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Pause 2022

Das ist das Lehrlingsmagazin der Mathilde Escher Stiftung - Ausgabe 2022

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N0 12 — <strong>2022</strong><br />

STOLPERSTEIN<br />

Immer<br />

dankbar<br />

sein?<br />

Ich gehe<br />

meinen Weg<br />

Flucht, Krankheit und<br />

Operationen – Shereen lässt<br />

sich nicht unterkriegen.


— EDITORIAL —<br />

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seine Freunde kennen.<br />

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IMPRESSUM<br />

Albert Schwaninger,<br />

Praktiker Mediamatik<br />

2. Ausbildungsjahr<br />

PAUSE — das Ausbildungsmagazin<br />

der Mathilde Escher Stiftung<br />

Ausgabe Nr. 12, <strong>2022</strong><br />

Herausgeberin:<br />

Mathilde Escher Stiftung<br />

Lengghalde 1, 8008 Zürich<br />

Telefon 044 389 62 00<br />

Fotos: Michael Groer, Tobias Lackner<br />

Konzeption: grüninger grafik,<br />

Atelier für visuelle Kommunikation<br />

Lektorat: Sprache und<br />

Kommunikation – Iris Vettiger<br />

Lithografie: b+b repro AG<br />

Druck: Druckerei Albisrieden AG<br />

Auflage: 3‘000 Exemplare<br />

Erscheint: 1 x pro Jahr<br />

Gedruckt auf 100% Recyclingpapier<br />

Mit Mut<br />

und Offenheit<br />

In der aktuellen <strong>Pause</strong>-Ausgabe, die Sie in der Hand<br />

halten, geht es um Freundschaft, Liebe, Krankheit und<br />

Verlust. Die Auseinandersetzung mit diesen sehr persönlichen<br />

Themen zeigt, wie wichtig unser soziales<br />

Umfeld für uns ist. Unser Leben wird von den Menschen<br />

geprägt, die uns umgeben. Mich haben die Offenheit<br />

und der Mut, mit denen sich die Autorinnen und<br />

Autoren mit ihren persönlichen Themen auseinandergesetzt<br />

haben, sehr bewegt. Mattias verlor mit 14 Jahren<br />

seinen Vater durch Suizid. Er schildert in seinem<br />

Artikel, wie er die Zeit davor und danach erlebt hat und<br />

wie er mit diesem grossen Verlust umgeht. Shereen<br />

erzählt in ihrem Beitrag über ihr Leben mit der Glassknochenkrankheit<br />

und über die Flucht mit ihrer Familie<br />

von Syrien in die Schweiz. Ursin wiederum erzählt<br />

über seine Erfahrungen mit Freundschaften und wie<br />

ihn diese Erlebnisse bis heute prägen. Und nicht zuletzt<br />

gibt uns Angelo einen Einblick in sein Beziehungs-<br />

leben. Es geht dabei um Unsicherheiten und Ängste, das<br />

Wagnis sich zu öffnen und um Liebe und Nähe. Wir<br />

alle kennen solche Herausforderungen im Umgang<br />

mit anderen Menschen und stellen uns diesen immer<br />

wieder, weil Kontakte und Beziehungen mit anderen<br />

Menschen unserem Leben einen Sinn geben.<br />

3<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung


Inhalt<br />

– 18 –<br />

Vorsicht<br />

zerbrechlich<br />

– 38 –<br />

Schweizer<br />

Triumph!<br />

Shereen hat die Glasknochenkrankheit. Im Jahr<br />

Erstmals fand vom 9. — 14. August <strong>2022</strong> die<br />

2014 musste sie wegen des Bürgerkriegs mit<br />

Powerchair Hockey Weltmeisterschaft in der<br />

ihren Eltern aus Syrien flüchten und lebt seit<br />

Schweiz statt. Die Schweizer Nationalmann-<br />

sieben Jahren in der Schweiz.<br />

schaft gewann nach einem Golden-Goal-Krimi<br />

zum ersten Mal eine WM-Medaille.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

8<br />

Sprungbrett<br />

ins Arbeitsleben<br />

Die drei Lernenden Nayen, Martin und<br />

Florian haben im Rahmen ihrer Ausbildung<br />

ein Praktikum absolviert. Sie erzählen<br />

von ihren Erfahrungen und beruflichen<br />

Träumen.<br />

34<br />

12<br />

Was bleibt<br />

Mit 14 Jahren verlor Mattias<br />

seinen Vater durch einen<br />

Suizid. Was bleibt, sind Erinnerungen,<br />

unbeant wortete<br />

Fragen, Schmerz und der<br />

Wunsch nach einem Abschiedsbrief.<br />

– 24 –<br />

«Ich nahm<br />

all meinen Mut<br />

zusammen»<br />

Als Angelo 18 Jahre alt war, wollten ihn seine<br />

Freunde verkuppeln. Trotz grosser Zweifel<br />

liess er sich darauf ein und traf sich mit seinen<br />

Kollegen und der Auserwählten am See.<br />

– 28 –<br />

Es ist schon<br />

viel möglich<br />

Seit 2004 ist das Behindertengleichstellungsgesetz<br />

zur Beseitigung von Benachteiligungen<br />

von Menschen mit Behinderungen in Kraft.<br />

Höchste Zeit für eine Bestandsaufnahme.<br />

– 42 –<br />

«Ich wollte nicht<br />

Lehrerin werden»<br />

Seit elf Jahren unterrichtet Elisabeth Ernst in<br />

der Sekundarschule der Mathilde Escher<br />

Stiftung — und hat dafür sogar ihre Pension<br />

verschoben.<br />

Kurz & bündig<br />

7<br />

16<br />

Wussten Sie, dass …<br />

Stolperstein<br />

«Wer sich nicht wehrt,<br />

lebt verkehrt»<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

«Sie haben mit<br />

meinen Armen<br />

gespielt»<br />

– 30 –<br />

Hitze, Stau<br />

& Dolce Vita<br />

Die Ausbildungsreise führte die Lernenden<br />

der Mathilde Escher Stiftung im vergangenen<br />

17<br />

23<br />

29<br />

37<br />

Fotostory<br />

Der grosse Bluff<br />

Das Redaktionsteam<br />

Zahlen aus der Stiftung<br />

10 Fragen an …<br />

Rahel Ebneter<br />

Ursins Behinderung stand während<br />

seiner Schulzeit lange nicht im Vordergrund.<br />

Seine Kameraden versuchten<br />

Jahr nach Lugano. Trotz Wüstenhitze und<br />

unendlich langen Staus liessen sie sich die<br />

Stimmung nicht verderben.<br />

41<br />

Ein besonderer Tag im<br />

Leben von …<br />

ihn wenn möglich einzubeziehen. Dies<br />

änderte sich im Teenageralter.<br />

4 5


PRAKTIKANT OS 16.5<br />

— IN KÜRZE —<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

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Wussten Sie, dass …<br />

Von Albert Schwaninger<br />

… pflegende Angehörige<br />

jährlich 80 Millionen Stunden<br />

unbezahlte Arbeit leisten?<br />

Menschen mit Krankheiten und<br />

Be einträchtigungen brauchen viel<br />

Unterstützung, die meistens von den<br />

Angehörigen geleistet wird. Ungefähr<br />

600'000 Menschen betreuen Angehörige<br />

ihrer Familie in der Schweiz.<br />

Laut einer Statistik des Bundesamts<br />

für Gesundheit hat jede dreizehnte<br />

Person in der Schweiz schon einmal<br />

in der freiwilligen Betreuungsarbeit<br />

geholfen. Man geht jedoch davon aus,<br />

dass noch viel mehr Menschen unbezahlte<br />

Arbeit im Pflegebereich<br />

leisten. Mit dieser enormen Anzahl<br />

an unbezahlten Stunden entlasten<br />

sie das Gesundheitssystem und<br />

unsere Allgemeinheit.<br />

Die ungefähren Kosten pro Arbeitsstunde<br />

im Pflegebereich betragen<br />

45.50 Franken. Pro Jahr gerechnet<br />

ergibt das einen ungefähren Wert<br />

von 3,7 Milliarden Franken, welcher<br />

unentgeltlich geleistet wird. Deshalb<br />

wurde am 1. Januar 2021 beschlossen,<br />

die Erweiterung des Anspruchs auf<br />

Betreuungsgutschriften der AHV/IV<br />

zu erhöhen. Das bedeutet, dass es<br />

keine direkten Geldleistungen gibt,<br />

sondern der Rentenbeitrag für die<br />

Pflegenden erhöht wird.<br />

buerobass.ch<br />

6 7<br />

… im Sommer <strong>2022</strong><br />

eine Aktionswoche<br />

für Behindertenrechte<br />

stattfand?<br />

An der Aktionswoche beteiligten<br />

sich über 100 Aktionspartner mit<br />

verschiedenen Aktionen, um auf die<br />

UNO-Behindertenrechtskonvention<br />

aufmerksam zu machen. Auch die<br />

Mathilde Escher Stiftung machte<br />

mit. Die Lernenden der Stiftung<br />

haben hierzu ein Fotoprojekt zu baulichen<br />

Barrieren durchgeführt und<br />

Postkarten gestaltet. Anschliessend<br />

verteilten sie diese in Zürich und<br />

interessierte Personen konnten an<br />

einem Infostand mit den Lernenden<br />

ins Gespräch kommen.<br />

zukunft-inklusion.ch<br />

… die Gebärdensprache<br />

als offizielle<br />

Sprache anerkannt<br />

werden soll?<br />

Seit 1938 sind in der Schweiz Deutsch,<br />

Französisch, Italienisch und Rätromanisch<br />

als Landessprachen in der<br />

Verfassung verankert. Dies könnte<br />

sich bald ändern. Der Nationalrat<br />

hat am 3. Juni <strong>2022</strong> eine Motion ange -<br />

nommen, wonach die Schweizer<br />

Gebärdensprachen mit einem neuen<br />

Bundesgesetz anerkannt werden<br />

sollen. In der Schweiz gibt es entsprechend<br />

den Sprachregionen drei<br />

verschiedene Gebärdensprachen.<br />

proinfirmis.ch


— PRAKTIKUM —<br />

Einmal im Jahr führen wir in der Ausbildung<br />

eine Bewerbungsmodulwoche durch. Wir<br />

lernen unter anderem, wie man Bewerbungen<br />

schreibt und sich gut auf Vorstellungsgespräche<br />

vorbereitet. Ausserdem besuchen wir<br />

jeweils die Berufsmesse Zürich, wo wir Einblicke<br />

in die unterschiedlichsten Berufsfelder<br />

und Kontakte zu möglichen Arbeitgebenden<br />

erhalten.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Nayen gestaltete während ihres Praktikums in der Grafikwerkstatt der Mathilde Escher Stiftung Glückwunschkarten.<br />

