Kanton Graubünden bietet auf so kleinem Raum so<br />

viel Schönheit und so viele Möglichkeiten. Ilanz/Glion<br />

liegt zwar nicht mehr am See, das Wasser ist schon<br />

lange rheinabwärts geflossen. Dafür sind etwa der<br />

Laaxersee mitten im gleichnamigen Dorf, der Crestasee<br />

bei Trin Mulin und der Caumasee in Flims entstanden.<br />

Hoch über Trin haben die Gletscher auf der<br />

Alp Mora Strudeltöpfe und Becken hinterlassen, die<br />

ebenfalls zum Baden ermuntern. Die Ruinaulta selbst<br />

ist ein einziges Biotop, in dem Orchideen blühen und<br />

seltene Vögel wie der Flussregenpfeifer und der Flussuferläufer<br />

brüten.<br />

Und klar – durch und um die Rheinschlucht führen<br />

unzählige Wander- und Spazierwege. Die meisten davon<br />

sind auch im <strong>Winter</strong> begehbar. Die eindrücklichste,<br />

aber auch anstrengendste Wanderung hat einen<br />

Namen: Trans Ruinaulta. Von Ilanz nach Reichenau –<br />

oder umgekehrt – begleitet man den Vorderrhein und<br />

die RhB. Die Trans Ruinaulta ist den Wandernden vorbehalten<br />

und dauert neun Stunden. Zum Glück gibt es<br />

auf dieser Strecke vier RhB-Bahnhöfe. Und jede Stunde<br />

einen Zug, der müde Wanderinnen und Wanderer<br />

ganz schnell wieder an den Ausgangspunkt bringt.<br />

(ba)<br />

Ruinaulta 27


Hochfliegende<br />

Träume<br />

Andri Ragettli geht hoch hinaus<br />

28 www.rhb.ch/contura


Powerplay 29


Prossima fermata –<br />

«Attack your dreams»<br />

Andri Ragettli hat ein Buch mit<br />

dem Titel «Attack your dreams»<br />

geschrieben. Obwohl erst 24-jährig,<br />

kann der Freeskier von vielen<br />

Erfolgen, aber auch Schicksalsschlägen<br />

in seinem Leben berichten.<br />

→ www.andriragettli.com<br />

Andri Ragettli<br />

ist ein erfolgreicher<br />

Freeskier aus Laax.<br />

Am Big Air Chur<br />

im Oktober <strong>2022</strong> war Andri Ragettli ganz vorne<br />

mit dabei und erreichte den vierten Platz.<br />

Hier gibt’s einige Impressionen:<br />

→ www.instagram.com/bigairchur<br />

30 www.rhb.ch/contura


Jeder Mensch kämpft seinen eigenen Battle –<br />

ein jedes Leben besteht aus Höhen und Tiefen.<br />

Wichtig ist zu realisieren, dass dich niemand retten<br />

kommt: Du bist die einzige Person, die deinen<br />

Kopf und dein Mindset kontrollieren kann. Es hat<br />

nichts mit Glück zu tun; damit Ziele erreicht werden<br />

und Träume in Erfüllung gehen, braucht es viel<br />

Disziplin und harte Arbeit.<br />

Powerplay 31


Wie der Whisky<br />

auf den Berg kam<br />

Wahrlich märchenhaft<br />

Man muss nicht verrückt sein, um auf 3 303 Metern<br />

über Meer eine Whisky-Destillerie zu bauen. Es reicht,<br />

wenn man an eine Idee glaubt, Biss hat – und durch<br />

einen Schicksalsschlag einen neuen Blick auf die Welt<br />

und das Leben wirft.<br />

Rinaldo Willy<br />

hat zusammen mit<br />

Pascal Mittner seinen<br />

Traum verwirklicht:<br />

eine eigene<br />

Whisky-Destillerie.<br />

Es war einmal … So fangen alle Märchen an. Und die<br />

Geschichte von zwei Bündnern, die ihren Traum leben,<br />

mutet wirklich wie ein Märchen an. Mit allem,<br />

was dazugehört: Schicksalsschlägen und Glücksmomenten,<br />

Ängsten und Hoffnungen. Und klar, mit einem<br />

Happy End. Wie es sich für ein Märchen gehört.<br />

Also dann: Es waren einmal zwei junge Männer in<br />

Chur. Beide hatten ein ganz normales Leben. Bis dann<br />

eben auf einmal nichts mehr normal war: Beide erkrankten<br />

an Krebs. Aber beide hatten das Glück, zu<br />

gesunden. Doch durch diese Krankheit lernten sich<br />

Pascal Mittner und Rinaldo Willy kennen. Der Krebs<br />

änderte ihre Einstellung zum Leben: «Du erkennst,<br />

was wichtig ist. Und was eben nicht», sagt Willy. «Es<br />

geht um geschenkte Zeit, um Menschen, um Wertschätzung<br />

und um Freundschaft. Auch um Dankbarkeit.<br />

Denn das Leben und die Genüsse des Lebens sind<br />

plötzlich nicht mehr einfach selbstverständlich – alles<br />

ist ein Geschenk.» Einem Genuss haben sich die beiden<br />

ganz speziell verschrieben: dem «uisge beatha»,<br />

dem Wasser des Lebens, wie der Whisky in Schottland<br />

genannt wird.<br />

www.rhb.ch/contura


Gelernt ist gelernt<br />

«Es war immer unser Traum, eine eigene Whisky-Destillerie<br />

zu betreiben. Doch zu jenem Zeitpunkt hatten<br />

wir weder das Know-how noch das Geld, um dieses<br />

Vorhaben ernsthaft in die Tat umzusetzen», erzählt<br />

Willy und schaut von seiner Brennerei auf dem Corvatsch<br />

auf 3303 Metern hinaus in die Welt. Und die<br />

Welt, die besteht aus dieser Perspektive ausschliesslich<br />

aus Bergen. Das Panorama geht vom Piz Bernina<br />

über den Piz Kesch bis zum Piz Linard und auf die<br />

ganze «Pizeria», die dazwischenliegt. Aber alles der<br />

Reihe nach.<br />

Willy und Mittner suchten einen Lehrmeister und fanden<br />

ihn im Fürstentum Liechtenstein. «Sein Brennhafen<br />

war uralt und wurde noch traditionell mit Holz<br />

betrieben. Aber dort lernten wir den Beruf wirklich<br />

von der Pike auf.» Whisky brennen ist das eine. Whisky<br />

brennen, der nicht nur gut, sondern besser und<br />

spezieller ist als andere Lebenswässer, ist eine ganz<br />

andere Geschichte. «Wir probierten schon damals alles<br />

