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E-Paper DB 5+6-22

Dental Barometer - Fachzeitschrift für Zahnmedizin und Zahntechnik

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PERSONALMANAGEMENT<br />

35<br />

vernünftige.“ Auch aus der Personalauswahl bezüglich der<br />

Praxismitarbeiter kann man eine Wissenschaft machen – mit<br />

psychometrischen Eignungstests und Assessment-Centern.<br />

Das kann sogar sinnvoll sein: Die gegenwärtig vermehrt entstehenden<br />

MVZ-Ketten beschäftigen oft eine dreistellige Zahl<br />

von Zahnärzten, und entsprechend noch viel mehr Assistenzpersonal:<br />

Da rentiert sich ein elaborierter Personalauswahlprozess<br />

„mit allen Schikanen“. Aber auch in der kleinen<br />

Zahnarztpraxis geht es bei der Mitarbeitergewinnung immer<br />

um einen – wenn auch vielleicht simplen und rudimentären<br />

– Auswahltest.<br />

Also gelten die klassischen drei Testgütekriterien 3 : Von selbst<br />

versteht sich die Validität – misst mein „Eignungstest“ das,<br />

was ich messen will? Wenn ich Kieferorthopäde bin, werde<br />

ich nicht nach Kompetenzen in chirurgischer Assistenz fragen.<br />

Das klingt einfach – aber der stets unter Zeitdruck agierende<br />

Praxisinhaber verlässt sich oft auf publizierte „Fragebögen“,<br />

die überhaupt nicht valide sind: entweder viel zu<br />

allgemein gehalten, oder – wenn ins Detail gehend – unpassend<br />

für die spezielle Stellenbeschreibung in der konkreten<br />

Praxis XY. Es bleibt die Empfehlung: unbedingt selbst überlegen,<br />

auch wenn das zeitraubend/lästig ist. Die Reliabilität<br />

sollte ansatzweise gegeben sein: Eine Art „Messgenauigkeit“,<br />

die beispielsweise verfehlt wird, wenn man sich für<br />

das eine Vorstellungsgespräch eine gute Stunde Zeit nimmt,<br />

das andere dagegen „zwischen Tür und Angel“ in knapp 30<br />

Minuten abwickelt.<br />

Diskutieren kann man über die Objektivität: Das „Testergebnis“<br />

soll allgemein nicht abhängig sein von der Person<br />

des Testleiters. In kleineren Zahnarztpraxen könnte man sich<br />

aber durchaus selbstbewusst zur Subjektivität bekennen: Die<br />

Mitarbeiterin muss zur Chefin/zum Chef passen, wenn hier<br />

wechselseitig die Chemie nicht stimmt, nützen auch objektiv<br />

ausgezeichnete Kompetenzen wenig. Die erste Phase dieses<br />

Auswahltestverfahrens besteht in der Sichtung der eingereichten<br />

Bewerbungsunterlagen. Und zwar im Hinblick auf<br />

die individuellen Präferenzen: Mancher legt viel Wert auf<br />

ausgezeichnete Deutschkenntnisse, anderswo wird vielleicht<br />

in Anpassung an das Patientenklientel gerade eine Türkisch-<br />

Muttersprachlerin hoch im Kurs stehen.<br />

Wie soll man Schulabschlusszeugnisse bewerten? Mancher<br />

legt Wert auf gute Mathematik- oder Englischnoten<br />

mit dem Argument: Wer hier gut abschneidet, beweist allgemeine<br />

kognitive Fähigkeiten. Nach meiner persönlichen<br />

Erfahrung aus über 35 Jahren sollten Schulzeugnisse aber<br />

nicht überbewertet werden; ich habe beste Erfahrungen mit<br />

Haupt- beziehungsweise Mittelschulabschluss: Eine tüchtige<br />

ZFA muss meines Erachtens nicht unbedingt Latein können.<br />

Interessanter sind die Arbeitszeugnisse der früheren<br />

Arbeitgeber. Besonders wichtig ist der allgemeine Lebenslauf:<br />

Gibt es auffällige Lücken oder Brüche? Wurde vieles<br />

begonnen und nicht zum Abschluss geführt, zum Beispiel<br />

