Baselland Business 2/2022 Deutsch / Special Nachhaltigkeit
Wirtschaftsguide für die Region Basel-Landschaft in deutscher und englischer Sprache
Wirtschaftsguide für die Region Basel-Landschaft in deutscher und englischer Sprache
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BL<br />
<strong>Business</strong><br />
Der Wirtschaftsguide für die<br />
Region Basel-Landschaft<br />
<strong>2022</strong><br />
Wirtschaftsminister<br />
Guy<br />
Parmelin<br />
Bundesrat Guy Parmelin<br />
hat intensive Monate<br />
hinter sich. Im Interview<br />
mit BL <strong>Business</strong> spricht er<br />
über die wirtschaftliche<br />
Lage, die Versorgungssicherheit<br />
mit Energie<br />
und den Anschluss an<br />
das europäische Forschungsprogramm<br />
Horizon.<br />
<strong>Special</strong>:<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
Die Zukunft<br />
der Energie<br />
Wohin führt der Weg der<br />
Schweizer Energieversorgung<br />
- Sonne, Wind, Holz,<br />
Wasserkraft? Oder neue<br />
Technologien wie<br />
Power-to-X mit grünem<br />
Wasserstoff oder gar die<br />
nächste Generation von<br />
Kernkraftwerken? Ein<br />
Blick in das Energiejahr<br />
2050.<br />
Swiss<br />
Innovation<br />
Challenge <strong>2022</strong><br />
Die aiEndoscopic AG hat<br />
im Bereich der Beatmung<br />
künstliche Intelligenz mit<br />
robotischer Endoskopie<br />
verbunden, die Perovskia<br />
Solar AG bietet digital<br />
gedruckte, anpassbare<br />
Solarzellen für Erstausrüster<br />
an und die Spirecut<br />
SA entwickelt ultraschallgeführte<br />
chirurgische<br />
Instrumente.
Gute Geschäfte in …<br />
Casablanca<br />
AB<br />
CHF 70.–<br />
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STUNDE<br />
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Kontakte<br />
Haus der Wirtschaft<br />
Tagungs- und Eventcenter (TEC)<br />
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«Panama», «Casablanca», «Amazonas», «Malawi», «Camargue», «Mumbai», «Malibu»<br />
lässt sich mit innovativen Ideen die Welt erobern.<br />
Mitglieder der Wirtschaftskammer profitieren von attraktiven Vorzugskonditionen.<br />
Foto: Themenraum «Casablanca»
Inhalt<br />
12<br />
20<br />
26<br />
50<br />
4 Bundesrat Guy Parmelin<br />
8 Christoph Buser,<br />
Direktor Wirtschaftskammer <strong>Baselland</strong><br />
10 Die Energiezukunft<br />
12 Zauberwort Wasserstoff<br />
17 Chancen mit Photovoltaik<br />
20 Wohin mit der E-Mobilität?<br />
24 Florian Tresch, Leiter <strong>Nachhaltigkeit</strong> BLKB<br />
26 Swiss Innovation Challenge <strong>2022</strong><br />
30 Thomas Kübler,<br />
Leiter Standortförderung <strong>Baselland</strong><br />
32 Labels – Was sind sie wert?<br />
34 David Bosshart, Präsident Duttweiler-Stiftung<br />
37 Archroma<br />
38 European Food Trends Report<br />
40 Nachhaltige Fischzucht in Birsfelden<br />
42 Swiss Sustainability Challenge (SSC)<br />
44 Holz – der natürliche Baustoff<br />
48 Schweizer Salinen<br />
50 Sanfter Tourismus im Baselbiet<br />
52 Die neue Waldenburgerbahn<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 3
Interview Guy Parmelin<br />
«Anpassungsfähigkeit<br />
wird unterschätzt»<br />
Bundesrat und Wirtschaftsminister<br />
Guy Parmelin hat intensive<br />
Monate hinter sich. Im<br />
Interview spricht er über die<br />
wirtschaftliche Lage, die<br />
Versorgungssicherheit mit<br />
Energie, und den Anschluss an<br />
das europäische Forschungsprogramm<br />
Horizon.<br />
Interview: Daniel Schaub<br />
BL <strong>Business</strong>: Herr<br />
Bundesrat Parmelin,<br />
Sie sind am 24. November<br />
wieder<br />
einmal Gast in<br />
der Wirtschaftsregion<br />
Basel. Was<br />
beeindruckt<br />
sie an diesem<br />
Standort?<br />
Guy Parmelin:<br />
Die Wirtschaftsregion<br />
Basel ist ein<br />
unglaublicher<br />
Motor für die<br />
Schweizer Wirtschaft.<br />
Denken Sie<br />
nur an die Pharmabranche,<br />
die einen<br />
grossen Beitrag am<br />
wirtschaftlichen Erfolg der<br />
Schweiz leistet. Aber nicht nur<br />
das. Erst kürzlich konnte ich in<br />
dieser Region den grössten Innovationspark<br />
von Switzerland Innovation<br />
eröffnen. Das unterstreicht, wie<br />
attraktiv dieser Standort ist.<br />
Die Wirtschaft hat schwierige<br />
Monate hinter und vor sich: die<br />
Corona-Pandemie, die Energiekrise,<br />
die Inflation, Lieferengpässe,<br />
Fachkräftemangel, die<br />
Zinswende. Wo sehen Sie die<br />
Schweizer Wirtschaft in der<br />
Ist-Analyse im November <strong>2022</strong>?<br />
Wie erwartet, hat sich die Erholung<br />
der Schweizer Wirtschaft von der<br />
Corona-Krise im Verlauf dieses<br />
Jahres fortgesetzt. Die aktuellen<br />
Konjunkturindikatoren vermitteln<br />
aber ein gemischtes Bild. Die<br />
Teuerung in der Schweiz bewegt<br />
sich weiterhin auf einem verhältnismässig<br />
moderaten Niveau. Die günstige<br />
Entwicklung des Arbeitsmarkts<br />
dürfte den privaten Konsum weiterhin<br />
stützen. Das internationale<br />
Umfeld ist aber herausfordernd. Der<br />
Krieg in der Ukraine, die hohen<br />
Inflationsraten in vielen Ländern<br />
und die Entwicklung in China lasten<br />
auf der Weltwirtschaft. Auch die<br />
Straffung der Geldpolitik hat<br />
natürlich einen Einfluss auf die<br />
Schweiz, den es zu bewältigen<br />
gilt.<br />
Kürzlich fand ein<br />
weiterer Austausch<br />
zwischen<br />
Ihnen, den<br />
Wirtschaftsverbänden,<br />
den Aussenhandelskammern<br />
und<br />
weiteren<br />
Vertretern der<br />
Schweizer<br />
Exportwirtschaft<br />
statt.<br />
Wie nehmen Sie<br />
die Stimmung bei<br />
den wichtigen<br />
Unternehmen im<br />
Land derzeit wahr?<br />
Trotz eines anspruchsvollen<br />
Umfelds und vielfältiger<br />
Herausforderungen zeigte sich<br />
die Exportwirtschaft insgesamt<br />
zuversichtlich. Unsere Exporteure<br />
haben gelernt, mit Krisen umzugehen.<br />
Was mich im Kontakt mit<br />
ihnen immer wieder beeindruckt,<br />
ist, dass sie sich nicht von widrigen<br />
Bedingungen aufhalten lassen,<br />
sondern mit viel Eigeninitiative und<br />
4 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
innovativem Geist Lösungen finden.<br />
Der Bund setzt sich weiterhin für<br />
möglichst günstige Rahmenbedingungen<br />
ein, beispielsweise beim<br />
Zugang zu ausländischen Märkten.<br />
Die aktuell diskutierte Energiemangellage<br />
im kommenden<br />
Winter ist nicht unbedingt ein<br />
neues Phänomen in der Schweiz.<br />
Warum sind wir aktuell stärker<br />
beunruhigt als in früheren<br />
Wintern?<br />
Die Schweiz ist im Winter immer<br />
auf Gas- und Stromimporte aus dem<br />
europäischen Ausland angewiesen,<br />
beim Gas zu 100 Prozent. Die<br />
Ausgangslage für diesen Winter ist<br />
aber doch recht einmalig. Der<br />
Ukraine-Krieg hat uns allen gezeigt,<br />
wie verletzlich und abhängig die<br />
europäische Energieversorgung ist.<br />
Dies gilt insbesondere fürs Gas, ein<br />
Energieträger, der gerade in<br />
<strong>Deutsch</strong>land auch zur Stromproduktion<br />
genutzt wird. Hinzu kamen<br />
Revisions- oder Reparaturarbeiten<br />
an über der Hälfte der französischen<br />
Atomkraftwerke, eine für die<br />
Schweiz wichtige Stromquelle im<br />
Winter. Und dann gab es auch noch<br />
logistische Probleme, welche die<br />
Versorgung der Schweiz mit Mineralölprodukten<br />
erschwerten. Dies<br />
alles führte zu einer fragilen<br />
Situation. Der Bundesrat hat<br />
deshalb in den vergangenen Monaten<br />
viel unternommen, um die<br />
Versorgungssicherheit der Schweiz<br />
mit Energie zu stärken.<br />
Sie haben jüngst in Aussicht<br />
gestellt, dass die Energiekrise<br />
die Schweiz noch zwei, drei<br />
weitere Jahre beschäftigen<br />
könnte? Wie soll und kann<br />
die Wirtschaft, die<br />
aktuell und dann vor<br />
allem im Jahr 2023 von<br />
starken Preiserhöhungen<br />
belastet ist, damit<br />
umgehen?<br />
Um mit den höheren<br />
Strompreisen umzugehen,<br />
haben die Unternehmen<br />
verschiedene privatwirtschaftliche<br />
Möglichkeiten, wie den Abschluss<br />
langfristiger Lieferverträge oder<br />
den Wechsel auf eine Beschaffung<br />
zu flexiblen Preisen. Wie sich die<br />
Preise im Winter 2023 entwickeln<br />
werden, können wir nicht abschätzen.<br />
Unternehmen können aber<br />
bereits jetzt ihre Strompreise für<br />
den Winter 2023/2024 absichern<br />
oder durch Investitionen in ihre<br />
Energieeffizienz ihre Widerstandsfähigkeit<br />
stärken.<br />
Der Bundesrat hat einen Notfallplan<br />
für den kommenden Winter<br />
erarbeitet. Was passiert, wenn es<br />
nach den bereits eingeleiteten<br />
Sparmassnahmen, möglichen<br />
Einschränkungen und Kontingentierungen<br />
zum Äussersten<br />
kommen würde, der Abschaltung<br />
von Stromlieferungen?<br />
Das wäre in der Tat «Ultima Ratio»<br />
und würde bedeuten, dass alle<br />
vorangehenden Massnahmen, mit<br />
denen versucht wurde, diesen<br />
schlimmsten aller Fälle zu verhindern,<br />
nicht gefruchtet haben. Ich<br />
hoffe nicht, dass es so weit kommen<br />
wird. Einerseits, weil die Bewohnerinnen<br />
und Bewohner sowie die<br />
Unternehmen in diesem Land<br />
vorher die Notbremse ziehen und<br />
sich weiter einschränken werden.<br />
Andererseits, weil wir Reserven<br />
aufgebaut und Absprachen getroffen<br />
haben. Trotzdem ist es unerlässlich,<br />
sich auch auf diese Situation vorzubereiten.<br />
In einem von Krisen und Unsicherheiten<br />
geprägten Umfeld ist<br />
es nicht ganz einfach, die Unternehmen<br />
von <strong>Nachhaltigkeit</strong>sthemen<br />
wie der Energiestrategie<br />
2050 und anderen Transformationsprozessen<br />
zu überzeugen.<br />
Wie finden wir hier die Balance<br />
zwischen Versorgungssicherheit<br />
und den Zielen der Dekarbonisierung?<br />
Dafür gibt es im Moment kein<br />
pfannenfertiges Rezept, denn innerhalb<br />
von weniger als einem Jahr hat<br />
sich die Ausgangssituation grundlegend<br />
verändert. Wir müssen jetzt<br />
Wege finden, um unsere Wärmeund<br />
Energieversorgung sicherzustellen,<br />
und gleichzeitig die Klimaziele<br />
anpeilen. Immerhin: Ich bin<br />
fest überzeugt, dass uns die gegenwärtige<br />
Krise die Augen geöffnet<br />
und den Prozess beschleunigt hat.<br />
Wenn wir mit dem heutigen Elan<br />
weiterarbeiten können, werden wir<br />
schon vor 2050 deutliche Fortschritte<br />
machen.<br />
Kann die Energiewende wirtschaftlich<br />
auch eine Chance für<br />
die Schweiz sein?<br />
Durchaus. Die Schweizer Wirtschaft<br />
ist in einer guten Ausgangslage. Die<br />
Energieintensität ist im Vergleich<br />
zum Ausland tiefer und wir haben<br />
dank der Wasserkraft bereits einen<br />
sehr hohen Anteil an erneuerbaren<br />
Energien. Ich bin zudem überzeugt,<br />
dass die Anpassungsfähigkeit<br />
unserer Unternehmen immer<br />
wieder unterschätzt wird. Wichtig<br />
ist, den Unternehmen möglichst viel<br />
Freiraum zu geben, damit sie<br />
ihre Energiesparpotenziale<br />
und ihre Beschaffungsstrategie<br />
möglichst optimal<br />
umsetzen können.<br />
Viele Branchen<br />
klagen über Fachkräftemangel<br />
– gerade<br />
die schon von der<br />
Corona-Krise betroffenen<br />
Branchen wie<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 5
Der Boden ist genau wie<br />
unsere Haut ein lebendiges,<br />
atmendes Ökosystem.<br />
Er ist die lebendige Haut<br />
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Durch die Integration von Kompost<br />
wird mehr CO2 gebunden als emittiert.<br />
Der Energiefußabdruck unseres<br />
Unternehmens ist klimaneutral.<br />
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Gesundheit oder Gastronomie,<br />
aber auch die IT- oder aktuell die<br />
Energiebranche. Wie können wir<br />
diesem Defizit zielführend<br />
begegnen?<br />
Ausmass und Ursachen von Fachkräftemangel<br />
sind je nach Beruf<br />
unterschiedlich. Deshalb sind auch<br />
die Lösungsansätze unterschiedlich.<br />
Um dem Fachkräftemangel bestmöglich<br />
zu begegnen, braucht es ein<br />
leistungsfähiges Bildungs- und<br />
Weiterbildungssystem und einen gut<br />
funktionierenden, flexiblen Arbeitsmarkt.<br />
Die Branchen sind aber auch<br />
selber aufgerufen, Lösungsansätze<br />
zu entwickeln, um als Ausbildner<br />
und Arbeitgeber attraktiv zu sein.<br />
Das fehlende Rahmenabkommen<br />
mit der EU bringt schon spürbare<br />
Nachteile mit sich, etwa die<br />
Situation des Forschungs- und<br />
Innovationsstandortes Schweiz<br />
im Rahmen von europäischen<br />
Programmen wie «Horizon». Wie<br />
kann dieser unsichere Standortfaktor<br />
so rasch wie möglich<br />
behoben werden?<br />
Die rascheste Lösung wäre natürlich<br />
die Assoziierung am Horizon-Paket –<br />
das ist und bleibt unser Ziel. Aber<br />
für Verhandlungen braucht es zwei<br />
Parteien und die EU ist momentan<br />
nicht bereit. Derweil federn wir die<br />
Auswirkungen der Nicht-Assoziierung<br />
mit einem Strauss an Massnahmen<br />
ab. Beispielsweise fördert<br />
Innosuisse mit dem «Swiss Accelerator»<br />
Schweizer Start-ups und<br />
KMU, die nicht an den Ausschreibungen<br />
des European Innovation<br />
Council teilnehmen können. Und in<br />
Horizon-Programmteilen, in denen<br />
Schweizer Forschenden mitmachen<br />
können, finanzieren wir diese<br />
direkt. Unabhängig davon hat der<br />
Bundesrat im Februar entschieden,<br />
dass er mit der EU Gespräche über<br />
die Weiterführung des bilateralen<br />
Weges führen will. Diese Sondierungsgespräche<br />
laufen und der<br />
Bundesrat wird noch in diesem Jahr<br />
eine erste Bilanz ziehen und das<br />
weitere Vorgehen festlegen.<br />
Wo stufen Sie die Schweiz in<br />
global wichtigen Wirtschaftszweigen<br />
wie der Digitalisierung,<br />
der Technologisierung und der<br />
Automatisierung ein. Hinken wir<br />
im Vergleich nicht etwas hinterher?<br />
Wir können uns sicher noch verbessern,<br />
aber in internationalen Rankings<br />
zu Innovation oder Digitalisierung<br />
schneidet die Schweiz sehr gut<br />
ab. Wir gelten sogar als Innovationsweltmeister.<br />
Trotz der guten Ausgangslage<br />
muss die Schweiz aber<br />
laufend die Rahmenbedingungen<br />
überprüfen, um den Veränderungen<br />
gerecht zu werden und der Wirtschaft<br />
zu ermöglichen, die sich<br />
durch die Digitalisierung bietenden<br />
Chancen zu nutzen.<br />
Die Schweizer Wirtschaft hat sich<br />
zuletzt als durchaus krisenfest<br />
erwiesen. Was machen wir nach<br />
wie vor anders oder besser als<br />
andere?<br />
Ein Faktor, der entscheidend zur<br />
Widerstandsfähigkeit der Schweizer<br />
Wirtschaft beiträgt, ist die<br />
Branchenstruktur. Die Schweizer<br />
Wirtschaft ist diversifiziert, es gibt<br />
verschiedene erfolgreiche Branchen.<br />
Wichtige Bereiche der<br />
Schweizer Industrie haben sich<br />
wiederholt als äusserst krisenresistent<br />
erwiesen, so etwa die chemisch-pharmazeutische<br />
Industrie.<br />
Auch in der aktuellen Krise ist die<br />
Schweiz bisher weniger stark<br />
betroffen als andere europäische<br />
Länder. Die Inflation lag im Oktober<br />
in der Schweiz bei 3,0 Prozent,<br />
während sie etwa in <strong>Deutsch</strong>land<br />
auf 11,6 Prozent angestiegen ist.<br />
Vorteilhaft für die Schweiz ist<br />
derzeit auch, dass der Anteil der<br />
Energie bei den Konsumausgaben<br />
der Haushalte weniger hoch ist als<br />
in anderen Ländern.<br />
Zur Person: Guy Parmelin<br />
Der 63-jährige Waadtländer Guy Parmelin<br />
ist seit 2015 Bundesrat und seit 2019<br />
Vorsteher des Eidgenössischen Departementes<br />
für Wirtschaft, Bildung und<br />
Forschung (WBF). Zuvor war er drei Jahre<br />
Verteidigungs- und Sportminister der<br />
Schweiz. Parmelin wuchs auf dem elterlichen<br />
Bauernhof in Bursins auf. Nach dem<br />
Gymnasium in Lausanne schloss er eine<br />
Berufslehre als Landwirt mit dem Diplom<br />
der Landwirtschaftsschule in Marcelin<br />
ab. 1985 erhielt er den eidgenössischen<br />
Fachausweis Betriebsleiter Meisterlandwirt<br />
mit Weinbau. Bis zur Wahl in den<br />
Bundesrat bewirtschaftete er mit seinem<br />
Bruder das familieneigene Landwirtschafts-<br />
und Weingut in Bursins und war<br />
Vizepräsident des Verwaltungsrates der<br />
Unternehmensgruppe der Schweizerischen<br />
Agrarwirtschaft (Fenaco).<br />
In die Politik stieg er als Gemeindeund<br />
später als kantonaler Grossrat ein.<br />
2003 wurde er für die SVP in den Nationalrat<br />
gewählt. 2015 wurde er von der<br />
eidgenössischen Bundesversammlung als<br />
Nachfolger von Eveline Widmer-Schlumpf<br />
in den Bundesrat gewählt. Im Jahr 2021<br />
war der verheiratete Parmelin Bundespräsident.<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 7
Interview Christoph Buser<br />
«<strong>Nachhaltigkeit</strong> ist<br />
Treiber für Innovation<br />
und Entwicklung»<br />
Das vorliegende Magazin ist die<br />
zweite Publikation von <strong>Baselland</strong><br />
<strong>Business</strong> und die erste<br />
Spezialausgabe. Wir haben uns<br />
mit Wirtschaftskammer-Direktor<br />
Christoph Buser über die<br />
Hintergründe von <strong>Baselland</strong><br />
<strong>Business</strong> und über <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
unterhalten.<br />
Patrick Herr<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> ist eine<br />
Initiative der Wirtschaftskammer<br />
<strong>Baselland</strong>. Was darf man<br />
darunter verstehen?<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> ist eine Initiative<br />
der Wirtschaftskammer <strong>Baselland</strong>.<br />
Zu <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong><br />
gehören rund 100 bedeutende<br />
produzierende Unternehmen im<br />
Kanton Basel-Landschaft. Ich habe<br />
diese Unternehmen alle persönlich<br />