Mögliche aus. Zum Beispiel lagerten wir unser Produkt<br />

in unterschiedlichen Fässern an ebenso unterschiedlichen<br />

Orten. Wind, Temperatur, Feuchtigkeit,<br />

Höhe, Licht und viele andere Faktoren haben einen<br />

grossen Einfluss darauf, wie ein Whisky heranreift.»<br />

Die Seele des Whiskys<br />

Und so landeten Mittner und Willy auf dem Piz Corvatsch:<br />

«Wir durften ein paar Fässer in einer versteckten<br />

Grotte hier oben reifen lassen. Dabei fiel uns<br />

auf, dass das Reiferesultat optimal war. Ausserdem<br />

war der Ort als Arbeitsplatz sensationell und es gab<br />

im Gebäude der Bergbahnen freie Räumlichkeiten.»<br />

Die beiden Freunde waren nicht mehr aufzuhalten<br />

und sie verabenteuerten sich vor elf Jahren auf dem<br />

Corvatsch und in das Projekt «Orma». Orma ist Romanisch<br />

und bedeutet Seele. «Das ist nicht übertrieben»,<br />

sagt Willy. «Wir investierten nicht nur unsere<br />

Ersparnisse, unsere Arbeitskraft und viele Lebensjahre<br />

in dieses Projekt. Orma, das sind unsere Visionen,<br />

Träume und Wünsche – unsere Seelen eben. Und darum<br />

nennen wir unseren Whisky so.»<br />

Kulinarik<br />

33


Ein Geruch wie Bahnschwellen<br />

Dann geht Willy ans Fenster der Brennerei und sagt:<br />

«Schau in die Berge rundherum, schau auf die Engadiner<br />

Seen unter uns, die mystischen Nebelfetzen am<br />

frühen Morgen über dem Talboden, die Wälder und<br />

Alpweiden. All das riechst und schmeckst du in unseren<br />

Whiskys.» Unsere Whiskys? Also Mehrzahl? «Ja –<br />

wir haben immer etwa acht verschiedene Sorten und<br />

jede Sorte ist ein Unikat», sagt Willy und erklärt auch<br />

gleich, warum: «Für die Peated Edition etwa importieren<br />

wir über Torffeuer getrocknetes Malz aus<br />

Schottland. Die Reifung findet in Weisswein-Barriques<br />

aus der Bündner Herrschaft in einem Erdkeller<br />

in Passugg statt.» Und das Resultat? «Die Peated<br />

Edition erinnert an den Geruch von alten Eisenbahnschwellen<br />

– einmalig», schwelgt Willy. Für das<br />

100-Jahr-Jubiläum der Lia Rumantscha hat Orma einen<br />

Blend aus fünf verschiedenen Whiskys gemacht,<br />

die vorher fünf Jahre in allen fünf Regionen heranreiften,<br />

in denen die fünf verschiedenen Idiome der<br />

romanischen Sprache gesprochen werden.<br />

Whisky<br />

Genussexpress<br />

Auf der Fahrt von Chur nach St. Moritz<br />

gibt es fünf verschiedene Orma Whiskys zu<br />

degustieren, begleitet von passenden<br />

Vorspeisen. Auf dem Rückweg werden<br />

Hauptgang und Dessert serviert.<br />

Für das passende Ambiente sorgen zwei<br />

Dudelsackspieler.<br />

Weitere Infos unter:<br />

→ www.rhb.ch/de/freizeit-ausfluege und<br />

→ www.ormawhisky.ch<br />

Achtzehn Jahre warten<br />

Willy und Mittner machen unter anderem Whisky mit<br />

einem Arven-Finish; Whisky, der in der Nacht der<br />

Sommer- oder <strong>Winter</strong>sonnenwende abgefüllt wird,<br />

und Whisky für Babys. Nein – nicht für sofort! Der<br />

Whisky mit einem personalisierten Zertifikat kann<br />

erst bei Volljährigkeit auf dem Corvatsch abgeholt<br />

werden. Mit der Kapazität ihrer Brennerei auf 3303<br />

Metern über Meer könnten die beiden den Schweizer<br />

Markt überschwemmen. Tun sie aber nicht. Einfach,<br />

weil sie nicht wollen. «Von den meisten Editionen<br />

gibt es nur wenige Hundert Flaschen», sagt Willy.<br />

Käuflich erwerben kann man das Wasser des Lebens<br />

vom Corvatsch darum auch nicht beim Discounter um<br />

die Ecke. Sondern im Internet. Oder bei einem Besuch<br />

auf dem Corvatsch. Und natürlich im Whisky Genussexpress<br />

der Rhätischen Bahn. (ba)<br />

Whisky mit Bündner Bergseele:<br />

gebrannt auf dem Corvatsch.<br />

34 www.rhb.ch/contura


Haben Sie<br />

gut aufgepasst?<br />

Mitmachen und gewinnen<br />

Wer sich das <strong>Contura</strong> genau angeschaut<br />

hat, wird die folgenden Fragen<br />

mit Leichtigkeit beantworten können.<br />

Zu gewinnen: gluschtige<br />

«Tour de Bündnerland»<br />

Unter den richtigen Einsendungen verlosen<br />

wir 3 x 1 grossen Geschenkkorb<br />

«Rhätische Bahn» mit hofeigenen Bioprodukten<br />

von der Ranch Farsox inkl.<br />

1 Tageskarte (2. Klasse), gültig auf dem<br />

gesamten Streckennetz der RhB.<br />

Der Weltrekordzug besteht aus insgesamt 100<br />

1<br />

Was ist auf Daniel Meulis Bildern zu sehen?<br />

Wie heisst der Ermittler in Calonders neustem Krimiroman? Massimo …<br />

Welchen Kontinent durchquert «The Ghan»?<br />

4<br />

3<br />

2<br />

Wie heisst das Freeski- und Snowboard-Festival in der Bündner Hauptstadt?<br />

5<br />

Welchen Beruf übt Jeannette Schönholzer bei der RhB aus?<br />

6<br />

Lösungswort bitte einreichen via<br />

www.rhb.ch/contura-wettbewerb<br />

Einsendeschluss ist der 31. März 2023.<br />

Was heisst «Camera obscura» auf Deutsch übersetzt?<br />

Auf welchem Berg brauen Mittner und Willy ihren Bündner Whisky?<br />

7<br />

Die Teilnahme ist gratis und unverbindlich.<br />

Die Gewinnerinnen und Gewinner werden<br />

schriftlich benachrichtigt. Eine Barauszahlung<br />

der Preise ist nicht möglich.<br />

Über die Auslosung wird keine Korrespondenz<br />

geführt und der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Die persönlichen Daten werden<br />

