Gut Aiderbichl Magazin: Leben lieben Herbst 2022

ICH SEHE DICH GANZ
GENAU
Viele Lehrmeinungen über das,
was Schweine angeblich nicht
können, werden im Clever Pig
Lab richtiggestellt. So benutzen
Schweine (Foto: Kunekune-
Schwein Potter) sehr wohl ihre
Augen, um ihre Umgebung zu
beobachten. „Man sollte in
Stallungen den Sehsinn mehr
einbeziehen: statt Grau in Grau
visuelle Reize geben“, sagt
Marianne Wondrak.
„KLASSENLEHRERIN“
MARIANNE WONDRAK
INFORMATIKSTUNDE
Zafira (untere Fotos) arbeitet gerade im Computerkabinett.
Ihre Aufgabe am Touchscreen: mit dem
Rüssel Personen in bestimmte Kategorien einordnen.
Ganz nebenher ist die Blonde der Schwarm
aller männlichen Mitschüler …
Die Veterinärmedizinerin (hier mit
den Kunekune Harry und Potter)
leitete von 2014 bis 2021 das Clever
Pig Lab des Messerli Institutes der
Veterinärmedizinischen Universität
Wien und ist jetzt als Tierärztin auf
Gut Aiderbichl tätig. „Schweine
haben Lust auf Lernen – sie wollen
lieber etwas für ein Leckerli tun, als
es einfach so zu bekommen“, sagt
sie. Tatsächlich lernen sie ebenso
schnell wie Hunde und vergessen
selbst nach Jahren nichts.
Schweine hören auf ihren Namen,
vergessen kein Gesicht
und lernen fast in Sekundenschnelle,
Maschinen zu bedienen.
„Die Tiere sind wahnsinnig
intelligent, mindestens so
schlau wie Hunde“, sagt eine, die es wissen
muss: Marianne Wondrak ist quasi das
Oberhaupt einer Herde von 37 Kunekune-
Schweinen, die gleichzeitig als „Schüler“
im „Clever Pig Lab“ eingeschrieben sind.
Seit 2014 gibt es dieses Projekt der Messerli
Stiftung an der Veterinärmedizinischen
Universität (kurz: Vetmeduni) Wien.
So lange ist auch Marianne Wondrak in
leitender Funktion dabei, hat ihre Doktorarbeit
über die Arbeit mit den schlauen
Schweinen verfasst. Kaum ein anderes Forschungsprojekt
befasst sich so intensiv mit
den Verhaltens- und Denkweisen von
Schweinen! Wondrak und ihr Team leisten
wahre Pionierarbeit, um das schlechte
Image der Borstentiere, die weithin immer
noch sprichwörtlich als „dumm“ und „faul“
verschrien sind, ein für alle Mal geradezurücken.
Ein Tier, das der Mensch einzig als
Fleischlieferant massenhaft in engen Verschlägen
zur Schlachtreife füttert, hat in
einer Lebenszeit von gerade einmal fünf
Monaten kaum Gelegenheit, seine wahren
Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.
Denn böte man ihm statt eines dumpfen,
reizarmen Dahindämmerns eine fordernde
Umgebung, wäre es zu Unglaublichem
fähig. „Mit Schweinen zu arbeiten, ist einfacher
als mit Hunden“, erklärt Marianne
Wondrak, „Sie lernen und reagieren schneller.
Sie bringen mehr Begeisterung mit und
sind Menschen gegenüber geradezu gefallsüchtig.
Das überrascht mich immer
wieder.“ So ist das Clever Pig Lab mit seinen
gelehrigen Schülerinnen und Schülern
wild entschlossen, weitere Überraschungen
wie diese zu erleben – doch
dann erfährt die Universitätspolitik eine
Wende: Die Tierhaltung soll reduziert wer-
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