Sprungbrett<br />

Für uns Lernende bedeutet das Praktikum sehr<br />

viel. Es ist ein grosser Wunsch von uns, auch<br />

«Es war schwer,<br />

ausserhalb<br />

der Stiftung eine<br />

Stelle zu finden.»<br />

Nayen Bahadur<br />

Gute Stimmung und viel Kreativität<br />

Nayen ist eine von drei Lernenden, die letztes<br />

Jahr ein Praktikum während ihres zweiten<br />

Ausbildungsjahrs absolviert hat. Sie war jeweils<br />

einen Tag pro Woche bei création handicap,<br />

der Grafikwerkstatt der Mathilde Escher Stiftung.<br />

Für Nayen war es schwer, ausserhalb<br />

der Stiftung eine Stelle zu finden. Ihr Deutsch<br />

war noch nicht so gut, da sie erst zwei Jahre<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

ausserhalb der Stiftung und nicht nur im ge-<br />

in der Schweiz lebte. So war sie froh, dass<br />

schützten Rahmen zu arbeiten. Für Einige von<br />

ihr die Grafikwerkstatt eine Möglichkeit bot.<br />

ins Arbeitsleben<br />

uns ist es die erste Gelegenheit überhaupt, um<br />

Erfahrungen im ersten Arbeitsmarkt zu sammeln.<br />

Auf dem Weg dorthin gibt es jedoch eine<br />

Ihre Arbeitskollegen waren hilfsbereit und<br />

es herrschte eine gute Stimmung. Am Morgen<br />

fragte sie jeweils Susanne, Alessandro oder<br />

Menge Hürden und Schwierigkeiten zu meis-<br />

Samuel, welche Aufträge sie hat. Sie erklärten<br />

Praktika sind ein fester Bestandteil der Ausbildung in der Mathilde<br />

Escher Stiftung. Sie geben den Lernenden Einblicke in die Arbeitswelt<br />

und fördern sie in ihrer Selbstständigkeit und Sozialkompetenz.<br />

Drei Lernende erzählen, wie sie ihre Praktikumszeit erlebt haben.<br />

tern. Dies ist unter anderem der Fall, wenn<br />

man wie wir nicht ins reguläre Raster passt.<br />

In vielen Fällen sind nicht die räumlichen<br />

Barrieren das Problem, sondern die mangelnde<br />

Flexibilität der Arbeitgebenden. Bei vielen<br />

herrscht eine gewisse Verunsicherung vor,<br />

ihr alles. In der Regel gestaltete sie 50 bis 80<br />

Neujahrs- oder Weinachtenskarten mit Photoshop.<br />

Manchmal verpackte sie die Karten anschliessend.<br />

Sie kann viele manuelle Arbeiten<br />

ausführen und benötigt wenig Unterstützung.<br />

Wichtig ist, dass sie sitzen kann, weil sie<br />

Von Nayen Bahadur, Florian Müller und Martin Kupper<br />

worauf sie sich einlassen. Manchmal führt dies<br />

dazu, dass unsere Bewerbungen regelrecht<br />

sonst starke Schmerzen in den Füssen oder<br />

im Rücken bekommt. Während des Prakti-<br />

abgeklemmt werden.<br />

kums stellte sie fest, dass ihr die Arbeit nicht<br />

8 9


— PRAKTIKUM —<br />

immer gefällt und sie auch andere Betriebe<br />

kennenlernen möchte. Darum schnupperte sie<br />

auch beim Züriwerk. Dort verrichtete sie im<br />

Unterschied zur Stiftung vor allem manuelle<br />

Arbeiten (Versand, Verpackungen etc.). Es hat<br />

ihr gefallen, aber sie arbeitet auch gerne am<br />

Computer. Daher ist sie sich noch nicht sicher,<br />

was sie nach der Ausbildung machen soll. Ihr<br />

«Die Angst war da,<br />

den Anforderungen<br />

nicht gerecht zu<br />

werden.»<br />

schätzte die gute Zusammenarbeit und war<br />

zufrieden mit seinen Aufgaben, obwohl es ab<br />

und zu auch langweilige Arbeiten wie Scannen<br />

zu erledigen gab. Im Bereich Marketing und<br />

Kommunikation konnte er eine Broschüre für<br />

orthopädische Schuheinlagen neu gestalten,<br />

was ihm grosse Freude bereitete. Es gab jeden<br />

Tag etwas Neues zu lernen, viel zu erledigen<br />

beruflicher Traum wäre eine Stelle in einem<br />

Büro im ersten Arbeitsmarkt. Sie würde sehr<br />

Martin Kupper<br />

und zu kontrollieren. Wenn einmal etwas ver -<br />

gessen ging, brauchte er keine Angst zu haben.<br />

gerne eine KV-Lehre machen, weiss aber nicht,<br />

Er konnte einfach nachfragen und die Mit-<br />

ob das möglich ist.<br />

arbeitenden erklärten ihm nochmals, was er<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Sogar der Dresscode ist cool<br />

Martin absolvierte sein Praktikum bei der<br />

Balgrist Tec AG. Der Betrieb ist Teil der Universitätsklinik<br />

Balgrist und liegt nur zwei Minu-<br />

ten zu Fuss von der Mathilde Escher Stiftung<br />

entfernt. Martin sammelte Erfahrung in den<br />

Bereichen Administration, Marketing und<br />

Kommunikation. Am Morgen arbeitete er<br />

jeweils in der Administration und am Nach-<br />

mittag im Marketing. Die administrative Arbeit<br />

war neu für ihn. Er verbrachte unter anderen<br />

ein paar Stunden am Empfang und war vom<br />

dort herrschenden Trubel überrascht. Die<br />

Patienten sprachen alle möglichen Sprachen<br />

wie Englisch, Spanisch, Italienisch, Kosovarisch<br />

usw. Das zehnköpfige Team in der Administration<br />

war freundlich und zuvorkommend,<br />

das Arbeitsklima sehr angenehm. Sie hatten<br />

sogar einen Dresscode, den er cool fand. Martin<br />

machen musste. Sobald er sich in ein Thema<br />

eingearbeitet hatte, klappte auch das selbstständige<br />

Arbeiten gut.<br />

Martin hatte Angst, dass er die Anforderungen<br />

nicht erfüllt. Diese Angst war jedoch völlig<br />

unbegründet. Die Praktikumstelle war nur<br />

der Anfang. Martins grosser Traum ist es, nach<br />

Abschluss der Lehre eine Stelle im ersten<br />

Arbeitsmarkt zu finden.<br />

Sprung in den ersten Arbeitsmarkt<br />

Florian hatte einen kurzen Arbeitsweg, da er<br />

sein Praktikum in der Schulthess Klinik in<br />

unmittelbarer Nähe zur Mathilde Escher Stiftung<br />

absolvierte. Das hatte den Vorteil, dass<br />

er zum Mittagessen in die Stiftung kommen<br />

konnte und in der Klinik nicht auf Mittags-<br />

Florian war bei der Schulthess Klinik für die<br />

Aktualisierung von Intranet-Beiträgen zuständig.<br />

diverse weitere Handreichungen beim Trinken,<br />

beim zur Seite Klappen der Steuerung, dem<br />

Einschalten des Computers und Bereitstellen<br />

von Tastatur und Maus.<br />

Florian arbeitete einen Tag pro Woche dort,<br />

lernte ein anderes Umfeld und neue Leute<br />

«Teil eines Teams<br />

zu sein, ist ein gutes<br />

Gefühl.»<br />

Florian Müller<br />

kennen. Die Arbeit gefiel ihm, das Arbeitsklima<br />

und die Zusammenarbeit waren sehr gut. Die<br />

Mitarbeitenden waren sehr hilfsbereit, offen<br />

und zuvorkommend. Er nahm an den wöchentlichen<br />

Teammeetings teil und fühlte sich als<br />

Teammitglied. Florian war unter anderem für<br />

die Aktualisierung der Bilder der Mitarbeitenden<br />

zuständig. Er bearbeitete diese in Photoshop<br />

und lud sie anschliessend auf die Website<br />

hoch. Ausserdem schaltete er neue Beiträge<br />

im Intranet auf. Darüber hinaus übernahm er<br />

unterstützung angewiesen war. Im Praktikums-<br />

diverse Arbeiten zur Entlastung anderer Team-<br />

betrieb war er dennoch auf die Hilfe seiner<br />

mitglieder. Seit dem Sommer <strong>2022</strong> hat Florian<br />

Teamkollegen angewiesen, zum Beispiel um<br />

eine Festanstellung in der Schulthess Klinik,<br />

den Lift zu bedienen oder die Tür mit dem<br />

wo er in der gleichen Abteilung weiterarbeitet,<br />

Martin erhielt bei der Balgrist Tec AG Einblicke in verschiedene Tätigkeitsfelder.<br />

Badge zu öffnen. Ausserdem benötigte er<br />

was ihn sehr glücklich macht.<br />

10 11


— PERSÖNLICH —<br />

Was<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

bleibt<br />

Mit 14 Jahren verlor Mattias seinen Vater durch<br />

einen Suizid. Was bleibt, sind Erinnerungen,<br />

unbeantwortete Fragen, Schmerz und der Wunsch<br />

nach einem Abschiedsbrief.<br />

Von Mattias Fries<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

An einem Wochenende Ende September 2018<br />

wurde für mich das Unfassbare Realität.<br />

Es fing damit an, dass ich meinem Papa am<br />

Freitagabend eine Nachricht schickte. Bis am<br />

Sonntagabend wartete ich vergebens auf eine<br />

Antwort. Meine Mama klingelte schliesslich<br />

bei ihm an der Haustür, aber er öffnete nicht.<br />

Auf dem Nachhauseweg entschloss sie sich,<br />

die Polizei zu rufen. Dann fing das Warten an.<br />

Ich setzte mich ans Fenster und schaute auf<br />

die Hauptstrasse. Es wurde immer dunkler und<br />

es regnete. Gegen acht Uhr fuhr ein Streifenwagen<br />

zu Papas Wohnung. Der Regen wurde<br />

immer stärker, bis es wie aus Kübeln goss. Als<br />

die Polizei endlich bei uns vorfuhr, lief mir ein<br />

kalter Schauer über den Rücken. Ich hatte so<br />

ein komisches Gefühl und ahnte nichts Gutes.<br />

Wir setzten uns hin und sie teilten uns mit,<br />

dass sie nur noch seinen Tod hatten feststellen<br />

können. Im ersten Moment war ich sehr geschockt<br />

und sass schweigend in meinem Rollstuhl.<br />

Ich wusste sofort, dass er sich das Leben<br />

genommen hatte. Ich fing an zu zittern und<br />

zu weinen, gleichzeitig brodelte es in meinem<br />

Körper vor Wut. Ich war wütend auf meinen<br />

Papa, weil er uns im Stich gelassen hatte. Als<br />

sich später herausstellte, dass er keinen Abschiedsbrief<br />

hinterlassen hatte, war ich sehr<br />

enttäuscht von ihm. Ein Abschiedsbrief hätte<br />

mir geholfen, Fragen zu beantworten.<br />

12 13


— PERSÖNLICH —<br />

für. Der Arzt verschrieb mir Medikamente<br />

Im Hier und Jetzt<br />

«Ich hätte mir<br />

von meinem Vater<br />

einen Abschiedsbrief<br />

gewünscht.»<br />

und ich holte mir Hilfe bei einem Psychologen.<br />

Das erste Treffen mit ihm war gut, endlich<br />

hörte mir jemand zu.<br />

Die Angst davor<br />

In meiner Kindheit wusste ich lange nichts<br />

von Papas Depressionen. Mit etwa neun Jahren<br />

hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas zwischen<br />

meiner Mutter und meinem Papa anders<br />

war. Ich spürte eine Spannung zwischen<br />

wieder ein komisches Bauchgefühl, konnte es<br />

aber noch nicht genau benennen. Ein Ereignis<br />

fand ich aber besonders schlimm. An einem<br />

Wochenende im September 2017 waren wir<br />

zuhause bei unserer Mama. Am Samstagmorgen<br />

schrieb meine Schwester unserem Papa<br />

Mein Leben hat sich seit dem Tod meines Vaters<br />

stark verändert. Seit August 2021 wohne ich<br />

unter der Woche in der Mathilde Escher<br />

Stiftung, am Wochenende gehe ich ab und zu<br />

nach Hause. Hier in der Stiftung durfte ich<br />

viele liebe Menschen kennenlernen. Mit der<br />

Verarbeitung meiner Trauer bin ich vorangekommen.<br />

Den Tod meines Vaters habe ich mittlerweile<br />

akzeptiert. Es gibt zwar immer noch<br />

Momente, in denen ich traurig und wütend auf<br />

ihnen. In so jungen Jahren konnte ich dieses<br />

eine Nachricht. Der Tag verging und sie erhielt<br />

ihn bin. Immer öfter erinnere ich mich jedoch<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Die Zeit danach<br />