besucht und den Dialog zu den<br />
Unternehmerinnen und Unternehmern<br />
gesucht. In den nächsten<br />
Jahren kommt ja einiges auf unsere<br />
Wirtschaft zu. Stichworte sind die<br />
Digitalisierung, Energiefragen,<br />
Fachkräftemangel und Mobilität.<br />
Dieser Austausch, diese Reise<br />
durch unsere Wirtschaft war für<br />
mich persönlich und selbstverständlich<br />
auch für die Wirtschaftskammer<br />
<strong>Baselland</strong> sehr wertvoll.<br />
Es gab spannende Einblicke,<br />
intensive Gespräche, auch einige<br />
Überraschungen sowie eine grosse<br />
Bandbreite an Themen, die über die<br />
geplanten Gesprächsthemen<br />
hinausgingen. Aus dieser Wirtschaftsreise,<br />
die länger als ein Jahr<br />
gedauert hat, ist dann <strong>Baselland</strong><br />
<strong>Business</strong> entstanden. Und die<br />
Themen, die ich aufgenommen<br />
habe, werden nun natürlich weiter<br />
vertieft.<br />
Im Frühjahr haben Sie das erste<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>-Magazin herausgegeben.<br />
Warum ein weiteres<br />
Magazin?<br />
Ja, mit dem «<strong>Business</strong> Report»<br />
haben wir im Frühling dieses Jahres<br />
ein erstes Magazin unter dem Label<br />
«BL <strong>Business</strong>» veröffentlicht. Dies,<br />
weil es bis heute nichts Vergleichbares<br />
im Kanton Basel-Landschaft<br />
gegeben hat oder gibt. Anhand von<br />
interessanten Porträts und Geschichten<br />
über Menschen und<br />
Produkte, mit spannenden Zahlen<br />
und Interviews haben wir die<br />
wirtschaftliche Bedeutung dieser<br />
produzierenden Unternehmen<br />
veranschaulichen können. Das war<br />
sicherlich eine erste und wichtige<br />
Grundlage, um die Vielfalt der<br />
Unternehmen zu zeigen und auch<br />
deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit<br />
zu erhöhen. Wir dürfen<br />
stolz sein auf unseren Wirtschaftsstandort,<br />
sind aber auch gefordert,<br />
diesen weiterzuentwickeln und<br />
Impulse für die Zukunft zu setzen.<br />
Die Klammer für all das ist <strong>Baselland</strong><br />
<strong>Business</strong>.<br />
Wie war die Resonanz auf das<br />
erste Magazin?<br />
Die Rückmeldungen auf unser<br />
erstes Magazin waren sehr positiv<br />
und sie haben unsere Erwartungen<br />
übertroffen. Und zwar nicht nur<br />
von Seite der Unternehmen, auch<br />
die Standortförderung des Kantons<br />
unterstützt <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> und<br />
hat für das Magazin ein Kompliment<br />
ausgesprochen. «Wirtschaft»<br />
ist ein sehr abstrakter Begriff und<br />
unser Versuch, diesen auf rund 100<br />
Seiten darzustellen, mit Kennzahlen,<br />
Geschichten und Hintergründen,<br />
wurde als sehr wertvoll<br />
bezeichnet. Einige Rückmeldungen<br />
sagten auch «endlich» und «Danke».<br />
Denn meines Wissens hat es so<br />
etwas noch nicht gegeben. Nämlich,<br />
dass die Vielfalt und der<br />
Leistungsausweis der Unternehmen<br />
im Kanton so detailliert<br />
präsentiert wurden. Darauf wollen<br />
wir nun aufbauen, denn die Wirtschaft<br />
im Kanton Basel-Landschaft<br />
darf sich durchaus selbstbewusst<br />
zeigen und auch entsprechend<br />
auftreten.<br />
8 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
nimmt immer mehr Raum ein und<br />
gewinnt an Bedeutung: in der<br />
Gesellschaft, in der Wirtschaft, in<br />
der Politik und letztlich auch bei<br />
den Endverbrauchenden. Es ist<br />
zudem ein sehr breit abgestecktes<br />
Themenfeld, wie man in diesem<br />
Magazin nachlesen kann. Denn<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> ist beispielweise<br />
auch eng verknüpft mit der allgegenwärtigen<br />
Digitalisierung und<br />
dem immer rascheren technologischen<br />
Fortschritt. Deshalb haben<br />
wir es hier mit einem Wandel zu<br />
tun, der auch in dieser Beziehung<br />
sehr spannend ist. <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
ist mit einer der Treiber für wirtschaftliche<br />
Innovation und Entwicklung.<br />
Das wollen wir in diesem<br />
Magazin abbilden und ich hoffe, es<br />
ist uns gelungen. Im kommenden<br />
Frühling wird wieder eine klassische<br />
Ausgabe von «BL <strong>Business</strong>»<br />
erscheinen und im nächsten Herbst<br />
wiederum ein <strong>Special</strong>, dies dann<br />
auch im Hinblick auf den Tag der<br />
Wirtschaft 2023. Wir haben schon<br />
einige Dinge angedacht – man darf<br />
sich überraschen lassen.<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> ist mit einer der Treiber für<br />
wirtschaftliche Innovation und Entwicklung.<br />
Das wollen wir in diesem Magazin abbilden<br />
und ich hoffe, es ist uns gelungen.<br />
Christoph Buser,<br />
Direktor Wirtschaftskammer <strong>Baselland</strong><br />
Nun folgt bereits die zweite<br />
Ausgabe, mit dem Spezialthema<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>. Warum dieses<br />
Thema?<br />
Ganz einfach: Weil es Zeit dafür<br />
ist. Kein Unternehmen kann es sich<br />
auf Dauer leisten, <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
zu ignorieren. In der Vorbereitung<br />
auf dieses <strong>Special</strong> war das Echo<br />
schon sehr positiv, das hat uns<br />
bestätigt, dass wir das Richtige<br />
tun. Das Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist<br />
in der Wirtschaft schon lange<br />
präsent, das möchte ich ausdrücklich<br />
festhalten. Klar ist jedoch<br />
auch, dass <strong>Nachhaltigkeit</strong> ein<br />
Thema ist, das die Unternehmen<br />
immer stärker beschäftigt, denn es<br />
Wie engagiert sich die Wirtschaftskammer<br />
in der <strong>Nachhaltigkeit</strong>?<br />
Wenn man unsere Events ansieht,<br />
wird man feststellen, dass auch<br />
hier <strong>Nachhaltigkeit</strong> immer wieder<br />
ein Thema ist, beispielsweise mit<br />
den Eventserien «Energie» und<br />
«Finanzen», die sehr erfolgreich<br />
unterwegs sind. Ein weiterer<br />
Aspekt ist auch unser Engagement<br />
bei der Swiss Innovation Challenge.<br />
Hier können wir Start-ups<br />
unterstützen, die innovative Ideen<br />
entwickeln, die zu einer nachhaltigeren<br />
Wirtschaft beitragen. Wir<br />
haben uns mit dem neuen Standort<br />
in Pratteln sehr bewusst für ein<br />
nachhaltiges Gebäude entschieden.<br />
Und wenn man es im Kleinen<br />
betrachtet, achten wir auch im<br />
Umgang mit unseren Arbeitsmitteln<br />
auf <strong>Nachhaltigkeit</strong>. <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
ist letztlich die Summe<br />
vieler Teile.<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 9
Energiezukunft<br />
Welche Wege führen in<br />
die Energiezukunft?<br />
Der Energiemarkt wird sich im<br />
kommenden Vierteljahrhundert<br />
grundlegend verändern.<br />
Fossile Brennstoffe dürften<br />
weitgehend verschwinden,<br />
erneuerbare Energien und<br />
sogenannte Power-to-X-Kraftstoffe<br />
übernehmen den Lead.<br />
Ein Blick in die Energiezukunft.<br />
Daniel Schaub<br />
Im gesamten Energiebedarf der<br />
Schweiz spielen fossile Energieträger<br />
wie Öl und Gas aktuell noch<br />
immer die führende Rolle – nahezu<br />
60 Prozent des Verbrauchs werden<br />
aus diesen Quellen bestritten. Dies<br />
wird sich bis 2050 grundlegend<br />
ändern, wie Energieexperte<br />
Dr. Marc Schürch von den Swiss Life<br />
Asset Managers aufzeigt. Erdöl<br />
dürfte 2050 komplett aus dem<br />
Schweizer Energiemix verschwunden<br />
sein, Gas wird eine kaum mehr<br />
relevante Nebenrolle spielen. Auch<br />
die Nuklearenergie, die heute<br />
7,6 Prozent des gesamten Energiebedarfs<br />
der Schweiz deckt, ist aus dem<br />
Diagramm (vgl. Grafik) verschwunden.<br />
Anstelle der fossilen und<br />
nuklearen Energieträger sind 2050<br />
erneuerbarer Strom, erneuerbare<br />
Wärme und mit über 10 Prozent<br />
auch die Power-to-X-Technologien<br />
(zum Beispiel grüner Wasserstoff)<br />
getreten. Die Nachfrage nach Strom,<br />
die heute nur etwas mehr als einen<br />
Viertel des Energiebedarfs ausmacht,<br />
wird sich auf fast die Hälfte<br />
(44,5 Prozent) verdoppeln.<br />
Welche Richtung ist richtig?<br />
So weit die prognostischen Fakten,<br />
die einen angenehmen Nebeneffekt<br />
haben werden: Die Abhängigkeit<br />
vom Ausland, die heute durch den<br />
Import von Gas und Öl sehr gross<br />
ist, wird sich in mehr Versorgungsautonomie<br />
verwandeln. Bleibt die<br />
Frage, ob die vom Schweizer Stimmvolk<br />
im Mai 2017 über die Annahme<br />
des Energiegesetzes verabschiedete<br />
Energiestrategie 2050 mit dem<br />
kompletten Ausstieg aus der Kernenergie<br />
und dem Netto-null-Ziel an<br />
CO₂-Emissionen bis 2050 in der<br />
verbleibenden Zeit auch angesichts<br />
der nach wie vor bestehenden<br />
Winterstromlücke in der Schweiz<br />
planmässig umsetzbar ist.<br />
Nicht mehr aufzuhalten ist der<br />
Ausstieg aus den fossilen Energien.<br />
Durch die zu erwartende starke<br />
Steigerung der CO₂-Preise in den<br />
nächsten Jahren und Jahrzehnten<br />
wird dieser nicht bloss durch die<br />
Gesetzgebung, sondern auch durch<br />
rein ökonomische Gründe forciert<br />
10 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
werden. Der Umstieg auf elektrifizierte<br />
Mobilität und auf elektrisch<br />
unterstützte Wärmepumpen-Heizsysteme<br />
ist in vollem Gang und ist<br />
heute, was die Betriebs- und Unterhaltskosten<br />
betrifft, finanziell<br />
attraktiver als der Einsatz von rein<br />
fossil betriebenen Fahrzeugen oder<br />
Heizsystemen.<br />
Stark erhöhter<br />
Strombedarf bis 2050<br />
Der Strombedarf wird durch<br />
diesen Umstieg wachsen. In<br />
der Schweizer Energiestrategie<br />
2050 wird von einem<br />
Mehrbedarf von rund 42 Prozent<br />
ausgegangen – von<br />
heute rund 60 Terrawattstunden<br />
(TWh) an jährlichem<br />
Stromverbrauch in der Schweiz<br />
wird dieser auf geschätzte 84 TWh<br />
im Jahr 2050 steigen. Dies ist in<br />
Kombination mit der Verbesserung<br />
der Energieeffizienz – etwa durch<br />
forcierte Verbesserungen im<br />
Gebäudepark oder beim Verbrauch<br />
von Elektrofahrzeugen – die Ausgangslage,<br />
mit der man heute<br />
planen muss.<br />
Wer in Betracht zieht, dass die<br />
Schweizer Kernkraft dannzumal<br />
keinen Beitrag mehr an die Stromproduktion<br />
leisten wird, muss nicht<br />
viel Fantasie haben, um zu erkennen,<br />
dass die Lücke über neue<br />
Energieformen zu decken ist. Selbst<br />
wenn man – wie im Modell des<br />
Bundesamtes für Energie – davon<br />
ausgeht, dass die Wasserkraft um<br />
fast zehn Prozent ausgebaut werden<br />
kann, sind es primär die erneuerbaren<br />
Energien, die einen wesentlichen<br />
Beitrag zur Kompensation der<br />
fehlenden Kraft aus den Atommeilern<br />
zu leisten haben.<br />
Von den zwischen 1969 und 1984<br />
gebauten fünf KKW ist Mühleberg<br />
Ende 2019 als erste Anlage stillgelegt<br />
worden. Die restlichen vier AKW<br />
produzieren seither jährlich rund<br />
22 TWh Strom. Geht man von<br />
maximalen Laufzeiten von 60 Jahren<br />
aus, müssten Beznau I im Jahr 2029,<br />
Beznau II 2031, Gösgen 2039 und<br />
Leibstadt 2044 vom Netz gehen. Ab<br />
2045 würde die Schweiz nach diesem<br />
Plan ohne Kernkraft auskommen<br />
müssen.<br />
Kernkraft der Zukunft?<br />
Doch angesichts der aktuellen<br />
Versorgungsproblematik mehren<br />
sich die Stimmen, die sich für<br />
Technologieoffenheit einsetzen und<br />
offen ein Festhalten an der Kernkraft<br />
fordern. Der Energie Club der<br />
Schweiz etwa fordert diese Offenheit<br />
in seiner aktuellen Initiative<br />
«Blackout stoppen». Und die Einschätzung<br />
vieler Experten, wonach<br />
ein Neubau eines AKW in der<br />
Schweiz neben dem gesetzlichen<br />
Verbot für neue Bewilligungen auch<br />
finanziell und bewilligungstechnisch<br />
kaum realistisch ist, bezieht<br />
sich vornehmlich auf die klassischen<br />
AKW-Bauweisen.<br />
Mittlerweile gibt es jedoch<br />
weltweit Initiativen von neueren<br />
Kernkraftwerken, die effizienter,<br />
sicherer und auch in kürzerer Zeit<br />
betriebsfertig sind. Führend sind<br />
hier der koreanische Anbieter<br />
Kepco, das chinesische Modell CAP<br />
1400 oder auch Bill Gates' Firma<br />
«TerraPower», die im amerikanischen<br />
Kemmerer, einer heruntergekommenen<br />
ehemaligen Kohle-Stadt<br />
im Bundesstaat Wyoming, gemeinsam<br />
mit GE Hitachi Nuclear Energy<br />
einen «kostengünstigen, schnellen<br />
Natriumreaktor mit einem Salzschmelzen-Energiespeichersystem»<br />
errichten will.<br />
Diese Pilotanlage soll bis Ende<br />
dieses Jahrzehnts betriebsbereit<br />
und an das Stromnetz angeschlossen<br />
sein. Die 345-Megawatt-Anlagen<br />
werden mit flüssigem Natrium<br />
gekühlt und jeweils etwa eine<br />
Milliarde Dollar kosten. Die<br />
Besonderheit: Der Neutronenreaktor<br />
wird nicht mit Wasser,<br />
sondern mit Natrium gekühlt.<br />
Verbunden damit ist die Idee,<br />
mit Laufwellen- und Flüssigsalzreaktoren<br />
Atomabfälle quasi<br />
rezyklieren zu können. Laut<br />
Angaben von TerraPower steckt in<br />
den weltweit vergrabenen Atommüllmengen<br />
noch genügend<br />
Energie, um den grössten Teil der<br />
Menschheit ein Jahrtausend lang<br />
mit Strom zu versorgen.<br />
Grossangelegte Fachstudie<br />
Wohin auch immer die Reise in die<br />
Energiezukunft gehen wird, damit<br />
befassen sich derzeit zahlreiche<br />
Experten in der Schweiz. Der<br />
Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen<br />
(VSE) arbeitet<br />
derzeit an der umfassenden Studie<br />
«Energiezukunft 2050 – Wege in die<br />
Energie- und Klimazukunft», die<br />
Ende dieses Jahres präsentiert<br />
werden soll. Mit diesem Branchenprojekt<br />
simuliert der VSE das<br />
Gesamtenergiesystem der Schweiz<br />
bis ins Jahr 2050. Basis ist eine<br />
umfassende, gebäude- und stundenscharfe<br />
Modellierung von 1,8 Millionen<br />
Gebäuden durch die Eidgenössische<br />
Materialprüfungs- und<br />
Forschungsanstalt (Empa). Basierend<br />
darauf sollen realistische<br />
Wege in die Energiezukunft skizziert<br />
werden, zum Beispiel ein<br />
substanzieller Ausbau von Photovoltaik<br />
oder eine stärkere Nutzung<br />
von Importstrom aus dem<br />
EU-Raum.<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 11
Energieträger<br />
Wasserstoff – das<br />
neue Zauberwort?<br />
FOTO AIRBUS<br />
12 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
Der fossile Verbrennungsmotor<br />
ist ein Auslaufmodell. Bei<br />
Personenwagen scheint sich<br />
das Elektroauto durchzusetzen.<br />
Anders sieht es in der<br />
Schifffahrt, der Luftfahrt und<br />
bei den Schwertransporten<br />
aus. Hier ist es noch offen, in<br />
welche Richtung es künftig<br />
gehen wird. Sicher ist: Grüner<br />
Wasserstoff wird zu einem<br />
zentralen Energieträger für die<br />
Mobilität und für den Energiemix<br />
– darin sind sich viele Fachleute<br />
einig. Wir stehen am<br />
Anfang einer neuen Ära – aber<br />
wie sieht diese aus?<br />
Patrick Herr<br />
Als Vorreiter und Vorbild in Sachen<br />
Wasserstoff gilt Japan, das zurzeit<br />
fast vollständig von Energieimporten<br />
abhängig ist. Nach der Katastrophe<br />
von Fukushima hat man 2017<br />
als erstes Land der Welt eine<br />
Wasserstoffstrategie entwickelt. Ein<br />
wichtiger Standort für diese Strategie<br />
ist die Hafenstadt Kobe. Hier<br />
wird bereits heute mit Wasserstoff<br />
Wärme und Strom für das Krankenhaus,<br />
das Sportzentrum und die<br />
Züge erzeugt. Und selbst Gabelstap-<br />
ler von Toyota fahren mit Wasserstoff.<br />
Bis 2030 will Japan eine<br />
Lieferkette für Wasserstoff aufbauen,<br />
um jährlich 300.000 Tonnen des<br />
Energieträgers für den lokalen<br />
Bedarf bereitstellen zu können. Es<br />
sind erste Schritte in Richtung der<br />
sogenannten Wasserstoffgesellschaft,<br />
die Japan anstrebt und<br />
konsequent vorantreibt.<br />
Wasserstoff ist auch ein Zauberwort<br />
für die Mobilität. Nicht bei den<br />
Personenwagen – hier scheint<br />
zurzeit das Rennen zugunsten der<br />
Elektroautos gelaufen zu sein. Aber<br />
ein Containerschiff, ein Passagierflugzeug<br />
oder ein Lastwagen – das<br />
sind ganz andere Herausforderungen,<br />
mit denen man sich zurzeit<br />
weltweit in allen betroffenen<br />
Branchen intensiv auseinandersetzt.<br />
«Hier punkten flüssige<br />
Kraftstoffe mit ihrer sehr hohen<br />
Energiedichte – schliesslich zählt<br />
vor allem im Flugverkehr jedes<br />
Gramm und es sind hohe Leistungen<br />
bei langer Betriebsdauer<br />
gefragt», schreibt das renommierte<br />
deutsche Fraunhofer Institut.<br />
Zum Beispiel bei Airbus, dem<br />
weltgrössten Flugzeughersteller.<br />
Dieser will bis 2035 ein Wasserstoff-<br />
Flugzeug auf den Markt bringen.<br />
Mit dem Triebwerksbauer CFM hat<br />
man dieses Jahr einen Partner<br />
gefunden, mit dem bis<br />
circa 2025 ein erstes Triebwerk<br />
entwickelt wird, das mit Wasserstoff<br />
läuft. Dieses Triebwerk soll dann in<br />
ein A-380- Grossraumflugzeug<br />
eingebaut werden, das dann am<br />
Boden sowie in der Luft erprobt<br />
wird.<br />
Airbus ist damit nicht alleine.<br />
Das deutsche Zentrum für Luft- und<br />
Raumfahrt (DLR) forscht gemeinsam<br />
mit Lufthansa Technik, dem<br />
Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung<br />
(ZAL) und Hamburg<br />
Airport an Wartungs- und Bodenprozessen<br />
zukünftiger wasserstoffbetriebener<br />
Flugzeuge. Gemeinsam<br />
will man als «Hydrogen Aviation<br />
Lab» einen ausgemusterten Airbus<br />
A-320 umbauen und als Reallabor<br />
nutzen. Er wird nicht mehr fliegen,<br />
kann aber für die realitätsnahe<br />
Untersuchung von Bodenprozessen<br />
an verschiedenste Standorte der<br />
