Stadionbau auf schwankendem Grund - Beweissicherung ... - MplusM
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<strong>Stadionbau</strong> <strong>auf</strong> <strong>schwankendem</strong> <strong>Grund</strong> – <strong>Beweissicherung</strong><br />
und vermessungstechnische Betreuung des Schalker Stadions<br />
1 <strong>Grund</strong>lagen<br />
1.1 Aufgabe der <strong>Beweissicherung</strong><br />
Die <strong>Beweissicherung</strong> hatte zum Ziel,<br />
Otmar SCHUSTER, Lars GERDAU<br />
a) den Einfluss möglicher Bergsenkung nachzuweisen, d.h. von anderen bau-<br />
/verkehrsbedingten Einflüssen zu trennen.<br />
b) die Höhen- und Lageänderungen zu erfassen.<br />
c) die Einflüsse des Bauwerks und des Baustellengeschehens <strong>auf</strong> die Nachbargebäude und<br />
Erschließungsstraßen festzustellen.<br />
Eine Randbedingung dieser Arbeit war, dass diese Überprüfungen unabhängig von den<br />
bergbauseitigen Kontrollen durchgeführt wurden, so dass man im Falle von Interessenskonflikten<br />
unabhängiges, urkundlich gesichertes Messungs- und Ergebnismaterial zur Verfügung<br />
haben wollte. Einige Aspekte werden im folgenden geschildert.<br />
1.2 Bewegungszenario im Bereich des Stadions vor Baubeginn<br />
Der <strong>Stadionbau</strong> stieß zeitlich in ein nicht abgeklungenes Bewegungsszenario hinein, welches<br />
aus dem Bergbau resultierte. Das Leitnivellementsnetz der RUHRKOHLE AG gab<br />
Einblick in die bergbaubedingten Senkungsbewegungen. Die bis zum Planungsbeginn des<br />
Stadions festgestellten Senkungsbeträge lagen im Bereich von<br />
- 0,20 m bis - 3,40 m.<br />
Um die bergbaubedingten Bewegungen im letzten Jahrzehnt aus dem Material der Landesvermessung<br />
zu verifizieren, wurden fünf Trigonometrische Punkte in der Nähe an weit entfernt<br />
liegende Festpunkte (Abb. 1) des DREF - Netzes per GPS angeschlossen und diese<br />
Koordinaten mit den Koordinaten des Netzes ‘77 verglichen. Die Koordinatendifferenzen<br />
bewegten sich<br />
bei dem Rechtswert zwischen - 0,41 m und + 0,17 m<br />
bei dem Hochwert zwischen - 0,65 m und + 0,60 m<br />
bei der Höhe zwischen - 1,95 m und - 0,17 m<br />
Da der Kohleabbau nordwestlich und südöstlich des geplanten Stadions betrieben wurde,<br />
bzw. begann, musste mit ähnlichen beträchtlichen Bewegungen gerechnet werden.
2<br />
Otmar Schuster, Lars Gerdau<br />
1.3 Koordinaten - und Höhensysteme<br />
Die vor Baubeginn vorliegenden Lage- und Höhenpläne basierten <strong>auf</strong> dem amtlichen Festpunktfeld<br />
(Gauß-Krüger-Koordinaten) und wurden an das Höhennetz der Stadt Gelsenkirchen<br />
angeschlossen (NN-Höhen). Die mannigfachen, im Gebiet des Stadions liegenden<br />
Festpunkte sind zu unterschiedlichen Zeiten, von unterschiedlichen Ausgangspunkten her,<br />
sowie mit unterschiedlichen Formeln bestimmt bzw. berechnet worden. Zwar ist der zeitliche<br />
Abstand zwischen den Messungen des Leitnivellements im Ruhrgebiet ungefähr gleich,<br />
die Bestimmung der Lagekoordinaten für Festpunkte bzw. für Grenzpunkte ist aber anlassbezogen.<br />
Die dreidimensionalen Koordinaten beschreiben also nicht die Form der Erdoberfläche<br />
zu einem bestimmten Zeitpunkt sondern sind inhomogen.<br />
Dieses GK/NN-System war zwar nach Zeitpunkt der Entstehung, Messungsmethodik und<br />
Rechentechnik inhomogen, für die Planung und die Phase der Baugesuche aber ausreichend,<br />