Die Erinnerungen an diesen Abend haben sich<br />

in mein Gehirn eingebrannt. Wenn es an einem<br />

Sonntagabend regnet, laufen diese oft wie ein<br />

Film vor meinen Augen ab. Papa mochte die<br />

Kirche nie und hätte eine Abdankung in der<br />

Kirche nicht gewollt. Wir entschieden uns<br />

daher für eine Abdankung auf dem Friedhof<br />

im Dorf und engagierten dafür eine Trauerbegleiterin,<br />

die von Papas Leben erzählte. Dann<br />

wurden drei Lieder abgespielt, die auch mein<br />

Vater gerne gehört hatte. Die Abdankung war<br />

sehr schwer für mich. Später kam ein Gefühl<br />

von Leere und Wut in mir hoch. Ich würde ihn<br />

nie mehr umarmen können, Papa war jetzt<br />

für immer weg und mit ihm seine Liebe und<br />

Wärme. Die ersten Wochen nach Papas Suizid<br />

lebte ich in einer Trance und funktionierte<br />

Gefühl jedoch nicht weiter definieren. Eines<br />

Abends erklärten uns unsere Eltern, dass Papa<br />

Depressionen habe und Medikamente dagegen<br />

nehme. Als junger Bube war das schwierig zu<br />

verstehen. Seiner Mutter, seinen Geschwistern<br />

und seinem Freundeskreis hat er nie viel<br />

davon erzählt. Anfang 2016 teilten uns unsere<br />

Eltern mit, dass sie sich trennen. Dies machte<br />

meinem Papa sehr zu schaffen. Es war für uns<br />

alle nicht einfach. Jedes zweite Wochenende<br />

verbrachten wir bei unserem Vater. Wenn wir<br />

uns verabschiedeten, um wieder zu unserer<br />

Mutter zurückzukehren, sagte er oft: «Ich bin<br />

jetzt traurig und werde weinen.» Auch ich war<br />

oft traurig. Nach der Trennung hatte ich immer<br />

keine Antwort von ihm. Am Sonntag ging<br />

Mama spazieren und kam bei der Wohnung<br />

unseres Vaters vorbei. Sie klingelte an der Tür,<br />

er machte auf. Sie fragte ihn, warum er nicht<br />

auf die Nachricht geantwortet habe. Seine<br />

Begründung war, er sei am Lesen und hätte<br />

sein Telefon ausgeschaltet. Die Ungewissheit in<br />

diesen Stunden löste bei mir grosse Angst aus,<br />

mein Papa könnte sich das Leben nehmen,<br />

worunter ich stark litt. Mit seinem Suizid verschwanden<br />

alle Sorgen um ihn. Es fiel eine<br />

grosse Last von meinen Schultern, es war fast<br />

wie eine Erleichterung. Ich musste mich nicht<br />

mehr um meinen Papa sorgen. Es klingt hart,<br />

ist aber die Realität.<br />

In meinem Herzen<br />

Im Mai 2018 erhielt ich eine Einladung zu einem<br />

Helikopterflug. Für mich war sofort klar, dass<br />

«Die Ungewissheit<br />

löste bei mir<br />

grosse Angst aus.»<br />

an schöne Erlebnisse und Momente, die ich<br />

mit meinem Papa hatte. Ich lebe im Hier und<br />

Jetzt und unternehme so viel wie möglich<br />

mit meinen Liebsten. Denn man weiss nie, wie<br />

lange das Leben noch geht. Wie ich den Tod<br />

meines Vaters verarbeitet habe, ist schwer<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