Lufthansa-Technikbasis und des<br />
Flughafens geschleppt werden. Hier<br />
müssen Abläufe getestet werden,<br />
denn die Luftfahrt ist ein sehr<br />
komplexes und fein getaktetes<br />
Netzwerk.<br />
Diese beiden Beispiele stehen<br />
stellvertretend für viele andere<br />
Projekte und Studien, die in den<br />
kommenden 15 bis 20 Jahren zu<br />
einer emissionsfreien Luftfahrt<br />
führen sollen.<br />
Wasserstoff-Trucks von Hyundai haben in der Schweiz mehr als 5 Millionen Kilometer zurückgelegt.<br />
FOTO AVIA<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 13
Ein ähnliches Bild findet man in der<br />
Schifffahrt, ein vergleichbarer<br />
Klimasünder wie die Luftfahrt.<br />
Auch der Schiffsverkehr – ob Cargo<br />
oder Passagierschiff – ist wie die<br />
Luftfahrt so fein wie stark vernetzt.<br />
Und auch hier arbeitet man intensiv<br />
an klimafreundlichen Antrieben,<br />
wobei grüner Wasserstoff eine der<br />
Möglichkeiten ist, die Binnen- und<br />
Seeschifffahrt (und die Industrie) zu<br />
dekarbonisieren.<br />
Die niederländische Reederei<br />
Future Proof Shipping (FPS) baut<br />
zurzeit die FPS Maas vom Dieselzum<br />
Wasserstoff-Containerschiff<br />
um. Nach dem Umbau soll das Schiff<br />
zwischen Rotterdam und Antwerpen<br />
verkehren. Die FPS will eine<br />
Flotte von insgesamt zehn emissionsfreien<br />
Binnen- und Kurzstrecken-Seeschiffen<br />
aufbauen und<br />
betreiben. Andere Projekte sind<br />
hybrid, wie das Berliner Schubschiff,<br />
das für kurze Distanz mit<br />
Akku fährt und für lange Distanzen<br />
mit Wasserstoff. Die Silversea<br />
Cruises wollen 2023 die Silver Nova<br />
zu Wasser bringen. Dieses Kreuzfahrtschiff<br />
wird Flüssigerdgas als<br />
Energieträger nutzen, das wiederum<br />
für die Brennstoffzellen in Wasserstoff<br />
umgewandelt wird.<br />
Insgesamt sind in dieser Branche<br />
die Zweifel der Fachleute grösser, ob<br />
Wasserstoff alleine die Probleme lösen<br />
und die Schifffahrt klimaneutral<br />
machen kann. Von der Fähre bis zum<br />
Kreuzfahrtschiff sind die Bedürfnisse<br />
und Anforderungen sehr unterschiedlich<br />
– entsprechend gross ist die<br />
Bandbreite der Forschungsprojekte.<br />
Blicken wir in die Schweiz und in<br />
den Kanton Basel-Landschaft. Auch<br />
hier ist Wasserstoff ein Thema. Diese<br />
Region ist liegt an einer der europäischen<br />
Hauptverkehrsachsen, verfügt<br />
über einen Flughafen und einen<br />
Schiffshafen – das Ganze im Dreiländereck.<br />
Wenn man also nur schon<br />
die Mobilität von morgen betrachtet,<br />
muss Wasserstoff ein Thema sein.<br />
Das ist auch so. Die IWB und die<br />
Fritz Meyer AG haben jüngst eine<br />
Pilotanlage für grünen Wasserstoff<br />
beim Kraftwerk Birsfelden geplant.<br />
Die Baurekurskommission des<br />
Kantons hat jedoch Nein zu diesem<br />
Projekt gesagt. Bei einer Schwesteranlage<br />
beim Kraftwerk Augst steht<br />
ein Entscheid der Behörden noch<br />
aus, schreibt die <strong>Baselland</strong>schaftliche<br />
Zeitung. Sie geht jedoch davon<br />
aus, dass dieser ebenfalls negativ<br />
ausfallen dürfte. Konkreter sind die<br />
FOTO SHUTTERSTOCK<br />
14 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
Pläne bei den Schweizerischen<br />
Rheinhäfen: IWB und AVIA, die<br />
Dachorganisation der Fritz Meyer<br />
AG, arbeiten zusammen mit weiteren<br />
Partnern am H2-Hub Schweiz.<br />
IWB und Fritz Meyer AG sehen<br />
jedoch gerade in der Region Basel<br />
enormes Potenzial in der Anwendung<br />
von grünem Wasserstoff. «Er<br />
kann künftig einen grossen Beitrag<br />
zur Dekarbonisierung leisten»,<br />
heisst es in einer gemeinsamen Mitteilung<br />
der beiden Unternehmen.<br />
«Zur Gewinnung von Erfahrungen<br />
bei der Anwendung braucht es<br />
jedoch zeitnah Wasserstoff aus<br />
Pilotanlagen.» Grüner Wasserstoff<br />
wird dereinst zum wichtigen<br />
Standortfaktor, ist man überzeugt.<br />
Die Schweiz ist auch ein Experimentierfeld<br />
für Wasserstoff. Die<br />
weltweit erste Flotte der in Serie<br />
hergestellten schweren Wasserstoff-<br />
Nutzfahrzeuge Hyundai XCIENT<br />
Fuel Cell hat hier in nur zwei Jahren<br />
bereits fünf Millionen Kilometer<br />
zurückgelegt. Im Jahr 2020 hat das<br />
Unternehmen 47 Einheiten der<br />
wasserstoffbetriebenen, emissionsfreien<br />
Nutzfahrzeuge an 23 Schweizer<br />
Unternehmen übergeben, die sie<br />
seither für Logistik, Vertrieb und<br />
Supermarktauslieferung einsetzen.<br />
Dies als Teil eines Parterschaftsprojektes<br />
mit H2Energy. Bis 2025 sollen<br />
es 1600 Fahrzeuge sein, schreibt der<br />
Tankstellenbetreiber Avia in einer<br />
Medienmitteilung. Aus diesem<br />
Grund werden auch immer mehr<br />
Wasserstoff-Tankstellen in Betrieb<br />
genommen. Im März eröffnete in<br />
Frenkendorf die erste im Kanton, im<br />
kommenden Jahr folgt die zweite in<br />
Pratteln.<br />
Klar ist: Ob Schiff, Flugzeug,<br />
Lastwagen oder Gabelstapler, der<br />
Erfolg jeden neuen Antriebes steht<br />
und fällt mit den Tankmöglichkeiten<br />
und Tankzeiten. Denn die<br />
Fahr- und Flugpläne sind in all<br />
diesen Bereichen sehr eng getaktet<br />
– und der Laden muss laufen.<br />
Es braucht in der Pionierzeit, in<br />
der wir uns derzeit befinden, noch<br />
viele Investitionen in Antrieb,<br />
Infrastruktur, Lieferketten und<br />
Forschung, bis wir die jeweils<br />
idealen Lösungen für die Dekarbonisierung<br />
gefunden haben. Es<br />
braucht auch Menschen und<br />
Unternehmen, welche diese energetische<br />
Zeitenwende weiter<br />
vorantreiben. Und dabei ist aus<br />
heutiger Sicht grüner (!) Wasserstoff<br />
ein zentrales Element dieser<br />
neuen Ära.<br />
Bis 2035 will Airbus ein Wasserstoff-Flugzeug entwickelt haben.<br />
FOTO AIRBUS<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 15
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Arlesheim<br />
Basel<br />
Ormalingen<br />
Itingen<br />
Nunningen<br />
Reinach
Auf dem Dach der Felix Transport AG in Arlesheim sind 1755 Quadratmeter Solarpanels installiert.<br />
BILD: PRIMEO ENERGIE<br />
Photovoltaik<br />
Mit den wärmsten<br />
Empfehlungen<br />
Strom aus Eigenproduktion,<br />
das ist für immer mehr Unternehmen<br />
ein grosses Thema.<br />
Die Felix Transport AG in Arlesheim<br />
betreibt seit diesem<br />
Frühling eine Solaranlage auf<br />
dem Dach und versorgt damit<br />
sich und ihre Mieterschaft.<br />
Patrick Herr<br />
Die Idee entstand Ende 2020, und sie<br />
war weitsichtig. In der Geschäftsleitung<br />
der Felix Transport AG in<br />
Arlesheim diskutierte man die<br />
Realisierung einer Photovoltaikanlage.<br />
Geschäftsführer Fabian Felix:<br />
«Dies, um möglichen zukünftigen<br />
Stromlücken vorzubeugen und vor<br />
allem, um die Grundlage für den<br />
Einsatz von Elektro-LKWs in<br />
unserem Tagesbetrieb zu schaffen.»<br />
Gesagt, getan. Im März dieses Jahres<br />
konnte das Unternehmen mitteilen,<br />
dass mit einer Jahresproduktion von<br />
376'000 Kilowattstunden (KWh)<br />
gegen 60 Prozent des gesamten<br />
jährlichen Strombedarfs des<br />
Gesamtareals mit eigener Solarenergie<br />
gedeckt werden können.<br />
1008 Panels auf dem Dach<br />
Die 1008 Solarpanels, die auf dem<br />
Dach in Arlesheim angebracht<br />
wurden, bilden einen sogenannten<br />
ZEV, einen «Zusammenschluss zum<br />
Eigenverbrauch». Bei einem ZEV<br />
schliessen sich – der Name ist<br />
Programm – verschiedene Parteien<br />
zusammen und nutzen den selber<br />
produzierten Solarstrom. Bei<br />
unserem Beispiel sieht das so aus:<br />
Eigentümerin des Daches ist die<br />
Felix Immobilien AG. Somit besteht<br />
ein ZEV zwischen dieser Gesellschaft<br />
und der Primeo Energie AG.<br />
Fabian Felix: «Spannender aber ist<br />
der Zusammenschluss zum Eigenverbrauch<br />
von Solarstrom zwischen<br />
der Felix Immo, der Mieterin Felix<br />
Transport AG und der Untermieterin<br />
Weleda AG.» Denn darum geht<br />
es letztlich – dass mehrere Parteien<br />
sich zusammentun und gemeinsam<br />
profitieren.<br />
Von der Idee bis zur Realisierung<br />
galt es jedoch, gut zu planen. Fabian<br />
Felix beschreibt, wie man seitens<br />
des Unternehmens vorgegangen ist:<br />
«Wir haben grundsätzlich mal<br />
Ausschau nach Partnern für die<br />
Realisierung gehalten. Dabei haben<br />
wir unseren bereits bestehenden<br />
Stromanbieter Primeo um Hilfe<br />
gebeten und sofort eine für uns<br />
passende Lösung präsentiert<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 17
Wie wird ein ZEV gebildet?<br />
Für die Gründung eines ZEV gibt es<br />
folgende Voraussetzungen: Die selbst<br />
erzeugte Energie muss mindestens zehn<br />
Prozent der vor Ort benötigten Energie<br />
(der Anschlussleistung) betragen.<br />
Zusammenschliessen können sich mehrere<br />
Grundeigentümer in unmittelbarer<br />
Nähe der Energie produzierenden Anlage.<br />
Oder die Eigentümer geben die<br />
Energie an die Mieterinnen und Mieter<br />
vor Ort weiter. Diese haben jedoch die<br />
freie Wahl: Sie können dem Zusammenschluss<br />
zum Eigenverbrauch beitreten<br />
oder sich weiterhin durch einen Netzbetreiber<br />
versorgen lassen. Zu einem<br />
späteren Zeitpunkt kann die Mietpartei<br />
nur dann aus der Eigenversorgung<br />
aussteigen, wenn der Eigentümer seiner<br />
Grundversorgungspflicht nicht<br />
zufriedenstellend nachgekommen ist.<br />
Dies gilt übrigens auch bei einem<br />
Mieterwechsel.<br />
erhalten. Da wir bemerkt haben,<br />
dass Primeo ein grosses Know-how<br />
in dem Bereich hat und ebenfalls<br />
zukunftsgerichtet denkt, haben wir<br />
uns für den Ausbau unserer Partnerschaft<br />
entschieden. Wir sind mit<br />
Primeo Energie ein Contracting<br />
eingegangen. Sprich: Wir vermieten<br />
das Dach langfristig an Primeo, um<br />
die Anlage zu betreiben. Im Gegenzug<br />
hat Primeo die ganze Investition<br />
für die Solaranlage getätigt und<br />
unterhält diese während der vereinbarten<br />
Laufzeit. Wir sind aber<br />
weiterhin auf Netzstrom angewiesen,<br />
da wir keinen Stromspeicher<br />
für Solarstrom haben.»<br />
Contracting mit Primeo<br />
Der Aufwand für das Unternehmen<br />
hielt sich in Grenzen. Dank dem<br />
Contracting habe man ausser dem<br />
Zeitaufwand praktisch keine<br />
Investitionen tätigen müssen und<br />
konnte sich so auf das Kerngeschäft<br />
konzentrieren. Primeo hat auch in<br />
den Bau von Elektroladestationen<br />
für Autos im betriebseigenen<br />
Parkhaus sowie in eine Schnellladestation<br />
für Autos und LKWs auf dem<br />
Firmenareal investiert, wie Fabian<br />
Felix ausführt. Das Angebot werde<br />
von den Mitarbeitenden sowie den<br />
Mietparteien sehr geschätzt.<br />
Auf Seiten von Primeo Energie<br />
war Robert Bösiger (Verkauf ZEV &<br />
Arealnetze) für das Projekt und die<br />
Zusammenarbeit mit Felix Transport<br />
zuständig: «Wir betreiben das<br />
ZEV-Arealnetz und rechnen sowohl<br />
den Solar- als auch den Netzstrom<br />
an alle Nutzenden ab. Die KMU-<br />
Kunden haben dabei zwei Stromtarife<br />
– einen Solartarif, der maximal<br />
80 Prozent des Grundversorgungstarifs<br />
oder des Marktpreises beträgt,<br />
plus den Stromtarif für den Bezug<br />
aus dem öffentlichen Netz. Gleichzeitig<br />
werden via App und online<br />
Solarproduktion, Verbräuche und<br />
Eigenverbrauchsanteil in Echtzeit<br />
visualisiert.» Viele Unternehmen<br />
übernehmen solche Messdaten und<br />
zeigen ihre Solarproduktion auf<br />
ihrer Website oder via Bildschirm<br />
am Empfang, wie Robert Bösiger<br />
erklärt, was auch einen PR-Effekt<br />
hat: Tue Gutes und sprich darüber.<br />
Die Vorteile einer solchen Anlage<br />
liegen auf der Hand. Robert Bösiger<br />
fasst es so zusammen: «Die ZEV-<br />
Teilnehmer erhalten günstigen<br />
Solarstrom, ohne selbst in eine PVA<br />
investieren zu müssen. Je höher der<br />
Eigenverbrauch an Solarstrom ist,<br />
desto günstiger der ZEV-Strompreis.<br />
Zudem handelt es sich beim Solarstrom<br />
um 100-prozentigen Grünstrom<br />
erster Güte.»<br />
Steigende Nachfrage<br />
Die Nachfrage nach solchen Lösungen<br />
steigt, heisst es seitens Primeo,<br />
und zwar steigt sie exponentiell.<br />
Will sagen: Die Kurve zeigt steil<br />
nach oben. Aber wie lange dauert es<br />
vom Entscheid bis zur Inbetriebnahme?<br />
Robert Bösiger: «Angesichts<br />
steigender Strompreise, höherer<br />
Netzkosten und, ganz aktuell, der<br />
Diskussion um Stromknappheit,<br />
haben sich die Entscheidungsfristen<br />
der Unternehmen merklich verkürzt,<br />
weil letztlich alle gewinnen –<br />
die Investoren, die ZEV-Teilnehmenden<br />
und die Umwelt. Was uns<br />
momentan mehr zu schaffen macht,<br />
ist die Verfügbarkeit der Komponenten.<br />
Wer sich heute für eine Eigenverbrauchsoptimierung<br />
oder einen<br />
ZEV entscheidet, muss Wartezeiten<br />
bei Projektierung und Verfügbarkeit<br />
der Photovoltaikanlage und der<br />
Steuerungselemente in Kauf nehmen.»<br />
Die Anlage bei Felix Transport in<br />
Arlesheim läuft bereits – und man<br />
ist mit ihr sehr zufrieden, wie<br />
Fabian Felix erzählt: «Wir haben<br />
sicherlich zum richtigen Zeitpunkt<br />
den Entscheid für den Bau der Solaranlage<br />
getroffen. Kunden und<br />
Partnerfirmen fragen uns auch<br />
immer wieder zu Details der<br />
Umsetzung und nach Tipps. Das<br />
zeigt, dass das Strom- und Solarthema<br />
allen Unternehmern unter den<br />
Nägeln brennt.»<br />
Mehr Unabhängigkeit<br />
Der Geschäftsführer spricht wohl<br />
stellvertretend für alle Beteiligten,<br />
wenn er sagt, er würde den Bau<br />
einer Solaranlage wärmstens<br />
empfehlen. Nicht nur, weil der<br />
Schutz der Umwelt bei Felix Transport<br />
schon seit jeher fest im Unter-<br />
18 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
Die Anlage in Arlesheim produziert 376 000 Kilowattstunden Strom. Damit können gegen 60 Prozent des gesamten jährlichen Strombedarfs<br />
des Gesamtareals mit eigener Solarenergie gedeckt werden. BILD: FELIX TRANSPORT AG<br />
nehmensleitbild verankert ist und<br />
in den letzten Jahren zusätzlich an<br />
Wichtigkeit gewonnen habe.<br />
Sondern auch, weil es «meines<br />
Erachtens gerade für grössere<br />
Strombezüger Sinn macht, eine<br />
Solaranlage zu errichten», wie<br />
Fabian Felix ausführt. «So muss der<br />
kostenintensive Netzausbau nicht<br />
in gleichem Masse vorangetrieben<br />
werden und man wird ein Stück<br />
weit unabhängiger.» Und zu den<br />
praktischen und pekuniären<br />
Argumenten kommt auch ein<br />
emotionales Argument. «Es macht<br />
Freude, wenn man weiss, dass man<br />
einen Grossteil des benutzten<br />
Stroms selber auf dem Dach<br />
produziert hat.»<br />
www.primeo-energie.ch<br />
Funktioniert ein ZEV auch über<br />
mehrere Grundstücke?<br />
Auf jeden Fall! Ausschlaggebend ist<br />
lediglich, dass die selbst produzierte<br />
Energie vor Ort genutzt wird und das<br />
Netz des Verteilnetzbetreibers nicht<br />
dazwischengeschaltet ist. Die Angabe<br />
«vor Ort» ist dabei klar definiert als<br />
• zusammenhängende Grundstücke, von<br />
denen mindestens eines an das Grundstück<br />
grenzt, auf dem die Produktionsanlage<br />
steht<br />
• Grundstücke, die nur durch eine<br />
Strasse, ein Eisenbahntrasse oder ein<br />
Fliessgewässer voneinander getrennt<br />
sind – wenn die jeweiligen Grundeigentümerinnen<br />
oder -eigentümer zustimmten.<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 19
BILD: TESLA<br />
E-Mobilität<br />
Das Auto wird<br />
nachhaltiger und<br />
völlig neu gedacht<br />
Die Zukunft des Autos ist<br />
elektrisch. Und das ist nicht die<br />
einzige Veränderung, welche<br />
die E-Mobilität mit sich bringt.<br />
Die Fahrzeuge von heute und<br />
morgen können mehr, als nur<br />
von A nach B fahren.<br />
Patrick Herr<br />
Wer ist der grösste E-Autohersteller<br />
der Welt? Nein, es ist kein deutscher<br />
Hersteller. Und nochmals Nein – es<br />
ist auch nicht mehr Tesla. Seit<br />
diesem Jahr ist BYD die Nummer<br />
eins der E-Autohersteller. Sie<br />
werden fragen: B-Y-was ist das?<br />
Nun, BYD ist ein chinesischer<br />
Mischkonzern, der 1995 gegründet<br />
wurde und heute zu den grössten<br />
und renommiertesten Batterieherstellern<br />
zählt. Seit 2003 stellt das<br />
Unternehmen auch Autos her und<br />
kommt nun auch auf den europäischen<br />
Markt.<br />
Ein Batterieunternehmen, das<br />
Autos herstellt? Echt jetzt? Wir<br />
stellen fest: Unsere Welt ist nun<br />
mal im Wandel und viele Dinge<br />
werden grundlegend anders, als<br />
wir es gewohnt sind. Das ist ja<br />
nicht neu. 2007 beispielsweise<br />
präsentierte ein Computerhersteller<br />
ein neuartiges Mobiltelefon.<br />
Das iPhone hat innert kürzester<br />
Zeit die Telekommunikationsbranche<br />
(und viele andere) auf den Kopf<br />
gestellt und revolutioniert.<br />
Abschied vom Auspuff<br />
Beim Auto ist das ähnlich, es gilt,<br />
Abschied zu nehmen vom Auspuff-<br />
Brumm von gestern. Alles, was<br />
Software sein kann, wird Software<br />
werden, hat mal einer gesagt. Jetzt<br />
ist das Auto dran. Ein E-Auto ist<br />
nichts anderes als eine Batterie auf<br />
Rädern, die von Software betrieben<br />
wird und sehr, sehr viel mehr kann,<br />
als emissionsfrei von A nach B zu<br />
fahren. So wie das Smartphone ein<br />
digitales Sackmesser ist.<br />
Die Zukunft der Automobilität<br />
ist auf jeden Fall elektrisch. Und<br />
dass E-Autos nachhaltiger sind als<br />
Verbrenner, ist unbestritten. Ob es<br />
parallel dazu auch Wasserstoff oder<br />
E-Fuel an die Tankstellen schaffen,<br />
ist derzeit ein grosses Fragezeichen.<br />
Auch wenn der Ablöseprozess des<br />
Verbrenners noch einige Zeit in<br />
