E-Paper DB 5+6-22
Dental Barometer - Fachzeitschrift für Zahnmedizin und Zahntechnik
Dental Barometer - Fachzeitschrift für Zahnmedizin und Zahntechnik
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PERSONALMANAGEMENT<br />
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vernünftige.“ Auch aus der Personalauswahl bezüglich der<br />
Praxismitarbeiter kann man eine Wissenschaft machen – mit<br />
psychometrischen Eignungstests und Assessment-Centern.<br />
Das kann sogar sinnvoll sein: Die gegenwärtig vermehrt entstehenden<br />
MVZ-Ketten beschäftigen oft eine dreistellige Zahl<br />
von Zahnärzten, und entsprechend noch viel mehr Assistenzpersonal:<br />
Da rentiert sich ein elaborierter Personalauswahlprozess<br />
„mit allen Schikanen“. Aber auch in der kleinen<br />
Zahnarztpraxis geht es bei der Mitarbeitergewinnung immer<br />
um einen – wenn auch vielleicht simplen und rudimentären<br />
– Auswahltest.<br />
Also gelten die klassischen drei Testgütekriterien 3 : Von selbst<br />
versteht sich die Validität – misst mein „Eignungstest“ das,<br />
was ich messen will? Wenn ich Kieferorthopäde bin, werde<br />
ich nicht nach Kompetenzen in chirurgischer Assistenz fragen.<br />
Das klingt einfach – aber der stets unter Zeitdruck agierende<br />
Praxisinhaber verlässt sich oft auf publizierte „Fragebögen“,<br />
die überhaupt nicht valide sind: entweder viel zu<br />
allgemein gehalten, oder – wenn ins Detail gehend – unpassend<br />
für die spezielle Stellenbeschreibung in der konkreten<br />
Praxis XY. Es bleibt die Empfehlung: unbedingt selbst überlegen,<br />
auch wenn das zeitraubend/lästig ist. Die Reliabilität<br />
sollte ansatzweise gegeben sein: Eine Art „Messgenauigkeit“,<br />
die beispielsweise verfehlt wird, wenn man sich für<br />
das eine Vorstellungsgespräch eine gute Stunde Zeit nimmt,<br />
das andere dagegen „zwischen Tür und Angel“ in knapp 30<br />
Minuten abwickelt.<br />
Diskutieren kann man über die Objektivität: Das „Testergebnis“<br />
soll allgemein nicht abhängig sein von der Person<br />
des Testleiters. In kleineren Zahnarztpraxen könnte man sich<br />
aber durchaus selbstbewusst zur Subjektivität bekennen: Die<br />
Mitarbeiterin muss zur Chefin/zum Chef passen, wenn hier<br />
wechselseitig die Chemie nicht stimmt, nützen auch objektiv<br />
ausgezeichnete Kompetenzen wenig. Die erste Phase dieses<br />
Auswahltestverfahrens besteht in der Sichtung der eingereichten<br />
Bewerbungsunterlagen. Und zwar im Hinblick auf<br />
die individuellen Präferenzen: Mancher legt viel Wert auf<br />
ausgezeichnete Deutschkenntnisse, anderswo wird vielleicht<br />
in Anpassung an das Patientenklientel gerade eine Türkisch-<br />
Muttersprachlerin hoch im Kurs stehen.<br />
Wie soll man Schulabschlusszeugnisse bewerten? Mancher<br />
legt Wert auf gute Mathematik- oder Englischnoten<br />
mit dem Argument: Wer hier gut abschneidet, beweist allgemeine<br />
kognitive Fähigkeiten. Nach meiner persönlichen<br />
Erfahrung aus über 35 Jahren sollten Schulzeugnisse aber<br />
nicht überbewertet werden; ich habe beste Erfahrungen mit<br />
Haupt- beziehungsweise Mittelschulabschluss: Eine tüchtige<br />
ZFA muss meines Erachtens nicht unbedingt Latein können.<br />
Interessanter sind die Arbeitszeugnisse der früheren<br />
Arbeitgeber. Besonders wichtig ist der allgemeine Lebenslauf:<br />
Gibt es auffällige Lücken oder Brüche? Wurde vieles<br />