vertraulich behandelt und nicht an Dritte<br />

weitergegeben.<br />

Wie heisst die Rheinschlucht auf Rätoromanisch?<br />

9<br />

In welches Land reist Clà Ferrovia?<br />

8<br />

10<br />

Verlosung<br />

35


Wenn die Welt<br />

Kopf steht<br />

Die «schwarze Kammer» auf dem Bernina<br />

Hoch ragt das Silo des Unterhaltsstützpunkts auf dem<br />

Berninapass in den Himmel. Es dient als Depot für<br />

Splitt und Salz, mit dem im <strong>Winter</strong> die Strasse präpariert<br />

wird. Zugleich ist der oberste Stock eine Camera<br />

obscura: Wer sie besucht, erlebt ein Spiel von Wirklichkeit<br />

und Wahrnehmung.<br />

Ein stockdunkler Raum, ein Loch in der Wand, einfallendes<br />

Licht: und schon steht die Landschaft des<br />

Berninapasses auf dem Kopf. Eine Handbreit Himmel<br />

nur trennt die schneebedeckten Gipfel der Cambrena-Bergkette<br />

vom schwarzen Boden des Silos. Darüber<br />

(!) zeichnen sich die Berghänge, der Gletscher<br />

und – zuoberst am Deckenrand – ein Teil des Lago<br />

Bianco ab, auf dem im <strong>Winter</strong> die Kitesurfer über die<br />

vereiste Wasseroberfläche flitzen. Guido Baselgia legt<br />

den Kopf in den Nacken und beobachtet die Autos,<br />

die an der Decke der Passstrasse Richtung Pontresina<br />

oder Poschiavo folgen. Auch wenn es im schummrigen<br />

Licht kaum zu sehen ist: Er lächelt.<br />

Nichts ist, wie es scheint<br />

Gründe dafür gibt es mindestens zwei. Erstens: Die<br />

Camera obscura ist mit ihrer Bildumkehrung im Abbild<br />

die Basis der Fotografie und der ersten Fotokameras.<br />

Seit seinem Studium ist der Bündner Fotograf von<br />

diesem Prinzip fasziniert: «Das Bild entsteht durch<br />

die Lichtstrahlen, die durch das Loch fallen. Da sich<br />

Licht immer gerade ausbreitet, treffen die Strahlen<br />

kopfüber und seitenverkehrt auf der Wand auf: Beim<br />

abgebildeten Aussenbild ist oben unten und rechts<br />

links. Nichts ist so, wie es scheint – und umgekehrt.<br />

Daran kann ich mich einfach nicht sattsehen.» Zweitens:<br />

Guido Baselgia hat diese weltweit höchstgelegene<br />

begehbare Camera obscura entworfen und<br />

realisiert. Und das kam so: Der Kanton Graubünden<br />

beschloss, auf dem Berninapass einen Unterhaltsstützpunkt<br />

bauen zu lassen, um die Passstrasse künftig<br />

auch im <strong>Winter</strong> durchgängig passierbar zu machen.<br />

Das Churer Architekturbüro Bearth & Deplazes<br />

erhielt den Auftrag und realisierte den Bau 2019. Das<br />

konkave Gebäude, in dem Räumfahrzeuge, Schneepflüge<br />

und -schleudern, Dienstwohnungen und<br />

Werkstätten untergebracht sind, fügt sich perfekt<br />

in die hochalpine Landschaft ein. Darüber thront –<br />

einem Leuchtturm gleich – ein 20 Meter hohes Betonsilo.<br />

Von Anfang an planten die Architekten, im<br />

obersten Stock des Turms eine öffentlich zugängliche<br />

Camera obscura einzurichten. Hier kam Guido Baselgia<br />

ins Spiel.<br />

Archaischer Brennpunkt<br />

Der 69-jährige Bündner aus Pontresina ist ein Meister<br />

der analogen Fotografie. Er widmete sich in der<br />

Vergangenheit der Reportage- und Architekturfotografie,<br />

ging mit der Grossbildkamera auf Expeditionen<br />

durch arktische Regionen und den tropischen<br />

Regenwald. Er entwickelt die Negative im eigenen Labor<br />

und belichtet sie im Silbergelatine-Verfahren auf<br />

grossformatige Fotopapiere. Seit mehr als 25 Jahren<br />

hat er sich ganz den Landschaften der Extreme verschrieben,<br />

zu denen er erst nach ausführlichen Recherchen<br />

aufbricht. Zudem setzt er sich seit Jahren<br />

intensiv mit astrophysikalischen Phänomenen auseinander.<br />

36 www.rhb.ch/contura


Bernina 37


Prossima fermata – Siloturm<br />

Mehr erfahren zur Camera obscura<br />

auf dem Berninapass.<br />

→ www.camera-obscura.ch<br />

In Baselgias Siloturm steht<br />

der Berninapass Kopf.<br />

Wird die Lochblende mit einem Zapfen<br />

verschlossen, ist es stockdunkel im Raum.<br />