Anspruch nehmen und anspruchsvoll<br />
sein wird: Am Elektroauto<br />
führt kein Weg vorbei. Denn China<br />
– der weltgrösste Automarkt – setzt<br />
auf Elektromobilität und auch in<br />
20 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
Europa gilt der Stromer als Auto der<br />
Zukunft.<br />
Strom: Gibt es genug<br />
Vor dem Hintergrund der aktuellen<br />
Energiekrise werden immer wieder<br />
Stimmen laut, die behaupten, dass<br />
man gar nicht genug Strom habe, um<br />
aus allen Verbrennern E-Autos zu<br />
machen. «Stimmt nicht», sagen die<br />
Fachleute im In- und Ausland<br />
übereinstimmend. Zurzeit gibt es in<br />
der Schweiz rund 100 000 Elektrofahrzeuge,<br />
deren Anteil am schweizerischen<br />
Stromverbrauch ist gerade<br />
mal 0,4 Prozent. Aber wie sieht es<br />
aus, wenn alle 4,6 Millionen Fahrzeuge<br />
elektrisch fahren? Natürlich wird<br />
man dann wesentlich mehr Strom<br />
benötigen (geschätzt zwischen 10<br />
und 15 TWh – ein Plus von rund 20<br />
Prozent). Aber zugleich wird die<br />
Effizienz der E-Fahrzeuge laufend<br />
besser werden und die Anzahl<br />
Photovoltaik-Anlagen markant<br />
zunehmen – man tankt bestenfalls<br />
daheim den selber produzierten<br />
Strom. Schlussendlich wird mit<br />
jedem Elektroauto weniger Benzin<br />
oder Diesel benötigt. Herstellung und<br />
Vertrieb der E-Autos verbrauchen<br />
auch eine Menge Strom, die eingespart<br />
werden kann. Summa summarum<br />
sind sich die Fachleute einig: Es<br />
wird genug Strom geben und auch<br />
das Stromnetz wird diesen erhöhten<br />
Anforderungen gerecht werden.<br />
Apropos Stromnetz. Das E-Auto<br />
wird nicht nur Menschen von A<br />
nach B fahren, sondern auch als<br />
Stromspeicher im privaten<br />
Stromnetz dienen. Eben – eine<br />
Batterie auf Rädern. Das<br />
Zauberwort heisst<br />
bidirektionales Laden.<br />
Anders als bisher geht<br />
der Stromfluss in<br />
beide Richtungen.<br />
Also beispielsweise<br />
von der Photovoltaikanlage<br />
zum Auto<br />
und neu auch<br />
zurück in das<br />
private oder geschäftliche<br />
Stromnetz. Wenn das<br />
Auto parkiert ist, kann also dank<br />
dem intelligenten Lademanager mit<br />
dem Strom aus der Autobatterie<br />
gekocht oder der Computer versorgt<br />
werden. Da die meisten Menschen<br />
täglich gerade mal 50 Kilometer<br />
fahren, ergibt das kein Reichweitenproblem.<br />
Apropos Strommangellage:<br />
Eine moderne E-Auto-Batterie<br />
versorgt einen durchschnittlichen<br />
Schweizer Haushalt rund eine<br />
Woche lang mit Strom. Aber Obacht<br />
es gibt noch nicht viele Autos, die<br />
bidirektionales Laden können. Man<br />
hat in der Branche jedoch erkannt,<br />
dass dies künftig ein Standard sein<br />
muss. Mit dieser Funktion trägt das<br />
E-Auto in Verbindung mit einer<br />
Photovoltaikanlage übrigens auch<br />
zur Stabilität des Stromnetzes bei.<br />
Autobatterien für das<br />
Fussballstadion<br />
Genau hier passt das Stadion von<br />
Ajax Amsterdam als Musterbeispiel<br />
für Batterie-Recycling ganz gut<br />
hinein. Die «Johan Cruijff Arena»<br />
verfügt nämlich seit 2018 über das<br />
grösste Energiespeichersystem für<br />
gewerbliche Gebäude in Europa.<br />
Dieses besteht aus 590 Nissan-Leaf-<br />
E-Auto-Batterien. 250 dieser Akkus<br />
sind gebraucht und haben ihren<br />
Lebenszyklus im E-Auto hinter sich,<br />
können aber sehr gut weitere 10 bis<br />
15 Jahre als Speicher genutzt<br />
werden. 340 Akkus sind fabrikneu.<br />
Gespiesen wird dieser Speicher<br />
übrigens mit Sonnenenergie.<br />
Wenn Vor- und Nachteile der<br />
E-Mobilität abgewogen werden,<br />
hört man immer wieder: Um in der<br />
Region herumzufahren, ist das<br />
okay. Aber für längere Fahrten ist<br />
das Elektroauto ungeeignet, weil es<br />
zu wenige Ladestationen gibt. Der<br />
Stand heute: Ein klares Jein. Der<br />
Stand morgen: Strom tanken sollte<br />
kein Problem mehr darstellen.<br />
In der Schweiz mit ihren mehr als<br />
70 000 Elektrofahrzeugen ist die<br />
Situation sehr gut. Die Anzahl der<br />
öffentlich zugänglichen Ladestationen<br />
für elektrisch betriebene Autos<br />
ist in den vergangenen Jahren stetig<br />
gestiegen, wie das Statistikportal<br />
Statista schreibt. Im Jahr 2021<br />
standen hierzulande insgesamt 8142<br />
Ladestationen für rund 70 200<br />
Elektrofahrzeuge zur Verfügung. Im<br />
europäischen Ranking der Schnellladestationen<br />
pro 100 Kilometer<br />
Autobahn landete die Schweiz<br />
2021 auf Platz drei. Demnach sind in<br />
der Schweiz rund 130 Schnellladestationen<br />
pro 100 Kilometer<br />
Schnellstrasse verfügbar. Das<br />
dichteste Ladenetz gibt es übrigens<br />
in Norwegen. Die Ölnation ist ja in<br />
verschiedenen Bereichen Vorreiter<br />
BILD: VOLKSWAGEN AG<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 21
und bezeichnet sich selber als<br />
«Welthauptstadt der Elektroautos».<br />
Der Rest Europas mag in Sachen<br />
Ladestationen auf den ersten Blick<br />
ebenfalls gut unterwegs sein: Ende<br />
2021 wurden in der EU 330 000<br />
Ladestationen gezählt.<br />
Diese Gesamtzahl ist<br />
jedoch sehr ungleich<br />
verteilt. Laut<br />
einer Analyse<br />
des<br />
Verbands<br />
der<br />
Europäischen Automobilhersteller<br />
(ACEA) verteilt sich die Hälfte aller<br />
Ladepunkte für Elektroautos in der<br />
Europäischen Union auf gerade<br />
einmal zwei Länder: die Niederlande<br />
mit 90 000 Ladepunkten und<br />
<strong>Deutsch</strong>land mit 60 000. Auf der<br />
Sonneninsel Zypern hingegen<br />
gibt es gerade mal 57 Ladestationen.<br />
Dazwischen …<br />
sollten Sie Ihre Reise gut<br />
planen.<br />
Die Geschichte<br />
von Porsche beginnt<br />
elektrisch<br />
Ferdinand Porsche, später Gründer des gleichnamigen Unternehmens,<br />
ist schon als Jugendlicher von der Elektrizität<br />
fasziniert. Bereits 1893 installiert der gerade 18-Jährige eine<br />
elektrische Lichtanlage im Elternhaus. Im gleichen Jahr tritt<br />
Porsche in die Vereinigte Elektrizitäts-AG Béla Egger in Wien<br />
ein. Dort steigt er in vier Jahren vom Mechaniker zum Leiter<br />
der Prüfabteilung auf. Auch die ersten von ihm konstruierten<br />
Fahrzeuge fahren mit Elektroantrieb – die Geschichte von<br />
Porsche beginnt also elektrisch.<br />
1898 konstruiert Ferdinand Porsche den Egger-Lohner C.2<br />
Phaeton. Das Fahrzeug wird von einem achteckigen Elektromotor<br />
angetrieben, mit drei bis fünf PS erreicht es eine<br />
Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h. 1899 wechselt Porsche<br />
zum Wiener Kutschenfabrikanten k.u.k. Hofwagenfabrik<br />
Ludwig Lohner & Co.<br />
Dort entwickelt er den elektrischen Radnabenmotor. 1900<br />
erfolgt die Präsentation des ersten Lohner-Porsche-Elektromobils<br />
mit dieser Neuerung auf der Weltausstellung in Paris.<br />
Mit 2 mal 2,5 PS erreicht es 37 km/h Spitze. Lohners Grund für<br />
ein Fahrzeug mit Elektromotor klingt heute so aktuell wie<br />
damals, vor allem bezogen auf die Ära der Massenmotorisierung:<br />
Die Luft werde von den «in grosser Anzahl auftretenden<br />
Benzinmotoren erbarmungslos verdorben». BILD UND TEXT: PORSCHE<br />
Alle 60 Kilometer eine<br />
Ladestation<br />
Das Gefälle ist also gross, es gibt für<br />
die Langstrecke ausserhalb der<br />
Schweiz noch viel zu tun. Was<br />
nützen mir 800 Kilometer Reichweite,<br />
wenn es am Zielort keine Ladestation<br />
hat? In der EU hat man das<br />
erkannt. Ende Oktober hat das<br />
Europaparlament beschlossen, dass<br />
es entlang der Hauptverkehrsstrassen<br />
der EU bis 2026 alle 60 Kilometer<br />
mindestens eine Ladestation<br />
für Elektroautos geben soll. Alternative<br />
Tankstellen sollten für alle<br />
Fahrzeugmarken zugänglich und<br />
die Bezahlung sollte einfach und<br />
per Kreditkarte möglich sein. Es<br />
wird nun von den Mitgliedstaaten<br />
– unseren Nachbarn – abhängen,<br />
wie rasch und wie zuverlässig diese<br />
Forderung umgesetzt werden<br />
kann.<br />
Vielleicht setzt sich auch die<br />
Strategie von Nio durch. Der<br />
chinesische Hersteller setzt auf<br />
sein Wechselakku-Prinzip. In nur<br />
vier Minuten wird die Batterie an<br />
einer «Swap-Station» gewechselt.<br />
In China läuft das Konzept schon,<br />
jetzt kommt Nio nach Europa.<br />
Neue Zeiten für Nutzer und<br />
Branche<br />
Vieles wird rund um das E-Auto<br />
neu gedacht werden müssen. Ein<br />
Verbrennungsmotor benötigt<br />
beispielsweise rund 1500 Einzelteile,<br />
inklusive Getriebe. Ein<br />
Elektromotor besteht nebst der<br />
Batterie aus rund 200 Einzelteilen.<br />
Weniger Service, weniger Unterhaltskosten<br />
sind die Folge. Das<br />
E-Auto rechnet sich auch in dieser<br />
Hinsicht. Automatische Updates<br />
werden die Regel, mechanische<br />
Eingriffe seltener, auf die Software<br />
kann von überall her zugegriffen<br />
werden. Und wenn das Auto<br />
analysiert und die Probleme<br />
erkannt wurden, kommt der<br />
Service-Wagen im Bedarfsfall nach<br />
Hause oder ins Geschäft oder wo<br />
auch immer der Wagen steht. Der<br />
22 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
fragende Blick unter die Motorhaube<br />
entfällt. Für alle Zweige der<br />
Automobilbranche und für alle<br />
Nutzer brechen mit dem E-Auto<br />
ganz neue Zeiten an.<br />
Die Entwicklung der CO₂-freien<br />
E-Mobilität ist rasant: Immer<br />
rascher laden, immer mehr Reichweite,<br />
immer bessere Software,<br />
immer leistungsfähigere Batterien.<br />
Und was wird ein E-Auto künftig<br />
können? Gemessen an der aktuellen<br />
Entwicklung wird ein E-Auto in 20 Jahren<br />
Dinge können, die wir uns noch<br />
gar nicht vorstellen können. Oder<br />
hätten Sie gedacht, dass das iPhone<br />
in Ihrer Hosentasche heute eine<br />
Million Mal mehr Rechenpower<br />
hat als der Computer von<br />
Apollo 11, mit dem man 1969<br />
immerhin zum Mond flog?<br />
BILD: RENAULT<br />
BILD: MICROLINO<br />
BILD: RENAULT<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 23
Interview Florian Tresch<br />
«<strong>Nachhaltigkeit</strong> ist in<br />
den Köpfen verankert»<br />
Florian Tresch, Leiter <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
bei der BLKB, zeigt im<br />
Interview mit BL <strong>Business</strong> die<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>sstrategie der<br />
Bank auf. Die BLKB ermutigt<br />
ihre Kundschaft, zu einer nachhaltigeren<br />
Zukunft beizutragen.<br />
Delia Pfirter<br />
Herr Tresch, die <strong>Baselland</strong>schaftliche<br />
Kantonalbank hat<br />
sich das Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
schon länger auf den Schirm<br />
geschrieben. Was ist die Philosophie<br />
der BLKB?<br />
Florian Tresch: Bei der BLKB<br />
bezeichnen wir <strong>Nachhaltigkeit</strong> auch<br />
als Zukunftsorientierung. Im Kern<br />
steht der Gedanke, dass wir bereits<br />
heute das tun, was morgen zählt –<br />
also stets so handeln, dass wir, und<br />
damit ist die Gesellschaft als<br />
Ganzes gemeint, auch künftig und<br />
langfristig unsere Bedürfnisse<br />
erfüllen können.<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> bezieht sich ja<br />
nicht nur auf die Umwelt, sondern<br />
auch auf Mensch und<br />
Gesellschaft. Inwiefern setzt die<br />
BLKB diese ganzheitliche Sicht<br />
um?<br />
Die Kernbotschaft unseres Leitbilds<br />
ist, dass wir für den Menschen, die<br />
Gesellschaft als Ganzes und für die<br />
Umwelt, die uns das Leben erst<br />
Florian Tresch, Leiter <strong>Nachhaltigkeit</strong> bei der BLKB.<br />
ermöglicht, Verantwortung übernehmen.<br />
Natürlich sind die Umwelt<br />
und das Klima in der Finanzbranche<br />
aktuell im Fokus. Genauso<br />
wichtig ist uns aber der einzelne<br />
Mensch, sei das unsere Mitarbeiterin,<br />
unser Kunde, oder unsere<br />
Geschäftspartnerin: Wir sind ein<br />
People <strong>Business</strong>, arbeiten mit und<br />
für Menschen, und wollen das<br />
gemeinsam langfristig und erfolgreich<br />
tun. Als Kantonalbank mit<br />
158-jähriger Verwurzelung in der<br />
Region ist es für uns zudem selbstverständlich,<br />
dass wir Teil der hiesigen<br />
Gesellschaft sind und entsprechend<br />
auch viel zurückgeben<br />
können und wollen.<br />
Oft sind <strong>Nachhaltigkeit</strong>sziele<br />
leider leere Worthülsen. Was hat<br />
die Bank in punkto Nachhaltig-<br />
24 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
keit bisher konkret erreicht?<br />
Welches ist Ihrer Meinung nach<br />
der bisher grösste Erfolg, den die<br />
BLKB hierbei verbuchen konnte?<br />
Für mich ist der grösste Erfolg, dass<br />
wir bei der BLKB heute so weit sind,<br />
dass der <strong>Nachhaltigkeit</strong>sgedanke in<br />
den Köpfen unserer Mitarbeitenden<br />
verankert ist und so im Kleinen bei<br />
allen Aktivitäten integral miteinfliesst.<br />
Das war ein langer, zugegebenermassen<br />
oftmals auch mühseliger<br />
Prozess, der es uns aber heute<br />
ermöglicht, auf allen Ebenen<br />
nachhaltig zu wirken: mit den<br />
Angeboten für unsere Kundinnen<br />
und Kunden, als attraktive Arbeitgeberin<br />
für unsere Mitarbeitenden<br />
und als zuverlässiger Partner für<br />
die Gesellschaft in der Region.<br />
Welche <strong>Nachhaltigkeit</strong>sziele hat<br />
sich die BLKB für die nächsten<br />
Jahre vorgenommen?<br />
Unser wichtigstes Ziel ist es, unser<br />
Geschäftsportfolio auf dem Nettonull-Absenkpfad<br />
zu halten, und dabei<br />
möglichst die ganze Kundschaft,<br />
seien das Private oder Unternehmen,<br />
auf diesen Weg mitzunehmen.<br />
Hierzu gehört einerseits die Sensibilisierung<br />
unserer Kundinnen und<br />
Kunden darüber, welche Auswirkungen<br />
das Thema auf sie und ihr<br />
Geschäftsmodell hat. Andererseits<br />
heisst das aber auch, dass wir unserer<br />
Kundschaft mit unserem Angebot<br />
ermöglichen, mit ihren finanziellen<br />
Entscheidungen zu einer nachhaltigen<br />
Zukunft beizutragen.<br />
Was unternimmt die<br />
BLKB, um die nachhaltige<br />
Entwicklung<br />
der Region<br />
zu fördern?<br />
Wir verfolgen<br />
die nachhaltige<br />
Entwicklung der Region auf verschiedenen<br />
Ebenen. Als Partnerin<br />
der regionalen Plattform Swiss<br />
Triple Impact sowie der Klimastiftung<br />
Schweiz animieren wir KMU<br />
in der Nordwestschweiz, sich mit<br />
ihrem Geschäftsmodell und Beitrag<br />
an eine nachhaltige Entwicklung<br />
auseinanderzusetzen, und unterstützen<br />
ihre Klimaschutzprojekte.<br />
Unsere beiden Programme «100<br />
fürs Baselbiet» und «INQBATOR»<br />
richten sich an lokale Start-ups mit<br />
zukunftsweisenden Ideen. Und<br />
Partnerschaften mit Kulturinstitutionen<br />
der Region ermöglichen es<br />
uns, insbesondere unserer jungen<br />
Bevölkerung beispielsweise das<br />
Theater oder das Museum einfach<br />
zugänglich zu machen.<br />
Inwiefern spielen <strong>Nachhaltigkeit</strong>skriterien<br />
bei<br />
Kreditvergaben eine<br />
Rolle?<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
beziehungsweise<br />
Zukunftsorientierung<br />
ist für<br />
uns auch<br />
Risikomanagement.<br />
Geschäftsmodelle,<br />
welche mit der gesellschaftlichen,<br />
politischen, technischen und regulatorischen<br />
Entwicklung in absehbarer<br />
Zukunft nicht mehr funktionieren,<br />
finanzieren wir auch nicht. In so<br />
einem Fall besprechen wir das mit<br />
dem besagten Kunden oder der<br />
Kundin und schlagen einen Übergang<br />
zu einem zukunftsorientierten<br />
Geschäftsmodell vor, den wir gerne<br />
auch unterstützen. Entsprechend<br />
sind ESG-Überlegungen ein fester Bestandteil<br />
bei der Kreditvergabe.<br />
www.blkb.ch/die-blkb/nachhaltigkeit
Innovationsprogramm<br />
Swiss<br />
Innovation<br />
Challenge<br />
An der «Award Winning Ceremony», die im Rahmen der BL-<strong>Business</strong>-Gala vom<br />
24. November <strong>2022</strong> stattfindet, wird bekannt, wer die diesjährige Austragung der<br />
Swiss Innovation Challenge <strong>2022</strong> gewonnen hat. Von den mehr als 100 Teilnehmenden des<br />
Innovationsförderprogramms mit Wettbewerb können sich nach drei Pitch-Runden noch drei<br />
Unternehmen Hoffnungen auf den Sieg machen.<br />
26 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
Bisherige<br />
SIC-Gewinner<br />
2021<br />
CondenZero<br />
Probenhalter, die bei tiefen<br />
Temperaturen halten.<br />
www.condenzero.com<br />
2020<br />
AgroSustain<br />
Biologische Schutzbeschichtung<br />
für Nutzpflanzen verlängert<br />
die Frische.<br />
www.agrosustain.com<br />
2019<br />
Tolremo Therapeutics<br />
Arzneimittel gegen Wirkstoffresistenz<br />
bei Krebstherapien.<br />
www.tolremo.com<br />
Im Kampf um den «Award» der<br />
Swiss Innovation Challenge<br />
verbleiben noch drei Kandidierende<br />
im Rennen. Am Final Pitch vom<br />
vergangenen 25. und 26. Oktober<br />
hat die Fachjury des Innovationswettbewerbs<br />
die drei Podiumsplätze<br />
an die aiEndoscopic AG, die<br />
Perovskia Solar AG und die Spirecut<br />
SA vergeben.<br />
Wer von den dreien die «Swiss<br />
Innovation Challenge <strong>2022</strong>» gewonnen<br />
hat, erfahren die Teilnehmenden<br />
am kommenden 24. November<br />
an der «Award Winning<br />
Ceremony» im Rahmen der «BL<br />
<strong>Business</strong> Gala».<br />
aiEndoscopic AG<br />
Zu den drei Erstplatzierten gehört<br />
die aiEndoscopic AG. Sie kombiniert<br />
künstliche Intelligenz mit<br />
robotischer Endoskopie und<br />
ermöglicht somit intelligente oder<br />
sogar autonome Endoskopie. Die<br />
erste Anwendung ist «intuBot» –<br />
ein assistierendes Gerät für einfachere<br />
und sicherere tracheale<br />
Intubation.<br />
Perovskia Solar AG<br />