weil man eine Insel einwandfreier Geometrie der Topographischen Aufnahme schuf,<br />
die nur einseitig angeschlossen wurde, um Verbiegungen zu vermeiden. Für das weitere<br />
Baugeschehen und für die <strong>Beweissicherung</strong> über einen langen Zeitraum hinweg, war es jedoch<br />
zwingend erforderlich, ein nach Methodik und zeitlicher Entstehung einheitliches,<br />
also homogenes Lage- und Höhennetz zu schaffen: BSL9801 – der Name bezieht sich <strong>auf</strong><br />
das Bessel-Ellipsoid und das Bestimmungsdatum Januar 1998 – ist ein örtliches System mit<br />
Gauß-Krüger-Abbildung. Die Höhenangaben sind „ähnlich NN“.<br />
Abb. 1: GPS – Basisnetz<br />
Das dreidimensional sich bewegende Punktfeld im Abbaubereich wurde an die weit entfernt<br />
liegenden, hochgenauen und bergbauunabhängigen Punkte des DREF-Netzes per<br />
GPS-Messung angeschlossen (Abb. 1). Diese repräsentieren ein homogenes, räumlich fest<br />
verankertes Koordinatensystem nach Lage- und Höhe. In diesem Koordinatensystem sind<br />
Stauchungen, Krümmungen, Dehnungen (Längungen), Pressungen, sowie die horizontalen<br />
und vertikalen Bewegungen ablesbar. Dagegen ist der direkte Vergleich von Lage-
<strong>Stadionbau</strong> <strong>auf</strong> <strong>schwankendem</strong> <strong>Grund</strong> 3<br />
koordinaten und Höhen unterschiedlicher Zeiträume im GK/NN-System nicht nur nicht<br />
möglich, sondern geradezu sträflich.<br />
Die NN-Höhen im Untersuchungsbereich lagen im Mittel 0,42 m über den von den DREF-<br />
Punkten nach innen übertragenen Höhen, worin sich ein großflächiger Bergsenkungseinfluss<br />
ablesen lässt. Um in der Praxis eine Verwechslung eindeutig auszuschließen, wurde<br />
an die BSL9801-Höhen eine Additionskonstante von 300 m hinzugefügt. Die Umrechnungsformel<br />
der bisherigen NN-Höhenkoten in das BSL9801-Format lautete also:<br />
NN-Höhe – 0,42m + 300,00 m = BSL9801-Höhe<br />
Im Februar 1999 wurde die zweite <strong>Beweissicherung</strong>shauptkontrolle durchgeführt. Das<br />
Punktfeld wurde neu in das DREF-Netz eingehängt. Die mittleren Verschiebungsbeträge<br />
betrugen im Bereich des B<strong>auf</strong>eldes gegenüber der Messung vom Januar 1998<br />
im Rechtswert – 45 mm, im Hochwert + 105 mm und in der Höhe – 125 mm.<br />
Unter dem mittlerweile entstandenen virtuellen Planungsgebilde Stadion hatte sich das Gelände<br />
verändert. Mit Beginn der Erd- und Rohbauarbeiten entstand ein neuer Zustand: Alles<br />
neu dem Boden verhaftete machte die Bewegungen mit. Die Absteckung der Tunnelachsen<br />
und somit der Ausbau der Tunnel erfolgte noch im System BSL 9801. Bereits im Februar<br />
1999 hatten sich die Tunnelachsen unter dem Einfluss der Bergsenkung gegenüber der<br />
Solllage um ca. 5 cm horizontal versetzt. Um die Planungsdaten dem sich wegbewegenden<br />
Gelände anzupassen und die Übertragung des Achssystems in der Örtlichkeit homogen und<br />
unverfälscht zu gewährleisten, wurde ein neues Koordinatensystem definiert und einführt,<br />
mit der Bezeichnung BSL9902. Die Umrechnung der Planungskoordinaten von BSL9801<br />
nach BSL9902 erfolgte mittels einer 3-Parameter-Transformation, so dass sich die Koordinaten<br />
zwar absolut änderten, relativ in ihrer bisherigen Numerik aber erhalten blieben. Die<br />