nur noch. Ich kann mich kaum an den ersten<br />

ich diesen mit meinem Papa machen möchte.<br />

zu erklären. Ich weiss aber, dass mir die Zeit<br />

Monat nach dem Suizid erinnern. Ich weinte<br />

Wir interessierten uns nämlich beide für Tech-<br />

dabei geholfen hat. Es dauerte eine ganze Weile,<br />

sehr viel und stellte mir viele Fragen. Wieso<br />

nik und Fahrzeuge. Sobald es nach Treibstoff<br />

bis ich verstand, dass mein Vater nicht mehr<br />

genau jetzt, ich brauch dich noch? Warum<br />

und Schmieröl roch, waren wir am richtigen<br />

zurückkommen würde. Wenn ich Menschen<br />

lässt du mich im Stich? Warum hast du dir<br />

Ort. Als der Pilot die Rolltore öffnete, stieg<br />

erzähle, dass mein Vater Suizid begangen<br />

keine Hilfe geholt? In der Schule sank meine<br />

uns ein angenehmer Geruch von Kerosin und<br />

hat, reagieren die meisten mit einem leeren<br />

Leistung spürbar. Ich schlief oft schlecht, war<br />

Schmierfett in die Nase. Mein Papa und ich<br />

Schlucken und versuchen, das Thema zu wech-<br />

traurig und demotiviert. Ich wollte mit meinen<br />

konnten uns nur anschauen und wussten, was<br />

seln. In solchen Momenten fühle ich mich<br />

Freunden über Papas Suizid sprechen, doch<br />

wir sagen wollten. Genau solche Erinnerungen<br />

einsam. Der Suizid meines Vaters ist für mich<br />

viele blockten ab. Nur zuhause war Raum da-<br />

machen das Leben für mich lebenswert. Ich<br />

kein Tabuthema, mir fällt es meist leicht,<br />

finde es schön, wenn ich mich an solche Erleb-<br />

darüber zu sprechen. Fragt mich aber jemand<br />

nisse erinnern und mir sagen kann, dass wir<br />

«Wie geht es deinen Eltern?», wirft mich das<br />

eine tolle Zeit hatten. In anderen Momenten<br />

manchmal aus der Bahn. Ich versuche dann zu<br />

Eines der letzten gemeinsamen Erlebnisse: Mattias mit<br />

seinem Vater (rechts) nach einem Helikopterflug.<br />

habe ich Sehnsucht nach meinem Papa. Dann<br />

würde ich ihn gerne umarmen.<br />

sagen, dass mein Vater gestorben ist, schaffe<br />

es aber oft nicht.<br />

14 15


— FOTOSTORY —<br />

STOLPERSTEIN<br />

Der grosse Bluff<br />

Von Martin Kupper<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

«Wer sich nicht wehrt,<br />

lebt verkehrt»<br />

Das Leben ist voller Stolpersteine. Oft<br />

geht es dabei um Probleme, die von<br />

aussen auf einen einwirken. Nicht<br />

selten stolpert man aber auch über<br />

die eigenen Wünsche, Gedanken und<br />

Vorstellungen. Oder über Vorstellungen<br />

davon, was andere von einem<br />

erwarten. Menschen mit Muskeldystrophie<br />

Duchenne benötigen in<br />

vielen Lebenssituationen Hilfe, z. B.<br />

beim Anziehen, Essen, Trinken usw.<br />

Da möchte man nicht noch mehr<br />

fordern, sondern freundlich bleiben<br />

und nicht unnötig stressen. Man<br />

überlegt sich also immer genau, ob<br />

man um Hilfe bitten soll, ob die Unterstützung<br />

wirklich notwendig ist<br />

oder ob man das Bedürfnis auch<br />

zurückstellen kann. Leider verlernt<br />

man so für seine eigenen Angelegenheiten<br />

einzustehen. Wie weit<br />

kann man überhaupt gehen? Welche<br />

Forder ungen sind angebracht? Stellen<br />

Sie sich vor, es juckt Sie irgendwo.<br />

Was machen Sie? Klar, Sie kratzen<br />

sich. Ich überlege erst einmal, wer<br />

mir helfen könnte und ob es gerade<br />

angebracht ist, nach Hilfe zu fragen.<br />

Manchmal ist das Jucken dann auch<br />

schon verschwunden, bevor ich eine<br />

Lösung gefunden habe. Das Abwägen<br />

Von Florian Müller<br />

zwischen meinen Bedürfnissen und<br />

meinem Wunsch, höflich zu bleiben,<br />

wird dabei zum Dilemma. Und so<br />

geht es nicht nur mir, sondern auch<br />

den meisten meiner Kollegen. Man<br />

könnte hier einwenden, man müsse<br />

doch nur zwischen Bedürfnissen<br />

und Wünschen unterscheiden. Dabei<br />

entsteht aber bereits das nächste<br />

Dilemma: Solange man seine Wünsche<br />

nicht äussert, ändert sich weder<br />

im Privaten noch im Gesellschaftlichen<br />

etwas. Was aber kann ich<br />

von der Gesellschaft fordern, wenn<br />

diese ohnehin schon so viel leistet?<br />

Menschen wie mir geht es in der<br />

Schweiz gut. Da gibt es eigentlich<br />

nichts zu jammern und ich sollte<br />

dankbar sein. Trotzdem möchte ich<br />

auch Forderungen stellen können.<br />

Ein Schlüsselerlebnis diesbezüglich<br />

war für mich eine Petition im vergangenen<br />

Jahr: Im Herbst erlebte ich<br />

wieder einmal, wie mühsam es sein<br />

kann, wenn nur jedes zweite Tram<br />

rollstuhlgängig ist, vor allem auf<br />

der Linie 11, wo wegen der Kliniken<br />

beim Balgrist ein erhöhter Bedarf<br />

besteht. Ich startete eine Petition mit<br />

der Forderung, dass auf dieser Linie<br />

nur noch barrierefreie Trams verkehren<br />

sollten. Meine Petition hatte<br />

bereits nach drei Tagen die nötige<br />

Anzahl von 200 Unterschriften. Und<br />

das Thema schlug tatsächlich einige<br />

Wellen. Es gab mehrere Zeitungsartikel<br />

dazu und ich erhielt vom zuständigen<br />

Stadtrat Michael Baumer<br />

ein Antwortschreiben, in dem er mir<br />

erklärte, warum man einzelne Tramlinien<br />

nicht bevorzugen könne. Und<br />

nun kommt es: Trotz dieser Antwort<br />

sind nur wenige Monate später alle<br />

Trams zum Balgrist zu den Hauptverkehrszeiten<br />

rollstuhlgängig. Zufall<br />

oder nicht? Mir hat diese Erfahrung<br />

gezeigt, dass man den Mund ruhig<br />

aufmachen darf. Nach dem Motto:<br />

Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.<br />

Man könnte nun entgegenhalten,<br />

dass diese Haltung egoistisch sei. Es<br />

geht aber nicht nur um mich oder<br />

andere Betroffene, von der Barrierefreiheit<br />

profitieren viele Menschen<br />

und auch zukünftige Generationen.<br />

Und nun zurück zum Dilemma zwischen<br />

höflich bleiben und Bedürfnisse<br />

anmelden. Egal ob wir uns zu<br />

Wort melden oder schweigen: «Wir<br />

sind nicht nur verantwortlich für<br />

das, was wir tun, sondern auch für<br />

das, was wir nicht tun» (Molière).<br />

Frisch verliebtes<br />

Paar vor einem<br />

Juwelierladen<br />

Kein Problem,<br />

ich kauf es dir.<br />

Du bist unglaublich!!!<br />

Ist das dein Ernst?<br />

Liebling, es ist<br />

der Juwelier!<br />

Kommst du mal.<br />

Wir haben Ihren<br />

Check geprüft: Er ist<br />

leider nicht gültig.<br />

Woher hast du<br />

so viel Geld?<br />

Gehen gemeinsam<br />

in den Laden<br />

16 17<br />

Das ist wunderschön,<br />

Liebling, aber so teuer.<br />

Ich weiss …<br />

Drei Tage später in<br />

einer Romantik-Suite.<br />

Das Telefon klingelt …<br />

RING<br />

RING<br />

Wie gefällt dir<br />

dieses Collier?<br />

Mach dir über Geld keine<br />

Gedanken. Ich kann mit<br />

einem Check bezahlen.<br />

Aber können Sie sich<br />

vorstellen, was für<br />

ein tolles Wochenende<br />

ich hatte?<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung


— KRANKHEIT —<br />

Vorsicht<br />

zerbrechlich<br />

Shereen kommt aus Syrien und hat die Glasknochenkrankheit.<br />

Im Jahr 2014 musste sie wegen des Bürgerkriegs mit ihren Eltern<br />

flüchten und lebt seit sieben Jahren in der Schweiz.<br />

Von Shereen Mohamed<br />

Ich wurde im Damascus Hospital in Syrien geboren.<br />

Bei meiner Geburt mussten mich die Ärzte erst einmal<br />

zusammenflicken. Mein Körper war voller Brüche, die<br />

Hüften verschoben und die Beine zu einem Schneidersitz<br />

geformt. Die Diagnose lautete «Osteogenesis imperfecta»,<br />

zu Deutsch «Glasknochenkrankheit». Schon kurz nach<br />

meiner Geburt waren zahlreiche operative Eingriffe notwendig.<br />

Als Baby durfte ich ausschliesslich von meiner<br />

Mutter und meinem Vater getragen werden, da sie als<br />

Einzige wussten, wie man mich hält, ohne mir weitere<br />

Brüche zuzufügen.<br />

Unsere Flucht<br />

Im Jahr 2011 brach in Syrien der Bürgerkrieg aus. Das<br />

trug nicht gerade positiv zu meiner ohnehin schon komplizierten<br />

Situation bei. Ende 2014 spitzte sich die Lage<br />

zu, die Sicherheit war nicht mehr gewährleistet und wir<br />

mussten flüchten. Im November starteten wir unsere<br />

Reise. Es war von Anfang an klar, dass ich meinen Handrollstuhl<br />

nicht mitnehmen konnte. Wir fuhren mit<br />

dem Auto in Richtung türkische Grenze. Da die Grenze<br />

geschlossen war und wir sie mit dem Auto nicht überqueren<br />

konnten, mussten wir einen Teil zu Fuss gehen.<br />

Meine Eltern trugen mich abwechslungsweise. Da ich<br />

im Alter von 13 Jahren gerade mal 20 Kilogramm wog,<br />

war dies zum Glück möglich. Ich realisierte damals nicht<br />

genau, was gerade vorging. Wir verbrachten ungefähr<br />

zwei Monate in der Türkei und kamen danach in die<br />

Schweiz. Hier angekommen wurden wir im Asylzentrum<br />

in Embrach untergebracht. Die Stimmung dort empfand<br />

ich als nett und freundlich. Mir wurde ein riesiger Handrollstuhl<br />

zur Verfügung gestellt. Später wurden wir von<br />

Embrach nach Altstetten verlegt.<br />

In Sicherheit<br />

Im Asylzentrum besuchte ich zum ersten Mal die Schule,<br />

was mir Spass machte. Deutsch war eine Herausforderung,<br />

da ich damals noch kein Wort Deutsch sprach. In<br />

18 19


— KRANKHEIT —<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

jener Zeit hatte ich auch meine ersten Kontakte mit dem<br />

Schweizer Gesundheitssystem. Eine Schulpsychologin<br />

führte einige Tests mit mir durch, um meine schulischen<br />

Möglichkeiten abzuklären. Sie empfahl mir die Mathilde<br />

Escher Stiftung. Gleich nach den Sommerferien stieg ich<br />

in die Primarstufe der Stiftung ein. Kurze Zeit danach<br />

zog ich mit meiner Familie nach Oberglatt in eine eigene<br />

Wohnung. Nach dem Umzug hatten wir endlich etwas<br />

Privatsphäre. In den Zentren war es immer sehr laut.<br />

In der neuen Wohnung war es viel besser, bequemer und<br />

ruhiger. Ich konnte alles machen, was ich wollte, und<br />

besser für die Schule lernen. Damals war der Bahnhof<br />

Oberglatt noch nicht rollstuhlgängig. Mein Vater brachte<br />

mich jeden Morgen zum Bahnhof, wo er mich dann auf<br />

meinem Handrollstuhl in den Zug hob. Beim Aussteigen<br />

am Bahnhof Stadelhofen bat ich jeweils einen Passanten,<br />

mir beim Aussteigen behilflich zu sein. Am Anfang fand<br />

ich es etwas peinlich, Fremde um Hilfe zu bitten. Das hat<br />

sich jedoch mit der Zeit gelegt, da die angesprochenen<br />

Personen zum Glück immer sehr freundlich reagierten.<br />

Wenn mich jemand nicht allein rausbrachte, riefen sie<br />

noch andere Passanten zu Hilfe. Jemand von der Stiftung<br />

holte mich dann am Bahnhof Stadelhofen ab. Die Anreise<br />

war immer mit einem immensen Aufwand verbunden,<br />

da ich mich in meinem riesigen Handrollstuhl nicht<br />

selbst fortbewegen konnte. Wegen meiner verschobenen<br />

Hüften konnte ich nur im Schneidersitz sitzen. Aus<br />

diesem Grund war auch ein Wechsel zu einem Elektrorollstuhl<br />

damals noch nicht möglich.<br />

Endlich normal sitzen<br />

Meine verschobenen Hüften hatten auch gravierende<br />

Auswirkungen auf andere Bereiche meines Lebens.<br />

Meine Beine zeigten beim Schlafen in die Luft. Das war<br />

unbequem und ich hatte oft Rückenschmerzen. Ausserdem<br />

blockierten die Hüften mein Wachstum. Meine<br />

Lebensqualität konnte nur mit einer operativen Hüftkorrektur<br />

verbessert werden. Die Operation dauerte rund<br />

acht Stunden. Ich erwachte mit starken Schmerzen aus<br />

der Narkose. Am nächsten Tag zeigten sie mir meine<br />

Beine, die nun schön gerade waren, in einem Spiegel. Ich<br />

wäre überglücklich gewesen, wenn mir mein linkes Bein<br />

nicht bei jedem Transfer höllisch wehgetan hätte. Man<br />

machte ein Röntgenbild und entdeckte, dass ich einen<br />

Bruch im Oberschenkelknochen hatte. Dank der zusätzlichen<br />

Reha-Therapie erlangte ich viel Selbstständigkeit,<br />

konnte aufs Sofa sitzen oder mich allein anziehen. Da ich<br />

dank der Operation meine Beine nun strecken konnte,<br />

war endlich auch ein Wechsel zu einem Elektrorollstuhl<br />

möglich. Dank diesem kann ich meinen Alltag heute<br />

noch selbstständiger gestalten.<br />

Den Alltag meistern<br />

Zurzeit absolviere ich die Ausbildung Pra INSOS Mediamatik<br />

in der Mathilde Escher Stiftung. Ich komme<br />

jeden Tag, ohne auf Hilfe angewiesen zu sein, mit den<br />

öffentlichen Verkehrsmitteln in die Ausbildung. Zuhause<br />

fühle ich mich nicht als «besonders zerbrechlich» und<br />

kann meine Eltern sogar unterstützen. Ich habe Freunde,<br />

mit denen ich mich gerne treffe und verschiedenste<br />

Aktivitäten unternehme. Im Alltag muss ich jedoch sehr<br />

vorsichtig sein, da ich bei den kleinsten Erschütterungen<br />

Frakturen erleiden kann. Wenn ich zu oft niesen oder<br />

husten muss, können Risse oder Brüche in den Knochen<br />

entstehen, die starke Schmerzen verursachen. Dann<br />

muss ich mich umgehend untersuchen lassen. Durch<br />

die vielen Untersuchungen und verletzungsbedingten<br />

Ausfälle fehle ich oft im Unterricht. Ich hoffe, dass<br />

ich eines Tages dank Fortschritten in der Medizin weniger<br />

Brüche haben werde und im Arbeitsmarkt Fuss<br />

fassen kann. Ausserdem möchte ich meine Ziele und<br />

Träume weiterhin verfolgen und unter anderem Gitarre<br />

spielen lernen.<br />

Glasknochenkrankheit<br />

Osteogenesis imperfecta (OI) wird umgangssprachlich<br />

auch Glasknochenkrankheit genannt,<br />

weil die Knochen betroffener Personen so leicht<br />

wie Glas brechen. Betroffene Kinder haben<br />

teilweise schon vor der Geburt Knochenbrüche.<br />

OI ist eine seltene Erbkrankheit, von der in der<br />

Schweiz etwa 300 bis 400 Menschen betroffen<br />

sind. Die Ursache dieser Krankheit ist ein genetisch<br />

bedingter Defekt im Kollagenstoffwechsel.<br />

Dieses Eiweiss gibt dem Knochen Halt und<br />

Stabilität. Gleichzeitig hält es das Bindegewebe<br />

elastisch. Ist der Kollagenstoffwechsel beeinträchtigt,<br />

können sich die Knochen verformen<br />

und bei der geringsten Belastung brechen. Betroffene<br />

haben meist Verbiegungen in den Arm-<br />

und Beinknochen sowie überdehnbare Gelenke<br />

und Minderwuchs. Aus diesem Grund sind sie<br />

oft auf einen Rollstuhl angewiesen.<br />

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escher<br />

stiftung<br />

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PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

20 21


Team<br />

Das<br />

Redaktions-<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Das <strong>Pause</strong>-Magazin ist ein Ausbildungsprojekt<br />

der Mathilde<br />

Escher Stiftung. Die Lernenden<br />

erarbeiten die Inhalte und<br />

gestalten das <strong>Pause</strong>-Magazin<br />

im Rahmen ihrer Praktischen<br />

Ausbildung nach INSOS (Praktiker<br />

innen und Praktiker PrA<br />

Mediamatik) mit der Unterstützung<br />

ihrer Ausbildner und<br />

Ausbildnerinnen.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

22 23<br />

(v.l.n.r.) Albert Schwaninger, Frank Grüninger, Jonathan Dennler, Manuel Melder, Laura Dominguez,<br />

Michael Groer, Nayen Bahadur, Steven Deblander, Matthias Peter, Ursin Basler,<br />

Angelo Metzker, Florian Müller, Martin Kupper, Flora Berchtold, Shereen Mohamed


— PERSÖNLICH —<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

«Ich nahm<br />

all meinen Mut<br />

zusammen»<br />

Als ich 18 Jahre alt war, wollten mich meine Freunde<br />

verkuppeln. Ich dachte, dass ich als Rollstuhlfahrer<br />

keine Chance bei ihr haben würde. Trotzdem liess ich<br />

mich darauf ein und traf mich mit meinen Kollegen<br />

und ihrer Auserwählten am See.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Von Angelo Metzker<br />