Ebenfalls auf dem Podium steht die<br />
Perovskia Solar AG. Das Schweizer<br />
Cleantech-Start-up bietet digital<br />
gedruckte, anpassbare Solarzellen<br />
für Erstausrüster (OEMs) an. Die<br />
Solarzellen sind so zugeschnitten,<br />
dass sie sich nahtlos in elektronische<br />
Geräte, IoT und Sensoren<br />
integrieren lassen. Sie arbeiten auch<br />
bei schlechten Lichtverhältnissen<br />
wie in Wohnungen und Büros<br />
effizient.<br />
2018<br />
skAD Labs<br />
Entwicklungssoftware für<br />
Maschinenbau vereint Design<br />
und Simulation.<br />
www.skadlabs.com<br />
2017<br />
Topadur Pharma AG<br />
Medikamente, die Wundheilung<br />
beschleunigen und Narben<br />
verhindern.<br />
www.topadur.com<br />
2016<br />
GOLD S AG<br />
Revolutionäre Klammer<br />
zur Korrektur von Zahnfehlstellungen.<br />
2015<br />
Apex Sports LLC<br />
Gummi für Enduro-, Freerideund<br />
Downhill-Reifenprofile<br />
für Mountainbikes.<br />
www.onza-tires.com
Spirecut SA<br />
Beim dritten Erstplatzierten handelt<br />
es sich um die Spirecut SA. Sie<br />
entwickelt ultraschallgeführte<br />
chirurgische Instrumente zur<br />
Behandlung von Erkrankungen wie<br />
Karpaltunnelsyndrom und<br />
Schnappfinger. Es handelt sich um<br />
eine nicht invasive Technik mit<br />
minimaler Hautpunktion. Nach der<br />
Operation können die Patienten<br />
sofort wieder ihren täglichen<br />
Aktivitäten nachgehen.<br />
Die Swiss Innovation Challenge<br />
(SIC) wurde am Tag der Wirtschaft<br />
2014 von der Wirtschaftskammer<br />
<strong>Baselland</strong>, der FHNW und der BLKB<br />
ins Leben gerufen. In den seither<br />
acht Austragungen hat sich der<br />
Innovationsförderwettbewerb einen<br />
Namen gemacht und ist aus der<br />
Innovationsszene nicht mehr<br />
wegzudenken.<br />
Innovationsförderung<br />
Die Besonderheit der Swiss Innovation<br />
Challenge ist, dass es sich um<br />
ein Innovationsförderprogramm<br />
mit Wettbewerb handelt. Aus mehr<br />
als 100 Innovationsprojekten<br />
werden im Rahmen dreier Ausscheidungsrunden<br />
(«Pitches»)<br />
25 Finalisten und ein Sieger<br />
(«Award Winner») erkoren.<br />
Die Teilnehmenden des Wettbewerbs<br />
sind KMU und Start-ups aus der<br />
ganzen Schweiz. Zusätzlich zum<br />
Award können die Teilnehmer<br />
Sonderpreise in den Bereichen «Life<br />
Sciences» und «Bau» gewinnen. Der<br />
Wettbewerb dauert acht Monate.<br />
Während dieser Zeit können die<br />
Teilnehmenden an kostenlosen,<br />
anwenderorientierten Seminaren<br />
teilnehmen. Zudem haben die<br />
Teilnehmenden Zugang zu Mentoring-<br />
und Coaching-Programmen, bei<br />
denen sie mit praxisnahem Wissen<br />
unterstützt und gefördert werden.<br />
Neben diesen Vorteilen profitieren<br />
die Teilnehmenden und ihre Innovationsprojekte<br />
von Netzwerkanlässen<br />
und diversen Publicity-Massnahmen.<br />
Das Gewinnerprojekt erhält neben<br />
einem kunstvoll gestalteten Pokal ein<br />
Preisgeld von 20 000 Franken, für die<br />
Plätze 2 und 3 gibt es je 5000 Franken.<br />
Coaching und Mentoring<br />
Als besonders attraktiv für die<br />
Teilnehmenden der Swiss Innovation<br />
Challenge haben sich die<br />
Coaching- und Mentoring-Programme<br />
erwiesen. Diese stehen den<br />
Teilnehmenden kostenlos zur<br />
Verfügung, wobei sie die Seminare<br />
auch im Falle des Ausscheidens aus<br />
dem Wettbewerb weiterhin nutzen<br />
können.<br />
Erfolgreiches Projekt<br />
Die Swiss Innovation Challenge hat<br />
seit ihrer Lancierung im Jahr 2014<br />
und der ersten Durchführung im<br />
Jahr 2015 über 700 Projekte gefördert,<br />
zur Schaffung von mehr als<br />
1500 Stellen beigetragen und über<br />
400 000 Franken an Preisgeldern<br />
sowie Betreuungsleistungen vergeben.<br />
28 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
Die drei Phasen der SIC<br />
Die Swiss Innovation Challenge startet jedes Jahr mit dem Kick-off-Anlass.<br />
Danach gliedert sich der Wettbewerb in drei Phasen:<br />
Phase 1 – Schärfen der Geschäftsidee und Erstellung einer<br />
Kurzpräsentation<br />
In der ersten Wettbewerbsphase der Swiss Innovation Challenge geht es darum,<br />
innert drei Monaten die Geschäftsidee zu schärfen und eine Kurzpräsentation zu<br />
erstellen. Voraussetzung zur Zulassung für die erste Selektionspräsentation, den<br />
First Pitch, ist die Formulierung der eigenen Innovationsidee auf zwei A4-Seiten.<br />
Der erste Pitch dauert drei Minuten. Danach entscheidet die Jury, welche Teilnehmenden<br />
zu jener Hälfte des Teilnehmerfelds gehören, die es in die nächste Phase<br />
schafft.<br />
Phase 2 – Umsetzung der Geschäftsidee in einen <strong>Business</strong>plan<br />
Die zweite Phase der Swiss Innovation Challenge dauert weitere drei Monate. In<br />
dieser Zeit werden die Geschäftsidee konkretisiert, ein <strong>Business</strong>plan erstellt und<br />
die Präsentation erweitert. Voraussetzung zur Zulassung für die zweite Selektionspräsentation,<br />
den Second Pitch, ist die Formulierung eines professionellen <strong>Business</strong>plans<br />
auf Basis des Innovationskonzepts. Dieser <strong>Business</strong>plan sollte 15 bis<br />
30 Seiten umfassen. Der zweite Pitch dauert fünf Minuten. Wie in der Phase 1 teilt<br />
die Jury wiederum das Teilnehmerfeld. Nur die Hälfte schafft es in Phase 3.<br />
Phase 3 – Implementierungsplan und Erstellung einer Finalpräsentation<br />
In der dritten Phase der Swiss Innovation Challenge werden der <strong>Business</strong>plan<br />
verfeinert und die Präsentation finalisiert. Voraussetzung zur Zulassung für die<br />
dritte Selektionspräsentation, den Final Pitch, ist ein Umsetzungskonzept. Ein<br />
Kernelement der Verkaufsdokumentation ist ein Video-Pitch, der die Innovationsidee<br />
möglichst gut darstellt. Der dritte Pitch dauert sieben Minuten. Danach bestimmt<br />
die Jury die Gewinnerinnen und Gewinner der Swiss Innovation Challenge<br />
und der beiden Sonderpreise.<br />
Die Gewinnerinnen und Gewinner werden an der Award Winning Ceremony bekanntgegeben.<br />
Neben der praktischen Erfahrung, dem Netzwerk in der Wirtschaft, dem<br />
Sparring und den Kontakten zu potenziellen Geldgebern bietet die Swiss Innovation<br />
Challenge auch Preise für die Teilnehmenden. Der Sieger erhält 20 000 Franken, die<br />
Zweit- und Drittplatzierten jeweils 5000 Franken.<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 29
Interview Thomas Kübler<br />
Salina Raurica:<br />
Sistierung soll beendet<br />
werden<br />
Thomas Kübler ist seit 2016 Leiter<br />
der Standortförderung <strong>Baselland</strong>.<br />
Diese unterstützt und berät<br />
Firmen bei der Areal- und Immobiliensuche,<br />
bei Gründungen<br />
sowie bei Wirtschafts- und Standortfragen.<br />
Im Interview äussert<br />
sich Kübler zu den aktuellen<br />
Rahmenbedingungen im Baselbiet.<br />
Interview: Daniel Schaub<br />
BL <strong>Business</strong>: Herr<br />
Kübler, das Jahr <strong>2022</strong><br />
ist ein sehr bewegtes,<br />
das auch starke<br />
Einflüsse auf die<br />
Unternehmen<br />
ausübt. Inwiefern<br />
beeinflussen diese<br />
aktuellen Schwierigkeiten<br />
die Standortförderung<br />
<strong>Baselland</strong>?<br />
Die Kontakte mit den<br />
Unternehmungen zeigen<br />
die Unsicherheiten<br />
bezüglich der weltweiten<br />
Konjunkturlage, der geopolitischen<br />
Risiken, der Lieferkettenengpässe<br />
und seit einigen Monaten<br />
auch der Energiemangellage und<br />
aktuell der Energiepreisentwicklung<br />
auf. Das Gros der Unternehmungen<br />
hat trotz dieser Rahmenbedingungen<br />
bislang einen sehr<br />
guten Jahresverlauf erlebt.<br />
Welche Erfolgsmeldungen<br />
können Sie für das Jahr <strong>2022</strong><br />
diesbezüglich besonders hervorheben?<br />
Die Nachfrage nach Räumlichkeiten<br />
und Arealen für die Unternehmensentwicklung<br />
ist weiterhin hoch. Wir<br />
stellen eine anhaltend positive<br />
Dynamik bei den Entwicklungsarealen<br />
in Arlesheim, Allschwil<br />
oder auch im Raum Pratteln fest. Im<br />
Arlesheimer Schorenareal von<br />
«uptownBasel» ist sie sehr hoch. Es<br />
ist fantastisch, zu sehen, was dort<br />
aufgebaut wird und wie der Standort<br />
weit über die Landesgrenzen<br />
hinaus bekannt wird. Ähnliches gilt<br />
für den Switzerland Innovation<br />
Park und die gesamte Entwicklung<br />
im Bachgrabengebiet und im Areal<br />
BaseLink.<br />
Welche Rolle spielt das Thema<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> bei der Ansiedlung<br />
von neuen Unternehmen im<br />
Baselbiet?<br />
Das Thema ist und wird immer<br />
wichtiger – und zwar bei allen drei<br />
Pfeilern der <strong>Nachhaltigkeit</strong>.<br />
Unternehmerisch muss die<br />
Ansiedlung oder Firmenentwicklung<br />
ohnehin auf<br />
lange Frist erfolgreich<br />
sein. Die soziale <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
steht bei<br />
unternehmerischem<br />
Handeln weit oben auf<br />
der Prioritätenliste.<br />
Der sich akzentuierende<br />
Fachkräftemangel<br />
verstärkt diesen<br />
Prozess weiter. Die<br />
Mitarbeitenden wollen<br />
sich mit den Werten des<br />
Unternehmens identifizieren<br />
können und hinterfragen<br />
bei den Bewerbungsgesprächen<br />
das Handeln der potenziellen<br />
Arbeitgebenden kritisch. Auch die<br />
ökologische <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist aus<br />
unternehmerischem Handeln nicht<br />
mehr wegzudenken. Das Areal, auf<br />
dem ein Projekt realisiert werden<br />
soll, der ökologische Fussabdruck<br />
der Lieferanten und Transportmedien,<br />
der eigene Produktionsprozess,<br />
die nachhaltige und ökologische<br />
Energieversorgung – kein<br />
30 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
Projekt verzichtet heute mehr auf<br />
die Sicherstellung all dieser Punkte.<br />
Welche Entwicklungsprojekte im<br />
Baselbiet kommen in den nächsten<br />
Jahren auf Sie zu. Wo setzen<br />
Sie Schwerpunkte?<br />
Die bereits mehrfach angesprochenen<br />
Arealentwicklungen in Allschwil<br />
und in Arlesheim werden<br />
fortgesetzt, dazu stehen Entwicklungen<br />
in der Chuenimatt in Pratteln<br />
an. In den Vordergrund rücken<br />
auch andere Areale, die nun bereitstehen:<br />
Zusammen mit der Gemeinde<br />
Birsfelden und den Schweizerischen<br />
Rheinhäfen sind wir daran,<br />
den Hafen Birsfelden – eines unserer<br />
grössten Industriegebiete – im<br />
oben genannten nachhaltigen Sinn<br />
zu entwickeln und die Voraussetzungen<br />
zu schaffen, damit die<br />
Nutzung voranschreiten kann. In<br />
Liestal beschäftigt sich die Stadt<br />
intensiv mit der wirtschaftlichen<br />
Neupositionierung, die sie mit einer<br />
Arealentwicklung an der Rheinstrasse<br />
verbinden will. Der Gesundheitshub<br />
Liestal dürfte sehr grosses<br />
Potenzial für Liestal und den Kanton<br />
bieten. In Laufen steht der Wiederaufbau<br />
des Brandplatzes an der<br />
Wahlenstrasse an. Ein Areal von<br />
rund 50 000 Quadratmetern kommt<br />
so wieder auf den Markt. Im Oberbaselbiet<br />
sollen die Impulse durch<br />
die Inbetriebnahme der neuen<br />
Waldenburgerbahn genutzt werden.<br />
Weitere Verkehrsprojekte wie der<br />
Zubringer Bachgraben-Allschwil,<br />
die trinationale S-Bahn-Erschliessung<br />
mit der geplanten Haltestelle<br />
Morgartenring, der SBB-Doppelspurausbau<br />
Basel–Delémont und der<br />
neue Rheintunnel begleiten die<br />
Arealentwicklungen in den kommenden<br />
Jahren und Jahrzehnten.<br />
Wie steht es um das Areal Salina<br />
Raurica, das kürzlich aufgrund<br />
eines Standortentscheides der<br />
Firma Bachem, die nun ins<br />
Fricktal expandiert, in die<br />
Diskussion gekommen ist?<br />
Die Verfügbarkeit einer entsprechend<br />
geeigneten Parzelle bildete<br />
keinen Ausschlussgrund für den<br />
Entscheid der Bachem. Wir waren<br />
mit einem sehr guten Areal bis zum<br />
Schluss mit dabei und die Evaluation<br />
der beiden letzten Standorte ist<br />
dann zugunsten des Fricktals<br />
ausgegangenen – und wir freuen<br />
uns, dass Bachem nicht nur aktuell<br />
über 500 Millionen Franken in<br />
Bubendorf investiert, sondern<br />
weitere Projekte in der Region Nordwestschweiz<br />
umsetzen wird. Es gilt<br />
nun, die Sistierung der Planungsarbeiten<br />
von Salina Raurica nach<br />
dem Nein zur Tramverlängerung zu<br />
beenden und dieses Areal endlich<br />
der wirtschaftlichen Nutzung<br />
zuzuführen.<br />
Welche Stolpersteine, aber auch<br />
welche Möglichkeiten und<br />
Perspektiven sehen Sie für das<br />
Areal denn aus Sicht des Kantons?<br />
Die Vorbereitungsarbeiten für die<br />
Nutzung kamen vor der Abstimmung<br />
für die Tramverlängerung gut<br />
voran. Nach der Abstimmung<br />
wurden die Planungsarbeiten<br />
sistiert. Wir sind sehr daran interessiert,<br />
dass diese Sistierung demnächst<br />
beendet wird. Für das Areal<br />
sehen wir aufgrund seiner Verkehrsanbindung<br />
und seiner Lage sehr gute<br />
Potenziale und damit durchaus<br />
Möglichkeiten, dass es sich zu einem<br />
Ausgangspunkt und Hub für IT,<br />
E-Mobilität und High-Tech-Zulieferbetrieben<br />
entwickeln kann. Das<br />
haben wir seinerzeit zusammen mit<br />
den Eigentümern, den Wirtschaftsverbänden<br />
und externen Experten so<br />
erarbeitet und in den Projektwettbewerb<br />
eingebracht.<br />
Sie haben das stark prosperierende<br />
Gebiet Bachgraben in<br />
Allschwil schon erwähnt – dort<br />
kommt der Infrastrukturbau der<br />
Bautätigkeit der Unternehmen<br />
kaum hinterher. Wie ist das<br />
zeitnah zu lösen?<br />
Der Vergleich der beiden Areale zeigt<br />
einen spannenden Gegensatz auf: In<br />
Salina Raurica sollte die Verkehrsinfrastruktur<br />
zuerst erstellt werden und<br />
die wirtschaftliche Entwicklung<br />
folgen. Im Bachgrabengebiet ist die<br />
wirtschaftliche Entwicklung viel<br />
schneller vorangeschritten als die<br />
Infrastrukturentwicklung. Mit dem<br />
Zubringer Bachgraben (Zuba), den<br />
Tramplänen und dem Anschluss des<br />
Bachgrabengebiets an das trinationale<br />
S-Bahnsystem über die neue<br />
Haltestelle Morgartenring haben wir<br />
aber gewichtige und potente Lösungen<br />
an der Hand. Dazu kommt, dass<br />
zahlreiche neue zugezogene Unternehmen<br />
bereits heute ein betriebseigenes<br />
Mobilitätsmanagement in<br />
Betrieb haben, das ihre Anfälligkeit<br />
auf hohe Verkehrsaufkommen<br />
deutlich reduziert. Kanton und<br />
Gemeinde sind mit den Betrieben vor<br />
Ort in engem Kontakt und haben<br />
bereits zwei Workshops zum Thema<br />
Mobilitätsmanagement durchgeführt<br />
und Ideen und Ansätze zur Linderung<br />
der Problematik ausgearbeitet.<br />
Wir möchten uns gerne in ein<br />
Gespräch mit einem Unternehmen<br />
versetzen, das sich für eine<br />
Ansiedlung in der Schweiz<br />
interessiert. Mit welchen Hauptargumenten<br />
machen Sie dem<br />
CEO das Baselbiet schmackhaft?<br />
Mit der Standortwahl für das<br />
Baselbiet wird Ihre Unternehmung<br />
Teil einer der innovativsten Regionen<br />
Europas, ja der Welt. Sie finden<br />
hier ein ausgesprochen anregendes<br />
Ökosystem vor mit zahlreichen<br />
Firmen, Zulieferbetrieben und<br />
Kunden. Die Infrastruktur ist<br />
hervorragend ausgebaut, die Arbeitskräfte<br />
sind bestens ausgebildet<br />
und engagiert, die Wege zur Politik<br />
und Verwaltung sind kurz und das<br />
Baselbiet ist zudem ein ausgesprochen<br />
schöner Ort zum Leben.<br />
www.economy-bl.ch<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 31
<strong>Nachhaltigkeit</strong>slabels<br />
Durchblick in der<br />
Labelflut<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>slabels sind<br />
wichtige Orientierungshilfen<br />
beim Einkauf. Doch was sind sie<br />
tatsächlich wert und wie kann<br />
man sich informieren? BL <strong>Business</strong><br />
gibt einen kurzen Überblick.<br />
Delia Pfirter<br />
Bio-Knospe, Demeter, IP-Suisse,<br />
Fairtrade Max Havelaar – die Liste<br />
liesse sich lange weiterführen.<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>slabels gibt es wie<br />
Sand am Meer. Allein im Nahrungsmittelsektor<br />
existieren rund 70 solcher<br />
Zertifizierungen, Tendenz<br />
steigend. Sie sind wichtige Orientierungshilfen<br />
geworden, wenn der<br />
Einkauf möglichst sozial- und<br />
umweltschonend gestaltet werden<br />
möchte. Labels erleichtern den<br />
Konsumentinnen und Konsumenten<br />
die Kaufentscheidung.<br />
«Labelinfo.ch» schafft Übersicht<br />
Oftmals gestaltet es sich jedoch<br />
schwierig, zu durchschauen, wofür<br />
die einzelnen Labels stehen und wie<br />
zuverlässig die Zertifizierung<br />
tatsächlich ist. Erschwerend hinzu<br />
kommt, dass diese für Marketingzwecke<br />
missbraucht werden können.<br />
Eine Hilfe bietet hierbei<br />
beispielsweise die Website «Labelinfo.ch»,<br />
eine Informationsstelle für<br />
Umwelt- und Soziallabels, die von<br />
der Stiftung Pusch seit dem Jahr<br />
2001 betrieben wird. Labels werden<br />
nach den Kriterien Umweltschutz,<br />
Tierwohl, Sozialstandards, Fairness<br />
und Transparenz bewertet. Labelinfo.ch<br />
bietet derzeit Informationen<br />
zu 135 Gütesiegeln und 19 Deklarationen<br />
in deutscher und französischer<br />
Sprache und ist damit in der<br />
Schweiz die mit Abstand umfassendste<br />
Datenbank hierzu.<br />
Bio Suisse Knospe «ausgezeichnet»<br />
Die Knospe ist eines der bekanntesten<br />
Gütesiegel in der Schweiz. Doch wofür<br />
steht die Knospe genau? Die Produkte<br />
stammen aus biologischer Landwirtschaft<br />
und mindestens 90 Prozent der<br />
32 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
verwendeten Rohstoffe kommen aus<br />
der Schweiz. Knospe-Produkte<br />
erfüllen einen Standard, der weit<br />