Höhenkoten wurden um einen mittleren Betrag von 13 cm abgesenkt. Um in der Praxis eine<br />
Verwechslung auszuschließen, wurden diesen BSL9902-Höhenkoten eine Additionskonstante<br />
von 200 m hinzugefügt. Im März 1999 wurden die Hauptachsen des Stadions in die<br />
Örtlichkeit übertragen. Diese bildeten die <strong>Grund</strong>lage für alle weiteren Absteckungsarbeiten,<br />
will sagen, alles weitere wurde daran angeschlossen. Von diesem Zeitpunkt an hatte die<br />
Bergsenkung direkten Einfluss <strong>auf</strong> das Bauwerk, denn alle Bewegungen beeinflussten die<br />
einmal fixierten Achsen.<br />
1.4 Netzkonfiguration<br />
Die gewählte Netzkonfiguration gliedert sich in folgende drei Netze: <strong>Grund</strong>netz, Vergleichsnetz,<br />
Außennetz. Das <strong>Grund</strong>netz bestand aus vier fest vermarkten Punkten hoher<br />
Genauigkeit nach Lage- und Höhe. Es war die <strong>Grund</strong>lage für alle weiteren Arbeiten und<br />
schaffte die Verbindung zwischen dem Baustelleneinflüssen unterworfenen Vergleichsnetz,<br />
dem davon nicht betroffenem Außennetz sowie dem bergsenkungsfreien DREF-Netz.<br />
Das Vergleichsnetz, mit zunächst vier (später acht) räumlich ausgeglichenen Punkten im<br />
Bereich der Baustelle konzipiert, diente zur hochgenauen Feinabsteckung der Achsen, der<br />
Begleitung der Beton- und Erdarbeiten (z.B. topographischen Aufnahmen, Massenberechnungen<br />
und sonstigen einfachen Absteckungsarbeiten) und lieferte den Vergleich zu den<br />
städtischen Aufnahmepunkten.<br />
Das Außennetz lieferte den Vergleich zu den in der Nähe befindlichen Trigonometrischen<br />
Punkten sowie den Aufnahmepunkten. Die GPS - Anbindung an DREF war ein rein geo-
4<br />
Otmar Schuster, Lars Gerdau<br />
metrischer Anschluss, unabhängig von den Massenbewegungen unter Tage. Damit wurden<br />
die lokalen Netzspannungen ausgeschlossen.<br />
Die Punkte des <strong>Grund</strong>- und Vergleichnetzes wurden zugleich terrestrisch beobachtet und<br />
zusammen mit den GPS-Daten nach der Methode der kleinsten Quadrate ausgeglichen.<br />
1.5 Vermarkung der Netzpunkte<br />
Um die hohe Genauigkeit als Ausgangsgröße der späteren Ergebnisse sicherzustellen,<br />
wurde bei der Vermarkung des <strong>Grund</strong>- und Vergleichsnetzes eine mm-sichere Punktidentifikation<br />
nach Lage- und Höhe durch Netzpfeiler mit eingelassenen Zapfen und Höhenbolzen<br />
sichergestellt (± < 0,3 mm).<br />
2 Kontrollmessungen<br />
2.1 Methodik der Kontrollmessungen<br />
Alle Vermessungen wurden in das feste, dreidimensionale, geometrische Gerüst von<br />
Geodaten eingehängt. Das galt für alle Absteckungs- und Aufmessungsarbeiten. Dadurch<br />
wurden Fehler und Doppelarbeit vermieden und ein hohes Qualitätsniveau erreicht, welches<br />
durch die begleitende Stochastik stets verfolgt werden konnte. Diese Methodik bewährte<br />
sich im Hinblick <strong>auf</strong> die gesetzten Ziele:<br />
- l<strong>auf</strong>ende Kontrolle der Koordinaten für den Baubetrieb zur Vermeidung von Schäden<br />
durch Bergsenkung;<br />
- Trennung von Bergsenkung und Bauwerksetzung;<br />
- Gewährleistung eines systemgerechten Einbaus von Südtribüne, Stadiondach und<br />
Schiebefeld.<br />
2.2 Durchführung der Kontrollmessungen<br />
Im einzelnen sind folgende Kontrollen sowie in die Gesamtgeometrie eingehängte Arbeiten<br />