Wenn ich unterwegs bin, sehe ich glückliche<br />

Paare miteinander Zeit verbringen. Was ich<br />

aber höchst selten sehe, ist ein junges Paar, bei<br />

dem einer der beiden im Rollstuhl ist. Früher<br />

löste das Unsicherheit in mir aus. Ich fragte<br />

mich oft, ob eine Beziehung für Menschen mit<br />

Einschränkungen einfach nicht möglich ist<br />

und was der Grund dafür sein könnte. Ein möglicher<br />

Grund ist meiner Meinung nach, dass<br />

ein grosser Teil der Gesellschaft Menschen mit<br />

Einschränkungen immer noch nicht als ganz<br />

«normal» und somit auch nicht als potenzielle<br />

Partner betrachtet.<br />

In der Komfortzone<br />

Ein weiterer wichtiger Grund ist, dass sich<br />

viele Personen mit Einschränkungen von der<br />

Gesellschaft abkapseln. Mein Alltag ist immer<br />

mit Aufwand verbunden, da ich auf Hilfestellungen<br />

angewiesen bin. Ich weiss von mir<br />

selbst und manch anderen mit einer Beeinträchtigung,<br />

dass es nicht einfach ist, sich<br />

anderen wirklich zu öffnen. Man möchte nicht<br />

über die Herausforderungen wie die aufgrund<br />

der Krankheit notwendige Pflege reden. Man<br />

fragt sich, ob es wirklich eine Person gibt,<br />

die das in einer Beziehung nicht stört. Was ist,<br />

24 25


— PERSÖNLICH —<br />

wenn diese Person jemanden will, der sie<br />

Schmetterlinge im Bauch<br />

Augen und mein Herz begann zu rasen. Ich<br />

ich ihr irgendwann erklären musste, dass<br />

in die Arme nehmen kann, der sportlich unter-<br />

Eine grosse Entwicklung konnte ich machen,<br />

begann zu grinsen und konnte selbst nicht<br />

ich von ihr nicht zu viel gepflegt werden wollte<br />

wegs ist? Was ist, wenn es sie abschreckt,<br />

als ich 18 Jahre alt war und meine Freunde<br />

fassen, was ich im Begriff war zu sagen: Du<br />

und es nicht an ihr lag, sondern an mir. Viel-<br />

dass ich viele «normale» Sachen nicht machen<br />

die tolle Idee hatten, mich zu verkuppeln. Ich<br />

bist ein bisschen weit weg, wie wärs, wenn<br />

leicht war oder bin ich noch nicht reif genug,<br />

kann oder auf Hilfe angewiesen bin? Solche<br />

traf mich mit ihnen und ihrer Auserwählten<br />

du ein bisschen näherkommen würdest? Sie<br />

aber mich belastete es, wenn sie mich zu<br />

Gedanken führten bei mir dazu, dass ich mir<br />

am See. Ich war sehr nervös. Sie war mir von<br />

fing an zu lachen und rückte immer näher, bis<br />

viel pflegte. Ich hatte dann das Gefühl, dass<br />

eine Komfortzone schaffte, in der ich mich nur<br />

Anfang an sehr sympathisch. Als meine Kolle-<br />

sie mich auf einmal küsste. Zum ersten Mal<br />

mit vertrauten Personen umgab, und so nicht<br />

gen Getränke holten und mich mit ihr allein<br />

war ich richtig in jemanden verliebt!<br />

oft neue Bekanntschaften machte. Ich lebte in<br />

liessen, nahm ich all meinen Mut zusammen<br />

und begann, mit ihr zu reden. Sie stellte viele<br />

Eine Lektion fürs Leben<br />

Fragen zu meiner Situation. Ich konnte es nicht<br />

Meine Beziehung, die anfangs perfekt schien,<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

«Ich erfand stets<br />

Ausreden, um nicht<br />

gehen zu müssen.»<br />

meiner eigenen Welt, mit meinen eigenen Problemen.<br />

Wenn man seine Komfortzone zu lange<br />

nicht verlässt, wird man immer unsi cherer.<br />

Dies führte bei mir zu grossen Selbstzweifeln.<br />

Wenn mich Freunde fragten, ob ich Lust hätte<br />

auszugehen, sagte ich meist unter einem Vorwand<br />

ab und verbrachte die Zeit dann in Wahrheit<br />

mit meinem Freund «Netflix». Wenn ich<br />

mal mitging, kam es mir im Traum nicht in den<br />

Sinn, eine hübsche Frau anzusprechen.<br />

Noch schlimmer, als sich selbst im Weg zu<br />

lassen, ihr ironische Antworten zu geben und<br />

mich selbst über meine Behinderung lustig zu<br />

machen. Mein schwarzer Humor kam offensichtlich<br />

gut bei ihr an, denn auf ihrem Gesicht<br />

breitete sich ein Grinsen aus und sie fing an<br />

zu lachen. Als ich ihr dabei zum ersten Mal<br />

richtig in die Augen schaute, hatte ich Schmetterlinge<br />

im Bauch. Sie war intelligent und<br />

hatte einen ähnlichen Humor. Ich spürte, dass<br />

es auf beiden Seiten knisterte, und so blieb<br />

unsere erste Begegnung nicht die letzte. Nach<br />

dem ersten Kennenlernen tauschten wir die<br />

Nummern aus und schrieben uns fast jeden<br />

Tag. Irgendwann konnte ich mich dazu überwinden,<br />

sie zu fragen, ob sie Lust hätte, bei mir<br />

zu Hause einen Drink zu nehmen und einen<br />

Film anzuschauen. Es passierte alles so natürlich,<br />

dass es sich fast nicht real anfühlte. Das<br />

Date verlief sehr gut, besser als ich je erwartet<br />

hätte. Nach dem Film schauten wir uns in die<br />

scheiterte leider nach knapp sechs Monaten.<br />

Ich bemerkte mit der Zeit, dass wir in verschiedenen<br />

Aspekten zu unterschiedlich waren.<br />

Die Trennung war für sie sehr schwierig, aber<br />

auch für mich war es nicht einfach, denn meine<br />

erste Beziehung war nach wenigen Monaten<br />

gescheitert. Mit meiner Freundin Schluss zu<br />

machen, war einer der schwierigsten Momente<br />

in meinem Leben.<br />

«Es ist besser,<br />

geliebt und verloren<br />

zu haben, als niemals<br />

geliebt zu haben.»<br />

ich eine Last für sie bin. Ich wollte nur, dass sie<br />

meine Freundin ist und ich ihr Freund. Nicht<br />

mehr als das! Ich will damit nicht sagen, dass<br />

eine Liebesbeziehung mit pflegerischen Situationen<br />

unmöglich ist. Bei manchen funktioniert<br />

das!<br />

stehen, ist ein Umfeld, das einem im Weg steht,<br />

Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen, die<br />

weil es einem vor Enttäuschungen schützen<br />

ich in meiner ersten Beziehung machen konnte.<br />

will. Das hindert einen daran, eigene Erfah-<br />

Ich konnte dabei einen Teil meiner Unsicher-<br />

rungen zu machen. Meine Familie hat mich<br />

Unsere Beziehung war für die Zeit, als wir ein<br />

heiten ablegen. Die Beziehung gab mir Mut und<br />

glücklicherweise immer auch zu Dates ermu-<br />

Paar waren, sehr gesund und liebevoll. Wir<br />

mir wurde klar, dass meine Beeinträchtigung<br />

tigt. Meine Mutter sagte stets, es sei besser,<br />

sahen uns fast jedes Wochenende und ver-<br />

kein Hindernis sein muss. Die einzigen Hin-<br />

geliebt und verloren zu haben, als niemals ge-<br />

brachten auch die Ferien zusammen. Ich habe<br />

dernisse, die mir bis dahin im Weg gestanden<br />

liebt zu haben. Sie meint damit, dass man sein<br />

gelernt, dass ein offener Umgang in einer<br />

hatten, waren meine negativen Gedanken.<br />

Glück immer versuchen sollte und dass es<br />

Liebesbeziehung sehr wichtig ist, und viel-<br />

Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass<br />

okay ist, Enttäuschung zu erleben, weil man<br />

leicht erst recht, wenn einer der beiden einge-<br />

man täglich Barrieren kreiert, die nicht wirk-<br />

sich so im Leben weiterentwickelt.<br />

schränkt ist. Man sollte ohne Hemmungen<br />

lich existieren. Man muss lernen, diese zu<br />

über verschiedene Themen wie Intimität reden<br />

bezwingen. Ich bin nach wie vor der Meinung,<br />

können. Da ich im Rollstuhl bin und zum<br />

dass es Zeit, Mut und Geduld braucht, die<br />

Beispiel zum Kuscheln nicht einfach auf sie<br />

Eine zu finden. Ich weiss aber auch, dass es<br />

zugehen konnte, musste ich oft verbal aktiv<br />

möglich ist. Und Letzteres gilt ja auch für alle<br />

werden. Nicht nur in diesen Situationen war<br />

anderen!<br />

ein offener Umgang wichtig, sondern auch als<br />

26 27


PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Seit dem Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes<br />

hat sich schon viel<br />

beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs getan.<br />

Doch es bleibt immer noch viel zu tun.<br />

Seit ich in der Mathilde Escher<br />

Stiftung wohne, hat sich mein Arbeitsweg<br />

auf eine Liftfahrt zwei Stockwerke<br />

tiefer reduziert. An meine<br />

vor herige Schule bin ich gependelt.<br />

An zwei Tagen war ich jeweils über<br />

zwei Stunden im öV unterwegs. Ich<br />

weiss also nur zu gut, was es heisst,<br />

mit einem Rollstuhl im öV unterwegs<br />

zu sein. Dennoch möchte ich mich<br />

nicht beklagen. Es hat sich viel getan,<br />

damit wir Rollstuhlfahrende besser<br />

Von Jonathan Dennler<br />

— MOBILITÄT —<br />

Es ist schon<br />

viel möglich<br />

mit dem öV reisen können. Mittlerweile<br />

sind viele Stationen in der<br />

Schweiz rollstuhlgerecht umgebaut.<br />

Die Reisen lassen sich mit der SBB<br />

App gut planen. Die barrierefreien<br />

Haltestellen sind gut gekennzeichnet.<br />

In Zürich sind mittlerweile viele<br />

Tramhaltestellen barrierefrei und<br />

es gibt Anzeigen, wann die nächsten<br />

Trams eintreffen und ob diese rollstuhlgängig<br />

sind. Doch geht man<br />

ein wenig aus den urbanen Zentren<br />

heraus, siehts schell anders aus.<br />

Bei meinem Ausbildungskollegen<br />

Behindertengleichstellungsgesetz<br />

Seit 2004 ist das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) zur Beseitigung<br />

von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen in<br />

Kraft. Das Ziel ist die Schaffung von Rahmenbedingungen, welche die<br />

Unabhängigkeit von Menschen mit Behinderung von der Hilfe durch<br />

Drittpersonen erlauben. Aus diesem Grund sollen alle öffentlichen Verkehrsmittel<br />

bis Ende 2023 behindertengerecht werden. Das Bundesamt<br />

für Verkehr BAV ist die dafür zuständige Behörde. Sie beobachtet, ob<br />

alles so umgesetzt wird, wie es in den BehiG-Richtlinien festgehalten<br />

ist, und ob es mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip übereinstimmt.<br />

