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Grenzuntersuchung im Liegenschaftskataster

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6.4 Mehrdeutigkeiten und Ermessen in der <strong>Grenzuntersuchung</strong> 229<br />

stehende Entscheidungsfindungen können auf fehlerhaften, nicht geprüften oder oberflächlich<br />

herbeigeführten Fakten beruhen. Besonders spürbar wird dies bei der Beurteilung<br />

von beigebrachten Vermessungsschriften durch die Prüfer in den Katasterämtern.<br />

Bei einer rein formalen Prüfung von Vermessungsschriften geht der Kontext einer<br />

Messung verloren oder kann auch nicht erkannt werden, wenn und weil nicht alle erkannten<br />

Kriterien und Feinheiten, die in der Bearbeitung auftraten, sich auch in den<br />

Vermessungsschriften widerspiegeln.<br />

Die vielfach benutzte Redewendung ›nach sachverständigem Ermessen‹ gehört zu<br />

den unbest<strong>im</strong>mten Rechtsbegriffen und ist daher <strong>im</strong> Regelfall auslegungsbedürftig<br />

oder sie bedarf einer Begründung.<br />

Nach einem Gerichtsurteil 92 bedeutet dies für die »mit der Vermessung beauftragten Stellen<br />

keinen Ermessensspielraum <strong>im</strong> Sinne des allgemeinen Verwaltungsrechts, etwa dergestalt,<br />

daß zwischen mehreren gleichwertigen Lösungen die Auswahl getroffen werden könne, sondern<br />

daß unter Anwendung der allgemein anerkannten Regeln der Vermessungstechnik eine – vom<br />

Gericht voll überprüfbare – Entscheidung getroffen werden müsse.« [39] Unter ›allgemein anerkannten<br />

Regeln der Vermessungstechnik‹ werden dort die Vorschriften des niedersächsischen<br />

Fortführungserlasses II betreff der ›Feststellung der Grenzen‹ verstanden. Bei der Berücksichtigung<br />

wirtschaftlicher Gesichtspunkte bei einer Grenzfeststellung noch nicht festgestellter<br />

Grenzen kommt es nicht »aus der Sicht eines beteiligten Grundstückseigentümers an, sondern<br />

auf die Wirtschaftlichkeit des Vermessungsverfahrens. « Figge [39]<br />

Wohlgemerkt: Hintergrund dieses Urteils war die Abmarkung einer Grenze, die noch nie abgemarkt<br />

war und deren Unterlagen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammten.<br />

Das Verwaltungsverfahrensgesetz [66] spricht durchgängig von einem ›pflichtgemäßen‹<br />

Ermessen, d. h. den Gesetzen und Vorschriften unterworfen. Unter ›billigem‹<br />

Ermessen (BGB § 315ff.) wird das verstanden, was beiden Parteien <strong>im</strong> Streitfall zugute<br />

kommt und was in vergleichbaren Fällen üblich ist.<br />

Die Abbildung 6.42 zeigt Ermessenskriterien, deren Aufzählung sicherlich nicht vollständig<br />

ist. Die Ausübung des Ermessens hat aufgrund der Parametervielfalt nicht<br />

vermeidbare eklektische Züge. Die verwendeten Kriterien sollten begründbar, nachvollziehbar<br />

oder zumindest einsichtig sein.<br />

Allerdings: Der Ausdruck ‚ eklektische Züge‘ kennzeichnet nur die Oberfläche einer<br />

Entscheidung. Vielmehr sind hier auch psychologische Prozesse <strong>im</strong> Gange, die<br />

Kraft langjähriger, angesammelter Erfahrung als ‚ intuitiv‘ gelten 93 , wobei Entscheidungen<br />

als richtig und vertretbar erscheinen. Diese Intuition ist unvermeidbar,<br />

wenn Entscheidungen unter Zeitdruck getroffen werden müssen.<br />

Und weiter: Nicht jeder Ermessensschritt muss beispielsweise vor der Katasterbehörde<br />

begründet werden; vor allem wenn die Vorschriftenlage eindeutig ist. Die<br />

Ermessensvorstellungen des Prüfers können natürlich anders sein; vielfach liegen<br />

hier unbewusste Wunschvorstellungen zugrunde, die vielleicht realisierbar<br />

wären, aber zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht waren.<br />

92 OVG Lüneburg, III OVG A 62/72, 18.6.1974 [39] Dieses Urteil bezieht sich auf das damals gültige<br />

Vermessungs- und Katastergesetz in Niedersachsen. Diese Redewendung wird in den jetzt in<br />

Niedersachsen gültigen Katastervorschriften noch verwendet: siehe [346] 2.3.2 Grenzermittlung<br />

93 [383] S. 70f.<br />

Kapitel 6

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