38 www.rhb.ch/contura


«Als der Architekt Valentin Bearth mit der Anfrage<br />

wegen des Baus einer Camera obscura auf mich zukam,<br />

habe ich sofort zugesagt», erinnert sich Guido<br />

Baselgia. «Der Berninapass und seine Umgebung sind<br />

Teil der Landschaft meiner Kindheit. Ein archaischer<br />

Ort, der Phänomene wie Wasserscheide, Sprachgrenze<br />

und Wetterwechsel vereint. Ein Brennpunkt, der<br />

danach ruft, in Szene gesetzt zu werden. Und zwar<br />

mit der Urform der Camera obscura, die ohne jegliche<br />

technische Apparaturen funktioniert.»<br />

Ein eigenes Bild erschaffen<br />

Dann begann das Tüfteln. Denn der Siloraum ist eine<br />

Rotunde, die einen viel breiteren, panoramahaften<br />

Projektionswinkel zulässt als die plane Bildfläche eines<br />

für die Camera obscura üblichen Kastenraums.<br />

Seine vertrauten Modelle und Berechnungen halfen<br />

ihm hier also nicht weiter. «Position und Durchmesser<br />

der Lochblende sind essenziell, damit der richtige<br />

Bildausschnitt und die richtige Balance von Licht<br />

und Bildschärfe gewährleistet sind. Um sicher zu<br />

sein, dass es funktioniert, habe ich ein Modell nachgebaut<br />

und massstäblich runtergerechnet – es sollte<br />

ja auch eine möglichst interessante Aussicht zeigen.»<br />

Geschwitzt hat Baselgia trotzdem, als er schliesslich<br />

den Auftrag gab, den Mauerschlitz in die Betonwand<br />

zu fräsen. Um sich abzusichern, habe er zuvor in einer<br />

der Wohnungen, die sich im Werkgebäude befinden,<br />

einen Feldtest gemacht: «Das war ein Hammererlebnis:<br />

Man konnte von blossem Auge die ganze Baustelle<br />

erkennen – da war klar, die Idee funktioniert!»<br />

Damit sich die maximale Bildweite im Raum ausbreiten<br />

kann, wurde ein Lichttrichter, in den die Lochblende<br />

eingesetzt ist, in die Wand eingelassen.<br />

Der Aufwand hat sich gelohnt, die präzisen Berechnungen<br />

gingen auf: Die Lochblende, 15 Zentimeter<br />

unter der Decke, bildet den zentralen Gipfel der<br />

Bergkette auf dem Berninapass ab, den Piz Cambrena.<br />

Das Ergebnis entspricht einer Absicht, die Baselgia in<br />

seinem Schaffen verfolgt: Er präsentiert keine fertig<br />

ausformulierte Fotografie, sondern will den Betrachterinnen<br />

und Betrachtern ermöglichen, sich ihr<br />

eigenes Bild zu machen. «Wer den Siloturm hochsteigt,<br />

hat die Chance, sich anstatt auf eine spektakuläre<br />

Aussicht auf sein Innenbild einzulassen: auf<br />

das langsam aus der Dunkelheit aufscheinende Bild<br />

der Aussenwelt.» Begleitet von der Einsicht, dass auf<br />

die Wahrnehmung der Wirklichkeit nicht immer Verlass<br />

ist. (rea)<br />

Guido Baselgia<br />

Der 69-jährige Bündner<br />

aus Pontresina ist ein Meister<br />

der analogen Fotografie.<br />

Bernina 39


Durch das Herz<br />

Australiens<br />

Top-Ten-Züge<br />

Er verbindet Norden und Süden des australischen<br />

Kontinents und gilt als einer der legendärsten Züge<br />

der Welt: der Ghan. Auf fast 3000 Kilometern durchquert<br />

der Luxuszug das Outback und führt seine Fahrgäste<br />

mit Stil und Komfort in einige der faszinierendsten<br />

Teile Australiens.<br />

Der Ghan ist eine romantische Hommage an eine vergangene<br />

Ära der Fernreisen und macht die Reise zum<br />

Ziel. Die australische Zuglegende bietet eine Balance<br />

aus Komfort, Luxus und Abenteuer mitten durch das<br />

rote Herz und das tropische Top-End Australiens. Innert<br />

48 Stunden durchquert er vier Klimazonen und<br />

22,5 Breitengrade und verbindet dabei das im Süden<br />

gelegene Adelaide mit der nördlichsten Grossstadt<br />

Darwin. Mit einer Länge von 400 Metern und einer<br />

Gesamtmasse von 807 Tonnen rollt der Ghan auf einer<br />

Strecke von 3000 Kilometern durch den Kontinent.<br />

Der Zug setzt sich aus verschiedenen Wagen der Luxusklasse<br />

sowie erster und zweiter Klasse zusammen.<br />

Mobilitätsgeschichte<br />

Sein Name ist Geschichten zufolge eine Abkürzung von<br />