vorgenommen worden, für die jeweils ein umfangreicher Messungsplan existierte:<br />
Datum Art der Kontrolle Ziel der Kontrolle<br />
Jan. 1998 <strong>Grund</strong>lagenvermessung <strong>Beweissicherung</strong>; Definition Koordinatensystem<br />
Juli 1998 1. Teilkontrolle <strong>Beweissicherung</strong>; lfd. Koordinatenkontrolle<br />
Okt. 1998 1. Hauptkontrolle <strong>Beweissicherung</strong>; lfd. Koordinatenkontrolle<br />
Feb. 1999 2. Hauptkontrolle <strong>Beweissicherung</strong>; Definition Koordinatensystem<br />
Apr.–Aug. 99 Aufmaß Bohrpfähle Toleranzbescheinigung<br />
Jul. 1999 2. Teilkontrolle lfd. Koordinatenkontrolle<br />
Tunnelbauwerke Nullmessung; Setzen der Bolzen<br />
Okt. 1999 3. Hauptkontrolle <strong>Beweissicherung</strong>; lfd. Koordinatenkontrolle<br />
Jan. 2000 4. Hauptkontrolle <strong>Beweissicherung</strong>; lfd. Koordinatenkontrolle<br />
Südtribüne Nullmessung; Kontrolle des Stahlgerüstes<br />
Feb. 2000 Südtribüne lfd. Kontrollmessung<br />
Apr. 2000 5. Hauptkontrolle <strong>Beweissicherung</strong>, Ende Abbau<br />
ARENA-Segmente Nullmessung; Setzen der Bolzen
<strong>Stadionbau</strong> <strong>auf</strong> <strong>schwankendem</strong> <strong>Grund</strong> 5<br />
Mai 2000 6. Hauptkontrolle <strong>Beweissicherung</strong><br />
Juli 2000 Südtribüne lfd. Kontrollmessung<br />
Sep. 2001 7.Hauptkontrolle <strong>Beweissicherung</strong><br />
2.3 Punktidentitäten während der Überwachung<br />
Trotz erheblicher Bautätigkeit sind fast über den gesamten Überwachungszeitraum die baustellennahen<br />
<strong>Grund</strong>- und Vergleichsnetzpunkte erhalten geblieben. Nach Absteckung der<br />
Hauptachsen des Stadions wurde das Vergleichsnetz um zwei weitere Pfeiler in der Stadionmitte<br />
ergänzt. Der guten Zusammenarbeit der am Bau Beteiligten ist es zu verdanken,<br />
dass ein homogenes Gesamtzahlenwerk über einen langen Zeitraum im Bereich der<br />
Baustelle vorgehalten werden konnte.<br />
3 Ergebnisse<br />
3.1 Lage- und Höhenänderung<br />
Die mittels GPS-Messung in den <strong>Grund</strong>-, Vergleichs- und Außennetzpunkten festgestellten<br />
Änderungen sind in einer Gesamtübersicht als Verschiebungsvektoren <strong>auf</strong>getragen worden<br />
und zeigen die horizontale Lageveränderung der Punkte an der Oberfläche (Abb. 2). Aus<br />
ihnen ergab sich ein Bild über die Richtungsveränderungen der Punktbewegungen über den<br />
Zeitraum der <strong>Beweissicherung</strong>. Die in Klammern gesetzten Werte geben den zweidimensionalen<br />
Verschiebungsbetrag zwischen den Kontrollmessungen und die kursiven Werte geben<br />
die Senkungsbeträge in mm an. Die Kreise (streng genommen Ellipsen) stellen das<br />
Genauigkeitsmaß der horizontalen Punktlage dar.<br />
Abb. 2: Verschiebungsvektoren<br />
Die nachgewiesenen Lageveränderungen der bauwerksnahen Punkte waren nach Richtung<br />
und Betrag unterschiedlich. Wenn das Abb<strong>auf</strong>eld unter dem Kontrollpunkt liegt, bewegt<br />
sich dieser schraubenförmig wie ein Sandkorn in einer Sanduhr nach unten (Abb. 3). Je<br />
nach der Lage der Punkte wirkten hier aber verschiedene Einflüsse, so dass diese klassische<br />
Bewegungsweise <strong>auf</strong>gelöst wurde. Die Bewegungsrichtungen resultierten im wesentlichen<br />
aus zwei Kohleabb<strong>auf</strong>eldern, eines im Norden und eines im Süd-Osten der Baustelle. Es<br />
