01.12.2022 Aufrufe

syndicom magazin Nr. 32

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

26<br />

Aus dem<br />

Leben von ...<br />

Mensur Memedi: «Ich schlafe nur gut,<br />

wenn ich anderen helfen konnte»<br />

Mensur Memedi ist 39 Jahre alt und<br />

Familienvater. Kurz nach der Jahrtausendwende<br />

migrierte er als 19-Jähriger<br />

aus Mazedonien in die Schweiz, wo<br />

sein Vater schon seit einem Jahrzehnt<br />

gearbeitet hatte. Er kam damals frisch<br />

vom Gymnasium und schrieb sich an<br />

der Universität Bern ein. Sein Fach:<br />

die Politikwissenschaften. Doch nach<br />

sechs Semestern fehlte seiner Familie<br />

das Geld. Um seine Familie zu unterstützen,<br />

suchte er sich einen Job –<br />

er fand diesen beim Arbeitgeber seines<br />

Vaters, der Schweizerischen Post. Dort<br />

ist Memedi in verschiedenen Funktionen<br />

bis heute tätig. Er arbeitet in der<br />

Agglomeration Bern und wohnt im<br />

Kanton Freiburg. Memedi ist aktives<br />

Mitglied von <strong>syndicom</strong>.<br />

Text: Basil Weingartner<br />

Bild: Alexander Egger<br />

«Ich möchte mich gern<br />

politisch einbringen»<br />

Ohne Gewerkschaften geht es nicht.<br />

Denn letztlich wollen alle Unternehmen<br />

ihrem Personal möglichst wenig<br />

bezahlen. Überall bei der Arbeit werden<br />

Menschen ungerecht behandelt.<br />

Ich habe Bekannte mit einer Migrationsgeschichte,<br />

die für dieselbe<br />

Arbeit viel weniger verdienten als<br />

Kolleg:innen mit Schweizer Pass.<br />

Deshalb braucht es Institutionen,<br />

die helfen. Bei meinen Bekannten<br />

hat die Gewerkschaft interveniert<br />

und Lohnerhöhungen herausgeholt.<br />

Ich bin einer, der probiert, überall zu<br />

helfen, wo er kann.<br />

Ich bin nicht nur Gewerkschafter,<br />

sondern auch Teamleiter bei der<br />

Post. Zu meiner Stelle bin ich durch<br />

Zufall gekommen. Als temporärer<br />

Angestellter konnte ich meine Fähigkeiten<br />

unter Beweis stellen.<br />

Ich kümmerte mich zunächst um<br />

das Verteilsystem und pflegte speziell<br />

Kundenwünsche ein. Schon bald<br />

war ich für die Planung der gesamten<br />

Touren in der Region Bern verantwortlich<br />

– und festangestellter stellvertretender<br />

Teamleiter. Später rückte<br />

ich zum Teamleiter nach. Nun<br />

führe ich 18 Angestellte. Die eine<br />

Gruppe besteht aus Frühaufstehern.<br />

Die andere Gruppe besteht aus Paketzustellern.<br />

Daneben leite ich auch Teamworkshops<br />

und bin Verantwortlicher<br />

für Lean Management. Dieses wird<br />

auch Kaizen genannt und hat seinen<br />

Ursprung in den Autowerken von<br />

Toyota in Japan. Kaizen versucht das<br />

Potenzial aller Angestellten zu nutzen,<br />

um den Betrieb erfolgreich zu<br />

machen. Die Leute an der Front wissen<br />

besser, was es braucht, um Abläufe<br />

zu optimieren. Die Philosophie<br />

ist folgende: Verschwendung eliminieren<br />

– aber nicht, um Personal einzusparen,<br />

sondern um die Zeit des<br />

Personals sinnvoller zu nutzen. Lean<br />

Management ist wertschätzend gegenüber<br />

den Angestellten. Diese können<br />

sich einbringen und empfinden<br />

Stolz, wenn die Ideen umgesetzt werden.<br />

Auch wird so eine konstruktive<br />

Fehlerkultur geschaffen.<br />

Das passt auch zu meiner eignen<br />

Lebensphilosophie und meinem<br />

muslimischen Glauben: Abends<br />

kann ich nur gut schlafen, wenn ich<br />

anderen geholfen habe. Wir sollten<br />

alle gemeinsam an einem Strang<br />

ziehen. Jeder bringt etwas mit, von<br />

dem du selber lernen und profitieren<br />

kannst. Nur so entsteht eine friedliche<br />

Welt.<br />

Zusammen mit meiner Familie<br />

habe ich mich vor einigen Jahren einbürgern<br />

lassen. Dabei habe ich gesehen,<br />

dass die Einbürgerung in der<br />

Schweiz nicht nur teuer ist, sondern<br />

auch von Kanton zu Kanton, von<br />

Gemeinde zu Gemeinde sehr unterschiedlich<br />

funktioniert. Das ist willkürlich.<br />

Ich möchte mich gerne politisch<br />

einbringen, um das zu ändern.<br />

Auch Einbürgerungen müssen gerecht<br />

sein. Gerechtigkeit ist überall<br />

entscheidend.<br />

Die Leute gehen arbeiten, damit<br />

sie genug Geld für sich und ihre Familie<br />

haben. Doch viele werden einfach<br />

nur ausgebeutet. Wenn man das<br />

mitbekommt, muss man den Leuten<br />

helfen, sonst macht man sich zum<br />

Mittäter.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!