Dort, wo bauliche Massnahmen nicht verhältnismässig (Abwägung<br />

Kosten/Nutzen) sind, müssen die öV-Betriebe eine andere Lösung finden,<br />

zum Beispiel Bahnmitarbeitende, die beim Ein- und Aussteigen helfen.<br />

Ursin liegt die nächste Tramhaltestelle<br />

an seinem Wohnort Unterentfelden<br />

im Aargau einen Kilometer<br />

entfernt. Weil diese nicht rollstuhlgängig<br />

ist, müssen die Tramführenden<br />

jedes mal aussteigen und eine<br />

Rollstuhlrampe vor die Tür legen.<br />

Ursin muss sich dafür einen Monat<br />

vorher anmelden, damit die Rampe<br />

sicher dabei ist. Es kam aber auch<br />

schon vor, dass diese trotz Anmeldung<br />

vergessen wurde. Dann muss er<br />

jeweils mit seinem Elektrorollstuhl<br />

fünf Kilometer zum nächsten Bahnhof<br />

fahren, um nach Zürich zu gelangen.<br />

In Zürich angekommen ist das<br />

erste Tram oft auch nicht rollstuhlgängig.<br />

Damit er trotzdem pünktlich<br />

an seinem Ausbildungsplatz hier in<br />

der Mathilde Escher Stiftung ankommt,<br />

fährt er oft mit seinem Rollstuhl<br />

vom Hauptbahnhof aus durch<br />

die halbe Stadt. Nichtsdestotrotz<br />

zeigt Ursins Beispiel, dass mittlerweile<br />

auch grössere Pendlerstrecken<br />

mit dem Rollstuhl im öV selbstständig<br />

und zuverlässig bewältigt werden<br />

können.<br />

Auch wenn ich nun am Morgen noch<br />

in den Federn liegen bleiben kann<br />

und das Pendeln für mich der Vergangenheit<br />

angehört – es bleibt immer<br />

noch viel zu tun, bis Menschen mit<br />

Mobilitätsbehinderung den öV gleichberechtig<br />

und ohne Einschränkungen<br />

nutzen können.<br />

JONATHAN DENNLER<br />

Seit Jonathan in der Mathilde Escher<br />

Stiftung lebt, ist er vor allem am<br />

Wochenende auf den öV angewiesen.<br />

Zahlen<br />

aus der Stiftung<br />

25'555<br />

Badewannen<br />

Pro Tag werden in der Mathilde Escher<br />

Stiftung 12'700 Liter Wasser verbraucht.<br />

Aufs Jahr gerechnet sind das rund 4'635'500<br />

Liter. Würde man die gleiche Wassermenge<br />

jeweils nur für die beliebten Schaumbäder<br />

der Bewohner in der Stiftung verwenden,<br />

könnten ganze 25'555 Badewannen gefüllt<br />

werden. Was auf den ersten Blick nach<br />

viel erscheint, relativiert sich im Vergleich<br />

mit der Wassermenge, die zur Produktion<br />

von Fleisch benötigt wird. Da reicht dieselbe<br />

Menge gerade mal für rund 300 Kilo Rindfleisch<br />

— was etwa dem Schlachtgewicht<br />

eines Rindes entspricht.<br />

4'800<br />

Kehrichtsäcke<br />

Der Abfallberg in der Mathilde Escher Stiftung ist<br />

beträchtlich. Jede Woche werden 2 volle Container<br />

entsorgt. Das sind aufs Jahr gerechnet rund 24 Tonnen<br />

Abfall, was rund 4’800 Kehrrichtsäcken entspricht!<br />

Dennoch: Die Stiftung liegt damit unter dem Schweizer<br />

Schnitt von 716 kg pro Person und Jahr.<br />

ÖKO<br />

EDITION<br />

1½<br />

Fussballfelder<br />

Würde man sämtliches Papier, das in<br />

der Mathilde Escher Stiftung durchschnittlich<br />

pro Jahr bedruckt wird,<br />

auf einer Fläche auslegen, entspräche<br />

dies der Grösse von 1½ Fussballfeldern.<br />

In Zahlen sind das rund<br />

170’000 A4-Seiten.<br />

53'900<br />

Kilometer<br />

Ohne Computer geht heute nichts<br />

mehr. Dies sieht in der Mathilde<br />

Escher Stiftung nicht anders aus. Bei<br />

einer durchschnittlichen Nutzung der<br />

Computer von jeweils 4 Stunden pro<br />

Tag beträgt der Stromverbrauch aller<br />

rund 130 Computer in der Stiftung auf<br />

ein Jahr gerechnet rund 2'800 kWh.<br />

Mit der gleichen Menge Strom können<br />

mit einem Elektrorollstuhl rund<br />

53'900 km zurückgelegt werden. Also<br />

locker einmal um die Erde!<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

28 29


— AUSBILDUNGSREISE —<br />

Hitze,<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Stau<br />

& Dolce<br />

Die Ausbildungsreise führte die Lernenden<br />

der Mathilde Escher Stiftung im vergangenen<br />

Jahr in das schöne Lugano. Trotz Wüstenhitze<br />

und unendlich langen Staus liessen sie sich<br />

die Stimmung nicht verderben. Das Tessin<br />

entschädigte sie mit vielen tollen Eindrücken.<br />

Unsere Ausbildungsreise fing für<br />

Martin schon mal gut an… Als er seinen<br />

Koffer in den Bus laden wollte,<br />

rutschte er aus und stürzte. Er meinte,<br />

es hätte nur ein bisschen wehgetan.<br />

Als er jedoch im Hotel ankam, entdeckte<br />

er einen blauen Fleck «so<br />

Von Martin Kupper & Nayen Bahadur<br />

gross wie ein Tennisschläger». Von<br />

diesem Reiseandenken sollte Martin<br />

noch ein paar Wochen etwas haben.<br />

wann es weitergehen würde. Auch<br />

ihnen wurde ein Unterhaltungs-<br />

pro gramm geboten. Wir mussten<br />

drei lange Stunden warten, bis wir<br />

auf der Autobahn wenden durften<br />

und es endlich weiterging. Um halb<br />

acht kamen wir endlich in unserem<br />

Hotel in Lugano an. In neuneinhalb<br />

Stunden von Zürich ins Tessin,<br />

keine schlechte Leistung! Ein flotter<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Auf unserer Fahrt Richtung Tessin<br />

Sportrollstuhl hätte für diese Strecke<br />

schüttete es wie aus Eimern. In Faido<br />

14 Stunden benötigt.<br />

Vita<br />

war es dann so weit: Stau, nichts<br />

ging mehr voran. Ein Erdrutsch hatte<br />

die Autobahn blockiert. Wären wir<br />

etwas früher dran gewesen, hätten<br />

wir den Erdrutsch hautnah miterlebt.<br />

Manchmal ist das Glück mit<br />

Stunts auf der Staumauer<br />

Nach unserem Frühstück im Hotel<br />

brachen wir in Richtung Verzasca-<br />

Tal auf. Wir wollten uns die Staumauer<br />

anschauen, wo es eine<br />

den Langsamen.<br />

Absprungstelle für Bungee Jumping<br />

Wir liessen uns die Laune jedoch<br />

gibt. Die meisten von uns bekamen<br />

nicht verderben. Die zu Fuss Gehen-<br />

schon beim Zuschauen Angst. Wir<br />

den unter uns nutzten die Zeit für<br />

konnten so nah ran, dass wir das<br />

Tanzlektionen. Nayen postete der-<br />

Adrenalin der Wagemutigen förm-<br />

weil tolle Selfies mitten auf der Auto-<br />

lich riechen konnten. Martin wollte<br />

bahn. Die Mitreisenden in Rollstüh-<br />

auch einen auf James Bond machen,<br />

len durften die Busse leider nicht<br />

zwar ohne Smoking, aber genauso<br />

verlassen, weil wir nicht wussten,<br />

wagemutig. Die Bestimmungen be-<br />

30 31


— AUSBILDUNGSREISE —<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

züglich Gesundheitszustand haben<br />

es aber nicht zugelassen, dass er<br />

springt. Peter, unser Praktikant,<br />

rettete die Stimmung. Mit seiner<br />

Hilfe konnten wir unsere Stunts mit<br />

einem Skateboard auf der Staumauer<br />

machen. Das war auch cool<br />

und für Martin ein kleiner Trost für<br />

den entgangenen Sprung. Zum Abschied<br />

gabs noch ein Glacé. Nach so<br />

viel Aufregung wollten wir uns die<br />

Römerbrücke anschauen, aber leider<br />

gab es so viele Autos, dass wir nicht<br />

anhalten konnten. Die Bauwerke<br />

der Römer waren ohnehin nicht rollstuhlgängig…<br />

Wenige Kilometer flussaufwärts<br />

gab es eine Feuerstelle. Das Wasser<br />

war eiskalt, gefühlte minus 10 Grad.<br />

Ein paar unserer Reisegruppe wagten<br />

sich dennoch ins Wasser. Nayen<br />

machte wie immer Selfies. Für die<br />

richtige Perspektive musste dann<br />

Martin als Fotograf herhalten, während<br />

Nayen sich als Model versuchte<br />

und verschiedene Posen ausprobierte.<br />

Zurück im Auto standen wir<br />

schon wieder im Stau. Ein Motorrad<br />

und ein Auto waren zusammengeprallt.<br />

Richtig gruselig. Am Abend<br />

ging es dann noch in eine Bar mit<br />

Jazz-Musik. Trotz der Musik war<br />

es ein schöner Abend und diesmal<br />

machte nicht nur Nayen Selfies. Für<br />

sie war es aber ein ganz besonderer<br />

Abend, da sie zum ersten Mal abends<br />

allein in einer Bar war.<br />

Begehrter Sonnenhut<br />

Am nächsten Tag stand eine Schifffahrt<br />

auf dem Lago Maggiore von<br />

Locarno zu den Isole di Brissago<br />

an. Es war so heiss an diesem Tag,<br />

dass uns nicht einmal die Brise<br />

während der Schifffahrt Abkühlung<br />

brachte. Die Sonne brannte unbarmherzig<br />

auf uns herunter und<br />

wir waren immer auf der Suche nach<br />

einem Sonnenschutz. Hier zeigte<br />

sich Martin wieder einmal als Kavalier.<br />

Er gab Nayen seinen Sonnen-<br />

hut, damit sie etwas Schutz vor der<br />

Sonne hatte. Auf den Isole di Brissago<br />

war es wunderschön, die Inseln<br />

«Martin wollte einen<br />

auf James Bond machen,<br />

zwar ohne Smoking, aber<br />

genauso wagemutig.»<br />

sind traumhaft. Nayen war an diesem<br />

Tag das erste Mal in ihrem Leben<br />

auf einer Insel. Die einzigen dunklen<br />

Wolken an diesem Tag zogen auf,<br />

als Martin seinen Hut zurückhaben<br />

wollte und Nayen sich bereits in<br />

das gute Stück verliebt hatte. Zurück<br />

in Locarno kaufte sie sich sofort<br />

einen Hut und so war die Stimmung<br />

gerettet. Kaum war der Hut bezahlt,<br />

machte Nayen — man ahnt es schon<br />

— ein Selfie.<br />

Könige der Lüfte<br />

Am Tag darauf stand eine Fahrt mit<br />

der Standseilbahn nach Cardada auf<br />

dem Programm. Die Aussicht war<br />

atemberaubend. Der Wettergott war<br />

uns wieder wohlgesonnen, es war<br />

keine einzige Wolke am Himmel zu<br />

sehen. Der Himmel war jedoch nicht<br />

nur blau, sondern voller kleiner Farbtupfer.<br />

Es gab so viele Fallschirme,<br />

dass Martin aufhörte, sie zu zählen.<br />

Als Nächstes besuchten wir die<br />

Falconeria Locarno. Die Greifvögel<br />

waren unheimlich gross und flogen<br />

bei der Vorführung so nah an unseren<br />

Köpfen vorbei, dass wir sogar<br />

den Windhauch spüren konnten.<br />

Nach der Show posierte Martin noch<br />

mit einem Weisskopfseeadler auf<br />

seinem Arm für ein paar Fotos. Für<br />

ihn ist damit ein Traum in Erfüllung<br />

gegangen. Er wollte schon immer<br />

einmal diese majestätischen Tiere<br />

hautnah erleben. Muskeln brauchte<br />

es bei dem Fotoshooting auch, denn<br />

der Adler hatte ein Gewicht von<br />

über sechs Kilo. Am Abend ging es<br />

mit dem EM-Endspiel Italien gegen<br />

England spannend weiter. Als Italien<br />

gewonnen hatte, ging die Party in<br />

Lugano so richtig ab.<br />

Eine schöne Zeit<br />

Alles hat ein Ende, so auch unsere<br />

Ausbildungsreise. Am Montag<br />

machten wir uns mit vielen tollen<br />

Erinnerungen auf den Heimweg.<br />

Natürlich blieben wir auch auf der<br />

Rückreise wieder in einem ausgewachsenen<br />

Stau stecken. Im Gotthardtunnel<br />

brannte ein Lastwagen<br />

und der gesamte Verkehr wurde<br />

über den Gotthardpass umgeleitet.<br />

Dort gab es auch noch ein paar<br />

Baustellen, damit wir nicht zu früh<br />

zu Hause ankamen. So hatten wir<br />

noch länger etwas von dieser Reise.<br />

Und wenn man während des Staus<br />

aussteigen kann, erlebt man auch<br />

etwas. So konnte Martin einen toten<br />

Hasen fotografieren, während Nayen<br />

weitere Selfies machte. Auf die Frage,<br />

was er da mache, meinte Martin:<br />

«Wir müssen alle sterben, das ist der<br />

Lauf der Zeit. Aber es ist schön, dass<br />

wir die Reise zusammen erleben<br />

durften. Eine schöne Zeit haben wir<br />

gehabt.»<br />

32 33


— FREUNDSCHAFT —<br />

«Sie haben<br />

mit meinen<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Armen<br />

gespielt»<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Freunde zu finden, war für Ursin in jungen Jahren<br />