«The Afghan Express», wie die frühen Eisenbahner<br />

den Personenzug nannten. Er erinnert an die afghanischen<br />

Kameltreiber, die zwischen 1870 und 1920<br />

mit rund 20 000 Kamelen in den australischen Häfen<br />

ankamen, um den Gütertransport im Outback sicherzustellen.<br />

Die Kamele waren perfekt für die trockene<br />

australische Wüstenlandschaft geeignet. Ihr Einsatz<br />

erforderte jedoch erfahrene Führer, die folglich zusammen<br />

mit den Kamelen aus dem heutigen Indien,<br />

Pakistan und Afghanistan nach Australien verschifft<br />

wurden. Die Männer wurden «Afghans» oder kurz<br />

«Ghans» genannt.<br />

Dann kam die Motorisierung auf und immer mehr<br />

Strecken wurden per Schienennetz erschlossen. Ab<br />

1929 schlängelte sich der Ghan zwischen Adelaide und<br />

Alice Springs im Schmalspurbetrieb durch das Land.<br />

Nach der Fertigstellung der Zentralaustralischen Eisenbahn<br />

bis Alice Spings 1980 wurde der Ghan als<br />

Normalspurzug betrieben und erhielt seine heutige<br />

Gestalt. 2004 folgte die Erschliessung Darwins im<br />

Norden Australiens – ein grosser Fortschritt für den<br />

Tourismus im Northern Territory.<br />

Abenteuer jenseits der Gleise<br />

Von April bis Oktober verkehrt der Ghan einmal wöchentlich<br />

etwas gemütlicher von Darwin nach Adelaide.<br />

Mit einer verlängerten Dauer von drei Nächten<br />

bietet die «Ghan Expedition» ein Angebot mit Exkursionen<br />

und Erlebnissen. Es bleibt Zeit, um Alice Springs<br />

zu erkunden oder mit einem Kleinflugzeug zum Uluru<br />

zu fliegen, dem Inselberg, auch bekannt als Ayers<br />

Rock. Ein heiliger Berg für die Aborigines: In deren<br />

Schöpfungsgeschichte ist er das Zuhause der mystischen<br />

Regenbogenschlange. Am dritten Tag dann erreicht<br />

der Ghan den Aussenposten Manguri, von wo<br />

aus man sich in die wundersame Welt der Opalminenstadt<br />

Coober Pedy begibt. Dort lebt aufgrund der<br />

extremen Sommertemperaturen ein Grossteil der Bevölkerung<br />

unterirdisch in sogenannten «Dugouts».<br />

Nach ereignisreichen Tagen geht es für die Reisenden<br />

des Ghans weiter gen Süden bis nach Adelaide, wo die<br />

Gleise, nicht aber die Erlebnisse, zu Ende gehen. (sga)<br />

40 www.rhb.ch/contura


Worldwide 41


«Dieses Tal hat<br />

grosse Kraft»<br />

Die RhB im Krimi<br />

Er wuchs im Glarnerland auf, lebte 20 Jahre lang in<br />

Zürich, wohnt jetzt in einem 350-Seelen-Dorf im<br />

Bündnerland – und schreibt als Gian Maria Calonder<br />

Engadin-Krimis: Schriftsteller Tim Krohn, bekannt<br />

geworden mit seinen Romanen «Quatemberkinder»,<br />

«Vrenelis Gärtli» oder «Nachts in Vals», über seine<br />

Wahlheimat Val Müstair, sein Pseudonym und die RhB<br />

als Krimischauplatz.<br />

Zuerst 20 Jahre Zürich, jetzt seit rund acht Jahren<br />

in Santa Maria. Wie hat sich Ihr Leben in dieser<br />

Abgeschiedenheit verändert?<br />

Ich bin im Glarnerland aufgewachsen und war immer<br />

viel in den Bergen. Die Berge sind mir also nicht unbekannt.<br />

Zürich hingegen war eher ein Domizil, ein<br />

Ort, von wo aus ich durch die ganze Schweiz gereist<br />

bin. Die grosse Veränderung, die mein Leben erfahren<br />

hat, ist bei Weitem nicht nur durch den Umzug bedingt:<br />

Ich habe ausserdem geheiratet und mit meiner<br />

Frau vier Kinder bekommen.<br />

Anders als man denken würde, ist das Leben hier im<br />

Val Müstair viel geselliger als in der Stadt. Dort lebte<br />

ich allein in einer Genossenschaftssiedlung und hatte<br />

mit niemandem zu tun. Hier oben ist man aufeinander<br />

angewiesen und kommt schnell mit Menschen aus<br />

der Nachbarschaft ins Gespräch. In der Stadt bedient<br />

man sich einfach, hier oben muss und kann man sich<br />

einbringen, etwas zum Wohl des Tals beitragen, und<br />

das ist sehr schön.<br />

Gian Maria Calonder<br />

heisst eigentlich Tim Krohn.<br />

Unter dem Pseudonym veröffentlicht<br />

er Bündner Krimis.