über die gesetzlichen Anforderungen<br />
hinausgeht. Labelinfo.ch<br />
bewertet die Knospe mit der Bezeichnung<br />
«ausgezeichnet», das<br />
Gütesiegel erreicht in allen Bewertungskategorien<br />
sehr gute Werte.<br />
Die Knospe steht auch für besonders<br />
artgerechte Nutztierhaltung und<br />
-fütterung mit vorwiegend Biofutter<br />
und bezeugt, dass das Produkt aus<br />
einer gesamtbetrieblichen Bioproduktion<br />
stammt. Der naturnahe<br />
Anbau ohne chemisch-synthetische<br />
Mittel und Gentechnik sowie eine<br />
artgerechte Tierhaltung sind Grundpfeiler<br />
des Labels. Die Richtlinien<br />
werden in der gesamten Wertschöpfungskette<br />
eingehalten, auch im<br />
Ausland.<br />
Fisch-Label ASC «empfehlenswert»<br />
Das ASC-Gütesiegel zeichnet Fisch<br />
aus nachhaltiger Fischzucht aus.<br />
Zur Fütterung dürfen nur Fischprodukte<br />
verwendet werden, welche<br />
keine akut gefährdeten Fischarten<br />
enthalten. Zudem ist vorgeschrieben,<br />
dass ASC-zertifizierte Betriebe<br />
nur Fischmehl und Fischöl aus<br />
verantwortungsvollen Quellen<br />
beziehen dürfen. Ausserdem ist die<br />
Vermischung von Zuchtfischen mit<br />
einer in der Region natürlich<br />
vorkommenden Art zu verhindern.<br />
Es dürfen keine Medikamente zur<br />
vorbeugenden Behandlung der<br />
Fische verabreicht werden. Labelinfo.ch<br />
stuft das ASC-Gütesiegel als<br />
«empfehlenswert» ein. Die grössten<br />
Punktabzüge ergeben sich bei der<br />
Kategorie «Klima», was auf die<br />
langen Transportwege und die<br />
aufwendige Kühlung von Fischprodukten<br />
zurückzuführen ist. Bei der<br />
Kategorie «Prozesse und Kontrolle»<br />
jedoch erreicht das ASC-Label laut<br />
Labelinfo.ch Spitzenwerte.<br />
Sie möchten sich zu weiteren Labels<br />
informieren? Auf www.labelinfo.ch<br />
finden Sie zu vielen weiteren Labels<br />
interessante Informationen.<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 33
Interview David Bosshart<br />
«Die soziale<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> ist<br />
die wichtigste»<br />
David Bosshart ist Präsident der<br />
Duttweiler Stiftung und Gründer<br />
von Bosshart & Partners, Globaler<br />
und lokaler Speaker, Vordenker<br />
und Autor. Zuvor war er 22 Jahre<br />
CEO des Duttweiler Instituts.<br />
Interview: Daniel Schaub<br />
Corona, Energie, Fachkräfte, Geldund<br />
Zinsmarkt, Ukraine-Krieg,<br />
EU-Rahmenabkommen – kann sich<br />
die Schweizer Wirtschaft vor lauter<br />
Krisen und Problemen derzeit<br />
überhaupt noch retten?<br />
David Bosshart: Entscheidend ist<br />
alleine, ob wir handlungsfähig<br />
bleiben und gemeinsam vernünftige<br />
Ziele umsetzen können. Im mittlerweile<br />
lang anhaltenden Wohlstand<br />
haben wir grosszügig vergessen,<br />
dass Krisen, Kriege und Katastrophen<br />
unser Leben und unsere<br />
Erinnerungen immer tief geprägt<br />
haben. Das hat uns auch als Menschen<br />
und als Gesellschaft robust<br />
gemacht und den Sinn für das<br />
Machbare gestärkt. Heute leben wir<br />
zu sehr von Wunschvorstellungen<br />
und sind gefangen in einer Vielzahl<br />
von verletzlichen Bubbles, insbesondere<br />
was Technologie und Finanzmärkte<br />
betrifft. Demgegenüber hat<br />
sich unsere Sprache als verräterischer<br />
Indikator klammheimlich dem<br />
Wandel angepasst: sie hat sich<br />
militarisiert und prägt unser<br />
Denken und Handeln nun verstärkt<br />
– Handelskriege, Währungskriege,<br />
Produktoffensiven, Rabattschlachten,<br />
Materialschlachten, Krieg um<br />
die besten Talente, Headhunters,<br />
Aktionärsaktivisten und feindliche<br />
Übernahmen, Informationen als<br />
Waffen und Propaganda als Gehirnwäsche.<br />
Man sieht nicht zufällig<br />
vermehrt Generäle und nicht mehr<br />
CEOs als Keynote Speaker an<br />
Veranstaltungen.<br />
Heute leben wir zu<br />
sehr von Wunschvorstellungen<br />
und sind<br />
gefangen in einer<br />
Vielzahl von verletzlichen<br />
Bubbles,<br />
insbesondere was<br />
Technologie und Finanzmärkte<br />
betrifft.<br />
Die Wirtschaft lebt ja nicht primär<br />
von der Problembewältigung,<br />
sondern von der Entwicklung, der<br />
Innovation, von guten Zukunftsideen<br />
und -strategien. Bleibt dies<br />
angesichts des aktuell problembelasteten<br />
Tagesgeschäftes verstärkt<br />
auf der Strecke?<br />
Wir müssen das menschliche Mass<br />
wiederfinden. Unternehmerische<br />
Menschen wollen gestalten, nicht<br />
einfach reagieren. Der gefühlt sehr<br />
schnelle Wandel hat uns stressiger,<br />
aber nicht wirklich klüger gemacht.<br />
Die Agenda ist voll, aber der Kopf zu<br />
oft leer. Was genau sind denn «gute<br />
Ideen», was ist «sinnvolles Wachstum»<br />
und was ist nur «mehr vom<br />
selben»? Welche Externalitäten<br />
müssen wir künftig in die Preisgestaltung<br />
miteinbeziehen? Wir<br />
brauchen dringend Wachstum, aber<br />
Wachstum um des Wachstums willen<br />
ist die Logik der Krebszelle. Der<br />
Wachstumsdruck für Unternehmen<br />
ist in der vernetzten Welt der gegenseitigen<br />
Abhängigkeiten viel aggressiver<br />
geworden. Entweder man ist<br />
Google oder Microsoft und hat quasi<br />
Monopolstellungen. Oder man ist<br />
klar positioniert ist und hat Alleinstellungsmerkmale.<br />
Sonst ist man<br />
schnell nur noch in Preiskämpfen.<br />
Das Thema der Stunde heisst<br />
nachhaltiges Wirtschaften. In<br />
Zeiten von Mangellagen und Versorgungsengpässen<br />
stellt sich die<br />
Frage nach der Balance zwischen<br />
Wunsch und Realität. Wie ist dieser<br />
scheinbare Gegensatz zu lösen?<br />
In den 1970er-Jahren sprachen wir<br />
von «Erdölkrise» und «Umweltverschmutzung».<br />
Heute sprechen wir<br />
von «Energiekrise“ und «Klimawandel».<br />
Das zeigt die Veränderungen in<br />
der Wahrnehmung plastisch auf.<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> kostet Geld, viel Geld.<br />
Die Schweiz ist reich, sehr reich, und<br />
kann eine Vorreiterrolle spielen.<br />
Aber wir dürfen vom Zeithorizont<br />
34 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
her nicht naiv sein. Wirtschaft ist<br />
immer nur ein Energieumwandlungssystem.<br />
Unsere Erfolgsformel im<br />
Westen lautete bislang: «Wohlstandsdemokratie<br />
= Wirtschaftswachstum =<br />
Wachstum CO₂-Emissionen (total) =<br />
sozialer Friede». Wir übersehen<br />
grosszügig, dass Digitalisierung<br />
nicht Dematerialisierung heisst, und<br />
dass wir mehr Energie brauchen<br />
werden denn je. Digitalisierung ist<br />
die neue Industrialisierung. Die<br />
Wir übersehen<br />
grosszügig, dass<br />
Digitalisierung nicht<br />
Dematerialisierung<br />
heisst, und dass wir<br />
mehr Energie brauchen<br />
werden denn je.<br />
Abhängigkeit von Stahl, Beton,<br />
Plastik usw. kann man nicht einfach<br />
abschütteln oder ersetzen. Daher<br />
wird der Übergang in die Welt der<br />
Erneuerbaren viel länger dauern.<br />
Neue Fragen wachsen schneller als<br />
Antworten – von künstlicher<br />
Intelligenz über Kryptowährungen<br />
bis Biotechnologie. Die Regulierungsdichte<br />
wird zunehmen. All das<br />
verlangsamt auch wieder. Und wir<br />
müssen uns fragen, wie die neue<br />
Erfolgsformel lautet.<br />
Das Gottlieb Duttweiler<br />
Institut kümmert sich<br />
um die Trends und<br />
gesellschaftlichen<br />
Wandlungen der<br />
Zukunft . Wo geht der<br />
Weg lang, auf was müssen<br />
sich Wirtschaft<br />
und Konsumierende in<br />
den kommenden<br />
Jahren und Jahrzehnten<br />
einstellen?<br />
Wir sind in einer<br />
Zwischenphase. Wir<br />
wissen nur nicht,<br />
zwischen «was» wir<br />
uns befinden. Die<br />
aktuelle Gemengelage<br />
besteht aus einer Vielzahl von<br />
disparaten, aber doch verbundenen<br />
Krisenherden: Krieg, Inflation,<br />
Verschuldung der Staaten, Pandemie,<br />
Energie, Cyberkriminalität,<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>. Was heisst hier<br />
Leadership? Die künstliche Intelligenz<br />
kann einen Premierminister<br />
oder eine Präsidentin beratend<br />
ergänzen, aber nicht ersetzen.<br />
Wir brauchen in der Führung<br />
nüchterne, geduldige<br />
Personen, die nicht<br />
gleich verzweifeln und<br />
sich von Dummheiten<br />
ablenken lassen. Es<br />
wird uns in der<br />
reichen Schweiz auch<br />
in zehn Jahren noch<br />
gut gehen. Aber<br />
einseitige<br />
Überflusserfahrungen<br />
werden<br />
immer mehr auch<br />
mit Mangelerfahrungen<br />
zusammengehen.<br />
Nehmen Sie<br />
die Zwischenphase<br />
als eine Phase der<br />
Reinigung, der Katharsis.<br />
Viele Menschen sind<br />
stark verunsichert –<br />
wo führt das alles<br />
hin, was<br />
macht<br />
die Digitalisierung oder die künstliche<br />
Intelligenz mit uns, wie und<br />
wo arbeite ich in einigen Jahren,<br />
wie komme ich mit meinem Geld<br />
noch zurecht, muss ich mein Auto,<br />
meine Heizung ersetzen? Wie<br />
berechtigt sind diese Zukunftsängste<br />
und wie können wir ihnen<br />
begegnen?<br />
Von allen <strong>Nachhaltigkeit</strong>sthemen<br />
ist die soziale<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
die mit
Abstand wichtigste. Soziale Unruheherde<br />
nehmen überall zu. Die Hemmschwellen<br />
sinken – woran orientieren<br />
sich die Menschen? Ist Elon Musk ein<br />
Vorbild oder einfach ein genialer<br />
Soziopath? Nicht die technologische<br />
Komplexität ist das Hauptproblem,<br />
sondern die soziale Komplexität.<br />
Noch nie haben so viele Menschen<br />
nicht mehr verstanden, was mit<br />
ihnen passiert. Wie bei Krankheiten<br />
geht man mit zunehmendem Alter zu<br />
immer mehr Spezialisten. Aber die<br />
widersprechen sich und das Gesamtresultat<br />
sind hohe Kosten und latente<br />
Unzufriedenheit. Dann geht man in<br />
die Komplementärmedizin. Wenn die<br />
auch unbefriedigend ist, wird es<br />
esoterischer, denn überall gibt es<br />
Scharlatane. Und zu guter Letzt hängt<br />
man Verschwörungstheorien nach.<br />
Es fehlt an gesundem Menschenverstand,<br />
oder wie es die Engländer<br />
sagen, an Common Sense – die Sinne,<br />
die uns gemeinsam verbinden. Dieser<br />
ist zur prekärsten Ressource geworden.<br />
Glücklich sind Menschen, die<br />
einen guten Arbeitsplatz haben, mit<br />
ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
in interessanten Projekten<br />
zusammenarbeiten und sich regelmässig<br />
untereinander austauschen<br />
und auch regelmässig feiern. Die<br />
fallen nicht so schnell in ein Loch.<br />
Vor einigen Jahren war die Globalisierung<br />
DAS grosse Wirtschaftsthema.<br />
Die Pandemie und nun auch<br />
die Energiekrise lassen uns wieder<br />
kleingliedriger und auch eigensinniger<br />
denken. Ein Zwischenspiel<br />
oder ein nachhaltiger Trend?<br />
Globalisierung geht natürlich mit<br />
der Digitalisierung immer weiter,<br />
Die Hemmschwellen<br />
sinken. Woran orientieren<br />
sich die<br />
Menschen? Ist Elon<br />
Musk ein Vorbild oder<br />
einfach ein genialer<br />
Soziopath?<br />
aber wenn wir weniger Handel<br />
betreiben und uns weniger austauschen,<br />
nimmt der gemessene<br />
Wohlstand ab. Unsere Welt ist seit<br />
dem nun offensichtlichen imperialen<br />
Konflikt USA-China wieder<br />
zuerst eine politische Welt geworden,<br />
und auch das kostet viel. Die<br />
Suche nach kleineren Einheiten, die<br />
verlässlich sind und Entscheidungen<br />
durchsetzen können, ist eine<br />
verständliche und im Kern auch<br />
vernünftige Antwort. Kleinere<br />
Nationen wie die Schweiz, Dänemark<br />
oder Norwegen stehen gut da.<br />
Sorgen sollten wir uns in Europa<br />
über die Qualität der Regierungen<br />
der grösseren, einst dominierenden<br />
Länder machen. Wo stehen<br />
<strong>Deutsch</strong>land, England 2030? Italien<br />
war immer ein Spezialfall und<br />
Frankreich ist zu schwach für eine<br />
Führungsrolle.<br />
In einem Ihrer Vortragsthemen<br />
stellen Sie die Frage: Sind wir noch<br />
normal? Sind wir es?<br />
Sagen wir es so: Der Hunger nach<br />
Normalität, nach dem Konkreten,<br />
und die Suche nach Sicherheit<br />
dürfte in den kommenden Jahren<br />
zunehmen. Lange haben wir nach<br />
Exotik gegiert. Jedwede Nonkonformität<br />
wurde gefeiert. Je weiter<br />
etwas von zu Hause entfernt war,<br />
desto interessanter und begehrlicher<br />
schien es. Nun lernen wir:<br />
Wenn Nonkonformität die neue<br />
Konformität ist, gibt es gesellschaftlichen<br />
Stillstand. Wir Menschen<br />
sind soziale und sinnliche<br />
Wesen und brauchen örtliche<br />
Verankerung, um uns wohlzufühlen<br />
und entfalten zu können. Selbst die<br />
digitale Welt strotzt vor örtlichen<br />
Metaphern: Plattformen, Chatrooms,<br />
Cyberspace.<br />
36 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
Heike van de Kerkhof, CEO von Archroma<br />
BILD: ARCHROMA<br />
Paid Content Archroma<br />
Farben und Effekte<br />
nachhaltiger erzeugen<br />
Archroma ist ein führendes Spezialchemieunternehmen<br />
für Branchen<br />
wie Textil, Mode, Verpackung, Papier<br />
und Farben. Das Unternehmen mit<br />
Hauptsitz im Haus der Wirtschaft in<br />
Pratteln ist in etwa 100 Ländern tätig.<br />
Heike van de Kerkhof, die über<br />
mehr als 30 Jahre Erfahrung in der<br />
Chemie-, Öl-, Gas- und Materialindustrie<br />
verfügt, ist seit Januar 2020<br />
CEO von Archroma. Sie ist überzeugt,<br />
Kleidungsstücke und Verpackungen<br />
können einen entscheidenden Beitrag<br />
zur Verbesserung der <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
beitragen, etwa durch Färbetechniken<br />
und chemische Behandlungen.<br />
«Der Druck von Stakeholdern zur<br />
Verringerung des negativen Fussabdruckes<br />
der Industrie wächst. Ich bin<br />
sehr stolz darauf, dass Archroma mit<br />
seiner 125-jährigen Geschichte eine<br />
wichtige treibende Kraft im Bereich<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> in unseren Branchen<br />
ist.<br />
Wir haben kontinuierlich in<br />
Forschung und Entwicklung (F&E)<br />
investiert, und verfügen heute über<br />
zahlreiche nachhaltigere Produkte<br />
wie anilinfreies* Indigo für Jeansstoffe,<br />
fluorfreie* wasserabweisende<br />
Smartrepel®-Technologie oder die<br />
aus Kräuter- und Lebensmittelabfällen<br />
erzeugten EarthColors®.<br />
Die Übernahme der Textile-Effects-Abteilung<br />
von Huntsman, die<br />
einen Standort in Basel beinhaltet,<br />
wird voraussichtlich 2023 abgeschlossen<br />
sein. Der Ankauf schafft<br />
komplementäre Expertise und<br />
Portfolios, die es uns ermöglichen,<br />
unserer Kundschaft innovative<br />
Lösungen anzubieten, um Energieund<br />
Wasserverbrauch, CO₂-<br />
Fussabdruck sowie die entsprechenden<br />
Kosten zu reduzieren. So tragen<br />
wir als Schweizer Unternehmen<br />
dazu bei, eine nachhaltigere Welt zu<br />
gestalten.»<br />
*Unterhalb der Nachweisgrenze<br />
gemäss branchenüblicher Testmethoden.<br />
www.archroma.com<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 37
European Food Trends Report<br />
Die grosse<br />
Verstrickung<br />
Wie ernährt sich die Menschheit<br />
heute und morgen? Der European<br />
Food Trends Report des Gottlieb<br />
Duttweiler Instituts befasst sich<br />
mit diesem existenziellen Thema.<br />
Christine Schäfer*<br />
Ausgelaugte Böden, multiresistente<br />
Keime, umgekippte Gewässer: Das<br />
ist längst keine Dystopie mehr,<br />
sondern eine Schattenseite der<br />
industriellen Landschaft – bedrohlich<br />
für die Lebensmittelversorgung.<br />
Eine Versorgung, die bereits wegen<br />
Klimawandel und globalen Konflikten<br />
unter Druck ist. Kehrt gar der<br />
Hunger zurück? Oder wird uns mit<br />
modernen Technologien wie der<br />
Herstellung von Laborfleisch,<br />
digitaler Präzisionslandwirtschaft,<br />
vertikalen Farmen, genetisch<br />
veränderten, robusteren Sorten und<br />
einer nachhaltigeren wie gerechteren<br />
Landwirtschaft die Trendumkehr<br />
gelingen?<br />
Der Mensch als Ökosystem<br />
Dass sich die Umwelt um uns herum<br />
erholen kann, ist in unserem ureigenen<br />
Interesse: nicht nur, weil wir von<br />
ihren Ressourcen abhängig sind,<br />
sondern auch, weil wir selbst ein Teil<br />
dieser Natur sind – und zwar in einem<br />
viel grösseren Ausmass, als wir das<br />
bisher angenommen haben. Auch der<br />
Mensch mit seinen vielen Billionen<br />
Mikroben ist ein Ökosystem. Sie<br />
wohnen in den Därmen, kleben in den<br />
Schleimhäuten, leben auf der Haut.<br />
Ohne sie sind wir nichts –<br />
oder viel weniger, bestimmt aber<br />
nicht überlebensfähig.<br />
Diese Bakterien und Pilze bestimmen<br />
nämlich nicht nur unseren Stoffwechsel.<br />
Vielmehr beeinflussen sie auch<br />
unsere Gesundheit. Mehr noch: Die<br />
Urlebewesen, die schon lange vor uns<br />
auf diesem Planeten waren, stehen in<br />
direkter Verbindung zu unserem<br />
Gehirn und können so auch unsere<br />
Launen, unser Wesen beeinflussen.<br />
Wir können nicht genau sagen, wo der<br />
Mensch aufhört und die Mikrobe<br />
anfängt. Wir sind verwoben.<br />
Damit wird unser Selbstverständnis,<br />
das lange Zeit auf einer Trennung von<br />
Körper und Geist, von Mensch und<br />
Natur beruhte, auf die Probe gestellt.<br />
Entwicklungen in der modernen<br />
Gentechnologie, der synthetischen<br />
Biologie, aber auch neue Technologien<br />
in der Lebensmittelproduktion<br />
zeigen zudem, dass auch die Grenze<br />
zwischen Biologie und Technik<br />
zunehmend verschwimmt.<br />
Mit der Erforschung des Mikrobioms<br />
haben wir einen mächtigen<br />
Schlüssel zu unserem Wohlergehen<br />
und unserer Gesundheit gefunden.<br />
Welche Mikroben sich bei uns zu<br />
Hause fühlen, hat mit unserem<br />
Kontakt zur Umwelt, mit unserem<br />
Verhalten, aber natürlich vor allem<br />
