Grenzuntersuchung im Liegenschaftskataster

232 Fuhrmann, Grenzuntersuchung
6.5 Sollstellung und Istwerte im Koordinatenkataster
(Analyse) und deren Konsequenzen
6.5.1 Die Analyse der Grundlage
Eine Analyse 100 dient zunächst immer einer wertungsunabhängigen Klarstellung, nicht
unbedingt einer Problemlösung. Sie verdeutlicht Teilaspekte und schärft Sachverhalte
und Bezüge. Sie sollte die Vorstufe einer Problem- oder Verfahrenslösung sein. Behandelt
werden hier Koordinaten von Vermessungspunkten im Liegenschaftskataster,
speziell im Koordinatenkataster.
Koordinaten entstehen numerisch bei der
a) Sollstellung von Neupunkten
a1) durch Fiktion
Werden im Koordinatenkataster einem Punkt Koordinaten als Sollwerte zugeordnet,
ist dies ein fiktiver oder feststellender Vorgang. Koordinaten sind hier
punktbestimmend (bestimmende Koordinaten 101 ) und Urmaßen vergleichbar.
Sie sind rechtsbestimmend (⇒ konstitutiv). Diese Koordinaten einer fiktiven
Grenze müssen rechtlich substanziell sein, sonst wäre eine Grenzfeststellung ohne
Abmarkungen oder Kennzeichnungen nicht vorstellbar. Wie diese Koordinaten
entstanden sind, ist später aus den Zahlenwerten allein nicht zu erkennen 102,103
und nach der Katasterübernahme und bei einer späteren Grenzuntersuchung bei
entsprechender Widmung eigentlich ohne Bedeutung. Änderungen festgestellter
und festgesetzter Koordinaten wären zum einen nur durch eine gerichtliche Entscheidung
möglich, falls sich zivilrechtlich falsche Eingangsvoraussetzungen oder
eine andere Rechtslage ergeben würde, oder sie sind aufgrund eines Aufnahmefehlers
zu berichtigen, wenn sie nicht den verbindlichen Willen des Eigentümers
repräsentieren.
Diese Sollkoordinaten stehen für sich allein – abgesehen von der notwendigen
Kenntnis der Systemzugehörigkeit. Insofern kann ihnen keine Genauigkeitsstufe
angehängt werden. Erst wenn eine Übertragung in die Örtlichkeit erfolgt, kann
die Frage nach der Genauigkeit der Abmarkung durch ein erfolgtes Aufmaß beantwortet
werden. Erst dann kann im Grunde nicht den Koordinaten, sondern
dem Vorgang der Kennzeichnung der Grenzpunkte Genauigkeitskriterien unterstellt
oder zugeordnet werden.
Während bei früheren Sonderungen eher Abstände, Parallelitäten, andere geometrische
Bedingungen und Festmaße als punktbestimmend angesehen wurden und i. d. R. auch
100
⇔ »systematische Untersuchung eines Gegenstandes oder Sachverhalts hinsichtlich aller einzelnen
Komponenten oder Faktoren, die ihn bestimmen« [365]
101
VermKatG [60] § 11(4)
102
»Zahlen haben kein Gedächtnis.«
103
Eine schlechte Eigenschaft von Koordinaten gegenüber einer Rissdarstellung besteht auch darin,
dass aus ihnen ohne größeren Aufwand nicht erkennbar ist, wann sie entstanden sind. Bei direkten
Maßangaben in Rissen ist die Kenntnis des geometrischen oder grafischen Zusammenhangs,
dem ‚Wo‘, und das ‚Wann‘ und ‚Wie‘ von großem Vorteil!