Wie haben Sie sich in Santa Maria<br />

einbringen können?<br />

Wir sind schnell aktiv geworden und wurden deshalb<br />

gut aufgenommen. Die zwei Häuser, die wir hier<br />

erwerben konnten, hatten 30 Jahre lang leer gestanden.<br />

Sie sind vierhundert Jahre alt. Wir wohnen<br />

hier nun mit unserer Familie, meiner Mutter und den<br />

Schwiegereltern. Es war wichtig, dass wir diese Häuser<br />

gekauft und aufgemöbelt haben – so konnten wir<br />

die Leute im Dorf rasch für uns gewinnen. Und: Wir<br />

haben vier herzige Kinder. Im Dorf gibt’s nicht so viele<br />

Kinder, das ist definitiv ein Pluspunkt.<br />

Was denken Sie, welchen Vorteil haben Ihre Kinder<br />

von einem Leben am «Ende der Welt»?<br />

Zunächst muss ich sagen: Es ist nicht abgeschieden<br />

hier. Wir sind ein Durchgangsort und haben eine Million<br />

Autos und Motorräder pro Jahr, die vor unserem<br />

Haus vorbeifahren. Das soll sich ändern, aber momentan<br />

ist das so.<br />

Doch zurück zu den Vorteilen: Es gibt endlos viele! Die<br />

Natur ist extrem nah, ringsum gibt es Tiere; Geissen,<br />

Kühe, Hirsche im Garten, die Kinder reiten. Das ist<br />

alles sehr wertvoll. Die Lebensqualität hier ist einfach<br />

sehr hoch, wir gehören zur Biosfera Val Müstair,<br />

haben Biolandwirtschaft, saubere Luft. Es ist so viel<br />

da, es ist so eine reiche Gegend! Und das Tal hat grosse<br />

Kraft. Man merkt den Menschen an, dass es ihnen<br />

gut geht. Der Druck auf die Menschen – insbesondere<br />

die Jugendlichen – in der Stadt ist riesig. Ich habe<br />

ein Ziehkind, das in der Stadt gross geworden ist, und<br />

sehe eins zu eins den Unterschied. Sowohl Kinder wie<br />

auch Erwachsene sind hier oben in eine Gesellschaft<br />

eingebettet; man muss sich mit den Menschen auseinandersetzen<br />

und das ist wichtig und gut. In der<br />

Stadt geht alles auch dann seinen Gang, wenn man<br />

sich nicht einmischt.<br />

Was war der Auslöser für den Umzug<br />

ins Münstertal?<br />

Wir wollten in Vals ein Haus bauen, sind aber gescheitert:<br />

Es wurde immer teurer, es gab Einsprachen,<br />

dann wurde unser Bauland umgezont … Die<br />

Lage wäre traumhaft schön gewesen, inmitten einer<br />

Blumenwiese ausserhalb des Dorfes. Aber es sollte<br />

nicht sein.<br />

In meiner Langeweile ersteigerte ich alte Blockflöten<br />

auf Ricardo. Nach der vierten Flöte meinte meine<br />

Frau, ich solle doch besser nach anderen Häusern Ausschau<br />

halten. Die Kriterien waren einfach: ein günstiges<br />

Haus mit altem Garten in der Natur. Innerhalb<br />

weniger Tage kam dieses Haus in Santa Maria aufs Tapet.<br />

Im Januar 2013 sind wir dann dorthin gefahren.<br />

Der Makler hatte nicht mal die Fensterläden geöffnet<br />

und das Haus war seit Ewigkeiten unbewohnt, finster<br />

und dreckig. Aber wir waren sofort fasziniert. Als<br />

wir die 30 Quadratmeter grosse Gewölbeküche sahen,<br />

konnten wir uns vorstellen, wie unsere Kinder hier am<br />

Boden spielen. Wir wussten: Das ist perfekt für unsere<br />

Familie, perfekt, um unsere Kinder aufwachsen zu<br />

lassen. Wir mussten dann Geld auftreiben, was nicht<br />

einfach war. Und wir haben ein Jahr auf einer Baustelle<br />

gewohnt. Eine Woche vor der Geburt des zweiten<br />

Kindes konnten wir richtig einziehen.<br />

Kultur 43


Reden wir über Ihre Arbeit. Warum schreiben Sie<br />

die Krimis unter einem Pseudonym?<br />

Das hat damit zu tun, dass ich bereits bei einem Verlag<br />

unter Vertrag war, als die Anfrage für die Krimireihe<br />

kam. Ich wollte die Krimis aber unbedingt machen,<br />

weil ich das Geld brauchte, um die Chasa Parli –<br />

das wahrscheinlich schönste Haus im Tal – zu kaufen<br />

und zu renovieren, die wir jetzt an Kulturschaffende<br />

und Ferienreisende vermieten. Eben auch so ein<br />

alter Kasten, der zu zerfallen drohte. Der Vertrag mit<br />

meinem alten Verlag wurde dann aufgelöst, also<br />

wäre das Pseudonym schliesslich nicht nötig gewesen.<br />

Aber bei sogenannten Destinationskrimis, wie<br />

meine es sind, ist es durchaus üblich, dass der Autor<br />

einen Namen aus der Gegend trägt, in der die Geschichte<br />

spielt.<br />

Hat der gewählte Name eine besondere<br />

Bedeutung: Gian Maria Calonder?<br />

Mir war es wichtig, einen schönen, klingenden Namen<br />

zu wählen, der nicht so schwierig auszusprechen ist.<br />

Der Vorname ist eine Hommage an meinen Lieblingsschauspieler<br />

aus den 70er Jahren: Gian Maria Volonté.<br />

Und beim Nachnamen wollte ich keinen typischen<br />

Engadiner Namen wählen, weil ich dachte, das könnte<br />

Ärger geben. Also habe ich Calonder gewählt, einen<br />

seltenen surselvischen Namen. Das gab dann<br />

aber trotzdem Ärger mit einigen Engadinern, weil sie<br />

meinten, das sei ja keiner «von ihnen» und einen<br />

solchen Fremden würden sie grad verjagen.<br />

Welche Rolle spielt denn die RhB in den Krimis?<br />

Das ist unterschiedlich. In «Endstation Engadin»<br />

etwa, einem der Krimis, ist der Tunnelbau zentral, die<br />

RhB als Projektleiterin. Die Eisenbahn ist halt wirklich<br />

zentral für die hiesigen Bergregionen. Und die RhB<br />

hat einfach Charme, die Mitarbeitenden sind sympathisch,<br />

warten auch mal auf Reisende, helfen – die<br />

machen einen guten Job. Die RhB hat hier einen hohen<br />

kulturellen Wert und ich freue mich, dies in den<br />

Krimis beleuchten zu können.<br />

Wie entwickeln Sie die Geschichten? Reisen Sie an<br />

all die Orte, über die Sie schreiben? Wie gehen Sie<br />