erwies sich, dass die Bewegungsänderungen praktisch zeitgleich dem Abbau in 1000 m
6<br />
Otmar Schuster, Lars Gerdau<br />
Tiefe folgten. Der Abbau im Südosten hatte offensichtlich einen größeren Einfluss als der<br />
nördlich gelegene Kohleabbau, weil näher der Baustelle. Seit Abschluss der Abbautätigkeiten<br />
unter Tage, die Zechenschließung erfolgte Ende April 2000, sind die nachgewiesenen<br />
horizontalen wie vertikalen Bewegungen stark abgeebbt.<br />
Abb. 3: Bewegung eines Bodenpunktes bei Untertageabbau<br />
Die Senkungsbeträge (Abb. 4) der bauwerksnahen Punkte lagen im Zeitraum vom Januar<br />
1998 bis September 2001 zwischen 165 mm und 470 mm. Die Beträge waren systematisch<br />
im Osten (z. B. Punkt 1003) größer als im Westen (z.B. Punkt 1001), d.h. die „Platte“ hatte<br />
sich nach Osten geneigt. Die Senkungs- und Verschiebungsbeträge der Außennetzpunkte<br />
waren <strong>auf</strong>grund ihrer Nähe zu den Kohleabb<strong>auf</strong>eldern erheblich größer als bei den bauwerksnahen<br />
Punkten. So betrugen die Senkungen direkt über den Abb<strong>auf</strong>lächen bis zu<br />
1700 mm im gleichen Zeitraum.<br />
[mm]<br />
.0<br />
-20.0<br />
-40.0<br />
-60.0<br />
-80.0<br />
-100.0<br />
-120.0<br />
-140.0<br />
-160.0<br />
-180.0<br />
Jan 98<br />
Mrz 98<br />
Mai 98<br />
Jul 98<br />
Sep 98<br />
Nov 98<br />
Jan 99<br />
Mrz 99<br />
Mai 99<br />
1001<br />
Jul 99<br />
Sep 99<br />
Nov 99<br />
Jan 98 Jul 98 Okt 98 Feb 99 Okt 99 Jan 00 Apr 00 Mai 00 Sep 01<br />
1001 0 -48 -47 -85 -122 -140 -151 -156 -165<br />
Abb. 4: Senkungsbeträge<br />
Jan 00<br />
Mrz 00<br />
Mai 00<br />
Jul 00<br />
Sep 00<br />
Nov 00<br />
Jan 01<br />
Mrz 01<br />
Mai 01<br />
Jul 01<br />
Sep 01<br />
[mm]<br />
.0<br />
-20.0<br />
-40.0<br />
-60.0<br />
-80.0<br />
-100.0<br />
-120.0<br />
-140.0<br />
-160.0<br />
-180.0<br />
-200.0<br />
-220.0<br />
-240.0<br />
-260.0<br />
-280.0<br />
-300.0<br />
-320.0<br />
-340.0<br />
-360.0<br />
-380.0<br />
-400.0<br />
-420.0<br />
-440.0<br />
Jan 98<br />
Mrz 98<br />
Mai 98<br />
Jul 98<br />
Sep 98<br />
Nov 98<br />
Jan 99<br />
Mrz 99<br />
Mai 99<br />
1003<br />
Jul 99<br />
Sep 99<br />
Nov 99<br />
Jan 98 Jul 98 Okt 98 Feb 99 Okt 99 Jan 00 Apr 00 Mai 00 Sep 01<br />
1003 0 -76 -113 -167 -294 -366 -399 -407 -433<br />
3.2 Trennung von Bauwerksetzung und Bergsenkung<br />
In der Vertikalen sind Bergsenkung und Bauwerksetzung zwar gleich gerichtet, jedoch unterliegen<br />
sie in der Zeitabfolge unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten. Während sich die<br />
Bergsenkung zonenweise darstellen lässt, ist die Bauwerksetzung räumlich und zeitlich<br />
unmittelbar <strong>auf</strong> den Masseeintrag konzentriert und klingt nach kurzer Zeit ab. Mittels der<br />
zwischen Februar 1999 und Januar 2000 festgestellten relativen Senkungen des Kontrollnetzes<br />
wurden zwei (schiefe) Regressionsebenen (Regionen) als Bergsenkungsteil an der<br />
vertikalen Bewegung berechnet. Die sich ergebenden Restklaffungen in den Transfor-<br />
Jan 00<br />
Mrz 00<br />
Mai 00<br />
Jul 00<br />
Sep 00<br />
Nov 00<br />
Jan 01<br />
Mrz 01<br />
Mai 01<br />
Jul 01<br />
Sep 01
<strong>Stadionbau</strong> <strong>auf</strong> <strong>schwankendem</strong> <strong>Grund</strong> 7<br />
mationspunkten von ± 7 mm ergaben dafür ein statistisch hinreichend sicheres Ergebnis.<br />