einfach. Je älter er wurde, umso mehr wurde er von<br />

Gleichaltrigen ohne Behinderung ausgeschlossen.<br />

Heute hat er wieder Freunde, aber fast alle sind in<br />

einer ähnlichen Situation wie er.<br />

Von Ursin Basler<br />

Das Auffällige an einem Gruppenfoto mit meinen Freunden<br />

wäre, dass fast alle mit einen Elektrorollstuhl darauf<br />

zu sehen sind. Wenn ich mich mit Kollegen darüber<br />

unter halte, stelle ich fest, dass es nicht nur mir so geht.<br />

Viele Menschen mit Einschränkungen leben in Institutionen,<br />

besuchen Sonderschulen und haben dort vor<br />

allem Kontakt mit anderen, die in einer vergleichbaren<br />

Situation sind. Somit kommen sie weniger in Kontakt mit<br />

Gleichaltrigen ohne Einschränkungen.<br />

Ich habe neun Jahre Regelschulen besucht, wurde somit<br />

integrativ geschult und hatte genügend Chancen, Freundschaften<br />

mit gleichaltrigen zu Fuss Gehenden zu entwickeln.<br />

Ich bin froh, dass ich die Regelschule besuchen<br />

durfte. Da fühlte ich mich einige Jahre «normal» und<br />

meine Krankheit rückte in den Hintergrund. Anfangs<br />

hatte ich viele Freunde ohne Einschränkungen und<br />

erlebte viele glückliche Situationen mit ihnen, vor allem<br />

bei Geburtstagspartys. Eine Freundin und ein Freund<br />

organisierten eine Party in einer Kletterhalle und die<br />

Mitarbeitenden dort machten es möglich, dass ich auch<br />

mitmachen konnte. Meine Freunde feuerten mich an<br />

und ich hatte sehr viel Spass. Freunde aus der Klasse<br />

halfen mir auch immer mit meinem Rollstuhl, wenn es<br />

irgendwo nicht rollstuhlgängig war. Auf einer Schulreise<br />

34 35


— FREUNDSCHAFT —<br />

— IN KÜRZE —<br />

Zehn Fragen an …<br />

mussten wir Fotos machen, sie machten welche von mir<br />

und ich von ihnen und wir hatten es richtig lustig. Bei<br />

gen hat. Er erzählte mir, dass seine Freunde ihre Frei-<br />

zeit oft ohne ihn verbringen. Häufig sei keine Kompro-<br />

Von Albert Schwaninger<br />

uns im Dorf trafen wir uns am Freitagnachmittag auf<br />

missbereitschaft da, sich auf Aktivitäten zu beschränken,<br />

einem Sportplatz, wo wir zusammen Musik hörten und<br />

bei denen alle mitmachen können. Räumliche Hinder-<br />

Fussball spielten. Ich durfte mitmachen und alle jubelten<br />

nisse werden so oft zu einer weiteren sozialen Barriere,<br />

mit mir, wenn ich ein Tor schoss. Bei einem Abschlussprojekt<br />

hatten meine Klassenkameraden eine tolle Idee,<br />

wie sie mich einbeziehen konnten. Sie bastelten ein Auto,<br />

wenn z. B. das Haus eines Freundes nicht rollstuhlgängig<br />

ist. Mir ist bewusst, dass gewisse Aktivitäten für mich<br />

unmöglich sind. Ich kann aber trotz meinem Rollstuhl<br />

Und was würdest du gerne<br />

ändern?<br />

das man über den Rollstuhl stülpen konnte. So fuhren<br />

viel unternehmen. Ich mag es, Ausflüge zu machen,<br />

Dass ich aufstehen kann, wann ich<br />

sie mit dem Töffli und ich im Rollstuhl herum, und<br />

zu gamen, essen oder auch mal in den Ausgang zu gehen.<br />

will. Was für Viele selbstverständ-<br />

zwar nicht zu schnell, dass ich immer mitkam. Das war<br />

Ich brauche dabei aber etwas Unterstützung, vor allem<br />

lich ist, geht in der Mathilde Escher<br />

eine tolle Zeit. In der Bezirksschule hatte ich dann einen<br />

Stiftung leider nicht immer.<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

guten Freund, der mir immer mit der Jacke und den<br />

Schulsachen half.<br />

Ausgegrenzt<br />

Meine Behinderung stand lange Zeit nicht im Vordergrund.<br />

Dies änderte sich jedoch im Teenageralter. Meine<br />

Freunde wollten sich ausleben, waren viel unterwegs<br />

und trieben Sport. Viele dieser Aktivitäten waren für<br />

mich aufgrund meiner körperlichen Einschränkung<br />

nicht möglich. Ausserdem war ich weniger schnell unterwegs.<br />

Da hatte ich oft das Gefühl, zu einer Last für sie<br />

zu werden. Wenn etwas nicht rollstuhlgängig war, liessen<br />

sie mich einfach stehen und ich musste mir einen<br />

anderen Weg suchen. Zu jener Zeit begann das Mobbing.<br />

Sie spielten mit meinen Armen, schalteten den Roll -<br />

stuhl aus oder sagten, ich könne im Rollstuhl ja ein WC<br />

einbauen. Bei einem Spiel fuhr ich jemandem über den<br />

Fuss und danach meinten sie, ich sei behindert. Das<br />

traf mich sehr und ich musste weinen. Am Anfang liess<br />

ich es einfach über mich ergehen, später versuchte ich,<br />

«Am Anfang<br />

habe ich es über mich<br />

ergehen lassen.»<br />

beim An- und Ausziehen der Jacke oder wenn ich etwas<br />

aus meinem Rucksack brauche. Dasselbe gilt auch für<br />

WC-Gänge, die ich aber so weit wie möglich hinausschiebe.<br />

Erstens wäre es mir selbst unangenehm und zweitens<br />

möchte ich meine Kollegen nicht in eine unangenehme<br />

Situation bringen. Ich glaube, viele Menschen mögen<br />

keinen nahen Körperkontakt oder finden es eklig. Manchmal<br />

reagieren Menschen genervt, wenn ich sie um Hilfe<br />

Wie würdest du dich beschreiben?<br />

Ich würde mich als aufgestellte<br />

Rahel Ebneter<br />

Alter: 28 Jahre<br />

In der Mathilde Escher Stiftung seit: August 2013<br />

Hobbys: Konzerte besuchen, Lesen, Filme schauen, Gamen<br />

Besondere Kennzeichen: Grosse Klappe, kann gut zuhören<br />

Lieblingskleider: Elegante Kleider, Jeans<br />

Gott, da ich sehr gläubig bin. Anschliessend<br />

gehe ich in die Stadt und<br />

Welches Erlebnis in deinem<br />

Leben ist dir besonders in<br />

Erinnerung geblieben?<br />

2018 war ich in Los Angeles am Strand<br />

von Malibu. Dort besuchte ich das<br />

Strand Café, wo mein Lieblingsschauspieler<br />

Robert Redford auch schon<br />

war.<br />

Was würdest du tun, wenn<br />

du unbegrenzt viel Geld zur<br />

Verfügung hättest?<br />

Ich würde in eine eigene Wohnung<br />

ziehen und meine eigenen Betreuenden<br />

haben.<br />

Was möchtest du in Zukunft<br />

gerne noch erleben?<br />

Dass ein von mir geschriebenes<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

mich zu wehren. Das war aufgrund meiner Einschrän-<br />

bitte. Ich glaube, dass zu viele Forderungen und Erwar-<br />

Person beschreiben. Meist versuche<br />

verkaufe meine selbstgeschriebe-<br />

Buch im Buchhandel erhältlich ist.<br />

kung nicht gut möglich, weshalb ich mich von ihnen<br />

tungen andere Menschen abschrecken. Vielleicht bin ich<br />

ich das Positive an einer Situation<br />

nen Geschichten. Das ist mein Job!<br />

Und ich würde auch gerne eine Reise<br />

fernhielt. Am meisten verletzte mich, dass auch schein-<br />

darum auch so zurückhaltend. Trotzdem habe auch ich<br />

zu sehen. Und ich bin zielstrebig und<br />

Damit verdiene ich noch etwas zu<br />

nach Australien machen.<br />

bare Freunde darunter waren.<br />

Rückzug<br />

Heute bin ich vorsichtig und brauche lange, um Vertrauen<br />

den Wunsch, neue Freunde zu finden. Da ich nicht allzu<br />

kommunikativ bin, fällt es mir aber nicht leicht, neue<br />

Kontakte zu knüpfen.<br />

Seit ich in der Mathilde Escher Stiftung bin, habe ich<br />

gebe fast nie auf.<br />

Was kannst du besonders gut?<br />

Was fällt dir schwer?<br />

meinem IV-Einkommen hinzu. Wenn<br />

ich nicht arbeite, bin ich meist in<br />

meinem Zimmer. Ich bin eine Einzelgängerin.<br />

Wenn es eine Heilung für deine<br />

Krankheit gäbe, was würdest<br />

du tun?<br />

aufzubauen. Manchmal schaue ich mit Wehmut zurück.<br />

Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich nicht gemobbt<br />

worden wäre?<br />

wieder mehr Freunde, die sind aber wie ich alle im Rollstuhl.<br />

Schwer fällt mir, wenn Betreuende<br />

keine Zeit haben, mir die Jacke<br />

an zuziehen. Zum Warten fehlt mir<br />

Was gefällt dir an der Mathilde<br />

Escher Stiftung besonders gut?<br />

Sehr gerne würde Tanzkurse besuchen<br />

und tanzen. Und ich würde<br />

ins Militär gehen!<br />

Seit einem Jahr mache ich meine Ausbildung in der<br />

Mathilde Escher Stiftung. Heute weiss ich, dass meine<br />

Mitlernenden vor ähnlichen Herausforderungen stehen.<br />

Wir haben oft die gleichen Probleme und können uns<br />

austauschen. Meinen Ausbildungskollegen Johnny belas-<br />

meist die Geduld. Besonders gut<br />

kann ich Situationen reflektieren.<br />

Wie sieht dein Alltag in der<br />

Mathilde Escher Stiftung aus?<br />

Dass ich selbstbestimmt leben kann.<br />

Sie machen Vieles möglich und<br />

suchen immer eine individuelle<br />

Lösung. Es wird nicht über den Kopf<br />

hinweg entschieden, man wird<br />

Woran kannst du dich immer<br />

wieder erfreuen?<br />

Ich kann mich an vielen kleinen<br />

Sachen erfreuen, aber was mir Kraft<br />

tet es auch, dass er wenige Freunde ohne Einschränkun-<br />

Am Morgen verbringe ich Zeit mit<br />

respektiert.<br />

gibt, ist mein Glaube.<br />

36 37


— SPORT —<br />

Nach der Gruppenauslosung war klar,<br />

die Schweiz spielt in einer Hammergruppe<br />

bestehend aus Italien (noch<br />

Weltmeister), Holland (amtierender<br />

Europameister) sowie Belgien und<br />

Kanada. Trotz diesen Gegnern war<br />

das Minimalziel klar: eine Medaille<br />

und somit der Einzug in das Halbfinal.<br />

Die Schweizer Mannschaft eröffnete<br />

im Kracherspiel gegen Italien<br />

das Turnier und hatte bereits im<br />

ersten Match ein gefühltes Endspiel<br />

zu bestreiten.<br />

Wichtiger Sieg<br />

Weder das Team Italien noch das<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Schweizer<br />

