30.11.2022 Aufrufe

Büchereiperspektiven 2/22: Lesen fördern. Vermittlung für alle Zielgruppen

Lesekompetenz ist die Basis für Bildung, kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe. In dieser Ausgabe finden Sie Vermittlungsangebote für alle Zielgruppen. Die Bedeutung des Vorlesens, der Wert von Mehrsprachigkeit, Möglichkeiten des barrierefreien Lesens, Wege der digitalen Leseförderung und das Zusammenspiel von Lesen, Schreiben und Reden werden thematisiert.

Lesekompetenz ist die Basis für Bildung, kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe. In dieser Ausgabe finden Sie Vermittlungsangebote für alle Zielgruppen. Die Bedeutung des Vorlesens, der Wert von Mehrsprachigkeit, Möglichkeiten des barrierefreien Lesens, Wege der digitalen Leseförderung und das Zusammenspiel von Lesen, Schreiben und Reden werden thematisiert.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

LESEN FÖRDERN I LESEN, REDEN, SCHREIBEN<br />

Publikum bei Lesungen. Wir haben auch festgestellt, dass<br />

Gruppen, die dieselben Lektürevorlieben teilen, es länger<br />

miteinander aushalten.<br />

häufig mit Lebenserfahrung verschränkt. Da kann es schon<br />

passieren, dass ein Buch Auslöser <strong>für</strong> andere der Gruppe<br />

wichtige Auseinandersetzungen ist.<br />

FOTO: NDAB CREATIVITY/SHUTTERSTOCK.COM<br />

Welche Bücher werden in Lesegruppen behandelt und wie<br />

kommt die Lektüreauswahl zustande?<br />

Was gelesen wird, bestimmt die Gruppe (oder die Gruppenleitung)<br />

selbst. Ausschlaggebend bei der Entscheidung sind<br />

die Dispositionen und Erfahrungen der einzelnen Mitglieder<br />

in kultureller und pragmatischer Hinsicht – und die Gruppendynamik.<br />

Persönlicher Geschmack, Lektüre- und Lebenserfahrung,<br />

Literaturwissen, Reflexionsvermögen oder die<br />

schlichte Tatsache, ob ein Buch als Taschenbuch erhältlich<br />

ist, beeinflussen die Lektürewahl stärker als Empfehlungen<br />

Dritter, Berühmtheit, Literaturpreise, Rezensionen.<br />

Wie wird in Lesegruppen über Literatur gesprochen?<br />

Das ist sehr unterschiedlich und hängt von der jeweiligen<br />

Gruppenidentität und der Organisationsstruktur ab.<br />

Einige Konstanten haben wir aber gefunden: Es wird ein<br />

Geschmacksurteil gefällt, erklärt, oft auch begründet. Man<br />

stellt Fragen an den Text und die Gruppe, die zu Meinungsaustausch<br />

führen, Lesarten werden miteinander abgeglichen,<br />

Rätselhaftes wird gelöst. Persönliche Bezüge zum<br />

Thema spielen in der Lektüre und danach in der Diskussion<br />

eine nicht zu unterschätzende Rolle. Leseerfahrung wird<br />

Wie unterscheidet sich die Dynamik der Diskussion bei virtuellen<br />

Treffen?<br />

Es macht einen Unterschied, ob sich eine Präsenzgruppe<br />

hie und da virtuell trifft oder ob die Gruppe als Online-Treffen<br />

konzipiert ist. Reine Online-Lesegruppen sind nicht nur<br />

wesentlich unbeständiger in der Besetzung, sie verwenden<br />

auch mehr Zeit auf die Herstellung einer guten kommunikativen<br />

Basis. Was man in Präsenz mit Augenzwinkern, Nicken<br />

oder einem stummen Grinsen mitteilt, da<strong>für</strong> bedarf es online<br />

jeder Menge Icons und anderer Formen der Kommunikationspflege.<br />

Das ist mitunter mühsam und bedarf einer sehr<br />

guten Moderation.<br />

Wie kann man Menschen motivieren, an einer Lesegruppe<br />

teilzunehmen und dabei zu bleiben?<br />

Für Kontinuität und Verbindlichkeit ist die Gruppenidentität,<br />

die Zugehörigkeit bietet, wichtig. Wenn sich Menschen<br />

ernst genommen fühlen und einbringen können, kann das<br />

gelingen. Das Zauberwort ist Beteiligung. Damit sich in einer<br />

institutionalisierten, hierarchisch strukturierten Gruppe eine<br />

stabile Gruppenidentität entwickeln kann, bedarf es wohl<br />

sehr guter Vorbereitung.<br />

FOTO: BARBARA MAIER<br />

IM INTERVIEW<br />

Doris Moser ist Literaturwissenschafterin<br />

an der Universität<br />

Klagenfurt, Mitherausgeberin der<br />

Werke Christine Lavants und forscht<br />

zu Literaturpreisen, -betrieb und<br />

-rezeption. Sie hat ein FWF-Projekt<br />

zur Lesegruppenforschung geleitet.<br />

Doris Moser, Claudia Dürr (Hg.):<br />

Über Bücher reden. Literaturrezeption<br />

in Lesegemeinschaften<br />

V&R unipress 2021. Open Access<br />

unter: www.vr-elibrary.de/doi/<br />

pdf/10.14<strong>22</strong>0/9783737013239<br />

https://lesegruppen.aau.at<br />

Was ist Ihr persönliches Interesse an dem Forschungsgegenstand?<br />

Mein Onkel hat mich öfter nach Leseempfehlungen <strong>für</strong> seinen<br />

Literaturkreis gefragt. Ich wurde neugierig und habe<br />

gebeten, an einem Abend dabei sein zu dürfen. Das war<br />

ebenso vergnüglich wie erkenntnisreich. Denn da hatte man<br />

nicht statistische Größen vor sich, sondern reale Menschen<br />

in einer natürlichen Situation, die ihre Bedürfnisse, Ansprüche<br />

und Wünsche an Bücher zu formulieren vermögen. Was<br />

<strong>für</strong> ein Erkenntnisschatz <strong>für</strong> die Rezeptionsforschung!<br />

Haben Sie einen aktuellen Buchtipp <strong>für</strong> eine Lesegruppe?<br />

Die mit dem Bachmannpreis ausgezeichnete Helga Schubert<br />

hat wunderbar lakonische, berührende Texte, meist kurze<br />

Geschichten, geschrieben, die viel zu wenig bekannt sind.<br />

Also empfehle ich den Band „Vom Aufstehen: Ein Leben in<br />

Geschichten“, der den Siegertext von 2020 enthält, und wie<br />

ein Gegenstück zu dem Band „Lauter Leben“ aus 1975 zu<br />

lesen ist, der neu aufgelegt wurde (beide dtv).<br />

<strong>Büchereiperspektiven</strong> 2/<strong>22</strong><br />

31

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!