Die Abweichungen der Kontrollbolzen in den Tunneln von der Regressionsebene wurden<br />
als Bauwerkssetzung gedeutet:<br />
[mm]<br />
0<br />
-20<br />
-40<br />
-60<br />
-80<br />
-100<br />
-120<br />
-140<br />
-160<br />
-180<br />
-200<br />
-220<br />
-240<br />
301103<br />
T3.1.1<br />
T3.1.2<br />
T3.1.3<br />
T3.1.4<br />
T3.2.1<br />
T3.2.2<br />
Tunnel 3 (Süd)<br />
Abb. 5: Trennung der Bauwerkssetzung von der Bergsenkung<br />
T3.2.3<br />
T3.2.4<br />
T3.3.1<br />
T3.3.2<br />
T3.3.3<br />
T3.3.4<br />
301113<br />
Höhenkontrollpunkt<br />
Gesamtsetzung<br />
Bausetzung<br />
Bergsenkung<br />
In Abbildung 5 ist das Ergebnis für den Tunnel 3 dargestellt. Jeder ausgefüllte Punkt bezeichnet<br />
einen Höhenbolzen im Tunnel. Vorgabegemäß ist die Bergsenkung fast konstant<br />
(Dreieck), während die „Abstürze“ an den Segmentübergängen der Bauwerkssetzung<br />
(Kreise) zuzuordnen sind. Diese außerordentlich starke Bauwerksetzung ist keineswegs typisch<br />
für das Gesamtbauwerk, sondern ereignete sich zu Beginn im Bereich untypischen<br />
Bodens <strong>auf</strong> feuchter Baustelle.<br />
3.3 Aufbau eines Kontrollpunktfeldes am entstehenden Stadion<br />
Das Stadion besteht aus 14 gegeneinander beweglichen Segmenten mit über 250 beweglichen<br />
Stützen (Abb. 6). Entsprechend umfangreich müssen die <strong>Beweissicherung</strong>smaßnahmen<br />
sein. Am entstehenden Stadion wurden in den Segmenten Boden- und Wandbolzen<br />
eingebracht, die eine gleitende Einbeziehung des entstehenden Bauwerkes in die Beweis-<br />
und Nachsicherung gewährleisten sollten. Je nach nachhaltiger Erreichbarkeit wurden Boden-<br />
und Wandbolzen in den Beton eingebracht, welche eine millimetergenaue Punktidentifikation<br />
nach Lage und Höhe gewährleisten.
8<br />
Otmar Schuster, Lars Gerdau<br />
Abb. 6: Segmentübersicht mit Gründungspfählen<br />
Die Lagebestimmung der Bolzen erfolgte mittels Tachymeter, zur Höhenbestimmung wurden<br />
<strong>Beweissicherung</strong>snivellements durchgeführt. Zur anschließenden Auswertung Messwerte<br />
wurde eine KAFKA – Ausgleichung gerechnet, eingehängt in <strong>Grund</strong>- und Vergleichsnetzpunkte<br />
im BSL-System. Die Bolzen sind derart gesetzt und messtechnisch verbunden<br />
worden, dass die Bewegung des gesamten Punktfeldes wie auch die Bewegungen<br />
der Segmente und Einzelpunkte untereinander bestimmt werden können. Während allerdings<br />
die Gesamtbewegung nur durch die von außen induzierten Genauigkeit von > ± 7 mm<br />
zu bestimmen ist, liegt diese Schranke bei den Bewegungen der Punkte zueinander bei etwa<br />
± 3 mm und für die Höhen bei ± 1 mm.<br />
Das Senkungsprofil vom September 2001 (Abb. 7) zeigt bereits eine beachtliche Bewegung<br />
des Bauwerks: Während das Spielfeld in der Mitte sich um ca. 2 cm gesenkt hat, wachsen<br />
die Senkungsbeträge nach außen systematisch an bis <strong>auf</strong> rund 4 cm. Anderen Ergebnissen<br />
kann man entnehmen, dass der Einfluss der Bergsenkung etwa 2 cm ausmacht. An diesem<br />
Ergebnis lässt sich ablesen, dass die eingebrachten Gewichte zu einer spürbaren Nachsenkung<br />
geführt haben, welche nicht so schnell wie üblich abklingen wird, da die länger nachwirkende<br />
Bergsenkung noch als Induktionsfaktor der Nachsetzung durch die eingebrachten<br />
Massen wirkt.