begonnen und nicht zum Abschluss geführt, zum Beispiel<br />
verschiedene Schultypen und besonders womöglich mehrere<br />
abgebrochene Ausbildungsverhältnisse in anderen<br />
Branchen („hier weiß jemand nicht, was er/sie will“). Sehr<br />
misstrauisch werde ich, wenn in zwei Jahren fünfmal die<br />
Stelle gewechselt wurde – da stimmt etwas nicht. Wer nun<br />
viele Bewerbungen bekommen hat, kann auf dieser Ebene<br />
bereits aussortieren und nur zwei oder drei Einladungen<br />
zum Vorstellungsgespräch versenden. Wer kaum Bewerbungen<br />
hat, wird möglicherweise alle einladen – in der<br />
Hoffnung auf einen unvorhersehbaren „Treffer“.<br />
Das Vorstellungsgespräch: allgemeine Regeln<br />
Leider bereiten sich Praxisinhaber oft nur oberflächlich oder<br />
gar nicht auf diesen wichtigen Termin vor. Bei der Einstellung<br />
einer ZFA geht es um viele tausend Euro (pro Jahr!), das<br />
sollte gut überlegt und strukturiert werden. Ein Vorstellungsgespräch<br />
hat nämlich drei Teile beziehungsweise Einzelgespräche:<br />
Zunächst das Qualifikationsgespräch 9 , in dem die<br />
Eignung der Bewerberin untersucht wird. Zweitens das Einstellungsgespräch,<br />
in dem die betreffende Praxis beschrieben<br />
und die Konditionen erörtert werden. Drittens geht es heutzutage<br />
sozusagen übergeordnet darum, möglichst attraktiv<br />
auf die wenigen gut geeigneten Bewerber zu wirken: Gib der<br />
ZFA (mindestens) einen guten Grund, warum sie ausgerechnet<br />
in deiner Praxis arbeiten soll. Alle drei Teile sollten gut<br />
vorbereitet werden.<br />
Bevor wir diese drei Gesprächsabschnitte näher beschreiben,<br />
sollen allgemeine Gesichtspunkte Erwähnung finden.<br />
Bekanntlich hat der „erste Eindruck“ immer hohes Gewicht.<br />
Unser Gehirn entscheidet in 150 Millisekunden, ob wir eine<br />
Person mögen oder nicht. In manchen Fällen kann tatsächlich<br />
binnen kürzester Zeit das Urteil „ungeeignet“ feststehen,<br />
zum Beispiel aufgrund eines „unmöglichen“ Erscheinungsbildes<br />
oder Benehmens. Meist aber sollte man sich nicht vom<br />
ersten Eindruck vorschnell täuschen lassen, zumal in Zeiten<br />
drückenden Fachkräftemangels. Es besteht nämlich die<br />
Gefahr des „confirmation bias“ (Bestätigungsfehler) 2 : Man<br />
bildet sich vorschnell einen Eindruck und im gesamten folgende<br />
Gespräch sucht man unbewusst nach Informationen,<br />
welche diesen vorgefassten Eindruck bestätigen. Eine brauchbare<br />
Regel – auch für Diagnostik und Therapie – lautet: Versuche,<br />
deine vorgefasste Meinung zu falsifizieren, also gute<br />
Gründe dagegen zu finden! Ein heikler Punkt in Zeiten allgemeinen<br />
Personalmangels: Soll man seine Standards senken<br />
und sehenden Auges eine eigentlich minderqualifizierte Kraft<br />
einstellen, um überhaupt zwei Hände zu bekommen, auch<br />
wenn es zwei linke Hände sein sollten?<br />
Einerseits wird hiervor zu Recht gewarnt: man hüte sich,<br />
unter sein Niveau zu sinken. Andererseits kenne ich konkret<br />
eine Praxis, welche unfreiwillig am Donnerstagnachmittags<br />
geschlossen ist: Man hat mehr schlecht als recht aus mehreren<br />
Teilzeitkräften ein Personaltableau zusammengebastelt,<br />
wobei für den erwähnten Nachmittag keine einzige Mitarbeiterin<br />
mehr verfügbar war. Da ist die Versuchung groß, einfach<br />
irgendeine – auch objektiv ungeeignete – Bewerberin zu »<br />
DENTAL BAROMETER AUSGABE 5 + 6 I 20<strong>22</strong>