Grenzuntersuchung im Liegenschaftskataster

4.1 Die Bedeutung der Abmarkung 39
Bodennutzung ausreicht; wenn es auf den genauen Grenzverlauf ankommt, muss vermessen
werden.« 4 Für Baumaßnahmen ist dies unumgänglich. Insofern ist es zukünftig
zu überdenken, ob eine öffentlich-rechtliche begründete, formale Abmarkungspflicht,
wie sie beispielsweise in NRW ausgeübt wird, in der vorliegenden Form sinnvoll ist.
Die Abmarkung genießt einen besonderen, dagegen wenig beachteten Schutz 5 . Abmarkungen
werden vielfach – unbeabsichtigt, aber durchaus auch bewusst 6 – zerstört
oder entfernt 7 . Bei Baumaßnahmen ist dies gang und gäbe, doch vielfach unnötig,
wenn bekannt wäre, wie mühsam und teuer eine neue Abmarkung von Grenzpunkten
sein kann. »Erfahrungen zeigen, daß die beteiligten Baufirmen keinerlei Rücksicht auf
Grenzmarken nehmen und oftmals nach Abschluß ihrer Arbeiten eine Katasterwüste
hinterlassen.« [212] Hier zeigt sich sehr deutlich der Widerspruch in der Abmarkungspflicht
mit dem verbundenen Verwaltungsaufwand und der tatsächlichen, praktischen
Bedeutung oder Anerkenntnis einer Abmarkung.
Selbst im Katasterwesen wird die Bedeutung der Abmarkung geringer als früher
eingeschätzt. Es ist daran zu erkennen, dass Abmarkungen als solche in Katasterkarten
nicht oder immer weniger dargestellt sind 8 . Die Katasterkarte, als Basis-
Informationsträger und Bestandteil von Geoinformationssystemen soll nur reine Grundinformationen
oder Grundrissinformationen enthalten 9 .
Die örtlich markierten Grenzen als ein Bezug zur Sicherung des Eigentums sind
nach wie vor bedeutsam, haben sich aber gewandelt und abgeschwächt. Die Eigentumssicherung
des Grund und Bodens geht zumindest bei festgestellten Grenzen eher
vom Katasternachweis aus, nicht von der örtlichen Kennzeichnung. Während früher
eine Mauer oder ein Zaun als Grenzeinrichtung der allgemeinen Sicherheit vor äußeren
Einflüssen diente, sind es heute gesicherte Kellerfenster oder Haustüren, die dieses
leisten müssen. Sicherheit hat heutzutage also keinen direkten Grenzbezug mehr.
Wenn von einem Eigentümer auf seinem Grundstück das Haus gebaut und der
Zaun gezogen wurde, haben Grenzmarkierungen für ihn einen geringen oder keinen
Bedeutungsgehalt mehr. Nichtfachleute und Unbedarfte sehen es auch so: »Dank moderner
Vermessungsmethoden sind Grenzsteine praktisch überflüssig geworden. Sie
passen nicht mehr in eine Zeit, in der trennende Grenzen erfreulicherweise mehr und
4 Seeger [95]
5 Besondere Bedingungen sind an Staatsgrenzen gegeben:
»Die Markierung von staatlichen Grenzen wird nach allgemeiner Rechtsauffassung zu den
justizfreien Hoheitsakten gerechnet. Rechtsbehelfe gegen die Maßgeblichkeit des festgestellten
und markierten Grenzverlaufs sowie gegen dessen Übernahme in das Liegenschaftskataster sind
deshalb nicht gegeben.« [321] S. 142
6 In früheren Jahrhunderten wurde dies als Grenzfrevel bezeichnet, dies bedeutet:
»Eine verbrecherische Beseitigung oder Veränderung von Grenzzeichen.« [363]
7 Eine Strafverfolgung findet praktisch nicht statt, wohl deshalb, weil der Nachweis eines Vorsatzes
sehr schwierig sein dürfte. Im Strafgesetzbuch (StGB) steht dies unter § 274 [Veränderung einer
Grenzbezeichnung] (s. Anhang A und [273]). Die Tatsache eines strafrechtlich geschützten
Grenzzeichens ist ein Indikator für die Abmarkung als ein Verwaltungsakt auch ohne Vorhandensein
eines Abmarkungsgesetzes als eine öffentlich-rechtliche Festlegung.
8 Zeichenvorschrift-Aut NRW (ZV-Aut): Folie 51 (Allgemeine Hinweise b))
9 In diesem Zusammenhang soll darauf hingewiesen werden, dass eine besondere Darstellung von
Eigentumsgrenzen in der Katasterkarte als sinnvoll angesehen wird. Im Zuge der Weiterentwicklung
von ALKIS als Zusammenschluss von Liegenschaftskarte und Liegenschaftsbuch sollte
diese durch automatische Vorgänge bei der Übernahme angestrebt werden.
Kapitel 4