vor, damit all die Details stimmig sind?<br />

Die Recherche ist ein wichtiger und grosser Teil eines<br />

Buches. Vor allem bei den Krimis ist es sehr wichtig,<br />

dass die Orte stimmen und dass das, was man<br />

beschreibt, auch möglich ist: Die Geschehnisse müssen<br />

nicht unbedingt wahrscheinlich sein, aber doch<br />

möglich. Beim Durchstich des Albulatunnels war ich<br />

zum Beispiel mit dabei – sonst hätte ich nicht darüber<br />

geschrieben. Ich schreibe aber häufig aus der Erinnerung,<br />

also einige Zeit nachdem ich irgendwo war.<br />

Wenn die Eindrücke noch frisch sind, funktioniert das<br />

Schreiben nicht so gut, es braucht ein wenig Distanz.<br />

Wenn das Buch in erster Fassung fertig ist, gehe ich<br />

aber nochmals vor Ort und überprüfe alle Details.<br />

Bevor Sie Krimiautor wurden, haben Sie diverse<br />

Romane geschrieben. Warum der Wechsel?<br />

Ich wollte eigentlich nie Krimis schreiben, weil sie<br />

garstig sind. Ich dachte immer, wie Menschen andere<br />

Menschen aus Missgunst oder Bosheit umbringen,<br />

darüber will ich nicht schreiben. Aber ich habe gemerkt:<br />

Es gibt durchaus auch tragische – krimiwürdige<br />

- Geschichten mit liebenswerten Menschen, so wie<br />

sie beispielsweise meinem Ermittler Massimo Capaul<br />

immer wieder begegnen. Und bei diesem liebenswürdigen<br />

Blick auf die Geschehnisse, da gehört eben die<br />

RhB dazu. Ohne die RhB wären die hiesigen Bergregionen<br />

nicht, was sie sind.<br />

Proxima fermada –<br />

weiterlesen<br />

Hier geht’s zum neusten Krimi<br />

«Engadiner Knochenbruch»<br />

→ www.kampaverlag.ch/<br />

gian-maria-calonder<br />

44 www.rhb.ch/contura


<strong>Winter</strong> der<br />

besonderen Art<br />

Die etwas anderen <strong>Winter</strong>tipps<br />

Tipp Nummer eins<br />

Tipp Nummer zwei<br />

Yoga auf der Skipiste<br />

Ski fahren und gleichzeitig Yoga praktizieren? Das<br />

geht! Auf dem «Yoga on Snow»-Parcours auf der<br />

Corviglia-Paradiso-Piste üben die Gäste ihre Skipraxis,<br />

kombiniert mit Yoga: Mit Instruktorin Sabrina<br />

Nussbaum absolvieren sie zwei Läufe mit je vier Posten,<br />

bei denen verschiedene Yogaübungen ausgeführt<br />

werden.<br />

→ www.suvretta-sports.ch<br />

Fische aus dem Eis<br />

Die Suche nach der perfekten Stelle für das Loch im<br />

Eis, die Mischung aus Spannung und Geduld:<br />

Eisfischen ist ein winterliches Outdoor-Erlebnis der<br />

besonderen Art. Neben Fischerausrüstung, Eisbohrer<br />

und warmer Kleidung braucht es für dieses Abenteuer<br />

auch ein Tagespatent, das online beantragt werden<br />

kann.<br />

→ www.sils.ch/eisfischen<br />

Tipp Nummer drei<br />

Tipp Nummer vier<br />

Jacuzzi auf fast<br />

3 000 Metern<br />

41 Grad auf 2978 Meter über Meer – das ist selten,<br />

aber nicht unmöglich: Beim Berghaus Diavolezza gibt’s<br />

einen herrlich warmen Jacuzzi. Mit dem Körper im<br />

sprudelnden Wasser und dem Blick auf die weiss gepuderten<br />

Bergspitzen ist der Alltag ganz weit weg. Eindrücklich<br />

auch nachts unter dem funkelnden Sternenhimmel.<br />

→ www.corvatsch-diavolezza.ch<br />

Im Galopp durch<br />

den Schnee<br />

Wer schon immer davon geträumt hat, einmal wie im<br />

Märchen durch den Schnee zu reiten, hat in Thusis die<br />

Gelegenheit dazu. Die Pferde kennenlernen, aufsatteln<br />

und dann mit den wilden Vierbeinern durch die<br />

winterliche Landschaft des Hinterrheins reiten – ein<br />

unvergessliches Erlebnis.<br />

→ www.reitstall.gr<br />

Auf dem Radar<br />

45


Ein magisches<br />

Abenteuer wartet<br />

Unterwegs mit Kinderkondukteur Clà Ferrovia<br />

Der <strong>Winter</strong> sei kalt, dunkel und langweilig, denkt ihr?<br />

Dann lasst euch von Clà Ferrovia das Gegenteil beweisen!<br />

Auf seiner Reise ins Lichterland gilt es, so manches<br />

Abenteuer zu bestehen.<br />

Bündnerlands hinauskommt, der kennt offenbar Clà<br />

Ferrovia noch nicht. Denn unser Kinderkondukteur<br />

reist mit etwas Fantasie als Treibstoff mit den «Kurzen»<br />

an Orte, die noch nicht einmal einen richtigen<br />

Namen haben.<br />

Dass die roten Züge der Rhätischen Bahn Gross und<br />

Klein genauso wie Einheimische und Gäste aus fernen<br />

Ländern durch den ganzen Kanton chauffieren,<br />

ist weitherum bekannt. Aber wer denkt, dass man<br />

mit der RhB nicht über die Grenzen des schönen<br />

Kennt ihr zum Beispiel schon das geheimnisvolle<br />

Lichterland? Man erzählt sich, dass dort ein magisches<br />

Adventslicht leuchtet … Die Schwierigkeit: Nur wer<br />

das Licht findet, kann es auch wirklich sehen. Zum<br />

Glück weiss Clà Ferrovia, wo sich dieser märchenhafte<br />

Wörter raten<br />

Weisst du, wie die deutschen Wörter auf Rumantsch Grischun<br />

und Italienisch heissen? Ordne sie richtig zu.<br />

(Lösungen Rumantsch Grischun / Italienisch)<br />

1. Eisenbahn Viafier / Ferrovia<br />

2. Gleis Binari / Binario<br />

3. Billett Bigliet / Biglietto<br />

4. Fahren/reisen Viagir / Viaggiare<br />

5. Bahnhof Staziun / Stazione<br />

6. Brücke Punt / Ponte<br />

7. Abenteuer Aventura / Avventura<br />

8. Berg Muntogna / Montagna<br />

9. Wasser Aua / Acqua<br />

10. Sonne Sulegl / Sole<br />

11. Wind Vent / Vento<br />

12. Schnee Naiv / Neve<br />

46 www.rhb.ch/contura


Das Wichtigste für die Kurzen<br />

Die Reise ins Lichterland ist geeignet für Kinder ab vier Jahren. Mitbringen müsst<br />

ihr wetterfeste, der Jahreszeit entsprechende Kleidung und gutes Schuhwerk.<br />

