Grenzuntersuchung im Liegenschaftskataster

116 Fuhrmann, Grenzuntersuchung
Geht man beispielsweise von einer Standardabweichung von 1,5 bis 2 cm bei den gemessenen
SAPOS ® -Koordinaten aus, so wäre eine Streichung bei Abweichungen von kaum über 3 oder
4 cm zwischen zwei Koordinatenmessungen (Doppelmessung) äußerst eng, zu eng. Bei einer
derartigen Differenz kann man eine zusätzliche Messung zur Mittelbildung vertreten, jedoch
keine Streichung der ersten Messungen, auch wenn eine gleichmäßige Verteilung nicht vorzuliegen
scheint (Abbildung 5.29 b)). Deswegen kann gerade bei GPS-Messungen eine mehrfache
Mittelung vorkommen, die man belassen sollte. Hinzu kommen bei GPS-Messungen durch
meistens durchgeführte, zusätzliche terrestrische Aufnahmen genauere, unterstützende Daten
hinzu, die die Mittelung verbessern (innere Genauigkeit). Wenn demnach bei Doppelmessungen
im direkten Vergleich Grenzwertüberschreitungen auftreten, so können die Mittelwerte
oder Sollwerte im Vergleich zu den gemessenen Ergebnissen hinreichend sein. Dies führt auch
zur Forderung, bei auftretenden, größeren Abweichungen ohne Streichungen dieser Messungen
durch weitere, auch mehrfache Messungen die Standardabweichung der Mittelbildung zu
verringern.
Nur bei einseitigen Verteilungen können Streichungen von Messwerten vertretbar
sein, wenn dies wirklich plausibel erscheint. Doch aus der Erfahrung heraus sind Streichungen
in den wenigsten Fällen zu vertreten. Als vermessungstechnische „ Moral “
kann deshalb angesehen werden: 81
● »Man streiche Beobachtungen (Messwerte) nur dann, wenn
man sie sicher als fehlerhaft erkannt hat.« (5.25)
Gerade bei zuverlässigen Messungen besteht die Möglichkeit, Ausreißer ohne Nachmessungen
zu entfernen, obwohl nicht bekannt ist, wo dessen Ursachen liegen. Dies
ist allgemein bei direkten Punktbestimmungen machbar. Bei zusammengesetzten Elementen,
die einer umfangreicheren Fehler- (Varianz-)fortpflanzung unterliegen 82 , ist
eine solche alleinige Entscheidung zu Gunsten zweier übereinstimmender Ergebnisse
auch bei kontrollierten Messelementen kritisch. Die Streichung eines Ausreißers – abgesehen
wenn ein Fehler eindeutig erkannt wird – hängt letztendlich ebenso davon ab,
inwieweit ein solcher Messwert das Ergebnis beeinflussen würde (⇒ äußere Zuverlässigkeit).
Es besteht keine Veranlassung, einen Wert ohne Kenntnis der Fehlerursache
zu streichen, wenn bei genügender Überbestimmung dessen Auswirkung nicht signifikant
ist.
Zum Anderen muss aber auch in Abhängigkeit von den Anschlusspunkten erkannt
werden können – gerade in der Ausgleichungsrechnung –, ob Ausreißer vorliegen können.
Eine Angabe dazu enthält der folgender Auszug: Nach [109] S. 144 »muss die
Standardabweichung der Koordinaten unter 2,5 cm liegen, um lineare Abweichungen
über 7 cm als Ausreißer erkennen zu können. . . . Es ist also eindringlich vor Gefahr zu
warnen, die Standardabweichung überzubewerten. Dies würde zwangsläufig zu einer
Gefährdung der Richtigkeit führen. Die Folge davon wäre ein erhöhter Überprüfungsaufwand
bzw. eine erhebliche Effektivitätseinbuße des Koordinatenkatasters.« Das
Letztere würde gleichfalls bedeuten, abgesehen von unabhängigen Mehrfachmessungen,
eher mehr und andere Anschlusspunkte zu verwenden, um solche Möglichkeiten
auszuschalten.
81 [97] S. 366, s. auch [68] 17.3(3)
82 Beispiel: Bei der Bestimmung eines Knotenpunktes bei Polygonzügen