Triumph!<br />

Team Schweiz brauchten eine lange<br />

Anlaufzeit, nach einigen verpassten<br />

Chancen auf Schweizer Seite stand<br />

es zur Halbzeit 2:1 für Italien. Die<br />

zweite Halbzeit startete verhalten<br />

und die Schweiz lag zwischenzeitlich<br />

mit 4:2 zurück. Doch es gelang<br />

der heimischen Mannschaft nach<br />

einer taktischen Umstellung auf 4:4<br />

auszugleichen. Nach einer Balleroberung<br />

kurz vor Schluss starteten die<br />

Schweizer noch einen letzten Angriff<br />

und Jan Schäublin traf spektakulär<br />

Die Fans fiebern tatkräftig mit der Schweizer Nationalmannschaft mit.<br />

«Die Schweiz hatte bereits<br />

im ersten Match ein gefühltes<br />

Endspiel zu bestreiten.»<br />

12 Sekunden vor Abpfiff zum 4:5 Endstand.<br />

Ein wichtiger Sieg, welcher<br />

vor einer rekordverdächtigen Anzahl<br />

von Fans euphorisch gefeiert wurde.<br />

In den darauffolgenden Spielen gegen<br />

Kanada und Belgien gewann die<br />

Schweizer Auswahl mit 14:0 und 12:0,<br />

bevor sie am Freitag auf die Nieder-<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

lande traf. Auch die Holländer waren<br />

in ihren drei ersten Spielen über-<br />

Erstmals fand vom 9. — 14. August <strong>2022</strong> die Powerchair<br />

Hockey Weltmeisterschaft in der Schweiz statt. Die<br />

Schweizer Nationalmannschaft gewann nach einem<br />

Golden-Goal-Krimi zum ersten Mal eine WM-Medaille.<br />

Gastbeitrag von Noé Spirig<br />

legen und so ging es im letzten Spiel<br />

um den Gruppensieg. In einem offenen<br />

Schlagabtausch und einer für<br />

die Fans sehr unterhaltsamen Partie<br />

gewann die Niederlande schlussendlich<br />

verdient mit 10:5.<br />

Minimalziel erreicht<br />

Das Minimalziel, der Halbfinal-<br />

Auftaktzeremonie der 5. Powerchair Hockey Weltmeisterschaft in Sursee.<br />

Einzug, war dennoch erreicht! Tags<br />

38 39


— SPORT —<br />

— SKY DIVE —<br />

«Ahh!!!!!!»<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Strategiebesprechung der Schweizer Nationalmannschaft während einer Spielpause.<br />

darauf, hiess der Gegner Dänemark.<br />

Die Dänen, Erste der Gruppe B, waren<br />

vor allem defensiv stark. Das Spiel<br />

war ausgesprochen taktisch, keine<br />

Mannschaft wollte einen Fehler<br />

machen. Die Dänen gingen früh in<br />

Führung, der Schweiz gelang es aber<br />

schnell durch eine schöne Kombination<br />

auszugleichen. Nach einem<br />

präzisen Weitschuss von dänischer<br />

Seite geriet das Schweizer Team<br />

abermals in Rückstand und ging<br />

mit 2:1 in die <strong>Pause</strong>. Nach dem Unterbruch<br />

kämpfte die Schweiz noch<br />

entschlossener und biss sich Angriff<br />

um Angriff die Zähne am dänischen<br />

Bollwerk aus. Die Dänen trafen<br />

kurz vor Schluss zum 3:1 und entschieden<br />

das Spiel. Die Schweiz verpasste<br />

das Finale knapp.<br />

Spiel ums Golden-Goal<br />

Die Enttäuschung war gross, aber<br />

es blieb nicht viel Zeit, um diese<br />

Niederlage zu verdauen. Der nächste<br />

Gegner im Spiel um den 3. Platz hiess<br />

Finnland. Das letzte Spiel startete<br />

«Die Schweiz biss sich<br />

die Zähne am dänischen<br />

Bollwerk aus.»<br />

fulminant, mit vielen Schweizer<br />

Chancen in der Anfangsphase. Zur<br />

Halbzeit stand es 3:1 für die Schweiz,<br />

ein wenig schmeichelhaftes Ergebnis<br />

für die Finnen. Doch in der zweiten<br />

Halbzeit räusperte sich Finnland<br />

und holte auf. Das Spiel war nun ein<br />

offener Schlagabtausch und kurz vor<br />

Schluss stand es 4:3 für die Schweiz.<br />

Es fehlte nicht mehr viel für die<br />

Bronze-Medaille vor heimischer<br />

Kulisse, doch nach einem unnötigen<br />

Ballverlust in der neutralen Zone<br />

gelang es den Finnen tatsächlich,<br />

45 Sekunden vor Schluss auszugleichen!<br />

Das Spiel musste in die Ver -<br />

längerung, es wurde um das Golden-<br />

Goal gespielt. Die Nervosität in der<br />

Halle war greifbar, aber den Sportlerinnen<br />

und Sportlern gelang es,<br />

sich davon nicht anstecken zu lassen<br />

und konzentriert weiterzuspielen.<br />

Nach ein paar Halbchancen auf<br />

beiden Seiten kam es endlich zu dem<br />

entscheidenden Tor, Nelson Braillard<br />

traf und das Spiel war entschieden.<br />

Ein historischer Sieg und die erste<br />

Medaille für die Schweiz an einer<br />

Endrunde!<br />

Der Erfolg wurde anschliessend<br />

gebührend mit Fans und Zugewandten<br />

zelebriert. Nebst den sportlichen<br />

Leistungen war das Turnier dank<br />

den vielen Fans, der unzähligen<br />

frei willigen Helferinnen und Helfer<br />

sowie dem lokalen Organisationskomitee<br />

ein sportliches Highlight,<br />

eine der erfolgreichsten Weltmeisterschaften<br />

in der Geschichte dieser<br />

Sportart und eines der grössten Highlights<br />

meiner bisherigen Karriere.<br />

NOÉ SPIRIG<br />

Noé Spirig ist Spieler bei den Iron-Cats<br />

und seit 2011 im Kader des Schweizer<br />

Nationalteams. Mit den Iron-Cats durfte<br />

er bereits dreimal den Schweizermeister<br />

und fünfmal den Swisscup-Sieg feiern.<br />

International nahm er an zwei Europaund<br />

Weltmeisterschaften teil.<br />

Adrenalin<br />

pur!<br />

Ein besonderer<br />

Tag im<br />

Leben von…<br />

Martin liebt das Risiko. Im letzten Sommer<br />

hat er sich etwas Besonderes gegönnt —<br />

einen Tandemsprung aus 4000 Metern<br />

Höhe bei bestem Wetter und vor dem<br />

Alpenpanorama des Vierwaldstätter Sees.<br />

Als sich der Schirm nach 50 Sekunden<br />

freiem Fall öffnete, konnte Martin auch<br />

die traumhafte Aussicht geniessen. «Der<br />

Zauber dauerte nur etwa sechs Minuten,<br />

aber die Erinnerung bleibt für immer!»<br />

wow!<br />

40 41<br />

«Erfolgreich<br />

The King of the Day!<br />

gelandet»<br />

qq<br />

+<br />

k<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung


— VORGESTELLT —<br />

«Ich wollte nicht<br />

Lehrerin werden»<br />

PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />

Mit ihrer fröhlichen aufgestellten<br />

Art gelingt es Elisabeth Ernst,<br />

junge Menschen zu motivieren<br />

und sie für Neues zu begeistern.<br />

Seit elf Jahren unterrichtet<br />

sie nun in der Sekundarschule<br />

der Mathilde Escher Stiftung<br />

und hat dafür sogar ihre Pension<br />

verschoben.<br />

Von Manuel Melder<br />

«Eigentlich wollte ich nicht Lehrerin werden,<br />

sondern Innenarchitektur studieren oder auf<br />

die Schauspielschule gehen.» Elisabeths Eltern<br />

fanden jedoch, beides seien brotlose Künste<br />

und keine richtigen Berufe. Sie solle etwas<br />

Anständiges lernen. So liess sie sich überreden<br />

und wollte es besser machen als einige<br />

ihrer Lehrpersonen, vor denen sie teilweise<br />

sogar richtig Angst hatte. Sie studierte an der<br />

Pädagogischen Hochschule in Ravensburg und<br />

arbeitete anschliessend als Lehrerin, bis sie<br />

per Zufall im Textilgrosshandel landete. Dort<br />

führte sie Warenkontrollen durch und kam in<br />

der ganzen Welt herum. Da Reisen ihre «grosse<br />

Leidenschaft» war, kam ihr das sehr gelegen.<br />

Dann kamen ihre drei Kinder zur Welt. Ihre<br />

grösste Freude ist, dass sie bis heute ein tolles<br />

Verhältnis zu ihnen hat. «Ich bin sicher eine<br />

Person, die gerne lacht und ein positives Naturell<br />

mit in die Wiege gelegt bekommen hat.»<br />

Als die Kinder grösser waren, gab sie zunächst<br />

Nachhilfestunden. Durch ein Zeitungsinserat<br />

wurde sie auf die Mathilde Escher Stiftung<br />

aufmerksam. Mittlerweile ist sie bereits seit<br />

elf Jahren mit viel Geduld, Engagement und<br />

42<br />

Humor in der Stiftung als Lehrerin in der<br />

Sekundarschule tätig. «Ich möchte junge Men -<br />

schen mit Freude und Kreativität motivieren<br />

und sie für Neues begeistern», beschreibt sie<br />

ihre Motivation. Langweilig wird es ihr nicht.<br />

Sie ist sehr gern draussen in der Natur. Am<br />

liebsten treibt sie Sport an der frischen Luft.<br />

Im Winter geht sie gern Ski fahren oder langlaufen,<br />

im Sommer je nach Wetter biken, wandern,<br />

golfen und schwimmen. Zur Abwechslung<br />

zieht sie sich auch gern mal zurück und liest<br />

ein Buch. Eigentlich wäre sie seit letztem Jahr<br />

pensioniert, doch «im Garten nur Primeli an -<br />

pflanzen» ist nichts für sie. Elisabeth braucht<br />

Herausforderungen und hat Spass daran. Trotz -<br />

dem war die Zeit reif für etwas mehr Frei-<br />

raum, z. B. zum Reisen, weshalb sie die Stiftung<br />

im Sommer <strong>2022</strong> nun doch verliess.<br />

Wir bringen dein Grafikprojekt<br />

zum Fliegen!<br />

Logos, Flyer, Broschüren,<br />

Webseiten, Inserate, Visitenkarten<br />

Einfach fragen, wir beraten gerne!<br />

www.creation-handicap.ch

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