mit unserer Ernährung zu tun.<br />
Schliesslich nehmen wir mit jeder<br />
Mahlzeit ein bisschen «Umwelt» in<br />
uns auf.<br />
Die «Inwelt»-Zerstörung<br />
Dadurch spiegelt sich in unserem<br />
Innern das Aussen. So wie der<br />
Artenreichtum um uns herum<br />
zurückgeht, so schrumpft auch die<br />
Vielfalt in unserem Mikrobiom.<br />
Heute besitzen Menschen in industrialisierten<br />
Gegenden nur noch halb<br />
so viele Mikrobenarten wie Menschen,<br />
die kaum mit der westlichen<br />
Zivilisation in Berührung gekommen<br />
sind. Es gibt neben der Umweltzerstörung<br />
also auch eine «Inwelt»-<br />
Zerstörung. Sie wird von Mikrobiologinnen<br />
und -biologen mit vielen<br />
Zivilisationskrankheiten und<br />
modernen Autoimmunerkrankungen<br />
in Verbindung gebracht.<br />
In einer Welt, die verstrickt ist,<br />
müssen wir in Zusammenhängen<br />
denken, wenn wir Hunger, Krankheit<br />
und Umweltzerstörung gleichzeitig<br />
bekämpfen wollen. Damit wir<br />
die wachsende Weltbevölkerung<br />
gesund ernähren und dabei die<br />
Ökosysteme um uns herum und in<br />
uns drin erhalten oder gar wiederbeleben<br />
können. Mehr zum Thema<br />
erfahren Sie im aktuellen «European<br />
Food Trends Report» des Gottlieb<br />
Duttweiler Instituts, der online<br />
kostenfrei bezogen werden kann.<br />
*Researcher Gottlieb Duttweiler<br />
Institut (Gastbeitrag)<br />
38 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
CO₂ 6%<br />
19%<br />
Food Waste ist für 6% der weltweiten<br />
Treibhausgasemissionen<br />
verantwortlich.<br />
1%<br />
Heute ist 1% der Welt eine kaum<br />
bewohnbare Hochtemperaturzone.<br />
Bis 2070 könnte sich<br />
dieser Anteil auf 19% erhöhen.<br />
Zwischen 720 und 811 Millionen<br />
Menschen auf der Welt waren<br />
im Jahr 2020 von Hunger betroffen.<br />
Rund 660 Millionen<br />
Menschen könnten 2030 immer<br />
noch Hunger leiden, was zum<br />
Teil auf die anhaltenden Auswirkungen<br />
der COVID-19-Pandemie<br />
zurückzuführen ist.<br />
70 Prozent des weltweit<br />
abgezweigten Süsswassers<br />
wird für die Landwirtschaft<br />
verwendet.<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 39
Nachhaltige Fischzucht<br />
Frischer Fisch<br />
aus Birsfelden<br />
Beim Schweizer Fisch gibt es viel<br />
Potenzial für <strong>Nachhaltigkeit</strong>.<br />
Anstatt zu importieren, kann<br />
Fisch auch in Aquakulturen<br />
gezüchtet werden. Die Migros hat<br />
vor zwei Jahren so eine Anlage in<br />
unserer Region eröffnet.<br />
Patrick Herr<br />
Die Nachfrage nach Fisch aus Schweizer<br />
Gewässern steigt seit Jahren stetig.<br />
Und gleichzeitig soll dieser Fisch auch<br />
aus nachhaltiger Produktion kommen.<br />
Demgegenüber steht die Tatsache,<br />
dass die Schweizer Gewässer zu<br />
sauber sind und den Fischen zu wenig<br />
Nährstoffe bieten. Die Folge: In den<br />
Netzen bleibt weniger hängen, denn<br />
der Fischbestand sinkt und es muss<br />
immer mehr Fisch importiert werden.<br />
Fast alle Fische und Meeresfrüchte, die<br />
auf Schweizer Tellern landen, werden<br />
importiert. 2021 wurden laut dem<br />
Statistik-Portal Statista 76 400 Tonnen<br />
aus dem Ausland eingeführt.<br />
Das ist nicht nachhaltig und das ist<br />
auch nicht, was die Konsumenten<br />
wünschen. Was also tun? Die Migros<br />
hat vor zwei Jahren eine ebenso<br />
ungewöhnliche wie nachhaltige<br />
Lösung gefunden. Sie hat in Birsfelden<br />
begonnen, selber Fische zu züchten.<br />
Das Ziel ist, ganzjährig Fisch aus<br />
nachhaltigen Quellen zu produzieren,<br />
mit einem möglichst kleinen ökologischen<br />
Fussabdruck.<br />
Die Aquakulturanlage wurde im<br />
September 2020 in Betrieb genommen,<br />
nach insgesamt fünf Jahre<br />
Planungsarbeit. Die Migros bezeichnete<br />
diese anlässlich der Eröffnung als<br />
Pionierprojekt. In der Aquakultur<br />
Birsfelden werden Felchen produziert.<br />
Migros-Sprecher Patrick Stöpper:<br />
«2021 konnten wir leider etwa erst 30<br />
Tonnen ernten. Die Werte für <strong>2022</strong><br />
werden sich auf vergleichbarem<br />
Niveau bewegen. Zukünftig planen<br />
wir mit 240 Tonnen Biomasse pro<br />
Jahr, was mit einer angestrebten<br />
Ausbeute von 50 Prozent<br />
120 Tonnen Felchenfilets ergeben<br />
wird.»<br />
36 Becken für tausende Fische<br />
Im Untergeschoss von Swiss Aqua<br />
stehen 36 Becken und in jedem<br />
schwimmen mehrere tausend Fische.<br />
Dank dieser Kreislaufanlage kommen<br />
wieder mehr Schweizer Felchen aus<br />
heimischer Zucht. Von da, wo die<br />
Konsumenten daheim sind. Lange<br />
Transportwege können so vermieden<br />
werden. Aber nicht nur das. Dank<br />
dieser Kreislaufanlagen können ein<br />
gesunder Bestand und Produktquali-<br />
40 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
Die Aquakulturanlage liegt im Untergeschoss eines Industriegebäudes der Migros-Tochter Delica in Birsfelden.<br />
FOTO: MIGROS<br />
tät sichergestellt werden. Ein ausgeklügeltes<br />
System garantiert zudem<br />
einen schonenden Umgang und eine<br />
optimale Nutzung natürlicher<br />
Ressourcen wie Wasser, Wärme und<br />
Platz, erklärt die Migros. Die Becken<br />
in Birsfelden sind so konstruiert, dass<br />
sie selbstreinigend sind. Das Wasser<br />
wird laufend von Feststoffen und<br />
gelösten Stoffen gereinigt und<br />
abgeführt. In Trommelfiltern werden<br />
alle festen Materialien aus dem<br />
Wasser entfernt. Das Wasser mit den<br />
gelösten Verunreinigungen kommt<br />
anschliessend in einen Biofilter, wo es<br />
durch Bakterien gereinigt wird.<br />
Die Migros setzt ausschliesslich<br />
Fische aus eigener Zucht ein. Die<br />
Fische werden in Ostdeutschland in<br />
einer Zuchtanlage, die zu Migros<br />
Industries gehört, reproduziert und<br />
aufgezogen. Sie werden in einer<br />
kontrollierten Umgebung reproduziert,<br />
sodass die natürlichen Bestände<br />
nicht bedroht werden, betont die<br />
Migros. Nach vier bis sechs Monaten<br />
kommen die Tiere nach Birsfelden in<br />
die grossen, blubbernden Becken.<br />
Hier sind sie, wie in der Natur, in<br />
Schwärmen unterwegs, erhalten<br />
laufend Frischwasser und bewegen<br />
sich in optimalen Temperatur- und<br />
Sauerstoffbedingungen. So erreichen<br />
sie nach weiteren drei bis vier<br />
Monaten ihr Zielgewicht von rund<br />
300 Gramm. Und wenn es so weit ist,<br />
werden die Fische schliesslich auch<br />
vor Ort verarbeitet.<br />
Die Felche ist anspruchsvoll<br />
Der Aufbau der Aquakultur von<br />
Felchen gestaltet sich herausfordernd,<br />
sagt Migros-Sprecher<br />
Patrick Stöpper: «Die Felche ist eine<br />
Diva und die Zucht entsprechend<br />
anspruchsvoll, was auch Auswirkungen<br />
auf die Produktion hatte,<br />
welche zum Teil unter den Erwartungen<br />
blieb. Mittlerweile sind wir<br />
aber sehr zufrieden und können die<br />
geplanten Mengen erzeugen. Wir<br />
sind nach wie vor überzeugt von<br />
unserem Konzept, haben die<br />
Weichen gestellt und sind auf<br />
Kurs.». Die Resonanz der Kundschaft<br />
sei durchwegs positiv, stellt<br />
die Migros fest: «Kürzlich hatten<br />
wir eine Aktion mit unseren<br />
Felchen in der Migros und waren<br />
vom Absatz überwältigt: Der<br />
gesamte Fisch wurde verkauft und<br />
wir hätten noch viel mehr verkaufen<br />
können.»<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 41
Swiss Sustainability Challenge<br />
Ein Award für<br />
Sustainability<br />
Seit 2017 schreibt die Fachhochschule<br />
Nordwestschweiz (FHNW)<br />
die Swiss Sustainability Challenge<br />
(SSC) aus. Im Corona-Jahr 2020<br />
gingen über 40 Projekte ein – und<br />
auch in diesem Jahr wird der<br />
Award für soziale und ökologische<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>sprojekte<br />
wieder vergeben.<br />
Daniel Schaub<br />
Der Aufruf zur Teilnahme an der<br />
Swiss Sustainability Challenge (SSC)<br />
richtet sich an Einzelpersonen oder<br />
Teams, die sich mit einem Projekt<br />
für soziale und ökologische <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
einsetzen möchten,<br />
unabhängig davon, ob es sich um ein<br />
Start-up oder ein Non-Profit-Projekt<br />
handelt und ob die Projekte noch<br />
ganz am Anfang stehen oder bereits<br />
die ersten Schritte in Richtung<br />
Umsetzung gegangen sind. Während<br />
der Fokus früher als Swiss Student<br />
Sustainability Challenge primär auf<br />
Studierenden lag, steht die heutige<br />
SSC allen jungen Menschen und<br />
ihren Ideen offen.<br />
Die Teilnehmenden werden<br />
dabei aktiv unterstützt, ihre Ideen<br />
zu Projekten auszuarbeiten und sie<br />
anschliessend erfolgreich umzusetzen.<br />
Sie profitieren von individuel-<br />
42 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
len Coachings durch erfahrene<br />
Expertinnen und Experten, von der<br />
kostenlosen Teilnahme an Seminaren<br />
und Workshops sowie von der<br />
Möglichkeit, sich mit anderen Teams<br />
zu vernetzen. Die drei überzeugendsten<br />
Projekte werden von einer<br />
Jury jeweils mit dem Pax Sustainability<br />
Award ausgezeichnet.<br />
Das Bewertungsschema der<br />
Swiss Sustainability Challenge ist an<br />
den von der FHNW entwickelten<br />
Sustainable Innovation Canvas<br />
angelehnt, der Elemente und Erkenntnisse<br />
aus bereits bestehenden<br />
Instrumenten zusammenführt. Der<br />
Sustainable Innovation Canvas ist<br />
ein Instrument zur systematischen<br />
(Weiter-) Entwicklung junger<br />
Organisationen in verschiedenen<br />
Entwicklungsphasen und mit<br />
unterschiedlichen Geschäftsmodellen<br />
(z.B. Non-Profit, For-Profit,<br />
Social Start-ups) und rückt insbesondere<br />
die ökologische und gesellschaftliche<br />
Wirkung der Vorhaben in<br />
den Fokus.<br />
«<strong>Nachhaltigkeit</strong>sorientierte<br />
Entrepreneurs sind in einem hohen<br />
Masse altruistisch orientiert. Dieser<br />
Begriff wird heute selten verwendet,<br />
meist ist von einer ‹ethischen<br />
Motivation› die Rede. Ich finde aber,<br />
dass es gerade die dezidierte Uneigennützigkeit<br />
ist, die nachhaltige<br />
Entrepreneurs ausmacht», sagt<br />
Projektleiter Prof. Dr. Claus-Heinrich<br />
Daub, Dozent für nachhaltige<br />
Unternehmensführung an der<br />
Hochschule für Wirtschaft der<br />
FHNW.<br />
Die Swiss Sustainability Challenge<br />
stellt den Teilnehmenden Leistungen<br />
im Gegenwert von rund<br />
70 000 Franken bereit, wovon<br />
20 000 Franken als Preisgelder für<br />
die besten drei Projekte ausgeschüttet<br />
werden. Teilnehmende profitieren<br />
von einem umfassenden Betreuungsprogramm,<br />
wobei sie je nach Ihrem<br />
individuellen Wissensstand und<br />
ihren Bedürfnissen frei entscheiden<br />
können, von welchen Angeboten sie<br />
Gebrauch machen möchten. Alle<br />
Betreuungsangebote sind für die<br />
teilnehmenden Teams kostenlos.<br />
Was ist eigentlich <strong>Nachhaltigkeit</strong>?<br />
«Sustainability» – <strong>Nachhaltigkeit</strong> – ist<br />
weit mehr als einfach «nur» Klimaschutz.<br />
Um ihre materiellen und immateriellen<br />
Bedürfnisse zu befriedigen,<br />
brauchen Menschen wirtschaftliches<br />
Wohlergehen und eine auf Solidarität<br />
basierende Gesellschaft. Deshalb<br />
stützt sich das Konzept der <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
auf drei Säulen: Soziales, Wirtschaft<br />
und Ökologie. Nachhaltige Entwicklung<br />
kann nur durch das<br />
gleichzeitige und gleichberechtigte<br />
Umsetzen von Zielen in allen drei Teilbereichen<br />
Realität werden.<br />
www.sustainabilitychallenge.ch<br />
Soziale <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
Die Qualität des menschlichen Lebens<br />
und Zusammenlebens zu verbessern ist<br />
oberstes Ziel einer nachhaltigen,<br />
Entwicklung. Zu den Themen gehören<br />
unter anderem Menschenrechte, Gesundheit,<br />
Gleichberechtigung und Inklusion.<br />
Wirtschaftliche <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
Das Wohlergehen von Menschen kann nur<br />
gesteigert werden, wenn eine wirtschaftliche<br />
Entwicklung gefördert<br />
wird, die höheren Wohlstand ermöglicht,<br />
ohne soziale, ökologische und kulturelle<br />
Aspekte der Gemeinschaft negativ zu<br />
beeinflussen.<br />
Ökologische <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
Ein verantwortungsvoller und effizienter<br />
Umgang mit natürlichen Ressourcen<br />
sichert die ökologischen Lebensgrundlagen<br />
von Menschen heute und in Zukunft.<br />
Wirtschaftliche, soziale und ökologische<br />
Prozesse sind eng miteinander<br />
verknüpft. Die Swiss Sustainability<br />
Challenge fördert daher gezielt Projekte,<br />
Initiativen und Startups, die alle<br />
drei Dimensionen im Blick behalten und<br />
somit einen wirkungsvollen Beitrag zu<br />
einer nachhaltigen Entwicklung leisten.<br />
Quelle: Swiss Sustainability Challenge<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 43
Baustoff Holz<br />
Nachhaltig und<br />
zukunftsweisend<br />
Der Einsatz von Holz im Bauwesen<br />
ist energie- und klimapolitisch<br />
sinnvoll. Bäume entziehen<br />
der Luft CO₂ und geben gleichzeitig<br />
Sauerstoff zurück. Der im<br />
Baum gebundene Kohlenstoff<br />
bleibt jahrzehntelang gespeichert,<br />
wenn Holz für Bauten und<br />
Holzwerkstoffe verwendet wird.<br />
Delia Pfirter<br />
Was kommt Ihnen beim Begriff Holz<br />
in den Sinn? Möglicherweise gemütliche<br />
Stunden in den Bergen in einem<br />
urchigen Holzchalet oder, ganz<br />
einfach, der herrliche Duft des Waldes.<br />
Holz ist vor allem ein wichtiger<br />
Baustoff – und hat im Gegensatz zu<br />
anderen Baumaterialien gewichtige<br />
Vorteile: Bäume brauchen nur Sonnenstrahlung,<br />
Nährsalze und Regen,<br />
um zu gedeihen, das Holzwachstum<br />
erfordert keine zusätzliche Energie.<br />
Ausserdem werden bei der «Herstellung»<br />
keine Schadstoffe produziert,<br />
im Gegenteil: Holz bindet, während es<br />
wächst, Kohlendioxid aus der Luft,<br />
was angesichts des Klimawandels eine<br />
enorme Bedeutung hat. Jeder Kubikmeter<br />
Holz setzt den Kohlenstoff aus<br />
ungefähr einer Tonne CO₂ fest.<br />
Klimaschädliche Baustoffe<br />
ersetzen<br />
Der bewirtschaftete Schweizer Wald<br />
ist eine natürliche CO₂-Abbaustätte:<br />
Jahr für Jahr absorbiert er ungefähr<br />
zehn Prozent der gesamtschweizerischen<br />
CO₂-Emissionen. Wird<br />
geerntetes Holz in langlebige<br />
Produkte wie Parkett, Fassaden oder<br />
in ganze Holzbauten umgewandelt,<br />
bleibt der vom Baum gebundene<br />
Kohlenstoff dem natürlichen<br />
Kreislauf für Jahrzehnte entzogen.<br />
Aber: Der nachhaltigste Nutzen<br />
aus der Verwendung von Holz besteht<br />
im Ersatz konventioneller Baustoffe.<br />
Generell benötigt die Herstellung der<br />
meisten Holzprodukte markant<br />
weniger Energie als die Fertigung<br />
anderer gängiger Baumaterialien,<br />
wodurch der Ausstoss von Treibhausgasen<br />
erheblich minimiert wird. Da<br />
in den Herstellungsprozess von<br />
Holzprodukten generell weniger<br />
Energie gesteckt werden muss, steht<br />
dieser Baustoff im direkten Vergleich<br />
mit anderen industriell erzeugten<br />
Baustoffen, die energieaufwendiger<br />
sind, viel besser da. «Wird das<br />
anfallende Restholz konsequent<br />
thermisch verwertet, spart jeder<br />
zusätzlich verbrauchte Kubikmeter<br />
fester Holzmasse im Bauwesen in der<br />
Schweiz nochmals rund eine Tonne<br />
Kohlendioxid ein», erklärt Michael<br />
Meuter, Informationsverantwortlicher<br />
von Lignum, der Dachorganisation<br />
der Schweizer Wald- und<br />
Holzwirtschaft.<br />
Bauten für 24 Prozent der CO₂-<br />
Emissionen verantwortlich<br />
Bauen mit Holz und die Bevorzugung<br />
von Holz und Holzwerkstoffen<br />
44 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
für den konstruktiven Holzbau,<br />
Innenausbau, Möbel und Bodenbeläge<br />
sind deshalb effiziente Massnahmen<br />
zugunsten des Klimaschutzes.<br />
Michael Widmer, Geschäftsführer<br />
Holzwerkstoffe Schweiz,<br />
erklärt: «Holz als Baustoff gewinnt<br />
enorm an Bedeutung und dies zu<br />
Recht: Aus ökologischer und ästhetischer<br />
Sicht hat Holz viel zu<br />
bieten.» Die Schweiz möchte bis<br />
2050 klimaneutral sein. Um dieses<br />
ambitionierte Ziel erreichen zu<br />
können, muss die Bauwirtschaft<br />
zwingend ökologischer werden.<br />
Ganze 45 Prozent des schweizerischen<br />
Primärenergieverbrauchs<br />
gehen heute zulasten des Baus und<br />
des Betriebes von Gebäuden. Hinzu<br />
kommt, dass der Bau und der<br />
Betrieb von Gebäuden noch immer<br />
24 Prozent der Treibhausgas-Emissionen<br />
der Schweiz verursachen.<br />
Vielfältiger Einsatz von Holz<br />
In den nächsten Jahren werden in<br />
der Schweiz voraussichtlich sehr<br />
viele Neubauten entstehen. Hinzu<br />
kommen unzählige Altbauten, die<br />
energetisch nachgerüstet werden<br />
müssen, damit sie die Anforderungen<br />
der Schweizer Energie- und<br />
Klimavorgaben erfüllen. Die<br />
Verwendung von Holz reduziert<br />
hierbei den Anteil grauer Energie in<br />
einem Bau, eben weil die Produktion<br />
des Rohstoffs nicht eigens Energie<br />
wie beispielsweise die Herstellung<br />
von Beton oder anderen Baumaterialien<br />
verbraucht. Michael Widmer<br />
erklärt: «Gerade im Bereich der<br />
Holzwerkstoffe sind der Vielfalt<br />
kaum Grenzen gesetzt. Auch durch<br />
die problemlose Kombination mit<br />
anderen Materialien wird Holz zu<br />
einem universellen Baustoff, der fast<br />
allen Anforderungen gerecht<br />
werden und andere Baustoffe<br />
substituieren kann.»<br />
Wird Holz zudem lokal gewonnen,<br />
verarbeitet und verbaut, kommt<br />
ein weiterer Pluspunkt bezüglich<br />
Grauenergie hinzu: Die Transportwege<br />