Im Lichterland gibt’s für alle «Kurzen» und «Langen» einen kleinen Imbiss.<br />

→ www.cla-ferrovia.ch<br />

Ort befindet – und er nimmt euch gerne mit auf ein<br />

lichterfülltes Abenteuer. Begleitet werdet ihr von Clàs<br />

Freund Linard Bardill und seiner Gitarre. Gemeinsam<br />

werdet ihr auf der Reise ein Adventslied einüben und<br />

die Zugwaggons mit weihnachtlicher Stimmung erfüllen.<br />

Die Welt von Clà Ferrovia<br />

Kinderkondukteur Clà Ferrovia führt ein abenteuerliches<br />

Leben. Er arbeitet schon über hundert Jahre bei<br />

der RhB und hat deswegen immer die spannendsten<br />

Geschichten zu erzählen. Mit seinen dampfenden<br />

Lokomotiven oder der imposanten Krokodillok kann<br />

Clà jeden Ort der Welt erkunden – und auf diese<br />

Abenteuerreisen nimmt er euch gerne mit. Und keine<br />

Sorge: Den Eisenbahnwaggon, den er bewohnt, räumt<br />

er vor eurem Besuch husch, husch auf, damit auch sicher<br />

alle Platz haben.<br />

1. Eisenbahn<br />

2. Gleis<br />

3. Billett<br />

4. Fahren/reisen<br />

Muntogna<br />

Binari<br />

Sulegl<br />

Staziun<br />

Ponte<br />

Vent<br />

Naiv Ferrovia<br />

Avventura Neve<br />

Acqua<br />

Montagna<br />

Punt<br />

Binario<br />

Sole<br />

Viagir<br />

Bigliet<br />

Abenteuer 7.<br />

Berg 8.<br />

Wasser 9.<br />

Sonne 10.<br />

5. Bahnhof<br />

Aventura<br />

Biglietto<br />

Viafier<br />

Vento<br />

Wind 11.<br />

6. Brücke<br />

Viaggiare<br />

Aua<br />

Stazione<br />

Schnee 12.<br />

Clà Ferrovia<br />

47


«Nur wo man zu Fuss war,<br />

ist man gewesen»<br />

Fensterplatz<br />

Sie sind am Bahnhof Pontresina mit der Kletterausrüstung<br />

unterwegs. Schon auf dem Rückweg oder<br />

noch auf dem Weg zum Gipfel?<br />

Beides. Wir waren auf der Boval-Hütte und jetzt<br />

geht’s mit dem Zug Richtung Morteratschgletscher.<br />

Danach sehen meine Frau und ich weiter.<br />

Sie sind mit der RhB unterwegs. Was gefällt Ihnen<br />

am besten?<br />

Von der Gegend her ganz klar die Albulastrecke von<br />

Chur ins Engadin. Die vielen Brücken und Viadukte,<br />

das ist einmalig. Was immer auch auffällt: die<br />

Freundlichkeit des Zugspersonals.<br />

Was heisst weiter?<br />

Die Gletscher sind in einem desolaten Zustand. Die<br />

Klimaerwärmung setzt ihnen enorm zu. Dadurch ist<br />

ihre Begehung auch gefährlich geworden. Darum<br />

schauen wir jetzt, wie weit wir kommen, ohne zu<br />

grosse Gefahren einzugehen.<br />

Sie kommen aus der Innerschweiz. Da gibt es ja auch<br />

Berge. Was fasziniert Sie an Graubünden?<br />

Eindeutig die Gletscher. Der Piz Palü, der Biancograt<br />

und überhaupt das ganze Berninamassiv – das<br />

ist einmalig. Und eben: Wer weiss, wie lange es das<br />

alles noch gibt.<br />

Die Züge halten sich an einen Fahrplan. Gibt es auch<br />

einen Fahrplan für Ihr Leben?<br />

Nein, das wäre zu vermessen. Im Gegensatz zu den<br />

Bahnstrecken sieht man ja auf der Lebensstrecke nie<br />

wirklich, welche Bahnhöfe und Weichen auf einen<br />

warten. Aber ich habe ein Motto: Man ist nur dort<br />

wirklich gewesen, wo man zu Fuss war.<br />

Arnold Martin<br />

ist passionierter Berggänger<br />

und wohnt in Unterschächen,<br />

Kanton Uri.<br />

48


Aussteigen,<br />

bitte<br />

Ihre nächsten Anschlüsse<br />

Highlights der kulinarischen<br />

Genussreisen <strong>2022</strong> / 23<br />

8. / 9. Dez.<br />

Magie Genussexpress – im nostalgischen<br />

Gourmino Speisewagen erleben Sie magische<br />

Momente mit Zauberkünstler Tino Plaz<br />

31. Dez.<br />

Silvesterfahrt – lassen Sie die Korken knallen<br />

Die RhB online<br />

Rhätische Bahn AG<br />

Bahnhofstrasse 25<br />

CH-7001 Chur<br />

Tel +41 81 288 65 65<br />

Fax +41 81 288 61 05<br />

railservice@rhb.ch<br />

→ www.rhb.ch<br />

Neuigkeiten und Austausch mit<br />

uns und anderen RhB-Fans.<br />

→ www.rhb.ch/facebook<br />

Stimmungsvolle Ein- und Ausblicke<br />

unter dem Hashtag #rhaetiansensation.<br />

→ www.rhb.ch/instagram<br />

ab<br />

6. Jan.<br />

Vollmondfahrten – zum Heulen schön<br />

Jeden zweiten Freitag<br />

Arosa Genussexpress –<br />

kulinarisch durch den Abend<br />

BLOG<br />

Aktuelles Gezwitscher<br />

von unserer RhB-Front.<br />

→ www.rhb.ch/twitter<br />

Spannende Filme und exklusive<br />

Einblicke hinter unsere Kulissen.<br />

→ www.rhb.ch/youtube<br />

Faszinierende Geschichten<br />

rund um die Rhätische Bahn.<br />

→ www.rhb.ch/blog<br />

Weitere kulinarische Genussreisen<br />

→ www.rhb.ch/kulinarik<br />

Ausblick<br />

Die nächste <strong>Contura</strong>-Ausgabe<br />

erscheint im Frühling 2023.


www.rhb.ch<br />

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Foto: Daniel Meuli / www.danielmeuli.com<br />

Foto: Daniel Meuli / www.danielmeuli.com

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