verschiedene Schultypen und besonders womöglich mehrere<br />

abgebrochene Ausbildungsverhältnisse in anderen<br />

Branchen („hier weiß jemand nicht, was er/sie will“). Sehr<br />

misstrauisch werde ich, wenn in zwei Jahren fünfmal die<br />

Stelle gewechselt wurde – da stimmt etwas nicht. Wer nun<br />

viele Bewerbungen bekommen hat, kann auf dieser Ebene<br />

bereits aussortieren und nur zwei oder drei Einladungen<br />

zum Vorstellungsgespräch versenden. Wer kaum Bewerbungen<br />

hat, wird möglicherweise alle einladen – in der<br />

Hoffnung auf einen unvorhersehbaren „Treffer“.<br />

Das Vorstellungsgespräch: allgemeine Regeln<br />

Leider bereiten sich Praxisinhaber oft nur oberflächlich oder<br />

gar nicht auf diesen wichtigen Termin vor. Bei der Einstellung<br />

einer ZFA geht es um viele tausend Euro (pro Jahr!), das<br />

sollte gut überlegt und strukturiert werden. Ein Vorstellungsgespräch<br />

hat nämlich drei Teile beziehungsweise Einzelgespräche:<br />

Zunächst das Qualifikationsgespräch 9 , in dem die<br />

Eignung der Bewerberin untersucht wird. Zweitens das Einstellungsgespräch,<br />

in dem die betreffende Praxis beschrieben<br />

und die Konditionen erörtert werden. Drittens geht es heutzutage<br />

sozusagen übergeordnet darum, möglichst attraktiv<br />

auf die wenigen gut geeigneten Bewerber zu wirken: Gib der<br />

ZFA (mindestens) einen guten Grund, warum sie ausgerechnet<br />

in deiner Praxis arbeiten soll. Alle drei Teile sollten gut<br />

vorbereitet werden.<br />

Bevor wir diese drei Gesprächsabschnitte näher beschreiben,<br />

sollen allgemeine Gesichtspunkte Erwähnung finden.<br />

Bekanntlich hat der „erste Eindruck“ immer hohes Gewicht.<br />

Unser Gehirn entscheidet in 150 Millisekunden, ob wir eine<br />

Person mögen oder nicht. In manchen Fällen kann tatsächlich<br />

binnen kürzester Zeit das Urteil „ungeeignet“ feststehen,<br />

zum Beispiel aufgrund eines „unmöglichen“ Erscheinungsbildes<br />

oder Benehmens. Meist aber sollte man sich nicht vom<br />

ersten Eindruck vorschnell täuschen lassen, zumal in Zeiten<br />

drückenden Fachkräftemangels. Es besteht nämlich die<br />

Gefahr des „confirmation bias“ (Bestätigungsfehler) 2 : Man<br />

bildet sich vorschnell einen Eindruck und im gesamten folgende<br />

Gespräch sucht man unbewusst nach Informationen,<br />

welche diesen vorgefassten Eindruck bestätigen. Eine brauchbare<br />

Regel – auch für Diagnostik und Therapie – lautet: Versuche,<br />

deine vorgefasste Meinung zu falsifizieren, also gute<br />

Gründe dagegen zu finden! Ein heikler Punkt in Zeiten allgemeinen<br />

Personalmangels: Soll man seine Standards senken<br />

und sehenden Auges eine eigentlich minderqualifizierte Kraft<br />

einstellen, um überhaupt zwei Hände zu bekommen, auch<br />

wenn es zwei linke Hände sein sollten?<br />

Einerseits wird hiervor zu Recht gewarnt: man hüte sich,<br />

unter sein Niveau zu sinken. Andererseits kenne ich konkret<br />

eine Praxis, welche unfreiwillig am Donnerstagnachmittags<br />

geschlossen ist: Man hat mehr schlecht als recht aus mehreren<br />

Teilzeitkräften ein Personaltableau zusammengebastelt,<br />

wobei für den erwähnten Nachmittag keine einzige Mitarbeiterin<br />

mehr verfügbar war. Da ist die Versuchung groß, einfach<br />

irgendeine – auch objektiv ungeeignete – Bewerberin zu »<br />

DENTAL BAROMETER AUSGABE 5 + 6 I 20<strong>22</strong>

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