sind besonders kurz. Hölzer,<br />
BILD: ZVG MICHAEL MENTER, ZÜRICH/LIGNUM<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 45
die aus der Schweiz kommen, können<br />
mit dem «Label Schweizer Holz»<br />
gekennzeichnet werden. Die Schweizer<br />
Herkunft steht für einen verantwortungsvollen,<br />
nachhaltigen<br />
Umgang mit Holz und Wald. Seit<br />
2012 wird das Label auf der gesamten<br />
Waldfläche der Schweiz angewendet.<br />
Leider gibt es aber immer<br />
weniger Hersteller von Holzwerkstoffen<br />
in der Schweiz und man ist<br />
bei diesen Produkten stark auf<br />
Importe angewiesen.<br />
FSC und PEFC bürgen für<br />
nachhaltiges Holz<br />
Doch wie erkennt man sonst noch,<br />
ob das gekaufte Holz wirklich<br />
umweltverträglich bereitgestellt<br />
wurde? Hierfür gibt es nebst dem<br />
Label Schweizer Holz zwei weitere<br />
etablierte Gütesiegel: Die Zertifizierungssysteme<br />
FSC und PEFC bürgen<br />
für die umweltverträgliche Herkunft,<br />
Gewinnung und Weiterverarbeitung<br />
zum Endprodukt. Ziel ist<br />
es, die Wälder für kommende<br />
Generationen zu erhalten und eine<br />
verantwortungsvolle Waldwirtschaft<br />
unter Berücksichtigung<br />
wirtschaftlicher, sozialer und<br />
ökologischer Aspekte zu fördern.<br />
«<strong>Nachhaltigkeit</strong> ist uns sehr wichtig,<br />
alle unsere fünf Standorte sind<br />
FSC- und PEFC-zertifiziert», so<br />
Philipp Leibundgut, stellvertretender<br />
CEO der Woodpecker Group AG.<br />
Das Holz-Grosshandelsunternehmen<br />
ist familiengeführt und gehört<br />
zu den grössten und erfahrensten<br />
Holzhandelsfirmen auf dem Schweizer<br />
Markt. Leibundgut ergänzt, dass<br />
Holz auch bezüglich der Einhaltung<br />
energetischer Minergie-Standards<br />
sehr gut abschneidet, da der Baustoff<br />
mit seiner geringen Wärmeleitfähigkeit<br />
schon von Natur aus eine<br />
positive Energiebilanz aufweise.<br />
«Auch für die Energieeffizienz ist es<br />
sehr sinnvoll, vermehrt Holz zu<br />
nutzen und damit energieintensive<br />
konventionelle Baustoffe zu ersetzen»,<br />
so Philipp Leibundgut.<br />
Herausforderung<br />
Kreislaufwirtschaft<br />
Damit Baumaterialien jedoch auf<br />
Dauer wirklich nachhaltig sind,<br />
müssen sie möglichst lange im<br />
Kreislauf erhalten bleiben. In einer<br />
nachhaltigen Kreislaufwirtschaft<br />
werden Materialien so lange wie<br />
möglich wiederverwendet, aufgearbeitet<br />
oder recycelt. Dies ist die<br />
nächste Herausforderung für<br />
Industrie und Bauwirtschaft.<br />
Momentan fehlt der gesamtheitliche<br />
Blick in der Praxis oft noch, da<br />
der Rückbau schon in der Planungsphase<br />
berücksichtigt werden<br />
muss, was mit finanziellem<br />
Aufwand verbunden ist. Für eine<br />
kreislauffähige Konstruktion<br />
braucht es eine saubere Schichtentrennung<br />
und möglichst einfache,<br />
reversible Verbindungen. Verarbeitet<br />
man Holz, benötigt man oft<br />
Klebeleim, was beim Abriss für die<br />
Rohstofftrennung eine Schwierigkeit<br />
sein kann. Generell verfügt<br />
Holz jedoch über Eigenschaften,<br />
die sich für die Kreislaufwirtschaft<br />
gut eignen. Das Projekt «circular-<br />
WOOD» der Hochschule Luzern<br />
geht den Bedingungen für einen<br />
Paradigmenwechsel in Richtung<br />
zirkulärer Wirtschaft im Holzbau<br />
auf den Grund.<br />
BILD: COOP VERSCIO TI-PLANUNGSBÜRO BAUTAKT AG
BILD: EINFAMILIENHAUS, STALLIKON-WERKSTATT GMBH
Schweizer Salinen<br />
Salinen geben Natur<br />
etwas zurück<br />
Wenn ein Gebiet für den Salzabbau<br />
ausgeschöpft ist, geben<br />
die Schweizer Salinen das Land<br />
wieder so zurück, wie sie es<br />
angetroffen haben. Zudem<br />
haben die Salinen den Naturfonds<br />
«Salzgut» eingerichtet.<br />
Reto Anklin<br />
Die Schweizer Salinen bauen auf<br />
Solfeldern im Baselbiet in Pratteln<br />
und Muttenz und im angrenzenden<br />
Aargau in Rheinfelden und Möhlin<br />
Salz ab. Sie bohren die in bis zu<br />
400 Meter Tiefe liegende Steinsalzschicht<br />
an und pumpen Wasser<br />
hinunter, um das Salz zu lösen. Die<br />
so entstandene Salzsole wird wieder<br />
hochgepumpt und in der Saline<br />
eingedampft. Es entsteht das<br />
körnige Salz, wie es in den Salzstreuern<br />
auf den Tischen der<br />
Konsumentinnen und Konsumenten<br />
landet oder auch auf den winterlichen<br />
Strassen.<br />
Ist ein Solfeld nach einigen<br />
Jahren oder Jahrzehnten erschöpft,<br />
wird es renaturiert. «Wir haben den<br />
Auftrag, den ‹Status quo ante›<br />
wiederherzustellen. Das heisst, so<br />
wie die Salinen das Land angetreten<br />
haben, so werden die Salinen an das<br />
Land wieder zurückgeben», sagt<br />
Carlo Habich, Delegierter für<br />
Soleförderung und <strong>Nachhaltigkeit</strong>,<br />
bei den Schweizer Salinen.<br />
In den allermeisten Fällen sei<br />
dies Landwirtschaftsland. Dafür,<br />
dass der Bohrplatz in seinen ursprünglichen<br />
Zustand zurückversetzt<br />
wird, sorgt eine Klausel im<br />
Dienstbarkeitsvertrag, den die<br />
Salinen mit allen Grundeigentümerinnen<br />
und Grundeigentümern<br />
abschliessen, bevor sie ein Solfeld<br />
einrichten.<br />
Naturfonds «Salzgut»<br />
In seltenen Fällen, wenn der Bohrplatz<br />
durch die Aktivitäten der<br />
Salinen für die Natur und deren<br />
Biodiversität an Wert gewonnen hat,<br />
verzichten die Salinen bei einem<br />
Bohrplatz auf eine Renaturierung.<br />
«Dies geschieht aber nur mit Einwilligung<br />
des Grundeigentümers», sagt<br />
Habich.<br />
Die Möglichkeiten für eine weitergehende<br />
Renaturierung sind also<br />
beschränkt. «Um dennoch eine<br />
Aufwertung der Natur durch die<br />
Laugungstätigkeit zu bewerkstelligen,<br />
haben die Schweizer Salinen vor zwei<br />
Jahren den Naturfonds ‹Salzgut›<br />
eingerichtet», sagt Habich. Der<br />
grundlegende Gedanken sei, dass die<br />
Salinen Salz wegnehmen und am Ort<br />
des Abbaus der Umwelt etwas zurückgeben.<br />
Konkret ist dies 1 Franken pro<br />
geförderter Tonne Salz.<br />
Die Projekte, die der Naturfonds<br />
«Salzgut» unterstützt, liegen im<br />
Perimeter des Salzabbaus, in erster<br />
Priorität in den Abbaugemeinden.<br />
«Salzgut» fördert aber auch Projekte<br />
in den umliegenden Kantonsgebieten,<br />
so ein Vorhaben der Bürgergemeinde<br />
Aesch, die zusammen mit<br />
dem Forstrevier Angenstein 15 ehemalige<br />
Stein-, Lehm- und Tongruben<br />
aufwerten und so ein ganzes<br />
Netz neuer Lebensräume für seltene<br />
und gefährdete Tierarten schaffen<br />
will.<br />
«Bei einer Jahresproduktion von<br />
400 000 bis knapp 650 000 Tonnen<br />
Salz, je nach Winter, kommt ein<br />
schöner jährlicher Betrag in den<br />
Naturfonds, der für Naturschutzprojekte<br />
zur Verfügung steht», sagt<br />
Habich. Zwei Mal im Jahr würden<br />
Projekte eingereicht und von einem<br />
professionellen Expertenrat beurteilt.<br />
Nachsorgekonzepte<br />
Mit der Wiederherstellung des<br />
ursprünglichen Zustands an der<br />
Oberfläche ist es nicht getan. Das<br />
Nachsorgekonzept der Schweizer<br />
Salinen sieht vor, dass Kavernen<br />
und Bohrlöcher auch viele Jahre<br />
nach der Sole-Gewinnungsphase<br />
kontrolliert und überwacht werden.<br />
Momentan werden im ehemaligen<br />
Solfeld «Sulz» in Muttenz umfassende<br />
Abklärungen mithilfe neuester<br />
Messmethoden durchgeführt.<br />
Die Messungen helfen den Schweizer<br />
Salinen, die bestehende Datenlage<br />
zu aktualisieren und zu bereinigen<br />
sowie die Geologie in den<br />
Abbaugebieten noch besser zu<br />
verstehen.<br />
www.salz.ch<br />
48 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
Der Naturfonds «Salzgut» der Schweizer Salinen unterstützt auch ökologische Aufwertungsmassnahmen im Rebbaugebiet Aesch. FOTO: ZVG<br />
Die Saline Riburg im aargauischen Rheinfelden mit dem historischen Bohrhaus Nr. 7 und dahinter dem Saldome 1.<br />
FOTO: ZVG<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 49
<strong>Baselland</strong> Entdeckerland<br />
Nachhaltig unterwegs<br />
im Entdeckerland<br />
<strong>Baselland</strong> ist Entdeckerland.<br />
Denn kaum eine andere Region<br />
bietet derart viele Highlights,<br />
die es abseits der grossen<br />
Touristenströme zu entdecken<br />
gibt. Und die kleinen und<br />
grossen Bijous können ohne<br />
Hektik und auf eine umweltverträglichere<br />
Art entdeckt<br />
werden.<br />
Michael Kumli<br />
Sei es beim Transport mit der kostenlosen<br />
Nutzung des öffentlichen<br />
Verkehrs in der ganzen Region oder<br />
auf einer abwechslungsreichen<br />
E-Bike-Tour über «Bärg und Täli»,<br />
<strong>Baselland</strong> Tourismus und die<br />
regionalen Leistungsträger entwickeln<br />
Angebote, damit die Gäste ihre<br />
Erlebnisse mit einem möglichst<br />
geringen ökologischen Fussabdruck<br />
geniessen können. Heute, wie auch<br />
morgen.<br />
Die Natur geniessen und<br />
verstehen<br />
Warum ist eine Wiese eine Wiese?<br />
Was ist der Unterschied zwischen<br />
einer Wiese und einer Weide? Wer<br />
die beiden Baselbieter Wiesentouren<br />
Arboldswil–Titterten und Dittingen–<br />
Laufen unter die Füsse nimmt, wird<br />
bei den verschiedenen Informationsposten<br />
mit diesen Fragen konfrontiert<br />
– und erhält natürlich auch die<br />
Antworten dazu. Neben der Sensibili-<br />
50 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
sierung für die Natur verzaubern die<br />
beiden Wandertouren mit wunderbaren<br />
Landschaften und feinen regionalen<br />
Produkten, die es unterwegs bei<br />
Landwirtschaftsbetrieben, Dorfläden<br />
oder Ausflugrestaurants zu geniessen<br />
gibt. Was gibt es Schöneres, als ein<br />
feines «Plättli» mit Produkten zu<br />
geniessen, die direkt vom Hof von<br />
nebenan stammen? Ein absolutes<br />
Highlight ist die «Knabber-Kiste», die<br />
jeweils vorbestellt werden kann.<br />
<strong>Baselland</strong> umweltfreundlich<br />
«erfahren»<br />
Das E-Bike eignet sich hervorragend,<br />
um die Landschaft im Baselbiet<br />
entspannt und umweltfreundlich zu<br />
«erfahren». Denn diese Landschaft<br />
aus «Bärg und Täli» ist dafür wie<br />
geschaffen. Auf den vielseitigen<br />
Thementouren im E-Bike-Land<br />
Nordwestschweiz entdecken die<br />
E-Bikerinnen und -Biker Überraschendes,<br />
tauchen in vergangene<br />
Zeiten ein und verbinden Kultur mit<br />
Sport. Damit kein Akku vor dem Ziel<br />
schlappmacht, steht ein ausgeklügeltes<br />
Ladestationen-Netz bereit. Die<br />
Ladestationen versorgen den Akku<br />
kostenlos, bei jeder Witterung und<br />
ohne eigenes Ladekabel mit Energie.<br />
Die Ladestationen befinden sich stets<br />
in unmittelbarer Nähe zu einem<br />
Restaurant oder einer kulturellen<br />
Einrichtung. So wird aus dem Tankauch<br />
ein Genussstopp.<br />
Nachhaltige <strong>Baselland</strong>-Tipps:<br />
Engagiert beim Programm Swisstainable<br />
<strong>Baselland</strong> Tourismus nimmt aktiv am<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>sprogramm Swisstainable<br />
des Schweizer Tourismus<br />
teil. Die Tourismusorganisation<br />
will einerseits selber einen<br />
aktiven Beitrag zu einem nachhaltigeren<br />
Tourismus leisten und<br />
verfolgt andererseits das Ziel, laufend<br />
weitere Betriebe aus dem Baselbiet<br />
für das <strong>Nachhaltigkeit</strong>sprogramm<br />
Swisstainable zu gewinnen.<br />
Weitere Informationen und Erlebnisse<br />
unter: www.entdeckerland.ch<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 51
Waldenburgerbahn<br />
Das «Waldeburgerli»<br />
kehrt zurück<br />
Die Waldenburgerbahn nimmt<br />
am 11. Dezember <strong>2022</strong> als<br />
BLT-Linie 19 wieder ihren Betrieb<br />
auf. Die runderneuerte<br />
Bahn setzt auf <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
in allen Bereichen.<br />
Reto Anklin<br />
Nicht mehr im traditionellen<br />
rot-weiss, sondern in den BLT-Farben<br />
gelb-rot nehmen am kommenden<br />
11. Dezember die Züge der<br />
neuen Waldenburgerbahn (WB) den<br />
fahrplanmässigen Betrieb wieder<br />
auf. Mit dem Farbwechsel beginnt<br />
nach der mehr als ein Jahr dauernden<br />
Bauzeit, bei der kein Schotterstein<br />
auf dem anderen geblieben ist,<br />
im Waldenburgertal ein neues<br />
Eisenbahnzeitalter an. Dabei spielt<br />
die <strong>Nachhaltigkeit</strong> eine grosse Rolle.<br />
Zu dieser trägt das digitale<br />
Zugsteuerungs- und Zugsicherungssystem<br />
CBTC bei. Die Abkürzung<br />
steht für «Communication-based<br />
Train Control» oder «kommunikationsbasierte<br />
Zugkontrolle». Auffälligstes<br />
Merkmal der neuen Technik:<br />
Es stehen keine Signale mehr<br />
entlang der Bahnstrecke. Ein Display<br />
im Führerstand zeigt den führenden<br />
Personen alle nötigen Informationen<br />
und Signalbefehle an. Dies reduziert<br />
die Unterhaltskosten, da an der<br />
Bahnstrecke keine Signale mehr zu<br />
warten sind. CBTC bietet aber noch<br />
weitere Vorteile: Die Züge fahren<br />
gleichmässig und schonend. Dies<br />
52 <strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong>
eduziert den Elektrizitätsverbrauch<br />
und bewahrt Gleise und<br />
Räder vor übermässigem Verschleiss<br />
durch zu starkes Bremsen<br />
oder Beschleunigen.<br />
Höhere Energieeffizienz<br />
Mit nachhaltiger Technik ausgestattet<br />
sind auch die auf einer breiteren<br />
Fahrspur als bisher verkehrenden,<br />
neuen Tramlink-Fahrzeuge des<br />
Schweizer Herstellers Stadler-Rail.<br />
Bremsen die Fahrzeuge ab, wird die<br />
dabei entstehende Bremsenergie<br />
zurück ins Fahrleitungsnetz gespiesen<br />
und kann beim Anfahren wieder<br />
genutzt werden. Möglich macht dies<br />
ein moderner Hochleistungsspeicher,<br />
ein Superkondensator, am<br />
WB-Standort Bachmatten.<br />
Ökologisch und ressourcenschonend<br />
präsentieren sich auch der<br />
neue Bahnhof und die Betriebsgebäude<br />
in Waldenburg. Die Pelletheizung<br />
sorgt dort in der kalten<br />
Jahreszeit für eine angenehme<br />
Raumtemperatur und die Solaranlage<br />
auf dem Dach für warmes<br />
Wasser. Zudem produzieren Photovoltaik-Anlagen<br />
auf dem Bahnhofdach<br />
sowie auf den Dächern der<br />
Technikkabinen entlang der Strecke<br />
Elektrizität. Mit der PV-Anlage im<br />
Bahnhof Waldenburg kann die BLT<br />
zwischen 50 und 70 Prozent des<br />
Strombedarfs der Bahnhofanlage<br />
abdecken, bei den Technikkabinen<br />
ist es rund die Hälfte des Strombedarfs.<br />
Gedimmte Beleuchtung<br />
Passagieren, die in der Nacht die<br />
Waldenburgerbahn benutzen, zeigt<br />
sich das nachhaltige Betriebskonzept<br />
mit der bedarfsgerechten<br />
Beleuchtung: Sind keine Personen<br />
auf dem Perron, leuchten die<br />
Lampen nur mit fünf Prozent ihrer<br />
Leuchtkraft. Sobald sich eine Person<br />
oder die Bahn dem Bahnsteig<br />
nähert, sorgen Bewegungssensoren<br />
dafür, dass die Beleuchtung heller<br />
wird. Entfernen sich die Person und<br />
die Bahn, wird die Beleuchtung<br />
automatisch wieder auf das Minimum<br />
gedimmt. Die bedarfsgerechte<br />
Beleuchtung spart nicht nur Energie,<br />
sondern reduziert auch die<br />
Lichtverschmutzung. Davon profitieren<br />
nachtaktive Insekten und<br />
Falter.<br />
Für die ausgedienten Züge der<br />
Waldenburgerbahn hat die BLT<br />
ebenfalls eine nachhaltige Lösung<br />
gefunden. Die sieben Triebwagen<br />
«BDe 4/4» und die zehn Steuerwagen<br />
«Bt Schindler» sind nicht auf<br />
dem Schrottplatz gelandet, sondern<br />
transportieren in der Slowakei<br />
weiterhin Fahrgäste. Die Bahngesellschaft<br />
«Čiernohronská železnica»<br />
aus «Čierny Balog» hat das alte<br />
WB-Rollmaterial erworben. Dieses<br />
wurde im April vergangenen Jahres<br />
inklusive Ersatzteile in die Slowakei<br />
transportiert.<br />
www.blt.ch/wb<br />
BILD: BLT ARCHIV<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 53
gv.ch
Impressum<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong><br />
Wirtschaftsguide<br />
Region Basel-Landschaft<br />
<strong>Special</strong> «<strong>Nachhaltigkeit</strong>»<br />
November <strong>2022</strong><br />
Auflage: 22 500 Exemplare<br />
(<strong>Deutsch</strong> und Englisch)<br />
Herausgeberin<br />
Wirtschaftskammer <strong>Baselland</strong><br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong><br />
Haus der Wirtschaft<br />
Hardstrasse 1<br />
CH-4133 Pratteln<br />
Tel. 061 927 64 64<br />
info@kmu.org<br />
Gesamtkonzept<br />
Christoph Buser,<br />
Direktor Wirtschaftskammer <strong>Baselland</strong><br />
Daniel Schaub,<br />
Projekt- und Redaktionsleitung<br />
Redaktion<br />
Daniel Schaub (Leitung)<br />
Patrick Herr,<br />
Loris Vernarelli,<br />
Delia Pfirter,<br />
Reto Anklin<br />
Grafisches Konzept,<br />
Layout und Prepress<br />
Marco Pendt<br />
Korrektorat<br />
Birgit Althaler<br />
Übersetzungen<br />
Robert Conrad<br />
Druck<br />
Birkhäuser+GBC AG, Reinach BL<br />
www.birki.ch<br />
Inserate und Paid Content<br />
IWF AG, 4133 Pratteln<br />
inserate@iwf.ch<br />
Die Verwendung von textlichem und<br />
illustrativem Inhalt dieses<br />
Magazins bedarf der ausdrücklichen<br />
Genehmigung durch die Herausgeberin.<br />
© Wirtschaftskammer <strong>Baselland</strong>, <strong>2022</strong><br />
Die Herausgabe dieses Magazins in<br />
deutscher und englischer Sprache wird<br />
unterstützt von der Standortförderung<br />
<strong>Baselland</strong>.<br />
www.economy-bl.ch<br />
<strong>Baselland</strong> <strong>Business</strong> 55
inanzen<br />
Sicher und nachhaltig: Wir sind die<br />
zukunftsorientierte Bank der Schweiz.<br />
Wir sind eine sichere Bank – und nachhaltig dazu:<br />
Seit über 150 Jahren da für Mensch, Gesellschaft und Umwelt.<br />
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