Grenzuntersuchung im Liegenschaftskataster

6.4 Mehrdeutigkeiten und Ermessen in der Grenzuntersuchung 225
schutz zu berücksichtigen. Die Beteiligten sind hinzuzuziehen, wobei eine willkürliche Grenzänderung
ausgeschlossen werden muss 87 . (vgl. auch 4.)
11. Längen von wichtiger, unmittelbarer Bedeutung; dazu gehören Grundstücksbreiten,
Grenzlängen an Straßenfronten und Wegebreiten. Wegebreiten deswegen
auch, weil sie einen großen Einfluss auf die damit verbundenen geometrischen
Bedingungen ausüben (Geradlinigkeit, Parallelität). Übereinstimmende
Grundstückstiefen und -breiten sind wesentliche Angaben für die feststehende
Größe eines Grundstücks (§ 920(2) BGB).
Dazu gehören auch die vielfach in Entstehungsrissen (nicht unbedingt auch in den Grenzniederschriften)
nachgewiesenen Orthogonalitäten, wenn Grenzen von Baugrundstücken
senkrecht auf Straßengrenzen stehen.
12. Die Zuverlässigkeit der Punktlage. Je mehr verschiedene oder unabhängige,
übereinstimmende Bestimmungen (Redundanz) vorliegen, desto höher ist die
Wertigkeit der daraus ermittelten Punktlage. Damit wird in Abhängigkeit
von der Genauigkeit die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Lage höher. Dazu
gehören auch Punkte, deren Lagekoordinaten in Ausgleichungsverfahren nach
dem Zahlenwerk des Katasternachweises entstanden sind.
Durch Ausgleichung berechnete, aus Überbestimmungen herrührende Koordinaten haben
vor der Verwendung reiner punktbestimmender Maße dann einen Vorrang, wenn deren
direkte Anschlüsse unsicher erscheinen und eine weitere Ausdehnung des Bearbeitungsgebietes
erforderlich ist. Man bedenke: Auch in eine Ausgleichung gehen punktbestimmende
Maße ein; die Gewichtung der Elemente ist entscheidend.
13. Die örtliche Lage eines vorgefundenen, zunächst nach Augenschein unversehrten,
aufrechten bzw. standsicheren Grenzzeichens bei älteren Vermessungen,
wenn bei relativen Punktbestimmungen im Katasternachweis die
neueren Vergleichsmessungen innerhalb der Fehlergrenzen liegen, die zum
Zeitpunkt der Entstehung des Grenzpunktes eine Gültigkeit hatten oder bei
danach erfolgten, feststellenden Verwaltungsakten (auch hier von Wichtigkeit:
Bestandsschutz oder Rückwirkungsverbot). Treten im Zahlenwerk des
Katasternachweises nicht behebbare Widersprüche auf, so hat die Lage der
Abmarkung eine hohe Beweiskraft.
14. Die Nachbarschaft ist zu berücksichtigen, wenn durch Netzspannungen eine
Verteilung nötig ist. Nicht signifikante, stochastische Abweichungen – als
unregelmäßige Abweichungen z. B. bei Transformationen erkennbar – sollten
nachbarschaftlich nicht verteilt werden. In Verbindung mit Soll-Koordinaten
werden, sonst können Verteilungen dabei geometrische Bedingungen nachteilig
beeinflussen. Innerhalb der unmittelbaren Nachbarschaft wird nur verteilt,
wenn zu vermutende systematische Abweichungen bei den Nachbarpunkten
zu erwarten sind.
15. Die fiktive Festlegung eines Punktes, wenn viele, mehr oder weniger gleichwertige
Bedingungen oder maßliche Angaben vorliegen und berücksichtigt
werden müssen. Eine zunächst unabhängig anmutende, aber wahrscheinlich
87 Diese Fälle treten vor allem durch die Nachkriegsbebauung in durch Kriegseinwirkung zerstörten,
inneren Ortslagen ein. Vielfach würden sonst bei einer starren Handhabung der Urmessung –
bei allen Unzulänglichkeiten der Anschlüsse – in diesen Fällen „ Überbauten konstruiert“.
Kapitel 6