Abb. 7: Senkungsprofil nach dem <strong>Stadionbau</strong><br />
<strong>Stadionbau</strong> <strong>auf</strong> <strong>schwankendem</strong> <strong>Grund</strong> 9<br />
3.4 Die <strong>Beweissicherung</strong> an Gebäuden und Wegen<br />
Die <strong>Beweissicherung</strong> an den umliegenden Gebäuden (Schule, Freizeitzentrum) erfolgte vor<br />
Baubeginn und nach Abschluss der Bauarbeiten mittels Nivellement und Messbildern. Ihr<br />
Ziel war die Klärung, ob der Bauherr des Stadions für Schäden an den Bauwerken verantwortlich<br />
gemacht werden konnte.<br />
Abb. 8: Schule, Linien gleicher Senkung<br />
Als Entscheidungskriterium wurden aus den Höhendifferenzen für jedes Gebäude Linien<br />
gleicher Senkung abgeleitet (Abb. 8). Sowohl bei der Schule als auch bei dem Freizeitzentrum<br />
liegen die größten Senkungsbeträge <strong>auf</strong> jener der ARENA abgewandten Seite zum<br />
südöstlichen Kohleabb<strong>auf</strong>eld hin. Die mit dieser Schieflage eingetretenen Schäden, sind<br />
also eindeutig nicht dem <strong>Stadionbau</strong> anzulasten. Bei den Wegen lag die Sache wegen der<br />
Abnutzung durch die Baustelle etwas anders.
10<br />
Otmar Schuster, Lars Gerdau<br />
4 Grenzwerte und mögliche Überschreitungen<br />
4.1 Vorgegebene absolute Grenzwerte<br />
Die Kohlegesellschaft hatte im Februar 1999 folgende absolute Endwerte für die Einwirkungen<br />
des Bergbaus <strong>auf</strong> das Stadion angegeben:<br />
a) In der Längsachse der Arena ergebe sich<br />
rechnerisch eine Längung von 10 mm<br />
b) in der Querachse eine Längung von 290 mm<br />
Schon nach der Messung im Januar 2000 hatte sich ergeben, dass der Grenzwert a) überschritten<br />
worden war. Deshalb wurde dieser Grenzwert im Mai 2000 zurückgenommen. Die<br />
Längenänderungen zwischen den Festpunkten im Bereich der Längs- und Querachse des<br />
Stadions betragen maximal 6 bis 7 cm. Allerdings ließen sich im gesamten Bereich der<br />
Baustelle Längenänderungen von Strecken zwischen Festpunkten von bis zu 18 cm nachweisen.<br />
Anhand der an den einzelnen Segmenten angebrachten <strong>Beweissicherung</strong>sbolzen lassen<br />
sich, bezogen <strong>auf</strong> den Zeitraum zw. April 2000 und September 2001, Längungen bis<br />
+ 3 mm und Pressungen bis – 8 mm nachweisen.<br />
4.2 Relative Grenzwerte und heutiger Zustand<br />
Folgende schadensersatzrelevante Grenzwerte wurden vorgegeben:<br />
c) Zerrung: δs/s 2 mm/m<br />
d) Winkeländerung (Torsion) der Hauptachsen der Stadionlage δt/s 0,03 Grad<br />
e) Schieflage in Längs- und Querrichtung δh/s 1 mm/m<br />
s bedeutet dabei jeweils die Länge der Strecke zwischen den Prüfpunkten.<br />
Die relativen Grenzwerte c) und e) werden in der allgemeinen Bergschadenskunde angewandt<br />
wie auch seltener Nr. b). Sie sind im allgemeinen als Grenzmaße für die Anerkennung<br />
von Bergschäden anerkannt.<br />
Die Grenzwerte wurden für die ARENA (noch) nicht erreicht.<br />
5 Literatur<br />
Kratzsch, Helmut: Bergschadenskunde, Springer Verlag 1974<br />
Schuster, Otmar: Probleme um das Bauen, Internationaler Kurs für Ingenieurvermessung,<br />
Graz 1984<br />
Schuster, Otmar: Werden die Normen zur Qualitätssicherung das Ingenieurbüro verändern?<br />
XII. Internationaler Kurs für Ingenieurvermessung Graz, 1996